1841 / 255 p. 1 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

„Das Wesen und die Behandlung der Asiatischen Cholera, oder wis senschaftliche Loͤsung der Cholera Fragen z. die goldene Huldigungs⸗ Medaille, begleitet von einem huldvollen Koͤniglichen Handschreiben, zu uͤbersenden geruht.

Zur Literatur der Neformations⸗Geschichte.

Moritz, Herzog und Churfürst zu Sach sen. Eine Dar— stellung aus dem Zeitalter der Reformation von Dr. F. A. von Langenn. 2 Baͤnde. Leipzig 1841.

Vor kurzem machte Ref. (Vgl. St. 3. Nr. 201. Beil.) auf den großen Reichthum neuerer litergrischer Erscheinungen auf dem Gebiete der Refor⸗ mations-Geschichte aufmerksam, und schon sind ihm wieder mehrere neuere Werke zugegangen, von denen eines bereits von anderer Seite angezeigt ist, die jene Behauptung bestaͤtigen, und aufs neue deut⸗ lich Zeügniß dafur ablegen, daß sich eine ungemeine Regsamkeit gei⸗ stiger Krafte auf diesem Gebiete bethaͤtigt. Da derartige Bestrebun— gen jetzt mit einer sehr anerkennenswerthen Liberalitaͤt von den Deut schen Regierungen durch die Erdffnung archivalischer Quellen unter stuͤtzt werden, so steht zu erwarten, daß die Reformgtions-Periode vielleicht die wichtigste der Deutschen Geschichte fur die allgemeine Entwickelung bald in dem klarsten Lichte und vollkommener Durch— sichtigkeit dastehen wird. Bringt es die Geschichtsschreibung unserer Tage wirklich zu solchem Resultat, so wird sie damit ein kostbares Vermaͤchtniß noch den spaͤtesten Zeiten hinterlassen.

Ein bedeutender Beitrag zur Loͤsung dieser Aufgabe ist das in der Ueberschrift genannte Werk, dessen erster Theil die vollstaͤndige Darstellung der Lebensschicksale und der aͤußeren Wirksamkeit des Churfuͤrsten Moritz enthaͤlt; waͤhrend der zweite Band die Thaͤtigkeit desselben in der Verwaltung der Saͤchsischen Laͤnder behandelt und die wichtigsten Archivs Notizen mittheilt, aus denen der Verfasser schoͤpfte.

Schon die Person des Verfassers, der in eigenthuͤmlichen Ver— haͤltnissen die Erziehung eines dem Albertinischen Hause angehdrigen Königlichen Prinzen, an den sich viele und schoͤne Hoffnungen knuͤpfen, leitet, fesselt uns an dieses Werk, noch mehr aber die echt Deutsche Gesinnung, die sich durchweg in demselben ausspricht. Fuͤr den Ge schichtsforscher wird es stets einen großen Werth behalten durch das sehr reichhaltige, fast durchaus neue Material die freieste Benutzung des Koͤniglich Saͤchsischen Haupt-Staats⸗-Archivs war dem Verfasser vergoͤnnt und die fleißige, gewissenhafte Benutzung desselben.

Man wird die vorliegende Schrift, wir erwarten es, als einen Panegyrikus des Kurfuͤrsten Moritz ansehen. Und allerdings blickt der Verf. auf den Fuͤrsten, der in Freibergs Mauern als Knabe weilte, den, als er in voller Manneskraft wirkte, die Gruft im Dom der Bergstadt aufnahm, dessen Name aber alle Theile des gebildeten Europa durchflog, mit dem gerechten Stolje eines leb— haften Patriotismus hin, auch sieht er in ihm den Retter und Er⸗ halter des Protestantismus und der Deutschen Selbststaͤndigkeit, einen außerordentlichen, bewunderungswürdigen Mann, was selbst Johann Friedrich, der wahrlich wenig Ursache hatte, seinem Vetter zu schmeicheln, nicht leugnen mochte. Aber man wuͤrde doch die Absicht des Verf. sehr verkennen, wenn man sie darin suchte, er habe eine Lobrede seines Helden schreiben wollen. Nichts liegt ihm ferner, und man muß ihm im Gegentheil Vorsicht und Behutsam— keit des Urtheils im hohen Grade nachruͤhmen; man muß es freu dig anerkennen, daß er den Maßstab des strengen Rechts nie außer Acht gelassen hat. Der Verf. huͤtet sich wohl, das Bild seines Hel— den zum Ideal zu erheben, und Moritz Eigenschaften beizumessen, die ihm fremd waren; doch nicht dies allein, er nimmt keinen An⸗

stand, das Verfahren desselben in einzelnen Fallen, namentlich bei

den Verhandlungen und dem Abschlusse des Buͤndnisses mit Frank— reich i. J. 1551, vom moralischen Gesichtsvunkt entschieden zu ta⸗ deln; er spricht es selbst deutlich aus, daß Moritz den durch und durch klaren Nachruhm auf das Spiel gesetzt habe. Der Verf. be— schoͤnigt und verschweigt nichts, er spricht nach seiner vollen Ueber⸗ zeugung: sein Werk ist eine Defension im besten Sinne des Worts, gefuͤhrt mit den erlaubtesten Mitteln. Wir glauben, daß ihm seine Vertheidigung gelungen ist, daß Niemand, gegen dessen hartes Ur— theil er Moritz zu wahren hatte, die Schrift aus den Haͤnden le⸗— en wird, ohne eine andere und irren wir nicht guͤnstigere Insächt von diesem Fuͤrsten gewonnen zu haben.

Die letzten Zwecke, die Moritz nie aus den Augen verloren hat, die sein Thun und Handeln in jedem Moment leiteten wir kon

nen jetzt nach seinen eigenen Acußerungen in den vertrautesten Brie

fen aus den verschiedenen Perioden feines Lebens urtheilen waren keine anderen, als in posJitischer Beziehung zunaͤchst die Integritaͤt seines

