1841 / 194 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

Gewitters; ich schmuͤckte sie mit allen Reizen der Thaͤtigkeit und der Ruhe, des Ruhmes und der saunften Neigungen.“ Herr Ro⸗ ger, der mit der Gegenrede beauftragt war, griff diese Aeußerun⸗ gen auf und entgegnete darauf: „Obschon Sie Diplomat sind, so halt die Akademie Sie doch fuͤr aufrichtig. Aber der Mensch ist schwach, und die Diplomatie thut nicht immer, was sie sagt, oder was sie will. Sollten Sie zu lange auf Erfuͤllung Ihres Wortes warten lassen, so wird die Akademie, mit Ihrer Rede in der Hand, Sie daran erinnern.“ (Vergleiche unten die Briefe aus Paris.) . 1

Der Herzog von Aumale wird, nach Berichten aus Algier vom 30. Juni, an den weiteren Operationen in Algerien nicht Theil nehmen. Er litt sehr an einer Fieber-Krankheit, von der er auf der letzten Expedition befallen worden war, Sobald er wieder hergestellt ist, begiebt er sich nach Paris zuruͤck.

Es heißt, Herr von Saint Aulaire werde nicht, wie man sagte, einen Nachfolger auf dem Botschafter-Posten in Wien er— halten, sondern in den naͤchsten Tagen auf seinen Posten wieder zuruͤckkehren.

Herr von Barante, Botschafter Frankreichs in St. Peters— burg, arbeitet in diesem Augenblicke an einer Geschichte des Par— laments von Paris. Er wird gegen den 15. August in der Fran— zoͤsischen Hauptstadt erwartet.

Dem Abbé von Genoude, Herausgeber der „Gazette de France“, ist von dem Erzbischof von Paris die Erlaubniß, zu predigen, ent— zogen worden.

Im Justiz-Palaste ist das Geruͤcht verbreitet, Madame La— farge habe sich vergiftet.

Boͤrse vom 9. Juli. Um 3 Uhr trat heute an der Boͤrse eine uͤbrigens nicht bedeutende Reaction in den Franzoͤsi— schen Renten ein; bald aber hoben sie sich wieder. Die Spa— nische aktive Rente konnte sich von ihrem gestrigen Ruͤckgange nicht wieder erholen, sondern erlitt im Gegentheil abermals einiges Sinken.

F* Paris, 9. Juli. Die gestrige Festsitzung der Franzoͤsischen Akademie erinnerte durch ihren ganzen Charakter an den Tag, an welchem Graf Mols in die sprachgelehrte Versammlung ein— gefuͤhrt wurde. Gestern wie damals war das neue Mitglied der Akademie ein Politiker, der die auf ihn gefallene Wahl der Vier— zig weniger seinen literarischen Verdiensten, als seiner gesellschaft— lichen Stellung verdankt; gestern wie damals wurde der Ehren— tag des Aufzunehmenden von einem vorzugsweise aristokratischen Publikum gefeiert, gestern wie damals nahm ein Staatsmann der Julius-Monarchie den Sessel ein, welchen ein alter Anhaͤn— ger der legitimen Dynastie geraͤumt hatte. Graf Saint Aulgire ist der Ururenkel jenes Marquis von Saint Aulagixe, welcher, mehr als sechzig Jahre alt, durch die wunderbare Schoͤnheit und An— muth der Herzogin von Maine plotzlich zum Dichter inspirirt und als der Verfasser einer einzigen an diese Dame gerichteten Strophe, die sich allerdings durch Eleganz und Zartheit auszeich— net, in die Akademie aufgenommen wurde.

Der Graf Saint Aulaire hat freilich solidere literarische An— spruͤche als sein Ahnherr, allein daß diese nicht allein seine Aufnahme bewirkt haben, wird in der an ihn gerichteten Rede des zeitigen Praͤsi— denten ausdruͤcklich ausgesprochen. „Vielleicht“, heißt es darin, „ver— danken Sie einen Theil unserer Stimmen jener feinen Sitte, welche eine erbliche Tugend in Ihrer Familie ist. Denn die Akade— mie, dem Geiste ihres erlauchten Gruͤnders getreu, bssnet ihre Thuͤren nicht bloß dem Redner, dem Dichter, dem verdienstvollen Schriftsteller und dem scharfsinnigen Kritiker, sondern sie gesellt sich auch gern solche Maͤnner zu, deren sanfter vermittelnder Sinn, deren geschmackvolle und wohlgemessene Sprache wirksam dazu beitragen können, die alte Urbanitaͤt in ihren Versammlun— gen und in ihren Verhandlungen aufrecht zu erhalten“. Die Lob— rede auf den Kanzler Pastoret, den Vormund des Herzogs von Bordeaux, war keine leichte Aufgabe fuͤr einen Gesandten des Kb— nigs Ludwig Philipp, aber sie wurde von Herrn v. Saint Aulaire mit großer Gewandheit und zur allzemeinen Befriedigung ge— lot. Der Redner ging dann von der Person seines Vorgaͤngers zu einer Schilderung des Wechselverhaͤltnisses zwischen den Wis⸗ senschaften und der praktischen Politik uͤber. Die folgende kurze Anfuͤhrung giebt einen ziemlich vollstaͤndigen Begriff davon, wie er jenes Verhaͤltniß auffaßt:

„Die Politik, meine Herren, ist die Kunst die Menschen zu leiten. Um sie ohne gewaltsames Verfahren leiten zu köoͤnnen, muß man sie zu uͤberreden und zu uͤberzeugen wissen. Je mehr man daher die Freiheit in Ehren haͤlt, je besser man, unter einer beltebigen Regierungsform, die menschliche Wuͤrde begreift, und je mehr man sie achtet, desto lebhafter wird man das Beduͤrfniß fuͤhlen die wissenschaftlichen Theorieen, welche die Forschung dem Philosophen enthuͤllt, mit den positiven Kenntnissen innig zu ver— schmelzen, die der Staatsmann durch die Handhabung der bffent— lichen Geschaͤfte erwirbt.“

Der Redner beruft sich zur Unterstuͤtzung dieser Ansicht auf den unter Napoleon aufgekommenen Gebrauch, den Trägern der Gelehrsamkeit einen bedeutenden Rang im Staate, in der politi— schen Ordnung der Dinge, einzuraͤumen. Wollte man indessen aus dieser Thatsache, dem Raisonnement des Herrn von Saint Aulaire gemäß, folgern, daß die Kaiserperiode die Freiheit in be— sonderen Ehren gehalten, oder die menschliche Wuͤrde mit großer Gewissenhaftigkeit respektirt habe, so würde man doch einige Mühe

haben diesen Schluß mit der historischen Wahrheit in Einklang zu setzen.

