1836 / 181 p. 1 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

Allgemeine

Preußischt Staats-Zeitung.

Berlin, Freitag den 1st Juli

Amtliche Nachrichten. Kronik des Tages.

. n Hoheit der Prinz Wilhelm (Sohn Sr. Majestàͤt des Koͤnigs) ist nach Marienbad, und

Se. Koͤnigl. Hoheit der Prinz Waldemar nach Mainz von hier abgereist.

Im Bezirke der Koͤnigl. Regierung zu Mag de burg ist der Prediger Koch in Jeggeleben zum ersten evangelischen Prediger in Groß-Salze, Kreis Atzendorf, der Kandidat Aly zu Burg zum Fruͤhprediger daselbst, und der Kandidat Dr. Lehm stedt zum evangelischen Pfarrer in Ober⸗ Boͤrnecke ernannt worden.

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Aobgereist: Der Fur st zu Lynar, nach Teplitz.

Zeitungs-Nachrichten. Amun s land.

Frankreich.

Paris, 24. Juni. Der König arbeitete gestern in Neuilly mit dem Conseils⸗Präͤsidenten. . Der Herzog von Sachsen-Kohurg, die Prinzen, seine Soͤhne,

und ihr Gefolge haben gestern Nachmittag um 3 Uhr Paris verlassen, um sich nach Bruͤssel zu begeben; sie werden erst im

Monat August hierher zurückkehren. Der Herzog hat aus den Handen des Königs das Großkreuz der Ehren -Legion erhalten. Graf Pozzo di Borgo wird heute oder morgen in Paris erwartet. Der Messager sagt: „Man erwartet in gewissen Zir⸗

teln mit Besorgniß Nachrichten aus Valengay. Der Fuͤrst

Tallyrand, der zu dieser Reise durch einen sehr reichlichen Aderlaß vorbereitet worden war, den man zur Verhuͤtung einer Herz— Entzuͤndung fuͤr noͤthig gehalten hatte, befand sich schon in grllans und auch bei feiner Ankunft in Valengay sehr unwohl, Am Iten soll der Fuͤrst einen so heftigen Krankheits- Anfall

gehabt haben, daß man mehrere Stunden lang in Ungewißheit

daruͤber war, ob er noch lebe. Die mogliche Wiederkehr einer

solchen Krisis rechtfertigt die lebhaften Besorgnisse seiner Fami⸗

lie und seiner Freunde.“ Unter der UÜeberschrift Salons⸗Geruͤchte“ erzaͤhlt das Jour⸗

nal du Commerce Folgendes: „Der Finanz⸗Minister, Herr

von Argout, begab sich vorgestern zu der Stunde zum Koͤnige, wo sich Se. Majestaͤt gewöhnlich in seine Gemacher ,. Die unerwartete Ankunft des Ministers erregte allgemeines ufse⸗ hen; der König hatte Herrn Thiers bereits entlassen, und im ganzen Schlosse herrschte schon die tiefste Ruhe. Was konnte der Fi— nanz⸗Minister so Dringendes vorzutragen haben, das nicht bis zum folgenden Tage aufzuschieben war? Herr von Argout, ohne das Erstaunen wahrzunehmen, welches sein unerwarteter Besuch erregte, begann sogleich, dem Koͤnige uͤber die Sitzung der Pairs—

Kammer, ber die Angriffe des Herrn Brezé und uͤber die Zu⸗

immung seiner zahlreichen Freunde zur Abschaffung der Juli⸗

Feierlichkeiten Bericht zu erstatten; worauf der Konig mit gro— her Kaltbluͤtigkeit antwortete: „Ich wußte es,“ Der Mi⸗ nister, etwas verwirrt uͤber diese Antwort, rief mit schmerzlichem Tone aus; „„Ach, Sire! Man verleumdet mich bei Ew. Ma⸗ jestsat. Herr Thiers mochte gern, daß das ganze Minister⸗Con⸗ sell aus ihm allein bestehe; er tadelt alle meine Maßregeln, er mischt sich in Alles und raubt mir alle Selbststaͤndigkeit. Das ist unerträglich!““ Der Koͤnig, statt aller Antwort, ging zwei— mal in seinem Kabinette auf und nieder, gruͤßte Herrn von Ar— gout und zog sich in sein Schlafgemach zuruͤck.“