andes und die Wurde seines Fuͤrstenthüns zu wahren, dann aber die

Einigkeit der Deutschen Nation zu foͤrdern und die K raͤfte derselben gegen den Erbfeind, die Tuͤrken, zu richten, gegen die er im Anfang seiner Re⸗ gierung selbst muthig gekaͤmpft hat, und deren Vernichtung ihm stets als as herrlichste Ziel natlonaler Bestrebungen vorschwebte; in relig id ser Beziehung dagegen die Sache des Protestantismus zu schuͤtzen und zu bertheldigen ; er ist ihr, wenn auch nicht dem streng lutheri⸗ schen Lehrbegriff zugethan, doch in keinem Augenblick seines viel⸗ bewegten Lebens im Herzen untreu geworden. Lange Zeit glaubte er bei der Berfolgung dieser Zwecke die religidsen Angelegenheiten von den Profansachen trennen zu konnen: es war dies ein Irrthum, über den er durch schmerzliche Erfahrungen belehrt wurde, und von dem er sich in den letzten Jahren seines Lebens losgerissen hat. Zur Erreichung dieser zwecke wandte er jene glaͤnzenden Eigenschaften an, die ihm Mitwelt und Nachwelt einstimmig zuerkannt haben; uner⸗ schoͤpfliche Thatkraft und eine alle Verhaͤltnisse durchschauende Klugheit. Die eigenthuͤmliche Geltung und Berechtigung letzterer in Zeiten gleich denen, die Moritz sah, bezeichnet der Verf. in den schoͤnen Horten: „Wenn die Zeit uͤber alte Formen maͤchtig emporsteigt, da ist neben dem, was uͤber den Stürmen der Jahrhunderte steht, auch bas vorhanden, woran die Klughett sich übt, ja es muß diese zuletzt oft dem Dauernden helfen die Staͤtte bereiten. .

Ja, Moritz half das Dauernde begründen, aber freilich glaubte er dabei nicht immer seinen Fuß auf laͤngst betretene Pfade setzen zu können, wiederbolentlich betrat er sehr gefahrvolle und schlupfrige Wege, und wohl mochte er es selbst als eine besondere Gunst des Himmels ansehen, daß er zuletzt doch noch an ein Ziel gelangte, an dem wenigstens mancher Wunsch erfüllt, wenn auch nicht jede Hoffnung erreicht wurbe, Zweimal vornehmlich kam er durch den Drang der Umstaͤnde und das Zusammentreffen mit wider— strebenden Persbnlichkeiten in jene traurige Lage, „wo von zwei gewissen Uebeln eines ergriffen werden muß, wo sich das Herz nicht ganz zurückbringt aus dem Streit der Pflichten“; jedermann denkt hierbei an die Vorgange auf der Lochauer Haide und an der Ehrenberger Klause. Wer möchte es leugnen, daß er hier wie dort manche Ruͤcksichten verletzt hat, daß er nicht in dem reinen Lichte eines großen Helden dasteht; Aber andererseits sind die innersten Motive, die in diesen Errignissen sein Handeln bestimmten, oft, zu wenig erwogen, und deshalb manche ungerechte Vorwürfe auf ihn gehäuft worden. .

Die Stellung, die Morih, dem Kaiser gegenuͤber, im Jahre 1652 einnahm, war dem Interesse des w ne hn und der prote⸗ stantischen Sache freilich zu günstig und förderlich, als daß sie he— sonderer Rechtfertigung von Seiten unseres Verf. bedurst haͤtte. Von eigentlichem Interesse ist es dagegen, demfelben zu folgen, wo cr die Berhaͤltnisse vor und wahrend des Schmaltgldischen Krieges darstellt, da Moritz sich gerade hier in der bedenklichsten Stellung befand, in der er von Mit- und Nachwelt den haͤrtesten Tadel er⸗ fahren mußte. Auf die Angahen des Verfassers gestützt, wollen wir in uren ö. 3 Lage des Herzogs unseren Lesern zu verge—

vaͤrtigen suchen. genn geh von Anfang seiner Regierung an lebte der Herzog mit seinem Vetter, dem Kurfůürsten Johann Friedrich, in Zwiespalt und Unfriede. Verschiedenheit der Jahre und der Charaktere, die unglückliche Vertheilung der Saͤchsischen Territorien, das nahe Verhältniß des jungen Fuͤrsten zu seinem Schwiegervater Philipp essen? = alles dies hatte zu Reibungen, selbst schon zum offenen

, . der Fehde gefuͤhrt, und man kann schwerlich den großeren

1132

Theil der Schuld gerade Moritz beimessen. Dieser hatte sich bald von dem Schmalkaldischen Bunde, in dem er doch wegen seiner Jugend nur eine untergeordnete Rolle haͤtte spielen koͤnnen, losgesagt, und sich enger an das Haus Sesterreich angeschlossen. Sein Verlangen, sich zuerst im Kriege verssnliche Geltung zu verschaffen, wurde so befriedigt, und zugleich erbffnete sich ihm die Aussicht, die Stifter Merseburg und Meißen, vielleicht auch Magdeburg und Halberstadt, deren unabhaͤngige Existenz sehr zweifelhaft seyn mußte, seinem Ge⸗ biete einzuverleiben. Moritz lag im Fahre 1542 gegen die Tuͤrken, 1543 gegen Frankreich zu Felde. In den Braunschweigischen Haͤn⸗ deln im Jahre 1545 behauptete er eine freie, mehr vermittelnde Stellung. Umsonst suchte ihn Philirv von Hessen in der Zeit, wo die Zerwuͤrfnisse zwischen dem Kaiser und den Schmalkaldischen Bundesgenossen immer staͤrker wurden, vom Kaiser zu trennen, und zu einer naͤheren Vereinigung mit dem Kurfuͤrsten und ihm selbst u bewegen; der Plan schelterte an der Hartnaͤckigkeit Johann Friedrichs, doch findet Ref. auch kaum bei Moritz die Bereitwillig— keit, die ihm der Verfasser beimißt. Das Verhaͤltniß, was der Herzog bisher zum Kaiser gehabt hatte, war in politischer und re⸗ ligidser Beziehung noch so unbedenklich, daß Philipp selbst nichts Arges darin sah. Anders aber gestalteten sich die Dinge, als sich im Jahre 1546 auf dem Reichstage zu Regensburg jenes Krieges⸗ wetter gegen die Schmalkaldischen Bundesgenossen zusammenzog, das dem Protestantismus selbst den Untergang zu drohen schien, und Moritz gerade in diesem Augenblick in ein naͤheres Dienstver⸗ häͤltniß zum Kaiser trat, indem er fuͤr die Verleihung der Schutz—⸗ und Schirmgerechtigkeit uüͤber Magdeburg und Halberstadt seine Un⸗ terstuͤtzung bei dem bevorstehenden Kriege zusagte.

