1844 / 126 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

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elben zu gestatten, mit einer Majorität von 62 6 133 ge⸗

der timmen abgelehnt worden.

gen 195

kfurt a. M., 2. Mai. Der Bundes- Präsidial-

8. h , ,, Graf von Münch⸗Bellinghausen, wird

täglich von Wien hier zurückerwartet. Nach der Ankunft des Herrn

rässbial-⸗Gesandten wird der Herzoglich nassausche Bundestags- Ge⸗

andte, Herr von Röntgen, seine Stelle niederlegen und, durch den

Präsidenten der Rechnungs⸗Kammer in Wiesbaden, Freiherrn von Winzingerode, ersetzt werden. . ;

Zwischen der hier konzessionirten Kontinental⸗ Gesellschaft und un⸗ serer älteren Gasbereitungs Gesellschaft wurden kürzlich Unterhandlun—⸗ en eröffnet, welche die Abtretung der Etablissements 2c. der letzteren Gesellschaft an erstere bezwecken sollten; wie man aber hört, werden diese Unterhandlungen fruchtlos bleiben, da die ältere Gesellschast zu hohe Forderungen I Beide Gesellschaften werden somit konkur⸗

riren, sich aber wahrscheinlich dadurch freilich im Interesse des Publi⸗ kums benachtheiligen.

k Aus dem Luxemburgischen, 25. April. In einem Artikel der Augsburger Allgemeinen Zeitung vom Rhein (10. April) wird die if bra, in einer dem Interesse der deutschen Eisen-Industrie durchaus zuwiderlaufenden Art und Weise angeregt und dürfte daher wohl, da im ähnlichen Sinne abgefaßte Ärtikel deutschen Blättern vom Westen her schon öfter zuflossen, eine Er— örterung verdienen. Nachdem es nämlich als sehr beklagenswerth dargestellt, daß die Unterhandlungen zwischen Belgien und dem Zoll⸗ Verein gescheitert zu sein schienen, wird auf die Wichtigkeit hinge⸗ wiesen, welche in einer Annäherung Belgiens an Deutschland in po— litiscer Beziehung liege und unter Anderem dann weiter die sonder— bare Behauptung aufgestellt, das belgische Eisen sei für Deutschland im Allgemeinen eine Quelle des Reichthums und nicht der Erschöpfung ꝛc. Da der Korrespondent jene Quelle nicht näher bezeichnet, so dürfen wir uns wohl erlauben, von unserem Standpunkt aus einige Ein— wendungen zu erheben.

Zu den ersten Grundsätzen einer vernünftigen National-Oekonomie gehört, daß der Staat die natürlichen Erzeugnisse seines Bodens schütze. Da Eisen den ältesten und wichtigsten Industriezweig auf deutschem Boden bildet, so dürfte er eine Berücksichtigung unbebingt verdienen. Abgesehen davon, daß es gewiß nicht leicht auszuführen, Belgien hierin Zugeständnisse zu machen, die man England verweigert, indem dieses dann nothgedrungen in anderer Art Repressalien an Beutschland nehmen müßte, würde damit auch gar nichts gewonnen, da das bel gische Eisen allein hinreicht, wenigstens das Rheinland und die an— gränzenden deutschen Staaten zu überschwemmen, und den Untergang dieses Industriezweiges herbeizuführen. Wie Belgien alle Kanäle öffnet, eine vortheilhafte Handels Verbindung mit Deutschland einzu— gehen, so mühen sich englische Blätter nach wie vor ab, den Zoll— Vereinsstaaten die Herrlichkeiten einer unbeschränkten Handelsfreiheit vorzuspiegeln, von der England selbst so weit entfernt ist. Einige das Eisen betreffende Bemerkungen möchten daher hier wohl eine passende Stelle sinden. Um nur von einem Distrikt in England, dem von Wales zu sprechen, so enthält derselbe allein 41 Hochöfen. Der Preis der Steinkohle beträgt für die Tonne 3 Sh. 6Pee. bis 3 Sh. 10 Pee. oder 4 Fr. 560 Cent., was (als geringsten Preis angenom⸗ men) mit 7 Kub. Meter Holz im Luxemburgischen gleichen Werth

