1841 / 357 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

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des Ministeriums des Innern (. Rogier von neuem gegen das Ministerium. „Der Herr Minister des Innern“, sagte er, „hat Ihnen das gestanden, was wir ihm vorgeworfen 1 nämlich, daß das die Aufloͤsung der Kammer zu verhindern. Und warum die Auf⸗

loͤsung verhindern? weil sie eine liberale Majoritaͤt in die Kammer

gebracht haͤtte. Dies war also kein Ministerium, um sich den An: gelegenheiten des Landes anzunehmen, sondern Rin Partei⸗Mini⸗ sterlum, welches die Wahlen in einem einer Partei guͤnstigen

Sinne bewerkstelligen wollte. Das Minssterium hat alle seine

Agenten unter das Banner des Klerus gereiht, welcher die Wahl— Operation leitete“ Der Minister des Inn ern: „Man hat fuͤr Sie das Naäͤmliche gethan.“ Herr Rogier: „Dies ist ganz falsch. Waͤre ich Minister gewesen, ich wuͤrde den Klerus aufge⸗ klaͤrt haben. Ich ware ihm nicht in dieser Bahn gefolgt. Der Klerus hat zahlreiche Schritte gethan, Besuche sind bei den Waͤh⸗ lern gemacht worden. Wohlan! was ist geschehen? In den or— thodoxen Staͤdten sind die durch die liberale Meinung unterstuͤtz⸗ ten Kandidaten gewaͤhlt worden. Man ist dem Klerus ungehor— sam gewesen, zwar in politischer Hinsicht, aber vom politischen Ungehorsam ist es nur ein Schritt zum religidsen Ungehorsam; und diesen Schritt moͤchte ich nicht machen sehen.“ Der Redner warf hlerauf dem Kabinet die Aufhebung der Direction des oͤffent— lichen Unterrichts vor. Herr Peeters wundert sich, daß Herr Rogier den Klerus so lebhaft angreife, denn, zu Luͤttich zuruͤckge⸗ wiefen, habe Herr Rogier nur der Unterstuͤtzung des Klerus seine Wahl zu Turnhout zu verdanken. Herr Rogier: „Ich habe den Beistand nicht vergessen, den die Katholiken mir in den Jahren 1831 und 18335 geleistet haben. Wenn der Klerus mich bei den Wah— len von Turnhout unterstuͤtzt hat, so geschah dies, weil er meine Un— abhaͤngigkeit, meine Unparteilichkeit, meine Mäßigung kannte. Ich bin stets der naͤmliche, unabhangig, unparteiisch gemaͤßigt. Wenn jene, die mich im Jahre 1831 unterstuͤtzten, mich im Jahre 1841 heftig bekaͤmpft haben, so geschah dies nicht, weil ich mich, sondern

weil sie sich geandert. Im Jahre 1831 wie im Jahre 1841 habe

ich mich mit der naͤmlichen Fahne, mit den naͤmlichen Grundsaͤtzen gezeigt. Ich habe sie nicht aufgegeben, ich werde sie nie aufge⸗

ben.“ Der Minister des Innern: „Wir haben bei der /

ersten politischen Diskussion, die sich in dieser Versammlung erho— ben hat, gefagt, daß seit 1830 eine gemaͤßigte, aus den gemaͤßigten Nuancen der beiden Meinungen gebildete Majoritaͤt bestand. Wenn

wir uns der Aufloͤsung widersetzt haben, so geschah dies nicht, weil

man die katholische Masoritaͤt retten wollte, sondern man wollte nicht, daß die gemaͤßigte Majoritaͤt durch eine Aufloͤsung gefaͤhrdet wurde, de— ren Wirkungen das Ministerium selbst nicht haͤtte bemeistern koͤnnen. Wir haben große Krisen bestanden; hoffen wir, daß sich deren keine aͤhnlichen mehr darbieten werden; hoffen wir, daß die naͤch⸗ sten Wahlen nicht mehr unter der Herrschaft der Leidenschaften stattfinden werden, die durch Verlaͤumdungen aufgeregt worden, denen selbst Jene keinen Glauben schenken, welche die Verläͤum⸗ dung benutzen. Der Minister bemerkte, daß in Betreff des offentlichen Unterrichts nichts abgeaͤndert worden sey; blos den Ti— tel eines Direktors habe man abgeschafft. In Betreff des mitt— leren und ersten Unterrichts bemerkte der Minister, daß er einen Bericht habe vorbereiten lassen, der zu Ende Januar werde ver— theilt werden. Er erklaͤrte ferner, daß das Ministerium die Eroͤr— terung der Kammer uͤber wichtige Gesetze abwarte. Wenn die Majoritat ihm dann fehle, wuͤrde es sich zuruͤckziehen.

In der heutigen Sitzung der Repraͤsentanten-Kammer wurde die Eroͤrterung des Budgets des Innern fortgesetzt. Herr Desch amps bestrebte sich, das gegenwärtige Ministerium gegen

T7. ihm gemachten Boripuͤrfe zu rechtfertigen. Herr Devaux wiederholte das schon fruͤher mehreremale uͤber die Wahlumtriebe Gesagte und fuͤgte hinzu, das Ministerium lebe nur durch die Gunst und die Gnade des Klerus. Herr Wallaert erklaͤrte

die Behauptung des Herrn Devaux, Geistliche hatten den Bauern

gesagt, sie wurden verdammt werden, wenn sie fuͤr die liberalen

Kandidaten stimmten, fuͤr eine Unwahrheit. Herr Nothomb: „Ich erklaͤre von neuem, daß ich das Portefeuille nur angenom— men habe, um eine Aufloͤsung zu verhindern, nachdem die parla— mentarische Majoritaͤt schon durch die dem Falle des vori— gen Kabinets vorhergegangenen Ereignisse gefaͤhrdet war. Den Beweis des Gesagten giebt Herr Lebeau selbst in seinem Bericht

an den Koͤnig, worin er sagt, daß die parlamentarische Majoritaͤt /

verschwunden sey. Das vorige Ministerium wuͤrde vielleicht noch leben, wenn Herr Devaux nicht bei seinem Antritt gesagt haͤtte, es muͤsse die Herrschaft einer Partei bezeichnen. Herr von Muelenaere wuͤnschte dem Lande Gluͤck, daß eine Aufloͤsung verhuͤtet worden, welche stets nachtheilig sey. Herr Lebeau

behauptete, das fruuͤhere Ministerium sey nur als ein Opfer einer

ungerechten Opposition gefallen, indem es mehr ein gemischtes ge—

wesen sey, als das gegenwaͤrtige, welches nur die Maske einer

Mischung trage. Nachdem Herr de Theux auf das Wort verzichtet hatte, wurde die allgemeine Eroͤrterung geschlossen.

Mons, 18. Dez. Ihre Majestaͤten der Koͤnig und die 8, 9 . Koͤnigin sind heute hier angekommen und im Gouvernements— Hotel abgestiegen.