Ueber die Verhandlungen, die am 20. Juni persoͤnlich zwischen dem Kaiser, Koͤnig Ferdinand und Moritz stattfanden, giebt uns der Verf. neue, sehr interessante Nachrichten; aus denselben scheint uns aber hervorzugehen, daß Moritz keinesweges so im Unklaren uͤber die Absichten des Kaisers und die moglichen Folgen seinez Schrittes war, wie der Verf. meint. Es konnte diesem so scharfsinnigen Fuͤrsten unmdglich entgehen, daß er gegen Johann Friedrich vorzügsweise be⸗ nutzt werden sollte, und es waren nach unserer Meinung allerdings mehr die Laͤnder Johann Friedrich's und die Kur, als die genannten Stifter, welche ihn zum Abschluß dieses Dienst-Verhaͤltnisses bewogen, wenn ihm auch auf jene noch keine bestimmte Aussicht eroͤffnet wurde. Die Furcht, daß die schoͤnsten Theile des Saͤchsischen Landes seinem Hause, im Fall einer Acht-Vollstreckung, entzogen und von den Habsburgern genommen werden koͤnnten, beschaͤftigte ihn vielfach; nur um einem solchen Verluste fuͤr das Haus Sachsen vorzubeugen, that er wohl jenen verzweifelten Schritt, der mindestens nur durch dieses Motiv entschuldigt werden kann. In Betreff der Religion suchte sich Moritz so sicher zu stellen, wie moͤglich, doch war er selbst in diesem Punkt, pen aus den Verhandlungen hervorgeht, nicht frei von Bedenklich eiten.

Nichts zeigt uͤbrigens deutlicher, wie wenig Moritz eigentlich fuͤr seine Person nach den Kurfuͤrstlichen Laͤndern strebte, und wie er sie nur dem Saͤchsischen Hause erhalten wollte, als sein Verhalten waͤh⸗ rend der Ereignisse im weiteren Verlaufe des Jahres. Wie wuͤrde er sich sonst in Gemeinschaft mit Joachim von Brandenburg noch so angelegentlich um eine Aussshnung der streitenden Parteien bemuͤht haben? Wie wurde er sonst die Vollstreckung der Acht, die ihm schon am 1. August uͤbertragen war, bis gegen das Ende des Oktobers hin⸗ ausgeschoben und immer aufs neue Unterhandlungen angeknuͤpft ha⸗ ben? In der That, erst als Ferdinand selbst die Lander des Geaͤch⸗ teten angreifen wollte, schloß er jenen Vertrag (14. Oktober) ab, wo nach er binnen 6 Tagen, nachdem Ferdinand seine Graͤnzen uͤber schritten haͤtte, selbst die Kurfuͤrstlichen Laͤnder anzugreifen versprach. Als Ferdinand am 22. Oktober das Gebiet Johann Feiedrich's betrat, da zögerte er nun auch nicht laͤnger, obwohl er sich immer noch die Aussicht auf einen guͤtlichen Vergleich offen ließ. Schon am 27. Ok tober wurde ihm die Kur mit den dazu gehoͤrigen Laͤndern und Wuͤr⸗ den uͤbertragen, und doch nahm er noch bis zum Schluß des Jahres Anstand, den Revers zu unterschreiben und den Kurfuͤrstlichen Titel anzunehmen. Erst als Johann Feiedrich Moritz selbst angriff, und diefer dadurch in die aͤußerste Bedraͤngniß gerieth, verschwand jede Aussicht auf eine guͤtliche Beilegung der Sache, die gegenseitige Er⸗ bitterung wuchs in jedem Augenblicke, und Alles hing nun von der Entscheidung der Waffen ab. Rasch folgten sich die Ereignisse, die Moritz selbst jetzt nicht mehr wenden konnte.

Man sieht, daß Moritz doch wesentlich durch das Interesse seines

Hauses zu jener naheren Vereinigung mit dem Kaiser veranlaßt wurde.

Aber giebt man dies auch zu und sieht darin einen nicht unerhebli⸗ chen Grund zu seiner Entschuldigung, so bleibt doch unleugbar, daß er durch sein Verfahren das schwere Ungluͤck der Schmalkaldischen Bun— desgenossen nicht, zum kleinsten Theile verursacht hat, daß der Aus⸗ gang jenes traurigen Kampfes ihm wesentlich mit zur Last faͤllt, und daß es wahrlich nicht ihm beizumessen ist, wenn der Protestantismus damals nicht den Todesstreich empfing. Von aller Schuld wird ihn hier die Geschichte nie reinigen koͤnnen, auch der Verf. bezweckt dies wohl nicht.

Wir konnen dem Verf. in seiner Darstellung der großartigen politischen Wirksamkeit des Churfuͤrsten Moritz hier nicht weiter be⸗ gleiten. Was dieser Fuͤrst fuͤr die Sache des Deutschen Vaterlandes und des Protestantismus in den letzten Jahren seines zu fruͤh ge— schlossenen Lebens gethan hat, ist ja uͤberdies, so viel neue Beleh rungen hier auch im Einzelnen geboten werden, im Ganzen und Großen bekannt genug. Einen ganz neuen Stoff behandelt der Verf. dagegen in dem so eben erschienenen zweiten Bande seines Werkes, wo er uns Moritzens friedliches Wirken in der Regierung der Saͤch— sischen Laͤnder und das Leben an seinem Hofe vor Augen fuhrt. Er behandelt hier: X. die staatsrechtlichen Verhaͤltnisse, namentlich die Stellung, die Moritz zu seinen Staͤnden hatte; B. die mannigfachen Einrichtungen, die sich auf die Verwaltung im Ganzen oder ein⸗ zelne Theile derselben bezogen; C. die Anordnungen im Heer und Kriegswesen; D. die Umgestaltung der kirchlichen Verhaͤltnisse durch die Reformation und die durch dieselbe veranlaßte Forderung gelehr— ter Anstalten; E. das Leben am Hofe des Churfuͤrsten. Von beson— derer Erheblichkeit sind die unter , B und D dargestellten Gegen— staͤnde.

Es muß in Verwunderung setzen, das Moritz bei unausgesetzter politischen Thaͤtigkeit, die ihn haufig zu laͤngerer Entfernung von seinem Lande noͤthigte, sich doch den eigentlichen Regierungs- Ge— schaͤften mit ungewoͤhnlicher Theilnahme hingab; noch mehr, daß er unter solchen Umstaͤnden und waͤhrend einer kurzen Regierung man⸗ nichfache Reformen in den inneren Angelegenheiten des Landes durch— setzte, und selbst, wo er Dauerndes nicht mehr begruͤnden konnte, noch seinem Nachfolger den Weg bezeichnete, den er zu verfolgen hatte.

