1843 / 117 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

gereiftem Ernste und dem glänzendsten Erfolge die schwierige Bahn bes höheren Geschäftslebens im Dienste des Staates betreten haben.

Der älteste Sohn des um den Staat hochverdienten und allge⸗ mein geachteten Geheimen Ober Finanzraths Bitter welchem dieser harte Schlag eine der schönsten Freuden seines Alters zerstörte, war der Verstorbene am 13. August 189 in Schwedt geboren. Schon im 17ten Jahre bezog er, zu Dstern 1826, die Universität Berlin, begab sich dann zu Michaelis desselben Jahres zur Fortsetzung seiner Studien nach Bonn, und kehrte nach Verlauf eines Jahres, zu Michaelis 1827, wieder nach Berlin zurück, wo er seine Studien bis Ostern 1829 vollendete. Er trat sofort als Auskultator in das hiesige Stadtgericht ein, wo er bis zum Herbst 1830 be⸗ schäftigt war. Zu gleicher Zeit widmete er damals schon seine Mußestunden zu weiterer Ausbildung literarischen Beschäftigungen Ind? war namentlich einige Zeit bei der Bearbeitung des die aus wärtige Politik betreffenden Theiles der Staats⸗Zeitung thätig. Roch im Herbst 18366 wurde er als Referendarius zu der Regierung n Posen versetzt, und bereits 1832 mit der Verwaltung des in der damaligen Zeit sehr schwierigen Landrath⸗ Amtes in Wolstein beauf⸗ tragt. Auch wurde er, nachdem er im Dezember 1833 sein Examen als Assessor mit großer Auszeichnung bestanden hatte, im August 1835 definitiv zum Landrath des genannten Kreises ernannt. Im Dezember 1836 kehrte er als Regierungs- Rath bei der dortigen Regierung nach Posen zurück. Nachdem er im Jahre 1839 eine Reise nach Italien unternommen hatte, wurde er im Jahre 1841 zum Rath beim Ober Präsidium zu Posen bestimmt. Im Jahre 1812 wurde er mit dem Rothen Adler-Orden vierter Klasse begnadigt. Nach einer im Juli 1812 nach Paris unternommenen Reise ward er Mitte August als Hülfsarbeiter in das Ministerium des Innern berufen, wo er seit Anfang dieses Jahres, zum Geheimen Regierungs⸗-Rath ernannt, namenklich auch in den Preß- und Censur-Verhältnissen den Vor trag hatte. . ö .

Geheimer Regierungs-Rath Bitter wußte mit einer ties einge henden Geschäftskenntniß und einer echt vaterländischen Gesinnung sene edle Liberalität und ungesuchte Anspruchslosigkeit zu verbinden, welche ihm die Herzen Aller gewannen, die mit ihm in nähere Be— rührung kamen und allen seinen Freunden ein bleibendes Denkmal dankbarer Erinnerung sein werden. Auch hat sich die allgemeine Theilnahme bereits auf die unzweideutigste Weise ausgesprochen. Je dermann fühlt: es ist ein Edler, ein Vortrefflicher viel zu früh für die Hoffnungen dahingegangen, welche sich an sein Dasein knüpften; denn ei war einer der ergebensten und treuesten Diener seines Vater landes und seines Königs.

Berlin, 24. Okt. Am 23. Oktober fand die feierliche Ueber⸗ gabe des Rektorats der hiesigen Universität an den für das nächste Jahr gewählten und durch Allerhöchste Kabinets- Ordre vom 19. Sep⸗ tember bestätigten neuen Rektor, Professor Dr. Lachmann, statt. Der abgehende Rektor, Professor von Raumer, trug bei dieser Gelegen— heit vor, daß der Ausbau des Universitätsgebäudes fast ganz be—⸗ endigt sei und Se. Majestät der König zur Ausschmückung der Aula, die om Herrn Professor Rauch gearbeiteten Büsten der Nönige Frie⸗ drich IJ. und Friedrich Wilhelm Ill, huldreichst geschenkt habe. Ferner sind der Universität geschenkt und in der, Aula aufgestellt worden: die Büsten des Geheimeraths Rust von seinem Sohne, des Geheime— raths Reil von seinem Schwiegersohne, dem Geheimerath Krucken berg, des Geheimeraths F. A. Wolf vom Professor FJ. Tieck.

An Lehrern hat die Universität verloren, den außerordentlichen Professor der Theologie Pr. Bellermann und den Lektor der englischen Sprache Dr. von Seymour. Es gingen ferner ab: der außerordent⸗ liche Professor der Rechte Pr. von Woringen nach Freiburg, der Privat⸗-Docent Dr, Marchand nach Halle, Pr. Minding nach Dorpat, j)r. Vorländer nach Marburg. . .

Angestellt wurden, der liniversitätsrichter, Herr Kammergerichts⸗ Rath Lehnert, in der philosophischen Fakultät die ordentlichen Pro⸗ fessoren Herren Huber und Geltzer. Zu außerordentlichen Professoren wurden ernannt in der juristischen Fakultät Herr Baron Dr. von Richthofen; in der medizinischen Herr Dr. Mitscherlich; in der philo⸗ sophischen die Herren Dr. Gerhard und Panofka. .

Als Privat-Docenten wurden aufgenommen in der theologischen Fakultät die Herren Kahnis, Schof und Reuter; in der juristischen Herr Ihering; in der philosophischen die Herren Schmölders Hirsch, Märker, Heiferich, Curtius, Guniprecht, Ellendorf. Herr Professor Hr. von Mabai erhielt die Erlaubniß, in der juristischen Fakultät Vorlesungen zu halten. Zum Lektor der englischen Sprache ward er⸗ nannt Herr Dr. Solly. . ö . ;

Im vergangenen Winter-Halbjahre hörten Vorlesungen auf der

Universität 215 Personen. Im Sommer-⸗Halbjahre ....

Zusammen 145 Personen. Im abgelaufenen Jahre wurden inmatrikulirt in der theologischen Fakultät 219) juristischen v 371 medizinischen 3 philosophischen ? Summa Darunter Inländer 603, Ausländer 409. Zu Doktoren wurden ernannt in der theologischen Fakultät 2 medizinischen n 137 philosophischen » 20 zusammen 159 .

Daß in Hinsicht auf die Disziplin der Studenten nur wenig und Unerhebliches zu erinnern gewesen, geht schon daraus hervor, daß Keiner relegirt und konsiliirt ward.

