1844 / 23 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

mehr, als die Mehrzahl der ausgezeichneten Professoren, so wie der Studenten, katholisch sind.

Hannover. Sannover, den 17. Jan. Das heute aus⸗ gegebene Heft der Gesetzsammlung enthält unter Anderem mehrere Bekanntmachungen und Ausschreiben verschiedener Landdrosteien, be⸗ treffend das Verbot der Errichtung von Leihbibliotheken und der als Gewerbe zu betreibenden Unternehmung von Lesezirkeln ohne vorgän—

gige landdrosteiliche Erlaubniß.

Baden. Karlsruhe, 17. Jan. (M. J). In der heutigen Sitzung der Kammer der Abgeordneten berichtete Müller im Namen der Zoll⸗Kommission über das proviscrische Gesetz vom 15. April v. J, die Rheinzoll⸗Nachlässe auf dem Oberrhein betreffend. Das Gesetz vom 21. Juli 1839 hatte für alle zu Berg und Thal ver⸗ schifften Güter den badischen Antheil an den Rhein⸗Zöllen von Stras⸗ burg und Alt⸗Breisach, und den Berggütern, die über das Zoll⸗Amt Strasburg auf dem Rhein weiter verführt werden, auch den badischen Antheil an den Rhein-Zöllen von Mannheim und Neuburg nachge⸗ lassen. Das provisorische Gesetz vom 15. April v. J. setzte diese Bestimmungen außer Kraft. Der Grund liegt darin, daß die Nach— lässe zur Belebung der Schifffahrt auf dem Oberrhein unwirksam blieben, indem die Güter der billigeren Fracht wegen nach wie vor ihren Zug auf dem Kanal von Strasburg nach Basel nehmen. Badische Schiffer befahren den Oberrhein schon lange nicht mehr und sind sämmtlich in andere Beurten eingetreten. Die Opfer der Staatskasse kamen daher nur den zu Thal fah— renden baseler Schiffern zu gut, so wie den Dampfschiffen der Adler⸗ Gesellschaft, so lange sie im Betrieb waren. Die Kommission schlägt demnach vor: „dem provisorischen Gesetz vom 15. April v. J. nach—⸗ träglich die Genehmigung zu ertheilen.“ Die Berichte werden gedruckt und die Berathungen auf eine spätere Tagesordnung gesetzt. Das Präsidium zeigt an, daß folgende Kommisslonen ernannt worden sind: 1) Für die Motion des Abgeordneten Mathy auf Herstellung des freien Gebrauchs der Presse: Vogelmann, Knittel, Trefurt, von Itz⸗ stein, Gerbel. 2) Für die Nachweisungen über den Eisenbahnbau: Lang, Sander, Bader, Löffler, Gerbel. Der Abgeordnete Sander kündigt an, daß er bereit sei, in der ersten Sitzung der nächsten Woche seine durch die Anzeige des Abgeordneten Welcker veranlaßte Motion: die Redefreiheit in der Kammer betreffend, zu begründen.

Freie Städte. Frankfurt a. M., 19. Jan. (Fr. J.) Der Herzog von Bordeaux traf gestern Nacht unter dem Namen eines Grafen von Chambord hier ein, logirte im Gasthause zum „Russischen Hofe“ und setzte gestern Nachmittag seine Reise wei— ter fort.

Frankfurt a. M., 18. Jan. Nach einer im heutigen Amts—⸗ blatte enthaltenen Bekanntmachung der Schulden⸗-Tilgungs-Kommis⸗— sion haben die Einzeichnungen auf das neue hiesige Zproc. Anlehen von 1 Mill. Fl. am Abend des 16ten d. die Summe von 16,B755,000 l. erreicht, und daß mithin den Einzeichnern nur 6 pCt. der eingezeich⸗ neten Beträge in Obligationen des vorgedachten Anlehens zugetheilt werden können.

Oesterreichische Monarchie.

Klagenfurt, 11, Jan. Die hiesige Zeitung enthält Fol— gendes aus Bleibergkreuth in Ober- Kärnthen: „Eine Erderschütte⸗ rung, welche nach Aussage der ältesten Leute in Bleiberg noch nie wahrgenommen wurde, hat sich den Ften d. M. 15. Minuten vor 12 Uhr Nachts ereignet. Gruben-Arbeiter, welche in der Nähe der Stollensohle arbeiteten, gingen in das Anfahrts- Zimmer, dort ihr Stückchen Brod zu genießen, wurden aber durch einen plötzlichen Knall so in Angst versetzt, daß sie glaubten, die entfesselte Wuth des Feuers, Habe und Gut vernichtend, sei ausgebrochen, und hiervon habe der Wächter durch einen 21pfündigen Böller der Ortschaft das schreckliche Signal gegeben. Zwei Knappen arbeiteten 52 Saiger— Klafter unter der Thalsohle in der Nähe eines großen Pfeilers, wel⸗ cher sich an der Nordseite an ein senkrecht stehendes Blatt anschloß. Dieser Pfeiler berstete ganz und mit solcher Gewalt entzwei, daß das dort befindliche Arbeitszeug 15 Fuß fortgeschleudert wurde, eben so Felsenstücke in der Schwere von 20 bis 200 Pfund, und die dort arbeitenden zwei Männer hätten wahrscheinlich den Tod gefunden, wenn sie nicht Gottes schützende Hand gerettet hätte; sie gingen näm— lich, wenige Augenblicke vorher, 4 Klafter höher hinauf. Zwölf Ar— beiter waren weiter hin gegen Osten versammelt; diese glaubten, die von ihnen an 300 Klafter entfernten zwei Männer hätten ihre Bohr— löcher abgeschossen. 77 Saiger-Klafter unter der Thalsohle westlich arbeiteten auch 11 Knappen, welche, so wie alle Anderen, biesen furchtä baren Knall gehört haben, die aber der Meinung waren, es sei in dem in ihrer Nähe befindlichen alten Verhaue ein großer Pfeiler ge— borsten. Nach Aussage Aller ist weder vorher noch darauf ein Sau— sen oder ein Nollen gehört worden.“

„Prag, 16. Jan. Durch eine kürzlich erfolgte Kaiserliche Entschließung ist den Behörden als Grundsatz vorgezeichnet worden: daß gegen keinen Beamten eine Disziplinarstrafe zu verhängen sei, ohne ihm vorher die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen deutlich vorgehalten und darüber seine Rechtfertigung mündlich oder schriftlich abgefordert zu haben.