In staatsrechtlicher Beziehung hielt naturlich guch Moritz, wie alle Fürsten fener Zeit, an der Forderung eines geschlossenen Territo⸗ ums fest; aber wenige haben diese mit solchem Gluͤcke durchzusetzen vermocht, wie er, der die großeren Insassen seines Landes und die Stifter von der unmittelbaren Verbindung mit dem Reiche so weit zu trennen vermochte, daß seine Nachfolger bald nach dem Re⸗ gierungsantritte es als einen Vorzug seines Fuͤrstenthums vor ande⸗ ren des Deutschen Reiches bezeichnen konnte, daß in demselben „nicht allein Grafschaften und Herrschaften, sondern auch Bisthuͤmer und andere Stifter bezirkt und begriffen seyen.“ Moritz gestand uͤbrigens diesen und den Slaͤdten als Landstaͤnden durchaus die auf Herkom men und Recht beruhende Einwirkung auf manche Regierungs⸗Ver⸗ hältnisse, namentlich auf die Besteuerung, zu, und es wird aus vie⸗

en 5 klar, daß er in dem staͤndischen Wesen mehr als eine leere Form sah, Die Abhängigkeit der kirchlichen Institute Sachsens von dem Fürsten, die aus? der Schutz nd Schtrnigerechtigkeit derselben her⸗ geleitet wurde, gewann eine große Bedeutung, als bei der Aufloͤsung des alten Kirchenwesens die deiche Verlassenschaft der Stifter an den Fürsten kam. Schon vor dem Regierungsantritt des Herzogs Mo⸗ ritz war von einer Sequestratton der Klosterguͤter die Rede gewesen, doch kam sie erst unter ihm vollstaͤndig zur Ausfuͤhrung; zur Saͤcu—⸗

Zwecken.

larisation der Bisthümer brachte es dagegen erst Churfuͤrst August Moritz hat fuͤr seine Person durch die geistlichen Guͤter nichts gewonnen, und dieß auch nie beabsichtigt; er hat vielmehr nach der Angabe des Verf es nie unterlassen den Verkauf derselben und die Bestimmung der gelösten Gelder den Staͤnden anzuzeigen, und nur in sehr seltenen Faͤllen sie anders verwendet, als zum Unterhalt der Kirche und wissenschaftlichen An= stalten, zur unterstuͤtzung armer Studirender und aͤhnlichen milden Sweden Die Univerfitaͤt zu Leipzig wurde aus diesen Mitteln auf das freigebigste ausgestattet, und erfuhr eine durchgreifende Reform Aus diesen Mitteln wurden ferner die beruͤhmten Fuͤrstenschulen zu Pforta, Meißen und Grimma gestiftet, und ihnen jene Organisation geben, durch welche sie lange den ersten Platz unter den gelehrten Schulen Deutschlands einnahmen, und Vorbild und Maßstab für aͤhnliche Anstalten wurden. Die wissenschaftliche Bedeutung, die Sachsen sich bis auf den heutigen Tag bewahrt hat, beruht auf den Schdpfungen des Herzogs Moritz, und bestaͤtigt am besten, was der Verf. von diesem ruͤhmt, „er habe großartig und praktisch den Sinn der durch die Reformation entschleierten Strebungen, Standpunkte und Forderungen aufgefaßt, und edler Bildung fuͤr Kirche und Vis⸗ senschaft die Waffen geruͤsset.“ j ; 366

Als organische Einrichtungen, welche Moritz fuͤr die Verwaltung des Landes im ganzen traf, hebt der Verfasser hervor: die Ein tc tung des Hofraths, die Anstellung eines ersten Ministers, die Grund= legung eines Stadtraths und die Kreiseintheilung. Die hoöͤchst sorg= faͤltige Darstellung dieser Gegenstaͤnde in der vorliegenden Schrfft zeigt zugleich auch, wie Moritz fuͤr die einzelnen Zweige der Verwal⸗ tung mit großer Umsicht sorgte, namentlich fuͤr das Forstwesen, die Weinkultur, den Bergbau und die Handels-Interessen Leipzigs, und auch hier mit scharfem Blick das erkannte, was zur Wohlfahrt Sach— sens erforderlich war. ;

Es bleibt uns nur noch ein Wort uͤber die Darstellungsweise des Verf. zu sagen. Sie tragt weniger jenen mehr, dramälischen Charakter, den inan in neuester Zeit mit vielem Gluͤck wieder der Geschichtsschreibung gegeben hat, und der sich vorzuͤglich in schur ner Charakterisirung der Personen und in steter Beziehung derselben ö. die eine große Idee, welche in den einzelnen Sceignissen sich enihi ll ausspricht; der Verf. liebt mehr jene epische Ruhe, die sich bei den einzelnen Momenten aufhaͤlt, und die handelnden Personen nicht un— mittelbar, sondern durch den Erzaͤhler vermittelt dem Leser vor Augen fuͤhrt. Der Styl ist klar und praͤcis, doch nicht gerade reich an neuen, die Aufmerksamkeit fesselnden Wendungen. Wo es der Gegen— stand erlaubt, liegt in der Darstellung bei aller Einfachheit doch eine eigenthuͤmliche Warme, z. B. in der Erzaͤhlung vom Tode des Churfüͤrsten Moritz, die wir hier, da sie von ganz allgemeinem Interesse ist, folgen lassen. Nachdem die Verwundung des Kurfuͤrsten in der Schlacht bei Sievershausen erzaͤhlt ist, heißt es:

„Bald stellten sich die heftigsten Schmerzen ein; Moritz ließ sich bald aus dem Bette auf einen Zeltsessel, bald wieder auf das Lager bringen, nichts wollte die Qualen lindern. Nur kurze Zeit hatte er

selbst einige Hoffnungen, dann wuͤnschte er sich zu sterben und bat,

daß es die Umstehenden vernahmen, „der liebe Gott wolle ihn selig hinnehmen und nicht laͤnger verziehen.“ Er ließ sich das Abendmahl unter beiderlei Gestalt reichen und sprach mit dem Prediger Johann Weiß (Albinus) uͤber die hoͤchsten und wichtigsten Dinge des Men— schen und Christen. .

