1842 / 356 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

27, Advokat Storm mit 26 und Landrath Rumohr mit 24 Stim⸗ men. Hierauf ging man zur Tagesordnung uͤber.

Deutsche Bund esstaaten.

München, 16. Dez. (Nu rnb. K.) Sechste öffentliche Sitzung der Kammer der Abgeordneten. . * z „Wenn ich“, so äußerte sich nunmehr der Lib *** Freiherr von Thon⸗-Dittmer, „das Wort ergreife, um über den der hohen Kammer 6 Berathung und Schlußfassung heute vorgelegten Ent⸗ wurf zu sprechen, so kann ich nicht gemeint feyn, die Berdiensie Gbthes zu schildern, oder mich in eine Kritit hieruͤber einzulassen; kann weder gemeint seyn, ihn als Dichter zu preisen, noch ihn in seiner national ⸗politischen Bedeutung herabzuziehen. Es ist richtig, 9 man sowohl in der einen wie in der anderen Beziehung hierüber Vieles sagen könnte. Es ist insbesondere dem großen Bichter oft der Vorwurf ann worden, daß er als Deut sch er zu einer Zeit, wo. Deutsche Einheit so sehr noth that, keine Worte Hen, hatte, sondern stumm blieb. rn ez steht immer fest, und daruͤber sind wir gewiß Alle einig, Paß Göthe ein Stern erster Größe gewesen, der über Deutschlands Horizont hinunter ge angen. Von diesem Ge⸗ sichtspunkte ausgehend und diefer Rücksicht kalgennd erscheint es als ein Werk der Pletäͤt, wenn man Deutschland die Sammlungen und das Kaus eines Mainnes zu erhalten strebt, dessen unsterblicher Ruhm als Dicht er so fest begruͤndet it. Ich kann in dieser Beziehun nur auf Das hindeuten, was mehrere Redner vor mir treffend un besser eh haben, als ich es sagen konnte, Allein gleichwohl draͤngt es mich, diejenigen Erwägungen in Kuͤrje zu berühren, weiche die Worte, mit denen der Herr Minister den Gesetz Entiwurf einführt, und die Grande, durch welche er unterstützt werden will, hervorrufen, und wenigstens in mir unabweislich rege gemacht haben. Mir scheint es vor Allem höͤchst erfreulich, wenn der Deutsche Bundestag wieder einmal ein ,, giebt, Ich leugne nicht, daß mich oft ein unangeneh⸗ mes Gefuͤhl beschlichen hat, von den Bestrebungen dieses hohen Deutschen Areopags so selten etwas zu höͤren, und daß, wenn hier und da von demselben etwas auftauchte, es bei Vielen nur Mißstim-= mung erregte und erregen mußte.“ (Der zweite Präsident unterbrechend: „Ich glaube nicht, daß es am Orte ist, dergleichen Beziehungen auf den Deutschen Bund in Anregung zu bringen.“ Der Redner: „Sowohl der Gesetz Entwurf als auch die Motive dazu erwaͤhnen selbst des Deutschen Bundes“ „üm so er⸗ freulicher scheint es mir, wenn mehrere Deutsche Bundes⸗ Mitglieder den Entschluß angeregt haben, das gemeinsame Band der Deutschen nationalen Einhest auch hier wieder fester ziehen zu wollen, auf daß es nimmermehr gelbst werden könne. Es cheint mir sehr richtig bemerkt worden zu sehn, daß es hier auf die größere oder geringere Bedeutung der Sache nicht anzukommen habe, und daß im Großen wie im Kleinen, daß in allen Beziehungen der Deut- sche Gemeingeist gefoͤrdert und gepflegt werden m ßte. Es heißt aber in den Motlven zu dem Gesetz Entwurfe; „Es soll der gefammten Nation ein neuer Beweis des Antheils geitefert werden, weichen die Deutschen Regierungen an der Verherrlichung des Deutschen Hamens durch pie litergrischen Bestrebungen hochbegabter Geister nehmen.“ Ge⸗ wiß ein herrlicher und af er , Entschluß! Möchte er uns zu der Schlußfolge berechtigen, daß der hohe Deutsche Bund auch fernerbin die Verherrlichung des Heutschen Namens nicht bios durch die Erhaltung literarischer Werke von Verstorbenen, sondern auch durch Peschuͤtzung der Bestrebungen und Leistungen von Mannern der Jetztzeit vor Augen behalten werde! Möchte er uns zu der Hoff⸗ nung berechtigen, daß wir fuͤr Alles, was uns noth thut und was gusgesprochen werden soll und muß, daß wir fur alle geistigen Interessen auch bei dem Deutschen Bunde Schutz inden und daß, mit einem Wort, ein den Anforderungen der Zeit entsprechendes allgemeines Preßgesetz von Seiten des Bundes uns recht bald ge— eben werde! Es ist der gegenwartige Gesetz Entwurf in unseter ammer eingefuhrt als „dem lebhaftesten Gefuͤhle für Alles, was Deutsche Ehre, Deutschen Ruhm betrifft, entkeimt.“ Pöer wollte diesem bochachtbaren Grunde etwas entgegenstellen? Wer wollte es nicht laut bekennen, daß dieser hobe Deursche Sinn, der uns vom Thron heraß überali enigegenwebt, uns mit Freude und Hoffnungen erfuͤlken muß? Aber gewiß liegt der Wunsch eben so nahe, daß die⸗ ser Deutsche Sinn bei allen 1 en gleich lebendig seyn möchte, daß überall hin der Deutsche Sinn 6h entwickeln, daß die Deutsche Volksfreiheit und ein Rechtszustand bestehen moge, wo immer Deutsche Stimme ertoͤnt und Deutsches Wort geredet wird; daß aber nicht allein Deutsche Natsonalitat, fondern auch Deutsche Freiheit geboben werde. „Natjonalitat ist nichts ohne Freiheit, Freiheit nichts ohne Nationglitaͤt“; allo las ich unlängst von ei= nem Touristen in einem bͤffentlichen Blatte. Derselbeé sagt fer⸗ ner: „Das Vaterland des civilisirten Menschen ist nicht die Scholle allein, sondern der Staat, und näher die Art des Staats. Die Nationalitaͤt als solche ist eine Thatsache der Natur. Geist und Ge⸗ schichte wird sie erst durch die Bewegung der Freiheit. Nationalität und Freiheit , ,. bilden erst den Begriff eines Volkes als Per⸗ son. Ich glaube, der Mann hat ein fehr wahres Wort gesprochen. Blicken wir aber hin nach der Weser und Leine, sehen wir wie ein biderbes Meutsches Brudervoll dort schon lange Zeit im heißen Kampfe mit der Gesetzlosigkeit und Willkür begriffen sst, und durch Jahre ahin bringen konnte, einen

