1841 / 201 p. 4 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

Wohnung, dem Phalansterium, vereinigt, theilt ich in eine Anzahl von Serien und Gruppen, d. h. von Arbelts⸗ Kreisen oder Berufs⸗Orten. Jeder einzelne schließt sich, nach Nei⸗ Talent, einer dieser Serien, und darin wieder vorzugs— weife einer bestimmten Gruppe an, der Eine z. B. der Serie des Ackerbaues und der Gruppe der Korn⸗Produktion ein Anderer der Serie der Weberei und der Gruppe der Woll-Weberei u. s. w. Die Beschaͤftigung in einer solchen Gruppe dauert aber nie laäͤn— ger als zwei Stunden, nach deren Verlauf es dem Arbeiter frei— steht, in eine andere Gruppe uͤberzugehen. Durch diesen steten Wechsel der Beschaͤftigung wird die Einfoͤrmigkeit der Arbeit und der Ueberdruß daran, welcher die Traͤgheit erzeugt, vermieden, und sede Kraft in fortwaͤhrender Spannung erhalten; durch die Ver— bindung vieler gleichgesinnter und gleichbeschaͤftigter Personen wird ferner der Enthusiasmus der Arbeit und der Corporations— Geist erweckt, und durch den Gegensatz der verschiedenen Grup— pen unter einander der Wetteifer rege erhalten. Wird durch diese Einrichtung die Produktivitaͤt der Arbeitskräfte gesteigert, so ver— mindert sich auch der Aufwand der Arbeitenden durch die Verei— nigung der vielen Einzel-Wirthschaften in eine einzige Gemein— Wirthschaft, wodurch eine Menge von Räumlichkeiten, Werkzeu— gen und Muͤhwaltungen erspart wird. Auf diese Weise wird der erste Zweck der Phalanx oder der industriellen Association erreicht, möglichst vortheilhafte Ausbeutung der Arbeitsthaͤtigkeit ihrer Mitglieder. Aber nicht minder wichtig ist der zweite Zweck, die gerechte und angemessene Vertheilung des Gesammt-Einkommens unter die einzelnen Mitglieder. Als allgemeines Prinzip der Ver— theilung wird von Fourrier aufgestellt, daß dem Kapital n, dem Talente . und der Arbeit H des Ertrags gebühren. Fuͤr den ersten diefer Faktoren, das Kapital, ist die Berechnung leicht. Jedes Mitglied erhaͤlt, fuͤr das Kapital, welches es in den Ge— sellschaftsfond einlegt, eine Anzahl von Actien, nach denen sich so— dann sein Anthei fallenden

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gung und

an der auf das Gesammt-Wapital uote des Gewinnstes (d. h. vier Zwoͤlftheile des Total-Gewinn— t bestimmt. Schwieriger ist es, den Lohn fuͤr das Talent ind die Arbeit zu normiren. Fourier stellt zu diesem Zwecke die ei Kategorien der Nothwendigkeit, der Nuͤtzlichkeit und der An— nehmlichkeit der Arbeit auf. Die Intensität des Talentes wird also nach der Nothwendigkeit, Nuͤtzlichkeit oder Annehmlichkeit der dadurch hervorgebrachten Arbeits-Erzeugnisse berechnet, so daß * ein Talent, welches ein nothwendlges Beduͤrfniß der Ge— sellschaft befriedigen hilft, mehr Werth hat, als ein anderes, wel— ches ihr einen secundairen Nutzen oder gar bloß eine Annehmlich— keit verschafft. Die Arbeit wird nach der Zeit gemessen. Nur im Vorbeigehen wollen wir erwaͤhnen, daß Fourrier den Frauen, in Bezug auf Wahl des Berufs und Bildung, ganz dieselben Rechte und Freiheiten einraͤumt, wie den Maͤnnern, eine Emanci⸗ pation derselben, welche durch die angenommene Reform des Haus— und Wirthschafts-Wesens und die Uebernahme der Kinder-Erzie— hung von Seiten der Gemeinde, vollstandig wird. Was diese Erziehung anbetrifft, so stellt Fourrier fuͤr dieselbe den allerdings sehr beachtenswerthen Gedanken auf, die Erziehung muͤsse von sruͤh auf praktisch seyn, darauf berechnet, den Nachahmungstrieb und durch diesen den Thaͤtigkeitstrieb der Kinder zu wecken, sie zur Selbststaͤndigkeit und zu einer nuͤßlichen, zugleich aber ihnen selbst zusagenden Beschaͤftigung zu gewöhnen. Zu diesem Zwecke sollen die Kinder, sobald sie in ein Alter treten, welches ihnen die Entwickelung und den Gebrauch ihrer Anlagen erlaubt, unter der Aufsicht einer Serie von Greisen und Matronen, die verschiedene Arbeitszimmer des Phalansteriums besuchen, kleine Hand-Arbeiten verrichten, den Gartenbau im Kleinen treiben u. s. w, damit ihre Krafte sich entwickeln und ihre Neigungen eine bestimmte Rich— tung annehmen.

Wir verweilen nicht laͤnger bei den Ideen Fourrier's, zumal da dieselben bekannt und vielbesprochen sind, sondern wenden uns zu der Schrift von Buret. Weniger radikal in ihren Vorschlaͤ⸗ gen als die Sozial-Theorie Fourrier's, dagegen umfassender in ih— ren Untersuchungen uͤber die Erscheinungen des gesellschaftlichen Elends und uͤber die Versuche, mit den gegebenen Mitteln und auf der Basis der bestehenden Einrichtungen demselben abzuhelfen, trifft das Werk von Buret doch in vielen seiner Vorgussetzungen so wie seiner Konsequenzen mit dem Fourxier'schen Systeme zu⸗ sammen. Buret betrachtet als das Grunduͤbel der gegenwartigen Verkehrs⸗-Verhaͤltnisse die schroffe * rennung des Kapitals von der Arbeit, eine Trennung, welche sich darin aͤußert, daß der Arbeiter, nicht vermoͤgend sich ein Kapital zu erwerben und mit dessen Hülfe seine Arbeit zu einer wahrhaft fruchtharen, gewinnreichen, organischen zu erheben, gezwungen ist, nur fuͤr das augenblickliche Beduürfniß, fuͤr de Nothdurft des Lebensunterhaltes zu arbeiten, während der Kapitalist durch die Macht seiner Kapitale allein, ohne selbst zu arbeiten, die Arbeit von Tausenden sich dienstbar und fuͤr seine Zwecke eintraäͤglich macht. Gegen diesen Punkt ichten sich deshalb alle Refo rm⸗Vorschlaͤge Buret's; eine engere, eine organische Verbindung und Vergesellschaftung des todten Ka— pitals und der machtlosen Arbeit . erblickt er das ein⸗ zige Mittel einer gründlichen Abhuͤlfe gegen den Pauperis⸗ mus, die höchste Aufgabe einer weisen Nationdh⸗ Dekono⸗ mie. Zu diesem Zwecke schlaͤgt er zuerst die Verstaͤrkung und Erweiterung gewisser, schon bestehender Einrichtungen vor, in denen er jene Tendenz zur Verschmelzung der Interessen des Ar⸗ beiters und des Kapitalisten zu erblicken glaubt, z. B. des Erb— pachtes, der Association der Fabrikherren mit ihren Arbeitern, wodurch den letzteren ein Antheil am Gewinnste zufaͤllt, und sie in den Stand gesetzt werden, ihre Lage allmaͤlig zu verbessern und sich unabhängiger zu machen; u. dgl. m. Sodann empfiehlt er eine Reihe legislativer Maßregeln, welche beitragen sollen, den Uebergang des Eigenthums, besonders des Grundbesißes, aus der Hand des großen Kapitalisten in die Hand des Arbeiters, des kleinen Landwirthes, der sich durch seine Thaͤtigkeit ein Besitz— thum schaffen will, zu erleichtern uberhaupt aber, den Besitz zu mobilisiten. In letzterer Hinsicht glauben wir nicht unerwaͤhnt lassen zu durfen, daß Buret seinen Landsleuten die Nachahmung einer in Preußen bestehenden Einrichtung, namlich der Pfandbriefe, anempfiehlt, um auch den Grundbesitz dem Verkehr und dem Kre— dite zugaͤnglicher zu machen, als dies bei dem bisherigen Hypothe— kenwesen der Fall war. . .

