1841 / 196 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

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Menschen, und die Macht⸗Inhaber sind natuͤrlich in steter Kolli⸗

jon mie Körperschaften wie mit Individuen.“ 1 Die 5. der von Sir R; Peel zu Tamworth gehal- tenen Rede, wo er sagt, die Franzoͤsische Revolution von 1830 habe den Impuls zu allen das Wohl Englands gefährdenden Neuerungen gegeben, hat sehr heftige Entgegnungen von Seiten der ministeriellen und liberalen Blätter hervorgerufen. So sagt der Sun: „Sir Robert Peel behauptet, durch die neuere Fran⸗ zöͤsische Revolution ware die Lust nach Neuerungen in England erzeugt worden, da doch im Gegentheil der msturz fehlerhafter Institutionen durch göttlichen Willen und goͤttliche Weisheit herbeigefuͤhrt wird. Sir Robert Peel behauptet ferner, daß der Sieg der physischen Gewalt über die constitutionelle Macht es ihm zur Pflicht gemacht haͤtte, dem Neuerungs⸗Schwindel entgegenzutreten, waͤh⸗ rend doch bekanntlich nur unconstitutionellen Eingriffen nothge⸗ drungen durch Gewalt begegnet worden ist. Welchen Eindruck muß eine solche Indiscretlon Sir Robert's bei unseren Nach⸗ baren hervorbringen, an deren Freundschaft uns doch liegen muß. Uebrigens war es in Frankreich nicht die physische Ge⸗ walt, sondern eine moralische, welche sich mit Gluͤck der Macht der Regierung entgegenstellte, ein Beispiel, das, wir hoffen es, auch bei uns Nachahmung finden wird, sobald Sir Robert und seine konservativen Freunde sich es einfallen lassen, den Mustern, bie er lobt und bewundert, zu folgen und gleich Polignac sich der Abschaffung elender, zur Aussaugung des Volkes ersonnener Ge⸗ setze zu widersetzen.“

In Irland haben die Tories alle ihre Kraͤfte aufgeboten, um bei den Wahlen dort mehr Stimmen als sonst zu erlangen, in⸗ dessen scheint es ihnen durch alle diese Anstrengungen bis jetzt nicht gelungen zu seyn, ein ihnen guͤnstiges Resultat zu erreichen. Ein Irlaͤndisches Blatt, der Cork Southern Reporter, spricht sich uͤber die in Irland vorherrschenden Gesinnungen fol— gendermaßen aus: „Wir haben England schon einmal die Frei— heit verschafft und erhalten; wir wollen es abermals thun. Ohne Irland und seine Vertreter haͤtte die Reformbill nicht durchgehen können. Ohne Irland und die Irlaͤndischen Parlaments-Mitglie— der wäre die Reformbill laͤngst wiederrufen worden. Wir wer— den uns daher um eine Englische Majoritaͤt gegen uns nicht kuͤm⸗ mern; wir werden eine Irlaͤndische Majoritaͤt fuͤr die Freiheit erhalten. Wir sind eine Nation von hochstrebendem Herzen und küͤhnem Geiste; wir wollen, wie immer, England in seinem Kampfe fuͤr Gerechtigkeit und Freiheit unterstuͤtzen. Faͤllt es aber, so sind wir, so muͤssen wir bereit seyn, alle Mittel zu ergreifen, bie freien Maͤnnern zu Gebote stehen, um ihre Unabhaͤngigkeit und Religion, die heilige Heimath und ihre Ehre zu schuͤtzen.“

Der Globe enthaͤlt ein Schreiben des Oberhauptes der Ju⸗ den-Gemeinde zu Damaskus, Raphael Farkhi's, an Sir Moses Montefiore, worin nochmals die von Boͤswilligen verbreiteten In⸗ sinuationen gegen die dortigen Juden ausfuͤhrlich widerlegt wer— den. Das Schreiben weist namentlich die Beschuldigung, daß die Juden zu Damaskus bei Gewaltthaͤtigkeiten gegen Personen anderen Glaubens betheiligt gewesen, mit der groͤßten Entruͤstung zur lick. Sir Moses Montefisre scheint, wie aus dem Schreiben her⸗ vorgeht, seine Glaubensgeno ssen daselbst wahrend seines Aufenthalts im Orient ermahnt zu haben, unter den neuen Verhaäͤltnissen ein verstandiges

Benehmen zu zeigen, sich in den Schranken der Mäßigung zu halten und wohl zu bedenken, daß durch ihr Gesetz ihnen Vergessen erlittenen Un⸗ rechts vorgeschrieben werde. Mit Bezug hierauf heißt es in dem Schreiben, sie haͤtten das volle Bewußtsein ihrer Lage und waren nicht aus der ihnen durch. dieselbe angewiesenen Bahn gewichen; sie vermieden jede Kollision mit Anderen, wurden aber in der Ausübung eines ihnen von der hohen Pforte neuerdings einge⸗ räumten Rechts von boshaften Neidern bedraͤngt. Was es mit diesem Recht oder Privilegium fuͤr ein Bewenden hat, erhellt aus folgender Stelle des nach London gelangten Schreibens: „So wäre der von der hohen Pforte abgesandte Pascha ankam, wurde ich wieder in meine fruͤhere Function eingesetzt; sie besteht darin, daß ich im Munizipal⸗Kollegium Sit und Stimme habe. Diese Ehren⸗ stelle wurde mir mit ausdrücklichen Worten im Ferman des Sul⸗ tans zugetheilt, und als Grund der Beguͤnstigung ist angeführt, es sey der hohen Pforte bekannt, daß ich einige Fähigkeit besaͤße, im Interesse des Gemeinwesens wirksam zu seyn. Sobald un— sere Gegner von dieser uns so guͤnstigen Stimmung der Behbrde Kenntniß erlangten, bemühten sie sich bei dem Gouzerngur von Da- maskus, mich um meinen Posten zu bringen und ein Individuum von einer anderen Gemeinde dazu zu befördern. Die Allmacht aber wachte über uns: die Versuche der Feinde hatten keinen Erfolg. Zu⸗ rlckgewiesen von dem Gouverneur, und außer Stande, uns auf diesem Wege zu schaden, suchen sie nun andere Mittel, uns die öffentliche Meinung abwendig zu machen.“ Im melee Ver⸗ folg des Schreibens werden die gegen die Juben zu Damaskus vorgebrachten Berleumdungen, als jedes Anlassens entbehrend, unter lebhaften Betheurungen, auch unter Beibringung eines ihre Unschulb bekraͤftigenden Zeugnisses des Griechischen Patriarchen und mit Berufung auf den Desterreichischen Konsul widerlegt.