hat, ein Preis, der in Deutschland, je nachdem die Kohlengruben mehr oder weniger von den Hüttenwerken entfernt sind, bis, zu 10 Fr. steigt. Dessenungeachtet kann sich die Eisen Industrie in jenem Di strikte nur mit Mühe gegen eine durch die, Natur begünstigtere Kon⸗ kurrenz halten. Dazu kommt, daß Steinkohlen und Coak fürzlich einen Nebenbuhler im Anthracit gefunden haben, das in Schottland eine unerschöpfliche Ausbeute in Aussicht stellt, und daß die Trans- portfosten aus dem Innern dieses Landes his auf die Märkte des Zoll- Vereins nicht mehr betragen, als einer gleichen Quantität Eisen aus den Gebirgen der Eifel, des Hunsrück und dem Innern des Großherzogthums Luxemburg. Seitdem die Ver⸗ einigten Staaten von Nord-Amerika im Jahre 1839 den Tarif der Eisen⸗Einfuhr mit einem höheren Zoll belegten, blieb dem engli⸗ schen Eisen eigentlich nur noch der einzige ng nach Deutschland zum Absatz übrig, der daher auch in einem an erordentlich schnell steigenden Verhältniß zunahm, so daß nach den Zoll⸗Vereins - Ergeb⸗ nissen des Jahres 1813 die Gesammt-Einsuhr bereits die Höhe von 992, 350 Ctr. erreichte. Da ö. aber in Betreff der Eisen⸗Industrie von Belgien ziemlich dasselbe sagen läßt, was auf England anwendbar ist, so dürften diese Andeutungen hinreichend beweisen, daß das Groß- herzogthum und im allgemeinen Sinne Deutschland, von beiden Seiten nur Nachtheile zu erwarten hat, die um so greller hervortreten, wenn man bedenkt, daß wir nicht wie Belgien und England in Stand gesetzt sind, uns so wohlfeiler Brennstoffe, wie die bezeichne⸗ ten, zu bedienen, sondern das theurere Brennmaterial, die Holzkohle, anwenden müssen, welche das Eisen in der, Qualität zwar besser macht, aber den Preis natürlich erhöht. Daß dies jedoch kein hinreichender Anlaß ist, zum Besten der Konsumenten deshalb diesen Industriezweig in Deutschland fallen zu lassen, ergiebt eine , . Berechnung, nach welcher die Erhöhung des Preises auf die Masse übertragen, den Einzelnen ein durchaus unerheblicher und unfühlbarer Nachtheil trifft. Die Einfuhr, nicht allein des Roheisens, sondern auch sämmt— licher anderen Eisen- Fabrikate Belgiens, in Deutschland ganz frei⸗ geben, würde daher nichts weniger heißen, als unsere Hochöfen, deren

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einziger Absatz nach Deutschland schon jetzt sehr gering ist und daher die lebhaftesten Besorgnisse für die Zukunft erweckt, dem Untergange preisgeben, da jede Konkurrenz dann abgeschnitten wäre. Welcher höchst nachtheilige Einfluß hieraus für die ganze Kultur und den Wohl= stand des Landes erwachsen müßte, ist leicht einzusehen. Dagegen würde 9 dieser Industriezweig nicht allein bei uns, sondern in ganz Deutschland chnell heben und auf alle mit ihm in Verbindung stehenden Verhält= nisse wohlthätig einwirken, wenn man auf die Einfuhr des Roheisens eine Eingangs- Abgabe legen wollte, indem man nach den Erfahrun⸗ gen von Frankreich und England hierbei sogar behaupten kann, daß durch einen solchen Schutz sich die Vortheile für den Konsumenten nur um so schneller geltend machen würden. Uebrigens ist kein Zweifel, daß hierin längst geeignete Schritte geschehen wären, könnte Preußens Stimme in Angelegenheiten des Zoll-Vereins entscheiden; einen der— artigen Vortheil hat jedoch seine große Gewissenhaftigkeit schon bei Gründung des Zoll-Vereins selbst verschmäht. Als das großartige Werk noch im Entstehen war, mochte es auch wohl nöthig sein, allen deutschen Staaten entscheidendes Stimmrecht zu garantiren; das Be⸗ dürfniß der Entscheidung durch Stimmen-Mehrheit der Zoll⸗ Vereinsstgaten macht sich jedoch immer dringender geltend, je mehr sich der Bereich des Zoll-Vereins erweitert. Der auswärtige Einfluß wird erst dann, nachdem es dazu gekommen, seine Kraft verlie— ren, während unter den gegenwärtigen Verhältnissen oft die besten Projefte durch den Einspruch des kleinsten Staates in der Ausfüh⸗ rung gehemmt werden.