Allein allmaͤlig werden die Vorschlaͤge r einschneidender, radikaler; er begnuͤgt sich schon nicht mehr mit legislativen Maßregeln, um die Bewegungen der In— dustrie zu erleichtern, sondern er greift zu administrativen, zu finan⸗ iellen, um sie zu leiten. Der erste dieser Vorschlaͤge geht dahin, daß der Staat von Schenkungen und Erbschaften einen gewissen Theil fuͤr sich, fuͤr das allgemeine Interesse. der Gesellschaft zu⸗ räckforbern soll, und zwar bei den Erbschasten in dem Verhäͤlt⸗ nisse, wie der Rechtsanspruch der. Erben starker oder schwaͤcher ist, also einen großeren Theil bei Erbschaften der Kollateralen, als bei Erbschaften der Deszendenten, einen noch größeren bei testamenta⸗ rischen Erbschaften u. s. w. Dergleichen Ruͤckfaͤlle, besonders an Grund und Boden, soll der Staat sodann an die arbeitenden Klassen in einzelnen Parzellen pacht⸗ oder kaufweise uͤberlassen und

Buret's tief

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so diesen mehr und mehr zu einem festen Eigenthum verhelfen. Eine zweite Maßregel ähnlicher Art wurde, nach des Verfassers Ansicht, die Einfüͤhrung eines Besteuerungs-Systems seyn, welches proportionell mit dem Reichthum wuͤchse, welches alfo z. B. den— jenigen, welcher 20 000 Rthlr. besitzt, hoͤher besteuert, als 20 An— dere zusammen, von denen Jeder 1000 Rthlr. im Vermoͤgen hat. Endlich als den letzten entscheidendsten Schritt zu einer Organi— sation der Industrie zu einer richtigen und ngtuͤrlichen Normirung des Verhältnisses zwischen Productlon und Consumtion betrachtet Buret die Errichtung einer Hierarchie industrieller Aufsichts-Be— hoͤrden oder Ausschuͤsse, unter dem Namen syndicats, con- seêils gen craux u. s. w. deren Verfassung repraͤsentativ und deren Aufgabe seyn soll, die Bewegungen der Production und der CTonsumtion zu beobachten und durch ihren Einfluß moͤglichst so zu leiten „daß Eines dem Andern entspricht und daß besonders die inlaͤndische Consumtion die Industrie hinlänglich beschaͤftige, damit diese nicht den Schwankungen des aͤußeren Handels-Ver— kehrs ausgesetzt sey, damit aber auch der Staat, in sich selbst die Mittel seines Wohlstandes tragend, im Stande sey, den auslaͤn— dischen Kapitalen, welche auf seinen Maͤrkten zu herrschen und seine Industrie auszubeuten suchen, mit Nachdruck entgegenzu— treten.

Diese Vorschlaͤge, welche zum Theil mit Einrichtungen zu— sammentreffen, wie sie in manchen Staaten thatsaͤchlich bestehen (z. B. in gewisser Hinsicht mit dem in Preußen uͤblichen Erb— schaftsstempel, mit der Vermoͤgens- oder Gewerbe-Steuer, wie dieselbe in mehreren deutschen Staaten organisirt ist u. s. w.), beruͤhren die hoͤchsten Fragen der Politik und Staatswirthschaft, und regen eine Reihe der wichtigsten und fruchtbarsten Untersu— chungen an, Untersuchungen, welche der Verfasser in der vorlie— genden Schrift allerdings mehr eingeleitet als erledigt hat, von denen aber zu hoffen steht, daß er sie bei einer andern Gelegen— heit wieder aufnehmen und auf eine erschoͤpfende Weise zu Ende fuͤhren werde.

