624
volution alle Regierungen erschuͤtterte, und sie war endlich auch ausreichend in unserm großen Kampfe mit Na— poleon. Jetzt mit einem Male, nachdem sie uͤber alle diese Schwierigkesten triumphirt und das Land in seiner glaͤnzend— sten Epoche des Ruhmes und der Ehre gesehen hat, ist ein neues Beduͤrfniß entstanden, dem diese Constitution nicht ge⸗ nuͤgt, und dem eine neue Maschine aus der Fabrik des edeln Lords abhelfen soll. Allein nicht sowohl durch innere als durch aͤußere Gruͤnde wollen die Minister uns bewegen lassen; ein Geschrei von außen, ein Ruf nach Reform ist es, dem wir nicht widerstehen sollen. In einem freien Lande, wo eine freie Presse besteht, die alle moͤgliche neue Theorieen aufstellen und verbreiten kann, ist es kein Wunder, wenn das Volk bald von diesen, bald von jenen Ideen durch— drungen ist. Aber wir muͤssen uns huͤten, solche voruͤberge— hende Ansichten fuͤr die Meinung zu halten, die das Beduͤrf— niß der Zeit ausspricht. (Lauter Beifall von der Opposition.) Begehen wir einen solchen Mißgriff, so duͤrften wir, doch nur zu spät, zu dem Einsehen kommen, daß wir das Land damit ruinirt haben, und dasselbe Volk, das jetzt so begeistert fuͤr die Reform seyn soll, mochte uns den bittern Vorwurf machen, daß es nie eine Aufopferung der von den Vorfahren uͤberlieferten Constitution verlangt, wiewohl es einmal im Ei— fer dieselbe verspottet habe.“ — Hr. Rob. Grant, der auf diese Rede antwortete, meinte zunächst, daß die gegenwaͤrtige Verwaltung, die in die Fußstapfen von Pitt und Fox getre— ten sey, die Epitheta „anmaßend und duͤnkelhaft“, die der vorige Redner ihr beigelegt, in keinem Falle verdiene. Er selbst, sagte er, sey früher ebenfalls kein Freund der Neform gewesen; die Ereignisse der letzten Session, und besonders die etzte allgemeine Parlaments⸗Wahl, haͤtten jedoch einen tiefen Ein— druck auf ihn gemacht und ihn zu dem Resultate gelangen lassen, demgemaͤß er die vorliegende Maaßregel unterstuͤtze. Leicht köͤnnte man ihn deshalb inkonsequent nennen, allein diesen Vorwurf er— trage er, weil er uͤberzeugt sey, daß Niemand mit Recht inkonse— quent genannt werden koͤnne, der mit dem, was sein Gewissen und sein gesundes Urtheil ihm vorgeschrieben, uͤbereinstimmend handle. Der Redner machte sodann bemerklich, daß viele Op— ponenten der Reform, und namentlich auch der zuletzt aufge— tretene, ihre Gruͤnde aus den Angriffen gegen die katholische Emancspation hernaͤhmen und ihre Argumente fast mit den— selben Worten wle damals geltend machten. „Wir sind ein— mal“, fuhr er fort, „zu dem Punkte gelangt, daß wir nicht länger vorenthalten koͤnnen, was gerecht und vernuͤnftig ist. Das beste Mittel, aus schweifende Erwartungen und Hoff— nungen niederzuschlagen, besteht darin, das zu bewilligen, was man der Gerechtigkeit und dem Volke schuldig ist. Dadurch, daß diesem gegeben wird, was ihm gebuͤhrt, verhindern wir, daß es auch solche Dinge sucht, die ihm nicht zukommen. Moͤ— gen die Opponenten der uns vorliegenden großen und heil— samen Maaßregel wohl uͤber das nachdenken, was sie thun. Das Geschrei, das so lange und mit so vielem Erfolge gegen die katholische Emancipations-Bill erhoben wurde, hat eben— falls endlich der Weisheit und der Erfahrung nachgeben muͤs⸗ sen. Indem wir bewilligen, was recht und billig ist, kraͤfti— gen wir uns gegen die Eingeiffe dessen, was unbillig und un— gerecht erscheint. Wir sprechen auf biese Weise unser Ge— wissen frei und koͤnnen vertrauensvoll dem Vaterlande un— sern Ruf und der Vorsehung den Gang der Ereignisse uͤber⸗ lassen.!“ Nach einer Erörterung des Lord Althorp mit dem Marquis uͤber die Zeit der zweiten Lesung der Bill, von der der Minister sagte, sie werde in jedem Falle noch vor Ostern stattfinden, vertagte sich das Haus um 13 uhr.