Im nächsten Jahre besteht der Senat aus dem Rektor Lach⸗ mann, dem Prorektor von Raumer, den Dekanen Neander, Puchta, Busch und Dieterici, den Senatoren Rudorff, Lichtenstein, Hecker, Hengstenberg, Trendelenburg und dem Universitäts-Richter, Kammer— gerichts Rath Lehnert. .

6 6 . Königl. Hoheit des Prinzen August hat Niche Hreitisch eine Einnahme verloren. Aus dem Nachlasse

. 1 Körner ist der Universität ein Kapital von 1060

Thalern zur Gründung eines Stipendiums überwiesen worden.

*„Greifswald, 16. Ott. Die Feier des Geburtsfestes un—

seres allverehrten Monarchen wurde in di r bpiest Universität mit um so innigerer 8 n nerung an den hohen Besuch, womit Se. Majestãt . Juni . Jahres die Universität beglückt, und an die Bewesse von Did . ablassung und wohlwollendem Antheil, durch welche . . Herrscher Aller Herzen gewonnen hatte, noch in Allen lebte 8 ö. festlich aufgeschmückten großen Aula des Unitersitäts⸗ Gebäudes din nn der zeitige Rektor der Universität, Professor Erichson, in der Jest⸗ Rede die gemeinsamen Gefühle und Gesinnungen aus, und knüpfte daran die Ausführung des für diese Gelegenheit gewählten Thema's: über die unsere Zeit bezeichnenden Gegensätze des Universalismus und Partifulgrismus. Nach einer durch Vokal-Musik ausgefüllten Zwi⸗ schenpause wurden dann von demselben die Urtheile der Fakultäten

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über die auf die im vorigen Jahre gestellten Preis Aufgaben einge⸗ gangenen Abhandlungen der Studirenden, so wie die für das nächste Jahr von den Fakultäten gestellten neuen Preis Aufgaben bekannt gemacht. Den Schluß des Festes bildete ein von der ganzen zahl⸗ reichen Versammlung gesungener Choral. w Preise erhielten: Von der theologischen Fakultät die Studiren⸗ den der Theologie Schmidt aus Greifswald und Löwe aus Wettin, jeder die Hälfte des ausgesetzten Preises; von der medizinischen Fa⸗ fultät der Studirende Herm. Bücker aus Westphalen den halben Preis; von der philosophischen Fakultät der Studirende der Medizin Karsch aus Münster für die Bearbeitung einer Aufgabe aus der Logik den ganzen Preis, und der Studirende der Mathematik Eulogius Fleischer aus Kolbatz für eine historische Abhandlung den ganzen Preis. Bei der juridischen Fakultät waren auf die von derselben gestellten Auf⸗ gabe keine Arbeiten eingegangen. ö Köln, 29. Okt. Se. Königl. Hoheit der Herzog von Cam bridge, Oheim Ihrer Majestät der Rönigin von England, ist gestern

mit hohem Gefolge, von Mainz kommend, mit einem Dampsschiff der

kölnischen Gesellschaft hier eingetroffen.

Ausland.

Deutsche Bundesstaaten.

Bavern. München, 18. Okt. Man liest in der Augsb. Allg. Zeitung: In unserer Mittheilung über die Grundsteinlegung zur Ruhmeshalle unterließen wir, zu bemerken, daß der König auch dieses Gebäude, gleichwie die Siegespforte, aus Allerhöchsteigenen Mitteln erbaut. Die ihrer Vollendung nahe Bonifacius - Kirche mit dem Kloster sammt ihren Einrichtungen und Ausschmückungen, die Feldherrnhalle, die beiden Brunnen auf dem Universitäts- Platze in der Ludwigsstraße, das pompejanische Haus in Aschaffenburg, die Be—⸗ freiungshalle zu Kelheim 2c., all diese Bauführungen geschehen, wie s bef dem Saal- und Königsbau und bei Erbauung der Walhalla, dann schon früher der Glyptothek und Allerheiligen⸗ Hofkirche statt hatte, lediglich auf Kosten der Kabinets-Kasse, aus Königlichen Privat mitteln. Der Munificenz seines Königs allein dankt das Vaterland all dieses Herrliche, diese bleibenden Denkmale Königlicher Großsinnig keit und Kunstliebe, wodurch zugleich vielen Hunderten von Arbeitern Gelegenheit zu Verdienst und Erwerb gegeben ist. .

Folgendes ist die in Nr. 113 der Allgem. Preuß. Ztg. er wähnte, von dem Königl. Staatsrath ꝛc. Freiherrn von Freyberg als Verweser des Königl. Ministeriums des Innern bei der vorgestern stattgehabten Grundsteinlegung der baverischen Ruhmeshalle, an Se. Majestät den König gehaltene Anrede: „Geruhen Ew. Königl. Majestät mir zu gestatten, in einigen Worten das anzudeuten, was in diesem feierlichen Moment uns so mächtig ergreif und bewegt. Wir sehen Ew. Königl. Majestät an dien Ort herankommen, um Ihrem Volke einen neuen Beweis zu geben wie sehr es Ihnen ein Bedürfniß des Geistes und Herzens itt, bie Mine enn n des Talents, des Verdienstes und der Tugend in großartigen Werken auszusprechen, und der Mit- und Nachwelt zur Nacheiferung vor Augen zu stellen. Erst jüngst ist an den Ufern der majestätischen Donau, welche Ew. Majstůt dem deutschen Rheine vermählt haben, jener hehre Bau zur Vollen⸗ dung gekommen, der die Namen aller großen Deutschen zu verherr⸗ lichen bestimmt ist; kaum ist der Errichtung einer unserer Wassen Ehre gewidmeten Siegespforte der Anfang gegeben und schon sehen wir uns berufen, die Zeugen der Grundsteinlegung eines Monuments zu sein, das dem Ruhme jenes deutschen Volks geweiht sein soll, welches das tiefgefühlte Glück hat, den König Ludwig den Seinigen zu nen— nen. Ja, bald wird man an den Ufern des blauen Isarstroms, der hier die Stufen Ihres Thrones bespült, das mächtige Standbild der Bavaria sich erheben sehen, den stolzen Löwen an ihrer Seite, den unverwelklichen Ehrenkranz mit freudigem Selbstgefühl hoch in die Lüfte tragend, umbaut von einer Ruhmeshalle, welche die Bildnisse jener Bayern überschatten wird, die der Stolz und die Zierde des Vaterlandes zu sein verdient haben. Ganz erhabene Zwecke wer den Ew. Majestät durch dieses Monument in Erfüllung brin gen. Einmal wird die Schuld der Anerkennung und des Dan kes, mit welcher das Vaterland jene Männern verpflichtet ist, d; in Sher Geschichte als die hellsten Sterne glänzen, durch seinen König sich abgetragen sinden; und dann wird das lebende Geschlecht, wenn es seinen Blick zu diesem Denkmale erhebt, sich entzündet und begeistert finden, es denjenigen nach- und gleichzu⸗ thun, die würdig befunden sind, an der Ehre des Kranzes Theil zu nehmen, welchen Ew. Majestät der stolzen Jungfrau in die Hand gegeben, deren Standbild sich hier erheben wird als eine neue präch⸗ tige Zierde der Königlichen Hauptstadt, welche der Munificenz Ew. Königl. Majestät schon so viele herrliche Monumente zu verdanken hat. Wie sinnig sagen nicht auch Stunde und Ort der festlichen Handlung zu, welche jetzt hier begangen werden soll Heute ist ja der festliche Tag, an welchem die Gebete Ihres Volkes für die ge— liebté Landesmutter mit doppelter Innigkeit zum Himmel steigen; und von dieser Stelle aus wird ja unser Blick über die Ebene hingetra gen, auf welcher die treuen Bayern ihre Liebe zu dem Hause Wit felsbach mit ihrem Herzblute besiegelt haben. Und so stimmt denn Alles zur Erhöhung der Feier des Aktes zusammen, den Ew. Königl. Majestät unter dem Segen desjenigen beginnen zu sassen geruhen wollen, der der höchste Belohner alles Verdienstes ist.

