1838 / 288 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

Er tragt das Kreuz der Ehrenlegion. Nachdem er seinem Bertbeidi— ger, dem Herrn Hardy, die Hand gereicht, und sich vor seinen Rich⸗ tern verneigt haite, nahm er auf der Bank der Angeklagten Platz. Auf die gewöhnlichen Interpellationen erklärte er, Franz Eduard Be⸗ rard zu heißen, Capitain Tresorier im 34sien Linien ⸗Regiment und 37 Jahr alt zu seyn. Der Präsident stellte alsdann folgendes Verdör mit ihm an: Frage: „Welche Gründe haben Sie veranlaßt, die Flucht zu neben?“ Antwort: „Ich war vom Unglück ver— folgt; ich hatte Berluste erlitten; und die Verzweiflung hatte sich meiner bemächtigt. Fr. „Erklären Sie sich über die Thatsachen, die Ihnen zur Last gelegt werden. Antw. „Es existirt ein Defizit in meiner Kasse; ich habe die Zablen verändert, um die Existenz desselben zu verbergen. Fr. „Sie wußten, daß Sie ein Falsum begingen? Antw. Ich wußte, daß ich einen Fehler beging.“ Der Präsident (mit Würde): Mein Herr, Sie haben gegen die Ehre, das erste Gesetz des Militairs, gefehlt; Sie täuschten das Vertrauen Ibrer Oberen; erklären Sie sich deutlicher“ Der Angeklagte: „Mein Desijit datirt schon vom Jahre 1831. Im Jahre 1833 wurde ich beauftragt, in Villefranche an der Spanischen Gränze Bureaus für verschsiedene Detaschements zu organisiren, welches mich zu einigen außerordentli— chen Ausgaben veranlaßte, die sich auf etwa 800 Fr. beliefen. Ich war nicht reich, ich konnte dieselben nicht decken. Rach Coulouse ju— rückgekehrt, ward ich an die Spitze einer neuen Rechnungsfübrung ge— stellk; ich wurde zu Ausgaben ähnlicher Art veranlatzt und befand mich mit 18090 Fr. im Rückstaude. Zu dieser Zeit trat ich als Capi⸗ tain und Schatzmeister in das 34. Linien⸗Regiment ein.“ Hier zäblt der Angeklagte die verschiedenen Ausgaben auf, zu denen er br seinem Eintriit in das Regiment genöthigt gewesen war, und erzählt dann, daß ihm in Pont⸗Saint-Esprit eine Summe von 1300 Fr. ge— stohlen worden sey. Fr. „Haben Sie zu irgend Jemand von die⸗ sem Diebstahl gesprochen?“ Antw. „Zu Riemard. Ich hatte in der Nacht, wo der Diebstahl begangen wurde, ohne Erlaubniß außer dem Hause geschlafen, und da ich Tadel fürchtete, so verschwieg ich Alles. Der Präsident ertheilte hierauf dem Angeklagten die Erlaubniß, eine ziemlich lange Schrift zu verlesen, in toelcher die Verlusie, die er nach und nach erfahren hatte, ausführlich aufgezählt wurden, und deren Summe dem in der Anklage bezeichneten Desizit ge— nau entspricht. Fr. „Wiegeht es zu, daß Sie, inmitien so vieler Verlegen, heiten, sich nicht Ihrem Obersten, oder anderen Offizieren Ihres Re— giments, bei denen Sie in großer Achtung standen, anvertraut ha— ben?“ Der Angeklagte (nach einer Pause): „Es war die Schaam, mein Oberst. die mich zurückhielt!. Fr. „Wie geht es zu, daß Sie nicht den Muth gehabt haben, Ihrem Major oder Ihrein Obersten die ganz ungewöhnliche Lage mitzutheilen, in der Sie sich befanden, besonders, da Ihnen von Ihren Waffenbrüdern verschiedene Sum— men anvertraut waren, die Sie sich angeeignet haben?“ Autw. „Es war dasselbe Gefühl der Schaam, welches mich zurückgehalten hat.“ Fr. „Welchen Gebrauch haben Sie von Diel Summen gemacht?“ Antw. „Ich bediente mich ihrer zur Bestreitung der lau— senden Dienst⸗ Ausgaben.“ Fr. „Erklären Sie dem Gericht, was mir als Corps-Chef unerklärlich ist, wie Sie dem Obersten Ihre Lage verbergen konnten, der doch Ihr Freund seyn mußte, da er sein gan— zes Vertrauen in Sie gesetzt hatte?“ Antw. „Es war eine Schwäche von mir, daß ich es nicht that, aber ich fürchtete seine Vorwürfe.“ Der Präsident (mit Güte): „Sie konnten Ihrem Chef Ihre Fehler eingestehen; Ihr früheres Leben, das Kreuz, welches Sie tragen, mußten Ihnen Bürge seon, für die väterliche Auf— nahme, welches jenes peinliche Geständniß gefunden haben würde.“ Antw. „Was sell ich Ihnen sagen Es war das Gefübl der falschen Schaam, welches mich zurückhielt.“ Herr Hardy: „Es dürfte von Wichtigkeit seyn, zu wissen, mit wescher Summe der Angeklagte sich entfernt und was er während der 59 Tage seiner Abwesenheit gethan hat.“ Der Angeklagte gab die (gestern mitgetheilte) Auskunft. Es wurde hierauf zum Zeugen-Ver⸗ kör geschritten. Der Capitain Pottier sagt aus, daß er, von dem Berschwinden Berard's benachrichtigt, den Obersten davon in Kennt— niß gesetzt und das Vincenner Gehölz habe durchsuchen lassen. In der Kasse habe sich ein bedeutendes Defizit vorgefunden. Einige Tage darauf ward ihm gesagt, daß eine gewisse Katharina Florentin, die Maittesse Berard's, die Absicht habe, sich in dem Kanal St. Martin zu ertränken. Er benachrichtigte zwei Polizei⸗Agenten, die ihr nach— eilten und sie m dem Augenblicke, wo sie sich ins Wasser stürzen wollte, verhafteten. „Ich war“, fügte der Zeuge hinzu, „ein Freund Berard's, er genoß in dem Regimente des besten Rufes. Ich be— dauere, daß er sich zur Deckung seines Defizits nicht an mich gewandt hat; ich würde ihm sogleich diesen 4 geleistet haben.“ Der zweite Zeuge, war Adele Laboprie, bei der Katharina Florentin sogirte, und die deshalb den Angeklagten öfter gesehen hatte. Fr. „Hat Berard Euch etwas von seinen Geld⸗Verlegenhelten gesagt?“Ant w. „Rie— mals.“ Fr. „Schien er traurig?“ Äntw. „Als ich ihn das letzte— mal sah, war er sehr niedergeschlagen und seine Züge waren verän— dert. Wenige Tage vor seinem Verschwinden kam Kaälharine in Thrä— nen aufgelöst zu mir und sagte, daß Berard sich töoten wolle.“ Als hierauf der Präsiden die Katharine Florentin vorrief, gab ich eine lebhafte Bewegung der Neugier in der Versammlung kund. hr Gesicht ist blaß und interessant; sie antwortet mit schwacher und bewegter Stimme, daß sie Putzmacherin und 25 Jahr alt sey. Nach⸗ dem ihr der Präsident einen Sessel hatte reichen lassen, begann fol— endes Verhör: Fr. „Was haben Ste über den Angeklagten zu agen? Ant w. „Was ich zu sagen habe, hat man schon früher auf— geschrieben.“ Fr. „Sie müssen es hier wiederholen. Wo haben Ste den Capitain Berard kennen gelernt?“ Antw. „In Dijon.“ Fr. „Sie sind ihm nach Paris gefolgt?“ Antw. „Ja, mein Herr.“ Fr. „Gab er Ihnen Geld?“ Antw. „Sehr wenig.“ Fr. „Welche Gefühle drückte er Ihnen aus?“ Antw. „Er sagte, daß er mich liebe.“ Fr. „Und war er nicht traurtg? Sagte er nicht, daß er sich ums Leben bringen wolle?“ Antw. „Ja, mein Herr, er war traurig und niedergeschlagen und in den letzten Tagen des Juli sprach er von Selbstmord.“ Fr. „Warum haben Sie seine Kameraden nicht davon in Kenntniß gesetzt.“ Antw. „Ich glaubte nicht, daß es sein Ernst sey, sondern daß er mich nur emfernen wolle.“ Fr. „Hat er mit Ihnen zuweilen von dem begangenen Falsum gesprochen?“ Ant w. „Niemals, mein Herr.“ Fr. „Haben Sie seit dem 26. Juli nicht eine bedeutende Veränderung in dem ganzen Benehmen des Capitain Berard wahrgenommen?“ Antw. „Er sagte, daß er in Verzweiflung sev und daß er sich in Geldnoth befinde.“ Fr. „Und haben Sie ihm darauf Ihre kleinen Ersparnisse angeboten?“ Katharine (die Augen nsederschlagend und mit leiser Stimme): „Es ist wahr, mein Herr, aber er hat es nicht angenommen.“ Fr. „Wieviel haben Sie dem Unglücklichen angeboten?“ Antw. Mane Garderobe und das Wenige, was ich an baarem Gelde besaß.“ Fr. „Wieviel war das?“ Antw. „Ungefähr 500 Fr.“ Fr. „Und wieviel konnte Ihre Garderobe werth seyn?“ Antw. „Viel⸗ leicht auch R bis 500 Fr.“ Der Präsident: „Ihr Benehmen ge— gen diesen Offizier ist über alles Lob erhaben.“ Der Berichter— statter zum Zeugen: „Was veranlaßte Sie, den Versuch zum Selbstmord zu machen?“ Katharina: „Als er verschwunden war, glaubte ich, er sey todt, und sogleich faßte ich den Entschluß, meinem Leben ein Ende zu machen; man hat mich daran verhindert, und das ist ein Unglück. Ich lege keinen Werth mehr anf das Le— ben, und wenn ich nicht fürchtete, seine schmerzliche Lage noch zu er— schweren, so würde ich bald todt seyn, denn ich leide zu viel.“ Hier erstickten Thränen die Stimme des jungen Mädchens und der Prä— sident sagte ihr mit sichtlicher Rührung, daß sie auf ihren Platz zu— räckkehren könne. Der Soldat Archidec, der Bursche des Ange⸗ klagten, erklärte, daß er niemals ungewöhnliche Ausgaben oder Pläne des Selbstmords bei seinem Capitain bemerkt habe; nur sey er vor seinem Verschwinden sehr niedergeschlagen gewesen. Der Major Edeles ertheilte dem Angeklagten das ehrenvollsie Zengniß. Er sey von allen seinen Kameraden geliebt gewesen und wenn er sich ihnen eröffnet hätte, so würde ihn gern ein Jeder aus seiner Verlegenheit gezogen haben. Niemals habe man bemerkt, daß sich der Capitain

