1831 / 65 p. 4 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

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Bewohner derselben, alle Waffen, welche bei der Transporti⸗ zung von Verwundeten verloren gingen und von ihnen ge— funden wuͤrden, augenblicklich an den Generalstab abzuliefern; wer dies nicht thaͤte, solle als Verbrecher gegen die Sicher— heit des Landes betrachtet und vor das Kriegsgericht gezogen werden. Außerdem sey zu seiner Kenntniß gekommen, daß sich in den Haͤusern der Hauptstadt eine bebeutende Anzahl Marodeurs verborgen halte; er warne daher alle Buͤrger, indem er ihnen bekannt mache, daß, wer einen gesunden Mi— litaͤr aus den Linien-Regimentern verberge, als ein uͤbelge— sinnter, dem oͤffentlichen Wohl schaͤdlicher Buͤrger betrachtet und zu personlicher Verantwortlichkeit gezogen werden solle.

In der Polnischen Zeitung befindet sich ein einge— sandter Artikel, worin ein Burger daruͤber Klage fuͤhrt, daß er fuͤr seinen verwundeten Sohn keine Huͤlfe in Warschau habe finden koͤnnen. Sobald dieser in die Stadt gebracht worden, habe er sich zu mehreren Aerzten begeben und dar— auf, da alle in den Lazarethen beschaͤftigt gewesen, zu einem ihm bekannten Doktor Niedbzielski. „Ich traf denselben“, heißt es weiter, „bei einem Gastmahl. Auf mein Flehen, denn ich flehte ihn als Vater an, obgleich ich es nicht noͤthig hatte, um seine Dienste zu betteln, da ich, Gott sey Dank, seine Forderungen befriedigen konnte und ihm gern mehr ge— geben haͤtte, als er forderte, auf mein Flehen antwortete er, er sey ermuͤdet, „„schicken Sie morgen ihren Sohn in den Kossowskischen Palast, da werde ich nach seiner Wunde se— hen.““ Keine Bitten, nicht die Vorstellung der dringend— sten Gefahr vermochten etwas uͤber ihn. Seht da einen würdigen Polen, einen seinen Beruf ehrenden Arzt! Mit Schmerz mache ich diese That bekannt; aber die Welt soll wissen, was fuͤr Entartete wir noch unter uns haben, die . Beruf dem Namen Polen und der Menschheit Schmach

ringen.

Die Steuerpflichtigen von Warschau und Praga werden unterm 22sten v. M. von dem Municipalrath ermahnt, die erste Rate der gewohnlichen und erhoͤhten Rauchfangs⸗Steuer vom 3. Maͤrz bis zum Ende dieses Monats regelmaͤßig zu entrichten, widrigenfalls sie es sich selst zuzuschreiben hatten, wenn man sich zu Executions⸗-Maaßregeln genoͤthigt saͤhe.

Die Polnische Bank hat gestern bekannt gemacht, daß, zufolge der fruͤheren Anzeige, heute um 10 Uhr Vormittags in ihrem Bureau reglementsmäßig die Nummern-Ziehung derjenigen Serie der Partial⸗Obligationen stattfindet, deren Verlosung, nach dem Plan der Anleihe von 42 Millionen, am 15. Maͤrz d. J. erfolgen soll.

Von der Polnischen Gränze, den 2. März. Nach Prlvat⸗Nachrichten aus Warschau ist die Russische Armee groͤßtentheils nach Plock, ein Theil nach Gora mar— schirt, und vor Warschau ist nur ein Observations-Corps zu— ruͤckgeblieben. Man haͤlt die Truͤmmer der Polnischen Armee nicht mehr fur stark genug, um noch einmal eine offene Feld—⸗ schlacht annehmen zu koͤnnen. Der Wille der Buͤrgerschaft, die Stadt nicht der Zerstoͤrung preiszugeben, spricht sich, jenen Nachrichten zufolge, immer lauter aus; die herrschende Partei der Exaltirten scheint es aber aufs Aeußerste kommen lassen zu wollen und findet eine große Stuͤtze in der Anwe— senheit der Armee.