Oesterreichische Monarchie.

Wien, 19. Okt. (Wien. Z.). Gestern, am 13. Oltober, Mittags um 12 Uhr, gertthten Se. Kaiserl. Majestat im Beisein und unter Mitwirkung Ihrer Majestät der Kaiserin, Ihrer Majestät der Kaiserin-⸗Mutter und Ihrer Kaiserl. Hoheiten der hier anwesenden durchlauchtigsten Familienglieder, dann des Kaiserl. Haus⸗= Hof und Staats- Kanzlers Fürsten von Metternich und der Kaiserl. Staats und Konferenz ⸗-Minister den Grundstein zu dem Monumente 96 Majestät des Höchstseligen Kaisers Franz J. auf dem inneren Burg— platze zu legen.

n t

Paris, 19. Okt. Herr Olozaga hat dem Könige und dem Herzoge von Nemours zwei Schreiben überreicht, durch welche die Königin von Spanien dem Herzoge von Nemours den, Orden vom goldenen Vließ verleiht. Die Insignien dieses Ordens sind von dem spanischen Gesandten in die Hände des Königs niedergelegt worden, der damit in eigener Person den Herzog von Nemours bekleidet hat. Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten war bei dieser Ceremonie zugegen. Die Ernennung des Herzogs von Nemours zum Ritter des Ordens des goldenen Vließes hatte gleich nach dem Sturze Espar⸗ tero's und nach dem Eintritt von Narvgez ins Kabinet stattgefunden. Der Herzog hat sich zu diesem Orden bei einem der hiesigen Juweliere

sehr kosibare Insignlen machen lassen, unter denen besonders ein blauer Tiamand vom reinsten Wasser hervorstrahlt, der auf 26, 000 Fr. geschätzt wird.

Ber Conseils-Präsident, Marschall Soult, ist von seinen Gütern zurück hier angekommen. Ver dritte Jahrestag des Bestehens des

Kabinets vom 29. Oktober wird diesmal nicht bei dem Marschall Soult, sondern bei dem Minister der öffentlichen Arbeiten, Herrn Teste, gefeiert werden.

Hert Lagrenée, der an den Hof von Peking bestimmte Gesandte, ist gestern mit seinem zahlreichen Missions Personal von Paris abge reist; er hat, wie man hört, den Auftrag, den Konsul Ratti⸗Menton und den Agenten Jancigny, die zu Macao an einander gerathen sind, nach Haus zu senden und einen neuen Konsul einzusetzen.

Im Kriegs- Ministerium sind vom 1. Januar d. J. an 3009 Pässe nach Algerien ausgestellt worden, meist für Familien, die sich dort niederlassen wollen; man schlägt die Zahl der Einwanderer nach Afrika während der neun Monate bis zum 1. Oktober auf 15,900 an. Jede Kolonisten- Familie, die ein baares Vermögen von 1506 Fr. nachweisen kann, erhält freie Ueberfahrt, 600 Fr. an Geld, Bauma terial und 12 Hektaren Land.

Nach Berichten aus Konstantine vom ten d. war eine Kolonne von 3000 Mann nach der Gränze von Tunis abgegangen, um die Gränzlinien zwischen dieser Regentschaft und der französischen Provinz herzustellen. - . Vor einigen Tagen sind neue Instructionen an Herrn Piscatory, den französischen Gesandten in Athen, abgeschickt worden. t

Nach der letzten Zählung beträgt die Bevölkerung Frankreichs 34,191,875 Seelen; die vorhergegangene Zählung hatte im Jahre 1836 stattgefunden und 33,540,910 Seelen ergeben.