Der Praͤsident der Akademie, Herr Roger, beantwortete die Rede des Herrn von Saint Aulaire durch den Mund des Herrn Seribe, da ihm die Nachwehen einer Krankheit nicht zu sprechen erlaubten. Herr Roger ist als Schriftsteller wenig bekannt, aber der Faubourg St. Germain ruͤhmt seine geistvolle Unterhaltung, und seine treue Anhaͤnglichkeit an die Sache der gefallenen Dong tie; Seine Rede fing, dem Gebrauche gemaͤß, mit einer lobpreisenden Lebensbeschreibung des Grafen Saint Aulaire an, durch welch; manche in der That sehr intereffante und hrense volle Notizen über die Vergangenheit dieses Mannes zur öffent— lichen Kenntniß gebracht wurden. Weniger , , ö persoͤnliche Lob schien der Beifall zu seyn, e. den schriftstellerischen Leistungen des Grafen Saint Auͤlgire' . mentlich dessen Hauptwerke, der „Geschichte der Fron de namentlich zollte. Dieses Buch ist der mehr kühne, als glůckliche Ver⸗ such, die Fronde in der historischen Meinung zu rehabilitiren, und diese Tendenz konnte natuͤrlich vor dem orthodox royalistischen Urtheile des Herrn Roger nur in so weit Gnade finden, als die Natur einer akademischen Feierlichkeit es durchaus nothwendig macht. Die Rede des Herrn Roger brachte im Ganzen genommen au— enscheinlich nur einen schwachen Eindrck auf das Auditorium . obgleich ihr das ausgezeichnete Organ und der meisterhafte Vortrag des Herrn Scribe zur Folie diente. Der Graf Saint Aulaire dagegen hatte sich an mehreren Stellen des rauschendsten

Beifallrufs seiner Zuhbrer zu erfreuen.

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Paris, 9. Juli. Gestern fand die Aufnahme des Herrn von Saint⸗Aulaire in der Akademie Fran gaise statt und unsere Staatsmaͤn⸗ ner nahmen an derselben wie an einem Feste mit besonderer Herz— lichkeit Antheil. Herr Guizot hatte ausdrücklich seine Reise zu seiner Familie auf das Land, wo er mehrere Tage verweilen wird, bis gestern Abend verschoben, um derselben beiwohnen zu koͤnnen. Herr von Saint Aulaire besitzt eine umfassende Kenntniß Deut⸗ scher Literatur, und diese sowohl wie seine Grundsaͤtze als Staats⸗ jann haben ihm den gegruͤndeten Ruf verschafft, daß er der so— nannten Germanischen Tendenz entschieden zugethan sey, und m diplomatischen Corps gilt er selbst als der Repraͤsentant der— Alben. Man sagt, daß er hierin vollkommen mit dem Konig bereinstimme, der jene Richtung von jeher als eine dem Lande Heilsame im Sinne gehabt. In dieser Beziehung ist es daher ehr wichtig, daß Herr von Saint Aulaire, gerade unter den jetzi— Jen Umstaͤnden, den Gesandtschafts-Posten in London uͤbernimmt, wohin er, wie man uns fuͤr gewiß versichert, in sehr kurzer Zeit abgehen wird. Die Umstaͤnde aber, unter welchen er nach Lon— den geht, scheinen sich fuͤr die von ihm repraͤsentirte Politik sehr uͤnstig zu gestalten. Hier wenigstens ist man uͤberaus zufrieden mit der Art, wie in einem so eben erschienenen Artikel des „Standard“ die Franzbsischen Verhaͤltnisse besprochen werden. Dieses Organ, welches einem Theile derjenigen Partei angehört, welche unfehlbar in einigen Wochen in England zur Macht ge— langt seyn wird, hat so eben das Treiben der Franzoͤsischen Legi— timisten entschieden gemißbilligt und die Hochachtung fuͤr den Konig durch die Anerkennung seiner Verdienste offen ausgesprochen. Dadurch hat es jenen die Aussicht genommen, in den Tories je wieder eine

Stuͤtze fuͤr ihren Patron gegen die neue Dynastie zu finden. Was aber die Existenz des Kabinets selbst betrifft, so kom— men taglich mehr Umstaͤnde hinzu, welche ihm Hoffnung auf seine Dauer und also auf eine nicht unbedeutende Wirksamkeit seiner Verwaltung geben. Man versichert, daß erst dieser Tage von mehreren jener Politiker, welche die Opposition bestaͤndig als die Rivale des Kabinets darstellte, Schreiben eingegangen sind, die ihre freundschaftlichen und ergebenen Gesinnungen gegen dasselbe an den Tag legten. So unter Andern von Herrn Dupin und Dufaure. Aus dem Schreiben des Letzteren scheint der wich tige Umstand hervorzugehen, daß die theilweise Polemik, welche der „Temps“ besonders in der Fortificationssache gegen das Ka— binet unterhaͤlt, nicht von Herrn Dufaure, sondern von Herrn Passy herruͤhre. Letzterer aber ist bei weitem unbedeutender und von minderem Einfluß, weshalb natuͤrlich jene Mittheilung dem

Kabinet sehr erwuͤnscht war.

Großbritanien und Irland.

London, 9. Juli. Der Koͤnig und die Königin der Bel—

gier wollen sich morgen zu Woolwich nach Ostende einschiffen. Von den bis heute bekannten Grafschafts-Wahlen in Eng— land, so wie von den Wahlen in Irland und Schottland, sind zusammen 1696 fuͤr die Tories und nur 53 fuͤr die Whigs ausge— fallen; so daß bis jetzt die Gesammtzahl der von dieser leßteren Partei fuͤr das Parlament gewaͤhlten Mitglieder 227, die der To— ries dagegen sich auf 271 belaͤuft. Das Ergebniß von 150 Wah— len steht noch zu erwarten. In den Englischen Grafschaften sind erst 12 Liberale gegen 76 Tories gewahlt. In Schottland dage— geen stellt sich das Verhaͤltniß der Tory zu den Whig-Wahlen nur wie 1 zu 4 und in Iriand wie 1 zu 3, wodurch der Aufschwung, den die Hoffnungen und Prophezeiungen der Tories genommen, doch ein wenig gedampft wird. In Dublin, wo die Tories die größten Anstrengungen gemacht haben, und wo sie eine sehr bedeu— tende Stuͤtze in der dortigen, kaum erst reformirten Munizipal— Corporation besitzen, scheint der Sieg sich auf ihre Seite neigen zu wollen. Ihre Kandidaten sind dort die Herren West und Grogan, denen O'Lonnell und Hutton gegenuͤberstehen. Abgang des letzten Berichts hatten die beiden Ersteren respektive 51 und 59 Stimmen weniger als ihre Gegner, doch hoffte man am naͤchsten Tage die Wagschaale fuͤr die liberale Partei steigen zu sehen. Es herrschte die groͤßte Aufregung unter der auf dem Wahlplatze und in den benachbarten Straßen versammelten Volks— menge, die durch O'Connell's heftige Reden gesteigert wurde. Bewaffnete Banden durchzogen die Stadt, die Polizei ist insul— tirt worden, und man hat daher eine Abtheilung des 10ten Husaren— Regiments herbeirufen muͤssen, welches sich in einer der nach dem Wahlplatz faͤhrender Straßen aufstellte. Der Atlas nennt das bisherige Ergebniß der Wahlen eine Niederlage des Volks „die