Die Nachrichten aus A de n lauten nach der „Malta Times“ sehr befriedigend. Die Bevblkerung nimmt rasch zu und betraͤgt mlt der Besatzung bereits 12, 9000 Seelen. Man legt Befestigungs⸗ werke an, baut Straßen und dergleichen. In fuͤnf Jahren wird die Stadt die groͤßte und reichste in Arabien seyn. Die Araber ver⸗ halten sich jetzt ruhig und bringen Lebensmittel zu Markte. Nach ver Aussage eines Franzoͤsischen Reisenden sollen die Englaͤnder auch einen Seehafen in Abyssinien, in der Naͤhe von Zela, wo die Franzosen einen Konsulats-Agenten halten, gekauft haben. Diese Angabe wird indessen sehr bezweifelt. Unter dem Hafen

ist wahrscheinlich eine Insel gemeint, welche die Englaͤnder kauf⸗ ten, als die Franzosen eine kleine Insel gegenuber in Besit nahmen.

Dentsche Bundesstaaten. Dresden, 14. Juli. Se. Majestat der Koͤnig und Ihre Majestaͤt die Koͤnigin sind gestern Abends nach Bayern abgereist. Se, Königl. Hoheit der Prinz August von Preußen ist vor— gestern hier angekommen und im Hotel zur Stadt Wien abge— treten.

Hannover, 1. Juli. Ueber die letzte Sitzung der zwei⸗— ten Kammer giebt die Hannoversche Zeitung folgenden nachtraͤglichen Bericht:

„Zunaͤchst wurde auf den Antrag des Herrn Gencral-Syn— dikus einstimmig beschlossen, durch eine Deputation beider Kam⸗ mern St. Masestaͤt dem Koͤnige und Sr. Kbnigl; Hoheit dem Kronprinzen das Beileid der Staͤnde wegen des Ablebens Ihrer Maßjestaͤt der Königin zu bezeugen. stachdem darauf eine Mit— theilung erster umme, wonach dieselbe den Konferenz . wegen der Budgets -CLommission abgelehnt hatte, verlesen und auf den Antrag des Herrn General ⸗Syn⸗ dikus beschlossen war, bei erster Kammer, auf eine erweiterte

onferenz von 7 Mitgliedern anzutragen, ging man üͤber zur Ve⸗ 66 * Koͤniglichen Proposition vom 26. d, M., die pro⸗

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visorische Forterhebung der Steuern betreffend. Ein Mitglied, freilich nur geringe Hoffnung zur Abaͤnderung des gestri⸗ gen Beschlusses hegend, hielt sich verpflichtet, den Verbesserungs⸗ Antrag zu stellen? „von dem Beschlusse der Niedersetzung einer einseitigen Kommission behuf Pruͤfung der Königlichen Pro— position zu abstrahiren, und sich zum erstenmale mit der Königlichen Proposition einverstanden zu erklären, indem er zugleich namentliche Abstimmung beantragte, was von mehreren Seiten unterstuͤtzt wurde. Auch heute wurde im Wesentlichen nur mit den fruͤheren Motiven gestritten, und der Antrag bei der Abstimmung mit 43 gegen 36 Stimmen abgelehnt, Nachdem so— dann noch mehrere Königliche Schreiben: 1) Die Wiederein— setzung des Ober-Steuer-Kollegiums, 2) das Schatz⸗Kollegium, 3) das Wagengleis-Gesetz, und 4) und 5) Eisenbahnen betref⸗— fend, verlesen worden waren, beabsichtigte ein Mitglied, einen schriftlichen Antrag zu stellen; nach Verlesung der ersten Saͤtze traf jedoch das die Aufloͤsung der Stände-Versamm— lung aussprechende Königliche Schreiben ein, worauf die Sitzung von dem Herrn Praͤsidenten geschlossen wurde, und die Versamm⸗ lung auseinanderging.

Karlsruhe, 10. Juli. Earlsr. Ztg.) Zweite Kammer. Der Abgeordnete Hofmann erstattet Bericht uͤber mehrere Pe— titionen, betreffend die Interessen, resp. den Schutz der Baumwol⸗ len- und Linnen-Spinnereien. Auch hier geht der Antrag auf empfehlende Ueberweisung an das Staats-Ministerium.

Der Finanz-Minister von Böckh eroͤffnet die Diskussion mit der Erklaͤrung, daß von allen Industriezweigen die Baum— wollen-Spinnereien der wichtigste des ganzen Zoll-Vereins seyen; auch habe die Regierung seit 1835 dahin gewirkt, daß ihnen der noͤthige Zoll-Schuß zu Theil werde, wie der Herr Geh. Ref. Rege⸗ nauer naͤher auseinandersetzen werde.

G. R. Regenauer: Schon im Jahre 1835 wurde dieser Gegenstand eroͤrtert und die Badische Regierung druckte den Wunsch aus, daß der Zoll auf Baumwollengarn erhoht werde. Es wurde dieser Gegenstend auf die erste Revision des Tarifs verwiesen. Als diese zur Sprache kam, erneuerten wir unseren Antrag, leider auch diesmal ohne Erfolg; dies wiederholte sich auch im Jahre 1838. Im Jahre 1839 theilte die Regierung ihre sammtlichen Antraͤge im Voraus den uͤbrigen Vereinsgliedern mit; der erste Antrag war der auf Erhohung des Zolles auf Baumwollengarn. (Der Redner verliest diesen Antrag.) Es wur⸗ den ausfuhrliche Verhandlungen hieruͤber gepflogen, aber eine Uebereinstimmung der Ansichten konnte auch damals nicht erzielt werden. Partielle Interessen standen ihr entgegen. Doch wurde der Beschluß gefaßt, daß eine der betheiligten Regierungen den Gegenstand nochmals sorgfaͤltig pruͤfe und der Zoll⸗Konferenz dann eine Vorlage darüber mache. Dies ist geschehen bei derletzten Versamm— lung, und es soll nun bei der naͤchsten Revision des Tarifs dahin gearbeitet werden, daß die Wuͤnsche der Petenten erfullt werden. ene Regierung, der die umfassende Pruͤfung des Gegenstandes übertragen war, ist dem Antrag guͤnstig. Was nun den zwejten Punkt betrifft, worüber sich die Petenten beschweren, daß nam— sich geschlichtetes Garn zu dem niederen Zoll é 2 Rthlr. einge⸗ bracht werde, so haͤngt diese Sache lediglich von der Interpreta⸗ tion des Tarifs ab. Man hat zunaͤchst Berichte eingefordert, ob solche Einfuhr geschlichteten Garns à 2 Rthlr. vorkomme; die Berichte sind noch nicht eingegangen. Jedenfalls unterliegt kei⸗ nem Zweifel, daß der niedere Zoll à 2 Rthlr. auf geschlichtetes Garn nicht anzuwenden sey. Das geschlichtete Garn ist ein ver— edeltes, daher gleich allem dieser Art mit dem hoͤheren Zoll zu be—