zu üngewöhnlichen Ausgaben habe verleiten lassen. Des Lientenant Wenning's Aussage machte einen tiefen Eindruck auf das Andito— „Herr Berard“, sagte er, „hatte einen Schatzschein von

rium.

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A2 000 Fr. erhalten, welche für den Sold der Offiziere bestimmt wa⸗ ren. Er konnte diese selbst bei dem Zablmeister in Empfang nehmen, aber siatt dessen übergab er mir kurz vor seinem Verschwinden jenes Mandat und trug mir die Einziehung desselben auf, welches ich auch getban habe.“ Der Präsident: „Also tonnte er jene 12,000 Fr. einkassiren und mit sich nehmen? Antw. „Ohne allen Zweifel, mein Obersi.“ (Anbaltende Bewegung.) Nachdem noch der Oberst des Regiments selbst, so wie mehrere Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten günstig für den Angeklagten ausgesagt hatten, bielt der Berichterstatter sein Requisitorium, welches Lerr Hard mit großer Sneigie beantwortete, worauf der Präsident die Debatten für geschlessen erklärte. Der Angetlagte wurde hier= auf abgeführt, und das Gericht zog sich in sein Berathungs-Zimmer zurück.! Nach einer Stunde begann die öffentliche Sitzung wieder und der Präsident verlas das Urtheil, durch welches der Capitain freigesprochen, und seinem Regimente wiedergegeben ward. Wie man vernimmt, wird der Capitain Berard sich mit Katharine Floren⸗ tin auf gesetzliche Weise verdinden.

Paris, 11. Okt.) Das Journal des Debats ent— hält einen Artikel uͤber die Antwort des Luzerner Bundes-Di— rektoriums, in dem folgende Stelle vorkommt: „Frankreich hat Genugthuung erhalten, ohne daß es zur Gewalt seine Zuflucht zu nehmen brauchte. Unser Buͤndniß mit der Schweiz wird nicht gestört werden.

Die Presse meldet, daß die Taufe des Grafen von Pa— ris definitiv bis zum Fruͤhjahr verschoben sey und in Fontaine— bleau stattfinden werde. ;

Der Graf Demidoff ist gestern mit Depeschen aus St. Pe—⸗ tersburg in Paris eingetroffen.

Die hiesigen Blaͤttter sprechen heute von einem Of- und Defensiv⸗Traktat, der zwischen England und der Pforte gegen Persien abgeschlossen seyn soll.

Der Pariser Handelsstand hat 13 auch seine Petition und zwar zu Gunsten der Runkelruͤben⸗Zucker-Fabriken an den Handels⸗Minister gerichtet.