. Deutschlan d.

Hannover, 1. Maͤrz. Se. Koͤnigl. Majestaͤt haben Sr. Erlaucht dem regierenden Grafen von Castell, Sr. Durchlaucht dem Fuͤrsten Franz zu Hohenlohe⸗-Schillings fuͤrst und Sr. Durchlaucht dem regierenden Fuͤrsten von Thurn und Taxis das Großkreuz des Guelphen- Ordens und dem

Kammerrath Grafen von der Schulenburg-Wolfsburg das

Commandeur⸗ Kreuz desselben Ordens zu verleihen geruht.

Die, nach den Befehlen Sr. Majestaäͤt in der hiesigen

Residenz zu etablirende höhere Gewerb-Schule wird, fuͤr alle bei selbiger zu lehrende Diseiplinen, am 3. Okt. d. J. eroff⸗ net werden. arne. . . Denjenigen Kontribuenten, welche die Grundsteuer bis⸗ her zu voll eingezahlt haben, soll, zufolge der Bekanntmachung

des Ober⸗Steuer Kollegiums vom 21. Febr., die nach der Kö⸗

aiglichen Verordnung vom 5. Juli v. J. ihnen zukommende Vergütung des zehnten Theils der Steuer vom Ackerlande fuͤr das ganze Rechnungsjahr vom 1. Juli 1830 bis dahin i831 im Monat Aprll d. J. bel Einzahlung der laufenden

Grundsteuer, durch Anrechnung auf selbige oder durch baare

Ruͤckzahlung, zu Theil werden; mit dem J. Juli d. J. nimmt die Erhebung der Grundsteuer in dem nach der vorgedachten Verordnung herabgesetzten Maaß ihren Anfang. 6. Zu Bevensen ist versuchsweise elne Haupt⸗Legge ⸗Anstalt errichtet, welche am 7ten k. M, eroͤffnet werben wird.

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der Cortes die Rede seyn.

Dresden, 1. Maͤrz. Se. Majestaͤt der Koͤnig und Se. Königl. Hoheit der Prinz Mitregent haben diesen Mor— gen, in feierlicher Audienz, unter Beiwohnung des Gehei— men Raths, einer Deputatlon der einberufenen Landstaͤnde den Entwurf der Verfassung uͤbergeben, welche Allerhoͤchst— und Hoͤchstdieselben dem Lande zu ertheilen sich entschlossen a. 1 woruͤber die ftaͤndische Berathung sofort eroͤffnet erden soll.

z. Spanien.

Madrid, 17. Febr. Am 14ten d. M. fand hier ein Subscriptions⸗Ball statt, der dadurch zu einer Merkwuͤr— digkeit und hohen Festlichkeit wurde, daß, der sonstigen Eti— quette des hiesigen Hofes ganz entgegen, Ihre Majestaͤten der Koͤnig und die Königin in Begleitung des JJ. KK. HH. In— fanten Don Francisco de Paula und Hoͤchstdeffen Gemahlin, den⸗ selben unverhofft mit Ihrer Gegenwart zu beehren uns von neun Uhr Abends bis zwei Uhr Morgens auf demselben zu verweilen geruhten. Ihre Majestaͤten erschienen ohne Ge— solge, und die Koͤnigin, so wie die Frau Infantin und der In— fant, tanzten saͤmmtliche Taͤnze mit und hezauberten alle An— wesenden durch ihre Huld und Leutseligkeit. Zuerst tanzte Ihre Majestaͤt mit Allerhöͤchst Ihrem Schwager dem Hrn. In⸗ fanten, hierauf mit dem Franzoösischen Botschafter, sodann mit dem Koͤnigl. Preußischen Gesandten und mit mehreren Gran— den von Spanien. Um halb ein Uhr geruhten J. J. M. M. und J. J. K. K. H. H. sich in den Speise⸗Saal zu verfuͤgen, nach aufgehobener Tafel aber kehrte die Koͤnigin mit der Frau Infantin in den Tanz⸗Saal zuͤruͤck, waͤhrend der Koͤnig noch im Speise-Saale verweilte und sich mit den daselbst anwe⸗ senden Personen auf das leutsellgste unterhielt. Der Koͤnig und die Koͤnigin verließen das Ball-Fest, wie schon gesagt, um 2 Uhr. Der Herr Infant und die Frau Infantin nahmen jedoch noch bis um 55 Uhr an dem Balle Theil. Vom di— plomatischen Corps waren der Franzoͤsische Botschafter, der Königl. Preußische und der Koͤnigl. Siellianische Gesandte, desgleichen der Gesandte der Vereinigten Staaten von Nord— Amerika und die Geschaͤftstraͤger von Sachsen, Daͤnemark ꝛc.