Wir kommen endlich zu der dritten, der unseren Betrachtun— gen zu Grunde gelegten Schriften, zu dem Werke Dég érando's uber die öffentliche Wohlthätigkeit. Wir haben schon angedeutet, daß Dégérando sich mehr als die beiden andern Schrfftsteller, innerhalb der Graͤnzen der bestehenden Einrichtungen und des na— tuͤrlichen Entwickelungsganges der Industrie halt, daß er weder eine soziale Totalreform, wie Fourrier, verlangt, noch selbst ein so unmittelbares Einschreiten der Gesetzgebung in die Bewegung des offentlichen Verkehrs, wie es Buret fuͤr wuͤnschenswerth haͤlt, daß er vielmehr an dem Grundsatze festhaͤlt, der Verkehr, voͤllig frei— gegeben und aller Beschränkungen entledigt, schaffe sich von selbst die ihm gemaͤßesten Formen und Bahnen, und foͤrdere das all— gemelne Wohl besser, als alle systematische und kuͤnstliche Ver— anstaltungen. Von diesem hoͤhern Standpunkte aus, auf welchen sich Dägérando stellt, erscheint ihm das oͤffentliche Elend und die Verwirrung unserer industriellen und sozialen Verhaͤltnisse als das naturliche Resultat einer Kulturentwickelung, welche sich aus ei— ner Menge widerstrebender Elemente herausgearbeitet, und welche noch taglich mit Stbrungen aller Art, mit den allgemeinen Ein— fluͤssen der Naturgewalten auf den Menschen, mit den Vorur— theilen und Leidenschaften der Einzelnen, und mit den Irrthuͤ— mern und Mißbraäuchen der Gesellschaft zu kaͤmpfen hat. Waͤh— rend er daher, mit weiser Enthaltsamkeit sich jeden Versuch ver— sagt, diesen Uebelstaͤnden durch eine rasche, gewaltsame Reform zu begegnen, wohl wissend, daß in dergleichen Dingen gewohnlich das Huͤlfsmittel gefaͤhrlicher ist, als das Uebel selbst, läßt er doch auf der anderen Seite kein Mittel ungepruͤft und un— versucht, welches ihm geeignet scheint, das vorhandene Elend zu lindern und die Gestaltung eines glüͤcklicheren Zustandes der Ge— sellschaft einzuleiten, ohne doch dem natuͤrlichen Gange der Dinge gewaltsam vorzugreifen. Seine Untersuchungen tragen daher in vielen Beziehungen den philantropischen Charakter, von welchem wir oben gesprochen haben; was ihn jedoch von den gewoͤhnlichen Schriftstellern dieser Gattung scheidet und ihm eine hoͤhere Stufe anweist, ist seine klare, tiefdringende und doch unbefangene Auf— fassung der industriellen und sozialen Verhaͤltnisse, in ihrem Ge— sammtzusammenhange und ihrer Wechselwirkung. Wenn wir daher Dégérando nicht auf der Seite der sozialen Reform sehen, so ist der Grund davon nur dieser, daß er eben das soziale Element der Frage schärfer erforscht hat, als diejenigen, welche mit ihren Sozial-Theorien und Reform-Plaͤnen allzu vorschnell zur Hand sind, daß er die innere Kraft der gesellschaftlichen Verhaͤltnisse, das Gesetz der Selbstorganisation der Industrie klarer erkennt und vorurtheilsloser zu würdigen weiß. Die Einrichtungen welche Dégérando vorschlaͤgt, um das Loos der Arbeiter zu verbessern, sind saͤmmtlich von der Art, daß sie die organische Selbstentwicke— lung der industriellen Elemente zwar foͤrdern, aber nicht gewalt— sam lenken oder in bestimmte Bahnen weisen. Degérando em— pfiehlt ebenfalls die Errichtung von Syndicaten, von Anstalten zur Versorgung brodloser Arbeiter durch Zuweisung von Beschaͤf— tigung und Unterkommen, endlich von allgemein berathenden und beaufsichtigenden Koͤrperschaften, (von ihm comitès de patronage genannt), welche im Besitze einer hoͤheren, umfassenderen Einsicht in den Gang des gesammten Verkehrs, durch ihre Rathschlaͤge dem Arbeiter bei der Wahl seines Gewerbes und seines Aufent— haltsortes behuͤlflich seyn, Associationen unter den Arbeitern, zu gegenseitiger Unterstuͤtzung, hervorrufen und beaufsichtigen, In— dustrieschulen errichten, und endlich auch, durch eine Centralhuͤlfs— kasse, in den besonderen Faͤllen allgemeiner Noth die ersten staͤrksten Schlaͤge eines solchen Nationalungluͤcks abwehren sollen. Bei allen diesen Vorschlaͤgen haͤlt aber Dégérando an dem Grund— satze fest, daß solche Gesellschaften keine aͤußere Gewalt besitzen buaͤrfen, fondern daß sie lediglich durch ihren moralischen Einfluß und ihre Einsicht wirken muͤssen.

wisltenschakt, Kunt und gZiteratur.

Was ich erlebte. Aus der Erinnerung niedergeschrieben von Heinrich Steffens. Dritter und vierter Band. Breslau, im Verlage bei Josef Max und Comp. 1841.

Nach dem Zwischenraume eines Jahres beschenkt uns Herr Pro⸗ fessor Steffens mit einer Fortsetzung seiner Lebensheschreibung in abermaligen zwei Baͤnden, und es ist hoͤchlich zu wuͤnschen, daß er jaͤhrlich so fortfahren und in kurzer Zeit das, Werk, so weit es möoͤg⸗ lich ist, vollenden, daß aber den letzten Theil erst nach einer langen Reihe von Jahren ein gleich geistvoller Freund des Verfassers uns geben moge. Die beiden Baͤnde begreifen sechs bis sieben Jahre, von 1791 bis zum Fruͤhling 1801, in sich und. verdienen wohl eine kurze Inhalts-Anzeige, wenn es gleich kaum ndthig seyn durfte, die

Lesewelt, besonders die, welche den Anfang dieser Lebensbeschreibung kennt, darauf aufmerksam zu machen. Der Stoff des dritten Ban⸗ des, ist von dem Verfasser selbst bezeichnet durch; Seereise, Bergen, Reise an der Nordwestkuͤste von Norwegen, die letzten Tage in Ber⸗ gen, Seereise nach Bergen (soll heißen: nach Hamburg), Schiffbruch, Hamburg, Rendsburg, Kiel, uͤber Holstein; der des vierten durch: Reise nach Jeng, Jena, Reise in die Thuͤringerwald-Gebirge, Jeng,

1799, Reise nach Freiberg, Berlin, Freiberg, Reise, Dresden, Ruͤck⸗ kehr ins Vaterland. Man sieht hiecaus, daß beide Baͤnde sich großentheils mit Reisen, der dritte in und bei Norwegen zu Lande und zu Wasser, der vierte innerhalb Deutschlands, beschaͤftigen, von welchen die Skandinavischen fuͤr einen Deutschen Leser schon durch die Unbekanntschaft mit dem Norden das meiste Interesse haben. Wissen⸗ schaftlich und gemuͤthlich möchte ich kaum dem einen Bande vor dem andern den Vorzug geben, obgleich das Verhaͤltniß zu dem Va⸗ ter ein besonders anziehendes ist. Auch scheut man sich Ein— zelnes herauszuheben, da fast Alles darauf Anspruch macheu koͤnnte. Der vierte Band hat fuͤr uns Deutsche und zumal Nord— deutsche Leser freilich das besondere Interesse, daß uns viele be— ruͤhmte und einflußreiche Personen vorgefuͤhrt werden, welche wir kannten, welche zum Theil noch leben, ja daß Manche einen Theil dessen, was Steffens erzählt, miterlebt haben. Daß es an religid⸗ sen, wissenschaftlichen, kuͤnstlerischen Digressionen nicht fehlt, laͤßt sich leicht vermuthen, und eben so gewiß, daß ihnen das Geistreiche nicht abzusprechen seyn wird, wenn die Urtheile auch nicht alle gleich treffend seyn koͤnnen. So scheint mir, um doch etwas anzu— fuͤhren, der Versuch im 4ten Bande, S. 307 u. s. w., den Witz und Scharfsinn zu bestimmen, nicht ganz gelungen, oder wenigstens kuͤrjer dadurch zu bezeichnen, daß der Scharfsinn das Vermoͤgen des Vergleichens und Unterscheidens verbindet und ganz dem Ver— stande, der Witz dagegen eben so sehr der Phantasie als dem Ver⸗ stande angehoͤrt, mit dem Scharfsinn das Vergleichen und Unter— scheiden theilt, dies aber in Bildern (statt in Begriffen) mehr an⸗ deutend darstellt und daher phantasiereicher Verstand, Verstand in Gestalt der Phantasie zu nennen ist. Man kann also wohl nicht mit dem Berfasser sagen, daß Witz und Scharfsinn sich wechselseitig voraussetzen, sondern nur, daß der Witz nicht ohne Scharfsinn, der Scharfsinn aber wohl ohne Witz seyn kann.