Aber auch zur Heimath, zur Gemahlin, zur Tochter und dem noch in Danemark weilenden Bruder trug der sterbende Moritz die Gedanken; der treue Christoph von Carlowitz ward beauftragt, des Fuͤrsten letzten Willen niederzuschreiben: den Herzog Auguͤst bat er, Fsein Gedaͤchtniß in freundbruüderlichem Befehl zu haben, die armen Land und Leute sich treulich befohlen seyn zu lassen.“ Fuͤr das be—

3 Ft . F . 0 ö 2 h 1 reits bestimmte Witthum der Kurfuͤrstin traf Moritz noch einige

sichernde Bestimmungen und befahl beide, die Kurfuͤrstin Agnes und das neunjährige „Fräulein“ Anna dem Schutze des Nachfolgers; 30 090. Gulden sollte August an die besonders verdienstvollen Dienen austheilen. Wegen des zu starken Wildstandes bat Moritz den Bru⸗— der, es „so anzustellen, wie es gegen Gott und das Gewissen zu ver⸗ antworten“, und damit die an die Wildbahn graͤnzenden Betheiligten die bisher „erlittene Beschwerung um so viel desto besser vergesFsen mochten“, mochte August 1009 Gulden unter sie vertheilen. Das Ringlein“, sprach der Sterbende, „so wir an der Hand tragen soll er (August) unserem lieben Gemahl wieder zustellen und soll dane ben sagen, daß wir sie freundlich gesegnen lassen in troöͤstlicher Hoff⸗ nung, daß wir mit der Zeit nach Gottes gnaͤdiger Verleihung in jener Welt wieder einander sehen wollen.“ Mit fester Hand unter— zeichnete Moritz diese Bestimmungen „noch vor Aufgang der Sonne.“

Als die Sonne des zweiten Tages nach der Verwundung aufge gangen war, hatte Moritz sich wieder aus dem Bette heben lassen und ruhte auf dem Sessel; da verlangte er ploͤtzlich zu liegen, hob die Haͤnde zum Himmel und sprach mit matter Stimme; „Allmäͤchtiger Gott, ich bitte dich, du wollest mir um Christi willen alle Sünden vergeben, die ich wider dich oder die Menschen gethan, ich verzeihe

allen meinen Feinden und mir Widerwaͤrtigen von Grund meines

Herzens und gaͤnzlich.“ Waͤhrend man beschaͤftigt war, ihr fs Bett zu bringen, sprach er im Vorgefuͤhle des a. , Todes; „Gott wird kommen“, und che man noch die Decke voöllig uͤber ihn gebreitet, war er mit einem Seufzer verschieden. „Also und anderes nicht“, sagt der Augenzeuge, „ist es mit der Schlacht und dem Sterben des Kurfuͤrsten zugegangen.“ Rt.

Auswärtige HLEörsen. Amsterdam, S8. Sept. Niederl. wirkl. Schuld 512. Ran. Bill. 25. 5M Span. 195. Passive. —. Sch. Pol. Oesterr. 1055. Frankfurt a. MM., 9. Sept. e 244 55 Br. 15 244 Br. Bank- Act. 1919. 1917. zu 500 FI. 13754. 1372. Loose zu 100 FI. —. do. 49 Anl. 1025 G. Poln. Loose 74 6. Holl. 50. 503. Lisenbahn - Actien.

55 do. 101.

Ausß. —. Zinal. —. Preuas.

Prüm. Oesterr. 55 Met. 108 C. 415 98 g. Partial - Obl. —. Loose Preuss. Präm. Sch. S0 (. 53 Spau. Anl. 20. 20. 2 2

8t. do. linkes —. München- Augsburg —. Dresden 100 G. Köln- Aachen 100) G. HAamburg, 10. Sept. Bauk- Actien 1600 G. Engl. Russ. 108. Paris, 7. Sept. 5 Reute fin our. 1I4. 75. ö 55 . Neapl. fin cour. 101. 70. Port. Wien, ö,. Sept. 55 Met. 1072. 43 9713. 353 75. 5 Baulk- Actien 1580. Aul. de 1834 136. de 1839 109.

rechtes 215 Br.

Germain —. Wersailles User —.

Strassburg Basel Leipzig-

30 353 Rente fin cour.

55 Span. Reute 223. Passive —.

3 25

Königliche Schauspiele. Montag, 13. Sept. Im Schauspielhause: Zum erstenmale: Werner, oder: Herz und Welt, Schauspiel in 5 Abth., von K. Gutzkow. Dienstag, 14. Sept.

Im Opernhause: Auf Begehren: Wil— helm Tell, Schauspiel in geh

5 Abthl., von Schiller. Näönigsstähtisches Theater.

Montag, 13. Sept. (Italienische Opern-Vorstellung.) Tor- quato Tasso. CQhera in 3 Atti. Poesia del Sgr. Giacopo ers ö Musica 39 Maestro Gaetano , , .

Dienstag, 14. Sept. Der Talismanu. Posse mit Gesan in 3 Akten, von J. Nestroy. (Dlle. Fischer, . 6 . zu Hamburg: Salome, als Gastrolle.)

Nach dem ersten Akt wird Herr Adlmann aus Muͤnchen auf der Alpen-Zitter Variationen von Poisel mit Klavier-Begleitung . nach dem zweiten Akt Alpen-Lieder eigener Composition vor— ragen.

Verantwortlicher Redacteur Dr. J. W. Zinkeisen. Gedruckt in der Deckerschen Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei.

Preußische Staats-Zeitu

Berlin

82 **

Inhalt.

Amtliche Nachrichten. RVußland und Polen. Frankreich. Paris. Die Unte spannte Verhaltnisse mit Spanien, hats über die September ⸗Gesetze. aus Paris. (Politischer ö der Lonscils über die Steuer-Frage. ) ö ö Gemballa nen und Irland. London. Konferenzen der wünf⸗ tigen Botschafter mit Lord Aberdeen. Die Koͤnigin als BVeschůͤtzerin der Tonkunst. Lord Brougham uͤber die veralteten Strafgesetze Englands. Die Times über den neuen Minister des Innern. DiP Herzogin von Buccleugh übernimmt eine Qber. Hofcharge.! = BVermischtes. Brief aus London. Wilkie's Denkmal; Theater; Literarisches; die neue Bbrse.) 1 Belgien. Bruͤssel. Die bevorstehende Kammer-Erdffnung. Fränzoͤsisch⸗Belgische Zoll⸗Verhaͤltnisse, . Dänemark. Kopenhagen. Dampfschifffahrt. Nordische Al⸗ terthüͤmer in Schweden. . ,, ö. Orne h Bundesstaaten. München. Ankunft des Generals Freiherrn von dem Knesebechk K ass el. Herbst Mandyez. Schreiben aus Frankfurt. (Personal⸗Nachrichten; Messe; Boͤrse.) Schweiz. u. Der letzte Tagsatzungs⸗Beschluß. Baselland⸗

Bern. T igsaßu

schaftliche Konflikte wegen . gGtalien. Rom. Abreise des Papshter . k ; Amnestie. Befestigung von Cadix. Schreiben aus Madrid. (Die Feier des 4. Sepiembers; Amnestie; Versetzung

—sfstlieren aus Madrid; Vermischtes. ö

** fr e nor eitstein. Bohr⸗ Versuche nach warmen Mineral⸗ nguellen.

St. Petersburg. Abreise des Kaisers. Die Ünterhandlungen mit Belgien. Ge⸗ Das Fournäl des De Vermischtes. Brief Abstimmung der General⸗

2

Duvergier de Hauranne uͤber den Vertrag vom 13. Juli und die ge genwaͤrtige Lage Frankreichs.