zugegen. Der Graf Figueira, Gesandter Dom Miguels am

Spanischen Hofe, hatte sich ebenfalls eingefunden. Der ehemalige Franzoͤsische Botschafter, Vicomte de St. Priest, Her⸗ zog v. Almazan, hat Madrid am 15. d. M. verlassen und ssich nach Barcelona begeben, wo ein nach Genua bestimmtes Sar— dinisches Schiff seiner wartet, und wo er mit feiner Gemah— lin zusammentrifft, die in Montpellier in der zweiten Halfte des Monats Januar ihr Wochenbett gehalten, hatte. Sie

begeben sich nach Rom und Neapel und werden, wie es ver⸗

lauten will, sich; in Siellien niederlassen. Der Ban— quier der Spanischen Krone in Paris, Herr Aguado, ist vor einigen Tagen hier angelangt. Es ist wohl außer Zweifel, daß von einer Anleihe oder Negociation von Renten die Rede ist. Um dies zu bewerkstelligen, was unter den gegen— waͤrtigen politischen Verhaͤltnissen schwieriger als jemals er⸗ scheint, duͤcfte, wie man meint, vielleicht von Anerkennung einer etwa durch, das Loos zu bestimmenden Anzahl Bons ] Mit Herrn Aguado ist auch der beruͤhmte Komponist Rossini hier angelangt; derselbe be— absichtigt, wie man vernimmt, wo moͤglich ein Darlehn ein— zukassiren, welches vor mehreren Jahren von seiner jetzigen

Frau (ehemals Mademoiselle Colbran, eine Spanierin und

fruͤher als ausgezeichnete Saͤngerin bekannt) einem vorneh—

men Spanier in Italien gemacht worden. Nach den neue⸗ sten Nachrichten aus Lissabon haben dermalen alle Auslaͤnder,

namentlich auch die Konsuln der andern Europaͤmschen Machte, einen sehr schweren Stand und sind selbst persoͤnlichen Angriffen ausgesetzt; ein Ver such, den Großbritanischen Bie r n. anzufallen, lst mißlungen, indem Letzterer so gluͤcklich war, zu entkommen, allein der Daͤnische Konsul ist während vier Stunden in gefaͤnglicher Haft gewesen und nur erst nach Vorzeigung seines Exeguaturs in Freiheit gesetzt worden. Zwei Militair⸗Kommissionen sind, die eine zu Lissabon, die andere ö Porto, errichtet, um diejenigen summarisch und in aller Kuͤrze zu richten und zu verurtheilen, welche in der

Verschworung, die am sten d. M. ausbrechen sollte und ent—

deckt worden war, kompromittirt sind. Eine sehr große An— zahl Menschen hat man deshalb kuͤrzlich arretirt. .