Nach der böhmischen Juden-Verfassung existirten bisher nur 8600 sogenannte Familienstellen, die, immer auf den erstgebornen Sohn übergehend, diesem allein die gesetzliche Heiraths Bewilligung ge— währten. Nur beim Absterben des Inhabers einer solchen Fami— lienstelle, ohne Hinterlassung direkter männlicher Nachkommenschaft, hat die Gründ-Obrigkeit das Recht, diese Stelle einem Zweitgebore— nen erblich zu verleihen. Ohne den Besitz einer solchen Familien— stelle dürfen nur solche Israeliten die Heiraths-Bewilligung vom Gu— bernium erhalten, welche sich bleibend dem Ackerbaue, den kechnischen Ge— werben, den, Wissenschaften oder dem Großhandel widmen. Eine solche Bewilligung erbt jedoch auf keinem von ihren Söhnen, die ebenfalls wieder nur durch Ergreifung einer der erwähnten Beschäf— tigungen die Heiraths-Bewilligung für ihre Person erlangen können. Eine Verordnung des Guberniums machte aber kürzlich den Kreis⸗ Aemtern bekannt, daß Se. Majestät geneigt sei, die Vermehrung des systemisirten Standes der israelitischen Familienstellen zu gestatten, und fordert daher ein Gutachten über den von nun an aufzustellenden nume rum mn der böhmischen israelitischen Familienstellen. Schulen 7 Gymnasien Vöhmens wurden im Jahre 1843 von 5398

2 m 6 was seit dem Jahre 1840 eine Vermehrung von Lehe d th ; ö Die Gesammtzahl der Professoren an diesen weit iche . ra 174, welche jedoch nur an 3 Gymnasien dem siallen habn ö Von den übrigen 14 dieser Lehr-An—

rofessoren aus dem Piaristen⸗Orden mit 1752 Schü⸗

lern; 3 Prämonstratenser Gymnasier it 5 ikti 43 ö alien mit 539, 2 Benediktiner⸗Gym⸗ nasien mit 357, 1 Cisterzienfer? Gamn! , jner- , i. Gymnasium mit 159, 1 Augustiner⸗ . Frankreich. eputirten⸗Kammer Sitzung vom 15 der Debatte über die Legitimisten · Frage iu K

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nachzutragen, welche zwei ministerielle Mitglieder der Adreß-Kommis⸗

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sion, Herr St. Marc Girardin und der General- Prokurator Hebert, über das abgaben, was im Schoß dieser Kommisston hinsichtlich der Nüge der legitimistischen Demonstrationen verhandelt worden. Herr St. Marc Girardin, der Berichterstatter und Verfasser des Adreß⸗ Entwurfs erklärte hierüber: „In Bezug auf alle Fragen, welche den 1830 vollzogenen seierlichen Akt und die Mißbilligung der Versuche der 1830 besiegten Partei betrafen, herrschte in der Kommisslon die volllommenste Einstimmigkeit. Herr Beth— mont wünschte allerdings ein Woit statt des anderen angenommen zu wissen, aber gegen den Ausdruck „das kffentliche Gewissen brandmarlt“, macht er keinen Einwurf. Die Kommission suchte über die in London vorge— fallenen Ereignisse zur Klarheit zu lommen. Sie sah einen verbannen Prinzen zum erstenmale als Prätendenten auftreten, und hielt dies für eine allerdings politischohnmächtige, aber doch bedeutungsvolle Manifestation. Es schien ihr, daß gewissermaßen im Namen des 18390 durch den National⸗ Willen feierlich abgeschafften, erblichen Rechtes die Regierungsgewalt von Frankreich gefordert werde; sie betrachtete diefen Versuch als eine verbrecheri sche Manifestation, weil sie den Gedanken der Gegenrevolntion darin er— blickte. Ohne das Bewußtsein von dem im Jahre 1830 ausgeübten Rechte abzuschwören, ohne die Juli-Revolution zu verleugnen, konnte sie nicht anders verfahren. Ferner handelt es sich um den Antheil, welchen die London-Pilger, unter ihnen einige unserer Kollegen, an jener verbreche— rischen Manifestation genommen. Die Kommission erwartete die Erllärun— gen, welche der Kammer vorgelegt werden mußten, weil sie in den Büreaus versprochen worden waren. Die Kammer hat dieselben heute vernommen. Welchen Eindruck diese Erklärungen gemacht, kann die Kommission nicht vorausbestimmen; aber sie ist überzeugt, daß die Kammer es nicht mißbilli—⸗ gen kann, daß die Kommission jenen Demonstrationen gegenüber, ohne in Persönlichkeiten auszuarten, laut in Erinnerung gebracht hat, daß wir Alle unter den Gesetzen und der Treue des der Coönstitution und der Donastie von 1830 geleisteten Eides in diese Räume getreten sind, daß dies eine heilige Veipflichtung ist. Auch wird die Kammer wohl nicht mißbilligen, daß die Kommission mit den Ursachen und dem Ursprunge der Juli⸗Revo⸗ lution die Heiligkeit jener Eide in Verbindung gebracht hat, welche den König, die Pairs und die Deputirten an die Nationalsache fesseln. Diesen Erklärungen fügte Herr Hebert noch Folgendes hinzu: „Als Mitglied der Kommission erkläre ich, da ö diese gewisse Ausdrücke der Adresse weder modifiziren, noch zurücknehmen wird. Was den Ausdruck „Volks-Souverainetät“ betrifft, so haben wir ihn in dem letzten Paragra⸗ phen der Adresse nicht aufgenommen, weil er keinen direlten Bezug zu der betreffenden Frage hat und wir ihn nur als den Grund unserer Institutio⸗ nen in dem Sinne anerkennen, wie diese ihn heiligen, und nicht in jenem Sinne, wie die Parteien, die ihn mißbrauchen wollen, ihn erklären.“

Sitzung vom 16. Januar. Die allgemeine Diskussion des Adreß-Entwurfs, welche am Abend vorher von Herrn Cordier eröff⸗ net worden war, ohne daß die Kammer, ermüdet von der legitimisti⸗ schen Debatte, noch zum Anhören neuer Erörterungen gestimmt war, wurde heute fortgesetzt und gewann bald Interesse und Lebendigkeit. Der erste Redner war ein Mitglied der linken Seite, Herr Gu st a v von Beaumont, der sich in folgender Weise vernehmen ließ:

„Ich weiß nicht, ob das Ministerium die Hoffnung gehegt hat, daß der leidenschaftliche Zwischenfall, welcher die gestrige Sitzung beschäftigte, die Diskussion des Adreß-Entwurfs eröffnen und endigen würde. Der legi— timistische Zwischenfall hat stattgehabt; wohl, aber alle großen Fragen von allgemeinem Interesse sind darum nicht minder in Vorbehalt genommen, und wir sind durchgus nicht der Meinung, sie aufzugeben. Es eröffnet sich hier eine ganze Reihe hochwichtiger Fragen, auf welche die Aufmerktsamkeit des Landes gerichtet ist. Das Ministerium konnte wohl einer Partei ge⸗ genüber stark sein, aber um es wieder in all' seiner Schwäche zu zeigen, braucht man es nur dem Lande gegenüber zu stellen. Wird man etwa die fortwährende Erniedrigung der parlamentarischen Gewalt leugnen? Wird man den Zwiespalt leugnen, der zwischen dem Kabiner' und dem Gedanken des Landes besteht? Ich will das Durchsuchungs-Recht und den im vorigen Jahre deutlich ausgesprochenen Willen der Kammer, ich will die Budgets-Formeln, worin die Zahlen nach Willkür gruppirt werden, worin abwechselnd Gleichgewicht und Defizit figuriren, übergehen. Ich halte mich blos an die Nothwendigteit, die jedem Kabinet gebietet, ei nen Willen zu haben und sich dies zu gestehen. Das Ministerium hat keinen Willen. Anstatt die Kammer zu leüten, läßt es sich von ihr leiten. Was es gewollt hat, will es nicht mehr; es ist weder constitutionell, noch parlamentgrisch: es denlt nur an seine Existenz. Das Land ist mongrchisch, aber es fürchtet mit Necht, seine heiligsten Interessen persönlichen Neigun⸗ gen, dynastischen Interessen geopfert zu sehen. Es handelt sich um feine parlamentarische Regierung, noch viel weniger um eine nationale Regie⸗ rung, sondern blos um ein tadelnswerthes Verfahren zur Sicherung der ministeriellen Gewalt; darum keine Uebereinstimmung, kein Verständniß mehr zwischen Negierung und Land, das beweist die Adresse selbst. Man spricht von Wohlstand, von Entwickelung der Industrie; so verkennt die Regierung das bestehende Elend. Die Regierung wundert sich über den Widerstand, dem sie von Seiten des Klerus begegnet. Das Land wundert sich nicht darüber. Es erkennt den Ursprung dirses Widerstandes in den ungesetzlichen Zugeständnissen der Regierung. Bie Gewalt hat sich dem Lande entfremdet, darum hat sich auch das Land der Gewalt entfremdet, daher jene Konflilte zwischen der Centralgewalt und den Munizipalitäten, Nationalgarden und sämmtlichen Wahlkörpern. Daher die Zwiste im Schoße der konserva— tiven Majorität. (Weiter, weiter!) Die ehrlichen Anhänger der Repräsentativ— Regierung begreifen dieselbe, wie Sie sie ausüben, nicht mehr. Die Adresse wünscht sich zu der neuen Lage Algeriens Glück. In dieser Beziehung bin ich Ihrer Ansicht, denn ich meine es vor Allem aufrichtig und ehrlich. Aber ich gebe nicht zu, daß Ihnen dieses Verdienst zukommt. Ich habe Lon den pariser Befestigungen nichts hören wollen (hört!! Dennoch verlange ich nicht, daß jetzt, nachdem 240 Millionen dafür ausgegeben worden sind, noch 100 ausgegeben werden, um sie zu demoliren. Ich zweifle an dem Nutzen der Befestigungen für die National-Vertheidigung; aber der Punlt, über den ich nicht ungewiß sein kann, ist der Stützpunkt, den eine antinationale Ge— walt darin finden kann.“ (Murren. )

Nachdem Herr von Beaumont seinen etwas desultorischen Vor— trag beendet und noch erklärt hatte, daß er sich vorbehalte, im Lauf der Diskussion der einzelnen Paragraphen ein Amendement zu bean tragen, in welches er seine Ansichten zusammenfassen werde, wollte der Präsident die allgemeine Debatte schon sür geschlossen erklären, weil kein Nedner wester für dieselbe eingeschrieben sei, da bemerkte aber Herr Ducos, eines der beiden die Opposition vertretenden Mit— glieder der Adreß-Kommission, es möchte der Kammer wohl billig und angemessen erscheinen, daß die Minorität ihrer Kommission ihr kurz die Gründe darlege, welche sie bestimmt hätten, den Adreß- Entwurf zurückzuweisen, und wenn kein anderes Mitglied das Wort verlange, so wolle er es thun. Er wurde indeß von Herrn Thiers ersucht, ihm das Wort einzuräumen, worauf dieser unter allgemeiner Sensa⸗ tion sich erhob.

„Die Kammer“, sagte Herr Thiers, „wird begreifen, mit welcher Be⸗ wegung ich diese Redueibühne besteige. Seit zwei Jahren habe ich mich sel en in Ihre Diskussionen gemischt; ich ergriff das Wort nur ein Mal, und zwar, um der Regierung die Unterstützung meiner Ucberzeugungen zu gewähren. Ein ernster und schmerzlicher Umstand machte mir dies zur Pflicht. Am folgenden Tage nahm ich meinen Platz auf den Oppositions— Bänken wieder ein, wo ich auch fortwährend gesessen habe; denn, man weiß es wohl, obgleich der Regierung völlig ergeben, mißbillige ich doch ihre Politik, die ich nicht erhaben, nicht voraussichtig genug finde. Heute fühle ich das Bedürfniß, ein Schweigen zu brechen, das man auf unan= genehme Weise auslegen könnte. Ein Staatsmann muß manchmal, wenn ich mich so ausdrücken darf, Appell stehen, seine Freunde und seine Ansich— ten repräsentiren. In dieser Absicht bestleg ich die Tribüne. Meiner Schweig⸗ samkeit zu Liebe, bitte ich die Kammer um einige Augenblicke Ausmerksani— keit; noch mehr, ich bitte sie um ihre Nachsicht, weil es mir, um recht ver— standen zu werden, gestattet sein muß, mit aller Freimüthigkeit zu sprechen. (Hört, hört! Meine Herren, ich verkenne es durchaus nicht, daß materieller Wohlstand im Lande, vorhanden ist, ich verlenne nicht die Nuhe der Ge— müther, nicht, als ließen sich nicht Zweifel über diesen Wohlstand, über