Beim

Gewalt des Toryismus“, sagt er, „ist zu stark, alle Posten sind besetzt, die Reformer sind geschlagen, das Monopol athmet auf. Die Leute haͤtten gern liberale Maßregeln, sie schreien auch danach;

wenn sie aber die

und einem persoͤnlichen Köder, dann greifen sie groͤßtentheils nach

letzterem, und jedes feile Gewissen sagt sich dann, sein einzelnes Votum werde doch keine Folge haben. Solche Leute haben die Wahlen entschieden. Man hat nun keine Aussicht mehr, eine

Masoritaͤt ins Parlament zu schicken, welche die Zollner aus der Korn-Kammer vertreiben und es dahin bringen koͤnnte, daß das Volk Brod zu essen haͤtte. Sir Robert Peel wird eine Majoritäͤt haben, mit welcher er jedoch die Regierung nicht uͤber eine Ses— fion hinaus bringen kann. Er wird unter seinem gierigen Hau—

fen verschiedene gute Stellen vertheilen, dann auf die Oppositions— bank sich zuruͤckzlehen und die Gelegenheit zu einer neuen Srpedi— tion erwarten. Die Whigs konnten mit einer Majoritaͤt von zwanzig gar wohl regieren, weil sie das Vertrauen der Königin und die Meinung der Nation fuͤr sich hatten. Die Tories be— duͤrfen aber einer Majoritaͤt von dreimal so viel, da sie beim Volke verhaßt und bei der Königin uͤbel gelitten sind.“ Aus sol—

chen und ahnlichen Betrachtungen schoͤpfen die ministeriellen Blaͤt—

ter fortwaͤhrend ihren Trost, und die Morning Ehroniéele

sucht darzuthun, wie wichtig es sey, daß die Tories, selbst wenn

sie eine Majoritaͤt im neuen Parlamente erhalten sollten, doch

hre oft wiederholte Behauptung, daß eine völlige Reaction in der

offentlichen Meinung zu ihren Gunsten eingetreten, zu beweisen nicht vermocht haͤtten, was sich vorzuͤglich daraus ergebe, daß in den wahlberechtigten Staͤdten und Flecken, von denen, im Gegensatze zu den Grafschaften, doch die öffentliche Meinung eigentlich repraͤ⸗ fentirt werde, die Majoritaͤt nach wie vor der liberalen Partei geblieben sey. Der Standard, ein Haupt-Organ der gemaäͤ⸗ ßigten Tories, sucht die Behauptung, der vorhandenen Reaction zwar dadurch zu retten, daß er auf die Verluste hinweist, welche die Liberalen, wenngleich sie die Majoritaͤt in den Staͤdten und Flecken behalten, doch gerade hier erlitten, und macht bemerklich, daß bei einer Partei, welche gegen Volks-⸗Urtheile anzukaͤmpfen habe, schon nicht zuruͤckgedraͤngt zu werden, ein Fortschritt sey; dagegen muß er aber eingestehen, daß der Ausfall der Wahlen in Schottland und Irland die Aussichten für die Tories sehr vermindere, so daß sie kaum eine großere Majoꝛitat als 20 bis 360 Stimmen im naͤchsten Parlament zaͤh⸗ len wurden, daß aber eine Majoritaͤt von 60h bis 70 Stimmen noͤthig sey, wenn die von den Tories vertretenen Interessen, ins—

besondere das Agrikultur-Interesse, sich fuͤr vbllig gesichert halten

solle, und daß demnach die Whig-Minister, wenn nicht etwa noch alle ubrigen Grafschaftswahlen ohne Ausnahme fuͤr die Tories aussielen, den Sieg davongetragen haͤtten, so weit die Resultate in Betracht kaͤmen, da sie, wenn auch vielleicht momentan zum Abtreten gezwungen, doch bald mit Hälfe des Hofes wieder zu ihren Aemtern gelangen und dann, mit erneuter Kraft und ver— mehrten Huͤlfsmitteln versehen, das Parlament nochmals aufloͤ— J denn,.

sen wurden. Daß indeß Sir Robert Peel auch mit einer unbedeutenden Majoritaͤt jedenfalls den Versuch machen wird, sich zu behaupten, scheint aus einem andern Artikel des „Standard“ hervorzugehen, durch welchen dieses Blatt der Morning Chro— niele“ antwortet, welche die vorerwaͤhnten Eingestaͤndnisse des To— ry⸗Blattes moͤglichst auszubeuten versucht hatte.

„Das ministerielle Blatt“, sagt der „Standard“, „mißdeutet unsere Erklaͤrungen einigermaßen, wenn es sagt, daß wir eine Ma joritaͤt von 60 oder 70 Stimmen fuͤr durchaus nöthig erklaͤrten, wenn Sir Robert Peel im Stande seyn solle, die Regierung zu fuͤhren. Wir glauben, daß Sir Robert Peel mit der Haͤlfte jener Zahl die Regierung fuͤhren kann, falls ihm nicht irgend ein verfassungswidriger Gewaltstreich in den Weg tritt. Aber es ist ein Unterschied zwischen der bloßen Fuͤhrung der Regie rung und der Fuͤhrung derselben in der Art und Weise, wie ein patriotischer Staatsmann, gleich Sir Robert Peel, sie zu fuͤhren wuͤnschen muß. Vielleicht wuͤrde in der jetzigen gefaͤhrlichen Lage des Landes und bei den Gefahren, welche mehreren seiner wichtig sten Interessen und Institutionen drohen, ein Stagtsmann in der Lage Sir R. Peel's nicht gerechtfertigt dastehen, wenn er sich weigerte, ins Amt einzutreten, oder wenn er übereilt wieder aus dem Amte