In Perpignan hatte sich am aten d. bei Abgang der Post das Geruͤcht verbreitet, daß in Barcelona die bestehende Regierungs-Form durch einen Volks-Aufstand umgestuͤrzt wor— den sey. Die Garnison hatte sich mit dem Baron von Meer in die Citadelle geflüchtet. Diese Nachricht scheint sehr der Bestaͤtigung zu beduͤrfen. !

Großbritanien und Irland.

London, 10. Okt. Die Versicherung, daß die Reformer von Liverpool nach der von Lord John Russell dort gehaltenen Rede viel zufriedener von dem Minister Abschied genommen, als sie ihn bewillkommt, findet unter den hiesigen Liberalen nicht rechten Glauben. Sie erblicken in demjenigen, was der Lord bei dem ihm zu Ehren vom Mayor der Stadt Liverpool ver— anstalteten Diner gesagt, wenigstens so viel man davon erfah— ren hat, nicht die geringste Buͤrgschaft dafuͤr, daß das Ministe—⸗ rium die Absicht hätte, seine vergeblichen Bemuͤhungen um Versoͤhnung der Opposition im nächsten Jahre fahren zu lassen und statt dessen, mehr auf seine Freunde sich stuͤtzend, mit groͤ— ßerer Energie auf der Bahn der Reformen fortzuschreiten. Man will im Gegentheil schon aus dem Umstande, daß keine Schnell— schreiber zu dem Diner zugelassen wurden, den Schluß ziehen, daß Lord J. Russell eine vollstaͤndige Veroͤffentlichung seiner Rede nicht gewuͤnscht habe, weil er sich bewußt gewesen, daß dieselbe der liberalen Partei wenig gefallen wuͤrde. Daß er fuͤr die freie Erörterung gesprochen und den radikalen Volks— Versammlungen nicht habe wehren wollen, dies wird ihm nicht als ein besonderer Ruhm angerechnet, da es einer der Grundsaͤtze der Englischen Verfassung ist, daß das Volk berechtigt sey, sich ungehindert in oͤffentlichen Ver— sammlungen uber seine Interessen zu berathen, so lange der Frie⸗ den der Gesellschaft dadurch nicht gefaͤhrdet wird. Hatte also Lord J. Russell irgendwie angedeutet, daß die Minister gegen jene Versammlungen einzuschreiten beabsichtigten, so wuͤrde er sich denen gleichgestellt haben, die im Jahre 1819 die bewaff— nete Macht gegen die große Volksversammlung in Manchester aufboten, ehe diese noch Miene gemacht, die oͤffentliche Ruhe zu stoͤren. Es heißt zwar, einige Pairs haͤtten dem Premier— minister, Lord Melbourne, die Nothwendigkeit vorgestellt, Maß— regeln gegen einige der hestigsten Agitatoren zu ergreifen. Daß aber das Ministerium auf diese Vorstellungen nicht eingegangen, darin findet die liberale Partei, wie gesagt, weiter nichts Verdienstliches, sondern nur eine ganz natuͤrliche Klug— heit, da ein gewaltsames Einschreiten gegen die Umtriebe der Herren Feargus O Connor, Ebenezer, Oastler, Pfarrer Stephens und aͤhnlicher Demagogen das Volk nur erbittert und selbst diejenigen, die jetzt am lautesten gegen diese Maͤnner spraͤ— chen, vielleicht zur Sympathie fuͤr dieselben gestimmt haben wuͤrde. Es sey daher fuͤr das Ministerium selbst, um so mehr als es bei seiner schwachen Stellung die Radikalen nicht zu sehr gegen sich aufbringen duͤrfe, das Gerathenste, jene Leute gewaͤh— ren zu lassen, in der Voraussetzung, daß ihnen nichts Schlim⸗ meres widerfahren koͤnne, als Nichtbeachtung, waͤhrend sie gar zu gern als Maͤrtyrer erscheinen mochten, wie z. B. der Agita⸗ tor gegen das Armen-Gesetz, Oastler, der mit ihnen Genossen, dem Pfarrer Stephens, gemeinschaftlich das Volk zu den Waffen ruft, den General Prokurator schon wieder sich herausgefordert hat. Auch zeige sich bereits, wie richtig berechnet in dieser Hin— sicht die ministerielle Politit sey, denn die Agitation zu Gunsten der sogenannten Volkscharte verliere sich immer mehr und werde bei jeder Erneuerung unbedeutender. In Schottland, wohin man dieselbe auch fortpflanzen gewollt, habe sie fast gar keinen Anklang gefunden, und die erste Versammlung der arbeitenden Klassen, die dort auf einem freien Felde bei Dumfries unter den Auspizien der Volkscharte veranstaltet worden, sey nur von hoͤch⸗ stens 400 Individuen besucht gewesen und habe sich durch außerordentlich gemäßigte Reden ausgezeichnet. Ueberdies koͤnne man darauf rechnen, daß der Instinkt der Selb erhal— tung am Ende Alle, die noch irgend etwas zu veclieren hatten, um die Regierung sammeln wuͤrde, sohald die Ruhe des Landes wirklich bedroht schiene. Wahrend also die Liberalen auf diese Weise in den Aeußerungen Lord John Russell's hinsichtlich der Volksversammlungen gar keinen Grund zu der Hoffnung finden, daß das Ministerium in der naͤchsten Parlaments⸗Session sich ihren Wuͤnschen und Reform-⸗Projekten mehr anbequemen wuͤrde, klagen sie vielmehr daruͤber, daß die Rede des Ministers nur den' niedrigen Voiksklassen und ihren Versammlungen Schutz verheiße, aber auf die Beschuͤtzung der Mittelklassen nicht die mindeste Ruͤcksicht nehme, indem sie gar nichts uͤber die geheime Abstimmung bei den Parlamentswahlen sage, und keine Aussicht auf eine guͤnstige Beurthei—⸗ lung dieser Reform- Frage von Seiten des Ministeriums

) Die Französischen Zeitungen gehen uns so dicht vor dem Schlusse des Blaties zu, daß wir unseren Lesern nur einen ganz ge⸗

drängten Auszug aus denfelben geben können.