legen. Eine dritte Bemerkung der Petenten bezieht sich darauf daͤß unter Englischen Twist-Ballen zuweilen auch edlere Garnsor— ten, ja selbst Gewebe, eingeschmuggelt wuͤrden. Wir haben die Zoll-Behoͤrden darauf aufmerksam gemacht, bis jetzt aber sind keine Thatsachen zur Bestaͤtigung jener Angaben berichtet worden. Uebri⸗ gens sind dle Zoll-Behoͤrden angewiesen, die Sache nicht aus dem Auge zu lassen.“ . Gander: „Mit wahrer Freude habe ich diese Vortrage der Herren Regierungs-Commissaire vernommen, und ich hoffe, daß ihre Antraͤge in einer so hochwichtigen Sache endlich Gehoͤr fin= den. Die Macht der oͤffentlichen Meinung ist groß, und die heutigen Verhandlungen werden gewiß dazu beitragen, ein neues Gewicht in die Wagschale zu legen. Wenn wir die Erhohung des Zolles auf Baumwollengarn von der Zukunft erwarten muͤs— sen, so kann der zweite Punkt, die Unterwerfung des geschlich te ten' Garns unter den hohen Zoll, schon jetzt erledigt werden, da es sich hier lediglich von einer Interpretation des Tarifs handelt. Daß aber die Deutschen Fabrikanten dieses Schutzes beduͤrfen, liegt klar vor Augen; einzelne derselben besinden sich in einem währen Nothstand, in einem Nathstand, der keine Uebertrei⸗ bung ist; sie beduͤrsen dieses Schutzes gegen einen furcht— baren Gegner, gegen Englands Macht, gegen Englands unge⸗ heure Produktion. Ich muß ferner aufmerksam machen auf einen Gegenstand, der Einschmuggelung beguͤnstigt; das sind namlich die Zollbeguͤnstigungen, welche die Schweiz genießt in Bezug auf ungebleichte Baumwolle ze. Hiemit soll großer Mißbrauch getrieben werden, indem unter diesem Namen auch veredelte Garne c., eingeschmuggelt werden sollen. Groͤßere Sorg⸗ falt in Stempelung dieser Waaren ist hier noͤthig. Höheren Werth als auf die Baumwollspinnereien lege ich aber noch auf die Leinwand-Prgduction; denn dieser Zweig der Industrie ist ganz national, fuͤr den Landbau von ungeheuerer Wichtigkeit. Hier aber bedroht uns Englands Maschinengarn, und der ver⸗ minderte Absatz des Flachses und Hanfes, uͤber den so oft schon hier geklagt worden ist, hat seinen Hauptgrund in diesem Ueber⸗ handnehmen des Englischen Maschinengarns. Trifft man doch selbst in kleineren Städten des Landes in allen Laͤden Ma⸗ schinengarn, das keinen Zoll. zahlt, dessen Einfuhr taͤglich im Zunehmen ist. Diese Industrie verdient aber um so mehr einen kraͤftigen Schutz, als es sich hier nicht von den Interessen der großen Kapitalisten, nicht von den reichen Fabrikanten handelt, sondern von armen Leuten, die die wichtigsten aller Handels- Pflanzen bauen; es handelt sich ferner hier nicht von partiellen Interessen, sondern von ganz allgemeinen, wesentlich Deutschen Interessen. Soll aber die Linnen-Production eines hinreichenden Schutzes genießen, so ist ein Schutzzoll von mindestens 5 Rthlr. nothwen⸗ dig. Indem ich alles dieses bedenke, muß ich fragen, woher könmt dieser Zustand, woher diese Klagen. Ich sinde Grunde in Folgendem. Ich glaube, es hat sich eine Aenderung der Ansich⸗ ten über die Tendenz, die der Zoll-Verein zu, verfolgen habe, ein⸗ gefunden. Wahrend im Anfange seiner Gruͤndung Schutz und Erhebung der Industrie sein Zweck zu seyn schien. will es jetzt den Anschein gewinnen, als sey eine ungünstige Stimmung ge— gen die ü . Scheere halten damit sie nicht anderen Interessen uber den Kopf wachse. Ich sinde ferner, daß der seitherige zweijährige Zusam⸗ mentritt der Zoll-Konferenz nicht hinreicht, um gleichen Schritt zu halten mit dem raschen Gang der Entwickelung der Zeit, mit den reißenden Fortschritten der Industrie, und dem raschen Wech⸗

Industrie vorwaltend, als wolle man sie unter der

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sel in den Verhaͤltnissen des Handels. In einzelnen Ländern scheint ferner allzusehr der finanzielle Gesichtspunkt bei Wuͤrdi⸗ gung der großen Fragen der Industrie und des Handels festgehal⸗ ten zu werden. Es fehlt mit einem Worte an einem gemeinsa⸗ men Plan, an einer Central-Behöoͤrde fuͤr den Zoll⸗Verein, welche alle allgemeinen. Anordnungen zu berathen und zur Schlußfassung

. * 2 4 1 6 J! 36 vorzubereiten hätte. Es ware ferner zu wuͤnschen, daß bei, resp. vor Abschluß von Handels-Verträgen jedesmal Sach verstaͤndige zu Rath gezogen wurden. Ein anderer Wunsch ist der, daß ein Organ da sey zur Veroͤffentlichung statistischer Notizen uͤber Han⸗ del und Verkehr, damit Jeder sich ein Urtheil hieruͤber zu hil— den vermoͤge. Ich trage darauf an, daß die Kammer diese Wuͤn⸗ sche (incl, der auf höͤhern Zoll-Schutz fuͤr Baumwollen- und Linnen-Spinnereien) adoptire und als solche in das Protokoll nie⸗ derlege.