XP Brüssel, 29. Dez, Der von der Regierung fuͤr die Han— dels-Angelegenheit nach Paris abgesandte Huͤlfs-Kommissar ist vor einigen Tagen zurückgekommen, jedoch um binnen kurzem, wahr— scheinlich mit den letzten Propositionen der Regierung dahin zuruͤck— zukehren. Die Verhandlungen werden, wie verlautet, von den Fran— zoͤsischen Kommissaren in die Lange gezogen. Ministerium nimmt offenbar Anstand, vor der ersten Pruͤfung seiner Majoritaͤt in der Kammer eine Entscheidung zu fassen. ob es gleich fortwaͤhrend den Wunsch zu erkennen giebt, eine Er— niedrigung des Tarifs in Bezug auf mehrere Belgische Haupt— Artikel den Kammern vorschlagen zu konnen. Bei den Unterhand— lungen haufen sich aber Dokümente auf Dokumente, die zur Ein— sicht genommen auch diskutirt, und dann unter dem Vorwande weiterer Instruction bei Seite gelegt, um einige Zeit nachher wieder heroorgezogen zu werden. Die Geduld der Belgischen Unterhaͤndler ist mehr als einmal guf die Probe gestellt worden. Dabel zeigt sich von Franzoͤsischer Seite eine große Zuverficht, in Betreff der etwaigen Resultate. Man glaubt, Belglen sey noth—

gedrungen, sich Frankreich anzuschließen, und die Hinweisung auf

den Deutschen Zoll-Verein von Seiten der Belgischen Kom— missare, scheint nicht die geringste Besorgniß hervorgerufen zu haben; allein die Folge wird lehren, ob Frankreich die Vorthelle ewaͤhren kann, welche Belgien nach seinem industriellen Gesammt— . von Deutschland erwarten duͤrfte.

Dänemark.

Kopenhagen, 17. Dez. Nach der im Februar 1840 vor— genommenen Zählung betrug die Bevölkerung von Kopenhagen 120 319 Seelen. Im Jahre 1834 war sie 119,292, im Jahre 1561 100575, im Jahre 1787 90932, im Jahre 1769 92571. Bedeutender hat die Bevölkerung in den Provinzialstaͤdten und

inisterium nur zur Gewalt gekommen sey, um

verschen Angelegenheiten.

Das Franzdsische

1608

auf dem platten Lande im Verhaͤltniß zugenommen. Die Bevoͤl— kerung der Provinzialstdte, die im Jahre 1769 nur 84,683 be— trug, war im vorigen Jahre 139,243.

Saͤmmtliche hier verhaftet gewesene Baptisten sind nun aus dem Arreste mit der Warnung entlassen, sich der Handlungen zu enthalten, um derentwillen sie verhaftet worden.

Deutsche Bundesstaaten.

A Leipzig, 22. Dez. Abermals erscheint hier eine neue Zeitschrift im Verlag der Buchdruckerei von Sturm und Koppe), unter dem Titel: „Allgemeines Innungs- und Herbergs— Wochenblatt. Ein National-Anzeiger fuͤr Deutschland.“ Es wird, gegen sehr billige Insertions-Gebuͤhren, aufnehmen: 1) Familien-Nachrichten fuͤr wandernde Gesellen, 2) Aufforderungen zur Ruͤckkehr in die Heimath, 3) Gesuch und Anerbieten von Lehr— lingsstellen, 4) Aufenthalts-Anzeigen in Arbeit stehender Gesellen, 5) Gesuche und Anerbieten verkäuflicher Geschaͤfte, und andere fuͤr eine weite Verbreitung bestimmte Anzeigen.

Desgleichen hat das uünlaͤngst angekuͤndigte Meßblatt, wel— ches mit dem schon bestehenden Anzeiger in Konkurrenz treten wird, seinerseits wieder einen Konkurrenten gefunden, an dem von Buschbeck herausgegebenen Fremden-Blatte, welches gleichfalls sein Absehen hauptsaͤchlich auf die Messen richtet.

Abgesehen von diesen Blaͤttern, welche, um so zu sagen, fuͤr

den Hausbedarf geschrieben werden, sind auch in unserer hoͤheren Zeitschriften-Literatur einige bemerkenswerthe Veraͤnderungen ein— getreten. Von neueren auf dem hiesigen Platze erscheinenden Zeitschriften sind zu erwähnen: die „Deutsche Monatsschrift füuͤr Literatur und oͤffentliches Leben'“, herausgegeben von

Carl Biedermann (Verlag von B. Tauchnitz jun.), von welcher

in diesen Tagen das 1ste Heft versandt wird; die „Zeitbilder; Blätter für religiöbssittliche Kultur und Literatur“ (in demselben Verlag), als deren Herausgeber ein hiesiger theolo— gischer Professor genannt wird; „Mefistofeles“, eine Art von Zeitschrift, welche in zwanglosen Heften Skizzen aus der Gegen— wart des Deutschen Lebens und der Deutschen Literatur geben wird; Verlag von Fr. Fleischer); die Revue des Auslandes“, eine Viertelsahrsschrift, welche bei O. Wigand erschienen und diesen selbst, nebst einem Dr. Le Megie, zu Redacteuren haben wird: die „Bau⸗ Zeitung“, eine Vierteljahrsschrift, von Romberg. Außerdem wird auch die Jenaische Literatur-Zeitung nach Leipzig verpflanzt, indem sie von Neujahr an in den Verlag von F. A. Brockhaus uͤber— geht, welcher sie, mit Unterstuͤtzung Seitens der Weimarischen Regierung und der Universitaͤt Jena unter dem Titel: „Neue Jenaische allgemeine Literatur-Zeitung“ fortfuͤhren wird. Die Redaction derselben bleibt jedoch in Jena. Neben diesen neuen Zeitschriften erhalten sich die alten immerfort, theilweise zwar

wohl mit einem sehr bescheidenen Wirkungskreise, theilweise aber

doch mit wachsendem Erfolge, ein Beweis, daß das Beduͤrfniß der Zeitungs-Lektuͤre auch bei uns im stetigen und raschen Vor— schreiten begriffen ist.

Stuttgart, 8. Dez. (Schwäb. Merk.) Gegenstand der Tages-Ordnung in der zweiten Kammer war heute die Ent— wickelung der Motion des Abgeordneten Knapp uͤber die Hanno— Der Abgeordnete stellt, nach vorausge— gangener Entwickelung dieser Motion, den Antrag, die Staats— Regierung zu bitten, daß sie bei der hohen Bundes⸗-Versammlung auf schleunige Wiederherstellung eines geordneten Rechtszustandes im Koͤnigreich Hannover dringen moͤge.“ Nachdem auf den An—

trag des Abgeordneten von Zwerger die Kammer einstimmig be—

schlossen hatte, daß sofort auf die Berathung dieses Gegenstandes eingegangen werde, sprachen die Herren von Zwerger, von Scheur— len und Andere zur Unterstuͤtzung desselben. Der Antrag des Ab— geordneten Knapp wurde sodann durch Erhebung der saͤmmtlichen Abgeordneten von ihren Sitzen einstimmig angenommen, und eben so der Druck dieser Motion auf den Antrag des Freiherrn von Sturmfeder in Folge geheimer Stimmgebung einstimmig be— schlossen.