durchblicken lasse. Es scheint indeß, als ob den telklassen selbst sehr wenig an der geheimen Abstimm! so wie überhaupt an weiteren Parlaments- Reformen a0. ware, sonst wuͤrden dieselben wohl nicht solche Gleich in bei der Einregistrirung ihrer Waͤhlerrechte zeigen, wie ih! nach dem eigenen Eingestaͤndniß der Liberalen, in diesem thun. Der eigentliche Mittelstand hat bei der Registrirun“ nirgends großen Eifer bewiesen; in Marylebone, wo d ; einigen Monaten ein Verein zur Beförderung der liben! Waähler⸗Registrirung gebildet worden ist, findet man, ungen der Bemuhungen des Vereins, ganze Straßen mit Haͤusern ä0 bis 30 Pfund jährlichen. Mieihswerthes, in denen! ein einziger Einwohner sich um die Registrirung gekuͤmmen n Eben so steht es in vielen anderen Wahl⸗-Distrikten, und die si ralen Blaͤtter klagen beständig uͤber die Saumseligkeit ihrer hy = wahrend die Konservativen, sich des Gewinns freuen, la ihrs Sache daraus erwaͤchst, und gewiß haben sie schon a tend gewonnen, wenn sich ein Theil ihrer Gegner nur unn verhaͤlt, um so mehr, wenn dies gerade die Mittelklassen ? in denen die Whigs stets ihre Hauptstuͤtze gesucht haben. scheint dies allerdings darauf hinzudeuten, daß jene Klassen der Verwaltung der jetzigen Minister nicht mehr ganz zuftzg, sind, und daß der Widerstand gegen die Konservativen und nach geringer werden duͤtfte. Dann waͤre viell doch die Zeit fuͤr ein Coalitions-Ministerium gekommen, so mochte es zu erklaͤren seyn, wie Lord Melbourne, g John Russell üßd einige andere Mitglieder des Kabineis, Hinneigung der bemittelten Klassen zum Konservatismus du schauend, schon in der vorigen Session den Häͤuptern der servativen Partei sich zu nähern angefangen. Eine neue An herung findet man in der mehrerwahnten Rede Lord Ig Russel's, indem er es bei Gelegenheit seiner Aeußerungen in den Volks-Unterricht so sehr hervorhebt, daß derselbe auf! Religion begruͤndet werden muͤsse, im Widerspruch gegen Anhänger des, namentlich von den Dissenters aufgestellen, , , freiwilligen Prinzips, zu denen auch eine det h estehenden Gesellschaften zur Beförderung des Unkerricht hoͤrt, und die ihrem Lehrplan kein besonderes Glaubens beta, niß zu Grunde legen wollen. Gleichzeitig hg der Minister nn Innern ein Schreiben an die Armen-Kommissarien ttz hen lassen, aus welchem sich ergiebt, daß dem Ministern darum zu thun ist, dem etwanigen Mangel an Religimm unterricht in England abzuhelfen. Alle Armen-Vorsteher den einzelnen Bezirken sollen naͤmlich aufgefordert werbdn dem Ministerium daruͤber Bericht zu erstatten, wie viel Kn chen und Kapellen der Anglikanischen Konfession und der konformisten es in jedein Bezirke giebt, wie viel Personen h jedes dieser Gotteshäuser zu fassen vermag, wie viel Schulg sich in jedem Kirchspiel befinden, ob dieselben unter der N tional⸗Gesellschaft oder unter der Britischen⸗ und aus waͤrtig Schul-Gesellschaft oder mit irgend einer Religions-Geme schaft in Verbindung stehen, ob es Sonntags“ oder Woche tags-Sohulen sind, wie viel Kinder in den Schulen eines jed Kirchspiels unterrichtet werden, nebst Angabe der gegenwaͤ gen Bevoͤlkerung des Kirchspiels, und wie viel Leute ungefüh in jedem Kirchspiel, im Verhaͤltniß zu der ganzen Einwohnn zahl desselben, weder schreiben noch lesen koͤnnen.

Der neue Lord-Mayor von London fuͤr das naͤchste Jh Alderman Wilson, isi seit mehreren Jahren als Hof- Fou beim Königlichen Haushalt angestellt und als solcher courfahl

Den letzten Nachrichten aus Lissabon zufolge, war dasch immer noch davon die Rede, daß der Finanzminister, Herr M noel Carvalho, seines Amtes muͤde, naͤchstens seine Entlasinn einreichen wuͤrde.

Die Times, die in den Mißhelligkeiten zwischen Fran reich und der Schweiz fortwährend gegen die Franzoͤstsche R gierung Partei genommen und behauptet hatte, daß dem M kerrechte gemäͤß wohl ein Staat von dem anderen das Verspft chen fordern koͤnne, innerhalb seines Gebiets keine gegen in gerichtete Unternehmungen dulden zu wollen, aber nicht n Verbannung von Personen, von denen er etwas Feindliches s befuͤrchten haͤtte, dieses Blatt äußert heute, in Folge de Nachricht von der freiwilligen Entfernung Louis Bonapatttz aus der Schweiz, die Franzoͤsische Regierung koͤnne sich Gl dazu wuͤnschen, daß die Sache ein solches Ende genommen, denn sie hätte in einem Kampfe mit der Schweiz leicht den Kuͤrzeren ziehen koͤnnen. Dann aber fragt die „Times“, ob Frankreich wohl vor einem feindlichen Unternehmen von Seitn Louis Bonaparte's sicherer seyn wuͤrde, wenn dieser etwa i Dover seinen Aufenthalt nahme, ob ein solcher Punkt, von den man in 3 oder A Stunden an jedem Winterabend in dem ersen besten Fischerboot nach Frankreich gelangen koͤnne, nicht ein weit bequemere Position fuͤr jenen Abenteurer seyn wuͤrde, irgend ein Theil der Sardinischen, Belgischen, Spanisch! oder Schweizer Gränze, oder ob Frankreich etwa dam . eine ähnliche Aufforderung an Großbritanien, wie an din Schweiz, richten und mit einer Landung an der Englisch Kuͤste drohen wolle, und ob es glaube, daß das Englishe Volk auf eine solche Aufforderung hoͤren und einem Mini rium die Bewilligung des Verlangens gestatten wuͤrde. Ehn so wenig, meint die „Times“, wuͤrde dies geschehen, wie

dem Englischen Volke eingekommen waͤre, etwarwaͤhrend Insurrection in Kanada von den Vereinigten Staaten zu fön

dern, daß sie die Kanadischen Rebellen, die sich auf deren Gu biet gefluͤchtet, von dort verbannen sollten.

Belg en.

Bruͤssel, 11. Okt. Dem Moniteur zufolge, hatten si an mehreren Orten Besorgnisse wegen Theuerung des Getrah des und namentlich des Weizens verbreitet. Naͤhere Nah . schungen haben jedoch die Regierung uͤberzeugt, daß es uͤbera in den Provinzen hinreichende Vorraͤthe fur die Consumtiot

iebt und daß man vielmehr die Hoffnung hegen duͤrfe, di Bene allmaͤlig wieder weichen zu sehen. . Einer im Moniteur enthaltenen Uebersicht zufolge, hu mit den in diesen Jahre neu hinzugekommenen Eisenbahn Sectionen die gn fehr der Reisenden und die Einnahme sich in

nachstehender Weise vermehrt: hfteh ö Anz. d. Reisenden. Gesaunt inna ht m Dae K 1,357, 1 1,384,502 Fr. 196 m 1. Vierteljahr von 1838 314,609 374, 34 415 Im 2. Vierteljahr von 1838 575,279 Jä0, 525 S0

Im 3. 16 von 1838: 791,561 1,676 052 . Ko ; Unter der Zahl dieser Reisenden sind die Militairs fac begriffen, von denen allein im Monat September 9752 er. auf der Eisenbahn transportirt wurden. Der Moniteur = klagt sich, daß die Reisenden fortwährend von den Wa nut gh des ersten Ranges nur wenigen Gebrauch machen. as h haͤltniß ist ungefaͤhr folgendes: von 109 Reisenden nehmen

ihre Plätze auf den offenen (billigsten) Wagen, 30 auf din

uns an den

6 sehen.

hellen, ergresfen wir sehr gern diesen

sitch Fremde aller Zungen und

serlichen Hoflagers in Venedig.