Am wichtigsten bleibt immer die aus dem Ton der Darstellung sich als Wahrheit aufdringende Schilderung der fortschreitenden Entwickelung einer so merkwuͤrdigen und liebenswuͤrdigen Persoͤn⸗ lichkeit. Auch die zweckmaͤßige Umstaͤndlichkeit und Genauigkeit ist zu ruͤhmen, oder wird doch nur da vermißt, wo dem Verfasser eine gewisse Kuͤrze oder Magerkeit nicht zu verargen ist, z. B. bei der gegen den Schluß des vierten Bandes erwaͤhnten, aber eben nur erwaͤhnten Herzens-Zuneigung zu seiner jetzigen Gattin. Aber wer mag mit dem Selbstbiographen wegen dessen rechten, was er uns verschweigt, zumal, wenn er so viel giebt, wie Steffens? Gebe er denn, soviel ihm gut duͤnkt! Moͤge es ihm nur nicht an Muße und Eifer fehlen, damit uns das naͤchste Jahr abermals zwei Baͤnde bringe.

Dauer der Eisenbahnkahrten am 20. Juli 1841.

AbSsang . Abgang ö Zeitdauer K

Von von

. St. M. J

Zeitdauer St. M.

z Uhr Morgens. .. 42 Vormittags. 42 Nachmittags 40 Nachmittags 40 Nachmittags 30

3 Nachmittags . . ö Abends ... = 40 6 Abends . . .. 10 z Abeuds ... 416 10 Abends . ... 53 Abends... 53

Die lange Dauer der Fahrt um 3 Uhr wurde veranlaßt, weil wegen der Extrazuͤge zur Fahrt um 3 Uhr eine andere Maschine an— geheitzt werden mußte, die nicht gehdrig Daͤmpfe gesammelt hatte, um das beim Anfahren sich zugesetzte Sieb im Schornsteine zu reinigen. Alle Bemuͤhungen, dies waͤhrend der Fahrt zu erreichen, waren frucht los, weshalb die Reserve⸗Maschine signalisirt werden mußte.

Um 6 Uhr Morgens ... 15 Um 8 Vormittags. 411

ᷓ— 9 Vormittags. 31 11 Vormittags. 10

2 Nachmittags 45

Auswärtige Börsen. 17. Jali. Riederl. wirkl. Schuld 51 . 553 do. 1007.

Kanz. Bill. 24. 5 Span. 19 5. . Ziusl. 5. Prüm. Sch. —. Pol. —.

Frankfürt a. M.., 255 K. 15 . Bank- Aet. zu 500 Fl. 1325. 132. do. 4* Anl. 5015. 50 55.

Hamburg, 19. Juli.

London, 16. Juli. Cons. 33 89.

Amsterdam,

Passive. . Ausg. Preuss. Oesterr. —.

IS. Juli. - Oesterr. 55 Met. 106 . 45 98 . 1964. 1961. Partial - Ohl. —. Loose w ,, Preuss. Präm. Seh.

53 Span. Aul. 1935 Rr. 23

Loose zu 714 G.

Poln. Loose

Bank- Actien 1633. Engl. Russ. 1083.

Belg. 1001. Neue Anl. 193. Passive 4. Ausg. Sch. 93. 254 II0ll. 503. 5 3 Lort. 29. 3173. Engl. Russ. 114. Bras. 674. Columb. 1I9. Mex. 25. Peru 13. Chi 60 *. 16. Juli. 55 Rente sin cour. 114. 90. 33 ö Neapl. au compt. 102. 95. 55 Span. Rente 214.

Faris,

76. 45. 5 3 Port. 3 Wien, 13 —. Bank- Actien 1578.

Rente sin cour. Passive 42.

16. Juli. 53 Met. 10666. 44 985. 35 —. 23 Aul. de 1834 131. de 1839 1062.

Rönigliche Schauspiele.

Donnerstag, 22. Juli. Im Schau spielhause: Herrmann und Dorothea, idyllisches Familien-Gemaälde in 4 Abth., nach Goͤthe's Gedicht, von Dr. C. Toͤpfer. Hierauf: Ich irre mich nie! Lustspiel in 1 Akt, nach dem Franzoͤsischen, von C. Lebruͤn.

Freitag, 23. Juli. Im Opernhause: Jessonda, Oper in 3 Abth., mit Tanz. Mufik von L. Spohr. (Mad. Spatzer— Gentiluomo, vom Königl. Hof-Theater zu Hannover: Jessonda, Dlle. Spatzer, von demselben Theater: Amazili, und Herr Eicke: Tristan d' Accunha, als Gasirollen.)

Sonnabend, 24. Juli. Im Schauspielhause: Des Gold— schmieds Toͤchterlein, altdeutsches Sittengemälde in 2 Abthl., von C. Blum. Hierauf: Die Lotterie-Listen, Lustspiel in 2 Abthl., von E. G. Klaͤhr.

NRönigsstädtisches Theater.

Donnerstag, 22. Juli. Der politische Zinngießer. Vaude— ville⸗Posse in 3 Akten, nach Holberg's Lustspiele neu bearbeitet und zusammengestellt von C. Birnbaum. Die Musik eingerichtet von C. Baldewein. (Herr Birnbaum, vom Hof⸗Theater zu Kas— sel: Heinrich, als letzte Gastrolle.) ;

Freitag, 23. Juli. Der Pariser Taugenichts. Lustspiel in 4 Akten, von Dr. C. Töpfer. Vorher: Der Verraͤther. Lust⸗ spiel in 1 Akt, von Holbein.

Sonnabend, 24. Juli. Italiänische Opern-Vorstellung. (bon= nement suspendu). Auf vieles Begehren: Norma. Opera in 2 Atti. Musica del Maestro Bellini. (Mad. Pasta, erste Kam⸗ mersaͤngerin Sr. Majestaͤt des Kaisers von Oesterreich: Norma, als Gastrolle.)

Preise der Plätze: Ein Platz in der Orchester-Loge 1 Rthlr. 10 Sgr. Ein Plaß in den Logen und im Balkon des ersten Ranges 1 Rthlr. 10 Sgr. u. s. w.

Die resp. Abonnenten, welche dieser Opern-Vorstellung mit Mad. Pasta beizuwohnen beabsichtigen, werden ersucht, die Kassen⸗ Billets zu den abonnirten Plaͤtzen, gegen Erlegung des erhöhten Preises von 10 Sgr. pro Billet, bis Sonnabend Mittag abholen zu lassen, indem von dieser Zeit ab uͤber die nicht abgeholten Abonnements-Billets anderweit disponirt werden wird.

Verantwortlicher Redactcur Dr. J. W. Zinkeisen. Gedruckt in der Decker schen Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei. Beilage

Großbritanien und Irland.