Finanz-Minister von Boeckh. Einem Theil dieser Wuͤnsche habe ich schon früher zugestimmt; ich bedauere nur, daß der Herr Abgeordnete bei dem Scharssinn und dem Eifer, womit er sich dieser Gegenstaͤnde annimmt, in dem Hofgericht zu Rastatt, und nicht in der Zoll-Konferenz seinen Sitz hat. Indessen ist nicht alles neu, was der Herr Abgeordnete vorgetragen hat, z. B. uͤber die Linnen-Production. Bereits 183 ist hieruͤber ein Antrag von uns gestellt worden (liest denselben vor). Was die Einfuhr ge⸗ schlichteter Zettel betrifft, so ist im Tarif nicht namentlich hierfur gesorgt; aber nicht deswegen, weil man nicht beim Entwurf des— selben fachkundige Maͤnner zu Rathe zoͤge, denn man zieht sie zu Rath, sondern weil man nicht schon künftige Erfindungen mit Zoͤllen belegen kann. Die Zoll-Stellen geben aber wohl Acht auf alle neuen Manufaktur-Gegenstaͤnde; kommt ihnen ein solcher vor, so machen sie die Anzeige, üm zu wissen, wie sie bei der Verzollung zu verfahren haben.

. Der Berichterstatter dankt der Regierung fuͤr die Un— terstuͤtzung, die sie auch dieser Industrie angedeihen lasse; eine Central-Behdrde, wie sie der Abgeordnete Sander wuͤnsche, duüͤnke ihm nicht leicht ausfuͤhrbar. Geh. Ref. Regenauer erklaͤrt sich uber diesen Punkt in gleichem Sinne; ubrigens sey nichts einzu— wenden gegen den Antrag, daß der Zollverein vorerst üͤber Errich⸗ tung einer solchen Behoͤrde berathe. (So hatte namlich der Abgeordnete Sander seinen Antrag auf Errichtung einer solchen Vehbrde modifizirt, Sonst mußte er allerdings erst naͤher eröͤr— tert werden. In Bezug auf die Beguͤnstigung des Schmuggels an der Schweizergraͤnze gegen die Zollbeguͤnstigung der Schweiz sey man vor sichtig, daß kein Mißbrauch damit ge schehe. Was den Stempel betrifft, so habe man bewahrte Chemiker daruͤber zu Rath gezogen, und sie haͤt⸗ ten ihn fuͤr hinlaͤnglich gefunden; Verbesserungen werde man aber dankbar annehmen! Sander will seine Worte in diesem Punkt nicht gerade auf unsere Schweizergräͤnze bezogen wissen, und dankt auch seinerseits fuͤr die Zusicherung der Regierung, wirksa— men Schutz zu leisten in dem Krieg, der durch Holland und Eng land gegen Deutschlands Industrie gefuͤhrt werde. Geh. Ref. Regenäauer: Dieser Krieg dauert schon sehr lange; erst der Zoll-Verein aber hat den Krieg der Vertheidigung organisirt, ei— nen Krieg, der nicht blos Monopolien beruͤcksichtigt, sondern auch an— dere Industrieen. Aenderungen im Tarif konnen uͤbrigens auch im Laufe einer Periode stattfinden. An der langsamen Ausfuhrung beantragter

Verbesserungen sey nicht der schwerfaͤllige Gang der Verhandlun—

lungen, sondern die Verschiedenheit der Interessen Einzelner Schuld. Die Abgeorneten Goll, Völker, Helbing drucken ihren Dank für die Zusicherungen der Regierungen aus, letzterer mit der Be⸗ merkung zugleich, daß die Linnen-Spinnerei den Schutz der Baum— wollen-Spinnereien noͤthig habe. Knapp ist gegen Central-Kom— mission und erinnert an die jusqu'aà la mer Kommission an die Rhein Octroi-Kommission und die Central-Untersuchungs-Kom— mission, die immer suche und nichts finde. Damit wird die Diskussion geschlossen, und die Antraͤge der Kommission und des Ab— geordneten Sander mit Ausnahme des die Errichtung einer Cen tral-Behoöͤrde betreffenden ein stimmig angenommen.

Schweiz.

Tessin. (Schweiz. Bl.) Advokat Nessi, Anfuͤhrer der Auf— ruͤhrer, wird heute Morgens um 10 Uhr zu Locarno auf oͤffent— lichem Platze erschossen worden seyn. Die Gattin des jungen Ad— vokaten Nessi warf sich mit einem Toͤchterlein auf offenem Plaße zu den Füßen des Obersten Luvini, ihn mit verzwelflungsvollen Thraͤnen und Bitten um Begnadigung ihres Mannes anflehend. Luvini weinte mit ihr, erklaͤrte aber, sich fuͤr diese Begnadigung nicht verwenden zu koͤnnen, indem er sonst selbst des Todes seyn wurde. Die Wohnungen der Raͤdelsfuͤhrer wurden gepluͤndert und verbrannt. Die Gefaͤngnisse sind vollgepfropft. Der En— thusiasmus der Milizen und Schuͤtzen ist bis zum höͤchsten Grade gestiegen.

Neuchatel, 8. Juli. Se. Excellenz der Gouverneur des Fuͤrstenthums Neuchatel, Herr General von Pfuel, ist vorgestern hier eingetroffen.

Basel, 9. Juli. Nach direkten Berichten aus Bern, wa— ren in der Sitzung der Tagsatzung vom Sten zwei Antraͤge in Bezug auf Aargau gestellt worden. Zuͤrich will Aargau nochmals auffordern, von sich aus dem Beschlusse vom 2. April zu genuͤ— gen. Luzern, an der Spitze der Urkantone, verlangt sofortige Herstellung aller Kloͤster in kurzer Frist und, wenn nicht entspro— chen werde, ungesaͤumte Exekution. Die Umfrage wurde in die— ser Sitzung nicht vollendet. Vorher hatte die Gesandschaft von Tessin über die dortigen Vorfaͤlle berichtet, mit dem Beifuͤgen, daß uͤber die Gefangenen Standrecht gehalten werde.