Die in Ste. Pelagie sitzenden politischen Gefangenen, 29 an der Zahl, haben dem Polizei⸗Praͤfekten eine Vorstellung ein— gereicht, worin sie um die Verguͤnstigung bitten, daß ihre Zim⸗ mer, statt um 7 Uhr Abends, erst bei einbrechender Dunkelheit geschlossen werden, da sie sonst gar zu viel von der Hitze zu lei⸗ den hätten. Man glaubt, daß ihr Gesuch bewilligt werden wird.

Von den 30 Personen, die in Folge der Entdeckung einer geheimen Pulver-Fabrik in der Dauphine-Straße verhaftet wor⸗ den waren, sind vorgestern 24 in Freiheit gesetzt worden, und es scheint, daß man die uͤbrigen 6 auch nur wegen Aufbewah⸗ rung von Kriegs-Munition, öhne irgend einen verbrecherischen Zweck, wird belangen koͤnnen. 2

wei neue Journale kuͤndigen mit vielem Pomp ihr Er— scheinen zum j. Juli an, das Siecle und die Presse.

Die Namen der angekuͤndigten Redacteure des erstgenannten

Journals sind nicht geeignet, eine besondere Erwartung zu er—

regen, um desto mehr aber verspricht das letztere, wenn die

Versicherung des Prospektus, daß der Deputirte Herr Emil v.

Girardin Haupt-Redacteur und die Herren Aler. Dumas,

Victor Hugo, Paul Lacroi, Mery, Alphonse, Royer, Eugene

Sue und Frederic Soulié thäͤtige Mitarbeiter des genannten

Blattes seyn wuͤrden, wirklich in Erfuͤllung geht.

Der Temps enthalt heute eine in Deutscher Sprache

abgefaßte Anzeige von dem Erscheinen der beiden ersten Baͤnde

der „Pariser Ausgabe Deutscher Klassiker.“ Frankreich hat also nun keinen Grund mehr, sich uͤber die literarischen Naͤube— reien Belgiens zu beklagen.

g Der Moniteur meldet, einem Briefe aus Tunis vom ten d. zufolge, daß ein Tuͤrkisches Geschwader aus etwa 30 ransportschiffen bestehend, die einige Tausend Mann Truppen

. haben, auf Tripolis zusegelte, wo am zten schon ein ee schiff von dem Geschwader des Kapudan-Pascha eingetrof— Bu demselben Blatte liest man: Aus Vittorig wird

e, 18ten d, geschrieben, daß daselbst eine Verstäͤrkung von 3 Ba—⸗

onen der Garde, 2 Schwadronen und mehreren Stücken Ge—

schuͤtz eingetroffen sen. Am 14ten hatte man eine Rekognoszirung vorgenommen; die Karlisten waren unverandert in ihren alten Stellungen. Am Lbsten haben sich 12 ihrer bei Ulzama zu— sammengezogenen Bataillone der Linie des Generals Bernelle genaͤhert; sie scheinen sich zu einem Angriff zu ruͤsten; aber es sind alle Vorkehrungen zu ihrem Empfange getroffen worden. Eine Depesche vom 23sten d. meldet, daß die in Saragossa ausgebrochenen Unruhen ihr Ende erreicht haben. Das Mini— sterium hat die vom General⸗-Capitain ergriffenen Maßregeln gutgeheißen und hat dem General Narvaes befohlen, zu dem General Rotten bei Alcaniz * stoßen. Cordova ist am i9ten d. in Vittoria eingetroffen. Die Karlisten schienen sich konzentriren zu wollen, um sich seinen Operationen zu widersetzen. Am 21 sten hatten sie in Hernani nur noch 6 Bataillone.“