traäte, wie schwach auch die Partei seyn mag, auf deren Unterstuͤtzung er zaͤhlen darf. Im Allgemeinen gilt ohne Zweifel die Regel, daß Rie mand Minister werden oder bleiben darf, wenn er außer Stande ist, alle seine Maßregeln zur Ausfuͤhrung zu bringen und alle die Inter essen und Institutionen zu schuͤtzen, denen er ein Recht auf feinen Schutz beimißt; aber diese allgemeine Regel bezieht sich nur auf die gewohnlichen Verhaͤltnisse. Es kann ein Fall eintreten, in welchem ein Staatsmann nur die Wahl hat, ins Amt zu treten, mit der Gewißheit, daß er berufen seyn wird, Thorheit und Ungerechtigkeit zu sanetioniren, oder sein Vaterland der Anarchie und hoffnungslosem Verderben preiszugeben; und solch ein Fall wird eintreten, wenn Sir Rober i Peel nicht durch eine überwiegende Majoritaͤtunterstuͤtzt wird Wie der sehr ehrenwerthe Baronet in dieser traurigen Alternative han deln wird, darf nicht in Zweifel gezogen werden. Er hat niemals Bedenken getragen, sich selbst dem Wohle des Staats zu opfern. Er wuͤrde mit jeglicher Majoritaͤt ins Amt treten, ehe er sein Vaterland den Haͤnden derjenigen noch laͤnger preisgaͤbe, welche es in seinen ge genwärtigen Zustand versetzt haben, und er wuͤrde es fuͤr seine Pfiicht halten, wie schmerzlich diese Pflicht auch ware, die Regierung da durch fortzufuͤhren, daß er einzelne Institutio nen und In teressen theilweise der Erhaltung des Ganzen auf opferte. Diese Politik wuͤrde unrechtlich seyn, wenn sie nicht un

vermeidlich wäre; aber daß ein konservativer Minister in Zeiten, gleich den unsrigen, seinen Posten verlassen sollte, daran ist nicht zu denken. Welches Regierüngssystem Sig Robert Peel zu befolgen beabsichtigt, ist im Einzelnen in der neulich zu Tamworth von ihm gehaltenen Rede und in mehreren anderen seiner Reden angegeben, so wie während der kur zen Dauer seiner Amts-Verwaltung dargethan worden. Aber wie kann Sir Robert Peel seine Plaͤne zur Ausfuͤhrung bringen, wenn er Tag fuͤr Tag unter dem Beistande kleiner Majoritaͤten von nur 20 oder 30 Stimmen um die Existenz seines Ministeriums selbst zu

Wahl haben zwischen allgemeinen Reformen

kaͤmpfen hat? Muͤßte er unter solchen Umstaͤnden nicht entweder große Opfer darbringen, oder das Land nochmals den Whig⸗Radi kalen auf Gnade und Ungnade uͤberlassen, ja das Agrikultur Interesse selbst aufopfern, so ungern er es auch thaͤte? Denn wenn er sich lieber wieder zuruͤckzoͤge, ehe er dieses Opfer braͤchte, so würde er nur den Ackerbau ganz der Willkuͤr derjenigen anheimgeben, die auf das gaͤnzliche Verderben desselben sinnen und jedes andere Natio nal-Interesse opfern, ohne dieses zu retten. Das ist es, was man erwarten muß, wenn die konservative Majoritaͤt nicht sehr groß aus faͤllt; aber man gebe dem Sir Robert Peel nur eine solche Majo ritaͤt, und man wird von ihm Alles erwarten duͤrfen, was Weis heit und Vaterlandsliebe bieten koͤnnen. Eine Majorit at von 60 Stimmen wuͤrden wir fuͤr genuͤgend halten, aber es ist klar: ie größer die konservative Majoritaͤt ist, desto gesicherter werden alle Fundamental-Interessen des Landes seyn.“““

Unter den vielen Affichen, welche bei der Wahl in der City auf ungeheuren rothen oder blauen Zetteln, mit Riesenbuchstaben bedruckt, theils angeschlagen, theils an Stangen herumgetragen wurden, soll, der „Morning Chroniele“ zufolge, nachstehende die Tories besonder empört haben: „Die guten alten Toöryzeiten. Gemetzel in Manchester im Jahre 1819, wobei Maͤnner, Weiber und Kinder, als sie um ihre Rechte petitionirten, in Stuͤcke ge hauen wurden Torymenschlichkeit! Ein parlamentarisches Dankesvotum an die Yeomanry fuͤr diese Heldenthat Tory Beifall! Der armen Koͤnigin Karoline das Herz gebrochen Tory-Galanterie! Hinrichtungen in Newgate zu Dutzenden Tory-Schauspiele! Schlachtopfer in die Falle gelockt zu politi schen Vergehen und dann ihnen die Kopfe abgeschlagen Tory— Politik! Matrosenpressen, Vater von ihren Familien gerissen 24 Tory-)Zaͤrtlichkeit! Peitschen in Armee und Flotte Tory-Er— goͤhen! Die National-Schuld Tory-Sparsamkeit! Aufrecht— erhaltung der Sklaverei Tory-Wohlwollen! Niedertretung der Armen Tory-Stoljz! Theures Brod und Zucker Tory— Profit! Und unsere huldvolle Königin mit ihren Kreaturen zu umgeben Tory-Entschluß!“ .

Der Urheher der Post-Resorm in England, Herr Hill, hat einen Bericht uͤber die Wirkung des Pennh-Porto veroffentlicht, aus welchem hervorgeht, daß das Publikum eine sehr ansehnliche Summe fuͤr die erhoͤhte Transport-Schnelligkeit auf Eisenbahnen bozahlt. Die Verwaltungskosten“, heißt es in diesem Bericht, „haben sich von 750,900 Pfd. im Jahre 1839 auf etwa ssd, 009 im Jahre 1840 hesteigert, und es entsteht die Frage, ob diese Erhohung der Ver nmehrüng der Briefzahl zuzuschreiben ist. Daß dies bis zu einem gewissen Grade der Fall, ist unzweifelhaft, da aber die ganze Diffe—

renz ioo, 099 Pfd. beträgt, so fragt sich wieder: wie viel davon kommt

auf die eßzen genannte ursache? oder, mit anderen Worten, wie sehr wuͤrden sich diese Kosten gesteigert haben, wenn die alte Post-Ein

richtung geblieben ware? Die wichtigste Summe bei der Vermeh— rung kommt auf die Befoͤrderung der Postwagen, die fuͤr Großbri— tanien allein im Jahre 1839 gegen 34,000 Pfd. mehr kosteten als 1835. Die Ursache dieser Kosten- Erhohung um fast 70,090 Pfd. in zwei Jahren wird einigermaßen erklaͤrt, wenn man die Nach— weise vergleicht, aus denen sich ergiebt, daß der Geld- Auf— wand fuͤr die Beförderung auf Eisenbahnen in dieser Zeit von 10,0900 Pfd. auf 5,006 sich gesteigert hat, waͤhrend die Kosten der Beförderung durch Postwagen, statt abzunehmen, wie die Eisenbahnkosten stiegen, wirklich ebenfalls hoͤher wurden. Die Erklärung dieser anscheinenden Anamolie findet sich zum Theil in der. Einrichtung von Tagesposten, hauptsaͤchlich aber darin, daß die Erdffnung von Eisenbahnen dadurch, daß sie die Konkurrenz auf pa— rallelen Linien verminderte, die Kosten für die Beförderung der Post⸗ wagen steigerte, die in manchen Faͤllen selbst das Doppelte der fruͤ⸗ heren betragen. Daraus geht hervor, daß die Ursachen, welche die Ausgaben von 1639 gegen 1838 erböhten, fortwirkten, um eine aͤhn⸗ liche Steigerung im Fahr 1810 gegen 1639 hervorzubringen, wenig⸗ stens was einen wichtigen Zweig betrifft. Inwiefern die Steigerung in anderen Zweigen ungbhängig davon stattgefunden haͤtte, laͤßt sich