Werfen wir nun einen Blick auf die vermeintlichen Vortheile einer Annäherung oder Vereinigung Belgiens mit Deutschland in po litischer Beziehung, so würden wir Lupemburger insbefondere einen innigeren Anschluß an ein Land herzlich wünschen, an das uns noch vielfache Familienbande, in früherer Zeit geschlossen, fesseln. Allein, man sieht wohl ein, daß Deutschland als Ganzes, als eine Großmacht, höhere Interessen wahrzunehmen hat, und in Be— treff politischer Erweiterungen um so mehr zur Vorsicht auf. gefordert wird, je mehr schon die eigenen Verhältnisse Ein— heit als nothwendig erscheinen lassen. Die flämische Sprachbewegung deutet allerdings auf eine bessere Zukunft des germanischen Elements in Belgien hin, aber hat dasselbe schon eine solche Ausdehnung und Konsistenz gewonnen, daß Deutschland nicht allein auf die Wiederbe—⸗ lebung, sondern auf den vollständigen Sieg deutsch nationaler Ideen in jenem Staate mit Zuversicht rechnen kann? Ist Belgien schon jetzt politisch selbstständig und unabhängig von Frankreich? Ist alle Gefahr so plötzlich verschwunden, auf die nicht allein deutsche, sondern selbst belgische Blätter vor noch nicht gar langer Zeit wiederholt hin— wiesen, daß Belgien bei einer neuen politischen Katastrophe seinem es stets mit Argusaugen bewachenden Nachbar in die Arme falle? So lange der Friede nicht gestört wird, werden allerdings weder politische und noch weniger industrielle Bestrebungen irgend einen Erfolg der Art bewirken. Denn obgleich die französische Regierung, eben nur aus politischen Rücksichten, einen Handels Traktat mit Bel— gien sehr wünscht, so ist an einen solchen doch so lange nicht zu den— ken, als gerade die Eisen-Industrie in der französischen Deputirten— Kammer so kräftig vertreten wird. Die Besitzer der zahlreichen Eisenhütten an der französisch-belgischen Gränze werden sich nie zu Konzessionen für Belgien verstehen und geben damit zugleich den Zoll⸗Vereinsstaaten eine ernste Mahnung zur Beachtung der eigenen bezüglichen Interessen. Würden aber wöhl, um die politische Frage hiermit abzuschließen, bei einem plötzlich ausbrechenden Kriege die braven Flamänder bereits stark genug sein, sich den in Belgien noch vorherrschenden französischen Sympaihieen entgegenzustemmen? Nach der Lage der Dinge muß das für jetzt wenigstens noch bezweifelt werden. Die beutsche Politik muß jedenfalls an die Möglichkeit einer solchen Katastrophe denken, sie muß in Erwägung ziehen, daß, im Fall sich eine solche erfüllen sollte, den französsschen Armeen die Thore nach Deutschland offen ständen, und daß unberechenbare Nachtheile für Deutschland daraus hervorgehen würden, wenn ein Staat, was unvermeidlich, mit seinen inneren Verhältnissen vertraut gemacht wor— den wäre, der nun auf Seiten des Feindes stände.