seine Ursachen und Ausdehnung, erheben, nicht, als wären nicht Besorgnisse hinsichtlich dieser Ruhe vorhanden, denn ein einziges Ereigniß, ich möchte es fast ein kindisches nennen, reichte hin, alle Staatsgewalien in Bewegung zu setzin. (Mehrere Stimmen: So lindisch war es nun wohl nicht!) Aber dieser Wohlstand, diese Ruhe erwecken in mir eine unwillkürliche Erinnerung. Im Jahre 1839 saß auf diesen Bänken das Mi⸗ nisterium vom 15. April (Mole); der Wohlstand war sehr groß, denn ein achtundzwanzigjähriger Friede hat seine Wohlthaten über alle Regierungen ohne Ausnahme verbreitet. Auch Ruhe war vor— handen; es mischte sich selbst Zufriedenheit darein, in Folge der Vermäh— lung des Herzogs von Orleans und der Amnestie. Aber ungeachtet dieses materiellen Wohlstandes, ungeachtet dieser Ruhe vereinigten wir uns, ich will nicht sagen Alle, der Ausdruck wäre unrichtig, aber eine große Zahl, aus allen Parteien dieser Versammlung, und wir griffen dies Ministerium an, ja, wenn ich mich recht erinnere, wir stürzten es. (Gelächter und Murren.) Vor Allem, entfernen wir die persönlichen Fragen, gehen wir auf das Feld der Allgemeinheit über. Nach meiner Mei⸗ nung herrschen in der Kammer zwei allgemeine Nichtungen; die eine, welche unablässig vorwärts schreitet, ist nicht der Ansicht, daß in der besten der Welten Alles zum Besten bestellt ist. (Gelächter. Sie glaubt, daß sich Mißbräuche unter die Institutienen einschleichen, daß Reformen manchmal nöthig sein können. Die andere Richtung hat, in ihrem Ent— setzen vor jeder Neuerung, die Augen auf die Vergangenheit gerichtet. Sie scheint nur Ein Verlangen, nur Eine Leidenschaft, nur Eine fixe Idee zu haben, nämlich, die Institutionen unbeweglich zu machen, alle lebendigen Kräfte des Landes in ihrer Aeußerung zu hemmen. Diese beiden Rich⸗ tungen sind die Konservativen und die Opposition. Nach meiner Mei— nung aber lann man nicht würdig regieren, die Gewalt nicht auf einer daucihaften Basis begründen, wenn man nicht von Seiten der einen die— ser beiden Richtungen der anderen in Bezug auf Personen und Sachen umfassende Zugeständnisse macht. Ja, nur unter dieser Bedingung wird es möglich sein, lange und geziemend zu regieren; und wenn ich regieren sage, so meine ich nicht, in den Tag hinein leben, von Auskunftsmitieln leben, und im Sommer Plane entwerfen, die der nächste Winter zerstört, im Winter Plojekte schmieden, die mit dem Sommer verschwinden. Ich wiederhole also und kann es nicht oft genug wiederholen, daß ein Kabmet nur unler der Bedingung ehrenvoll bestehen fann, daß die eine der beiden Richtungen, die ich angedeutet, der anderen umfassende Zugeständnisse macht, umfassend in Bezug auf Personen und Sachen. Und, beachten wir dies wohl, meine Herren, die Gewalt muß sich auf dauerhaften Grundlagen befestigen, wenn die Wirllichkeit der Nepräsentatis-Verfassung nicht gefährdet werden soll. (Beifall.) Hierauf ging Herr Thiers auf die besonderen Fragen über und ergriff diese Gelegenheit, das Verfahren des Ministeriums scharf zu tadeln. Zu⸗ erst beschäftigte ihn das bekannte Durchsuchungsrecht. En beklagte die Schwäche, welche das Kabinet bei dieser Veranlassung an den Tag gelegt habe, und be dauerte, daß jedes Jahr ein Amendement der Kammer nöthig werde, um dem Mi— nisterium das einzuhaltende Verfahren anzudeuten. Auf diese Weise sei eine der großen Staatsgewalten kompromittirt worden. Nebenbei müsse er hier auch bemerlen, daß dieses, wo es Thaten gelte, so schwache Ministerium, in seiner Sprache so viel Stolz und hochstrebenden Sinn an den Tag lege. Herr Thiers brachte sodann noch mehr Anschuldigungen vor. Welche un würdige Stellung, sagte er, nehme das Kabinet nach den vielen Niederlagen, die seine Politik erlitten, der Kammer gegenüber ein. Dieser Punkt fuͤhre ihn auf das Thema seiner Rede zurüch: Es sei nur in dem Falle möglich zu regieren, wenn man in allen gemäßigten Nüancen der Opposition Trine Stütze suche. Er bleibe nur in den Reihen der Opposition, weil das Ka— binet nicht diese Politik verfolge, und weil er 1841 gerade so denke, wie er 1839 gedacht.

Herr Duchatel, der Minister des Innern, übernahm es, die Rede des Herrn Thiers (auf deren näheren Inhalt wir noch zurück— kommen werden) zu beantworten:

„Der ehrenwerthe Redner“, sagte der Minister, „hat in seiner Rede wiederholt von den Rücksichten gesprochen, die man den Personen schuldig ist: ich hoffe, daß diese Rücksichten die Freiheit seiner Gedanken in keiner Hinsicht beschräntt haben. Ich werde sein Beispiel nachahmen; mit allen den, Personen gebührenden Rücksichten werde ich mich zugleich mit aller Freimüthigkeit über die Sache aussprechen. J

Ich werde mich nicht auf die Prüfung der Theoricen beschränken, fondern auch untersuchen, wie die Theo— rieen zur Anwendung gekommen sind. (Gut, sehr gut!)! So viel unserer sind, haben wir Alle die Gewalt in Händen gehabt (Gelaͤchter), und es scheint mir, daß Herr Thiers bei Würdigung einer Lage, deren Schwierigkeiten er besser als irgend einer zu ermessen vermag, mit mehr Mäßigung hätte verfahren kö8nnen. Nach seiner Meinung besteht das Sostem des Kabinets wesentlich darin, daß es feine hinlänglich feste Stellung einzunehmen gewußt hätte. Er bellagt, daß das Kabinet, anstatt allen gemäßigten Meinungen die Hand zu reichen, sich in die Nothwendigkeit versetzt glaubte, eine zu wäh— len, sich auf eine zu stützen, die konservative. Aber sst die von Herrn Thier z vorgeschlagene Transaction auch vor der Vernunft zu rechtfertigen? Glau— ben Sie, daß, falls Sie es mit einer aufrichtigen, lovalen, in sich über⸗ zeugten Meinung zu thun hätten, diese sich auf Konzessionen einlassen würde? Hieße das nicht vielmehr auf Sand bauen? Es ist keine wirkliche Majorität möglich, wenn sie nicht auf einem gemeinschaftlichen Gedanken beruht. Sich in die Lage versetzen, welche Herr Thiers andeutet, hieße sich einer Zweideu— tigkeit vertrauen. (Beifall.) Man erinnere sich auch, daß das System, welches wir befolgt haben, zu zwei verschiedenen Zeiten von denen selbst angewandt worden ist, welche uns jetzt entgegen sind, und daß diese es noch viel weiter ausgedehnt haben. Ist es nich die eiste Pflicht einer Regierung, daß sie sich die größtmögliche Majorität zu verschaffen suche? Und welche Schritte haben wir geihan, dies Ziel zu erreichen? Wir haben uns nicht zu den vereinzelten Ansichten eines jeden Individuums herabgelassen, sondern wir haben jenes Ziel in den großen und allgemeinen Interessen des Landes erstrebt. Das Mini— sterium ist weit entfernt davon, zu glauben, daß es sich nicht auf Versöh— nung zu stützen habe, aber es sucht die Reihen seiner Majorität nur unter Einer Bedingung zu erweitern, unter der nämlich, daß es keine Opfer in seinen Ansichten oder politischen Ideen über wesentliche Punkte zu bringen nöthig habe. Wir haben uns Verbesserungen nicht widersetzt, wenn wir dieselben für ausführbar hielten, aber wir haben nicht wirkliche Verbesserun— gen mit jenen eingebildeten verwechselt, die von unseren Gegnern vertheidigt werden, und welche den wahren Fortschritt des Landes eher aufhalten, als fördern. Welches sind die Reformen, die Herr Thiers eingeführt zu sehen wünscht? Ist es eine gewisse Wahl-Reform? Aber als der ehrenwerthe Redner am Staatsruder war, erklärte er ja ganz entschieden, sein Kabinet sei nicht Willens, in dem Wahlgesetz eine Veränderung vorzunehmen.“ Der Minister ging nun auf die verschiedenen einzelnen Ausstellungen des Herrn Thiers an der Verwaltung des jetzigen Kabinets ein und kam unter Anderem auch auf das Dotations-Projckt zu sprechen und erklärte in Bezug auf diese Frage seine Verwunderung darüber, daß Herr Thiers sich auf Jei tungs-Gerüchte stüße. „Die Krone“, sagte er, „ist von uns nicht unver— theidigt gelassen worden, denn es ist kein solcher Entwurf vorgelegt und in keinem Dokument, weder in der Thron-Rede, noch sonstwo, dessen Erwähnung geschehen. Meine eigene Ansicht darüber ist noch dieselbe wie i637 und 1840. Ich halte das Prinzip einer Dotation für gut und nützlich, aber , . solche Maßregel nothwendig wäre, so würde ich die Krone nicht Angriffen dieserhalb bloßgestellt lassen, söondern die Verantwortlichkeit für den betref⸗ fenden Gesetz- Entwurf übernehmen. (Hört, hört!) Die Opposition freilich möchte es vielleicht gerne sehen, wenn eine solche Maßregel vorgelegt würde, ohne daß das Ministerium an die Wahrscheinlichteit ihes Erfelges gedacht hätte. Das würde ihr ohne Zweifel sehr gelegen kommen Gelächter), denn es köunten daraus vielleicht, sowohl der Mone wie dem, Ministerium Unge— legenheiten entstehen, und dies wäre ein Triumph für die Opposition. Für diese mag also der Rath gut sein, dem Ministerium aber sagte er nicht zi. (Gelächter) Ich behaupte, daß unsgre Gegner an unserer Stelle eben so gehandelt haben würden, und das Ministerium hat keine weitere Erklärun= gen über riese Sache zu geben, Wenn wir den Gesetz⸗ Entwurf einbräch— fen, so würden wir ihn auch als unsere persönliche Ueberzeugung vertheidi⸗ gen, und wenn wir ihn nicht einbringen, so haben wir durch Annahme die— ses Beschlusses nicht die Krone unvertheidigt gelassen. Wir betrachten uns als verantwortlich für unsere Beschlüsse und werden das Resultat auf uns nehmen.“