nicht leicht bestimmen; daß aber eine Steigerung eingetreten waͤre,

kann man aus der im Jahr 18390 schließen. Die Steigerung bei den durchgehenden Postsachen, die an das Ausland zu zahlen ist (gegen 13,060 Pfd., steht mit dem Penny⸗Porto in keiner Verbindung, und die Kosten für die Beförderung der Briefe des Post Departements selbst (gegen 10,000 Pfd.) ist eine bloße Rechnungssache und keine wirkliche Kosten- Vermehrung, obgleich beide Summen in den Brutto Einnahmen fühlbar werden. Zicht man also diese beiden Summen ab, nebst den eben erwahnten 33,0900 Pfd., so bleiben 41000 Pfd. übrig, die man mit Wahrscheinlichkeit als den Betrag der durch das Penny -Porto veranlaßten Kostensteigerung annehmen kann. Diese Kosten Vermehrung betraͤgt gegen 6 pCt. von dem feuüheren Betrag, und es durfte von Wichtigkeit seyn, hier zu bemerken, daß da die Zahl der Eisenbahnen sich schnell vermehrt, die Kosten der Befdrde rung der Posten guf denselben wahrscheinlich noch weiter steigen wer den? Eine Vorstellung von der wahrscheinlichen späteren Große die ser Beföoͤrderungs-Kosten kann man sich nach der Thatsache machen, daß die Post-Verwaltung schon jetzt der Birminghamer und großen Verbindungs⸗-Eisenbahn jährlich 47,009 Pfd. zahlt. ö

Mit dem Packetschiff „Seagull“ ist die Westindische Post, welche Nachrichten aus Jamaika bis zum 2. Juni bringt, ein⸗ getroffen. Die Nachrichten sind ohne Belang; das Schiff hat an baarem Gelde 80, 000 Dollars mitgebracht. Aus Trinidad wird unterm 21. Mai gemeldet, daß dort neulich 181 Emigranten, beiderlei Geschlechts, aus Sierra Leone angekommen waren. Es

sind, wie es heißt, starke, gesunde, wohlgekleidete Leute, die fast alle Englisch sprechen. Der Gouverneur geht ihnen mit seinem guten Rathe zur Hand. Sie wollen aber lieber in der Stadt als auf dem Lande arbeiten. Auch auf Jamaika und Demerara erwartet man Auswanderer aus Sierra Leone.

Nach Berichten aus Rio-Janeiro vom 18. Mai, welche das Paketschiff „Star“ überbringt, hatte das Haus Samuel und Sohn mit der Brasilianischen Regierung eine Anleihe von unge— fahr 321,009 Pfd. in 6procentigen Obligationen zu 72 pCt. abge— schlossen, und ein Theil der Obligationen war bereits zu 71 und 5 pCt. verkauft worden. Das Budget von 1843 zeigte ein De⸗ fizit von 5,724,843 Milreis, und man beabsichtigt, den Zoll-Tarlf zu revidiren.

Aus Buenos-Ayres reichen die Nachrichten bis zum 24. April. Tucuman, der letzte Schlupfwinkel der Revolutisnairs, sollte vom General Aldao von der einen und vom General Ibarra von der anderen Seite angegriffen und dadurch der Krieg im In— nern beendigt werde. .

Oberst Hodges, der zum Britischen General-Konsul in Ham— burg ernannte bisherige General-Konsul in Alexandrien, ist am vorigen Montage in Liverpool angekommen. In Giberaltar hatte derselbe die Anzeige erhalten, daß ein Geschwader von sechs Li⸗ nienschiffen zum ünverweilten Absegeln nach Alexandrien Befehl erhalten habe. Das Dampfschiff „Great Liverpool“, an dessen Bord er in England eingetroffen ist, ist unterweges der „Pinzeß Charlotte“ mit dem Admiral Sir R. Stapford, begegnet.

Die Morning Post enthielt dieser Tage einen Artikel, in

welchem an die deimnaͤchst stattfindende Einweihung der Statue Napoleons auf der großen Saͤule bei Boulogne als auf eine passende Gelegenheit hingewiesen wird, dem in Ham eingekerkerten Louis Bonaparte die Freiheit unter der Bedingung wieder zu ge— ben, daß er sich verpflichte, den Boden Frankreichs nicht wieder zu betreten. Mehrere bedeutende Fallissements, die hier stattgefunden ha— ben, noch mehr aber der Ausfall in der Einnahme, hatten die Fonds in den letzten Tagen herabgedruͤckt, doch haben sie sich heute wieder etwas gehoben.

Niederlande. Ans dem Haag, 9. Jult. Dem Großfuͤrsten Konstan— tin von Rußland, der gestern von Helder aus einen Besuch in der hiesigen Hauptstadt machte, waren Se. Majestät der Koͤnig entgegengefahren. In Begleitung des Großfuͤrsten befanden sich der Contre-Admiral Luͤtke und der Russische Gesandte beim hiesi— gen Hofe, Baron von Maltitz.

Deutsche Bundesstaaten.

München, 10, Juli. In Bezug auf die Schwaͤbische Baumwollen-⸗Manufaktur in Bayern sagt das Protokoll des Land— Raths von Schwaben und Neuburg: „Dieser Industriezweig er— bluͤht nicht nur in diesem Augenblick in den wichtigeren Staͤdten des Regierungs-Bezirkes durch die großartigsten Fabrik-Anla— gen, auch auf dem platten Land erfreut er sich einer Ausdehnung, von welcher vor der Periode des segensvollen und nie genug zu preisenden Zoll-Vereins man keine Ahnung hatte. Ungeachtet der sehr geringen Kunstfertigkeit unserer Landweber ist der Absatz ih— rer Waaren doch so schwunghaft, daß Alles sich dem Webstuhle zuwendet, und es giebt Dorfer, wo die Zahl der Gesellen und der zu der Weberei verwendeten weiblichen Gehuͤlfen Hunderte uͤber— steigt. Schon mangelte es an Haͤnden fur den Feldbau, und selbst Land⸗ leute, welche bis zwanzig Tagwerke Grund besitzen, arbeiten nebenbei auf eigenen Webstuͤhlen. Unter diesen Verhaͤltnissen ist es von höͤchster Wichtigkeit, daß der den Baumwollen⸗Waaren bisher angediehene Schutz nicht verkuͤmmert und das Vereins-Gebiet vor Ueber— schwemmung mit außervereinischem Fabrikate bewahrt werde, weil sonst unsere Landweber der fruͤhern Arbeitlosigkeit und dem Elende preisgegeben wurden. Dabei muß aber auch der Land-Rath auf