X Paris, 19. Okt. Dem Erschlaffen und Zerfallen der legi timistischen Partei, welches seit Jahren angefangen hat und das in der letzten Zeit bis zu einem Punkte gediehen ist, von welchem bis zur völligen Auflösung nur ein Schritt zu sein scheint, begegnet in diesem Augenblicke eine Reaction, deren endliche Ergebnisse vorlausg dahingestellt bleiben müssen, von der man aber fegen kann daß si unter günstigen Umständen begonnen worden ist. Als solche hedeichnen wir nantentlich das theilweise Lockerwerden und den theilweisen Bruch der monströsen Allianz des Legitimismus mit dem demokratischen Prinzip, eine Allianz, bei welcher natürlich dem letzteren der Antheil des Löwen zufallen mußte, und welche ohne Zweifel die wirksamste Ursache aller der inneren Zerwürfnisse gewesen ist, durch welche die Partei der alten monarchischen Ideen ihre politische Macht mit eigenen Händen unter⸗ graben hat. Die hiesigen legitimistischen Blätter führen seit einigen Wochen eine heftige und alle Tage bitterer werdende Polemik gegen den National, in welche nach und nach alle übrigen Srgane der Linken hineingezogen werden zu sollen scheinen. Der Streit drehte sich , ur= sprünglich nur um die Frage von dem Verhältniß der legitimistischen Partei zum Auslande, von dem Zusammenhange der politischen Wünsche dieser Partei mit der Hoffnung auf fremden Beistand und na⸗ mentlich auf fr6mde Waffenmacht; aber. der Kampfplatz hat sich all mälig erweitert, und er ist jetzt groß genug geworden, um einen deuthchen Ueberblick über die Ausgangspunkte und die gegenseitige Stellung der Legitimisten und der Demokraten zu gestatten, und um die unversöhnlichen Gegensätze ihrer Prinzipien und ihrer Zwecke in volles Licht zu setzen. Wer konnte aufrichtiger Weise in Zweifel zie hen, daß eine solche Sonderung des Ungleichartigsten nicht blos das Interesse der politischen Moral fördern, sondern auch dem Staats Prinzipe zu statten kommen wird, das sich bisher hatte selbst derleugnen müssen, um unter der Fahne des Radikalismus kämpfen zu helfen! Wenn die Legitimisten endlich anfangen, ihr Interesse und ihre Aufgabe rich tig zu begreifen, so werden sie vor allen Dingen die Taktik der blos negativen Opposition aufgeben, mit deren Hülfe sie Frankreich in ge— rader Richtung von dem Ziel entfernen helfen, auf welches sie loszu⸗ steuern glauben. Es steht nicht zu verlangen, daß die legitimistische Partei ihren politischen Glauben aufgebe, daß sie auf ihren Kultus der Zukunft verzichte, um der Gegenwart unbedingt und ohne Vor behalt zu huldigen, daß sie, mit einem Worte, aufhöre, Opposition zu sein. Aber diese Opposition, wenn sie für konsequent, ehrenhaft und zweckdienlich gelten will, kann natürlich nur eine vom royalisti⸗ schen Geiste durchdrungene sein, sie muß alle revolutionairen Mittel verschmähen und sie muß ihre Popularität ihrer Ueberzeugung unter ordnen. Doch die Legitimisten beweisen jene Konsequenz nur auf dem kirchlichen Gebiete, wie sie sich denn zum Beispiel der Wiedereinfüh rung des Gesetzes über die Ehescheidung mit der größten Hartnäckig keit widersetzt haben und noch widersetzen. In allen rein politischen Fragen dagegen zeigen sie einen weit größeren Eifer, ihren politischen Haß zu befriedigen, als ihren politischen Sympathieen und Ansichten Genugthunng zu verschaffen. Hinge es von den Legitimisten ab, so würden lieber heute als morgen alle Garantieen der Stabilität und der Ordnung des Staatswesens abgeschafft, würde die Pairs-Kam⸗ mer aufgehoben, das Königliche Veto beseitigt, der Wahl-Census auf Null herabgesetzt, wiewohl alle diese Dinge in einer restaurirten Mo narchie unfehlbar nicht nur für unentbehrlich, sondern auch der Ver⸗ stärkung bedürftig erachtet werden würden. In dem heutigen Frank reich aber ist der Geist der Revolution zum guten Theile, Dank der legitimistischen Opposition, weit tiefer in das innerste Leben der Gesellschaft gedrungen, als am Schlusse der Epoche des Kaiserlichen Despotismus. . - Wenn die Legitimisten jetzt endlich auf dem eingeschlagenen fal schen Wege umkehren, so werden sie wenigstens einen gewissen Vor⸗

theil davon haben, den, ihre historische Rolle zu rehabilitiren.

Grossbritanien und Irland.

London, 18. Okt. Der gestern veröffentlichte Status der Staats-Ausgaben für das mit dem 19. Oktober beendete Finanzjahr 1843 ergiebt einen Ueberschuß von 908,541 Pfd. der Einnahme über die Ausgabe. Die erstere betrug. wie bereits gemeldet ist, nl, 920,958 Pfd., die letztere 51,9 iz, 117 Pfd. Es ist dies seit 1837 das erste Jahr, welches einen Ueberschuß ergiebt. .

DeConnell's Verhalten gegenüber der Regierung, so wie die geschickte Begründung seiner neuen Stellung zu dem Repeal - An⸗ hange, verdienen mit Recht die Bewunderung, welche die Presse seinem Talente als Agitator zollt. Es ist keine Frage, dab. die Pro⸗ lamation der Regierung eine Aenderung in der Stellung D WLConnell s bewirkt hat, denn was er jetzt spricht, steht in direkten Widerspruch mit dem, was er dem Volke auf den großen Versammlungen er⸗ zählt hat, aber diese neue Stellung hat ihm, bis jetz noch nichts von seinem Einflusse geraubt, und das durch seine Declamationen zu den höchsten Erwartungen gespannte Volk begrüßt, seine kleinmüthige um Frieden bittende Rede mit demselben Enthusiasmus, wie seine früheren trotzigen Drohungen und Ausfälle gegen Alles, was ihm nicht anstand. „Die Proclamation der Regierungs“ sagt die Times, „würde jeden anderen Demagogen zu Grunde gerichtet haben; aber nicht ihn. Er. verschlingt sie wie ein Taschenspieler auf dem Jahrmarkte blanke Messer. Solche Streiche waghälsiger Geschicklich⸗ keit gehören mit zu seinem Gewerbe. Seine Begleiter sehen ihn an, staunen, klatschen Beifall und bezahlen. Was kann der geschickteste Zauberer mehr verlangen?“ Die vorgestern an der dubliner Korubörse abgehaltene Wochen Versammlung des Repeal-Vereins, welcher der Agitator beiwohnte, war durch solche Manöver ausgezeichnet. Nach= dem dieselbe von dem Vorsitzenden O'Neill, der die Stelle John O'Connell's einnahm, durch eine überaus mãßige Rede einge⸗ leitet war, worin sogar der Gebrauch der gewöhnlichen Lieblings⸗ Worte des Agitators, namentlich die Benennung Sachsen für Eng-