— Die Debatte vom 8. Febr. eroͤffnete Hr. O' Con- nell durch eine ausfuͤhrliche und vom Hause mit großer Auf— merksamkeit vernommene Rede zu Gunsten der Reform-⸗Twill. Er erklärte glelch im Beginn seines Vortrages, es sey seine Absicht, die Maaßregel auf das entschiebenste und eifrigste u unterstuͤtzen, weil er sie fuͤr großartig, liberal und weise
alte und uͤberzeugt sey, sie muͤsse von der guͤnstigsten Wir⸗ kung fuͤr das . seyn. „Ich werde“, sagte er unter An⸗ 2 36 auch außer demselben durch meinen ganzen Einfluß unter stuͤtzen. Indessen lassen sich dennoch e, , dagegen machen. Ich bin aus Ueberzeugung ein Radikal, Reformer; die vorgeschlagene Reform ist aber uicht radikal. Meiner Mei' nung nach ist in der Praxis das allgemeine Stimmrecht als
eine Sache des Rechts anerkannt; ferner halte ich dafuͤr, daß die
Dauer der Parlamente auf die in der ruhmwuͤrdigen Re⸗ volution von 1688 bestimmte Zeit verkuͤrzt werden muͤßte, e n, n als 2. 3 ansehe, 96 Abstimmen
ugelung. rt er gemachte Vorschla⸗ icht uber diese drei Punkte nicht; er ist n .
aber in jeder anderen
Down, Cork, Galway, Kerry, Mayo,
aaßregel nicht bloß hier im Hause, sondern
Hinsicht so liberal und ausgedehnt, daß ich uͤberzeugt bin,
er muß zwel Dinge an den Tag bringen — naͤmlich, daß entweder kuͤnftig keine Reform mehr nöthig wird, und daß man ausgedehnteres Stimmrecht, kuͤrzere Parlamente und Abstimmung durch Kugelung werde entbehren konnen; oder daß man alles dieses einst ohne die geringste Stoͤrung, sicher, gewiß und auf eine vernuͤnftige Weise werde bewerk— stelligt sehen. Was ich ubrigens außerdem gegen den Vor— schlag einzuwenden habe, ist, daß meiner Meinung
nach Irland in demselben schlecht bedacht worden ist.