London, 14. Juli. Ueber den jetzigen Zustand der Dinge in der Levante, namentlich uͤber den Aufstand in Kandien, laͤßt sich die ministerielle Morning Chroniꝑele in folgender Weise ver— nehmen: ö

„Die gegenwaͤrtige Lage der Dinge im Mittelmeer erfordert schnelle Huͤlfe. Wir meinen nicht die laͤngst beigelegte Syrische Frage, denn die neuesten Nachrichten aus Beirut schildern die Bergbewohner als ruhig, die Bestimmung des Tributes, den sie zu bezahlen haben, und der ihnen aufzulegenden Zoͤlle erwartend. Die Annahme des Fermans durch Mehmed -Ali und sein Anerbieten, einen gewissen Theil des Tributs zu zahlen, versprechen, dem Kampf ein Ende zu machen, und doch sst das Mittelmeer noch lange nicht beruhigt. Die Franzoͤsische Flotte erschlen vor Port Mahon; die Spanier erschraken und verstaͤrkten die Besatzungen. Eine Abtheilung der Flotte soll nach Tunis gegan⸗ gen seyn; der „Eonstitutionnel“ erklart sogleich, Lord Palmer⸗ ston wolle dasselbe erobern. Die Griechischen Gebirgsbewohner von Kandien und die Tuͤrkischen Bewohner der Staͤdte dieser Insel er neuern ihre ewigen Scharmuͤtzel und Kampfe; dies bringt augen blicklich die ganze Schaar der Philhellenen in Bewegung. Zwölf Linienschiffe segelten neulich von Toulon ab, und man sagte, sie seyen nach der Levante bestimmt; sogleich fuͤrchtete man einen Kon sflikt, und die Staatspapiere fuuͤhlten die Wirkung davon, Jetzt hd ren wir, daß jene Schiffe nach einigen Evolutionen auf der Rhede von Ajaccio vor Anker gegangen sind. Wir hoffen, daß unsere in⸗ neren Kaͤmpfe die Wiederaufnahme der Verhandlungen zur Been digung dieser Lage der Dinge und zur Wiederherstellung des Ver träuens und der verlorenen Garantieen nicht blos fuͤr die Kuͤsten und Städte der Levante, sondern auch fuͤr die westlichen und suͤdlichen Kuͤsten des Mittelmeeres nicht verhindern werden. Wir werden Niemanden in der Theilnahme fuͤr die Griechen nachstehen, wir konnen jedoch das Aufreijzen derselben zu Unzufriedenheit nicht billigen, das blos Blutvergießen veranlassen, aber kein anderes Resultat herbeifuͤhren kann. Bei dem großen Griechischen Aufstande sollte den Griechen durch das Ein schreiten der Europaͤischen Maͤchte der ruhige Besitz fast ihres gan zen ehemaligen Landes gesichert werden. Selbst dieser Theil der Griechen wurde seine Ünabhaͤngigkeit gegen die muselmaͤnnische Macht ohne die Unterstuͤtzung der christlichen Maͤchte durch Solda ten, durch Schiffe und durch Diplomaten nicht haben erringen kön nen. Die christlichen Maͤchte hatten aber nicht die Ab— sicht, die muselmaͤnnische Bevolkerung ganz zu erdruͤcken, und es wuͤrde sehr unrecht seyn, jetzt, bald nach der Gruͤn— dung Griechenlands, einen neuen Kreuzzug gegen die Tuͤrken zu beginnen. Es wuͤrde nicht blos unrecht, es wuͤrde gefaͤhrlich seyn, denn Kandien muͤßte, wenn es den Tuͤrken entzogen wird, unter den Schutz irgend einer Europaäͤischen Macht gestellt werden. Mehr als Eine wuͤrde denselben streitig machen, und so koͤnnte aus der Phi lanthropie gegen Griechenland ein blutiger Krieg unter den Euro— päern hervorgehen. Bei der Gruͤndung Griechenlands wurde Kan dien diesem Koͤnigreiche nicht beigefuͤgt, wahrscheinlich weil die Tuͤr ken nicht daraus vertrieben waren. Vielleicht wurde auch die Vor liebe fuͤr die Griechen auf dieser Insel durch die bekannte That— sache vermindert, daß sie die kuͤhnsten und ruͤcksichtslosesten Seeraͤuber im Mittelmeere sind. Dazu kommt noch, daß der Versuch, eine Griechische Insel mit besonderen Vorrechten unter Tuͤrkischer Ober⸗ herrschaft einem Griechischen Fuͤrsten zu unterwerfen, bei Samos durchaus nicht gelungen ist; deshalb sollten die Philhellenen, wenn sie weise waren, ihre Bemuͤhungen dahin richten, den Griechen unter Tuͤrkischer Herrschaft diejenigen Rechte zu sichern, welche der Hattischerif von Guͤlhane verspricht. Wir hoffen sehr auf die Wie dergeburt der Tuͤrkei, nicht in der Art, daß die Tuͤrken ihre alte Ueberlegenheit als ein ausschließliches, tyrannisches und eroberndes Volk wieder gewannen, sondern durch eine bessere Mischung der BVolksstaͤmme. Allein mag dies geschehen oder nicht, die Griechen foͤnnen jedenfalls jetzt im Frieden mehr gewinnen als durch Krieg, denn jedes Jahr erhoͤht ihre Kraft, waͤhrend es die Zahl der Tuͤrken vermindert.“ ; 6. ; ö ö

Mit diesen Erklaͤrungen ist der Sun sehr unzufrieden, und er bemerkt dagegen: . .