Der Minister schloß seine Rede unter lautem Beifall, worauf Herr Thiers noch Einiges erwiederte, indem er dabei blieb, daß das Ministerium, wenn es der Meinung Anderer kein Opfer bringen wolle, aus seiner machtlosen Lage, für welche die Verwerfung so vie⸗

ler von ihm eingebrachter Maßregeln spreche, nicht herauskommen würde. Nachdem sodann noch Herr Desmousseaur de Givré das Wort ge⸗ nommen hatte, erklärte der Präsident die allgemeine Diskusston für geschlossen, und die Kammer vertagte sich um halb 6 Uhr bis zum nächsten Abend.

Paris, 17. Jan. Ju den Büreaus der Ministerien glaubt man, daß die Adreß-Diskussion spätestens am nächsten Freitage zum Schluß kommen werde. Ueber die gestrige Debatte bemerkt das Journal des Débats: „Eine Rede des Herrn Thiers und die Antwort des Ministers des Innern darauf, das war die ganze gestrige Sitzung. Wenn man uns aber fragte, welche Frage denn nun eigen? lich Herr Thiers unter allen denen, die in der Adresse angeregt sind, erörtert und bekämpft habe, so würden wir um eine Antwort ziemlich in Verlegenheit sein. Herr Thiers hat gesprochen, das ist sicher, er hat selbst mit viel Geist gesprochen, das wollen wir gern anerkennen; er hat ein wenig geplaudert über alles Mögliche, uͤber sein ehema⸗ liges politisches Leben, jedoch ohne weiter als bis 1839 hinauf zu steigen, über die Coalition, die nur noch ein dem Bereich der Ge— schichte anheimgefallenes Ereigniß ist, über Aegypten und den famosen Feldzug von 1840, über das Durchsuchungs⸗ Recht, indeß nur beiläufig, über das Dotations-Gesetz, welches nicht vor— gelegt worden, über Herrn Giraud und das Munizipal— Conseil von Angers und noch über tausend andere Dinge, um zu dem Schluß zu gelangen, daß das Ministerium existire, aber die Angelegenheiten nicht leike. Herr Thiers leitete die Angelegen⸗ heiten, als er Minister war, das wollen wir gern glauben; aber auch die Kabinette, in welchen der ehrenwerthe Herr Thiers präsi dirte, konnten es nie zu einer ernsthaften Existenz bringen. Wie dem auch sei, das Ministerium vom 29. Oktober existirt, es hat eine Ma⸗ jorität, also eine Partei, und es leitet dieselbe, aber nicht despotisch, ohne ihr jemals nachzugeben; vielmehr hört es auf ihre Rathschläge, berücksichtigt ihre Meinung, ihr Widerstreben, ja, wenn man will, ihre Vorurtheile. Die Majorität wünschte, daß das Ministerium die Convention von 1811 über das Durchsuchungs Necht nicht ratifizire, und es hat dieselbe nicht ratifizirt. Die Majorität verlangte, daß Unterhandlungen eröffnet würden, um die alten Verträge lber die Unter drückung des Negerhandels zu revidiren; sie sind eröffnet worden. Ganz neuerlich war von einem Dotations-Projekt die Rede. Einige der treue= sten Freunde des Ministeriums machten lebhafte Einwendungen dagegen. Das ist eine Opposition, mit der das Ministerium Abrechnung halten kann und muß. Ist das Schwäche? Wenn die Majorität stets nach⸗ gäbe, so würde man sie knechtisch nennen, und wenn das Ministerium niemals nachgäbe, würde man sagen, es tyrannisire die Kammer! Das ist Schwäche, wenn man es nicht wagt, eine Partei zu haben, wenn man bald dieser, bald jener Meinung schmeichelt, wenn man Konservativer mit den Konservativen ist und Neuerer mit den Neue— rern, wenn man es so ziemlich mit aller Welt hält und eigentlich im Ernst mit Niemanden. Herr Thiers hätte es nicht unternehmen sol len, Herrn Duchatel zu antworten. Mit schlechten Gründen kömmt man nicht weit. Er hätte klüglich schweigen sollen; er that es nicht, und das Schlachtfeld blieb dem Minister. Herr Thiers war geistreich, aber Herr Duchatel war es auch und außerdem seinem Gegner an vernünftiger Beweisführung weit überlegen. So kann man ssich zu dem Beginn der Session nur Glück wünschen.“

Fast alle Blätter beschäftigen sich mit der Rede, welche Herr Berryer vorgestern in der Kammer gehalten hat. Das Journal des Débats sagt: „Die Sühne ist vollkommen, nicht allein Herr Berryer drang vorgestern vor der Kammer nicht durch, auch seine Sache ist verloren.“ Der Constitutionnel findet, daß Herr Berryer sich innerhalb der engen Gränzen seiner politischen Meinung befangen gefühlt, und daß übrigens die Opposition wenig Takt an den Tag gelegt habe. Die Presse meint, daß der legitimistische Deputirte nichts Besseres thun konnte, als die Diskussion durch eine persönliche Beziehung zu antizipiren, nur habe ihn das Veklemmende seiner Lage erdrückt.