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den! daß fuͤr unsere Universitaͤten Manner ausgezeichneten Rufs ge wonnen, aber auch erhalten werden, daß unsere Akademie eine seldst⸗ staͤndige bleibe, und ihre Selbststaͤndigkeit nach innen und nach außen . werde, lassen Sie uns hoffen, daß, indem man von uͤns die Anerkennung früherer Verdienste fordert, gleicher Schritt in An⸗ erkennung desjenigen, was die . enwaͤrtige Zeit fordert, eingehalten werden moge. Von dieser 66. ausgehend, stimme ich fuͤr den Gesetz⸗ Entwurf, und m auch, daß die Kammer demselben ihre Zustimmung geben könne, und daß sie auf splche Weise sich der Ehre, die erste in Deutschland zu seyn, in welchcr der vorliegende Gegen⸗ 23 . gebracht wurde, nicht unwuͤrdig zeigen wird.“

folgt.

Zufolge einer, an den Koͤnigl. Minssterial-⸗Commissair, Konsul und Kominerzien-Rath Bartels in Nurnberg, ergangenen Ent⸗ schließung des Königl. Ministeriums des Innern, hat Se. Ma⸗ jestat der Koͤnig die Zulassung der Rheinschifffahrts⸗Afssekuranz⸗ Hesellschaft zu Koͤln in Bayern bis auf weltere Allerhöoͤchste Ver⸗ fuͤgung unter der Bedingung genehmigt, daß die Gesellschaft bei ihren Versicherungs⸗Geschaͤften mit Bäyerischen Unterthanen einen vor Bayerischen Gerichten verantwortlichen Inlaͤnder als Haupt⸗ Agenten aufstelle, sobald der Kommerzien⸗Rath Bartels die Agen⸗ tur niederlegen sollte, und daß fuͤr die etwa welter aufzustellenden Agenten die Genehmigung der betreffenden Kreis-Reglerung ein⸗ geholt werde.

Sannoyer, 21. Dez. Der Koͤnig hat, auf geschehene Wahl und Präsentation von Seiten der Gsnabrückschen Provin⸗ zial⸗-KLandschaft, den Geheimen Kanzlei-Secretair Lehzen hiefelbst zum 2 und ordentlichen Mitgliede nicht⸗adeligen Stan⸗ des des Königl. Schatz⸗Kollegiums ernannt.

Oesterreich.

Prag, 19. Dez. Die seit dem Jahre 1796 bestehende Gesellschaft Patriotischer Kunsifreunde, welche die Aufnahme der bildenden Kuͤnste, Weckung und Pflege des guten Geschmacks zum Zwecke hat und mit der Aufstellung einer bleibenden Gemaͤlde— Gallerie spaͤter auch eine Akademie fuͤr Malerei und Plastik ver⸗ einigte, ist vor einigen Jahren durch die Verbindung mit dem Kunst-Verein fuͤr den Ankauf und die Verloosung der besten zur jaͤhrlichen Kunst⸗Ausstellung gelangenden Bilder auf eine sehr ersprießliche Weise erweitert worden. Wie die Kunst⸗Ausstellung von dem Fortschreiten, so zeigt auch die stets zunehmende Anzahi der Mitglieder des Kunst-Pereins von der zunehmenden Verbrei⸗ tung des guten Geschmacks und dem wachsende Sinne dafuͤr. Unsere letzte Gemaͤlde⸗Ausstellung, 341 Nummern zaͤhlend, gehörte nach dem Urtheile vielerfahrener Maͤnner zu den ausgezeich⸗ netesten in ganz Deutschland, und enthielt Zusendungen von Kuͤnst⸗ lern ersten Ranges. Entréegelder und verkaufte . liefer⸗ ten einen Ertrag von beinahe 2000 Fl. C. M., die Actien von 2199 Mitgliedern gewaͤhrten eine fuͤr den Bilder-Ankauf und das Vereinsblatt zu verwendende Summe von 10 995 Fl., und fuͤr 26 vom Vereine, dann 24 von Privaten angekaufte Bilder, wurde den an der Ausstellung theilnehmenden Kuüͤnstlern ein Betrag von 10268 Fl. C. M. zugewendet. Außerdem wirkt unser wackerer Akademie⸗Direktor Ruben nach allen Richtungen schaffend und an⸗ regend, sein Wirkungskreis erweitert sich stets, seitdem unser um die Landes Verschöͤnerung so hochverdienter Reglerungs⸗Chef dessen Beirath fuͤr alle das Kunstfach beruͤhrenden bͤffentilchen Gegen— stande in Anspruch nimmt. Die schon vor zwei Jah⸗ ren bei der Berufung Ruben's uns gewordene Hoffnung: denselben mit einer größeren offentlichen Arbeit fuͤr unsere Stadt beschaͤftigt zu wissen, ruͤckt nun auch ihrer baldigen Erfül—

lung entgegen, da die Gesellschaft patriotischer Kunstfreunde bereits den Beschluß gefaßt hat, den . von 20, 000 Fl. C. M. auf die Ausfuͤhrung großer Fresko⸗Gemaͤlde zu verwenden. Fur den Fall, daß die im ganzen Lande veranstalteten Sammlungen von Beitragen fuͤr, die würdige Begehung der auf das Jahr 1815 fallenden 500 jährigen Jubelfeier unserer Universitaͤt einen solchen Erfolg haben, daß der hrojektirte Umbau des Karolinums zu einem entsprechenden Universitaͤts Gebaͤude durch die gesammelten Bei⸗ traͤge bestritten werden kann, ist die Gesellschaft patriotischer Kunstfreunde entschlossen, mit dem erwahnten Betrage der Universitàͤt ein Geschenk zu machen, um die zu erbauende große Aula mit Fresken ausschmucken zu lassen. Ware jedoch keine bestimmte Aussicht fuͤr den baldigen Umbau der Universitaͤt, dann soll das auf der Höhe des Volksgartens liegende, von Ferdinand J., erbaute Lustschloß (irrig fuͤr Tycho de Brahe's Observatorlum allgemein , durch den Akademie ⸗Direktor Ruben im Innern mit großen Fresko⸗Malereien nach Suͤjets aus der Geschichte Boͤhmens geziert werden. Auf welche von beiden Arten das schöne Projekt übrigens ausgefuͤhrt werden möge, jeden— falls wird es der bei uns schon so lange brach liegenden Kunst einen neuen Aufschwung verleihen.