länder, als unangemessen bezeichnet wurde, sprach O'Connell selbst. Zuvörderst versprach er, für die Zukunft das anstößige Wort „Sach⸗ sen“ nicht mehr zu gebrauchen, worauf er die Erklärung folgen ließ, daß er niemals mit der Repealbewegung etwas anderes be⸗ zweckt habe, als die Herstellung eines Föderal⸗ Parlaments für Irland nach dem Beispiele Kanada s. O'Connell beabsichtigt, durch diese Erklärung der für ihn nachtheiligen Auslegung seiner frühe⸗ ren Reden vorzubeugen, in denen die immer wiederholten Worte: „Irland für die Irländer und nicht für die sächsischen Ver⸗ aiher“ wohl einen anderen Sinn zulassen, als die Bildung eines föderalen Parlaments. Ein solches Parlament aber wird jetzt vor theilhafter gefunden, als eine unabhängige Legislatur, weil nicht allein bie Proclamation der Regierung, die große Militairmacht und die Besorgniß vor strengeren, Maßregeln den Agitator eingeschüchtert ha⸗ ben, sondern ihm zur Bildung desselben auch der Beistand von Eng⸗ ländern selbst angeboten wird. Das Chartistenhaupt Joseph Sturge bietet namlich dem irländischen Agitator seine Armer an, wenn er ein föderales Parlament mit allgemeinem Stimmrecht für Irland organisi⸗ ren wolle. S'Connell las der Versammlung das Schreiben Sturge's vor und legte seine Freude über den versöhnlichen Geist beider Länder an den Tag. Juletzt kommentirte er noch seine früheren Reden, worin er zun? Wöoerstand gerathen habe; seine Meinung dabei sei gewesen, daß derselbe erst eintreten sollte, wenn ihnen jedes constitutionelle Recht genommen wäre; so lange aber noch ein Stück der Constitution ihnen gelassen würde, sei an keinen Widerstand von ihrer Seite zu denken. Er schloß sodann mit der Erklärung, daß, obgleich er denen in England eine Konzession zu machen bereit seit, und für die Herstellung eines Föderal-Parlaments stimme, er dennoch nichts in seinem früheren Tone ändere (in der ganzen Rede aber herrscht gegen die früheren eine andere Sprache); „ich gebe kein einziges Recht des irländischen Volks auf“, sagte er, „sondern ich bin bereit, demselben auf die förderlichste Weise zu seinem einstimmig erklärten Ziele zu verhelfen.“ Eine wiederholte Ermahnung zur Ruhe beschloß die mit großem Beifall aufgenommene Rede.

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Aus dem Haag, 20. Okt. (Journ. de la Haye.) In der heutigen Sitzung der zweiten Kammer wurde derselben angezeigt, daß Se. Majestät der König aus den drei von der Kammer erwähl ten Kandidaten Herrn Luhben zum Präsidenten für die Session 1843 —1844 ernannt habe.

Das Uebungs-Geschwader, welches unter dem Befehle des Prin— zen Heinrich nach dem mittelländischen Meere abgesandt worden war, ist zum größten Theil am 14ten wieder in Vliessingen eingetroffen.

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Telegraphische Depesche aus Spanien. Heute um 2 Uhr hat der Conseil-Präsi

Paris, 18. Okt. Madrid, 15. Olt.

welches die

Präsidenten des Senats ernannt worden.

Herzog von Rivas und der Graf von Espeleta. Herr Carnerero ist an Herrn Aguilar's Stelle zum spanischen Gesandten in Lissabon er⸗ nannt worden. Die Ordnung wurde nicht einen Augenblick zu Ma⸗ drid gestört.

X Paris, 19. Okt. Man versichert, daß Herr Olozaga vou der herrschenden Partei in Madrid zum Präsidenten des Kabinets bestimmt ist, welches die Majorität des Kongresses der jungen Königin nach der Erklärung ihrer Volljährigkeit vorschlagen zu müssen glaubt. Es wird indessen bezweifelt, daß Herr Olozaga sich willig finden lassen werde, der verantwortliche Chef eines Ministeriums zu sein, bei dessen Zusammensetzung er nicht einmal um seine Meinung gefragt worden ist, geschweige denn, daß er einen entscheidenden Einfluß auf dieselbe gehabt hätte, auf ein Ministerium, das überdies aus verschiedenartigen Bestandtheilen bestehen muß, wenn sowohl die Christinos als die mi—⸗ nisteriellen Exaltirten mit demselben zufrieden sein sollen. Herr Olo zaga, der schon oft einen sehr feinen Takt bewährt hat und dem es offenbar darauf ankommt, sich selbst, seine politische Figur, so viel als möglich zu schonen, um seiner Zukunft nichts zu vergeben, Herr Olszaga dürfte es wahrscheinlich seinem Interesse entsprechender finden, den Verlauf der ersten Zeit der Selbstregierung Isabella's II. auf seinem bequemen Gesandtschafts-Posten in Paris abzuwarten, als sich bei dem neuen parlamentarischen Drama in Madrid unmittelbar selbst und noch dazu in der schwierigsten Rolle zu betheiligen.

Der General Sanz wagt keinen entscheidenden Angriff auf Barce long zu unternehmen, ehe er nicht Verstärkungen erhalten hat, die er wohl nur von der Vereinigung des Primschen Corps mit dem Bela gerungsheere erwarten darf. Aber die lange gehegte Hoffnung, die Truppen Prim's endlich disponibel werden zu sehen, scheint noch ziem⸗ lich weit von ihrer Erfüllung entfernt zu sein, da Gerona noch keine Miene macht, dem Sieger von Reus seine schon dreimal vergebens beschossenen Thore zu öffnen. Prim schickte sich an, am 11ten einen vierten Angriff zu unternehmen, und er hatte in dieser Ab— sicht die zur Führung der Waffen unfähige Bevölkerung auf gefordert, die Stadt zu verlassen. Bei dem Sturme vom ten dessen Mißlingen er auch in seinem amtlichen Berichte an den General— Capitain dem Umstande zuschreibt, daß die Belagerten im entscheiden⸗ den Augenblicke eine weiße Fahne aufgesteckt, während es doch gewiß ist, daß Prim selbst durch die Absendung eines Trompeters sich eine äußerst blutige Niederlage erspart hat) ist es den Belagerern von , , g, . . ö . zu bemächtigen. Die kleinen Orte . a. a2 un 2 ö. ö. 1e letzten in ganz Tatalonien, in denen, außer Barcelona und Gerona, die Fahne des Aufstandes noch wehte, sind von den Truppen der Regierung besetzt worden. :