die in den fruͤheren Jahren schon von ihm so angelegentlich bean—⸗ tragten Mittel zur Hebung ihrer, Kunstfertigkeit, namentlich auf Vertheilung von besseren Webstuüͤhlen und Regulatoren und auf Abhaͤngigmachung der Ansaͤssigkeits-Gesuche von der erworbenen Fahigkeit, auf solchen Stuͤhlen zu arbeiten, auch abermals zuruͤck⸗ kommen, und zugleich den Wunsch äußern, daß, so wie im Allge— meinen bei allen Gewerben, auch beidem Baumwollenweber-Hand— werke die Dispensation von der Wanderschafts-Pflicht nur in den außersten Nothfaͤllen ertheilt werden moge.

Hannover, 30. Juni. Die Hannov. Ztg. berichtet noch Folgendes uͤber die Sitzung der Ersten Kammer vom 29. Juni: „Zünächst ward aus der Konferenz wegen der differirenden Be— schluͤsse uͤber das Königliche Schreiben vom 26sten d. M., betref— fend die Prolongatlon der Steuern, referirt, daß eine Ver⸗ einigung nicht moglich gewesen, da man bei mehrstuͤndigen Unter— handlungen keinen Schritt weiter habe kommen koͤnnen, indem die Mitglieder zweiter Kammer starr bei ihrer Ansicht geblieben, daß naͤmlich ohne Prufung der Kbniglichen Proposition von Sei— ten der Budgets-Kommisston, namentlich behufs der Frage, ob 5 Sten er⸗ Verminderung nicht thunlich, ein Hineingehen auf die Hauptsach nicht geschehen könne. Auf die Anfrage, ob man in der Kon⸗ ferenz die Mitglieder zweiter Kammer nicht darauf hingewiesen, daß erste Kammer schwerlich zur kommissarischen Bearbeitung eines Ge— geustandes, den man hier bereits dreimal berathen habe, zu zwingen sey und was denn aus der Sache werden soölle, wenn der 1 Juli ohne Bewilligung der Steuern verstreiche; würde entger net daß dleses allerdings geschehen, aber ohne irgend einen Eindruck qe— hlieben sey, da man bei nicht stattfindender Vereinigung eee Kammern geradezu auf eine Aufloͤsung der Staͤnde von der an— deren Seite hingedeutet, und die daraus fuͤr die Regierung und

853 das Land entstehenden Nachtheile und Verlegenheiten sich weni⸗ ger zu Herzen genommen zu haben scheine, als ein Festhalten an dem Prinzipe, daß man ehne eine Garantie gegen die aus Bewilligung der Steuern und Berathung der Gesetze etwa zu ziehende Anerkennung der jetzigen Landes⸗Verfassung, sich auf nichts einlassen wolle, obgleich man diesseits darauf hingewiesen, wie schon

das Erscheinen in der Staͤnde⸗Versammlung und die von zweiter

Kammer sonst schon vorgenommenen Handlungen zu jenem Schlusse, wenn man ihn überhaupt ziehen wolle, vollkommen ausreichten.

Uebrigens glaube man wohl, daß zweite Kammer auf die Haupt⸗

sachen sich einzulassen bereit sey, wenn ihr von der Regierung nur irgend eine, wenn auch noch so schwache Versicherung in je⸗ ner Beziehung gegeben werde. Ven mehreren Seiten sprach man sich im höchsten Tadel über das Verfahren der Masoritat der zweiten Kammer aus; erblickte in dem fraglichen Beschlusse der— selben nichts anderes, als eine Steuer⸗Verweigerung, und waͤlzte auf dieselbe die ganze Verantwortlichkeit eines solchen, in unserer Geschichte noch nicht vorgekommenen, lediglich aus der Befangen⸗ heit der Majoritaͤt der anderen Kammer hervorgegangenen Schrit⸗ tes, eine Berantwortlichkeit, die um so großer erscheine, wenn man erwaͤge, daß die wichtigsten Interessen fast aller Klassen von Un⸗ terthanen durch das jetzige Benehmen der Masjoritaͤt zweiter Kam—⸗ mer hintangesetzt wurden, indem sie es verhindere, daß man fuͤr den Landmann die Gesetze wegen, der Verkoppelung und Bestaͤ— tigung der Kontrakte, fuͤr den Buͤrger die Eisenbahnen, für die Juden die Erweiterung ihrer Rechtsbefugnisse ins Leben treten asse. Da ein Konferenz-Vorschlag nicht vorlag, so wurde regle— mentsmaͤßig der Beschluß zweiter Kammer nochmals zur Abstim— mung verstellt, jedoch wiederum einstimmig abgelehnt.