Spanien.

Madrid, 12. Dez. Dle Geruͤchte von beabsichtigten Staats⸗ streichen und Suspendirung der individuellen Freihelt erhalten sich noch immer, allein dessenungeachtet fahren die meisten hiesigen Blaͤtter fort, sich sehr heftig uber das Benehmen des Regenten auszusprechen.

Die heutige Nummer der Gaceta enthaͤlt Folgendes: „Die Journale der Oppositlon benutzen Alles, um die Regierung anzu⸗ klagen. Der Regent kommt im Hauptquartier an, uͤnd drei Tage darauf fragen die Journale, was er vor der belagerten Stat thue. Man macht dem General-Capitain ein Verbrechen aus dem Aufschub, den er den Rebellen bewilligt. Als alle Mittel der Ver⸗ soͤhnung erschoͤpft sind, wendet man die Artillerie an, und nun aͤndern die erwähnten Journale ihre Taktik; indem sie der ro⸗ mantischen Poesie die důstersten Farben entlehnen, entwerfen sie ein furchtbares Gemaͤlde von jenem bombardirten Platze, von jener großen zerstoͤrten Stadt. Heut klagt man denselben Generai der Brausamkeit an, den man, wenn er noch laͤnger gezögert haͤtte, der Feigheit beschuldigt haben wurde.“

——

Inland.

X Stolve, 17. Dez. Die gestern hier stattgehabte Feier der vor hundert Jahren erfolgten . . i marschalls Fuͤrsten Blücher ven Wahlstatt, war fuͤr die ganze Stadt und die von allen Seiten zusammengestroͤmte Bevölkerung 3 weiten Kreises der Umgegend ein wahrer Freudentag. Die Buͤrgerschaft und die Schi engilde feierten dies Fest durch ein Mir gn ahi und einen Ball im Schuͤtzenhause. Morgens um = Uhr nahm der zu dieser Feier hier eingetroffene kommandirende ; eneral des 2ten Armee⸗-Corps, General— ieutenant von Wrangel, n e e, r. . des 5ten Hu⸗

' . e dem hiesigen Landwehrstamme die Parade ab, nachdem derselbe zuvor dem n . die

hatte. Mit dem sichtbarsten Eindrucke der Freude und des Dankes hatten sowohl Offiziere als Soldaten die neuen Be⸗ weise der Gnade ihres Königs vernommen und sich still gelobt, des ehrenvollen Namens der „Bluͤcherschens Husaren“ und des

Dem um 2 Uhr stattgefundenen Mittagsmahle des Offizier⸗Corps hatten sich eine große Anzahl der n im Regiment gedienten, ausgeschiedenen Gffiziere, der Magistrat, die Geistlichkeit und die Gutsbesitzer der Umgegend angeschlossen. Den Unteroffizieren und Husaren war durch die Gnade des Koͤnigs ein Abendessen und Tanz bereitet, bei welchem Anstand und Frohsinn bewiesen, wie tief die Leute die ihnen gewordene Ehre empfanden. Den Tag beschloß eine allgemeine Erleuchtung der Stadt, welche ohne Auf⸗ forderung des Ortsvorstandes die Theilnahme der Burger fuͤr dies , Fest und ihr treuer lobenswerther Sinn hervorgeru⸗ en hatte.

Die Handels⸗Kammer von Bordeaux und die Sucker frage.

A Bordeaux, 16. Dez. Unsere Handels⸗-Kammer hat zwei Delegirte, naͤmiisch die Herren Damas den juͤngeren und Ed. Fabre beauftragt, dem Handels⸗Minister persoͤnlich eine Vor⸗ stellung zu uͤberreichen, worln die absolute Nothwendigkelt des gaͤnzlichen Aufhoͤrens der Ruͤbenzucker-Fabrication dargethan ist. Auch sammtlichen uͤbrigen Ministern, so wie den Handels⸗-Kam⸗ mern der bedeutendsten Staͤdte des Landes, wurde Abschrift dieses Aktenstuͤckes mitgetheilt.

Im Eingange desselben wird die Regierung an ihr feierlich gegebenes Versprechen erinnert, bel Eröffnung der Session der Kammern einen Gesetz-⸗Entwurf uͤber die Zuckerfrage vorzulegen; das Vertrauen und die Zuversicht ausgesprochen, daß an er⸗ sprechen auch wirklich erfüllt werde, aber auch erklaͤrt, daß damit allein noch nicht geholfen sey. „Nach so vielen Zöͤgerungen, falschen Maßregeln, unaufhoͤrlich wiederholten Opfern muß endlich eine definitive Loͤsung erfolgen, um die Ungewißheit zu beseitigen, welche seit so langer Zelt die bei der Frage betheiligten ae . benachtheiligte.“ Bie Eingabe geht dann nach wiederholter Bitte, um Vorlegung des zugesagken Gesetzes auf Reflexionen uͤber die Grundlagen uͤber, auf welchen dieses Gesetz beruhen muͤsse. Die ganz ausnahmsweise ruinoͤse Lage, in welche die bei der Zucker— frage betheiligten Interessen durch das bisherige falsche Ver— fahren durch die Widerspruͤche der Gesetzgebung gekommen, sey eben so schaͤdlich den politischen wie den Handels⸗ Interessen Frankreichs, und um ihr ein Ende zu machen, sey nur ein energisches Mittel geeignet, das der Schwierigkeit bis zum Herzen dringe, das Uebel in seiner Wurzel abschneide. Dieses bestehe einzig in der Unterdruͤckung der inlaͤndischen Zucker-Fabri⸗ cation mit Entschaͤdigung derselben. Die Motive dazu seyen die Aufrechthaltung und Kräftigung der Seemacht Frankreichs. Be⸗ sonders die Ereignisse der letzten Jahre haͤtten die Wichtigkeit derselben und die Nothwendigkeit ihrer fortschreitenden Entwicke— lung dargethan, wenn Frankreich selnen Rang in der Europaͤischen Wagschale behaupten wolle. „Die Erfolge Englands auf fast allen Punkten der Erde muͤssen unsere Aufmerksamkeit im hoͤchsten Grade rege machen“, sagt die Eingabe an den Minister, „und Ihnen das Maß der Opfer jeder Art geben, die wir uns auferlegen muͤssen, um nicht hinter dieser großen Bewegung zuruͤckzubleiben! Der Staat