Das Fest der Schließung des Grundstein-Gewoͤlbes des Hermans⸗

Denkmals am 8. September auf der Grotenburg.

. z *. K T s Museum. 2 Dänemark. Kopenhagen. Thorwaldsen 8. ; . Bundesstagten. Darm stadt. Inspizirung des Bu sdes Kontingents. Ueber die Erzichung der Armenkinder in England Zweiter Artikel). Wissenschaft, Kunst und Lite⸗

ratur. Vogel, der Preußische Soldat nach dem Ausmarsche.

Amtliche Nachrichten.

Kronik des Tages.

Heute wird das 17te Stuͤck der Gesetz-Sammlung ausgege— ben, welches enthält: unter 1. Nr. 2193. das Feuer-Societaͤts-Reglement fuͤr das platte Land von Alt-Pommern, und J 2194. die Verordnung wegen Aufhebung der bisherigen Im⸗ mobiliar⸗-Feuer⸗Societät auf dem platten Lande von Alt-Ppommern und wegen Ausfuͤhrung des vorbemerk—⸗ ten Reglements. Beides vom 20. August d. J. Berlin, den 14. September 1841. ö. Dbits-Eomtoir der Gesetz-Sammlung.

3 2 * 3 ö 53 Angekommen: Der Graf von Werdenfels, von Neu—

itrelitz. r en,, Kaiserl. Russische General-Major von Puschinsky,

von Leipzig.

Zeitungs Nachrichten.

Ausland. Rusiland und Polen.

St. Petersburg, 7. Sept. Der R ussüsche Invalide meldet, daß Se. Majestaͤt der Kaiser in der Nacht vom 1. zum 2. September von Zarskoje⸗Selo abgereist sey und die Heerstraße von Weiß⸗-Rußland eingeschlagen habe.

Frankreich.

ris, 8. Sept. Der Moniteur parisien. enthaͤlt Folgen⸗ des: 6 r n haben gemeldet, daß die mit den Belgischen Kommissarien in Betreff eines Handels⸗Traktates begonnenen Unter⸗ handlungen abgebrochen waren und daß jene Kommissarien Anstalten trafen, um nach Belgien zuruͤckzukehren. Diese Nachricht sst er⸗ funden. Gestern fand wieder eine Konferenz zwischen den Bel— gischen Kommissarien und dem Handels⸗Minister statt. Die mo— mentane Abwesenheit eines der Delegirten hat ihren Grund darin, daß sich derselbe, nach 36 begeben hat, um einige fuͤr noͤthig er te Aktenstuͤcke zu holen. en, ist . ,, Zweifel, daß die Geruͤchte in Betreff der Korvette „la Victorieuse“ ganz ohne Grund waren. Dagegen srllen bei der Franzoͤsischen Regierung zahlreiche Veschwerden über pas Verfahren der Behbrden auf Mahon gegen Franzosische Un⸗ terthanen eingelaufen seyn, und es heißt, daß bereits vor 8. Ta⸗ gen Reclamationen dieserhalb nach Madrid abgegangen waren. Man spricht sogar von einer langen Note, in welcher Herr Guizot Die Beschwerden Frankreichs gegen die Regierung Espartere's re— Fapitulirt, und hinzugefügt habe, daß er genbthigt sey, die Absen—⸗ Dung eines neuen Botschafters nach Madrid zu verschieben, bis Re Spanische Regierung den an sie gerichteten Reclamationen Genüge gethan haben wuͤrde.

In Vezug auf die erneuten Versuche der Oppesitians-Jour— nale, die oͤffentliche Meinung zu Gunsten der Abschaffung der September⸗Gesetze zu stimmen, bemerkt das Journal des De⸗ dals: „Die IOppofsition verlangt die Abschaffung der September— Gesetze. Wir verlangen zuvor, daß die Opposition durch ihr Be⸗ nehmen, durch ihre Maͤßigung, durch ihre Achtung vor Allem was heilig und achtungswerth ist, beweise, daß jene Gesetze unnuͤtz ge⸗ worden sind. Wenn man die Strafe abschaffen soll, muß auch

l ine

en

1

Es steht in der Macht der Opposition, der Gesellschaft in dieser Hinsicht Genuͤge zu leisten. Sie wird alsdann leicht die Abschaffung jener Gesetze erlangen, oder vielmehr, es wird ihr gar nichts daran gelegen seyn, daß sie dieselbe erlangt; denn, wenn sie darauf verzichtet, die Person des Koͤnigs mit ihren wuͤthenden und systematischen Angriffen zu ver— folgen, was kann ihr dann an dem Artikel der September-Gesetze liegen, der mit Recht jene Angriffe fuͤr ein Attentat erklart? Wenn sie einraͤumt, daß das Prinzip der Regierung außerhalb der Erörterung liegt, daß es unmoͤglich ist, an demselben zu ruͤtteln, ohne die ganze gesellschaftliche Ordnung zu erschuͤttern, was kann ihr alsdann an der Zuruͤcknahme von Gesetzen liegen, die dasjenige bestrafen, was ihr selbst straf bar erscheint? Die Opposition will die Freiheit der Presse; wir. wollen dieselbe gewiß eben so sehr, als sie und vielleicht aufrichtiger. Wir gehören ja selbst zur Presse, ihre Freiheit ist unsere Freiheit; wir sind nichts ohne dieselbe und wir haben keine andere Rechte als sie. Aber eben weil wir die Freiheit der Presse wollen, wollen wir auch die Gesetze, welche die Ausschweifungen derselben bestrafen. Wir werden die September-Gesetze gegen euch und gegen Jeden vertheidigen, der so thoͤrigt seyn sollte, sie euch auf— opfern zu wollen; wir werden sie Gruͤnden

das Verbrechen abgeschafft werden.

aus zwei vertheidigen: einmal weil sie gerecht sind, und weil das, was sie fuͤr Verbrechen und fuͤr Vergehen erklaren, unter keiner vernuͤnf⸗ tigen Regierung fuͤr etwas Erlaubtes erklart werden kann; dann aber auch, weil die unbestrafte Frechheit der Presse unvermeidlich zu der Vernichtung und zu der Verachtung der Presse fuͤhrt. Wenn man sie nicht in gehbrigen Gränzen halten kann, so toͤdtet man sie, um sich von ihr zu befreien. Es ist unsere innige Ueber— zeugung, daß wir an dem Tage, wo man die September⸗Gesetze abschaffte, nicht weit von der Censur, oder von etwas Schlimme—⸗ ren als der Censur, entfernt seyn wuͤrden.“

In den letzten Tagen sfoll man sich im Kabinette mit der Frage wegen Amnestirung des Prinzen Louis Bonaparte und ei— niger anderen politischen Verurtheilten beschäftigt haben. Die ser Plan habe aber lebhaften Widerstand im Minister-Rathe gefun⸗ den und sey demzufolge vorläufig aufgegeben worden,.