Chars-à-banes, 9 auf den Diligencen und nur Einer auf den Berlinen, wo die Preise am hoͤchsten ind. Nur sehr unguͤn⸗ stiges Wetter oder ein ungewöhnlicher Andrang bewirken zuwei— len eine Abweichung in diesen Verhaͤltnissen.

Deutschland.

Munchen, 10. Ott. (. A. 3.) Was einige Blaͤtter von der Auszahlung der dritten Griechischen Anleihe⸗-Serie gemeldet haben, hat nicht den geringsten Grund. Es ware wohl moöͤg—⸗ lich, daß unter den jetzigen Umstaͤnden Rußland Geld-Unter⸗ stutzungen an Griechenland gelangen ließe, aber eine Emission der dritten Serie der garantirten Anleihe von Seiten der drei Schutz machte duͤrfte wohl bei den jetzigen Verhaͤltnissen weniger als je statt haben. Uebrigens ist auch von dieser dritten Serie, nach Abzug der Interessen und der Amortisation fuͤr die zwei ersten Serien, so wenig mehr disponibel, daß dadurch Griechen⸗ lands Geld⸗-Beduͤrfnissen nicht sonderlich abgeholfen werden wurde. Die ganze Nachricht beruht aber auf einem leeren Ge— ruͤchte, das sich hier verbreitet hat und in die Zeitungen uͤber—

angen ist. ; 21 *. ohn des Herrn Geheimen Hofraths, Professors Schelling ist als Professor der Rechte bei der Universitaͤt Er— langen angestellt worden. Der dortige Senat hat zwar gegen diese Anstellung einige Reclamationen erhoben, doch konnten selbige nicht beruͤcksichtigt werden. ̃ .

annover, 13. Okt. Se. Durchlaucht der Herzog von

Holstein-Gluͤcksburg nebst Gemahlin Koͤnigl. Hoheit sind ge— stern von Ballenstedt hier eingetroffen und im British Hotel abgestiegen.

j ern, , 13. Okt. Die Frau Großherzogin und der Erb großherzog werden heute in der Residenz zuruͤckerwartet.

In dem Nachlasse des verstorbenen Hof-Kapellmeisters, Ritters Hummel, haben sich verschiedene noch nicht gedruckte musikalische Manuskripte, wie Klavier⸗Kompositionen, Konzerte fuͤr Pianoforte und andere Instrumente, Lieder, Kantaten, Messen, Ouvertuͤren, gefunden, welche jetzt dem Druck uͤber— geben werden.

Oesterreich.

Wien, den 11. Okt. Die Feldmarschall⸗Lieutenants Laval Graf von Nugent, Graf Vetter von Lilienberg und Graf von Walmoden sind zu Feldzeugmeistern und zum General der Ka— vallerie befoͤrdert worden. Graf von Nugent wird zugleich ad

latus des kommandirenden Generals in Illyrien, Inner⸗Oester—

reich und Tyrol gestellt. Der General⸗Major Graf Bigot von St. Quentin ist zum Feldmarschall-Lieutenant ernannt worden.

Schweiz.

Luzern, 10. Okt. Die Tagsatzung hat in ihrer Sitzung vom 9. Oktober beschlossen, ein Observations- Corps an der Franzoͤsischen Graͤnze aufzustellen. Der linke Fluͤgel desselben, zur Deckung der Graͤnze von Genf bis Neuchatel, wird unter

dem Befehl des Generals Guiguer stehen; der rechte Fluͤgel,

von Neuchatel bis Basel, unter dem des Obersten Zimmerli. Ferner wurde beschlossen, daß / von dem Kontingents-Geld

von den Ständen entrichtet und /, aus der eidgenoͤssischen Kasse genommen werden soll. Nach dem „Schweizerboten“ foll

dieses Observations⸗Corps aus 10,0600 Mann gebildet werden. Die Antwort des Kaisers von Oesterreich auf das Begluͤck— wuͤnschungsschreiben der Eidgenossenschaft zur Kroͤnung in Mai—

land lautet wie folgt: An unsere lieben und getreuen Freunde, die hochachtbaren Eid— genossen der 22 Kantone. Hochachtbare vielgelieble Freunde! Es ist

uns sehr angenehm gewesen, aus den Händen des Bundes⸗-Präßiden— ten von Planta auf Neichenau und des Staatsrathes Molo das Schreiben zu erhalten, welches in Ihrem Ramen Schultheiß und Staats— rath des eidgenössischen Vororts Luzern an uns gerichtet haben, um

nus zu der eben vollzogenen Krönung in Mailand Glück zu wünschen. Ueberzeugt von der Aufrichtigkeit der Gesinnungen, welche Sie, hoch— achtbare, . Freunde, bei dieser erfreulschen Gelegenheit gegen

ag gelegt haben, sind wir Ihnen für die Beihätigung derselben freundlichst verbunden, und best(rkt sie uns in dem stets ge hegten Wunsch, der Schweizerischen Eidgenossenschaft Beweise unseres freundnachbarlichen Wohlwoͤllens zu geben und zwischen derfelben und unseren Staaten immerwährend das beste Einvernehmen unterhalten Indem wir schließlich der Art und Weise, mit welcher die bgeordneten der Eidgenossenschaft sich ihres Auftrages entledigt ha— eugniß der Befriedigung er— nlaß, der hochachtbaren Eid— genossenschaft die Bersicherung unferer vollkommenen Achtung zu er— neuern. Mailand, 13. September 1838. Ferdinand.“

Italien.