U Paris, 17. Jan. Heute hat die Diskussion der einzelnen Paragraphen des Adreß-Entwurfs begonnen. Mehrere Amendements wurden eingebracht, eines von Herrn Monnier de la Sizeranne, an die Stelle der Worte des ersten Paragraphen: „Der innere Handel und die Industrie nehmen jeden Tag einen schnelleren Auf— schwung“ zu setzen: „Der Ackerbau, der Handel und die Industrie, deren Fortschritte und Anstrengungen der Ermuthigung bedürfen, ver— trauen ꝛc.“ Das Uebrige wie im Entwurf. Ein anderes Amende— ment von Herrn Mercier wollte statt derselben Worte des Ent— wurfs setzen: „Trachten jeden Tag mehr, ihren Aufschwung wieder zu nehmen.“ Ein drittes, das lebhafte Debatten verursachen wird, zum letzten Paragraphen in Betreff der Legitimisten, von den Herren Cordier und de Courtais, wonach die Worte: „La conscience publique flätrit de doupables manifestations“ weggelassen werden sollen. Die beiden Antragsteller für dieses Amendement sind Mit— glieder der äußersten Linken. Bei Beginn der Debatte bestieg Herr Ducos die Tribüne,, Er tadelte zuerst die selbstgefällige Weise, mit welcher, die Adreß -Kommission im ersten Para⸗ graphen zu dem inneren Wohlstande des Landes sich Glück wünsche. Er wirft der Regierung vor, alle nur irgend bedeu— tenden Maßregeln, die sie vor die Kammern gebracht, seien verworfen worden. Dann ging der Redner auf die von der Regierung befolgte Politik in Betreff Spaniens über, machte ihr Vorwürfe über ihre Opposition gegen die Regentschast Espartero's, die wirklich die spani⸗ sche Nationalität repräsentirt habe. Er fragt dann, welches das Be— nehmen der Regierung in den spanischen Republiken Süd- Amerika's gewesen? Ob die Regierung kräftig aufgetreten, als die mexikanische Regierung allen Ausländern den Detailhandel in jenem Lande unter— sagte, wodurch auch viele Franzosen bedeutend benachtheiligt worden seien. Die Handels⸗-Marine werde in hohem Grade vernachlässigt, der Seehandel sei außerordentlich gedrückt und in Verfall. Er schließt mit der Aeußerung, daß er sich sehr freuen würde, wenn er von dem Minister des Handels befriedigende Aufschlüsse über die verschiedenen Punkte erhalten könnte, die er hier vor der Kammer berührt habe. Der Handels-Minister widerlegte die Angabe des ehrenwerthen Deputir— ten, indem er in großer Ausdehnung auf die merkantilen Ergebnisse der letzten Jahre einging und durch Ziffern die Unrichtigkeit der Behaup⸗ tungen des Redners vor ihm nachwies, zeigend, daß die Prosperität des Landes in der That größer sei, als sie je zuvor gewesen, daß die Waaren auf hohen Preisen sich erhielten, und daß die kommer! zielle Lage des Landes eine Blüthe zeige, mit welcher keine frühere Periode den Vergleich aushalten könne. Herr Lestibondois ant= wortete auf die Angaben des Ministers und sagte, es wäre nicht sehr schwierig, selbst mit Ziffern diejenigen des Ministers zu widerlegen. Er bespricht umfassend die Ausfuhren und Einfuhren, stellt dieselben einander gegenüber und sucht aus dem Ergebnisse nachzuweisen, daß die Prosperität, der Reichthum des Landes eher ab- als zugenommen habe. Der Redner ist gegen den ersten Paragraphen der Adresse. Herr Fulch iron sucht Herrn Lestiboudois zu widerlegen durch Vorbringung entgegen⸗ gesetzter Ziffern, will indeß zugeben, daß der Ackerbau vielleicht an manchen Orten, aber bei weitem nicht allgemein leide, wie die Redner der QOpposition gesagt. Nach ihm sprach Herr von Tocgqueville, der es tadelt, daß man so viele Gegenstände berühre, für welche die

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Zeit noch nicht gekommen sei. Manche anderen von nicht geringerer Bedeutung seien übergangen worden, und er werde sie berühren. Diese Fragen seien vorzugsweise politische. Er stelle die Majorität des Ministeriums in der Kammer nicht in Zweifel, aber er frage, ob das Ministerium auch auf dieselbe zu zählen berechtigt sei. Das Ministerium wünsche sich Glück zu der herrschenden Ruhe, betrachte die bösen Leidenschaften als beruhigt; allerdings, aber die guten Lei denschaften fehlten auch, Gleichgültigkeit, allgemeine Apathie sei an die Stelle edler Gefühle getreten (Murren), die Nation sei nicht ruhig, sie schlafe nur, und man solle ihr Wiedererwachen fürchten. So fährt er fort; der Postabgang zwingt mich, zu schließen.

A Paris, 17. Jan. Man irrt sich wahrscheinlich, wenn man annimmt, daß die Debatte über die legitimistischen Demonstrationen von Belgrave-Square durch die vorgestrigen Verhandlungen der De— putirten⸗Kammer erschöpft und beendigt sei. Herr Berryer und seine Meinungsgenossen im Palast Bourbon werden vermuthlich früher oder später eine Gelegenheit ergreifen, um diese Frage wieder aufzuneh— men und die Niederlage zu rächen, die sie ganz unbestreitbar vorgestern erlitten haben. Die ganze Ehre des vorgestrigen parlamentarifchen Kampfes war für Herrn Guizoöt, der sich vielleicht noch niemals mit so entschiedenem Glücke mit Herrn Berryer gemessen hatte. Der erste, und nicht der geringste Vortheil, den der Minister der auswärtigen Angelegenheiten über den Wortführer der äußersten Rechten davon trug, bestand darin, daß er denselben durch seine Zuvorkommenheit und Courtoisie bewog, die Rebnerbühne, die er im Unmuthe über die ungünstige Haltung der Kammer verlassen hatte, von Neuem zu bestei— gen. Hätte Herr Berryer in seinem Schweigen verharrt, so konnte sein geringer Erfolg auf Rechnung der Kammer gesetzt werden, die ihn verhindert hatte, sich völlig auszusprechen. Daß er sich bewegen ließ, das Wort nochmals zu nehmen, wird allgemein für einen großen Fehler gehalten, und Herr Berryer hat seinen Freunden dadurch jeden falls die Ausrede gesperrt, daß die von der Kammer ausgehenden Störungen die Wirkung seines Vortrages gebrochen, denn der zweite Theil desselben wurde mit großer Ruhe und Sammlung angehört. Das, was den Schwung der Rede des Herrn Berrher lähmte, war ohne Zweifel hauptsächlich die Schwierigkeit seiner persönlichen Stellung als Angeklagter gegenüber einem Richter, von weichem er wußte, daß derselbe von vorn herein sein und seiner Kollegen Ver⸗— dammungsurtheil ausgesprochen hatte. Die Schwäche das Herrn Berryer war dagegen die Stärke des Herrn Guizot. Sicher der Sympathieen der Kammer, stellte sich der Minister der auswärtigen Angelegenheiten, den Legitimisten gegenüber, wieder auf das Gebiet von 1830, und er sprach mit dein Bewußtsein eines Mannes, der jedes seiner Worte durch die Sympathieen seiner Zuhörer gehoben und getragen fühlt. Die Popularität, deren sich Herr Berryer sonst als Redner erfreut, hatte ihren Günstling dies Mal verlasfen, um Herrn Guizot in ihren mächtigen Schutz zu nehmen, welcher die Gunst seines Auditoriums gewöhnlich nur mit großer Anstrengung und mit dem äußersten Aufwande von Talent erzwingt. Darum war der Minister der auswärtigen Angelegenheiten vorgestern so stark gegen Herrn Berryer, welcher sonst in der französischen Deputirten⸗- Kammer selten einen Gegner sindet, der ihm gewachsen ist. Man darf nicht zu viel Gewicht auf den Werth der Sache legen, welche der Mini— ster auf der einen und Herr Berryer auf der anderen Seite vertrat. Herr Berryer hat die Sache der gestürzten Dynastie oft mit dem allerglänzendsten Erfolge verfochten, und es würde ihm, wenn er vorgestern alle seine Kräfte zu seiner Verfügung gehabt hätte, gewiß nicht schwer geworden sein, die ganze Debatte duf das Terrain der Prinzipien hinüberzuspielen, auf dem er so oft siegreich gewesen ist.