(Hört, von der Opposition). Ich will indessen je— der Leidenschaft, jedem Vorurtheil entsagen, um nicht gegen eine Maaßregel aufzutreten, die, nach meiner Ansicht, der Englischen Nation so wohlthaͤtig werden muß. Ich hege keine ungroßmuͤthige Eifersucht uͤber das Gute, das England und Schottland widerfaͤhrt. Alles, was ich fordere, ist, daß Irland nicht ganz vergessen werde. Hier im Hause sowohl, als im ganzen Lande, bemerkte ich immer die groͤßte thaͤtigste Theilnahme an dem in Irland herrschenden Elende;
es sey mir indessen erlaubt, zu bemerken, daß ich diese wohl-
wollende Stimmung nicht wieder fand, so oft von Irlands politischen Rechten die Rede war. Dublin 's Bevoͤlkerung z. B. betraͤgt mehr als den vierten Theil der Bevoͤlkerung von Lon— don, und mithin kann es billiger Weise auf eine doppelte Repraͤsentation Anspruch machen. Auch bin ich im Besitz der Bevoͤlkerungslisten mehrerer Irländischen Grafschaften, die eben so viele Einwohner zählen, als jene Englischen, in benen man die Zahl der Repraͤsentanten vernehmen will. Diese Umstaͤnde empfehle ich der Erwaͤgung des Hauses, ehe die in Rede stehende Bill zum Gesetz gemacht wird. Mei— nes Erachtens nach muͤßte in den Grafschaften Antrim, ; Tipperary und Tyrone die Zahl der Repraͤsentanten vermehrt werden, Wenn ich diese Bemerkungen und Einwendungen mache, so
bltte ich, es ja nicht so anzusehen, als widersetzte ich mich der
Bill; ich bin im Gegentheil fest entschlossen, fuͤr sie zu stim— men, selbst in ihrer jetzigen Form. (Beifall.) Ich will an meine Zustimmung keine Bedingungen knuͤpfen; ich gebe sie ehrlich und aufrichtig und uͤberlasse meine Bemerkungen der unparteiischen und sorgfaͤltigen Erwaͤgung der Minister. Man schreiht mir einen ungewöhnlichen Einfluß in Irland zu. Wuͤnschen die Minister, mir diesen zu nehmen, so bietet sich ihnen kein besseres Mittel dazu dar, als Irland ebenfalls in den vollen Genuß aller Wohlthaten der neuen Maaßregel zu setzen. Irland ist mit Allem, was man fuͤr sein Bestes gethan, noch immer eines der elendesten Laͤnder auf der Erde. Ich rufe die Minister im Namen Gottes an, gegen Irland gerecht zu werden, wie man es gegen England und Schott— land werden will, und sich auf solche Weise gegen eine Re— volution zu bewahren, deren Ausgang Niemand abzusehen im Stande ist.“ Nach Herrn O Connell sprach Herr Att— wood gegen Sir J. Graham durch Vorlegung statistischer Bemerkangen uͤber die Burgflecken fuͤr, Sir Jos. Horke und Herr Praed, ein junges Parlaments-Mitglied, gegen und endlich noch Herr Bethell fuüͤr die Bill. Das Haus vertagte sich wieder um 13 Uhr.
London, 9. Marz. Se. Majestaͤt der Koͤnig haben den heutigen Tag dazu bestimmt, die in der vorigen Woche beschlossenen auf die Reform sich beziehenden Asressen der hiesigen Buͤrgerschaft entgegen zu nehmen.