Venedig, 6. Okt. Gestern um drei Uhr Nach⸗ mittags ist der Kaiser in Venedig eingetroffen. Das letzte Nachtlager war Padua; von dort ging der Wagenzug laͤngs der Brenta bis Fusina am westlichen Ufer der Lagunen, wo sich der Kaiserliche Hof einschiffte. Die Gondel „Galleggiante“, welche die höchsten Herrschaften trug, war festlich geschmuͤckt, eine zahllose Menge von Barken, Gondeln und Böten der Kai— serlichen Kriegs-Marine umgaben das Kaiserliche Schiff. Der Zug kam durch den großen Kanal vor der Piazzetta, unter dem Gelaͤute aller Glocken und dem Donner des Geschuͤtzes der ge⸗ . in diesem Hafen stationirten Kaiserl. Kriegsschiffe an.

nter den groͤßtentheils festlich geschmuͤckten Boten zeichneten

ben, mit Vergnügen das wohlverdiente

sich vorzuͤgllch die der verschiedenen Zuͤnfte aus, welché mit den

Emblemen der Gewerbe verziert waren. Als der Kaiser und die Kaiserin auf der Piazzetta landeten, erscholl die Luft von dem Jubelrufe einer ungeheuren Menschenmenge: aus den Fen— stern des Koͤniglichen Palastes, von den luftigen Zinnen des Palazzo Ducale, bis zum Markusthurm hin ß wehten Tuͤcher und. Huͤte, um die angekommenen Gaͤste zu begruͤßen. Ve— nedig bietet jetzt den heitersten und reizendsten Anblick dar; seine alten verfallenen Paläste scheinen wieder belebt, der Gon dolier begleitet, wie fruͤher, den Ruderschlag mit munterem Ge— ang, auf der Riva de Schiavoni, am Markusplatz, drangen Zonen, der Oceident und der rient begegnen sich hier in den Lebenden, wie man die go— hehe Rose mit dem byzantinischen Rundbogen der Markus— liche und des Dogen-Palastes vermählt siehi. Der Kaiser

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sieht gesund aus, und soll sich in seinen Italiänischen Staaten

cr wohl gefallen. Der Hof wird bis zum 1Sten hier verwei⸗

eng und dann die Ruͤckreife nach Wien antreten, ohne, wie es vorher bestimmt war, Triest zu beruͤhren.

Folgendes ist die Tagesordnun wahrend der Zeit des Kai⸗

m 5ten: feierlicher Einzug

in Venedig; am ten: Vorstellung der Behoͤrden bei Hof; am große Hoftafel; am am 19ten: urano, Hofball; am 11Iten: Tombola oder am 12ten: Besuch des Arsenals. sser⸗ Feuerwerk; am 13ten: Besuch

ten: Milltair⸗Mesfe. Regatta; am Sten: 1. Fahrt nach den Daͤmmen von Murazzo; Desuch in M olksfest am Markusplatze, dandver der Marine. 9

hatte, zuruͤckgekehrt.

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der Akademie. Beleuchtung des Markusplatzes und der Piaz— zetta; am 14ten: Maskenball in der Fenile; am 15ten: Volks—⸗ sest am Lido; am 19ten: große Hoftafel, am 17ten: Abschieds— Audienzen; am 18ten: Abreise.

Rom, 4. Okt. (A. 3.) Gestern legte in einer feierlichen Audienz der Graf Septime de la Tour Maubourg, begleitet von dem ganzen Personal der hiesigen Franzssischen Gesandt— schaft, seine Kreditive als Franzoöͤsischer Boischafter beim heiligen Stuhl in die Hände des Papstes. Hierauf begab sich der neue Botschafter zum Kardinal⸗Staats⸗Secretair, dann in Abwesenheit des Dekans des heil. Kollegiums, Kardinal Pacca, zum Kardi— nal de Gregorio, und später verrichtete er nach hergebraͤchter Sitte sein Gebet am Grabe des heil. Petrus in der großen Kirche dieses Apostels. Der von den Roͤmern gehoffte pomphafte Aufzug des Botschafters und der Einzug durch die Porta del Popolo, wie in den fruͤheren Jahren, beim Eintreffen von Botschaftern, zumal bei einem des „Allerchristlichsten Königs“ zu geschehen pflegte, unterblieb gaͤnzlich, obgleich der Graf bei seiner vor vierzehn Tagen erfolgten Ankunft in Civita-Vecchia mit 101 Kanonenschuͤssen empfangen worden war.

Der Unter-Staats⸗Secretair Msgr. Cappacini ist aus Flo⸗

renz, wo er eine Zusammenkunft mit dem Fuͤrsten Metternich Mgr. Altieri, Päpstlicher Nuntius in Wien, ist von hier nach Benedig abgegangen.

Spanien.

Madrid, 2. Okt. Es ist hier eine geheime Polizei errich— tet worden. .

Die Hof-Zeitung enthalt sehr strenge Bestimmungen 9 Bezug auf die in Disponibilitaͤts,Zustand verfetzten Mi— itairs.

Spanische Gränze. In dem Gefecht zwischen Caspe und Maella, welches bekanntlich zu Gunsten der Karlisten aus fiel, sind außer dem General Pardiñas, der sich selbst auf dem Schlachtfelde erschossen haben soll, der 2 Alvarez, vom Regiment „Afrika“, der Oberst Serrano, Commandeur der Kavallerie und Sohn des Generals Serrano, und der Sohn des Marquis von Cajeston, der Oberst-Lieutenant in der Chri—

stinischen Armee war, getöͤdtet worden. Im Ganzen soll die

Armee der Koͤnigin 1009 Mann Infanterie und 400 Kavalle— risten verloren haben.

Jn lang.

Stettin, 15. Okt. Bugsir fahrt. Um dem dringenden Beduͤrfnisse einer bei jedem Wind und Wetter der Schifffahrt gesicherten Communication zwischen hier und Swine— muͤnde zu begegnen, hat sich hier ein Actien-⸗Verein zur Einrich⸗ tung einer Dampf⸗-Bugsirfahrt gebildet, dessen hoͤhere Bestaͤtigung zu erwarten steht. Wohlthaätigkeit. Am 18ten v. M. bei Gelegenheit der Anwesenheit Sr. Koͤnigl. Hoheit des Kron— prinzen in Stargard wurde von mehreren Silettanten unter Leitung und Mitwirkung der einst als mimischen Kuͤnstlerin be ruͤhmten Frau Professorin Haͤndel⸗Schuͤtz zum Besten des dor— tigen Privat⸗Armen Vereins eine theatralische Vorstellung ge⸗ geben, welche einen Ertrag von ungefaͤhr 220 Rthlr. ge— währte. Kirchenwesen. Am 1I6ten v. M. wurde eine von dem Orgelbauer Schulze verfertigte, durch die Gnade Sr. Majestaͤt des Koͤnigs fuͤr die hirsige Schloßkirche er— kaufte vortreffliche Orgel feierlich eingeweiht. Auch in der Kirche zu Labes wird eine von demselben Meister verfertigte ähnliche Orgel aufgestellt, zu deren Anschaffung die Einwohner bereits 550 Rthlr. an freiwilligen Beiträgen unter⸗ zeichnet haben. Eben so erfreut sich die Gemeinde der Land- kirche zu Guͤtzlaffshagen, Kreis Greifenberg, seit kurzem des Besitzes einer Orgel, zu deren Ankauf saͤmmtliche Gemeinde⸗ glieder ohne Unterschied und Ausnahme im Ganzen 200 Rthlr. zusammengebracht hatten. Militairwesen. Die zu den Herbst-Uebungen bei Stargard zusammengezogen gewesenen Truppen sind wieder in ihre Garnisonen zurückgekehrt. Se. Koͤnigl. Hoheit der Kronprinz inspieirte dieselben, ließ am 17ten und 18ten v. M. mehrere Mandver im Feuer ausfuͤhren und wohnte am folgenden Tage einem aͤhnlichen Mandoͤver der hier zusammengezogenen Truppentheile bei. Die in Naugard ge⸗ standene Garnison⸗Compagnie des 2ten Infanterie⸗Regiments ist zur Formation des 2ten Reserve⸗Bataillons nach Colberg abge— gangen und dagegen ein Kommando des 9ten Infanterie⸗Regi— ments zur Bewachung der Straf- und Besserungs-AUnstalt in Naugard eingeruͤckt.