X Paxis, 17. Jan. Seit 3 Jahren hatte Herr Thiers ge— schwiegen, sich von der parlamentarischen Tribüne zurückgehalten, mit Ausnahme des einzigen Falles, wo es sich um die Regentschafts⸗Frage handelte, in welcher er der Dynastie und Regierung seinen loyalen Beistand leistete. Gestern glaubte er dieses bisher brobachtete Still— schweigen endlich brechen zu müssen, aber er hätte sicherlich besser gethan, zu schweigen, seine Rede war allerdings eine reine Oppositions⸗ Rede, indeß wurde sie von dem Minister des Innern auf eine Weise beantwortet, die nichts zu wünschen übrig ließ. Graf Duchatel hat da durch einen neuen Beweis seiner Redegabe und insbesondere der Feinheit und Schärfe seiner Argumentation geliefert. Für die Interessen des Landes im höheren Sinne bringen dergleichen Diskussionen, wie die zwischen dem Herrn Thiers und dem Grafen Duchätel, freilich nur geringen Nutzen; allein der Vertreter des Kabinets wurde von dem Haupt- Gegner und präsumtiven Erben desselben heraus gefordert, und mußte, den Kampf auf dem Terrain annehmen, auf welchem sein Gegner ihn angeknüpft hatte. Wenn der Minister dar⸗ aus, wie selbst die Organe der Opposition zugestehen müssen, mit Glück hervorgegangen ist, so ist sicherlich Herr Thiers selbst nicht we⸗ nig daran schuld. Das Ganze war in der That gestern ein Streit um die Portefeuilles zwischen den jetzigen Ministern und denen, die es waren und wieder werden möchten. Indeß stehen die Aussichten für Herrn Thiers nach der gestrigen Verhandlung noch keinesweges sehr glänzend. Wie bereits gestern bemerkt, der Streit mit den Le— gitimisten wird erst jetzt wieder nach dem gestern eingetretenen Schlusse der allgemeinen Debatte aufs Tapet kommen bei der Diskussion der einzelnen Paragraphen des Adreß-Entwurfs, die heute beginnt. Herr Berryer wird erst bei dem letzten Paragraphen wieder das Wort er— greifen, um von neuem gegen das Wort fletrir, das in Bezug auf das Benehmen der Legitimisten darin angewendet ist, zu protestiren. Das Oppositions⸗-Mitglied Herr Ducos von Bordeaux war es gewe— sen, der in der Kommission dieses Wort beantragt hatte.

Gestern früh hatten die legitimistischen Deputirten eine Zusam— menkunft im Hause des Herrn Berryer, wobei 15 Mitglieder anwe— send waren. Man berieth sich über den Gang, den man bei der weiteren Diskussion der Adresse einschlagen solle. Es herrschte große Niedergeschlagenheit über das Ergebniß der vorgestrigen Sitzung, und namentlich Herr Berryer schien alle Haltung, allen Muth verloren zu haben. Die Herren de Larcy und der Herzog von Valmy waren der Ansicht, daß man aufs lebhafteste das Ministerium im Laufe der gan— zen Diskussion bei jedem einzelnen Paragraphen bekämpfen und dann gegen das Wort lleirir, protestiren solle. Andere weniger herzhafte Mitglieder dagegen, wie der General Arthur de la Bourdonnaye, die Herren de Preigne, de Villeneuve Bargemont waren der Mei— nung, man solle sich nicht in den Kampf der Linken mit dem Mini— sterium mischen, da die Linke auch den Legitimisten vorgestern keinen Beistand gegen dasselbe geleistet habe. Die Meinung dieser erlangte endlich das Uebergewicht, und wenn nicht unvorhergesehene Umstände eine Aenderung dieses Planes absolut erforderlich machen sollten, so wird man sich darauf beschränken, erst bei dem letzten Paragraphen der Adresse wieder in den Kampf sich einzulassen.

m Paris, 17. Jan. Die gestrige Rede des Herm Thiers ist nur der erste Akt der feindlichen Manifestation des Ex⸗Präsidenten vom 1. März gegen das bestehende Kabinet, denn wie Herr Thiers es gesters versprach, wird er heute oder morgen über die auswärtige Polltit des Herrn Guizot umständlicher sprechen. Herr Billault wird ein Amendement einbringen, worin die auswärtige Politik des Herrn Guizot scharf getadelt werben soll. Herr Thiers wird dieses Amen=

dement unterstützen, und will, wie es heißt, den Beweis führen, daß zu keiner Zeit Frankreich eine demüthigere Stellung England gegen⸗ über, annahm, als unter der Verwaltung vom 29. 3

Obwohl man, um die Demonstration des Herrn Thiers genau zu würdigen, abwarten muß, daß er die versprochene zweite Rede halte, so kann man schon jetzt nicht verkennen, daß seine gestrige Rede ziem—= lichen Eindruck gemacht hat. Das Journal la Presse, welches von jeher Herrn Thiers hartnäckig verfolgte, kann nicht umhin, zu ge⸗ stehen, daß die Rede des Ex-Präsidenten vom 1. März „fort Ecoutè et sort artistement calculé, avait trouvsé dans quelques-unes de ses barties de scceNets échos parmi beaucoup d'hammes conscien— cieus et éclairés, qui appuient le ministère sans se dissi- muler ses torts et ses saihles ses.“ Also nach dem Geständnisse eines bedeutenden und einflußreichen Organes der Konservativen, hat Herr Thiers selbst auf den ministeriellen Bänken gestern großen Eindruck gemacht.

Sonderbar genug, Herr Thiers, eins der Häupter der Coalition von 1838, hat gestern es bereut, einen so blinden Haß und einen so stürmischen Widerstand gegen das Kabinet vom 15. April zur Schau getragen zu haben, da die Verwaltung dieses Kabinets im Vergleiche u der des heutigen Ministeriums entschieden besser gewesen sei. Herr Thiers hat zum Beleg davon angeführt, daß unter dem Kabinet Molé das Land viel ruhiger war, als heutzutage, weil man da⸗ mals die Amnestie zu prollamiren den Muth hatte, wozu das beste⸗ hende Ministerium sich schwerlich bewegen lassen würde. Durch diese späte Lobrede der Verwaltung des Grafen Mols erweckte Herr Thiers die alten Sympathieen der Konservativen für das Kabinet vom 15. April und brachte unter den ministeriellen Bänken eine gewisse Spaltung hervor.