. Der General Prim hat einen kurzen Waffenstillstand mit der Junta von Gerona geschlossen, und derselben erlaubt, zwei Abgeord— nete nach Barcelong zu schicken, um sich von der dortigen Lage der Dinge mit eigenen Augen zu überzeugen, und eine dem Resultate die⸗ ser Sendung entsprechende Beschlußnahme fassen zu können. Die 5 der Junta sind wirklich vor Barcelona angekommen, . der General Sanz hat ihnen den Eintritt in die belagerte Stadt versagt, und sie haben unverrichteter Sache nach Gerona zurückkehren müssen. Das den Insurgenten in Gerona von Prim gemachte An— bieten des freien Abzuges nach Frankreich, ist zurückgewiesen worden. Eine Deputation von angesehenen Einwohnern der benachbarten Städte, welche sich am 10ten von dem Hauptquartiere des Gene— rals Prim aus nach Gerona begab, um der Junta zum Kapituliren n zur Vermeidung ferneren Blutvergießens Auzureden, scheint durch . orstellyg gen gleichfalls keinen großen Eindruck hervorgebracht zu haben. In dem Lager vor Gerona herrschte an 10ten eine große Bewegung, die auf einen bevorstehenden allgemeinen An tiff hindeutete. Der General Prim hat 35060 bis ö Man . seinen Befehlen, unter denen 4 bis 500 Mann Reiterei . 3 ö pen erhalten zwar ziemlich regelmäßige Soldzahlung en, aber sie fe iiber allen Ausdruck zerlumpt und abgerissen. Cunz señ ö Bal ( J hat die Uniformen der entwaffneten Nttonal erb 36 I en angelegt; Der General Prim soll durch das wiederholte Sz lhnen seiner Versuche, sich Gerona's zu bemächtigen, in eine große Er⸗

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bitterung versetzt worden sein. Er hat jetzt das ihm anfangs feh lende Belagerungs-Geschütz erhalten, und mehrere Mörser-Batterieen vor der Stadt aufgepflanzt.

Die Junta von Gerona hat auf Verwendung des französischen Konsuls in Palomar den in der vom General Prim belagerten Stadt ansässigen Franzosen die Erlaubniß zur Auswanderung gegeben.

Aus Pamplona erfahren wir, daß die dortige National- Garde, aus vier Compagnieen Infanterie und einer Schwadron Reiterei be⸗ stehend, am 13ten entwaffnet worden ist. Diese Entwaffnung ist durch eine Verschwörung nothwendig gemacht worden, deren Zweck es war, sich der Citadelle zu bemächtigen und die Central-Junta auszurufen. Mehrere bei diesem Komplott betheiligte Militairs sind verhaftet, Andere sind flüchtig in Bayonne angekommen. Im Allgemeinen herrscht übrigens in den Nord-Provinzen fortwährend Ruhe und Stille, die nur hier und da durch einen vereinzelten und erfolglosen militairischen Meuterei-Versuch unterbrochen wird.

Der General Concha hat am 12ten einen heftigen Angriff

auf Saragossa gemacht und sich der Vorstadt San Jose bemächtigt. Die Stadt selbst fuhr am 13ten fort, sich zu vertheidigen.

Man erwartet in Bayonne die Ankunft des General-Direktors des spanischen Postwesens, welcher mit den französischen Post⸗Behör⸗ den die Maßregeln zur Srganisation eines neuen täglichen Postdien stes zwischen Madrid und der französischen Gränze verabreden will Die Vorbereitungen zu dieser Einrichtung sind in Spanien so weit gediehen, daß der neue Dienst noch im Laufe dieses Monats begin ien kann. Die Post wird künftig den Weg von Madrid nach Bayonne, etwa 2290 französische Lieues, in 60 Stunden zurücklegen.

Griechenland.

Ein zweiter Artikel der Deutschen Allgemeinen Zeitung über die griechischen Angelegenheiten lautet wie folgt:

„Das Geschick des griechischen Staates beruhte seit dessen Ent stehung vorzugsweise in den Händen der drei Schutzmächte; Griechen land kann also auch zunächst von ihnen eine angemessene Gestaltung seiner Zukunft erwarten. Frankreich und England waren in neuerer Zeit sehr geneigt, faktische Zustände anzuerkennen, ohne auf die Ur⸗ sachen oder die Art ihrer Entstehung besondere Rücksicht zu nehmen. Von diesen Mächten könnte man also vielleicht voraussetzen, daß sie auch diesen Aufstand als eine vollendete Thatsache betrachten, ohne für jetzt der Folgen zu gedenlen. Diese Ansicht dürfte eine Stütze in dem Umstande finden, daß sie ihren Einfluß in einem Staate mit constitutionellen Formen für gesicherter halten werden, weil der selbe ihnen dadurch ähnlicher wird, und weil getheilte Staatsge walt fremder Einwirkung eine ungleich freiere Bewegung verstattet.

Daß der kaum beruhigte innere Parteigeist, der ungezügelte Ehr⸗ geiz, der natürliche Hang zur Intrigue, dann gleichfalls freies Spiel haben werden, möchte jener höheren Rücksichten wegen nicht in Betracht kommen. Scheint es doch fast, als ob die Repräsentanten jener beiden Schutzmächte im Interesse derselben zu handeln geglaubt haben, als sie durch die eigenthümliche Art ihrer Thätigkeit und Un thätigkeit versuchten, dem Aufstande den Schein der Billigung ihrer Machtgeber zu verleihen. Das Benehmen des Gesandten Rußlands ist nicht so leicht zu erklären. Auf den ersten Blick nämlich hat Ruß land ein dem Bbigen durchaus entgegengesetztes Interesse; denn wenn der 15. September constitutionelle Formen in Griechenland begründen sollte, so tritt der Einfluß Rußlands vielleicht für lange Zeit in den Hintergrund. Unter den vielen Vermuthungen, welche in öffentlichen Blättern laut geworden sind, begegnet man zwar auch solchen, die Rußland verdecktere, weiter gehende Absichten zuschreiben. Das nicht leicht zu erklärende Benehmen des russischen Gesandten hat sie her— vorgerufen; allein man war bisher so sehr daran gewöhnt, die Be strebungen der russischen Regierung unter allen Umständen auf Er— haltung des streng monarchischen Prinzips gerichtet zu sehen, daß es voreilig sein würde, im vorliegenden Fall eine so bedeutende Abwei chung von diesem Systeme zu vermuthen.