Karlsruhe, 16. Dez. (A. 3.) Staatsrath Nebenius hat die auf ihn gefallene Wahl der Stadt Heidelberg, der wiederhol— ten, durch eine Deputation der Waͤhler ihm vorgetragenen Bit— ten ungeachtet, definitiv abgelehnt. Man sagt, er wolle jeden An— laß vermeiden, der ihn mit seinen fruheren Kollegen in unange— nehme Beruͤhrungen bringen koͤnnte.

Braunschweig, 18. Dez. (Staände-Verh.) Wir haben in einem fruͤheren Artikel (Nr. 343 der St. Ztg.) uͤber die Ver— handlungen der Braunschweigischen Staͤnde gemeldet, daß diesel— ben am 1. November zufammengetreten seyen; daß das Ministe— rium ihnen vorgelegt habe, 1) einen Gesetz- Entwurf uͤber Modi— ficationen und Ergänzungen der neuen Gemeinheits-Theilungs— Ordnung; 2) einen Geseß-Entwurf uͤber die staͤdtischen indirekten Abgaben zu Braunschweig und Wolfenbüttel; und damit zusam— menhaͤngend einen Gesetz-Entwurf einer allgemeinen Muͤhlen-Ord— nung, uͤber Verkauf der Muͤhlen in Braunschweig und Wolfen— buͤttel und uͤber Entschaͤdigung der Kaͤmmerei in Wolfenbuͤttel, fuͤr aufgehobenes Pflastergeld; I eine Proposition wegen Beitritts des Herzogthums zum Zoll-Verein, und 4) eine Proposition, das Zoll-Strafgesetz betreffend; und daß dann die Staͤnde schon an diesem naͤmlichen Tage bis zum 15. November wieder vertagt wurden, damit die zur Begutachtung der Propositionen niederge— setzten Kommissionen ihre Arbeiten erledigen koͤnnten.

In der Sitzung vom 15. November erstattete eine Komission ihren Bericht uͤber den vorliegenden Gesetz- Entwurf, betreffend Ergänzungen der Gemeinheitstheilungs-Ordnung, und beantragte dessen Genehmigung. Eben so erstattete eine Kommission Bericht über den Gesetz-Entwurf betreffend die städtischen Abgaben zu Braunschweig und Wolfenbuͤttel; mit der Berathung dleser Ge— setzSntwuͤrfe wurde in den folgenden Sitzungen fortgefahren.

In der Sitzung vom 29. November erstattete die Kommis— sion, welche zur Pruͤfung des Berichtes des Ausschusses uͤber die während der letzten Vertagung vom 11. Mai bis zum 1. Novem— ber vorgekommenen Geschaͤfte niedergesetzt war, ihren Bericht. Der wesentliche Inhalt desselben war, die Kommission habe die uber die bezeichneten Gegenstaͤnde vor dem Ausschusse verhandel—⸗ ten Actien eingesehen und mit dem Berichte verglichen, und köoͤnne die Anzeige machen, daß diese Akten es nachwiesen, daß der Aus⸗ schuß in diesen Angelegenheiten in den Graͤnzen seiner Befugnisse gehandelt, und die staͤndischen Rechte und Pflichten vollkommen wahrgenommen habe.

Die Sitzungen vom 29. und 30. November, so wie vom 1, 2. und 3. Dezember waren größtentheils geheim. (Sie heschaͤf⸗ tigten sich, wie man vermuthen darf, mit Verhandlungen uͤber den Anschluß an den großen Zoll-Verband, indem eine desfallsige Pro⸗ positlon der Regierung den Staͤnden vorgelegt war.)

In der i n vom 3. Dezember wurde auch eine neue Proposition der Reglerung vorgelegt, betreffend die Erweiterung der Bestimmungen des §. 10 des Wahlgesetzes. Nach §. 10 des

Wahlgesetzes soll naͤmlich die Ritterguts-Qualitaͤt fuͤr ein Gut verloren gehen, wenn ein zur Ergaͤnzung des Gutes zu verwenden— des Abloͤfsungs⸗ Kapital nicht innerhalb fuͤnf Jahren zu diesem Zwecke verwendet werde. Da es jetzt aber vielen Schwierigkei— ten unterliege, die Abloͤsungs-Kapitalien in solchem Grundeigen— thume anlegen zu können, so beantragt die Regierung, wenn ein Ritterguts⸗Vesitzen nicht im Stande gewesen sey, ein Abloͤsungs— Kapital innerhalb der vorgeschriebenen fuͤnf Jahre zur Erganzung des Guts zu verwenden, so solle der ständische Ausschuß, wenn er die dafuͤr angegebenen Gruͤnde zureichend finde, die Frist im— mer um fuͤnf Jahre verlaͤngern durfen; wenn er aber die dafuͤr angegebenen Gruͤnde nicht zureichend findet, so soll er dem Ritter— gutsbesißer, mit Genehmigung der Landes-Regierung, eine dreijährige Frist zur Verwendung des Geldes setzen, ünd soll nach fruchtlosem Ablaufe dieser dreijährigen Frist die Ritterguts— Qualität als verloren angesehen werden. Uebrigens koͤnnten die zu einem Rittergute gehbrigen Abloͤsungs-Gelder, bis zu deren Verwendung im Grund-Eigenthum, zum Ankaufe Herzoglicher Kammer- und Landes-Schuldverschreibungen verwendet wer— den. Der Antrag wurde der Kommission uͤberwiesen, die mit der Pruͤfung des Ausschuß-Berichtes beschaͤftigt gewesen war.

Braunschweig, 21. Dez. In Folge des Anschlusses un— seres Landes an den großen Deutschen Zoll-Verein ist eine Be— kanntmachung unterm heutigen Datum erschienen, welche bezinnt:

Von Gottes Gnaden, Wir, Wilhelm, Herzog zu Braur— schweig und Luͤneburg 1c. Zur Ausfuͤhrung des Vertrages vom 19. Oktober d. J. den Anschluß Unseres Herzogthums an den Zoll- und Steuer-Verein betreffend, erlassen Wir wegen der Nach— versteuerung der Bestaͤnde an ausländischen Waaren in denjeni— gen Gebietstheilen, welche nicht bisher schon dem Zoll-Systeme Preußens und den uͤbrigen Staaten des Zoll-Vereins angeschlossen waren, jedoch mit Ausnahme der Kreis- Directions-Bezirke Holz— minden und Gandersheim, auch der Königlichen Hannoverschen Enklaven Thedinghausen, Bodenburg, Oelsburg, Oestrum und Ost— haringen und des Amts Harzburg, nach ersolgter Zustimmung Unserer getreuen Stande, das nachstehende Gesetz: 5p. 1. Von den in Unseren vorgedachten Landestheilen am 1. Januar 1842 befindlichen Waaren-Vorraͤthen unterliegen der Nachversteuerung die in dem anliegenden Tarife verzeichneten Gegenstaͤnde nach den bei jedem Artikel bemerkten Abgabesaͤtzen ꝛc.