Bromberg, 12. Okt. Wohlthatige Einrichtung. Die Koͤnigl. Regierung bringt Nachstehendes als solche, und als nachahmungswuͤrdiges Beispiel fuͤr andere Gemeinden zur offentlichen Kenntniß: „In der Gemeinde Schoͤnmaͤdel, Kreis Schubin, war es, wie in manchen anderen Gemeinden bisher uͤblich, daß neue Ackerwirthe oder neu anziehende Schmiede, Hirten ꝛc. der ganzen Gemeinde eine sogenannte Ergoͤtzlichkeit, die in Branntweinspenden bestand, geben mußten. In der Ueberzeugung von den verderblichen Folgen des vielen Brannt— weinstrinkens, hat die dortige Gemeinde durch einmuͤthigen Be— schluß diese Gewohnheit abgeschafft und bestimmt, daß das dazu hergegebene Geld zu Schulzwecken verwendet werde. Schon hat dadurch die dortige Schule eine bessere Ausstattung mit Schul-Utensilien erhalten.“

Duͤsseldorf, 12. Okt. (Duͤsseld. Ztg.) Eisenb ahn. Die Probefahrt auf unserer Eisenbahn ist gemacht. Heute fruͤh ein Viertel nach 7 Uhr ging der erste Dampfwagen vom Bahn⸗ hofe ab, und legte eine Strecke von etwas mehr als einer hal— ben Preußischen Meile zuruͤck. Die erste Fahrt ging langsam, um die Bahn zu pruͤfen; dann kam der Wagen in fuͤnf Hen. ten die halbe Meile zurück. Mit der letztgenannten Geschwin⸗ digkeit wurde die Fahrt noch dreimal wiederholt, und kann nach dem Urtheile der Techniker versichert werden, daß nicht nur der Dampfwagen seine volle Schuldigkeit gethan, fondern auch die Bahn sich so gut gehalten hat, daß man mit vollem Ver— trauen ihrer Benutzung fuͤr die Zukunft entgegensehen kann.

Köln, 12. Okt. (Köln. Ztg.) Eisenbahn. Der Minister der oͤffentlichen Arbeiten in Belgien, Herr Rothomb, so wie der Ober⸗Ingenieur der Belgischen Eisenbahnen, Herr Simons, trafen gestern Abends hier ein und stiegen im „Kai⸗ serlichen Hofe“ ab, wo 9 von den hiesigen Herren Mitgliedern der Direction und des dn / nistr ic en h der Rheinischen Eisenbahn⸗Gesellschaft bewillkommt wurden und spaäͤter an einem ihnen zu Ehren veranstalteten Souper Theil nahmen. Heute

orgens besichtigten die beiden Herren die Arbeiten an der Eisenbahn beim Stationsplatze am Thuͤrmchen und in der Nahe der Stadt und sprachen sich, wie wir vernehmen, im n. Grade beifaͤllig uͤber das bisher Geleistete aus. In egleitung der Herren Direktoren und der Herren Mitglieder

des Administrations-Rathes verließen der verd;ienstvolle Staats⸗ mann und der kraftige Leiter der Belgischen Eisenbahn-Arbei⸗ ten, Herr Simons, welcher auch mit der Leitung der Arbeiten in der Nähe der Preußischen Graͤnze beauftragt ist, heute Mittags unsere Stadt, um die Arbel ten an der Bahn bei Muͤngersdorf, Königsdorf und Horrem zu besichtigen, und dann von dort heute Abends nach Aachen zuruͤckzukehren.

Wissenschaft, Kunst und Literatur.

Aus stellung auf ver nalin Akademie der ö un st e. Das schöne Bild von Julius Hübner, dessen Verschwinden wir beklagten, isi nunmehr wieder erschienen und kann in besserem Licht, als zuvor, geschaut werden. In zrchiteftonischer ümschließung und Ancrdnung und mit entschieden spmbolischer Auffassung siellt der Künsller uns das Evangelium vom Pharisäer und Zöllner dar. Eine fremdartig⸗ Architektur, welche die Phantasie gern für die vom Teinpel Salemonis nimmt, biibet zwei Bogen, in denen die beiden Figuren sich dem Heüigthum nähern, rechts der siolse Geistliche, links das ireostbedürftige Wellfind. Der Pharifäer, welcher, ein großes Buch unter dem Arm, sich selbsigefälig umschaut uach dem reuevoll Be— tenden zeigt ein Antlitz voll geisiiichen Hochmuths; wir lesen darin jenes äußerliche herzlose Formenwesen, ünd dire se Züge vergegenwär— tigen ihn uns zugleich lebhaft, wie er im Tempel seine Gebete herzu— plappern pflegt. Jener . ist wahrhaft in dem Moment genem-— men, wo er an sein Herz schlägt und spricht: „ett sey mir Sün— der gnädig!“ An die Thür gelehnt, sichend in sich zusammengebeugt, sein Haupt senkend und fast verbergend, bekundet er in seiner ganzen Haltung so viel von zerknirschtem Schuldbewußtseyn und reuiger Hingebung, so viel innere Scham und mit dieser eben noch eine ge— rettete Unschuld des Herzens, daß dies von jedem Beschar er sogleich verstanden und gefühlt werden muß; in selchem Gegeysatz aber tritt diese Charakteristik doppelt wirksam und rübrend hervef. Der Künst— ler hat nichts versäumt, um den Gegensatz nach allen Seiten hin auszu⸗ bilden; schon durch die bloße Wahl der Gewandfarben unterschied er seine Figuren sehr glücklich, denn er kleidete den Pharisäer in grelle Farben, in ein oranges Obergewand auf einem hartblauen Unterkleide, und gab dem Zöllner dagegen sanfte, modeste Farben, die sich in der Phantasie des Beschauers, mit dem geistigen Inhalt der Figuren leicht zu einem harmonischen Eindruck vereinssen. Aber kiermit ist die Darstellung noch nicht erschöpft; jene jwei Bogen sind von einem deitten überwölbt und den Zwischtüraum auszufüllen erscheint Gott der Herr, welcher den Zöllner mit der einen Hand segnet, und mit der anderen den Pharisäer von sich weist. So schön dies gedacht seyn mag, so mußte doch die figurative Ausfübrung in unauflösliche Schwierigkeiten stürzen. Die Figur, welche, um wenig zu sagen, die erhabenste seyn sollte, ist entschleden die unbedeutendste; und wie kann es auch anders seyn? Rur kindlich naiven Zeltaltern darf der Ee— danke, das Geistigste und Unschaubarsie, gleich wie jedes andere ab— zubilden, verziehen werden, und ihre völlige Unschuld bei solchem Be= ginnen macht dann auch das nothwendige Mißlingen weniger beleidigend. Aber in unserer Zeit, wo die Kunst von viclem Selbsibewußiseyn nicht mehr zu trennen ist, und die des gegenwärtigen Künstlers scheint es uns ganz besonders zu seyn, kann wohl auch die wahrste . migkeit auf solche Auffassung nicht mehr führen, im Gegeutheil stehr cine solche Darstellungsweise mit unsern Begriffen von Erhabenheit und mit dem Geist unseres Christenthums im Widerspruch. Derglei⸗ chen streng ausznschließen wäre eigentlich schon Sache des bloßen Ge⸗ schmacks, den doch der Künstler in so hohem Grade besitzt und den er namentlich hier in der ganzen malerischen Behandlung bewun⸗ dernswürdig bewährt hat.