Spanien.

O Madrid, 4. Juli. In der Sitzung, welche der Senat gestern Nachmittag hielt, nahm Herr Landero Gustiz⸗Minister in Folge der Revolution von la Granja) Das Wort, um die Nothwendigkeit der Ernennung eines neuen Vormundeß uͤber die Koͤnigin Isabella und deren Schwester darzuthun. Er sagte unter Anderem:

„Wenn die Königin Mutter eines Tags nach Spanien zu— ruͤckkehren will, so weiß sie, wie Personen ihren Ranges zu rei⸗ sen haben, und kann sich daruber mit der Regierung in Berbin⸗ dung setzen. Allein warum wirst man so gefaͤhrliche Fragen auf? warum erhitzt man die Gemuͤther? warüm sucht man sie zur Fahne fuͤr eine geaͤchtete Partei zu machen? Man giebt da⸗ durch Veranlassung zu der Behauptung, daß die absolutistische Partei, die gegen uns, feindlich gesinnnten Fremden, die Fuͤrsten, welche dieser heldenmuͤthigen Nation den Untergang geschworen haben, und die uͤbrigen, welche erklaͤrte Felnde ihrer Wohlfahrt und ihres Glückes sind, auf ihr schwarzes Banner, aus welchem sie den Namen des Don Carlos gelbscht haben, den der erhabe⸗ nen und wohlwollenden Christine einschreiben wollen. Dazu wird Veranlassung gegeben.“

Darguf wurde die Diskussion uͤber die Totalität des Antra⸗ ges der Majorität der Kommissien fuͤr beendigt erklärt, und auf

den Vorschlag des Herrn Heros beschlossen, Abends neun Uhr eine abermalige Sitzung zu halten, um die Entscheidung der An— gelegenheit zu beschleunigen. In dieser Sitzung schritt man zur Diskussion der Artikel des erwahnten Kommissionsantrages, nach⸗ dem ein Antrag des Herrn Ondovilla, man solle an die Koͤnigin Christine eine Botschaft richten, um sie zu befragen, ob sie geson— nen sey, nach Spanien zuruͤckzukehren, einstimmig verworfen wor— den war. Dann diskutirte man einen von Herrn Gomez Be⸗ gerra gestellten Antrag, dahin gerichtet, man solle die Diskussion uͤber die Frage, ob die Vormundschaft erledigt sey oder nicht, er⸗ oͤffnen, damit nach Beendigung der Debatten die Cortes diese Frage entscheiden könnten. Herr Ruiz de la Vega that dar, daß der Senat, falls er diesen Antrag genehmige, sein Vorrecht fuͤr sich, getrennt vom Konzresse uͤber alle Fragen abzustimmen, aufgeben, und sich dem ihm an Zahl uͤberlegenen Kongresse ein⸗ verleiben, also die Verfassung verletzen würde. Noch staͤrker druckte sich der Marquis von Falces aus. „Der Thron“, sagte er“, ist heutzutage nichts mehr als ein nit Sammet bedecktes Stuͤck Holz. Binnen kurzem wird er vielleicht auch dies nicht mehr seyn. Beschleunigt nicht seinen Umsturz indem ihr euxen eigenen Üntergang herbeiführt!“ Vergebens ließ man das Gesetz vom 27. Juni 1837 vorlesen, welches die einzigen Faͤlle bezeichnet, in denen beide Kammern sich zu gemeinschaftlicher Sitzung vereini— gen duͤrfen. Der Antrag des Herrn Gomez Becerra wurde mit 47 Stimmen gegen 23 angenommen, und darauf die Dis⸗ kussion uͤber die Frage, ob die Vormundschaft erledigt sey oder nicht, erbffnet. Die Ent scheidung dieser Frage soll, wie so eben bemerkt, durch beide Kammern in gemeinschaftlicher Sitzung gefaßt werden. Erst um Ein Uhr nach Mitternacht wurde die Sitzung aufgehoben.

Der Kongreß hat gestern angefangen, die von der Regierung vorgelegten, und von einer Kommission gepruͤften Budgets fuͤr die zweite Haͤlfte dieses Jahres zu diskuliren. Die Regierung verlangt fuͤr diese sechs Monate im Ganzen 687,919,129 Realen (31,395, 956 Piaster), naͤmlich fuͤr das Koͤnigliche Haus 23,750, 00) Realen, fuͤr beide Kammern 292,955 Realen, Amortisationskasse 161,189,490 Realen, Ministerium der auswaͤrtigen Angelegenhei— ten 5,731,855 Realen, Justiz-Ministerium 9,308,925 Realen, Fi— nanz-Ministerium 156,056,731 Realen, Ministerium des Innern 19,798,899 Realen, Kriegs-Ministerium 256,506,440 Realen, Ma⸗ rine-Ministerium 28,271,734 Realen. Die Kommission des Kon— gresses traͤgt darauf an, diese geforderte Summe auf die von 387,915,119 Realen (29,350, 759 Piaster) zu beschraͤnken. Die Regierung verlangte unter Andern 926,000) Realen fuͤr Gesandt— schäften bei den Hofen, welche die Königin von Spanien noch nicht anerkannt haben. Diese ganze Summe ist von der Kom— mission gestrichen worden.