In Bezug auf die Reform aͤußert die Times: „Soll— ten etwa noch Zweifel uͤber die Nothwendigkeit und den Werth der beabsichtigten Reform obwalten, so erwaͤge man nicht so sehr die Grunde derer, welche die Bill vertheidigen, sondern vielmehr die Reden ihrer Gegner und die Orte, de— ren Repraͤsentanten sie sind. Um mit Letzteren zu beginnen, machen wir darauf aufmerksam, daß sich ungefaͤhr 21 junge Lords und andere Personen der Bill im Unterhause wider- setzten, und daß von diesen nicht weniger als 16 Repraͤsen⸗ tanten jener Burgflecken sind, denen man das Wahlrecht ent- ziehen will. Zu den 5 uͤbrigen Verfechtern des dermaligen Systems gehort Lord Leveson Gower, ein Mitglied der vori—
gen Antl⸗Reform-Verwaltung, das sich selbst fur seine eigene
Schottische Grafschaft Sutherland ernennt, in welcher jetzt das Wahlrecht erweitert werden soll; — der zweite ist der bekannte Sir R. Inglis; — der dritte sein Freund Herr Hart Davis von Bristol, jetzt eben so bekannt, als waͤhrend des letzten Krieges; — dann kommt Hr. W. Duncombe, bei der letzten Wahl fuͤr Yorkshire erwaͤhlt, und zwar nur deswegen, um einen Wahlkampf zu vermeiden, uͤbrigens aber ein Indivi⸗ duum, dem es recht gut bekannt ist, daß man es zum zwei⸗ tenmale nicht wieder waͤhlen wird, und endlich Herr Wynn,
Beilage
625
Beilage zur Allgemeinen Preußischen Staats- Zeitung M 75. a · . · · 0 ᷣᷣ—&ꝭanaLCĆáJrrnocTRnὴagznnὴná%ϰán♀nánnnẜϰ♀ꝙBꝶꝓꝙϰDꝑDꝓecautrZgerrrauRßCuc—RrßgBßryoruauuuTtƷßCßβꝙ́ђꝓûƷ́ßꝓaꝙa6GauaüƷ“aC8aCeaFKuuurutruaaTaNἀGZûuEìEo“uaꝑ6oEiew
der in einer fruͤheren Verwaltung Kabinets-Minister war, und dessen einziger Einwand gegen die Bill die Entziehung des Wahlrechts von so vielen Burgflecken ist; seiner An— sicht nach geht hierin die Bill zu weit. Gruͤnde fuͤr diese Ansicht aber fuͤhrt er nicht an.“ Von den hier erscheinenden Zeitungen sind 30 fuͤr die Reform und 6 dagegen. Zu den ersteren gehören unter an— dern: die Times, die Morning-Chronicle, der Courier, der Globe und der Sun; die Gegner sind: die Morning-Post, der Standard, der Albion, das London Packet, die St. James-Chroniele und der John Bull; die Zeitung Age ist für die Bill, jedoch nicht in ihrer ganzen Ausdehnung. Von den angefuͤhrten 37 Zeitungen erscheinen 13 täglich, 4 drei— mal, 1 zweimal und 19 einmal woͤchentlich. Von den Blaͤt— tern im Innern des Landes sind, so viel bis jetzt bekannt, 54 für und 7 gegen die Bill; 27 kann man außerdem als neutral ansehen; indessen neigen sich 22 zu Gunsten derselben. Zu der vom Könige angenommenen Abdankung des errn Wynn als Kriegsminister bemerkt die Times: „Die bdankung sowohl als die Annahme desselben sind beide ganz in der Ordnung. In dlesem Augenblick darf die Ver— waltung keine Mitglieder haben, die der Reform entgegen oder nur laue Frennde derselben sind; ihr Motto muß seyn:
„„Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.““ Herr Sheil, ein Advokat, und von dem Marquis von Anglesea vorgeschlagen, ist zum Parlamentsglied fuͤr Mil— borne Port (Irland) ernannt worden. . In Dublin wurde neulich der Eigenthuͤmer einer dorti—
gen Zeitung, „der Pilot“, Namens Barrot, verhaftet, weil
er einen angeblich aufruͤhrerischen Artikel aufgenommen; er mußte 400 Pfund Buͤrgschaft leisten, zaß er sich vor den naͤchsten Assisen stellen werde.