kann mit Geld sich Schiffe verschaffen; seine See⸗Schulen koͤnnen ihm treffliche Marine-Gffiziere liefern; aber er kann auf seiner Flotte nicht Matrosen in hinreichender Zahl bilden; die Rekruti— rung der See⸗Armee geschieht und kann nur geschehen in der Handels-Marine; daher muͤssen alle Bemuͤhungen der Regierung unaufhoͤrlich auf Entwickelung dieser Handels-Marine zielen, Sie wissen aber, Herr Minister, daß der Transport des Rohrzuckers das maͤchtigste Mittel ist, dieses Resultat zu erlangen, und diese Transporte waren der Franzoͤsischen Marine gesichert von dem Tage an, wo die Unterdrückung des Ruͤbenzuckers den Zucker von den Kolonieen und dem Auslande zur Verproviantirung unserer Maͤrkte herbeiriefe.“

Aber das Interesse des Schatzes, heißt es dann welter, sey nicht minder dabei betheiligt. Seit sunsßhn Jahren habe diese Schmaroßtzer-Industrie (wie in der Eingabe die Ruͤbenzucker-Fa⸗ brication genannt wird) dem Schatze enorme Opfer auferlegt. Er wuͤrde dagegen davon betrachtliche Einkuͤnfte ziehen von dem Tage an, wo die Franzöͤsischen Maäͤrkte nur noch durch den Rohrzucker ver— sehen wuͤrden. Die Franzoͤsischen Manufaktur-Produkte wuͤrden vermehrte Absatzwege finden bei den Völkern, welche Frankreich den Zucker liefern wuͤrden, den die Kolonieen nicht zu liefern ver— moͤchten. Jene Vblker wuͤrden dann auch die hohen Zoͤlle auf die Franzbsischen Manufaktur⸗Produkte ohne Schwierigkeit herab⸗ setzen und so diesen noch erweiterter Absaßz zu Theil werden. Aller⸗ dings sey es ein ernster und anormaler Schritt, die Unterdruͤckung einer Industrie zu verlangen, wie wenig auch diesen Na— men eine Production verdiene, die sich einem ungeheuren Schmuggel hingebe und sich nur auf Kosten der Schiff— fahrt, des Schatzes und der Kolonieen zu erhalten vermöge. Es falle der Handels⸗-Kammer auch schwer, eine solche Maßregel zu verlangen; aber sie habe das Bewußtseyn, seit funfzehn Jahren alle erdenklichen Anstrengungen gemacht zu haben, um einen so aͤußersten Schritt zu vermeiden. Es sey nicht die Schuld der Seehaͤfen, wenn trotz ihrer wiederholten Warnun— gen die Dinge auf den Punkt gekommen seyen, daß kein Heilmit⸗ tel außer dem äͤußersten mehr vorhanden sey, und wenn sie, die stets sich fuͤr eine weise Handels⸗-Freiheit aussprachen und noch de⸗ ren aufrichtige Vertheidiger sind, sich gezwungen sehen, in der Un⸗ terdruͤckung der Ruͤbenzucker⸗Industrie den einzigen Weg des Heils zu suchen. Es sey nun einmal dahin gekommen, daß eine der zwel Industrleen unter der Konkurrenz der anderen unterliegen muͤsse. Bei dieser Alternative koͤnne die Wahl nicht zweifelhaft seyn: Der inlaͤndische Zucker muͤsse vor den großen Interessen der Marine, des Schatzes und der Kolonieen zuruͤckstehen. Aber indem man ihn be⸗ seitige, musse man gerecht gegen ihn seyn, und deshalb verlange man eine Schadloshaltung fuͤr ihn. Nachdem die Ruͤbenzucker⸗-Industrie uͤber alle Maßen aufgemuntert, ihr waͤhrend so vieler Jahre eine Praͤmie von 49 Fr. 50 Cent. per 100 Kilogramme gewährt wor⸗ den sey, die noch jetzt 22 Fr. betrage, nachdem die Kapitalien ein⸗ mal in diesen fatalen Weg gedraͤngt worden, waͤre es mehr als hart, diese Industrie aufhoͤren zu machen, ohne sie zu entschaͤdigen. Dle Regierung habe Zeit und Mittel genug gehabt, die Frage gruͤndlich zu studlren, in dieser Beziehung konne also der Vorle⸗ gung eines Gesetzes uͤber Unterdruͤckung des Raͤbenzuckers nichts entgegenstehen. Wuͤrde aber die Regierung statt derselben die S* en der Auflagen auf beide vorziehen, so muͤsse diese Gleich⸗ stellung wenigstens unverweilt Platz greifen, und zwar durch Herabsetzung der *g. auf den Kolonialzucker insoweit, bis die⸗ selbe jener auf den Ruͤbenzucker gleichkomme, aber ja nicht durch

Allerhoͤchsten Verfuͤgungen vom 171en d. M. bekannt gemacht

Erhöͤhung der Auflage auf den leßteren bis zu der Fiffer der Auf⸗

Wahlspruchs ihres unsterblichen Chefs stets wuͤrdig zu bleiben ö

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den Kolonialzucker. Jede Zoͤgerung aber waͤre den In⸗ 2 2 Ge e und 3 im hoöͤchsten Grade nach⸗ theilig

„Wir sehen vorher“ heißt es, „daß die Taktik der Vertreter der einheimischen Industrie seyn wird, die Regierung zu unter⸗ stätzen in dem Falle, wo sie die Gleichstellung in einer Frist von brel Jahren z. B. vorschlagen wuͤrde, um dann durch ein Amen⸗ dement eine noch laͤngere Frick! zu erlangen, nach deren Aus⸗ lauf der Ruin der Kolonial⸗ und Maritim-Interessen vollendet waͤre, und indem sie sich noch vorbehielten, eben aus diesem Ruin sich spaͤter eine Waffe zu machen, um die Aufrechthaltung einer Industrie zu verlangen, die nur mit Huͤlfe der exorbitantesten Pri⸗ dileglen und schwersten Opfer fuͤr den Staat in finanzieller Be⸗ ziehung, wie in Hinsicht auf die Seemacht, leben und emporkom—⸗ men konnte. Die Herabsetzung der Auflage wurde den Vortheil haben, den beträchtlichen Schmuggel mit dem Ruͤbenzucker zu ver⸗ mindern, welcher um so großer ist, je höher die Ziffer der Auf⸗ lage darauf ist: sie (die Herabsetzung) wuͤrde folglich die Gleich⸗ stellung thatsächlicher und die Ausschiießung des Rohrzuckers von unseren Maͤrkten allmaͤlig aufhoͤren machen. Wir sagen die Aus⸗ schiießung, weil in unseren Augen die Gleichstellung so unmoͤglich und illuforisch ist, daß wir nicht zweifeln, daß unter der Herr⸗ schaft dieser Maßregel der einheimische Zucker fruͤher oder spaͤter den Rohrzucker ganzlich von unseren Maͤrkten verdraͤngen wird.“