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Breslau, 14. Juli. Es hat sich in der Provinz Schlesien, inmitten der vielen und zum Theil noch trefflichen Wal— dungen dieser Provinz, aus Veranlassung des Kbnigl Ober-Forst— meisters von Pannewitz in Oppeln, ein For st-Verein gebildet, welcher die hoͤhere Genehmigung erhalten hat. Vom 11. bis 13. Juli versammelte sich dieser Verein in Zobten, am Fuße des schönen bewaldeten Berges gleichen Namens, zum erstenmale, und obgleich er die Staats-Genehmigung erst im Juni d. J. erlangt harte, zahlte er doch bei seinem ersten Entstehen schon uͤber 60 wirkliche Mitglieder. Zum Präses ward einstimmig der Ober— Forstmeister von Pannewitz gewaͤhlt, worauf die Sikungen und Arbeiten in der Stube zwei Tage dauerten, und ein Tag einer wissenschaftlichen Exkursion, in die Waldungen des Zobtenberges gewidmet ward. Die Fruͤchte dieses so jungen Un— ternehmens sind schnell und befriedigend gereift; Gegenstaͤnde von allgemeiner und nationaler Wichtigkeit sind sorglich erörtert wor— den; einige erwuͤnschte Einrichtungen sind sofort ins Leben geru—⸗ fen, und durch Anschauung nützlicher neuer Kulturgeraͤthe ist der praktischen Wirthschaft mehrfacher Nutzen erwachsen. Verwal⸗ ter von Kbniglichen und Privat-Waldungen und Besitzer von Privat-Forsten haben sich dem Verein angeschlossen, und bei dem guten regen Willen, welcher sich bei diefer neuen Schoͤpfung zeigt, so wie bei der Intelligenz, welche ihr vielfach beiwohnt, sind gewiß nur die erfreulichsten Resultate davon fuͤr die Provinz und die Wissenschaft zu erwarten. Als Anerkenntniß dessen hat der hochherzige Besitzer Warmbrunns den Schlesischen Forstver— ein eingeladen, sich im kuͤnftigen Jahre am Fuße der Sudeten bei ihm zu versammeln, welches mit Dank angenommen ist—

Das hiesige Amtsblatt meldet: „Es wird hiermit zur Kenntniß der Behoͤrden gebracht, daß von des Herrn Finanz—⸗ Ministers Grafen von Alvensleben Exzellenz der Konigliche Re— glerungs-Rath Herr von Heyden hierselbst zum Koͤniglichen be— staͤndigen Kommissarius, Behufs Ausübung des Aufsichtsrechts des Staats uͤber die Ober-Schlesische Eisenbahn-Unternehmung ernannt worden ist.“

Koblenz, 12. Juli. (Rh. und Mosel-3tg.) Ihre Köͤnigl. Hoheiten der Prinz und die Prinzessin Karl sind heute Nachmittag gegen 2 Uhr von Kreuznach hier angekommen; eine halbe Stunde spaͤter traf Ihre Majestaͤt die Koͤnigin von Grie— chenland mit hohem Gefolge unter dem Donner der Geschuͤtze des Ehrenbreitstein hier ein und wurde im Gasthofe „zum Rlesen“, woselbst Ihre Majestäͤt abstieg, von Ihren Koͤnigl. Hoheiten und den hohen Civil? und Militair-Behbrden empfangen. Alle am Ufer liezenden Schiffe, so wie die Schiffbruͤcke, hatten geflaggt, und auf dem Ehrenbeitstein wehete die Fahne, die Ihre Majestaͤt die Kaiserin von Rußland dieser Veste zum Geschenk geschickt hat. Am Gasthof „zum Riesen“, in welchem fuͤr die hohen Herrschafter ein Diner bereitet war, stand eine Compagnie des hier in Be— satzung liegenden Infanterie-Regiments als Ehrengarde nebst der Regäünsentsmusik aufgestellt. Die letztere spielte bei der Ankunft Ihrer Majestaͤt. Nach dem Diner gedenken die hohen Gaͤste den Ehrenbreitstein und Stolzenfels zu besuchen.

Gestern Mittag kam hier auf seiner ersten Probefahrt das neue eiserne Dampfschiff Nr. 15, auf dem Werfte der Herren 4 Homel und Hayßen, zur guten Hoffnung, also ganz im Inlande, für die Koͤlner Gesellschaft gebaut, vorhei. Das praͤcht— Vlle Schiff ist in seinen Dimensionen, nach Laͤnge, Breite und 3 . . Es hat die Strecke von Köln winde bekundet n , ., e 4. ,. ö

4 1 ) 1a⸗

, nen ebe ff übrigen Rhein. Boͤte an Schnellig— Unsen diessaͤhriger Wollmarkt scheint ein sehr bedeutender werden zu wollen, indem von vielen Seiten roße Qua titaͤte angem elbe sind und fortwährend n , , ö—è aus Vaden sit einiges eingetroffen. Bei hiesigen Haͤusern sind nicht unbeträchtliche Akkreditive angezeigt, so daß es auch an Kaäͤu— fern nicht fehlen wird, e an mn,

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Der Pauperismus und die neuesten Systeme, ihm zu steuern.

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Geschichtliche Ruck blicke.

De Gérando de la bienfaisance publiques 4 vol. Paris che Rendouard 1839. ;

Buret, de la misere des classes lahorieuses en Angleterre et en France, 2 vol. Paris et Leipz., che Renouard, 1811. .

Kritische Darstellung der Sozial-Theorie Fourier's von A. E. Eh uro a. Herausgegeben durch Dr. Gustav Bacherer. Braunschweig b. Meyer 1840.

Als ein erfreuliches Zeichen unserer Zeit darf man unstreitig das erhöhte Interesse betrachten, welches man den sozialen Ideen und Reformen einräumt. Der Eifer des Sichtens, Prüfens und Umgestaltens, welcher sich fruͤher fast nur auf Gegenstaͤnde der Politik, auf Berfassungsfragen warf, hat sich jetzt, zum gro— ßen Theile, den allgemeineren und positiveren Interessen der Ge⸗ sellschaft, ihrer Arbeit, ihres Verkehrs, ihrer Beduͤrfnisse und ihrer Leiden zugewendet; und zugleich erhalten diese sozialen Be⸗ strebungen reichen Zufluß aus den hoͤhergelegenen Quellen der Wissenschaft, welche sich bereitwillig erschließen, um das tiefere Gefild des Lebens zu befruchten.