Es folgte hiernach die Relation aus der Konferenz wegen der diesseits beschlossenen Aufloͤsung der gemeinschaftlichen Finanz-Kommission. Es ward berichtet, daß die Mitglieder zweiter Kammer durch nichts zu bewegen gewesen waren, von ih⸗— rem Beschlusse abzugehen; daß man in dem Nachgeben in diesem formellen Punkte die einzige Möglichkeit gefunden, auf die Köͤnig— liche Proposition vom 26sten d. M., wegen Prolongation der Steuern, einzugehen; daß aus letzterer Ruͤcksicht und wegen der Zweifel bei Auslegung des §. 58 der Geschaͤfts-Ordnung eines der diesseitigen Konferenz-Mitglieder von dem Beschlusse ersier Kammer abgehen zu muͤssen geglaubt haͤtte, um dadurch der zweiten Kam— mer jedweden Vorwand gegen das Eingehen auf die jetzt vorliegen— den hochwichtigen Gegensfaͤnde zu nehmen, und daß dadurch der Konsferenz-Vorschlag zu Stande gekommen sey, den diesseitigen Be⸗ schluß aufzugeben. Dieser Vorschlag fand sehr heftigen Widerstand. Man hob hervor, daß, wenn in einer gemeinschaftlichen Kommis⸗ sion die Mitglieder der anderen Kammer erklaͤrten, sie verstaäͤnden nichts von den Figanzen, schon deshalb sehr schwer mit solchen Mit— gliedern zu arbelten sey, doch stehe daruber allenfalls hinwegzukom⸗ men, weil dergleichen bei einzelnen Mitgliedern anderer Kommis— sionen sich wohl einmal ereignet, die sich bei gutem Willen in die Sachen gefunden haͤtten; wenn aber von diesen Mitgliedern gar noch gesägt werde, daß sie sich als Staͤnde nicht betrachteten; wenn man ihnen sogar anbiete, ihre Inkompetenz-Behauptung an die Kammer zu bringen, obgleich eine Abstimmung daruͤber als verfassungswidrig von den Herren Praͤsidenten nicht einst gestaltet werden dürfe, und auch dieses verweigert, so wie jedes reelle Ar⸗ beiten in der Kommission absichtlich hintertrieben werde; so sey es unter der Wurde dieser Kammer, mit diesen Mitgliedern fer— ner zu berathen, und man duͤrfe unter diesen Umstaͤnden von dem diesseitigen Beschlusse auf keine Weise abgehen. Von anderen Selten fand man in dem Aufgeben von dem diesseitigen Be— schlusse um so weniger etwas Nachtheiliges, als der ersten Kammer dadurch die Bearbeitung des Budgets mit oder ohne eine einseitige Kommission vollig unbenommen bleibe; dieses wenigstens den guten Eindruck im Lande mache, daß man die Sache hier direkt angreife, und der Majoritaͤt der zweiten Kammer auch jede Ostentation nehme, als sey ihre Absicht, auf die Sache einzugehen, lediglich an dem Festhalten dieser Kammer an einer Formfrage gescheitert. Vielleicht werde bei der Fort— setzung der Kommission das Aufgeben des von den Mitgliedern der anderen Kammer gestellten Vorbehalts erreicht; und sey dann auch ihr Operationsplan vielleicht darauf gerichtet, die ganze Sache jin letzter Abstimmung durchfallen zu lassen, so habe man hier mindestens die letzte Moglichkeit erschoͤpft, zweite Kammer zum Fortschreiten in der Hauptsache zu bewegen. Daß es den diesseitigen Kommissions-Mitgliedern hoͤchst unangenehm sey, bei solcher Lage der Dinge den uͤbernommenen Auftrag zu vollfuͤh⸗ ren, liege zu Tage, doch hoffe man, daß sie dieses persoͤnliche Opfer nicht scheuen wuͤrden, wo es der guten Sache gelte. Auch diese Ruͤcksichten hielt man von der andera Seite nicht für triftig genug, um den Konferenz-Vorschlag anzunehmen. Eine einseitige Kommission neben der gemeinschaftlichen niederzusetzen, wuͤnschte man nicht, weil dieselbe insofern uͤberfluͤssig erscheine, als bei der Abstimmung über das Budget in den Kammern die Antraͤge der gemeinschaftlichen Kommission doch immer zunaͤchst in Fräge gelangen muͤßten; und wenn auch die zweite Kammer von dem Vorbehalte jetzt abstehe, so werde derselbe, wie in der Konferenz auch angedeutet worden, ohne Zweifel bei jeder einzel— nen Position erneuert; oder man lasse die Sache am Ende dLurch— fallen, fo daß ein Resultat von der Fortsetzung der gemeinschaft— lichen Kommission uberall nicht zu erwarten stehe. Ein Odium kbne von ihnen auf diese Kammer überhaupt nicht geworfen werden, denn wenn man hier unter den obwaltenden Umstaͤnden die gemeinschaftliche Kommission ablehne, so werde Niemand im Lande daraus folgern, daß man hier eine Steuer-Bewilligung hintertrieben, oder die Steuer-Verminderung nicht gewollt habe; der redlichste Wille dieser Kammer sey bekannt genug. Wenn man zur Unterstutzung des Konferenz-Vorschlags endlich noch auf die große Zweifelhaftigkeit des 9. 58. der Geschaͤfts-Ordnung ver— wies, namentlich daruber, was als Kommissionsbericht anzusehen, und ob eine Anzeige, daß eine Vereinigung nicht zu erreichen, demselben gleich zu achten stehe, und deshalb nicht wuͤnschte, daß die Majoritaͤt der anderen Kammer der diesseitigen nachsage, sie habe uͤber das starre Festhalten an einer auf festen Grundlagen des Reglements nicht beruhenden Ansicht uͤber eine Formfräge die Hauptsache hintangesetzt; so fand man dieses Bedenken nicht fuͤr degruͤndet, weil der F. 58. der Geschaͤfts-Ordnung nicht so mangeshaft sey, daß er jene zweifelhafte Deutung zulasse, indem dabel sonst jede Moglichkeit abgeschnitten sey, von einer gemein— schaftlichen Kommission wieder loszukommen, möchten die Um⸗ staͤnde dieses auch noch so dringend erheischen. Bei der Abstim⸗ mung erklaͤrten sich nur 2 Mitglieder fuͤr den Konferenz-Vor— schlag, derselbe war also abgelehnt.

Leipzig, 11. Juli. (6. 3) Nach dem amtlichen „Perso—⸗ nal-Verzeichniß der Universttaͤt Leipzig fuͤr das Sommer-Halbjahr 1841“ betrug die Zahl der Studirenden im vorigen Semester: 935, darunter 282 Ausländer. Vom 1. Januar bis 1. Juli 1841 gingen ab: 226. darunter 107 Ausländer, Es verblieben also „0h, darunter 175 Ausländer. Neu inseribirt wurden 194, dar⸗

unter 90 Auslaͤnder; daher gegenwaͤrtiger Bestand: 3, darunter 265 Ausländer. Von diesen studiren Theologie: 231, darunter IS Ausländer; Theologie und Philologie: 21, darunter 11 Aus⸗ laͤnder; Jurisprudenz: 365, darunter 91 Ausländer; Medizin: 158, darunter 43 Ausländer; Chirurgie: 47, darunter 11Auslaͤn⸗ der; Pharmacie: 5; die verschiedenen Disciplinen der philoso⸗ phischen Fakultat: 75, darunter 48 Ausländer.

Leipzig, 13. Juli. Nachstehendes ist die Einnahme der Leipzig-Dresdener Eisenbahn-Compagnie vom 1. April bis 30. Juni 18141: .

J. Fuͤr 126,432 Personen 102302 Rthlr. 8 Sgr. II. Fracht, Brutto⸗Einnahme 0671

von der Koͤnigl. Post 14251

Salzfracht S869 ö.

Ill. Magdeburger Bahnstrecke. ... 6,113 9 157257 Rthlr. Sgr.

Das entsprechende zweite Quartal von 1849 lieferte 138,312 Rthlr. 6 Gr. Die ersten sechs Monate von 1810 ergaben im Ganzen 193,323 Rthlr. 19 Gr. die von 1841 aber 230 232 Rthlr. also 30,909 Rthlr. mehr.

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ö .