„Ist denn aber jemals die Würde des Königthums mehr gefähr det worden, als durch die Vorgänge in Athen? Wir erinnern uns keiner früheren Begebenheit, welche damit zu vergleichen wäre. Man hat größere Reiche erschüttert gesehen; der Aufruhr eines zügellosen Heeres hat mehr als einmal den russischen Thron wanken gemacht; die Erhebung der Mehrzahl eines ganzen Volks hat das Julikönig— thum geschaffen. Allein so vornehm ist der Aufstand in Athen nicht, obgleich man ihm eine Wichtigkeit hat beilegen wollen, welche er in dieser Hinsicht keinesweges hat. Zergliedert man die dortigen Vorgänge, so erblickt man nur zwei untergeordnete rebellische Militair⸗Anführer, welche, durch die Umstände begünstigt, mit einigen hundert Genossen ihren Königin seinem Schlosse belagern und dem von fast allen sei— nen Räthen und Dienern im Augenblicke der Gefahr verlassenen Monarchen Versprechungen abtrotzen die derselbe vielleicht gar nicht im Stande ist, zu erfüllen. Auch Das ist schon vorgekommen; aber ein Ereigniß ohne Beispiel dürfte sein, daß die Vertreter der be freundetén und Schutzmächte, anstatt der Gefahr sich entgegen zu stemmen, anstatt mit dem Mantel ihrer Unverletzlichleit den gefähr—⸗ deten Thron zu umgeben: durch ihr unerklärliches Benehmen dessen Fall beschleunigen. Konnten sie denn vergessen, wie schwer es ist, dem auf solche Weise gemißhandelten Königthume den früheren Zauber und Glanz wiederzugeben! Die Krone kann Nach giebigkeit zeigen, sie kann den Exeignissen sich fügen, wenn die Ehre gerettet und die Majestät gewahrt wird; allein sie darf nimmer in den Fall kommen, der rohen Gewalt zu unterliegen. Hat der Aufstand der jetzigen Palikaren Führer den Schein des Rechts erlangt, so kann mit gleichem Rechte jeder folgende Haufen ein Anderes und ein, Mehreres verlangen. Wer wird den zweiten Parteiführer verurtheilen dürfen, wenn er das ver⸗ sucht, was dem ersten gelungen ist; und gelingt es ihm, die jetzt siegreichen Aufrührer zu stürzen, würde er nicht mit gleichem Rechte die Lobsprüche und Ehrenzeichen in Anspruch nehmen können, welche jene erzwangen? In dieses Labyrinth haben die Gesandten der be freundeten und Schutzmächte den König Otto durch ihren Rath ge worfen. Sie waren vielleicht in dem Wahne, seine, Person einer augenblicklichen Gefahr zu entziehen, allein sie haben ihn und seinen Thron einer dauernden Gefahr bloßgestellt; sie haben das Ansehen ihrer Machtgeber auf die empfindlichste Weise verletzt; sie haben der Ehre der Diplomatie eine schwere Kränkung zugefügt. Glaubten sie, daß ein nacktes Schwert über dem Haupte des jungen Königs schwebte, so haben sie es wahrlich nicht entfernt, indem sie das König⸗ thum seines besten Schutzes, seiner Würde, der Achtung des Volkes entkleiden halfen. Ein griechisches Parlament verdeckt den durchlöcher⸗ ten Königsmantel nicht; eine griechische Pairs-Kammer wird die auf dem Haupte des Königs wankend gemachte Krone nicht wieder befesti⸗ gen. Wie aber ist dem Königthum in Griechenland die Wärde, das Ansehen wieder zu verleihen, welche der Aufstand am 15. September ihm genommen hat? Anscheinend nur dadurch, daß man den früheren Stand der Dinge wieder herstellt, daß man die f , . einer kleinen Schaar von Soldaten⸗-Anführern beseltigt, der Herrschaft des Rechts wieder Geltung verschafft. Oder will man warten, bis die Leiter des Aufstandes, die r en Bande der Eintracht zerrei⸗ ßend, sich unter einander bekriegen? Will man zugeben, daß der Bürgerkampf die jungen Schöpfungen des Friedens wieder vernichtet? Man wähne nicht, daß das Ereigniß vollendet, daß die Revolution

gemacht ist. In einem alten, großen Staate zwar sind sast immer die Srdnung und Ruhe liebenden Bürger in so bedeutender Ueberzahl vorhanden, daß eine gewaltsame Veränderung bestehender Zustände in ih⸗ ren blutigen Spuren bald verwischt ist. Nicht so in einem jungen, kleinen Staate, dessen Bewohner noch vor 15 Jahren in 2inarchie lebten, dessen Bewohner damals zum größten Thelle die Zügellosigkeit mit der Freiheit für gleichbedeutend hielten, dessen Bewohner, ihren bürgerlichen Verhältnissen und ihrer Lebensweise nach, noch keinesweges Gewähr für die ungestörte Herrschaft des Gesetzes darbieten, sei dieses Gesetz mit oder ohne Reichsstände erlassen. In jedem monarchischen Staate muß die Krone unverletzlich sein, muß das Staats⸗Oberhaupt von dem Zauber der Majestät umgeben bleiben, muß das Königthum unberührt bleiben von der Demüthigung des Zwangs. Dem Gesetz ist auch der Herrscher untergeben, und indem er dem Gesetze den Plaß über sich anerkennt, erhöht er sich selbst in den Augen der Menge. Eine andere Gewalt aber, größer und mächtiger als das Oberhaupt des Staats, darf es im Staate nicht geben. Den Bannern des Mäch⸗ tigsten strömt unaufhaltsam die Menge zu, und der König steht von der Mehrzahl verlassen, sobald sich kundgiebt, daß eine Macht vor⸗ handen ist, die besseren Schutz oder größeren Vortheil erwarten läßt als der gesetzliche Herrscher.