Herr Heinrich Heine hat sich gestern in St. Germain mit Herrn Strauß auf Pistolen duellirt. Heine's Buch „Ueber Börne“ war die Hauptveranlassung zu diesem Duell. Er hatte darin auf hoͤchst derletzende Weise über die Gattin des Herrn Strauß gesprochen, und dieser soll sich dafuͤr auf oͤffentlicher Straße elne thaͤtliche Genugthuung genommen haben. Dieses letztere Faktum, welches von vielen Deutschen Journalen verbrei⸗ tet wurde, erklaͤrte Herr Heine fuͤr eine Unwahrheit, wodurch wiederum Erklärungen von dritten Personen herbeigefuͤhrt wur— den. Dies Alles endigte zuletzt mit dem oben erwahnten Duell. Dasselbe hatte keine weiteren Folgen, als daß Herr Heine eine leichte Kontusion an der Huͤfte erhielt. .

Börse vom 8. September. In den Franzoͤsischen Ren⸗ ten trat heute gegen den Schluß der Boͤrse eine sinkende Bewe— gung ein. Es hieß, der Finanz-Minister warte nur auf die Ruͤck⸗ kehr des Herrn von Rothschild, um die neue Anleihe definitiv abzuschließen.

«Paris, 8. Sept. Die Vota der meisten General⸗ Conseils uͤber die Zählung sind nunmehr bekannt und fast alle haben die Nothwendigkeit und Gesetzlichkeit dieser Maßregel aner⸗ kannt. Wir sagen fast alle; denn kaum fuͤnf oder sechs Conseils haben sich gegen die Zaͤhlung, d. h. gegen die Art, wie der Mini⸗ ster sie ausfuͤhren laßt, ausgesprochen. Dies Resultat, das man ubrigens erwarten mußte, ist von sehr großer Wichtigkeit, für die Reglerung, denn man darf es sich nicht verhehlen, daß die Auto— ritaͤt der General-Conseils von ganz anderem Gewicht ist, als die der Munizipal-Conseils. Die ersteren vertraten mindestens das Depar⸗ temental-Interesse, wenn nicht das allgemeine Interesse; die Letzteren dagegen haben keinen anderen Zweck, als die Abgaben der Gemeinde so viel wie moͤglich zu reduziren; und daher haben sie es niemals ver— schmaͤht, alle besteuerbaren Gegenstaͤnde zu gering abzuschaͤtzen, und zwar oft in ungeheueren Verhaͤltnissen. Wenn einige Conseils den Wunsch ausgesprochen haben, daß die Gesetzgebung eine Reform herbeifuͤhren moge, so lbsicht a der Regierung fuͤr die Zukunft zu staͤrken und eine Straf⸗Bestim⸗ mung zu erhalten, wodurch der Widerstand besiegt werden könne, Denn diese Luͤcke, dieser Mangel aller Straf-Bestimmungen ist die Hauptursache aller Unordnungen, und sobald man vor den mit der Zaͤhlung beauftragten Beamten ungestraft die Thuͤr schlie— ßen durfte, griff man stillschweigend und üungestraft die Gesetzlich⸗ keit der Maßregel an.

Ein Umstand ist nicht kannt. Als Herr Floret, Instructionen verlangte,

genug, oder vielleicht gar nicht be— Präfekt von Toulouse, zum erstenmal um den Widerstand in seinem Verwal— fungs⸗-Bezirke zu besiegen, und als er Herrn Duchatel bemerklich machte, daß ihm keine Strafbestimmung bekannt sey, welche die Anwendung der Gesetze auf die Zaͤhlung gestatte, da ließ man zwöoͤlf Tage verstreichen, ohne ihm zu antworten. Was that man wahrend dieser Zeit? Man hlaͤtterte in allen unseren Geseßen, um eine Strafbestimmung aufzufinden, und im Fingnz⸗Ministerium stellten mehrere hoͤhere Beamte fuͤnf bis sechs Tage lang Nach—⸗ forschungen darnach an. Man fand indeß nichts und antwortete dem Praͤfekten von Toaulouse durch seine Absetzung. Schon damals machte der Steuer-Direktor, Herr Legrand, den Vorschlag, „die Thuͤren mit Gewalt, einzu schlagen, woräaif Derr Humann antwortete: „Ich will dies gern zuge⸗ ben, wenn sie mir das Geseß zeigen, welches uns dazu auto⸗ risirt.“ Es ist daher diese Lücke in der Gesetzgebung, welche die⸗ jenigen General⸗Conseils, die sich nicht unbedingt für die Zahlung erklaͤrt haben, ausgefuͤllt zu sehen wuͤnschen; selbst die, welche sich mit einigem Vorbehalt ausgesprochen, haben die Gesektzllichkeit der Maßregel durchaus nicht in, Frage gestellt; mit einem Worte, eine ungeheure Majoritaͤt ist uber diesen Punkt einverstanden. Dies verhindert jedoch nicht die Opposition, sene Vorbehalte, die nur die Tendenz haben, die Macht der Behörde zu verstaͤrken, zu ihrem Gunsten auszulegen. Die laͤcherlichsten Diskussionen

geschah dies nur in der Absicht, die Macht

22

14ten September

erhoben sich uͤber diesen Gegenstand, und von beiden Seiten zeigte man eben so viel Parteilichkeit, als Leidenschaft. Nicht ein einzi⸗ ges Blatt hat die Thatsachen in ihrer Gesammtheit mitgetheilt; sedes nahm diejenigen Entscheidungen der Munizipal- oder der General-Lonseils auf, die fuͤr seine Ansicht paßten und raͤsonnirte nun daruͤber, ohne sich um die Thatsachen und entgegengesetzten Entscheidungen zu bekuͤmmern. Die Oppositions-, wie die mini⸗ steriellen Blätter, haben sich bei diesen Debatten derselben Unred⸗ lichkeit schuldig gemacht. Im Prinzip ist es absurd, daß, wie die Opposition will, der Steuerpflichtige selbst seinen Steuerbetrag festsetze; denn die durch die Maires und ohne Kontrolle vorge⸗ nommene Zahlung waͤre nichts Anderes, wie uns eine vierzigjaͤh⸗ rige Erfahrung lehrt. Wenn diese Methode auch fuͤr den Schatz in Bezug auf die Vertheilung der Steuern, deren jaͤhrliche Kon⸗ tingente unveraͤnderlich sind, keine Unbequemlichkeiten hat, so hat sie doch sehr große fuͤr die Steuern, deren Betrag erst festgestellt werden muß, namlich fuͤr die Patente, so wie fuͤr die Gemeinden, die ausnahmsweise redlich zu Werke gehen und richtige Erklaͤrun⸗ gen abgeben. Derletztere Fall ist zwar selten, kommt indeß doch vor.