Die uͤbrigen 95. enthalten die Bestimmungen uͤber die Ver— pflichtung zur Entrichtung der Nachsteuer, uͤber die Art der An— meldung nach einem beigefuͤgten Muster, uͤber die Revision der Angabe durch eine dazu niedergesetzte Kommission und die Strafe fuͤr unrichtige Declarationen ꝛc. Der Tarif uͤber die Nachsteuer ist dem Gesetze beigefuͤgt.

Luxemburg, 14. Dez. (Deutsche Bl.) Die Herren Simons, Advokat, und Theod. Pescatore, Gutsbesitzer, sind gestern von Luxemburg abgereist, um sich nach dem Haag und von dort, mit dem Titel von Legations-Raͤthen, nach Berlin zu begeben. Der Zweck ihrer Mißsslon ist, die mit den Deutschen Staaten fur den Abschluß der kommerziellen Uebereinkuͤnfte erbͤffneten Unter handlungen zu beendigen.

Luremburg, 19. Dez. Ein Bruder des in Diekirch er— mordeten Herrn Küäborn erklärt in bͤffentlichen Blattern, es sey unbegruͤndet, daß der unheilvollen That irgend ein Wortwechsel oder Streit, und noch viel weniger ein politischer, den Zoll-Verein betreffender Zwist, vorangegangen sey.

F Luxemburg, 14. Dez. Nachdem durch die Thaͤtigkeit

der hiesigen antideutschen Partei der Anschluß des Großherzog— thums an den Deutschen Zoll-Verband vereitelt ward, nachdem sie alle Beredtsamkeit aufgeboten hat, dem Lande begreiflich zu ma— chen, wie gut es Beigien mit ihm meine und welche Vortheile aus einer innigen, merkantilen Verbindung mit diesem Staate dem Großherzogthum erwachsen wuͤrden, sieht man sich nun fast verlassen und scheint sich in seinen vielversprechenden Erwartungen getaͤuscht zu haben. . Freundschafts-Gesinnungen der antideutschen Partei fuͤr Belgien sind dort mit ziemlicher Kaͤlte aufgenommen worden. Denn was Belgien dem Großherzogthum vor der Nichtratification des Vertrags vom 8. August war, das ist es ihm nicht mehr nach derselben. Belgien weiß wohl, daß es sich durch die Politik mit— telst Handels-Verbindungen mehr kraͤftigen und befestigen muß, und in dieser Beziehung scheint es, als habe die in der juͤngsten Zeit vom Haag ausgegangene Politik Belgien nicht sehr zugefagt. Es ist daher erklärbar, wenn dieser Staat sich jetzt mehr geneigt zeigt, sich Deutschland zu naͤhern. Auch die aufrichtige Freund— schaft Frankreichs ist nach den letzten Vorgängen in Bruͤssel be— zweifelt worden, und so moͤchte ein Handels-Vertrag Belgiens mit Deutschland, fuͤr den sich so viele Stimmen erheben, zu beider Laͤnder Wohle vielleicht naher bevorstehen, als man noch vor kur zer Zeit glauben mochte.

Hieraus lassen sich nun auch theilweise die Bedingungen er— klaͤren, welche Belgien fuͤr einen Handels-Vertrag mit dem Groß herzogthum gestellt hat. Die Gegner Deutschlands hat diese un erwartete Botschaft mit der groͤßten Bestuͤrzung erfuͤllt, und die hiesige Handels-Kammer ward in Folge dessen in die lebhaftesten Debatten mit dem ihr einverleibten schwachen Theil der Deutsch Gesinnten verwickelt. Nach dem projektirten Handels-Vertrage des Großherzogthums mit Belgien sollen nicht allein mehrere der we— sentlichsten Produkte, als Leder, Eisen, Papier, Wein, welche die dortige Konkurrenz fehr erschwert haben wuͤrden, mit Abgaben belegt werden, sondern diese und mehrere andere Artikel wollte man auch nur bis zu einer gewifsen Quantität zulassen, wahrend die Belgischen Fabrikate diesseits mit sehr geringen Ab⸗— gaben, ohne Beschränkung der Quantität, eingehen sollten. Um die Abhaͤngigkeit von Belgien in dieser Sache dem Großher— zogthume noch fuͤhlbarer zu machen, war außerdem notisizirt wor— den, daß der Traktat den Kammern nur nach Erledigung verschie— dener noch obschwebender Schwierigkeiten in Betreff der Graͤnz⸗ und Schulden- Liquidations-Frage zur Genehmigung vorgelegt werden sollte. . ;

Unter diesen mißlichen Umstaͤnden bleibt nun der antideut— schen Partei, welche sich den immer lauter werdenden Beschuldi— gungen des irregeleiteten Publikums bloßgestellt sieht, nichts weiter uͤbrig, als ihre Blicke wieder anderswohin zu wenden und, wie man meint, will man nochmals zu Deutschland seine Zuflucht nehmen. In welcher Absicht, daruber sind die Meinungen noch getheilt. Genug, diesen Morgen sind aus der Mitte der anti— deutschen Partei zwei Abgesandte nach dem Haag gereist, um sich dort, heißt es, Instructlonen fuͤr eine Weiterreise nach Berlin einzuholen. Man stellt sich nun die Frage, ob es mit dieser muth⸗ maßlichen Wiederanknuͤpfung der Unterhandlungen mit dem Deut— schen Zoll-Verein Ernst sey, oder ob andere Plaͤne damit erreicht werden sollen. Nach der Tendenz, welche das Haager Kabinet bisher befolgt hat, möchte das Erste fast zu bezweifeln seyn.

Schweiz.

Genf, 14. Dez. (8. A. 3) Die Stadt hatte 65 Wahlen vorzunehmen; davon sind etwa 36 auf Radikale, 20 auf Konser— vatlve und 15 auf Liberale gefallen, die man in der Geschwindig⸗ keit Tiers-parti getauft hat. Die Vorstadt des Eaux vives, wo eine Art Land-Adel wohnt, hat zu ihren zehn Repraͤsentanten lau⸗ ter Konservative genommen. Aus St.⸗-Gervais, der Wiege Rous— seau's, sind lauter (19) Radikale hervorgegangen. Die Umge— gend des Rathhauses (College du Parc) hat hauptsaͤchlich gouver— nementale und gelehrte, aber keine radikalen Kapazitaͤten erkoren. Die beiden uͤbrigen Wahlkollegien haben gemischte Wahlen gemacht und den Radikalen die meisten Stimmen zukommen lassen. Durch die hin— zukommenden Wahlen des Landes, deren Resultat wir morgen erfahren, wird das Verhaͤltniß zwischen Konservativen und Radi— kalen nicht veraͤndert werden. Nur die liberale Mitte wird sich

dadurch verstaͤrken, und die katholischen Interessen, fuͤr welche

durch die hiesigen Wahlen nichts geschehen ist, duͤrften dort einige spezielle Vertreter finden; denn die Ermahnung des Bischofs von Genf und Lausanne in Freiburg, sich nicht in die politischen. Ta⸗ ges-Angelegenheiten zu mischen, geht nicht die Glaͤubigen uͤber⸗ haupt, sondern nur die Priester an. Die Hauptsprecher der Kon⸗ servatlven werden die Herrn Simonde de Sismondi und Cher— buliez seyn.