In land. ö

Berlin, 5. Maͤrz Durch die Thaͤtigkelt des in Danzig be— stehenden Verelns fuͤr die Besserung der Straf⸗Gefangenen und verwahrlosten Kinder, sind im verflossenen Jahre in den verschie⸗ denen Bezirken der Stadt neun Schul- und Erzlehungs-Anstal⸗

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ten errichtet worden, in welchen jetzt 2387 arme verwahrloste Kin⸗ der erzogen, unterrichtet und mit nuͤtzlichen Hand-Arbeiten beschaͤftigt werden. Drei von diesen Anstalten sind fuͤr ganz kleine Kinder beiderlei Geschlechts, deren Eltern den Tag uͤber außer dem Hause Arbeit suchen, vier Anstalten sind fuͤr Maͤdchen, und eine von zwei Abtheilungen fuͤr Knaben von 5 bis 15 Jahren, die bisher auf den Straßen umherliefen, bettelten und Unfug trieben, und eine Anstalt ist fuͤr verbre— cherische Knaben bestimmt, die des Diebstahls oder anderer grober Vergehungen wegen, schon vom Gericht bestraft wor— den sind. Die Anstalt fuͤr verbrecherische Kinder, in wel— che bis jetzt 12 verbrecherische Knaben aufgenommen sind, ist in einem besondern Hause mit einem geraͤumigen Garten er— richtet. Die Knaben wohnen in der Anstalt, leben Tag und Nacht unter der Aufsicht des angestellten Lehrers, dem alle Pflichten eines Hausvaters uͤbertragen worden sind, und werden aus der Kasse des Vereins gekleidet, verpflegt und mit allen geistigen und leiblichen Beduͤrfnissen ver— sorgt. Einige Kandidaten der Theologie unterstuͤtzen den Lehrer freiwillig bei dem Unterricht und bei der Erziehung, und einige Handwerker unterrichten die Knaben taͤglich in Handarbeiten. Bei der Wahl des Hausvaters ist auf Kennt— niß der Gartenkunst Ruͤcksicht genommen, damit die Knaben im Sommer mit Gartenarbeiten beschaͤftigt werden konnen. Zwei Mitglieder des Vereins fuͤhren das Kuratorium der Anstalt. In der Anstalt fuͤr verwahrloste Knaben, aus zwei Abhtheilungen bestehend, von welchen die eine 35, die andere 30 Zoͤglinge zählt, werden die Kinder taͤglich vom fruͤ— hen Morgen bis zum spaͤten Abende durch Handwerke und durch Schulunterricht abwechselnd beschaͤftigt. Außer den zwei ange— stellten Lehrern geben auch hier Kandidaten der Theologie unent— geltlichen Schulunterricht, und geschickte Handwerker besorgen den Unterricht in verschiedenen Handwerken, welche hier gleichfalls im Sommer mit Garten⸗Arbeit abwechseln. Auch diese Knaben werden groͤßtentheils aus der Kasse des Ver⸗ eins gekleidet. Die . steht unter einem Kuratorium von zwei Vereins⸗Mitgliedern. Bei jeder von den sieben An⸗ stalten ff verwahrloste Mädchen und fuͤr kleine Kinder, ist eine Lehrfrau angestellt, welche uͤber die Kinder die von 8 Uhr Morgens bis 7 Uhr Abends in der Anstalt bleiben, ununterbrochene Aufsicht fuͤhrt. In jede Anstalt sind 36 Kinder aufgenommen. Sie werden alle aus der Vereins— Kasse gekleidet, die aͤrmsten auch bekoͤstigt. Der Unterricht in Schulkenntnissen und in weiblichen Hand-Arbeiten, so wie das ganze Erziehungsgeschäft, wird von den gebildetsten Frauen und Jungfrauen der Stadt persoͤnlich besorgt.

3 Stralsund wird gemeldet, daß, in Folge der

von dem hohen Ministerium der geistlichen ꝛ. 2. Angelegen⸗

heiten im verwichenen Jahre veranlaßten Einfuͤhrung des Unterrichts in Handarbeiten in den Volksschulen, in den kleineren Städten des dasigen Reglerungs-Bezirks bereits 22 meistens ausschließlich von Maͤdchen besuchte Schulen beste— hen, in welchen in Handarbeiten unterrichtet wird; daß fer— ner auf dem platten Lande 37 dergleichen Schulen in der Mehrzahl in gutem Gange sind, und daß in 39 anderen Landschulen, wo sich Gelegenheit zur Anweisung in Handar— beiten findet, die Sache bereits in Anregung gebracht und schon im Werden begriffen ist. Nachrichten aus Magdeburg zufolge, hat der Staat und die Kirche durch den am 1sten d. daselbst erfolgten Tod des Herrn Bischofs und General-Superintendenten Dr. Westermeyer einen höͤchst schmerzlichen Verlust erlitten.