Die ÄAusstellung besitzt noch ein drittes Bild von Hübner, ein Christkind auf Wolken, im linken Arm eine Lilie haftend, die Rechte segnend erhoben. Das Werk zeichnet sich durch eine zarte und hellt Malerei sehr vortheilhaft aus, seiner Auffassung nach bringt es aber ähnliche Betrachtungen entgegen, wie das vorlge. Wir müssen ge— stehen, außer der , erhobenen Hand wenig in diesem Kinde zu finden, was die Benennung eines Chrisikindes rechtfertigen könnte, zumal eines auf Wolken thronenden. Raphael hat immer danach gestrebt, selbst auf dem Arm der Mutter, uns in dem Kinde den Heiland der Welt und den Herrscher der Himmel darzustellen, Leben und Klarheit läßt er von seinem Antlitz ausstrahlen, er giebt dem Kinde den erhabensien Ernst und in seinen Mienen malt er himm— liche Seligkeit. Das hier vorgestellte Christkind hat dagegen in sei⸗ nem Ausdruck wenig von Verklärung und siegreicher Herrlichkeit, sondern eher etwas Befangenes, und in seiner Haltung, die wir nicht rühmen möchten, erscheint es selbst hülflos und hülfsbedürfiig. Mit der ganzen Intention möchten wir uns nicht einverstanden er klären; die ascetische Auffassung, mit der uns Hübner vor zwei Jah— ren den Heiland darstellte, und wiederum diese, welche kindlich naiv seyn soll, scheint uns den wahren Geist des Christenthums nicht aus⸗ ,,,, denn nach der einen wie nach der anderen Seite ist ihm

as Schwächliche gleich fern. Was das Naive anlangt, so ist es ge⸗

wiß eine schöne Sache, wenn es sich von selbst ergiebt, allein es er— streben wollen, ist gefährlich; ohnedies wird es nur zu leicht ein blo— ßer Euphemismus für das Unbedeutende.

Noch immer umhersuchend nach historischen Bildern von beweg— terem Leben, wenden wir uns zu zwei Darstellungen der Judit. Judith ist häufig von älteren Malern behandelt worden, und nicht minder häufig sehen wir die neuere Kunst auf diesen Gegenstand zu— rückkehren; man entsinnt sich vielleicht noch eines Bildes von Theo— dor Hildebrandt auf der Ausstellung von 1828, und bekannt genug, wenigstens nach dem Kupferstich, ist das Gemälde von Horace Vernet. Run bringt uns gegenwärtige Ausstellung eine zwiefache Lösung dieser Aufgabe, einmal von Wach, dem Anführer einer hiesigen Schule, und dann von Mengelberg, einem jüngeren Künstler ans Düssel⸗ dorf. Der Gegenstand muß also wohl etwas besonders Bedeutsames für die malende Kunst einschließen: ein Weib, das von Begeisterung

etrieben, sich über ihre Natur erhebt und, durch Gebet gestärkt, ein eroisches Werk vollbringt, dann solchem Aufschwung gegenüber die blutige That und die geheime Stille der Nacht, mit Allem, was sie Malerisches darbietet, endlich die Zurüstungen zu einem Bacchanal, aus welchem dennoch das Heldenweib unbefleckt davongeht, das ist wahrlich eine große Aufgabe für den Maler, die zu immer ernentem Versuch einladen kann. Die Wahl des Moments pflegt dieselbe zu seyn: nach der That; nur Vernet stellt uns seine Judith während der That vor, wie sie so eben ausholt zu dem mörderischen Hiebe. Es ist im Sinn des Franzosen, nach dem zu greifen, was die höchste Bewegung giebt und die Culmination der äußeren Handlung ein⸗— schließt; sonst aber ist dieser Moment nur unvortheilbaft, weil der krampfhafte Anlauf zur That uns die Judith nur unweiblich darstellt und das eigentlich Poetische dieser Gestalt zur Seite liegen läßt. Der wahre Inhalt besteht eben darin, daß die Frau zur Anschauung komme, welcher der Herr Sieg gegeben hat; eine grause That, verübt durch ein zartes Werkzeug, dieser Kontrast dürfte nicht verloren gehen. Als ein Deutscher Künsiler hat Wach zunächst hiernach gestrebt, und er hat mit aller Kraft eine Judith in dem ganzen Umfange ihres Wesens und in der Tiefe der Situation erfassen wollen. So leuch⸗ tet denn aus seinem Bilde, gegenüber der naturalistischen Auffassung des Franzosen, sogleich etwas Ideales hervor. Ernst und Helden ihum ist in dieser Indith, die Erhebung durch die Gottestraft, welche sie stärkte, lebt noch in ihr fort, und zugleich ein Schauer vor der vollbrachten That; nervig halt sie in der Rechten das Schwert gefaßt, nicht minder spannt sie den linken Arm und kräftig greift sie mit den Fingern in den Schopf. Allein die Art, wie sie beides thut und wie sie selbst schreitet, bat keine hinreißende Wahrheit der Situation und versetzt uns nicht mit darstellender Kraft auf die gefahrvolle Schwebe des Moment s. Dies Schwert, so gehalten bleibt ein Spombol, dieser Kopf, in dem sich weder Leben noch Tod ausspricht, ist eine Maske, ein bloßes Attri⸗ but, und diese Judith bleibt eine Repräsentativ- Figur. Als eine solche hat sie noch viel Leben und Charakter, und wer die einzelnen Andeutungen zergliedern will, wird darin viel Augemessenes finden,

aber die unmittelbare Wirkung für die Anschauung dleibt aus, und

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