Die gegenwärtige Stellung des Belgischen M iniste riums, XP Brüssel, 20. Dez. Nach der Annahme der Budgets

der Einnahmen, der Finanzen und der Justiz, welche mit großer

Schnelligkeit geschehen, sind die Diskussionen bei dem Budget des

Ministers des Innern etwas lebhafter geworden, theils wegen der

persoͤnlichen Stellung des Herrn Nothomb, als eigentlichen Gruͤn⸗ ders und Chefs des gegenwartigen Kabinets, theils wegen der großen Wichtigkeit der diesem Departement zugewiesenen Verwal⸗ tungszweige, unter welchen sich auch der gesammte bffentliche Un— terricht befindet. Allein es ist vorauszusehen, daß auch dieses Bud⸗ get mit einer großen Majoritaͤt wird angenommen werden. Den äußeren Thatfachen nach, konnte man daher die Meinung hegen, daß das gegenwaͤrtige Ministerium einen festen Anhalt in der Kam⸗ mer besitze und bei den wichtigsten Maßregeln auf eine entschiedene Unterstuͤtzung rechnen duͤrfe; allein bei genauerer Abwaͤgung der legislativen Elemente wird man doch zu der Ansicht gefuͤhrt, daß das Kabinet mehr nur eine passive Duldung von der katholischen Majoritaͤt erfaͤhrt. Bei der ersten heftigen Diskussion war es schon auffallend gewesen, wie keiner der katholischen Stimmfuͤhrer dem Ministerium bei dem Andrange der liberalen Opposition zu Hůllse kam und weder den Ursprung und die Zusammensetzung desselben, noch seine bisherige Verwaltung vertheidigte; die Reden, die von denselben gehalten wurden, hatten nur den Zweck, den Liberalen die Vorwuͤrfe, welche von denselben der Geistlichkeit wegen ihrer Tendenzen, ihrer Elek— toral-Predigten und wirklichen Einmischung in die Wahlen ge— macht waren, in anderer Art eben so bitter zuruͤckzusenden, indem sie dieselben beschuldigte, durch das thoͤrigte Schreckbild einer von der Geistlichkeit projektirten Wiedereinfuͤhrung des Zehnten die Koͤpfe der Landleute verwirrt zu haben.

Das Ministerium hat nun seine Stellung zwischen den Par— teien genommen, ist aber von der einen Seite Angriffen ausge— setzt, ohne auf der anderen wirklich eine zu finden. Diese Lau— hest von Seiten der katholischen Meinung ist j doch leicht begreiflich. Seit 5 Jahren gewoͤhnt, in dem Ministexrium de Theux die Haupt-Departemente, die inneren und auswärtigen Angelegenhei— ten nebst dem Unterrichte, in den Haͤnden eines zwar gemaͤßigten, aber doch so entschieden ergebenen Ministers zu sehen, kann sie sich nur schwer entschließen, ein Kabinet zu unterstuͤtzen, das sich von jedem dominirenden Einflusse entfernt zu halten, und zwischen die Parteifragen hindurch auf das all gemeinere Interesse des Landes hinzu— steuern enkschlossen ist. Diese Richtung hat sich in unverkennbaren Akten des Ehefs des Ministeriums kundgegeben, und beide Par⸗ teien erkennen dieses auch in den Privatkreisen, nur in verschie— denem Sinne und mit Vertauschung der Rollen, an. Während die liberale Partei, ihren neuen, persoͤnlich verletzten Fuͤhrern fol⸗ gend, in der Kammer Opposition bildet, gestehen die meisten unter shnen, daß der jetzige Minister des Innern unparteiisch handele und an seiner Handlungsweise nach den Wahlen nichts zu tadeln sey, wahrend die seither einflußreiche katholische Partei in der Kammer schweigt, sich aber im Stillen uͤber die Abnahme ihres Einflusses beklagt.

Ein freimuͤthiges Wort des Ministers des Innern, daß er namlich von der Aufloͤsung der Kammern abgerathen habe, weil die bei der damaligen Aufregung vorgenommenen Wahlen die bis herige Majoritaͤt gebrochen und der liberalen Meinung ein ent schiedenes Uebergewicht gegeben haben wurden, gab auch Anlaß zu verschiedener Auslegung. Waͤhrend die liberalen Redner und Jour— nale den Minister deswegen angriffen, indem sie daraus die Fol— gerung ziehen wollten, daß die jetzige Majoritäͤt nicht der wahre Ausdruck der loyalen Meinung des Landes sey, wurde die Erklarung von der katholischen Seite im Anfange mit Bei— stimmung aufgenommen, nachher aber doch uͤbel vermerkt, da man darin die politische Bloͤße der Partei aufgedeckt zu sehen glaubte. Diese Aussage des Ministers, welche wir als sehr bezeichnend fuͤr die Lage des Landes ansehen, erlaubt bedeutende Folgerungen, und kann, unserer Meinung nach, zum Fingerzeig dienen, um die aus dieser Lage hervorgehende Politik des Kabinets zu bestimmen.

Es ist also leicht möglich, daß die liberale Meinung, unter gegebenen Umstaͤnden, im Lande das Uebergewicht erhalten kann, und damit muß die Ansicht fallen, die schon so lange im In—

und Auslande unterhalten worden ist, daß namlich Belgien unter

dem herrschenden und unbesiegbaren Einflusse der Geistlichkeit stehe, und die geistliche Macht fass das Supremat uͤber die politische ausuͤbe. Es war das eine Taͤuschung. Es hängt durchaus von der Staatsgewalt ab, welchen Einfluß sie der Geistlichkeit in den Gebleten, wo sie ihn am meisten verlangt, einraͤumen will. Sind

die Maßregeln, die Gesetz-Vorschlaͤge der Regierung im Geiste der

besonnenen Abgraͤnzung der politischen und religibsen Gewalt ab— gefaßt, sind sie der freien geistigen Entwickelung foͤrderlich, in Har— monie mit aͤhnlichen Verordnungen, welche andere gebildete Staa— ten getroffen haben, so kann die Regierung sich immer einer kraͤf— tigen Stuͤtze der gebildeten und einflußreichen öffentlichen Mei— nüng versichert halten. Denn woher war die Aufregung im Lande im Fruͤhjahr gekommen? Weshalb die Adressen von 505 großen und klei— nen Städten? Weil man vonder katholischen Partei in der Kammer ein Kabinet angegriffen sah, welches, ohne den religibsen Inter— essen zu nahe zu treten, Maßregeln im Unterrichte beabsichtigte, welche gewissen Anspruͤchen entgegengesetzt waren. Das Mini⸗ sterium trat ab, weil man mit Recht oder Unrecht befuͤrchtete, daß es seinen Einfluß in den Wahlen allein zu Gunsten der liberalen Partei verwenden wuͤrde.