Aus Bayonne schreibt man vom 20sten d:. „Briefe aus Elisondo vom 18ten d. und andere von der Navarresischen Graäͤnze vom 19ten d. melden, daß am 17ten d. zwei Karlistische Batail— lone, aus den Baskischen Provinzen kommend, in Lecumbery zwischen Tolosa und Pampelona) mit 5. Stuͤck Geschuͤtz einge⸗ troffen waͤren und daselbst noch 2 andere erwarteten. Dieses Detaschement ist bestimmt, das Corps des Generals Garcia zu verstaͤrken, welches der Linie der Christinos bei Valcarlos gegen— über steht. Die Christinische Kolonne, von der die Karlisten, den vorgestern hier eingegangenen Nachrichten aus Saragossa zufolge, 1300 Mann gefangen genommen haben, wurde von dem General Rotten kommandirt. Der offizielle Bericht ist noch nicht erschienen, indeß will man wissen, daß sich unter den Ge⸗ fangenen 52 Offiziere befinden, die wahrscheinlich dasselbe Schick⸗ sal erleiden werden, welches die Christinos dem Karlistischen Ge⸗ neral Torres und seinen Unglücksgefaͤhrten angedeihen ließen, die bekanntlich am 10ten in 3. erschossen wurden.“

Im Messag er liest man: „Unfer Madrider Privat⸗-Kor— respondent berichtet uns unterm 14ten d. M, eine so wichtige Thatsache, daß wir, bei allem Vertrauen, welches wir in unsern Korrespondenten setzen, dieselbe doch nur mit großer Vorsicht in unser Blatt aufnehmen. Herr Isturiz soll naͤmlich am 12ten d. dem Herrn von Rayneval erklaͤrt haben, daß, wenn die Franzoͤ— sische Regierung im Laufe des Monats Juli nicht intervenire, um der Regierung der Koͤnigin beizustehen, dem Buͤrgerkriege ein Ende zu machen, die Regentin, gestellt, wie sie es sey, zwi— schen einem endlosen Buͤrgerkriege ünd der Kuͤhnheit einer ver, zweifelten Partei, gezwungen seyn wuͤrde, mit ihren Toͤchtern und der Regierung Madrid zu verlassen und sich unter dem Schutze der Garde und der Armee nach Sevilla und Cadix zu— ruͤckjzuziehen. Hert von Raynevol habe diese wichtige Mitthei⸗ . ogleich durch einen außerordentlichen Courier nach Paris gesandt.

Großbritanien und Irland.

London, 24. Juni. Der hiesige Hof legt uͤbermorgen die Trauer fuͤr Se. Majestät den hoͤchstseligen König von achsen bis zum 17. Juli an.

Zur vollstaͤndigeren Würdigung des von der Jury in dem Prozesse Herrn Norton's gegen Lord Melbourne zu Gunsten des Letzteren gefaͤllten Verdikts wird noch folgender Auszug aus dem (gestern nur ganz kurz beruͤhrten) zugleich eine Uebersicht von dem ganzen Zeugen-Verhoͤr gebenden Vortrage des Gene⸗ ral⸗Prokurators Sir J. Campbell, Anwalts des Beklagten, dienen:

Ich kann ihnen die ungeheuchelte Versicherung geben“, sagte der Fadner, „daß Ihr Wunsch, diesen Prozeß noch heute Abend be⸗ endigt zu sehen, mir große Freude verursacht hat. (Als nämlich um 5 Uhr Abends das Verhbr der von dem Anwalt des Klägers r. ten Zeugen beendigt war, hatte der General⸗Prokurator auf Verta⸗ gung der Verhandlungen angetragen; nach linger Diskussion aber murde dieser Antrag verweigert, weil Sir J. Campbell seinerseits zu Gunsten des Beklagten keine Zeugen vorflihren wollte; der Ge— richtshof fuspendirte daͤher die Sitzung nur auf funfzehn Minuten, um dem General-Prokurator einige Zeit zur Erholung und Stärkung zu ver⸗ gönnen. Ihr Wunsch hat mir eine unruhige Nacht erspart, und ich weiß jetzt, daß mein Klient, ehe ich diesen Gerichtshof verlasse, von der ungegrludeten Anklage, die man gegen ihn erhoben hat, freigesprochen seyn wird. Sie werden, wenn Sie sich zur Ruhe begeben, die Genugthuung ha—⸗ ben, sich sagen zu können, daß Sie, nach Anh brung der Zeugen-Aussagen, zu, dem Schlusse gekommen sind, daß die Beschuldiguüng völlig unge gründet ist und daß die Anklage durch jene Aussagen nicht unter— stültzt wird. Ich muß gestehen, meine Herren, es würde mir ange⸗ nehmer gewesen seyn, wenn mein gelehrter Freund, Sir W. Follett, meinen Lntrag auf Vertagung unierstützt hätte; allein da er fand, es könne möglicherweise ein Vortheil für mich daraus erwachsen, so widersetzte er sich. Dies war allerdings eine ungewöhnliche Opposi⸗ tion, allein es ist auch ein außerordentlicher Fall. Meine Herren, ich verachte den Vorwurf, als hätte ich mich erst besinnen wollen, ob ich Zeugen aufstellen solle oder nicht. Ich sage Ihnen ganz offen, ich Pill keine Zeugen aufstellen. Ich sage Ihnen, daß nichts gegen mei⸗ nen Klienten erwiesen ist. Alle Haupt- Fakta sind erfunden, grund⸗ los und falsch, und aus den wirklichen Thatsachen läßt sich keine FJol⸗ gerung gegen den edlen Angeklagten ziehen. Mein gele rter Freund, Sir W. Follett, hat sehr richtig bemerkt, daß diese Klage eine. riminalsache sev. Der Ehebruch ist ein Ie rer n! und die Begehung dieses Verhre⸗ chens ist von so ernstem Charakter, daß der Beweis dafür höchst klar und überzeugend seyn muß. Sie haben hier eine Klage, gegen zwei Par⸗ teien erhoben, und vergessen Sie nicht, daß keine von beiden als Zeuge vorgefordert werden kann. Lord Melbourne kann nicht als Zeuge auftreten, weil er Angeklagter ist; Mistreß Rorton kann es cben so wenig weil sie die Gattin des Klägers ist. Wenn da⸗ her ein Zeuge auftritt, um ein Faktum zu bestätigen, wobei nur Lord Melboufne ünd Mistteß Norten zugegen gewesen, so ist ec, unmög⸗ lich, demselben zu widersprechen. Wenn unter solchen Umständen die Beschuldigung der Unkeuschheit gegen Die tugendhafteste Frau vorge⸗ brachl wird, s kann sie fich zu ihrer Vertheidigung nur auf die Un— wahrscheinlichkeit der Erzählung und auf den Charakter der ankla⸗ genden Personen berufen. In diesem Falle müůssen Sie diejenige liare Ueberzeugung haben, die der Jurv keinen vernünftigen Zweifel übrig läßt. Sie können aber, nach din Zeugen⸗Verhör, nicht glauben, daß der Ehebruch zwischen den beiden Parteien vollzogen wurde. Es würden die traurigften Folgen daraus entstehen, wenn die Bande der Ehe ohne vollen Heweis gegen beide Parteien aufgelöst werden könnten. Es ist dieselbe Evidenz nöthig, wie bei einer Ehescheidung.

Der Beweis von der Vollziehung des Ehebruchs ist dazu erforderlich. Selbst das Bekenntniß des Fattums ist nicht hinreichend. Der ge= lehrte Richter, auf den sich Sir W. Follett bezieht, hat gesagt, der Ehebruch müsse bewiesen werden. Es müsse nicht nur bewiesen wer⸗ den, daß die Frau sich nur geistig, sondern auch körperlich hingegeben habe, sonst sey es ungenügend. Ich werde beweisen, daß nur eine innige Freundschaft bestand und nichts vorhanden war, was nicht durch Herrn Rorton gebilligt worden wäre. Ich sage nicht, daß er irgend etwas Unpassendes übersehen habe, oder daß es ihn entehren werde, wenn die Entscheidung gegen ihn ausfällt. Ich sage nicht, daß er mit seiner eigenen Bewilllgung entehrt wurde; ich sage nur, daß Nichts geschah, was er nicht wußte. Es ist dies der außeror⸗ dentlichste Fall, der jemals vor einen Gerichtshof gebracht wurde. Die Parteien verheiratheten sich im Jahre 1827 und lebten glücklich bis zum 25. März 1836. Es fand durchaus keine Entfremdung in