— — London, 8. Maͤrz Dle Debatten uͤber die Re— form-Vorschläge sind noch einmal verschoben worden und durften es noch einmal bis morgen werden, ohne daß die Gegner etwas mehr dadurch gewöoͤnnen, als Verzoͤgerung; denn die oͤffentliche Meinung hat sich bereits so entschieden fuͤr den ministerlellen Plan erklaäͤrt, daß es fur irgend ein Mini— sterium gefährlich seyn wuͤrde, derselben zu widerstehen, und es steht deshalb zu glauben, daß diejenigen, welche darauf ge— wettet haben, daß die vorgeschlagene Reform selbst von dem jetzigen Unterhause wenigstens in der Hauptsache angenom— men werden wuͤrde, auf dem besten Wege sind, zu gewin— nen. Ja, es geht sogar ein Geruͤcht, Sir Robert Peel sey so sehr von dem allgemeinen Ausdruck der Nationalstimme,
von dem Verein der entgegengesetztesten Parteien, derer, welche
bisher von gar keiner Reform hoͤren wollten, so wie derer, denen nichts zu genuͤgen schien, als allgemeines Wahlrecht und geheime Abstimmung — von der Begeisterung, welche sowohl Torporationen bereitwillig macht, das bisher allein genossene Wahlrecht zu theilen, als die niedere Klasse, welche jetzt ir— gendwo das Wahlrecht besitzt, solches an ihre bemittelteren Mitbuͤrger zu uͤbertragen, uͤberrascht, daß er erklaͤrt habe, er wurde der Maaßregel im Ganzen kein Hinderniß mehr in den Weg legen. So viel ist indessen gewiß, daß er sich geweigert hat, mit denjenigen zu stimmen, welche, jeder Art von Verbesserung zuwider, sich der ersten Verlesung der Bill entgegenzusetzen wuͤnschten. Sir Robert meint im Ge⸗ entheil, daß die Zeit gekommen, wo einige Reform noͤthig ey; und er haͤlt es fuͤr nicht mehr als billig, daß man den Ministern durch das erste Verlesen Gelegenheit gebe, die Bills, welche ihre Vorschlaͤge enthalten, drucken zu lassen, und der Natlon, ihre Meinung daruͤber zu äͤußern. Das erste Verlesen wird demnach wohl spaͤtestens morgen Abend statt— finden; und dem Plan der Regierung gemäß soll das zweite Verlesen bis zum 21sten verschoben werden. Die Ultratories sind zwar gegen diesen Verschub, weil sie sehen, daß das Volk, durch die Zeitungen von den Vorgaͤngen im Parla⸗ ment belehrt, kaum jener offiziellen Bekanntmachung des Reformplanes bedarf, um dafuͤr begeistert zu werden. Hier sowohl, als in anderen großen Städten, haben seit Mittwoch bestaͤndig Versammlungen stattgefunden, von welchen fast ein⸗ stimmig Dank⸗-Adressen an den Konig und Bittschriften an das Parlament zur Förderung der Maaßregel angenommen werden. Auch ist es merkwuͤrdig, daß unter allen denen, welche bis jetzt im Unterhause dagegen gesprochen, fast kein Repräsentant einer Stadt oder Grafschaft ist, wo vollkom— mene Wahlfreiheit herrscht. Es sind im Gegentheil beinahe
alle Vertreter oder Eigenthuͤmer (oder beides zugleich) von solchen Ortschaften, welche ihre Vertretung entweder ganz oder zum Theil verlieren sollen. Der Marquis von Chan zos, das Haupt dieser Partei, erkuͤhnte sich sogar, zu drohen, daß, weng die Minister nicht darein willigten, die Frist für die zweite Verlesung abzukuͤrzen, er von 2 Rechte als Parlaments Mitglied Gebrauch machen wolle, die Anuahme der sogenann⸗ ten Mutiny-Bill zu verhindern. Dies Gesetz, welches der Krone das Recht giebt, militairische Strafen zu verhängen, wird bekanntlich vom Unterhause seit Wilhelm III. niemals langer als fuͤr ein Jahr votirt, damit nie ein Britischer Me— narch es sich einfallen lassen koͤnnte, ohne das Parlament re— gieren zu wollen; denn in dem Augenblick, wo dieses Gesetz aufhoͤrte, wuͤrde jeder Soldat ungestraft seine Fahne ver— lassen koͤnnen, und der Konig hatte keine Armee mehr. Es ist daher auch gar nicht wahrscheinlich, daß ein Mann von dem Rang und Vermoͤgen des edlen Lords, eine solche factisse Drohung werde ausfuͤhren wollen. Aber Drohungen sind an der Tagesordnung, und man klagte mit Recht gestern Abend im Unterhause, daß bei zwei Versammlungen, welche hier stattgefunden, die Rede davon gewesen sey, daß, im Fall das Parlament die Reformbills verwuͤrfe, Zehntausende und Hun⸗ derttausende bereit seyen, zur Unterstuͤtzung der Regierung nach London zu marschiren! Dies ist freilich thöricht genug; weil von physischem Schutz keine Rede seyn kann, wo keine physische Gewalt ist. Aber da die Verzeichnisse derer, welche auf jeder Seite stimmen, bekannt gemacht werden sollen, so durfte wohl das Eigenthum, wo nicht das Leben manches einzelnen Mitgliedes gefaͤhrdet werden, wenn die Maaßregel durchfiele; denn gewiß das Volk ist nur noch darum gelassen, weil es sich seiner Sache gewiß glaubt. Dies ist wohl schlimm, steht jedoch nicht zu ändern.