1609

Bei dem neuen Kabinette ist die politische Aufgabe dieselbe geblieben; der Minister des Innern hat selbst erklärt, daß er keine andere als die von seinen Vorgaͤngern bezeichnete Politik der Maͤ— ßigung und Vermittelung befolge. Bei dem neuen Minister koͤn⸗ nen keine Befuͤrchtungen wegen seiner Tendenzen obwalten; er steht frei und ohne Engagements von der einen wie von der an— deren Seite. Jetzt gilt es aber auch die Wuͤnsche des Landes, besonders in Bezug auf den Unterricht zu befriedigen; er hat die

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Macht dazu, und wie wir glauben, auch den guten Willen. Sollte

daher die jetzige katholische Majoritaͤt in den Kammern den ge— rechten Regierungs-Anspruͤchen im Unterrichte einen hindernden Widerstand entgegensetzen, so besitzt das Ministerium das Mittel, eine Majorität im gemaͤßigten liberalen Sinne zu erhalten. Der Minister des Innern besitzt das volle Vertrauen des Köoͤnigs, des— sen Fuͤrsorge fuͤr den Unterricht und dessen Wunsch, das Gesetz in dleser Session angenommen zu sehen, bekannt ist.

Die Auflbsung der Kammern ist immer eine extreme Maß⸗ regel; allein wuͤrde sie im Interesse eines so wichtigen und be— stimmten Gegenstandes und nicht aus Gruͤnden einer vagen Par—⸗ teifrage vorgenommen, so wuͤrde das Bedenkliche schwinden und das Land dem Wunsche der Regierung bereitwillig entgegenkom— men. Wir ziehen hier nur eine Folgerung, welche jedoch jeder einigermaßen mit den Verhaͤltnissen des Landes vertraute, in Ueber— einflimmung mit der Erklaͤrung des Ministers, als begruͤndet er— kennen wird. Wir setzen aber sogleich hinzu, daß jetzt keine ent⸗ schiedene Thatsache zur Vermuthung berechtigt, daß dieser Fall eintreten koͤnnte. Der fruͤhere Minister des Innern, Herr de Theux, hat erklart, daß er ebenfalls die Diskussion des Gesetzes wuͤnsche. Sollten sich daher bei der Erörterung ungebuͤhrliche Anspruͤche geltend machen (denn es giebt Deputirte, die sogar noch weiter gehen, als der Bischof von Luͤttich) so duͤrfte ein Wort uͤber die etwaigen Folgen eines solchen Widerstandes hinreichen, um zur besonnenen Ueberlegung zuruͤckzufüͤhren. Be— trachtete ubrigens die katholische Partei die Sache nur mit groͤßerer Unbefangenhelt, so wuͤrde sie finden, daß es auch in ihrem In— teresse ist, daß diese schon seit 7 Jahren schwebende Frage, welche fuͤr die Liberalen eines der stärksten Oppositionsmittel gegen sie geworden ist, entschieden werde. Die Frage wird sonst immer ein Grund der Zwietracht bleiben und, wie schon der fruͤhere Mi— nister der auswaͤrtigen Angelegenheiten bemerkte, die Bildung ei— nes lebensfaͤhigen gemischten Kabinets unmoͤglich machen.

Die jetzigen Haͤupter der Partei koͤnnen nur dann mbgli⸗ cherweise in ein Ministerium treten, ohne neue Aufregung in das Land zu werfen, wenn die streitigen Parteifragen legislativ ent— schieden sind. Es steht in der Macht des gegenwartigen Kabinets, diese Entscheidung herbeizuführen und sich dadurch ein bleibendes Verdienst um das Land zu erwerben. Es bedarf dazu keiner in— neren Modification, die nur einen unguͤnstigen Eindruck machen und den Glauben an seine Festigkeit erschuͤttern wurde; wir haben daher auch den letzten, bald nachher widerlegten Geruͤchten keinen Glauben beigemessen. Der Minister des Innern, von dem das Meiste abhängt, besitzt Entschiedenheit im Kharakter und gewiß auch Muth und Ausdauer. . nicht durch die liberale Opposition irre machen läßt, und seine ur— spruͤngliche Bahn unverwandten Blickes verfolgt. Die Zustim— mung der unparteiischen Beobachter ist ihm dadurch gewiß, und sie wird in den gebildeten liberalen Kreisen offen ausge— sprochen.

Man weiß auch, daß der Minister, hinsichtlich des Unterrichts, die besten Absichten hegt; er widmet allen Theilen desselben seine Sorgfalt, und obgleich die gewuͤnschten Modificationen im Gesetz uͤber den Universitäaͤts-Unterricht dieses Jahr wohl nicht zur Dis⸗ kussion kommen werden, so ist doch der Minister entschlossen, meh— reren Uebelstaͤnden administrativerweise abzuhelfen. So haben wir denn auch im Lehrer-Personale der beiden Staats- Universi— taͤten, so wie der hiesigen Freien, nur Zufriedenheit mit der jeigen Verwaltung aussprechen hoͤren, und die katholische Universitaͤt hat gewiß keine Klage zu fuͤhren. Der Minister ist mit den Beduͤrf⸗ nissen des Unterrichts vertraut, die Deutschen Zustäͤnde sind ihn ebenfalls bekannt, und die einsichtsvolle Auffassung der Beduͤrf— nisse des hoͤheren Unterrichts wird sich gewiß auch in den uͤbri⸗ gen Zweigen bethaͤtigen. Die Umstaͤnde, scheinbar laͤhmend, sind bei genauerem Lichte betrachtet, guͤnstig. Die Folge wird lehren, auf welche Weise das Kabinet sie benutzt hat.

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G. G. (Nekrolog. )

Graff.

Unter den hart auf einander gefolgten Verlusten, welche der Staat und die Stadt neulich an bedeutenden Maͤnnern erlitten, wird der durch obstehenden Namen bezeichnete auch in den weiteren Kreisen des Deutschen Vaterlandes und der gelehrten Welt empfunden.