der Liebe, keine Abtrünnigkeit in dem Gemüthe der Gattin statt—

So weit meine Erfahrung reicht, habe ich stets gefunden, daß die unvermeidliche Folge der Verletzung des Ehegelübdes war, daß eine Frau, die ihre Pflichten als Gattin vergaß, auch die einer Mut⸗ ter vernachlässigte. Mistreß Rorton liebte dagegen bis zu jener Zeit ihre Kinder von ganzem Herzen; und als sie fand, daß man sie ih⸗ rer Kinder beraußt hatte, war fie, nach der Aussage eines Zeugen, fast von Sinnen und in einem an Wahnsinn gränzenden Zustande. (Der Redner bezieht sich hier auf die Aussage des letzten Zeugen, einer gewissen Martha Morris, die bei Mistreß Norton gedient, und die von Sir W. Follett vorgeladen worden war, um die Handschrift ihrer Gebietexin zu identifiziren. Aus ihren Aussagen allein erfuhr man etwas über die Umstände, welche eigentlich zu der Trennung des Herrn Norton von seiner Gattin geführt hatten. Der General⸗Pro— furator stellte nämlich ein Gegenverhör mit ihr an, in welchem sie erzählte, daß Mistreß Rorton mit ihren Kindern im März dieses ahres nach Frampton zu einer usammenkunft der Sheridanschen amilie, die von Sir James und Tady Graham, Lady Seymour und Mistreß Blackwood verabredet worden, ohne ihren Gatten ein geladen gewesen, was dieser, sehr übel genommen habe, so daß er plötzlich am 29. März seinen Entschluß, die Kin der dorthin mitgehen zu lassen, geändert und den Befehl er⸗ theilt, sie sollten nach Wonersh. einem Landgut seines Bru⸗ ders Lord Grantley, gebracht werden; darüber schiene ein Streit zwischen den beiden Eheleuten entstanden sz seyn; Herr Norton habe die Kinder zuerst nach einem Hause in? erkeley⸗Street entfernen lassen, wo er Zimmer für sie gemiethet, und als Mistreß Rerton ganz verzweiflungsvoll dorthin gekommen und die Kinder habe sehen wollen, sey sie auf Befehl des Herrn Norton nicht zu ihnen gelassen worden, und von da habe man die Kinder nach Wonersh gebracht; Mistreß Rorton habe sich darauf zu ihrer Schwester, der Lady Sey⸗ mour, begeben; mit dieser ganzen Sache aber bahe, so viel ihr (der Zeugin) bekannt sey, Lord Melbourne nicht das Mindeste zu schaffen gehabt, auch hätten die beiden Eheleute bis dahin immer sehr einig zusammen gelebt.) „In allen solchen Fällen“, fuhr der Anwalt fort, hatten die Parteien bis zum Beginn des Liebeshandels gewöhnlich lücklich gelebt, die Neigung der Fran hatte sich dann allmälig von shrem Gatten und ihren Kindern abgewendet, sie vergaß ihre häus⸗ lichen Pflichten, und dies endete dann mit der Entdeckung ihrer Untreue und mit der Trennung. Findet sich in dem vorliegenden Falle ein einziger Umstand von diesem Gemälde? Nein, mit Ausnahme des jenigen, was die schändliche Zeugin RNinette Elliot ausgesagt, und was den ganzen , widerspricht, herrschte nach dem allgemeinen Geständniffe der Zeugen ununterbrochene Einigkeit zwi⸗ schen den Ehegatten. Herr Rorton fand nichts Unpassendes in den Besuchen Lord Melbourne's; er billigte sie vielmehr. Dies zeigt aber⸗ mals, daß dieser Fall sich durchaus von jedem anderen unierscheidet, daß Herr Rorton in einer Täuschung begriffen ist und von Anderen, ich will nicht sagen aus persönlichen, sondern aus politischen Motiven, als i gebraucht worden. Ich kümmere mich nicht um die politischen Meinungen derer, die ich anrede, ich würde eben so gern zwölf politische Gegner, als