Aus Duͤsseldorf vom 28. Februar wird gemeldet: Gestern passirte hier der Herzog von Sachsen Weimar, Ge— neral in Koͤnigl. Hollaͤndischen Diensten, auf dem Dampf— schiffe nach Köln, von wo derselbe die Reise weiter nach 2 , seinem neuen Bestimmungsorte, fortzusetzen ge—

achte. 52 . Gestern fruͤh um 7 Uhr ist die Pulvermuͤhle Nr. 6 bei Berlin durch eine Explosion theils in die Luft gesprengt, theils aus der bisherigen Stellung verruͤckt worden; Men— schen sind dabei nicht verungluͤckt.

Historische Parallelen und Zeitstimmen, Belgien und die Belgier betreffend.

(Fortsetzung des in Nr. 54. abgebrochenen Aufsatzes.)

Die Belgier, in Denkschriften, Preisfragen und Pane⸗ gyriken neuerer Zeit, besonders in solchen, welche absichtlich verfaßt schienen, um zwischen Vergangenheit und Gegenwart Parallelen, und nn. zum Nachtheil der letzteren, au fzustel⸗ len und eine Sehnsucht nach der ersteren zu erwecken, haben die Pertode Philipp's des Guten als die bluͤhendste und gluͤck⸗ bringendste ihrer ganzen Geschichte aufgestellt; nun fuͤhrten sie aber, die Flamänder zumal, gegen diesen Fuͤrsten so un—

aufhoͤrliche Kriege und zettelten so viele Emporungen an, daß der Tiefgereitzte endlich einen Theil ihrer maaßlosen Privile— gien und Rechtsame beschnitt und durch ein neues, kraͤftiges zugleich und mildes, Regiment Ordnung und Einheit begrün— dete. Sein Sohn, der streitbare Karl, welcher solchen Trotz

noch weniger zu dulden in der 2 war und die e

Wiederkehr mit blutiger Strenge ahndete, setzte dieses Sy— stem fort; allein, wenn wir Thatsachen und BGruͤnde genau mit einander vergleichen, so finden wir, daß haͤufig das Recht auf seiner Seite war und die unbändige Stimmung des Vol—

kes, welches den Besitz und Genuß wirklicher Freiheit einem

unbestimmten und graͤnzenlosen Streben nach Erweiterung derselben sich selbst betruͤgend auföpferte, das terroristische System des Herrschers erzeugte. Staͤnde nicht das Leben Philipp's des Guten vor uns, so wuͤrden die Kampfe der Genter und ihrer Verbuͤndeten gegen seinen Sohn als noth— wendige Ruͤckwirkungen der Volkskraft gegen die Tyrannei erscheinen; allein so gewahren wir, daß die Großmuth und Rechts-Achtung keiner besseren Anerkennung sich erfreut, als die Strenge und die Willkuͤr, und somit finden sich fuͤr letz—⸗ tere sogar Titel der Billigung. Als der stolze, . Fuͤrst seinem Schicksale erlegen, befand sich seine Tochter Ma— ria, eine huͤlflose Waise, zwischen die Usurpation Ludwig's XI., den Verrath der Großen und den Uebermuth des Volkes ge— stellt. Sie hatte mit ruͤhrendem Vertrauen der Rechtlichkeit dieses letzteren und dem Schutze der Häupter sich uͤberliefert; sie beschwor alle alten Freiheiten, wie sie vor deren Beschnei—⸗ dung in Kraft gestanden; sie erfuͤllte alle Bedingungen, welche ihre Stellung mit sich brachte, im allerweitesten Sinne. Statt dessen buhlten die Edlen um die Gunst des Franzoͤsischen Mo— narchen und verkauften um Geldsummen und Stellen die Provinzen und Staͤdte; die Kommunen aber behandelten die rechtmäßige Fuͤrstin mit brutaler Gewalt, hielten sie wie eine Gefangene, kaum die noͤthige Ruͤcksicht gegen ihr Geschlecht beobachtend; sie verspritzten, nach grausamer Folterung, das Blut ihrer getreuen Raͤthe vor ihren Augen und also,