Karlsruhe, 9. Juli. (Karlsr. Ztg) Zweite Kam⸗ mer. Der Abg. Schinzünger uͤbergiebt eine Dank⸗AUdresse von etwa 60 Bürgern der Stadt Freiburg in Betreff der Kam⸗ mer-Beschluͤsse uͤber die Urlaubsfrage, mit der Bemerkung, daß lediglich das Einschreiten der Polizei verhindert habe, daß mehr Unkerschriften derselben beigefügt feyen. Staatsrath Frh. von Rüdt erklärt, daß er, trotz dieser Eingabe mehrerer Würger der Stadt Freiburg wisse, daß die Mehrzahl derselben mit Ruhe und Vertrauen den weiteren Gang in Entwickelung der Urlaubsfrage abwarte, einer Frage, die sich auch lediglich nur zur, Eroͤrterung zwischen Regierung und Ständen eigne. Mit Vergnuͤgen bezeuge er der Stadt Freiburg, daß ein guter Geist in ihr walte; die Regierung werde jetzt und kuͤnftig den Interessen derselben die sorgsamste und emsigste Pflege zuwenden. Was das Einschreiten der Polizei betreffe, so sey dieses gerechtfertigt durch die bestehende Verordnung, wonach das geheime Sammeln von Unterschriften verboten sey. Der Abgeordnete von Itzstein wahrt das Recht des Deputirten, Petitionen zu uͤbergeben, wenn auch nicht immer derselbe die darin ausgesprochenen Wuͤnsche und Ansichten theile. Die angezogene Verordnung verbiete ubrigens nur das Sammeln von Unterschriften zu unerlaubten staatsgefährlichen Zwecken, wo⸗ von hier nicht die Rede sey. Der Abgeordnete Sch inzinger verliest, um zu beweisen, daß in der Dankadresse durchaus nichts verwerfliches vorkomme, dieselbe, worauf Staats Minister Freiherr von Blittersdorff das Wort ergreift, um das Unziemliche einiger Stellen hervorzuheben, und zu be⸗ weisen, daß diese Sache nicht vor das Forum der Kammer ge— hoͤre. Die Regierung könne es nicht billigen, wenn das Volk in die Verhandlungen der Kammer eingemischt werde, auf eine Weise, von der zu dem weiteren Schritte einer unmittelbaren Theilnahme an den Verhandlungen nicht sehr weit sey. Unter dem Eindrucke solcher Aufregung, die durch Eingaben dieser Art kuͤnstlich hervor⸗ gerufen werde, aber koͤnne keine ruhige Erörterung stattfinden. von Itzstein beruft sich auf das Beispiel Englands, wo die Koͤnigin selbst ans Volk appellire, und solche Petitionen uͤber wichtige In— teressen des Volkes nicht so geringschaͤtzig oder unguͤnstig angesehen würden. Staats-Minister Freiherr von Blittersdorff verweist auf die verschiedenen Verhältnisse beider Laͤnder. Staatsrath Jolly erklärt dergleichen Dankadressen fuͤr durchaus unzulaͤssig und der Ver⸗ fassung widersprechend. Das Volk habe das Recht der Bitte, der Beschwerde, aber nicht das Recht, Tadel oder Lob in Form solcher Adressen der Kammer auszusprechen. Man wisse uͤbri⸗ gens, wie solche Adressen zu Stande gebracht würden, und wel— cher Werth demgemaͤß ihnen beizuligen sey. Der Geschaͤfts⸗Ord⸗ nung nach habe ein Abgeordneter nicht einmal das Recht, eine Petition zu uͤbergeben, sondern sie muͤßten eigentlich ans Praͤsidium eingeschickt werden. von Itzstein: wolle man hier sich so streng an den Buchstaben binden, so moͤge man es auch in anderen Punkten der Verfassung thun. Er seinerseits muͤsse der Kammer. das Recht wahren, Petitionen wie bisher aus den Händen der Abgeord⸗ neten anzunehmen. Nachdem zwischen dem Abgeordneten von Ihstein, Staats-Ministern von Bbckh und von Blittersdorf, Staats⸗ rath von Ruͤdt, Abgeordneten Mohr, Schinzinger, die Diskus— sion in raschen Wechselreden noch kurze Zeit fortgefuͤhrt worden war, wird dieser Gegenstand verlassen. Hierauf ergreift der Ab⸗ geordnete Welcker das Wort, um in einer laͤngeren Rede aus⸗ zuführen, daß er sich keiner Inkonsequenz schuldig mache, wenn er wieder hier erschienen sey, um seinen Platz in der Kammer einzunehmen. Einmal habe ihn dazu bestimmt eine freundliche Mittheilung des Herrn Praͤsidenten der Kammer, der ihm in ei⸗— nem Schreiben seine Ansichten uͤber die Sache eroͤffnet, sodann die Benachrichtigung seiner Freunde, daß die Urlaubsfrage wieder verhandelt werde, wo er sich der Theilnahme an den Verhandlun⸗ gen nicht entschlagen konne. Der Redner nimmt dann Bezug auf Aeußerungen des Herrn Staats-Ministers Freiherrn von Blittersdorff, der, als die Sache wegen seiner freiwilligen Ent— fernung vom Landtag zur Sprache gekommen, diese Nichttheilnahme an den weitern Verhandlungen, ohne ein förmliches Urlaubsgesuch zu motiviren, fuͤr unzulaäͤssig, ungesetztich und zur Anarchie führend erklaͤrt hatte. Der Abgeordnete Welcker fuͤhrt ausfuhrlich aus, daß er damals den Boden des Gesetzes durchaus nicht verlassen gehabt habe, daß er aber nicht der Ansicht sey, die Beschhaͤsse einer Mehrheit könnten einen Anderen zwingen, gegen seinen Eid und sein Gewissen zu handeln. Zugleich bekaͤmpft der Redner den Grundsatz, der jetzt in Journalen und sonst eifrig verfochten werde, wonach der Nutzen, die Interessen den Menschen in ihren Handlungen und Ueberzeugungen bestimmen sollten; nicht diese seven die Richtschnur des Handels fuͤr ihn, sondern die ewigen Rechtsgrundsaͤtze und die Moral, in die Festigkeit des Rechtsbodens sey es eben, die in Deutschland fehle. Schließlich nimmt der Herr Abgeordnete Bezug auf eine Aeußerung des Abgeordneten Schaaff, wonach mehr . dazu gehöre, hier zu bleiben, als fortzugehen. Er, der Redner,. habe nie Mangel an Muth gezeigt, und wuünsche dem Abgeord⸗ neten Schaaff Gluͤck, daß der Muth, der ihn bewogen hier zu bleiben, ihm, seinem Ansehen nach, ganz gut bekommen sey. Staats-Minister Freiherr von Blitters dorff bemerkt, daß da keine Discussion uͤber die politischen Ansichten des Abgeord⸗ neten Welcker eröffnet sey, er auf diefen Theil seiner Rede nicht eingehen werde. Was ubrigens die Sache betreffe, von der es sich el⸗ ne Urlaub zu haben, eigen⸗ keinem

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ng des Abgeordneten ie . Form