Unter allen sozialen Fragen beschaͤftigt aber keine die Gegen— wart lebhafter, als die Frage nach den Vermoͤgensverhaͤltnissen, nach dem physischen und sittlichen Zustande der verschiedenen Klassen der Gesellschaft. Di es man so ma—

Meri ß eral piele des lichsten Bestrebens, die

Besellschaft zu

Alles aufzusuchen, was einen naturgemaͤßeren, gluͤcklicheren und gesicherteren Zustand der Gesellschaft herbeizuführen verspricht. Allerdings hat auch die Nothwendigkeit ihren Theil an die— sen Bestrebungen. Das Schreckbils dés Pauperismus, unter mannigfacher, aber immer furchtbarer Gestalt, bald hier bald dort, mitten unter den bluͤhendsten Schoͤpfungen, unter den großartig— sten Wunderwerken unserer Civilifation auftauchend, hat alle edleren Geister in Bewegung gesetzt, um die Gesellschaft von dem sie bedrohenden Unheil zu erlbsen; die Arbeiteraufstaͤnde in den Englischen und Franzoͤsischen Fabrikorten, zu denen es leider auch in Deutschland nicht an Seitenstuͤcken fehlt, belehrten die Regie— rungen aber die Nothwendigkeit einer kräftigen Abhuůlfe und lie— ßen die wohlhabendere Klasse der Beboͤlkerung erkennen, daß die Wohlthaͤtigkeit fuͤr sie schon nicht mehr eine Sache der freien Eutschließung, sondern eine politische Nothwendigkeit sey.

Allein so betruͤbend auch für den Menschenfreund anlassungen sind, welche die zahlreichen neuern Versuche zur? kaͤmpfung des Pauperismus und zur Verbesserung des Looses der arbeitenden Klasse ins Leben riefen, so wohlthuend sind auf der andern Seite der Geist und Sinn dieser Bestrebungen, die edlen Bemuhungen einzelner weiser und hochherziger Manner, die allgemeine, lebendige und thaͤtige Theilnahme aller Gebildeten, das bereitwillige und besonnene Entgegenkommen der offentlichen Gewalten. Was aber noch mehr gecignet ist, uns uͤber die Uebel— staͤnde unserer Kulturverhaͤltnisse zu troͤsten und unsre Besorg— nisse wegen der Folgen der wachsenden Macht der Industrie und der materiellen Inkeressen zu zerstreuen, ist die Thatsache, daß diese Industrie felbst vielfache Heilmittel gegen jene Uebelstaͤnde in sich tcägt. Denn wenn sie auf der einen Seite auch mancher— lei Nothstaͤnde nach sich zieht, so leitet sie doch auf ein Mittel, denselben abzuhelfen: manche Arten des Elends und der Bedruͤckung sind gerade durch die freiere Entwickelung des Gewerbewesens aus dem Verkehr theils ganz verschwunden, theils wenigstens ge— lindert worden. e

Ueberhaupt thut man Unrecht, wenn man die Gegenwart allzusehr mit Klagen wegen der angedeuteten Uebelstaͤnde uͤber— haͤuft. Denn ein großer Theil dieser Uebelstände hat zu allen Zeiten, wenn auch unter anderen Formen, auf der menschlichen Gesellschaft gelastet, und im Gegentheil mochte diejenige Gestalt, unter welcher sie gegenwaͤrtig auftreten so erschreckend ihr aͤußeres Aussehen ist doch im Grunde weit weniger Trostlo— ses haben, als die fruͤheren. Betrachten wir die Gesellschaft un⸗ ter dem Bilde eines großen Organismus, nach der Analogie des menschlichen Körpers so muͤssen wir sagen, daß dieser Sr⸗ ganismus zu keiner Zeit von Krankheitsstoffen ganz frei gewesen sst, daß aber diese Krankheitsstoffe ihn auf sehr verschiedene Weise afficirt und sehr verschledene Symptome hervorgebracht haben, indem sie bald das eine, bald das ander Organ ergriffen, bald mehr in den innern Theilen sich festsetzten, bald durch eine Reaction dieser edleren Organe nach außen geworfen wurden, und auf der Oberflaͤche des Koͤrpers zwar schmerzlichere und wi— derlichere Zusaͤlle hervorbrachten, die aber gleichwohl minder be— denklich sind, als die fruͤhere Erstarrung der inneren Lebens— organe.

In der alten Welt finden wir allerdings den Pauperismus, dieses in der Gegenwart so weit verbreitete soziale Uebel, noch nicht oder nur in schwachen Spuren; aber forschen wir nach dem Grunde dieser Erscheinung, so ist derselbe von der Art, daß wir in der erwähnten Thatsache, vom hoͤheren philosophischen und po⸗ litischen Standpunkte aus, kaum einen Vorzug des Alterthums zu erblicken vermögen. Denn das leidliche Wohlbefinden, dessen wir die Einzelnen in den alten Staaten theilhaftig sehen, und die Abwesenheit eines eigentlichen Nothstandes steht im engsten Wech— sel-Verhaͤltniß zu dem Mangel individueller Freiheit bei ganzen Klassen der Bevblkerung und zu den vielen Ungerechtigkeiten, welche die schroffe Trennung der Staaten und der einzelnen Thelle des Staats selbst, mit sich brachte. Der Sklav litt frei⸗ lich nicht Noth, weil sein Herr ihn ernaͤhrte und es in dessen Vortheil lag, das Instrument, welches ihm zu seinem eigenen Wohl⸗ befinden diente, so tuͤchtig und in so brauchbarem Zustande, als nur möglich zu erhalten. Aber der Sklav erkaufte diesen Schutz und diese Fuͤrsorgs seines Herrn mit seiner volligen Unselbstän⸗

digkeit, mit der gaͤnzlichen Verzichtleistung auf eigenen Besitz auf

perstznliche Freiheit und Würde N). Unter den freien Buͤrgern fand zwar eine gewisse Selbststaͤndigkeit im Erwerbe und somit eine Verschiedenheit des Besitzes statt, welche natuͤrlich in vielen Fällen auch eine Verarmung Einzelner zur Folge haben mußte. Dennoch tragen auch diese Erscheinungen einen eigenthuͤmlichen

„) Sehr wahr sagt der Vexfasser des ersten der angeführten Werke; „Es giebt nur einen Zustand, welcher die Noth gaͤnzlich auzschließt; es ist dies derjenige, wo, wie dies bei der Sklaverei der

Alten der Fall war, die niedern Klassen der Gesellschaft ihre Unab⸗ haͤngigkeit aufgeben, und den Schutz. ihrer Herren um den Preis shrer Freiheit ünd ihrer Menschenwürde erkaufen.“

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Sonderung ver u *

und welche allerdings l

der

kungen der

aͤrmeren Theil der Bevölkerung d

und Fuͤrsorge zufrieden und fuͤr

den Dienste willig zu erhalten.

des Solon, eine Maßregel zur Milderung der Schuldenlast, welche die aͤrmere Klasse der Burger druckte, und an das Theorikon das Theatergeld, welches für das Volk aus der Staatskasse ge⸗ zahlt wurde. Auch in der idealen Gesetzgebung des Plato spiegelt sich dieser Griechische Geist der Bevormundung und Benutzung des Volks von Seiten des Staats oder derer, welche den Staat re⸗ praͤsentiren unverkennbar ab. Die Herrschenden haben suͤr die Massen zu sorgen, wogegen diese fuͤr sie und nach ihrer An⸗ ordnung arbeiten muͤssen.