„Vor 24 Jahren machte die „Morning Chronicle“ dieselben Klug⸗ heitsgruͤnde und noch andere staͤrkere gegen den Aufstand in Moreg geltend, und haͤtten Ypsilanti, Sotiri Kharalampi, Maurokordato, Regri, Koletti, Botzaris und Kangris 1823 auf den weisen Rath ihrer Pseudofreunde unter der liberalen Presse in England gehört, so wurden die großen Maͤchte die Freiheit Griechenlands im Jahr 182, nicht zu gargntiren gebraucht haben. Die „Morning Chroniele“ sollte sich schaͤmen, die Griechen daran zu erinnern, daß sie ihre Ungb haͤngigkeit dem Einschreiten der großen Maͤchte verdanken, der wohlbe kannten Thatsache gegenuͤber, daß ohne die indirekte Unterstuͤtzung, welche sie dem Sultan leisteten, die Griechen ihre Unabhaͤngigkeit ohne fremde Huͤlfe und wenigstens drei Jahre fruͤher erlangt haben wuͤrden, als es ihnen wirklich gelang, das Osmanische Joch fuͤr immer abzuwerfen. Wenn die großen Maͤchte Griechenland durch das, was der Her⸗ zog von Wellington ein „ungelegenes Ereigniß“ nannte, die Zer störung der Tuͤrkischen Flotte zu Navarin im Jahr 1827, befreiten, fo durfen wir nicht vergessen, daß Britisches Einschreiten diese Flotte im Jahr 1823 dadurch rettete, daß es sie in dem Kanal von Korfu beschuͤtzte, nur wenige Wochen nach der unmenschlichen Ermordung von 20,000 friedlichen Bewohnern der Insel Chios unter dem Schutze der Damen des Kaiserlichen Serails. Die „Morning Chroniele“ erwaͤhnt in seiner uͤbergroßen Vorsicht die Gefahren, welche entstehen wuͤrden, wenn man die unabhaͤn— gigen Kandioten unter den Schutz einer der großen Maͤchte stellte. Das ist eine leicht zu uͤberwindende Schwierigkeit. Wenn die rechte Zeit kömmt, werden wir daruͤber sprechen. Die „Morning Chro nicle“ ist stets beredt uͤber die Rechte, welche der Hattischerif von Guͤlhane den christlichen Unterthanen der Pforte gesichert habe. Sie kennt aber die Tuͤrken schlecht, wenn sie meint, daß die durch jahrhundertlange Herrschaft entstandenen Gewohnheiten durch eine paplerne Verordnung mit der Unterschrift Abdul⸗Medschid's beseitigt werden koͤnnten. Sie sind in Europa dasselbe fanatische, unwissende, grau—⸗ same Volk, wie sie dies gewesen sind, seitdem sie hier Fuß faßten. Die Kan dioten konnten auch keine bessere Zeit zurérlangung ihrer unabhaͤngigkeit wahlen als jetzt, waͤhrend ganz Europg Zeuge von der Barbarei und der Treulosigkeit der Tuͤrken in Syrien ist. Die Kandioten würden ubrigens sich laͤngst frei erklaͤrt haben, waͤren ihre Ketten nicht durch den eisernen Despotismus Mehmed Ali's geschmiedet gewesen. Dadurch, daß der Sultan dem Vice⸗Köoͤnig die Regierung der Insel nahm, hat er der Herrschaft der Moslemim auf Kandien ein Ende gemacht. Wir wuͤnschen deshalb den tapferen Kandioten seden Erfolg. In Europa muß von nun an der Halbmond dem Kreuze weichen, und Gott verhuͤte, daß wir gegen die Unterdruͤck— ten auftreten, welche dieses heilige Banner in einer Sache erheben, die des himmlischen Schutzes so wuͤrdig ist wie die Freiheit.“

Allgemeiner Bekanntmachungen.

Ausz

einem Vater, dem jetzt zu Lassan wohnhaften Pen⸗ bei der Grundherrschaft einstehenden Pachtvorschuß, ionar J. F. Echardt, mittelst Cessions⸗ und Kaufö⸗sso wie auch an das ihm verkaufte Hollaͤnderhaus zu Morgens 10 Uhr, vor dem Königl. Hofgerichte bei

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reußischen Staats-Zeitung M 201.

wisttenschaft, Kunst und Titeratur.

Zur Literatur der Neformationsgeschichte.

Dr. M. Luther's Newe eit ng vom Rain. 1542. Wieder aufgefunden u. herausg. von Dr. G. Schwetsch ke. Halle 1841.

Deutschlands literarische und religisse Verhält— nisse im Reformations-Zeitalter. Mit besonderer Ruͤcksicht auf W. Pirckheimer. Von Dr. K. Hagen, Pri— vat-Dozent der Geschichte zu Heidelberg. Erlangen 1841.

Wer die neuesten Erscheinungen in der historischen Literatur durchzusehen pflegt, muß bald inne werden, daß sich die Thaͤtigkeit auf diesem Gebiete jetzt vorzugsweise dem Reformations-⸗Zeitalter zugewandt hat. Es ist schon schwer, mit pruͤfen dem Blicke alle hier auf bezuͤglichen Produetionen zu verfolgen, die sich nicht nur auf die Verhaͤltnisse des Reichs und der Kirche beziehen, sondern auch die Geschichte des damaligen Kunstlebens darzustellen und die lite rarischen Bewegungen jener Zeit aufzuklaͤren suchen; mit letzteren beschaͤftigen sich auch die beiden vorliegenden Schriften; obwohl in ganz verschiedener Weise. Da es nur Wenigen gegeben ist, neues Material zu finden und zugleich mit dem bereits vorhandenen zu kunstgerechter Darstellung zu verwenden, so findet meist auch hier, wie auf anderen Gebieten, eine Theilung der Arbeit statt, und waͤh rend die Einen den Vorrath des noch unbenutzten Stoffes an das Licht ziehen, gehen Andere mit den sich darbietenden Mitteln ruͤstig an das Werk selbst, um das Beduͤrfniß des Augenblicks zu befriedi gen. Zu jenen gehoͤrt der Verfasser des unter Nr. 1. verzeichneten Buͤchleins, zu diesen der Verfasser des umfassenderen Werkes, das unter Nr. 2. naͤher bezeichnet ist. .

Herr Dr. Schwetschke bietet uns in Nr. 1. Belehrung uͤber einen im Verhaͤltniß zu der großen Bewegung sehr unbedeutenden Handel, der aber schon deshalb ein allgemeineres Interesse in An spruch nimmt, weil Luther selbst in demselben betheiligt war. Es ist naͤmlich laͤngst aus zwei Briefen Luther's an Justus Jonas be kannt, daß im Jahre 1542 ein gewisser Frischmut zu Halle wegen einer von Luther verfaßten Flugschrift gefäͤnglich eingezogen und lange in Haft gehalten wurde; doch blieben alle naͤheren Ümstaͤnde dieses Handels im Dunklen, bis Herr Dr. Foͤrstemann in diesen Blaͤttern (1840 Nr. 136.) uͤber die Person des Frischmut bestimm⸗ tere Nachweisungen gab. Hans Frischmut ist demnach der erste na⸗ mentlich bekannte Buchdrucker zu Halle, der um das Jahr 1540 von Wittenberg dorthin kam. Er war der Drucker jener Flugschrift Luther's, die nun auch selbst durch eine gluͤckliche Entdeckung des Herrn Dr. Schwetschke wieder hervortritt. Dieser fand eine Ab⸗ schrift derselben an einem ihm gehoͤrigen Exemplar des 1529 zu Halle gedruckten Verzeichnisses der Heiligthuͤmer des neuen Stiftes und uͤbergiebt sie in der vorliegenden Schrift mit seinen Ergaͤnzun⸗ gen, welche der Zustand der Abschrift nothwendig machte, und einer erklaͤrenden Einleitung der Oeffentlichkeit.