Zur Unterstuͤtzung dieser Ansichten wird sich auf die Erklaͤrun⸗ gen der einheimischen Fabrikanten selbst bei den verschiedenen vor⸗ genommenen Untersuchungen bezogen, dann auf den precagiren Zu⸗ stand der Kolonieen in Folge der gegenwaͤrtigen Gesetzgebung uͤber den Zucker sowohl als der Frage der Sklaven-Emancipation, welche ohne Unterlaß die Kolonisten bedrohe und bei ihnen jeden Gedanken an Zukunft und industrielle Fortschritte hemme, sie so verhindernd, die Vortheile der Fortschritte der Wissenschaft zu be— nutzen, um den Kampf mit dem Ruͤbenzucker bestehen zu können. Herr Humann, der doch sicherlich bei Erhebung der Auflagen fuͤr den Schatz Niemanden an Strenge und Genauigkeit nachgestan⸗ den, habe selbst zugegeben, daß die Erhebung der Auflage vom Ruͤbenzucker mit Schwierigkeiten uͤberladen, Verhinderung der De⸗ fraudation mit demselben unmoglich sey, und jedes Jahr haͤtten die Ziffern, wenn man die Quantitäten des wirklich versteuerten Zuk⸗ kers mit denen, die zum Verbrauche kamen, vergleichen wolle, be⸗ wiesen und wuͤrden auch ferner beweisen, wie unwiderstehlich die Verlockung zu einem so lukrativen Schmuggel sey, trotz aller Gesetze dagegen. Man werde gegen die durch die erwaͤhnte Herabsetzung der Auflage zu erzlesende Gleichstellung das Defizit einwenden, welches daraus fuͤr den Schatz entstehe. Dieses werde aber zum Theil durch die wirksamere Erhebung der Auflage, zum Theil durch die nothwendig eintretende Ausdehnung des Verbrauchs wieder ausgefuͤllt werden. Auch die Differentialzoͤlle auf den aus⸗ laͤndischen le muͤßten herabgesetzt werden, welches System man auch annehmen moͤge; vorzuͤglich nothwendig sey dies bei Unterdruͤckung des Ruͤbenzuckers gegen Entschaͤdigung, denn dann muͤßte man wegen Decken des ganzen Ausfalls, den die Kolonieen nicht zu decken vermochten, sich an das Ausland wenden. In beiden Faͤllen also duͤrfe der Differentialzoll 10 Fr. per 100 Kilogr. nicht uͤbersteigen; dadurch sey der Kolonial⸗Zucker hinrei⸗ chend geschuͤtzt, den Konsumenten keine zu schwere Last auferlegt, und zugleich die Handels⸗Marine beguͤnstigt. Die Handels⸗Kam̃⸗ mer bezieht sich dabei auf die dem Minister schon am 26. De⸗ zember 1841 uͤberreichten Berechnungen, und faßt am Schlusse ihrer Eingabe ihre Verlangen noch einmal zusammen in: Unter— druͤckung des Ruͤben-Zuckers mit Entschaͤdigung der Fabri— kanten und Herabsetzung des Differentialzolles auf ausländischen Zucker auf 10 Fr. per 100 Kilogr.,, als einzige wirkliche Huͤlfe in der gegenwartigen Lage; eventuell aber unmittelbare Gleichstellung der Auflage auf heide Zucker auf dem Wege der Herabsetzung und nicht der Erhoͤhung derselben.

Afghanist an.

Erster Artikel. Geschichtliche Rückblicke. Zwiespalt in den Herrsch er⸗ ö Geschlechtern. Reise⸗Berichte. , Eth nog raphisches.

Durch die Proclamation, welche der jetzige General-Gouver— neur von Ostindien, Lord Ellenborough, am 1. Oktober d. J. erlassen hat, ist nun der unter seinem Vorgänger, Lord Auckland, eingeleitete und ins Werk gesetzte Feldzug nach Afghanistan, zur Vertreibung Dost Mohamed's und Restitulrung Schach Sudscha's, ziemlich unumwunden als eine Uebereilung bezeichnet worden. Fast jeder Paragraph jenes Manifestes ist ein Vorwurf fuͤr die von den Whigs befolgte Indische Politik. Ob es fuͤr das Ansehen der Britsschen Herrschaft in Asien nicht dienlicher gewesen waͤre, mit Stillschweigen über das hinwegzugehen, was als Irrthum oder Fehler einer fruͤheren Verwaltung erschien, statt es so offen zu ruͤgen, dies kann dem Englischen Interesse zur Entscheidung uͤber—⸗ lassen werden. Wo politische Parteien einander in der Regierung abloͤsen, kommen dergleichen Recriminationen zwar immer vor, doch pflegt man sie wenigstens in offiziellen Aktenstuͤcken, die fuͤr die Oeffent⸗ lichkeit bestimmt sind, moͤglichst zu vermeiden. Die Proclamation Lord Ellenboroughs hat daher auch einen gewaltigen Sturm in der Whig⸗Presse erregt, und es sind daruber, so wie über die ganze Verfahrungsweise des General⸗Gouverneurs von Ostindien in Bezug auf Aghanistan, ohne Zweifel heftige Debatten im Par⸗ lament zu erwarten. Namentlich beschuldigt man ihn, er habe urspruͤnglich die Britischen Truppen aus Afghanistan ohne Wei⸗ teres zuruͤckziehen wollen, sie moͤchten nun vorher Genugthuung fuͤr die erlittene Schmach erlangt haben oder nicht, und dann will man wieder aus der Proclamation desselben, in der von den Ge— fangenen gar keine Rede ist, jedenfalls so viel schließen, daß er von der Befrelung dieser Letzteren die Raͤumung Afghanistanss nicht abhaͤngig zu machen Willens gewesen.