Eberhard Gottlieb Graff, geboren am 19. Maͤrz des Jahres 1780 zu Elbing, in der Heimat so mancher tiefen und schar— fen Geister, fiel mit seiner Jugendbluͤte auch in jene unselige Zeit der tiefsten Schmach des Vaterlandes durch den Erbfeind und staͤhlte daran sein festes Deutsches Gemuͤth. Urspruͤnglich nicht fuͤr den praktischen Staatsdienst gebildet, in seinen Studien zu Koͤnigsberg, war er anfangs Lehrer am Gymnasium in Jenkau, hierauf in seiner Baterstadt, wo er eine Tochterschule begruͤndete, ging dann aber im Jahre 1810 zur Regierung in Marienwerder uͤber. Als Regierungs und Schulrath, dort, so wie spaͤter (1814) in Arnsberg und Koblenz, war er in seinem Wirkungskreise vornaͤmlich auf den oͤffentlichen Unterricht und die wissenschaftlichen Anstalten gerichtet; und hier leuchtete ihm vor allen die Bedeutung der vaterlaͤndischen Sprache, so wie der darin verfaßten Werke ein, als die unangreifbarste Schutz⸗ wehr des Deutschen Volkes in seiner Zerstuͤckelung und Zerwuͤrf niß. Und als nun, nach den sieben ungluͤckseligsten Jahren des Preußischen und Deutschen Vaterlandes, endlich die große Befrei⸗ üngsstunde schlug, da gebrauchte er dieses wohlgepflegte Werkzeug kräftig und half durch Wort und That zur Austreibung der Zwing herrschaft und Herstellung des Vaterlandes. Er war im Jahre 1813 Mitglied des sogenannten Central-Comités unter dem Freiherrn von Stein („Deutschlands Edelstein“) und verfaßte unter Anderm den Aufruf der Mecklenburger zu den Waffen, der zugleich Befreiung von der Leibeigenschaft verhieß. Nach der wunderbar herrlichen Auferstehung aller Deutschen, um 1820 wieder in die Heimat ver⸗ setzt, anfangs ohne Amt, war Graff fortan vollig der Wissenschaft der vaterlaͤndischen Sprache zugewandt, erhielt 1823 die Doktor⸗ wuͤrde, und lehrte nun, seit 1824 als Professor der Hochschule zu Kö—= nigsberg, ihren wundervoll gebildeten Bau und ihre reiche Ge⸗ schichte. Nur fuͤr diese Vorlesungen bestimmte Blaͤtter der Althoch⸗ deutschen Sprache erdoͤffneten seine literarische Thaͤtigkeit und er⸗ leichterten die schwierige Zugänglichkeit und naͤhere Kunde dieser wichtigen Sprachquellen, deren Wortreichthum er schon vorlängst, nun aber vollstaͤndiger zusammenzutragen begann. Und so faßte er im Jahre 1826 den großen Entschluß, ein moͤglichst vollstaͤndiges und genuͤgendes Wörterbuch aus allen noch übrigen Althoch⸗ deuffchen Denkmaͤlern, als den aͤltesten und reichsten, naͤchst den ferner stehenden Gothischen, hervorzuarbeiten, zur festen Grundlage eines Wörterbuchs des Mittelhochdeutschen, so wie unserer lebendi⸗ gen Hochdeutschen Rede. Als Vorlaͤufer dazu erschienen im Jahre

Er hat berbsesen, daß er sich selbst

1824 „die Althochdeutschen Praäpositien en“, sein erstes der Offentlichkeit uͤbergebenes Werk, aber sogleich ein Musterwerk durch die Schäaͤrfe und Bestimmtheit der Anlage, durch die r und Gruͤndlichkeit der Ausführung, Hier zeigte sich, daß nicht leicht Jemand so geeignet war, wie er, sich auf seinen Gegenstand unver⸗ kückt zu richten, gerade aufs Ziel loszugehen, und zugleich mit ra⸗ scher Durcharbeitung alles dazu Gehörigen doch nur das Gehoͤrige hinzustellen. Dieses Werk fand allgemeine gelehrte Anerkennung, und erwarb ihm auch vom Staate die r üteß und Muße, uͤberall an Ort und Stelle die weitzerstreuten Quellen aufzusuchen und zu benutzen, so wie neue aufzuspüͤren. Wie thaͤtig und wie gluͤgllich er in beider Hinsicht auf seiner dreijährigen Reise in Deutschland, Schweiz, Frankreich und Italien gewesen, bekunden die Berichte, Auszuͤge und Abschriften in seiner Fiera (i826 - 1829. 3 Bde.) welche sich zugleich uͤber die handschriftlichen Denkmäler der gesamm⸗ ten Altdeutschen Literatur erstrecken. Vornaͤmlich aber hat Graff die Althochdeutschen Quellen fast ausgeschöpft, durch Berichtigung und Ergaͤnzung der fruͤheren Abdrucke, genaue Abschrift der unge⸗ druckten Handschriften, so wie der neu entdeckten. Als reife Frucht solcher Arbeiten erschien im Jahre 1831 die erste würdige Ausgabe unferes größten Althochdeutschen Gedichts, Otfried's Evangelien⸗ Harmonie, in der echten Gestalt, aus der aͤltesten Handschrift, mit den Lesarten und Abbildungen aller Handschriften. Und spaͤter er⸗ schienen die übrigen wichtigsten Althochdeutschen Werke: theils in berichtigten Abdrücken, wie der Isidor (in Germania oder Jahr⸗ buch der Deutschen Gesellschaft in Berlin J. 1836); theils zum erstenmal, wie die bisher ungedruckten Werke Notkers, namlich: Aristo⸗ telesKategorien (in den Schriften der Berliner Akademie der Wissen⸗ schaften, und besonders 1837); Boethius (1837, in zwei Ausga⸗ ben, eine fuͤr Schulen und Vorlesungen mit Sprach-Erlaͤuterun⸗ gen); und Mareignus Capella (is37). Zuletzt (16839, in der Quedlinburger Bibliothek der National- Literatur Bd. 49.) die Pssal men des 12en Jahrhunderts. So daß, mit den Abdruͤcken kleinerer Stuͤcke im Vorberichte zum Althochdeutschen Woͤrterbuch, ein fast vollsindiger Codex diplonmmaticus zu und neben demselben dasteht. Die⸗ ses Woͤrterbuch blieb jedoch fortwaͤhrend die Hauptarbeit, auf welche sich naͤher oder ferner alles Uebrige bezog, und zu welcher zunaͤchst die umfgssendsten Vorarbeiten in einer Reihe von achtzehn handschrift⸗ lichen stacken Folianten noch vorliegen: die Zerlegung saͤmmtlicher Althochdeutscher Quellen in ihre Elemente, die Eintragung aller Wor⸗ ter und Bildungen nach dem A B C, in ihrem vollstaͤndigen Zu⸗ sammenhange mit den Stellen, worin sie vorkommen; aus welcher Vorarbeit erst wieder die wissenschaftliche Anordnung und Vergrbei⸗ tung hervorgehen sollte. Zur Begruͤndung dieser wissenschaftlichen Verarbeitung durch naͤhere Erforschung des gesammten Indisch⸗Ger⸗ manischen Sprachstammes, kam Graff im Jahre 1838 hieher nach Berlin, wo er als Mitglied der Akademie der Wissenschaften die ihm gebuͤhrende Stelle einnahm, als solches zugleich der Universitaͤt ge⸗ hoͤrte und seitdem auch an den Arbeiten und Unternehmungen der hiesigen Gesellschaft fuͤr Deutsche Sprache und Alterthumskunde den regsten und freundlichsten Antheil nahm. Ueberall ward er bald ein traulicher Genosse und Freund: seine Herzlichkeit und Redlichkeit, seine treue vaterländische Gesinnung nahmen sogleich ein, und man erkannte bald mit Vergnuͤgen die unermuͤdliche Thaͤtigkeit, so wie die gruͤndliche, immer noch rastlos forschende Kunde in dem mit ihm ver— einenden Gebiete.