Die Flugschrift fuͤhrt den Titel: „Newe Zeitung vom Rain. Anno 1542.“ Sie bezieht sich zunaͤchst auf die Uebertragung des reichen Reliquienschatzes des Kardinal Albrecht vom Neuen Stift zu Halle nach der Moritzkirche zu Mainz, verspottet aber mittelbar sehr bitter das ganze Reliquien⸗Wesen und dann den Kardinal selbst. Die Newe Zeitung verkuͤndigt, jene Translation sey geschehen, „auff das die lieben Rain⸗ laͤnder den armen entblosten knochen wieder wolten helffen zu Ne— wen kleidern, denn die Röcke fo sie zu Halle gehabtt, seint zurißen, Undt wo sie langer zu Halle geblieben, hatten sie daselbst erfrieren mussen“; sie macht besonders auf einige neu erworbene und sehr heil bringende Partikeln aufmerksam, von denen hier nur die vierte er⸗ waͤhnt werden mag, sie ist „ein gantzer Zipffell von der fahnen da Christus die Helle mit auffsties“; endlich verheißt die Zeitung noch, „das S. Y. G. wolle zu solchem heiligthumb bescheiden im testamentt ein gantz quinten von seinem trewen frommen hertzen, und ein gantz lott von seiner warhafftigen zungen.“ Luther hatte Recht, wenn er von diesem Spottzettel schrieb: „Wer es lieset, und jemals mein Fedder und Gedanken gesehen, muß sagen, das ist der Luther.“

Uebrigens macht die kleine Schrift, die in der Einleitung noch manche Einzelnheiten zur Geschichte des Kardinal Albrecht und als Beilagen zwei bisher unbekannte auf ihn bezuͤgliche Dokumente darbietet, abermals das Verlangen nach einer Monographie über diesen in der Reformations-Geschichte so oft gengnnten Fuͤrsten rege, und vielleicht wäre Herr Schwetschke durch aͤußere Verhaͤlt nisse und eigenes Interesse vorzugsweise geeignet, eine erschöͤpfende Arbeit der Art zu liefern.

Herr Dr. Hagen nimmt fuͤr seine unter Nr. 2 verzeichnete Schrift eine viel allgemeinere Theilnahme, als das eben besprochene Buͤch lein sich in Aussicht stellen konnte, in Anspruch, da er die gesamm ten literarischen Verhaͤltnisse Deutschlands im Reformations⸗-Zeital— ter bis zur Abfassung der Augsburgischen Konfession der Betrach— tung unterwirft und auch die religioͤsen Verhaͤltnisse, welche mit jenen wesentlich verbunden sind, in dieselbe zieht. Das Werk soll zwei Baͤnde umfassen, von denen aber jetzt nur der erste vorliegt, der die Darstellung bis zum Auftreten Luther's fuͤhrt. Es lag zu⸗ erst im Plane, nur eine Biographie W. Pirckheimer's zu geben, und eine solche haͤtte, wenn die gesammten Verhaͤltnisse des kuͤnstlerischen und literarischen Lebens zu Nuͤrnberg hineingezogen worden waͤren, ein hoͤchst anziehendes Werk werden koͤnnen, wozu aber wohl nur ein laͤngerer Aufenthalt in dieser herrlichen Stadt, wo selbst die Steine noch allerwege von ihrer großen Vergangenheit sprechen, die noͤthi— gen Mittel an die Hand giebt; der Verfasser hat jedoch seinen ur spruͤnglichen Plan so sehr verlassen, daß die Hinweisung auf den— selben im Titel nicht einmal noͤthig gewesen ware. Er hat uns so statt einer Monographie ein Werk geboten, das in seiner Allgemein— heit sein groͤßtes Verdienst hat, denn seine Eigenthuͤmlichkeit im Verhaͤltniß zu verwandten Arbeiten besteht wesentlich darin, daß es sich von der biographischen und monographischen Form, die fast alle Darstellungen jener litergrischen Bewegung angenommen haben, losgerissen hat und diese in ihrem ganzen Zusammenhange entwik kelt, wobei naturlich der innere und allgemeine Gehalt derselben bei weitem klarer hervortritt.

Dem Verf. standen keine neuen Huͤlfsmittel zu Gebote, auch ist nicht ersichtlich, daß er die vorhandenen durch eindringende Kritik sorgsam gesichtet und so neue Resultate gewonnen habe, was dennoch wohl moglich gewesen waͤre; wir werden demnach die Vor zuͤge der Schrift in der eigenthuͤmlichen Auffassung und Darstellung bereits bekannter Faktg suchen und die leitenden Gedanken, die An ordnung des Stoffes und die Handhabung der Sprache besonders beruͤcksichtigen muͤssen. Und hierin zeigt der Verfasser allerdings ein nicht gewoͤhnliches Talent, und sein Werk unterscheidet sich sehr

den 29. Juni, den 20. Juli oder den 10. Aug u st d. J.,

vortheilhaft von dem, was meist fuͤr ein groͤßeres Publikum ge⸗ schrieben wird. . ; Die allgemeinen Gedanken, auf denen die literarische und reli⸗ giose Bewegung des Reformations-Zeitalters beruht, sucht der Ver⸗ fasser in der Einleitung darzulegen; man koͤnnte aber nicht sagen, daß er hier gerade eine große Tiefe der Betrachtung oder eine Fuͤlle von neuen Ideen zeigte. Er haͤlt dafuͤr, daß es die Intention der Deut⸗ schen Reformatoren auf dem wissenschaftlichen und kirchlichen Gebiete gewesen waͤre, eine Vermittelung der antiken und mittelalterlichen Weltanschauung zu erreichen; er sieht dann ferner das Wesen des Alterthums in dem Vorherrschen der Naturgewalt, das des Mit⸗ telalters in einer Entfremdung von dem Natuͤrlichen; das Re⸗ formations-Zeitalter und die neuere Zeit hat nach seiner Mei⸗ nung diese entgegengesetzten Richtungen in sich aufgenommen und in eine hoͤhere Einheit verschmolzen, so daß es das naturliche Element nicht mehr als das herrschende, aber andererseits auch nicht mehr als das feindliche und zu bewaͤltigende betrachtet. Aber abgesehen davon, daß sich die historischen Erscheinungen in ihren größten Verhaͤltnissen unmoglich unter so duͤrftige Kategorieen, wie hier benutzt sind, bringen lassen, ist selbst in Bezug auf den zunaͤchst vorliegenden Gegenstand durchaus in Abrede zu stellen, daß die Deutschen Gelehrten, welche die Reformation verbreiteten oder thaͤtig fuͤr sie mitwirkten, die Weltanschauung des Alterthums hatten wieder zur Geltung bringen wollen; sie gingen vielmehr vorzugsweise von religidsen, nationalen und politischen Ideen aus, deren Wurzel unmoglich im Leben des Alterthums gesucht werden kann. Der Verf. fordert auf den ersten Seiten seines Buches fast in jeder Zeile zum Widerspruch auf, den wir jedoch in Ruͤcksicht auf den geringen Raum, den diese Blaͤtter literarischen Anzeigen einraͤu⸗ men, schweigen lassen. Auch in der weiteren Darstellung hat noch zuweilen diese irrige Grundansicht einen nachtheiligen Einfluß auf das Raisonnement des Verfassers gehabt, namentlich in dem Abschnitt, der von den theologischen Ansichten der Humanisten handelt, wo er den Erasmus geradezu den Rationalisten an die Seite stellt und ihm den Glauben an die historische Ueberlieferung des Christenthums abspricht, so wie auch andern Gelehrten jener Zeit eine verwandte Richtung zuschreibt, in der aber in Wahrheit Mutianus Rufus, über den der Verfasser sehr interessante Angaben mittheilt, eine vereinzelte Erscheinung ist. Indessen bleibt nicht zu verkennen, daß der Ver⸗ fasser besonnen genug war, in dem großeren Theile des Werkes seine vorgefaßte Ansicht ganz aus dem Spiele zu lassen und die Entwickelung der Verhaͤltnisse aus sich selbst darzustellen, wo es sich dann leicht zeigt, wie jene falschen Abstractionen ohne Zusammenhang mit den konkreten Fakten stehen. .