Alle diese Streitpunkte haben indeß jetzt nur noch ein Par⸗— tei⸗Interesse, nachdem wir wissen, daß es den Britischen Waffen vor dem Abzuge aus Afghanistan nicht an Genugthuung gefehlt hat, und daß die Gefangenen sich bereits in der Mitte der Ihrigen befinden. Das Wichtigsie fuͤr eine unbefangene Be⸗ trachtung ist eine Zusammenfaässung der Prinzipien, welche die gegenwartige Regierung Großbritaniens uͤber die in Indien in Bezug auf dessen nordwestliche Graͤnze zu beobachtende Politik hegt und festzuhalten beabsichtigt, so wie der Erfahrungen und ieberzeugungen, welche man durch die Expedition nach Afghani⸗ stan und ihren Verlauf gewonnen oder bestaͤtigt gefunden. Ob diese Ueberzeu ungen und Prinzipien bei den Torles schon vor dem unglůcklichen , . der Expedition durchaus festgestanden haben, wie von ihrer Seite behauptet wird, ist hier ebenfalls nicht zu untersuchen.

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vor 1839 besucht, sich selbst uͤber die dortigen Zustaͤnde getaͤuscht, oder ihre Regierung schlecht unterrichtet, oder gar absichtůich, aus irgend einem persoͤnlichen Interesse, dieselbe irregeleitet, oder wenn diese auf ihre Berichte nicht genug geachtet, wie dem nun sey,

geordneten Staats⸗Verband bilden, daß vielmehr in politischer Hinsicht eine voͤllige Anarchle unter den mit jenen Namen bezeich⸗ neten Volksstaͤmmen herrscht, und daß unter solchen Verhaltnissen eine auf das Europäische Prinzip der Legitimitaͤt zu gruͤndende Herrschaft einer Dynastie, wovon man bei der Wie dereinsetzung Schach Sudscha's ausgegangen, etwas rein Chimaͤrisches sey. Eine Dynastie erhaͤlt sich hier nur am Ruder, so lange sie durch energische Regenten repraͤsentirt wird; von National-A1nhaͤnglich⸗ kelt an eine Herrscher-Familie kann nicht gesprochen werden, wo überhaupt die Elemente fehlen, welche zu einer in sich zusammen⸗ haͤngenden Nation gehoͤren. Wo in einer Stadt oder Gebirgs⸗ Veste ein Häuptling sich Ansehen zu verschaffen weiß, da gehorchen ihm die umwohnenden Staͤmme, so lange er den Zugel mit kraͤf⸗ tiger Hand fuͤhrt und sie ihren Vortheil bei der Ünterordnung finden; die maͤchtigsten dieser Haͤuptlinge erstrecken ihre Herrschaft äber weitere Gebiete, und nominell war in der That von den Nachfolgern Achmed Schach's, der Afghanistan in der Mitte des vorigen Jahrhunderts von Persien losriß und unabhaͤngig machte, stets einer das Oberhaupt des ganzen Afghanen⸗Reichs; aber die⸗ ses Reich war selbst in seinem Umfang foͤrtwaͤhrend so schwan⸗ kend, wie das Zusammenhalten der Staͤmme, aus denen es be— stand, und die alte Feindschaft zwischen verschiedenen dieser Staͤmme, wie namentlich zwischen den Duranis und Gildschis, machte bald nach Achmed's Tode das momentane Band wieder locker, bis auch innerhalb des Durani-Stammes die Geschlechter der Baruksehi's und Suddosehi's mit einander zerfielen und unter Dost Moha— med's, eines Baruksehi, Herrschaft wiederum in diesem Geschlecht Familien⸗Spaltungen ausbrachen.

Dies Alles freilich war laͤngst bekannt; aber entweder wollte es Lord Auckland nicht beachten, oder er hielt das Wesentliche und Bleibende in den Afghanischen Volkszustaͤnden fuͤr unwesent⸗ lich und voruͤbergehend, als er Schach Sudscha, dessen Schwaͤche man noch dazu fruͤher schon hinlaͤnglich kennen gelernt hatte, und der von den Britischen Agenten als ein Mann ohne Herrscher⸗ geist geschildert worden war, aus dessen Zuruͤckgezogenheit in Lu⸗ diana wieder hervorzog und ihn, einen Suddosehl, folglich, wie man annahm, legitim und populair, an Dost Mohamed's Stelle von neuem auf den Thron setzen wollte. Die Verlegenheit war allerdings groß, da Dost Mohamed Chan, zu dem man Alexander Burnes abgeschickt hatte, um mit ihm zu unterhandeln, von einer Aussoͤhnung mit Rundschit Singh, dem Maharadscha von Lahore, nichts hoͤren mochte, wofern dieser nicht das von ihm eroberte Gebiet von Peschauer herausgaͤbe, ein Verlangen, welches der General-Gouverneur nicht zu unterstuͤtzen geneigt war. Dazu kam nun die damalige gereijte Stimmung der Britischen Regie⸗ rung gegen Rußland, welche durch das Verhalten des Russischen Gesandten in Persien und durch die Unterhandlungen Russischer Agenten in Afghanistan, worin man eine Gefaͤhrdung der Britisch⸗ Indischen Interessen erblickte, so sehr gesteigert wurde, daß man nicht rasch genug dem Vordringen eines solchen Einflusses entgegentreten zu koͤnnen glaubte. Dies mag denn wohl den Hauptanstoß zu der Expedition gegeben haben. ĩ

Aber ehe die Britischen Truppen in Afghanistan einruͤckten, mußte man in QOstindlen schon lange von den zufriedenstellenden Erklärungen wissen, die von Seiten Rußlands unterdessen mit Hinsicht auf die Schritte des Grafen Simonltsch und des Capi— tain Witkewitsch erfolgt waren, Erklärungen, welche Lord Pal⸗ merston als vollkommen befriedigend und beruhigend uͤber Ruß— lands Absichten bezeichnet hatte. Es war also noch Zeit, die Ex— pedition nach Afghanistan zuruͤckzuhalten, und daß dies nicht ge⸗ schehen, wird sowohl den Lords Palmerston und Auckland als Feh⸗ ler vorgeruͤckt, wie noch mehr dem ungluͤcklichen Alexander Burnes, der, wie man sagt, nach seiner genaueren Kenntniß von der Lage der Dinge in Afghanistan, von dem Unternehmen durchaus haͤtte abrathen sollen, und der nun selbst auf so traurige Weise ein Opfer uͤbereilter Politik geworden.