Nachdem Herr Thiers die Konservativen gegen Herrn Guizot zu reizen gewußt hatte, entwickelte er gleichsam das Programm seines eigenen Ministeriums, welches auf eine große Majorität, bestehend aus den aufgeklärten Konservativen und aus der gemäßigten Oppo⸗ sition, sich stützen solle. Ich habe Ihnen schon erklärt, wie man ge⸗ genwärtig daran arbeitet, in Frankreich eine neue parlamentarische Ma⸗ jorität aus den Nüancen Thiers Molé zu schaffen. Die Verschmelzung beider Nüancen soll durch wechselseitige Zugeständnisse bewirkt wer den, deren mehrere Herr Thiers gestern berührt hat, worunter z. B. die oft besprochene Zulassung der Kapazitäten und die Reorganisa⸗ tion der Munizipalitäten in der Art, daß die bisherigen Kollisionen zwischen der Regierung und den Munizipalitäten sich nicht mehr er⸗ neuern würden. Herr Thiers rechnet bei diesem Verschmelzungs⸗ Projekte auf die Mitwirkung eines Theils der Linken, der sogenann⸗ ten gauche vertucuse. Aus der Art und Weise, in welcher die Rede des Herrn Thiers von der Linken aufgenommen wurde, kann man wahrnehmen, daß der Ex⸗Präsident vom 1. März hierin sich nicht verrechnet hat. Für heute also bes tränke ich mich, Sie darauf aufmerksam zu machen, daß die gestrige Rede des Herrn Thiers weit entfernt, ein isolirtes Faktum zu bilden, im Gegentheil als der An— fang der Ausführung eines großen parlamentarischen Projektes be⸗ trachtet, und unter diesem Gesichtspunkte aufmerksam gelesen und durchdacht zu werden verdient. ö

Das Kabinet hat in der Ernennung des Herrn de Labaume zum Deputirten an die Stelle des Herrn Teste Sohn einen Verlust er⸗ litten. Die ministerielle Majorität hat sich nicht nur dadurch um eine Stimme vermindert, sondern Herr de Labaume ist ein entschiedener Legitimist. Zu keiner anderen Epoche hätten die Wahlmänner dem Ministerium einen empfindlicheren Schlag versetzen können, als gerade jetzt, wo man die Macht der Legitimisten zu brechen bemüht ist.

GSrossbritanien und Irland.

London, 17. Jan. Das Court Journal giebt zu verste⸗ hen, daß Ihre Majestät die Königin sich abermals in gesegneten Um⸗ ständen besinde. „Die loyale Theilnahme für unsere Königin ⸗, schreibt das Hofblatt, „wird sich noch erhöhen, wenn wir andeuten, baß es mehr als wahrscheinlich ist, daß die Unterpfänder Ihres häuslichen Glücks sich vermehren werden. Wenn wir nicht falsch berichtet sind, so wird im nächsten Jahre der Familienkreis in Claremont zahl⸗ reicher sein.“

Der Tag, da die Verhandlungen in dem großen Staats Prozesse der Krone gegen O'Connell wieder aufgenommen werden sollten, ist mit dem 15ten d. M. erschienen, und die Eröffnung des Verhörs hat zur bestimmten Zeit in dem Gerichtshofe der Queens⸗Bench statt⸗ gefunden. Dublin war ruhig; selbst die Volkshaufen, welche gewöhn⸗ lich bei den früheren Verhandlungen des Prozesses vor dem Gerichts⸗ hofe sich versammelten, waren nicht sichtbar, und auf dem öden Platze und in den leeren Straßen trug nichts den Anschein einer Aufregung des Volks. Das Innere des Gerichtshofes bot gegen die Außenseite einen belebteren Anblick. Schon vor 10 Uhr waren alle Sitze eingenommen, und das Haus gefüllt; die mit großer Spannung den kommenden Verhandlungen entgegenhar⸗ rende Versammlung machte einen eigenen Eindruck. Der Gerichts saal, in der Form eines länglichen Vierecks gebaut, umfaßt 250 bis 306 Personen. Auf der erhöhten Richterbank, gegenüber dem Eingange saßen bereits Ihre Herrlichkeiten; ihnen zur Rechten in der an die Wand sich lehnenden Loge die Geschworenen mit düsteren Gesichtern; zur Linken der Bank hatten auf der entsprechenden Gallerie die Reporters ihre Plätze eingenommen; das Publikum und unter demselben viele Damen, besetzten in dichtgedrängten Massen die über dem Eingange nach beiden Seiten hinkau— fende Gallerie, und die Mitte des Saales, den Raum zwischen der Richterbank und der Gallerie, nahm, wie gewöhnlich, der lange Tisch ein, an welchem die Sachwalter der Parteien ihre Sitze einge⸗ nommen hatten. Die Gerichtsschreiber, Protonotarien 2c. saßen auf ihren etwas niedrigeren Sitzen vor der Richterbank, links und rechts von den Seitenbarrisren eingeschlossen, vor welchen die Angeklagten links und die Zeugen der Krone rechts erscheinen sollten. Um 10 Üühr erschienen die Angeklagten, welchen der gesammte Stadtrath Dublins mit dem Lord⸗-Mayor an der Spitze in feierlicher Prozession von der Wohnung O'Connell's an das Geleit gab. Die Staats Karosse des Lord Mayors, welche diesen selbst und die beiden OMConnell's, Vater und Sohn, enthielt, eröffnete den Zug; es folgten derselben 2 Wa⸗ gen mit den übrigen Angeklagten und ihrer Begleitung. Sämmtliche Würdenträger des Magistrats von Dublin erschienen in ihren Staats⸗— Roben. Das Erscheinen O'Connell's, der vom Lord⸗Mayor und sei⸗ nem Sohne durch die Gerichtshalle geführt wurde, begleitete von allen Seiten vielfacher Beifallsruf.

Wie zu erwarten stand, ist man in dieser Sitzung des Gerichts noch nicht weit vorgeschritten. Das Verhör sollte eröffnet werden, aber die bisher mit so gutem Erfolg angewandten Einsprüche der An⸗ geklagten gegen Einzelheiten der gerichtlichen Prozedur haben auch diesmal den Zweck der Sitzung vereitelt. Als nach langem Warten endlich die Richter die Sitzung für eröffnet erklärt hatten und die Jury hervor⸗ gerufen worden war, um vereidet zu werden, reichte der jüngere Anwalt O'Connell's ein Dokument ein, auf welches er den Antrag stützte, daß das Verhör vor den gegenwärtigen Geschworenen unzulässig sei, da dieselben aus einer falschen und ungesetzlich angefertigten Liste gezogen worden wären. Es folgte hierauf fast dieselbe Debatte, wie am Frei= tage, welche der General-Prokurator durch seine Entgegnung, baß die in dem Antrage aufgestellten Gründe zur gesetzlichen 3 der

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