daß es fast das Gewand der um ihr Leben Flehenden

befleckte, und der Poͤbel sah ohne Ruͤhrung diejenige auf den Straßen von Gent in Ohnmacht sinken, welcher er Gehorsam und Achtung schuldig war. Nicht zufrieden da⸗ mit, sie ihrer vertragsmaͤßigen Herrscher-Rechte beraubt zu haben, mischten die Demokraten sich sogar in die Privat— Angelegenheiten ihrer Herzogin. Sie wollten ihr den aͤrg⸗ sten Feind des Hauses, einen beruͤchtigten Wuͤstling, einen erklaͤrten Vatermoöͤrder, der im Gefaͤngniß saß, als Gemahl aufzwingen, nachdem sie ihn wider ihren Willen zum Feld⸗ herrn bestallt. Sie mißbrauchten die unglückliche Lage der fuͤrstlichen Jungfrau auf eine Weise, die man in wenigen Volksgeschichten wiederfindet. Nachdem nun endlich der Erzherzog Maximilian von OHesterreich, allen Anstrengungen seiner Gegner zum Trotz, als Gemahl der Maria in den Niederlanden aufgetreten, nachdem er alle Feinde des Lan⸗ des besiegt oder beschwichtigt, als er die Verehrung der ihn als Retter begruͤßenden Einwohner aller Provinzen genossen, als er, zuerst gemeinsam mit Maria, sodann, nach ihrem Tode, als Momboir des minderjährigen Philipps des Schoͤ⸗ nen, alle Rechte und Gefreitheiten des Landes zwei- und dreifach und mit allen nur erdenklichen Ceremonien und Klauseln, zum Ueberfluß beschworen hatte, hoͤrte gleich— wohl die Reaction nicht auf. Die Großen des Landes zeig⸗ ten die unmaͤnnlichste Eifersucht gegen den fremden Prin— zen, welcher sie doch aus schimpflicher Erniedrigung befreit, nachdem sie die noch schimpflichere Erniedrigung, worin ihr

Vaterland vor seiner Ankunft sich befunden, nicht hatten ab- wehren koͤnnen. Die Gemelnen dagegen erhoben Schwierig⸗

keiten, Hemmungen, Aufstaͤnde ohne Maaß und Ende; sie

begegneten den ritterlichen, milden, hochherzigen, gerechten Reden des tapfersten und gebildetsten Deutschen Prinzen mit baͤurischer Rohhelt; sie trennten den Sohn von dem Vater

und setzten den Sohn des Reichs-Oberhauptes, dessen An— sehn sie doch gehuldigt und welchem sie Ehrfurcht geschwo⸗

ren, zu Brügge gefangen, nachdem sie, gleich Räubern, sein Verttauen uͤberrascht und seine Perfon bewaͤltigt. Sie be schworen und brachen einen Vertrag nach dem andern und

klagten stets uͤber Abbruch ihrer Freiheiten. Die Grund⸗ Idee, Grundrichtung und Grundstimmung des Volkes druckte

um diese Zeit kein Anderer so vollständig, so getreu und lebendig aus, wie der hoffaͤrtige Philipp von Kleve, wel⸗

cher als der Liebling der damaligen Demokratie erscheint, ohne daß man jedoch genau gewußt hatte, welches eigentllch das Ziel seiner Anstrengungen war? So kam das Land um Ruhe und Frieden und um allen Ge⸗ nuß der Freiheit, und die bluͤhendsten Staͤdte Europa's,

welche die Marktplaͤtze des Welthandels noch um diese

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