Doch es schwebt noöch so viel Dunkel uͤber dem Ursprung dieser Unternehmung, daß ein sicheres Urtheil uͤber die Sache jetzt schwerlich schon gefällt werden kann. Eben so werden uͤber den ganzen Verlauf der Begebenheiten in Afghanistan seit Schach Sudscha's Inthronisation noch naͤhere Aufklaͤrungen von Augen⸗ zeugen abzuwarten seyn, ehe man den Zusammenhang aller dor— tigen Verhaͤltnisse wird uͤbersehen koͤnnen. Dle bisherigen zerstreu⸗ ten Mittheilungen waren meist sehr wirr und abspringend, und die Proclamation Lord Ellenborough's belehrt uns nur im Allge— meinen, daß bestaͤndige Anarchie, Verbrechen und Empoͤrungen in Afghanistan geherrscht haben und noch herrschen, daß selbst Schach Sudscha's Treue gegen die Britische Regierung zweifelhaft wurde, daß er also eben so nur ein vermeintlicher Freund, wie Dost Mohamed ein vermeintlicher Feind Englands war, daß er keine Popularitaͤt genoß, und daß er zuletzt durch Meuchelmord ums Leben gekommen. Man will daher, wie der General-Gouverneur sagt, fortan den Afghanen keinen Souverain mehr wider ihren Willen aufdringen, sondern es ihnen selbst uͤberlassen, sich eine Regierung zu geben, So, indem die Britische Armee sich hinter den Sutledsch zuruͤckziehe und Afghanistan fuͤr immer räume, glaubt man Ostindien gegen einen von Westen her drohenden Feind, wenn es uͤberhaupt einen solchen gaͤbe, weit mehr gesichert, weil ein solcher Feind erst noch die Gebirgs-Paͤsse und wilden Volksstaͤmme Afghanistans, die Fluͤsse des Pendschab und den Indus zu uͤberwinden haben wuͤrde, ehe er Indien sich naͤhern koͤnnte, als wenn man Afghanistan besetzt hielte und durch Bri⸗ tische Waffen dem Thron eines Schattenkoͤnigs zur Stuͤtze diente, wodurch man die Afghanen nur aufs Aeußerste erbittern und zu Bundesgenossen jedes Feindes der Britischen Nation und des Britisch⸗Ostindischen Reichs machen waͤrde.

Ferner geht aus der erwaͤhnten Proclamation noch hervor, daß Afghanistan vollstaͤndig geraͤumt werden und die Armee uͤber den Sutledsch zuruͤckkehren, also auch keine Punkte weiter am Indus oder im Pendschab besetzt halten soll, wonach es scheint, daß General Nott blos deshaͤlb von dem Englandschen Eorps sich hat trennen und von Kandahar den Umweg aber Kabul hat nehmen muͤssen, weil man vermuthlich General Pollock's Corps allein nicht fuͤr stark genug hielt, um der bei Kabul konzentrirten Hauptmasse der Afghanen gehörig zu imponiren und sich nach Befreiung der Gefangenen inen ungestoͤrten Ruͤckzug durch die Kurd⸗Kabul⸗ und Keyber⸗Paͤsse zu sichern.

Endlich soll, der Proclamation zufolge, fuͤr jetzt noch mit keinem der Afghanen⸗Haͤuptlinge irgend eine Art von Vertrag oder Buͤndniß abgeschlossen werden, sondern man will erst abwarten, ob aus der ge⸗ genwaͤrtigen Anarchie eine geordnete Reglerung sich entwickeln wird, die hinreichende Aus sicht nu Stabilitat darbletet, um sich mit ihr in nahere Veziehungen setzen zu koͤnnen. Es hat also keiner der

So viel ist sicher: man weiß jetzt, wenn man es bisher noch nicht gewußt, wenn die Britischen Agenten, welche Afghanistan

Soͤhne Schach Sudscha's auf weitere Unterstuͤtzung von Seiten

scheint auch bereits allen ehrgeizigen Gedanken entsagt zu haben; denn er befindet sich bei dem Corps des General England, welches den Gränzen schon sehr nahe ist, und geht mit diesem nach Ost⸗ indien zuruck. Ein anderer aber, Sefter Dschoͤng, ist in Kandahar man ist jetzt uͤberzeugt, daß die Afghanen nichts weniger als einen , mn. in welchem Verhaͤltniß aber er zu den dortigen

olksstàmmen sich befindet, und woraus sein Anhang besteht, ist

nicht bekannt. Foͤttih Dschoͤng, ein dritter Bruder, der sich nach Schach Sudschäas Ermordung in Kabul als dessen Nachfolger betrachtet und in der Litadelse behauptet hat, ging dem Corps des General Pollock, als dasselbe von Dschellalabad anrůckte, bis Gundamuck entgegen und zog mit ihm zusammen im Bala Hissar ein, vermuthlich hoͤffend, die Englaͤnder wurden ihn nun als Koͤnig proklamiren. das Land auch verlassen, wenn es den Britischen Truppen nicht gelaͤnge, Akbar Chan, den Sohn Dost Mohamed's, gefangen zu nehmen.

Da er sich aber hierin geirrt, so heißt es, er wolle

Akbar Chan ist also, allem Anschein nach, von Schach Sud⸗

scha's Tode bis auf, diesen Augenblick der maͤchtigste, angesehenste und gefuͤrchtetste Häuptling unter den Afghanen gewesen, und von ihm vorzuͤglich ist ohne Zweifel der stets wiederholte Angriff und Widerstand derselben gegen die Britischen Truppen angeschuͤrt worden. Um ihn finden wir eine Menge anderer Häuptlinge ver⸗

sammelt, die von ihm, wenn auch theilweise nicht ohne Wider— spruch, sich leiten lassen. Vielleicht war er auch von fern her der

Anstifter des ersten Gemetzels in Kabul, in welchem Alexan—

der Burnes den Tod fand. Zwar traf Akbar Chan erst einige

Tage darauf aus dem Gebiet von Balkh, wohin er nach seines Vaters Niederlage und Gefangennehmung sich gefluͤchtet hatte, in Kabul ein, aber er war dann auch gleich der Mittelpunkt und

die Seele aller ferneren Unternehmungen der Afghanen. Wie es nun, bei der anscheinend allgemeinen Feindseligkeit der