zwölf Anhänger meines edlen Klienten dor mir finden, da ich versichert bin, daß sie beiden Parteien Gerech— tigkeit würden widerfahren lassen. In der Jury - Liste befand sich das Haupt der meinem Klienten feindseligen Partei, aber ich hätte eben fo gern Sir Rob. Peel unter den Geschworenen gesehen, wie je—⸗ den Anderen, und weder Lord Melbourne, noch diejenigen, welche ihm Rath ertheilten, haben daran gedacht, gegen jenen Herrn Einwürfe zu erheben. Ein anderer merkwürdiger Umstand in diesem Prozeß ist der, daß bis auf den heutigen Tag die Konsulenten des Beklagten nicht die ge— ringste Andeutung darüber erhalten hatten, wer die Zeugen seyn wür⸗ den, ö davon ausgenommen. Vor dem geistlichen Gerichtshof muß bei Ehebruchs-Prozessen genau Zeit, Srt und alles Nähere dar⸗ ethan werden; hier aber wird gar nichts Bestimmtes angeführt; die eugen-Aussagen erstrecken sich über einen Zeitraum von A oder 8 lahren, schließen aber Alles aus, was in den letzten 2 oder 3 Jah⸗ ren vorgefallen ist, wo die beiden Ehelente auch noch in der vollkom⸗ mensten Eintracht lebten, wo Lord Melbourne's Besuche fert⸗ dauerten und derselbe in denselben freundschaftlichen Verhält⸗ nissen zu der 5 verblieb. Ueber die Jahre 1834 bis 1838 wird nicht das Geringste gesagt, ein in solchen Fällen ganz beispiel⸗ loses Verfahren. Unter solchen Umständen kann sich eine Partei un⸗ mbglich anders vertheidigen als dadurch, daß sie den Charakter der Klage und den Charakter der Personen, durch deren Aussagen sie unterstützt wird, aufzudecken sucht. Die Beschuldigungen gehen hier von verabschiedeten Dienstboten aus, von einer Menschenklasse, die in allen Fällen, aber namentlich in solchen, höchst gefährlich ist. Mein gelehrter Freund hat ein Gesetzbuch citirt, und ich will in Bezug auf solche Fälle eine Stelle aus einem anderen anführen: „Wenn!“ heißt es darin, „„ein Diensibote etwas eröffnet, so kömmt sehr viel darauf an, zu beweisen, daß er es auf der Stelle der gekränkten Par⸗ tei mitgetheilt hat; geschieht dies erst. nachdem ein Streit vorgefallen oder nachdem er aus dem Dienst entlassen worden ist eder überhaupt nach langer Zeit, so ist seine Aussage immer sehr verdächtig.“ Dies Alles aber paßt auf den vorliegenden Fall; alle jene Alternativen kommen hier zusammen. Ist es nicht klar, daß die Agenten des Herrn Nor— ton unter den Personen, die einmal im Nortonschen Hause gedient, alle diejenigen hervorgesucht haben, von denen sie glauben konnten, daß sie für die Schuld der Mistreß Norton und Lord Melbourne's eugen würden? Die Zeugen wußten also vorher, worauf es abge— . war, und man hat nur diejenigen vorgeführt, die man zu dem beabsichtigten Zweck geeignet fand. Mein gelehrter Freund hatte der Jury dersprochen, ihr alle Personen vorzuflih— fen, die' bei Herrn und Mistreß Norton in Dienst gestanden; hat er dies Versprechen aber erfüllt? Warum hat er die Kinderfrau, ö Gulliver, nicht vorgeladen? Wenn Wahrheit der einzige Zweck des Klägers ist, so sollte man doch wahrlich nicht zu List ünd Nunstgriffen feine Zuflucht nehmen. Warum wurde Fitneß nicht vorgefoͤrdert? Er steht noch jetzt in Herrn Norton's Dienst, er be⸗ findet sich zu Storey's Gate. Warum hat man ihn nicht citirt? Weil er bei' der Trennung in dem Nortenschen Hanf war und alle Umstände, welche dieselbe herbeigeführt, hätte erzählen können. Wahr—