Es scheint uns, daß die Opposition in Bezug auf die Zaͤh⸗ lung zu dürftigen und kleinlichen Mitteln ihre Zuflucht genom⸗ men hat. Welches ist ihr ostensibler Zweck? Es ist die Erweite— rung der Wahlkoörper, eine wirkliche National-Repraͤsentation, wie sie sagt, und folglich die Abstellung aller Mißbräuche. Welches ist ihr geheimer Zweck, ihre Begierde, die sie nicht besiegen kann? Es ist der Wunsch, sich der Gewalt zu bemächtigen. Nun glau— ben wir, daß es in beiden Faͤllen politisch und weise gewesen wäre, die Zählung aufrecht zu erhalten, die durch Vermehrung der Patentfähigen wenigstens 3066000 feindliche Waͤhler mehr geben wuͤrde. Wir sagen feindliche, weil alle Gewerbtreibende, alle Handeltreibende, die wider ihren Willen und vermittelst der ihnen auferlegten mehr oder weniger schweren Opfer, Waͤhler geworden, nothwendig dem Ministerium und der ganzen Partei, die ihr diese Last aufgebürdet, abgeneigt seyn würden. Man kann sich vorstellen, welche Folgen die Aufnahme von 30,9000 uͤbelgesinnten Waͤhlern unter die Waͤhler haben wuͤrde. Auch hat die Regie— rung sehr wahrscheinlich die Gefahr erkannt und deshalb bekannt gemacht, daß die Zaͤhlung im Jahre 1812 noch nicht auf die Pa— kente angewendet werden solle. Als Grund dafuͤr wird angege— ben, daß die Anfertigung der Steuer-Rollen bis dahin nicht be— endigt seyn koͤnne; aber dies ist blos eine Ausflucht, denn nichts ist leichter, als die Vollendung dieser Rollen fuͤr 1842.

Es ist allerdings wahr, daß, wenn die Opposition sich auf diesen Standpunkt gestellt hatte, ihr der Stoff zu zwei Monate dauernden Neckereien und Angriffen gegen die Regierung entgan— gen waͤre; es haͤtte weder eine Emeute noch ein Charivari gege— ben und die Dinge waͤren auf die einfachste und ruhigste Weise von der Welt vor sich gegangen; aber sie hat einen Skandal in der Gegenwart einem spaäͤteren Triumph bei den Wahlen und im Parlamente vorgezogen.

Die legitimistischen Journale sind bei dieser Gelegenheit nur wie gewöhnlich verfahren. Da ihre Partei nicht unter demselben Titel und unter denselben Bedingungen der Opposition zur Ge— walt gelangen kann und will, so begnuͤgen sie sich nicht mit einer Veranderung des Ministeriums, sie beduͤrfen einer großeren und allgemeineren Umwaͤlzung, die zugleich mit dem Triumph ihres Prinzips auch den Triumph ihres Koͤnigs her beifuͤhre. Es ist klar, daß bei der Verfolgung dieser Chimaͤre alle Mittel zur Opposition ihnen recht sind und daß sie, aller Vernunft und aller Logik zum Trotze, der Regierung den Krieg erklaren. .

Endlich hat das Votum der General-Conseils dem Kabinet ganz besondere Staͤrke verliehen und wird es ihm, in Verbindung mit der Rede Sir Robert Peel's vielleicht moͤglich machen, sich die Session hindurch zu behaupten, wenn nicht eines jener Ereig⸗ nisse eintritt, welche die anscheinend festesten Ministerien und die mit der groͤßten Muͤhe und Arbeit gebildeten Majoritaͤten stuͤrzen koͤnnen.

Großbritanien und Irland.

London, 8. Sept. Sir Charles Bagot, Sir Stratford Canning, der Marquis von Londonderry, Lord Stuart de Rothsay und Lord Fitzgerald haben haͤusige Unterredungen mit dem Grafen Aberdeen; es sind dies die Kandidaten fuͤr die großen Botschafter⸗ posten.

Ihre Majestat die Königin hat dem Herrn Moritz Schle— singer in Paris die große goldene Verdienst-Medaille mit dem Koͤniglichen Bildniß uͤbersandt, und zwar, wie es in dem huld⸗ vollen Begleitungs-Schreiben heißt, als Anerkennung der Dienste, welche Herr Schlesinger der Tonkunst durch die von ihm geleitete Gazette musicale, so wie durch Herausgabe der Meisterwerke lebender und verstorbener Komponisten leistet. Diese Sammlung enthaͤlt vorzugsweise die Schbpfungen des Deutschen Genius, naͤmlich die Meisterwerke von Gluck, Mozart, Beethoven, C. M. von Weber und Meyerbeer.

In der gestrigen Sitzung des Oberhauses lenkte Lord Broug⸗ ham die Aufmerksamkeit der Versammlung auf den Zustand der Straf-Gesetze des Landes. Viele Bestimmungen seyen noch in dem sogenannten „Statuten-Buch“ enthalten, durch welche ge⸗ wisse Strafen auferlegt wuͤrden, die jedoch niemals zur Aus⸗ fuͤhrung kamen, weil sie veraltet und sinnlos seyen; gleichwohl könnten jedoch diese Bestimmungen einmal das Werkzeug tyran⸗ nischer Unterdruͤckung werden. So sey neulich einmal ein edler Lord, der unabsichtlich ein Votum abgegeben, ohne sich in die Parlaments-Rolle eintragen zu lassen, dadurch einer Strafe ver= fallen, gegen welche er nur durch eine besondere Bill habe ge⸗ schuͤtz werden können. Es sey daher dringend geworden, endlich einmal zu einer Revision des Statuten-Buches zu schreiten.

Mit dem neuen Minister des Innern, Sir James Graham,. erklart sich die jetzt so ministerielle Tim es nicht ganz 1 sie besorgt von ihm namentlich einen ihr nich! e, 6. . auf die neue Armengesetzgebung, bei deren Erörterung im . ment er sich den Ansichten des Whig⸗Ministeriums zu nachgiebig

gezeig, . von Buccleugh hat das Amt einer Garderos