Die klare und uͤbersichtliche Anordnung des Stoffes, in der die einzelnen Erscheinungen den nothwendigen Momenten der Bewegung sehr passend untergeordnet worden, gereicht der Schrift ganz beson⸗ ders zur Empfehlung; sie entspricht hierdurch in einem nicht geringen Grade den kuͤnstlerischen Anforderungen, die jetzt mit Recht wieder an ein historisches Werk gestellt werden. Bei der immer noch haufigen Bernachlaͤfsigung der stylistischen Form in unserer geschichtlichen Lite⸗ ratur muß uuns dieser Fortschritt um so erfreulicher seyn, als darin uͤberdies ein heilsamer Einfluß unserer einheimischen Ge⸗ schichtsschreiber auf weitere Kreise sichtbar ist. So sehr wir es bil⸗ ligen, daß der Verfasser sich in der Anlage und Disposition Ranke vornehmlich zum Vorbild genommen hat, so glauben wir doch, daß er sich bei der Ausarbeitung seines Werkes selbst, namentlich in der Handhabung des Styls, weniger streng an sein Vorbild haͤtte an⸗ schließen sollen. Denn den Glanz der Antithese und die unmittelbare Anschaulichkeit, die uns in Ranke's Schreibart fesseln, erreicht er doch nicht, und das eigne Talent zu einer klaren, leichten und anmuthigen Diction verheißt, wenn er sich ihr freier uͤberlaͤßt, einen ungestoͤrte⸗ ren Genuß, als ihn die augenfaͤllige Fmitation fremder Art und Weise bieten kann.

Wir wuͤnschen der Schrift des Herrn Dr. Hagen eine recht große Verbreitung, die sie schon wegen des behandelten Gegenstandes ver⸗ dient. Jene Fuͤlle eben so neuer als tiefer Ideen, auf denen die welt⸗ historische Bedeutsamkeit der Reformation beruht, tritt uns in den literarischen Productionen jener Zeit unmittelbar und unverhuͤllt ent⸗ gegen, und diese gingen von Maͤnnern aus, welche sich mit voller Be⸗ geisterung und unermuͤdlichem Eifer der geistigen Bewegung hinga⸗— ben. Die naͤhere Kenntniß der literarischen Bestrebungen damaliger Zeit nimmt demnach das allgemeinste Interesse in Anspruch und ist Beduͤrfniß fuͤr jeden Gebildeten. Wenige aber werden diese Kennt— niß aus den Quellen selbst oder aus weitrschichtigen Huͤlfsmitteln ge⸗ winnen konnen; die Mehrzahl bedarf ein klares, zusammenfassendes Werk., Fuͤr Solche schrieb der Verfasser, und er hat seine Aufgabe gluͤcklich gelbst, wenn eine strengere Kritik auch manche Ausstellungen im Einzelnen zu machen hat. Moͤge er fuͤr die Folge sich von der Tiefe und dem Ernste seines Gegenstandes noch immer mehr durch⸗ dringen lassen, um manche frivole Einzelnheiten zu verbannen, die der Sache selbst mehr zufaͤllig als wesentlich sind, und an denen unsere Zeit mit Recht mehr Aergerniß nimmt, als fruͤher.

Rt.

Psyche. Aus Franz Horn's Nachlasse. Ausgewaͤhlt von Gustav Schwab und Friedrich Fbrster. Erster Band 286 S. in 12. Mit dem Bildnisse des Verfas⸗ sers. Leipzig bei B. G. Teubner.

So werthvolle Arbeiten auch in neuester Zeit uͤber Deutsche Li⸗ teratur⸗Geschichte erschienen sind, so haben dennoch selbst Rosen⸗ kranz, Laube u. A. immer wieder auf Franz Horn, als den ei⸗ gentlichen Begruͤnder einer umfassenden Geschichte der Deutschen Poesie und Beredtsamkeit, zuruͤckgewiesen. Wir konnen es daber den beiden Herausgebern der vorliegenden Sammlung von biographischen und kritischen, auf die Deutsche Literatur-Geschichte sich beziehen⸗ den Aufsaͤtze aus dem Nachlasse von F. Horn nicht genug Dank wissen, daß sie, als eine Ergaͤnzung zu dessen groͤßerem Werke, uns diese belehrenden und unterhaltenden Aufsaͤtze mittheilen. Allein auch unabhangig von dem großeren Werke bildet dieser Nachlaß ein Ganzes fuͤr sich, und den hier gesammelten Perlen fehlt der geistige Faden nicht, an welchem sie als ein reicher Schmuck aufgereiht sind.

Wir werden durch die Namen; Hagedorn, Hoöͤlty, Salis, Lavater, Hamann, Klopstock, Wieland, Lessing, theils in eine der jetzigen Lese— welt fremde Zeit eingefuhrt, theils guch erneuen wir auf die anmu— thigste Weise die schon laͤngst gepflogene Bekanntschaft mit Goͤthe, Schiller, Herder, Jean Paul. Welchen ganz anderen Gewinn fuͤr die Bildung des Geistes und Herzens gewahrt es, in einem solchen Buche Belehrung und Unterhaltung zu suchen, als in jenen, in im⸗ mer drohenderen Massen aus dem Auslande zu uns einwandernden Unterhaltungs-Schriften zu blaͤttern, die nichts zuruͤcklassen, als das bittere Gefuͤhl des Ueberdrusses und der durch Ueberreizung herbeige⸗ fuͤhrten Abgespanntheit. Eine angenehmere Mitgabe fuͤr die Som⸗ merwohnung oder fuͤr die Badereise wußten wir unter den neuesten Erscheinungen der Literatur in der That nicht zu empfehlen.

Kontrakts vom 24. Juli 1836 auf ihn uͤbergegan⸗Kowall, rechtsbegruͤndete Forderungen und Anspruͤche Vermeidung der am 31. August cr zu erkennen⸗

ordert.

gene, bis Trinit. 1553 annoch laufende Pachtrechtshaben, zu. deren Anmeldung und Beglaubigung in den Praͤkluston hierdurch aufgefe

u g. der im Grimmer Kreise belegenen Güter Gristow einem der folgenden Termine: . ind den Stralsun⸗ Auf den Antrag des Gutspaͤchters C. Eckhardt und Kowall nebst Inventarium, Sagten und Acker⸗

. Kowgll werden alle und jede, welche an das von arbeiten, desgleichen an den ihm mit uͤberlassenen,

Die vollstaͤndigen Ladungen dischen Zeitungen inserirt.

Datum! Greifswald, den 26. Königl. Preuß. Hofgericht von

(L. 6.5 (gez.)

1 1841. und Ruͤgen.

r. Odebrecht.