Schroffer und ohne dies versoͤhnende Element des Griechischen Gemeingeistes, trat dieser Gegensatz der Staͤnde und der Guͤterverhältnifsse im Roͤmischen Staate auf. Hier sehen wir vom Anfange an eine privilegirte Kastte, die Patri⸗ zier, im Besitz der Gewalt und des damit verbundenen Genusses, die Massen dagegen, den Plebs, nur als Mittel zur Vermehrung dieser Macht gebraucht. Und wie jederzeit Eroberung nach Außen, Tyrannei im Innern erzeugt und begünstigt, so gelang es auch der Köoͤmischen Aristokratie lange Zeit, den Plebs in Abhaͤn⸗ gigkeit zu erhalten, und ihn von dem Genusse der Fruͤchte ihrer Eroberungen auszuschließen, bis die dadurch erzeugte Verschuldung und Noth des Bolks, im Verein mit anderen ÜUmständen, eine Reaction gegen die beguͤterten und gebietenden Klassen und, in deren Folge mannigfache Umgessaltungen des Besitzstandes durch

eue Besteuerung, Ackergesetze u. s. w. zuwege brachte.

Also wir wiederholen es, die Erscheinungen des modernen

Pauperismus kommen nur darum im Alterthum nicht vor, weil der freie Guͤter-Erwerb damals noch so gut wie gaͤnzlich fehlte, weil der Besitzstand nur auf gemeinsamere Eroberung und Ver— theilung des Eroberten beruhte, und weil die Ungleichheiten, welche dennoch in Bezug auf die Guͤter-Verhaͤltnisse wischen den ver schiedenen Klassen der Gesellschaft sich erzeugten, nicht aus den natürlichen Bedingungen des Verkehrs, sondern aus besonderen politischen Ursachen entsprangen, und deshalb auch nur auf politi⸗ schem, nicht auf staatswirthschaftlichem Wege ihre Erledigung fin⸗ den konnten. In den späteren Zeiten des Roͤmischen Reiches, als die alte Einfachheit der Sitten und der Beduͤrfnisse, der maßlosesten Uep⸗ pigkeit des Lebensgenusses, der Weichlichkeit und Unthaͤtigkeit gewi⸗ chen war, stellte sich, mit der allgemeinen Entsittlichung auch ein bedenklicher Nothstand unter der Bevölkerung ein. So lange in⸗ dessen noch immer aus den eroberten Landern Reichthuüͤmer nach Rom flossen, ward die vbllige Verarmung der Massen abgewehrt und die Austheilung der erbeuteten Schaͤtze unter die begehrliche Menge gewaͤhrte dem Ehrgeiz und der Herrschsucht der Feldherren und der Imperatoren ein wirksames Mittel der Usurpation und Tyrannei. Panem et Circenses! schrie das Volk, und um diesen Preis kauften ihm die Kaiser seine Freiheit ab.

Das Christenthum brachte in die Verhaͤltnisse des Besitzes und des gesellschaftlichen Zusammenlebens eine entscheidende Wen— dung. Indem ies den Einzelnen aus dem Staatsverbande, dem er angehörte, in gewisser Hinsicht herausloͤste und ihn der lirchli⸗ chen geistigen Gemeinschaft mit seinen neuen Glaubens genossen zu— wies, entzog es ihm auch die meisten der Vortheile, weiche er als Bůͤr⸗ ger eines großen Gemeinwesens genossen hate, und gab ihn häͤusig der Verfolgung und dem Elend preis. Doch milderte es die⸗ ses Elend sogleich wieder, und zwar in doppelter Hinsicht einmal, indem es den Bedruͤckten Resignation lehrte und ihn von den Uebel siänden der Gegenwart auf Verheißungen einer besseren Zukunft verwies; und dann, durch das Gebot chrisilicher Liebe und Wohlthäͤ⸗ tigkeit, welches die Reicheren in der Gemeinde veranlaßte, ihr Gut mit dem Armen zu theilen, woraus, wenn auch nicht prinzip— maͤßig, doch der Sache nach, eine Art von Guͤtergemeinschaft entstand.

So erhielt die Wohlthaͤtigkeit durch das Christenthum eine moralische Basis, statt der rein-politischen, welche sie in den alten Staaten gehabt hatte. Jeder fuͤhlte die Verpflichtung, dem Bru⸗ der beizustehen, und so entstand die Privat-Wohlthaͤtigkeit, die sich bald im Almosengeben, bald in der Pflege der Kranken, bald in Troͤstungen der Bekammerten kund gab. Ganz zur Privatsache ward jedoch die Fuͤrsorge fuͤr die Armen auch in dieser Zeit nicht, da die Gemeinde in ihrer Gesammtheit einen uͤberwiegenden Theil daran nahm und ihre beduͤrftigeren Mitglieder auf eine regelmaͤßige Weise unterstuͤkte, zugleich aber auch uͤber die Anwendung ihrer Gaben. und das sittliche Betragen ihrer Schützlinge strenge Auf⸗ sicht führten.

Nachdem aus der kleinen bedruͤckten, verfolgten Christen⸗Ge—⸗ meinde eine gewaltige weltherrschende, reiche Kirche geworden war, mußte auch die Wohlthaͤtigkeit eine andre Gestalt gewinnen. Die chrisiliche Gesinnung des Wehlthuns ward zwar auch durch die kirchlichen Gebote gepflegt Und lebendig erhalten, aber die Kirche suchte doch der Wohlthätigkeit der Privaten eine engere Beg le⸗ hung zu sich selbst zu geben, sie zu beauffichtigen und durch sich hindurch zu leiten. Die Fulle der Gaben, melche sie aus, Hand der Reichen empfing und an die Arn i n die Ver breltung und Großartigtest der Anstalten, wesche sie jur Linderung!