Nieder lande.
Haag, 9g. Maͤrz. Die Londoner Protokolle vom 20. und 27. Januar und vom 18. Februar haben hler so ziemlich allgemeine Zufriedenheit erregt, und der Glaube, wel⸗ chen ein fruͤherer Moment von Leidenschaftlichkeit und erbät— terter Stimmung uͤber die Absichten der vermittelnden Maͤchte bei Vielen erweckt hatte, als wolle man Belgien auf Kosten Hollands beguͤnstigen, hat nachgelassen. Die Bestimmungen dieser Protokolle sind den jetzigen Umstaͤnden und den fruͤhe ren Verhaͤltnissen angemessen und uͤberaus billig; aber es wird noch ein schweres Stuͤck Arbeit kosten, die Belgier hier⸗ von zu uͤberzeugen; denn mit großer Naivität spiegeln sich
manche der Stimmfuͤhrer daselbst die Idee vor, mit der
Revolution seyen alle alte Verbindlichkeiten abgethan, und man brauche Niemanden mehr Rede und Rechenschaft zu ge⸗ ben. Sie bedenken nicht, daß alle Staaten Europa's — wie das eine Protokoll richtig bemerkt hat — mehr oder minder bei der Frage betheiligt sind: auf welche Weise die alten und neuen Staatsschulden der suͤdlichen und nördlichen Provin⸗ zen, und auf welche diejenigen des Koͤnigreichs der Vereinig⸗ ten Niederlande getilgt werden sollen — Es kann weder dem Interesse, noch der Ehre der Belgischen Unabhaͤngigkeit besonders zutraͤglich seyn, diese Frage auf leichtsinnige oder brutale Art zu beantworten, oder in die Rolle eines muths willigen Bankrutteurs sich zu werfen, eine Rolle, die selbst das vielmal stärkere republikanische Frankreich zur Zeit des ruͤcksichtslosesten Terrorismus keinesweges gewagt hat. Eg lst uͤberhaupt ein großes Ungluͤck fuͤr die Belgier, daß sie oft sprechen und sich gebehrden, als waren sie allein auf der Welt, und als waͤre nicht die Existenz jedes Staates durch die Ver⸗ aͤltnisse zu seinen Nachbarn und durch die Wechsel⸗Bezie⸗ ungen zu allen uͤbrigen Staaten bedingt. Die neue Orga nisation der exekutiven Macht zu Bruͤssel erregt durch manche
interessante und kuriose Einzelnheiten, welche unter dem Volke
sich verbreitet haben, nicht selten große Heiterkeit. Man hat auch in den letzten Tagen, wir wissen nicht, ob satyrisch oder im Ernste, davon gesprochen, daß alle die neuen Minister, die der Herr Regent installirt, das edle Beispiel von Uneigen⸗
nuͤtzigkeit nachahmen wollen, welches der nunmehrige Präͤst⸗
dent des Conseils, der Herr von Gerlache, gegeben, und daß sie nicht nur in Betracht der großen Noth ihres Vaterlandes auf die großen Gratificationen (von denen der arme de Pot⸗ ter allein ausgeschlossen worden ist) freiwillig zu verzichten, sondern auch ihre Stellung um son st zu verwalten fest ent⸗ schlossen seyn. Man behauptet, dies sey in Folge eines rich
tigen Gefuͤhls geschehen, weil der Umstand, daß die Retter