Letzteren gegen die Englaͤnder, nach dem Abzug des Kabulschen

Corps und nach dessen fast totaler Vernichtung in den Kurd—

Kabul⸗Paͤssen dennoch dem Schach Sudschg, bis er durch Meu⸗

chelmord fiel, und dann seinem Sohne Foͤttih Dschoͤng noch so lange moͤglich gewesen, in der Citadelle von Kabul sich zu halten; ob sie dort noch eine so starke Leibwache von Kussilbaschis, Per⸗ sischen Soͤldnern der Afghanen-Haͤuptlinge, in ihrem Dienst hat⸗ ten, daß Akbar Chan das Unternehmen scheute, sie aus jenem festen Platz zu vertreiben, oder ob sie ihm zu unbedeutend und ungefaͤhrlich schienen, um sie einer Beachtung fuͤr werth zu halten, oder endlich, ob sie selbst eine falsche, doppelte Rolle spiel⸗ ten und es abwechselnd mit beiden Parteien hielten, alle diese Fragen sind noch in Dunkel gehüllt. Von den jetzt ausgeliefer⸗ ten Gefangenen wird man vielleicht einigen näheren Aufschluß über das Verhaͤltniß unter den Af hanen- Häuptlingen und Stam⸗ men im Verlauf dieses Jahres erhalten koͤnnen.

Noch manche andere Fragen über die inneren Verhaͤltnisse Afghanistan's in dieser letzten Zeit werden erst nach und nach ihre Beantwortung finden, manche auch wohl ungeloͤst bleiben, weil die Englaͤnder doch meist auf die Occupation einiger festen Plaͤtze be— schraͤnkt geblieben und mit den verschiedenen Volksstàmmen in dem gebirgigen Innern des Landes noch viel zu wenig in Beruͤh⸗ rung und Verkehr gekommen sind, als daß sie ganz sichere Kunde uͤber deren gegenseitige Verhaͤltnisse und Stimmung haben köonn⸗ ten. Man sieht, die Akten in dieser Sache sind noch lange nicht geschlossen; man hat blos kahle Fakta, aber es fehlt der eigentliche Zusammenhang. . ; e

Unter diesen Umstaͤnden muß jede Nachricht erwuͤnscht seyn, die

uns von neueren Reisenden und von Theilnehmern des letzten Feldzu⸗ ges uͤber Afghanistan und sein Volk mitgetheilt wird. Die bisheri⸗ gen Hauptquellen waren noch immer die Schriften des Sultan Baber, der zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts dieses Land eroberte, dann der Bericht Mount Stuart Esphinstone's uͤber seine Mission an den Hof von Kabul im Jahre 1809, wo damals noch Schach Sudscha regierte, und aus neuerer Zeit die Reise des Ca— pitain Burnes nach Kabul, der Tartarei und Persien, die derselbe in den Jahren 1831 1833 unternommen und deren Beschrei— bung er 1834 in drei Banden herausgegeben wurde. Die letzten Jahre haben die Literatur uͤber Afghanistan zwar sehr vermehrt, doch ist darunter Weniges von solchem Werth wie die obengenannten Werke. Das Wichtigste bleibt auch unter diesen der Nachlaß des Capitain Alexander Burn es, dessen gesammeltes und zum Theil schon verarbeitetes Material, uͤber seine Mission nach Kabul im Jahre 1836 und uͤber seinen dortigen Aufenthalt in den beiden folgenden Jahren, nach dessen Tode von seinem Bruder geordnet worden und kuͤrzlich unter dem Titel: „Cabool, being a personal narrative of a journey to and residence in that city“, in London erschienen ist. Naͤchst diesem sind die interessantesten neueren Publicationen uͤber Afghanistan von VBigne, Masson, Atkinson, Volney und Harland. Vigne bereiste vor eini— en Jahren die Laͤnder am oberen Indus und hielt sich dann eine Zeit lang am Hofe Dost Mohamed's auf. Atkinson und Volney machten als Britische Offiziere den Britischen Feldzug nach Af— ghanistan mit und haben ihre Skizzen uͤber die dortigen Zustaͤnde so eben publizirt.

Masson, dessen dreibaͤndiges, ebenfalls 3 kuͤrzlich erschiene⸗ nes Werk „Narrative of various journeys in Balochistan, Alfgha- nistan and the Panjab“ betitelt ist, hatte schon seit 1826 Afghani⸗ stan und einen Theil von Persien als Privatmann bereist und wurde spaͤter als Britischer Agent in Kabul angestellt, wo er mit Alexander Burnes, als dieser mit großeren Vollmachten dort ein⸗ traf, bald in Kollisionen kam und deshalb seine Entlassung neh⸗ men mußte. Seine Gereiztheit hieruͤber ist auch auf sein Ürtheil uͤbergegangen, welches daher nur mit Vorsicht aufgenommen wer— den darf; sein Buch traͤgt fast den Charakter einer Streitschrift gegen Burnes, der seinerseits freilich auch nicht immer sine ira et studio beobachtet und geschrieben zu haben scheint.

Harland endlich ist ein Amerikaner, der zuerst als Wundarzt in Diensten der Ostindischen Compagnie stand, als solcher den Birmanen⸗-Krieg mitmachte, dann aus Sucht nach Abenteuern eine Reise nach Afghanistan unternahm, dort fuͤr Schach Sudscha intriguirte, sodann zu Rundschit Sing nach Lahore ging, Gouver— neur zweier Provinzen des Pendschab wurde, nach siebenjährigen Diensten aber den Maharadscha aus Unzufriedenheit verließ und zu dessen Gegner, Dost Mohamed, nach Kabul sich begab, welchem er bis zu seiner Flucht als Ober-Befehlshaber aller seiner regulairen Truppen diente und unter anderen die Schlacht bei Dschumrud uͤber die Seikhs gewann. Jetzt lebt Harland wieder als Privatmann in den Vereinigten Staaten und hat in dlesem Jahre zu Philadelphia ein „Memoir uͤber Indien und Afghani— stan, nebst Bemerkungen uͤber den jetzigen aufgeregten und kriti⸗ schen Zustand und uͤber die Zukunft dieser Lander, so wie uͤber die Niedermetzelung der Britischen Armee in Kabul und die Britische Politik in Indien, nebst einer ausfuͤhrlichen Charakter⸗Zeichnung Dost Mohamed's und seines Hofes u. s. w.“ herausgegeben. Der Titel des Buches, der noch weiter fortgeht und unter Anderem auch einen Kommentar zu einer Prophejelung Daniel's anzeigt. verraͤth schon etwas selbstgefaͤllige Redseligkeit, und davon ig:

der Ostindischen Regierung zu rechnen. Der eine derfelben, Timur,

sich der Verfasser auch in seinen Erzählungen allerdings ni