Die Macht des Königs Otto ist gebrochen, sie ist in die Hände einiger Ehrgeizigen, die ihre Eide gebrochen haben, übergegangen, de⸗ nen sie durch Reichsstände vielleicht wieder entwunden werden könnte. In des Königs Hände aber würde mit einem Parlament auch nicht einmal der Schein der Macht zurückkehren; der König ist in einem zu machtlosen Zustande erblickt, als daß selbst der Schein hätte geret⸗ tet werden können. Wir haben als erste Bedingung der neuen Ge⸗ staltung der Dinge in Griechenland die Wiederherstellung des gesetz⸗ lichen Justandes bezeichnet. Ist dieser besser gesichert als bisher, dann mögen die Schutzmächte und auch die übrigen befreundeten Mächte Europa's denn der vorliegende Fall berührt sie alle gleichmäßig erwägen, was die griechischen Zustände erfordern. Durchgreifende Refor⸗ men sind allerdings vielleicht nöthig. Die Ansprüche, welche man an Griechenland macht, und als deren Folge die neuesten Ereignisse, haben überzeugend dargethan, daß in der Geschichte des jungen Staats ein Zeitpunkt eingetreten ist, der zu ernster Erwägung seiner inneren Verhältnisse auffordert. Dabei wird auch ohne Zweifel die Frage zur Entscheidung kommen, ob das griechische Volk durch seine freisinnige Gemeinde- Verfassung bereits zu der Stufe politischer Reife gelangt ist, welche eine höhere Theilnahme an der Leitung der Staats-Angelegenheiten rechtfertigt, indem sie Bürgschaft dafür ist, daß der Parteigeist dem Gesetz unterthan bleiben werde.“

Patras, 8. Okt. (A. 3.) Die Gährung dauert in Athen fort; die Gemäßigten hoffen auf die baldige Ankunft Koletti's und Maurokordatos'. Der englische Gesandte hat ein Dampfboot nach Konstantinopel gesendet, um Letzteren abzuholen, der, nach aller Wahr⸗ scheinlichkeit, die Leitung der Geschäfte übernehmen wird, denn der Minister-Präsident Metaxas ist bereits mit seinen Kollegen zerfallen und wird sich nicht lange halten können. Jetzt, da die Bayern fort sind, richtet sich der Haß der Griechen gegen die Fanarioten, die sämmtlich abgesetzt oder exilirt sind.

Inzwischen haben die Wahlen für die bevorstehende National⸗ Versammlung begonnen, und zwar nicht nach der jetzigen, sondern der früheren Eintheilung des Landes. Damals waren 80 Eparchieen oder Provinzen, deren jede wenigstens zwei Bevollmächtigte, und wenn deren Bevölkerung 25, 000 Seelen übersteigt, vier zum Kongreß sen⸗ det. Die Versammlung wird also über 160 Mitglieder zählen. Ei⸗ nige Wahlen sind schon bekannt. Die Epiroten haben den Gow nasiarch Gennßgbivs gewahlt, Vostizza wird von dem neuen Kriegs⸗ Minister Londos repräsentirt sein; für Karytena ist der Oberst Gen⸗ najos Kolokotroni, für Hyödra Konduriotti gewählt worden.

Die meisten Gesandten der fremden Mächte in Athen haben auf die Notification, betreffend die veränderte Regierungsform, geantwortet; der holländische hat keine Notiz davon genommen, sie folglich, wie es scheint, nicht anerkannt. Der britische Repräsentant erließ eine Art Proclamation an das griechische Volk, worin er ihm zur Constitution Glück wünscht und schon im voraus die Anerkennung von Seiten seiner Regierung zusichert. Im nämlichen Sinne handelten oder sprachen die anderen englischen Beamten, so wie die englische Partei überhaupt. So wurden gestern Abend von dem Kommandanten der vor Patras stationirenden Fregatte „Eagle“ der Verfassung zu Ehren ein Ball an Bord gegeben, zu welchem alle Liberalen sammt Frauen und Töch— tern eingeladen waren. In den öffentlichen Kassen sieht es traurig aus. Eine Handelsstockung hatte zur Folge, daß weder beim Zoll⸗ Amt noch sonst bei einer Behörde Gelder eingingen. Die jetzigen Minister haben auf ein Drittel ihres Gehalts freiwillig verzichtet, in der Erwartung, die ihnen Untergeordneten werden ein verhältniß⸗ mäßiges Opfer bringen.

Ancona, 11. Ott. (A. 3.) Die Post aus Athen vom ten d. bringt zwei (bereits mitgetheilte) Proclamationen des Ober- sten Kalergis an die Griechen. Kalergis meint unter Anderem, daß er die Scheidewand, die den König von seinem Volke trennte, nieder- gerissen habe. So viel wir wissen, konnte diese vorgebliche Scheide⸗ wand nur in der Einbildung des griechischen Obersten existiren; das leutselige und huldvolle Wesen des Monarchen ist hinlänglich bekannt.

Die Machthaber in Athen scheinen allmälig gewahr zu werden, daß sie eine mächtige Partei im Lande, die Partei aller Redlichen, gegen sich haben; Sie werden bereits in der Presse einige Symptome dadon verspürt haben. Zwar sind mehrere der Gutgesinnten auf Befehl des Metaxas schon am 15ten verhaftet und seitdem nicht frei⸗ gelassen worden; es giebt inzwischen noch immer in der Nation eine bedeutende Zahl energischer Männer, die irgend eines Zeichens gewär⸗ tig sind, um sich des verhaßten Joches dieser sich so nennenden con⸗ stitutionellen Partei zu entledigen.

Maurokordatos war, von Konstantinopel kommend, in Athen be⸗ reits eingetroffen. Seine Verwandten und Anhänger, welche sämmt⸗ lich bei dem Aufstand mitgewirkt hatten, holten ihn im Piräeus ein und führten ihn gleichsam im Triumph nach der Stadt.

Von den diplomatischen Agenten in Athen heißt es, daß der österreichische und der preußische mit großer Entschiedenheit die Sache des Königs ergriffen haben, daß der englische der neuen Ordnung der Dinge huldigt, der französische die letztere als ein fait accompli an- nimmt, daß aber Niemand recht weiß, was man aus Herrn K. machen soll. ö

Von der italienischen Gränze, 12. Okt. In Folge der Veränderungen in Griechenland soll die Kaiserl. österreichische Regierung sich veranlaßt gefunden haben, im Piräeus ein Kriege⸗ Dampfboot zu stationiren, welches auch bereits von Triest nach dieser Bestimmung abgegangen ist.

O Athen, 6. Ott. Ich benutze den letzten Augenblick, um Ihnen mit dem heute abgehenden Dampfschiffe Nachricht über unser Befinden zu geben. Hier in Athen ist es vollständig ruhig blieben. In dieser Beziehung bietet Kalergis Alles auf um sich vor, 1. fen sicher zu stellen. Tag und Nacht durchziehen Reiter. Abtheilungen die Üümgegend und die Straßen der Stadt. Die ansässigen Fremden