Die hohe Gnade Sr. Majestaͤt des Koͤnigs, damals Kronprinzen, den Mann und sein vaterlaͤndisches Werk Königlich würdigend, ge— waͤhrte ihm den Druck und die Ausgabe desselben ganz nach seinem Willen, ohne Zuthun und Beschraͤnkung eines Verlegers, und uͤber⸗ ließ ihm den ganzen Ertrag des auf sechs Groß⸗Quartbaͤnde angeleg⸗ ten Buches als Eigenthum: wofuͤr die Zueignungen dieses Worter— buchs und aller obigen Ausgaben auf die hingebendste Weise Dank sagen. Zugleich hat die Akademie der Wissenschaften durch Bewilli⸗ gung eines bedeutenden jahrlichen Zuschusses das Verdienst desselben foͤrderlich anerkannt. Wir haben hier nun, besonders seit 1834, wo das erste Heft erschien, die ihrer Beschaffenheit nach langsame, aber in der Ausathbeitung sichere und rastlose Fortschreitung dieses großen, wahrhaften Nationalwerkes erlebt; seine naͤheren Freunde haben sie, so viel als moglich, mit der lebhaftesten Theilnahme begleitet und er= freuen sich, so wie die Akademie der Wissenschaften, der vorgaͤngigen Mittheilung einzelner vortragbarer Theile dieser großen Arbeit, na— mentlich der grammatischen Vorberichte zu den einzelnen Buchstaben⸗ reihen, und könnten im lebendigen Gespraͤche sich naher mit ihm uͤber die schwierigen und verwickelten Gegenstaͤnde verstaͤndigen. Auch ge— hoͤrt dahin seine eigenthuͤmliche Darstellung der Deut schen Deeki⸗ nation (im Jahrbuche der Deutschen Gesellschaft 111. 1837). Alle diese zu Einem großen Ziele strebenden Arbeiten erhielten nicht nur da⸗ heim, sondern güch im Auslande, ruͤhmliche Anerkennung: Graff ward 1538 Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, und war schon nach dem fruͤhen Tode des umfassendsten und scharfsinnigsten Germanischen Sprachgelehrten, Rask, 1832, zum Nachfolger desselben als Vormann der Koͤniglichen Daͤnischen Gesellschaft der Attnordischen Sprache und Alterthumskunde berufen; welche ehrenvolle Stelle er jedoch, wegen der Entfernung, und vornaͤmlich wegen der volligen Hingebung an sein Hauptwerk, ablehnte.

Die Einwendungen, die uͤber Anordnung und Gliederung des Althochdeutschen Woͤrterbuchs, nicht nach dem A BGC, sondern nach den verschiedenen Lautreihen, und dann weiter nach den Wurzeln des gesammten Indisch⸗Germanischen Sprachstammes “), mehr erhoben als begruͤndet sind uͤbergehen wir hier, und bemerken nur, daß Graff sich freilich wohl uͤber die nothwendige Verbreitung seines mit Recht Sprach schatz genannten Buches, „selbst auf den Tischen der Frauen“, laͤuschte und den auch fuͤr Kundige schwierigen Gebrauch desselben durch die Neuhochdeutschen Register jedes Bandes nur theilweise er⸗ leichlerte: so daß ein allgemeines Register zum Schlusse des Ganzen noͤthig bleibt. Außerdem ist in Hinsicht der inneren Ausfuͤhrung noch zu bemerken, daß Graff, nach seiner kurzen, gedraͤngten Weise, Eco wo er von seinen Vorgaͤngern oder Mitarbeitern im Felde der vater laͤndischen Sprachwissenschaft abweichen mußte, es meist nur durch

Hinstellung des Richtigen that. Spaͤterhin, als er die erwuͤnschte Anerkennung nicht zu sinden glaubte, bezeichnete er diese Abweichun⸗ gen freilich schaͤrfer und namentlich, jedoch nie bitter und feindselig; und er beklagte mit uns, daß leider ein solcher Ton auch in die 26 deutsche Philologie eindrang, wo die Liebe des vaterlaͤndischen Gegen⸗= standes doch zur Einigkeit mahnen sollte. Ueberhaupt reizbar und leicht verletzlich, ward Graff auch durch gewisse kleinliche Besserlefe⸗ reien einzelner Buchstaben der alten Handschriften unndthig ge⸗ aͤrgert. Mancherlei andere Uebelstaͤnde und Verdrießlichkeiten machten ihn mißmuthig und waren seinem langjaͤhrigen Brustleiden gewiß nicht heilsam. Schon manchmal zweifelte er an der Ausfuͤhrung sei⸗ nes langathmigen Werkes, jedoch raffte er sich noch immer wieder vom harten Schmerzenslager auf und arbeitete fort, so daß er auch zuletzt noch seine Genesung hoffen ließ, wie er denn auch selber sich noch troͤstend daruͤber aͤußerte. Aber neuer Kummer und Kraͤnkung druͤckte ihn nieder, und am Tage der Leipziger Befreiungs⸗Schlacht, wo so viele edle Deutsche auf dem Bette der Ehre blieben, that er

) Der vollstaͤndige Titel verkuͤndigt schon den umfang und Sinn des großen Werkes: „Althochdeutscher Sprachschatz oder Woͤrterbuch der Althochdentschen Sprache, in welchem nicht nur zur Aufhellung der urspruͤnglichen Form und Bedeutung der heutigen Hochdeutschen Woͤrter und zur Erklarung der Althochdeutschen Schriften alle aus den Zeiten von dem 12ten Jahrhundert uns gufbewahrten Hochdeut— schen Woͤrter unmittelbar aus den handschriftlichen Quellen vollstaͤn⸗ dig gesammelt, sondern auch durch Vergleichung des Althochdeutschen mit dem Indischen, Griechischen, Roͤmischen, Litauischen, Alt⸗Preußi⸗ schen, Gothischen, Angelsaͤchsischen, Alt Niederdeutschen, Alt⸗Nordischen die schwesterliche Verwandtschaft dieser Sprachen? so wie die dem Hoch- und Niederdeutschen, dem Englischen, Hollaͤndischen, Danischen, Schwedischen gemeinschaftlichen Wurzelworter nachgewiesen sind, ety⸗= mologisch und grammatisch begrbeitet.“ Eine nahere Anzeige des er⸗ sten Heftes erschien in diesen Blaͤttern 1834, 2. November.