Alles das berechtigt zu dem Schluß, daß in Betreff der in— dustriellen Interessen eine Verbindung Deutschlands mit Belgien je— nem nur zum Nachtheil gereichen kann, und daß in politischer Bezie— hung der Zeitpunkt noch nicht gekommen ist, der ein gegenseitiges Anschließen wünschenswerth machen könnte.

Frankreich.

Pairs-Kammer. Sitzung vom 26. April. Eine sehr interessante Episode in der Debatte über die Unterrichtsfrage bildeten die Erklärungen, welche Graf Portalis, der im Martignaeschen Ministersum als Großsiegelbewahrer fungirte, in Folge der Behaup⸗ tungen des Grafen Montalembert über die Art und Weise, wie die Verordnungen von 1828 über die kleinen geistlichen Seminare zu Stanbe gekommen, abzugeben sich veranlaßt fand. Wir lassen daher dem schon kurz erwähnten wesentlichen Inhalt seiner Angaben noch eine nähere Mittheilung seiner ganzen Barlegung folgen, die auch für die jetzt schwebende Frage von Gewicht ist.

„Meine Herren“, sagte Graf Portalis, „ich hatte nicht die Absicht, in dieser allgemeinen Diskussion das Wort zu nehmen, indem ich es mit Ver— trauen der Einsicht des gelehrten Berichterstatters Ihrer Konimission über— lassen wollte, auf die gegen den Gesetz-Entwurf erhobenen Einwendungen zu antworten; aber ein besonderer Umstand nöthigt mich, Ihre Aufmerl— samteit einen Augenblick in Anspruch zu nehmen: ein Verwurs des Grafen Montalembert, der mich zum Zeugen der Wahrheit dieses Vorwurfs auf—

gerufen. Er sagt, der Bericht habe etwas von jener Falschheit und Heu⸗ chelei an sich, die man nur unter einer Verwaltung der Restauration wie⸗ dersinde. Sie werden daher nicht erstaunen, meine Herren, wenn ich, als ehemaliger Minister der Nestauration, von diesem unerhörten Vergleich leb⸗ haft bewegt worden bin. Ehe ich diese Nednerbühne bestieg, um zu ant worten, glaubte ich dem Nath eines alten Philosophen folgen zu müssen. Ich ließ die Aufregung meines Gemüths sich legen, und ich will, dem Grafen von Montalembert nun mit Ruhe, aber auch mit Festigkeit antworten. Er hat uns, mich und meine Kollegen in dem Ministerium von 1828, beschuldigt, wir hätten die Verordnun— gen von 1825 fordem lassen; er hat diese Anklage mit beleidigenden Be— hauptungen begleitet; auf, die Beleidigung will ich nichts entgegnen, der Herr Graf ist jung, ich bin hochbejahrt; ich werde nur auf die Beschuldi⸗ gung antworten. Brauche ich an Andere als an Sie mich zu wenden, meine Herren Pairs, um Zeugen dafür zu haben, daß die Verwaltung von 1825 all' ihren Eifer, all' ihte Mittel angewandt, all' ihre Kräfte aufgebo—⸗ ten hat, um den König Karl X. zum Festhalten an den constitutionellen Prinzipien zu bewegen. Dieses Ministerium ließ ihn den Abgrund schauen, in welchen er sich zu stürzen im Begriff stand; es kämpfte muthig, ernstlich, nicht aus falschem Eifer, nicht aus Verblendung, wie der junge Graf Mon- talembert behauptete. Es ist meine Pflicht, laut zu betheuern, daß das Ministerium von 1828 weder unmütelbar noch mittelbar zum Sturze Karl's X. beigetragen hat. Nachdem eines Tages unsere Bemühungen fruchtlos geworden waren, schenktte dieser König für den Augenblick An—= deren ein Vertrauen, welches ihn ins Verderben stürzte. Ich komme auf die Verordnungen von 1828 zurück. Hier muß ich mit wenigen Worten an Umstände erinnein, welche diese berühmten Verordnungen herbeigeführt, welche sie nothwendig gemacht haben. Jedermann weiß, was in Frank— reich nach erfolgter Restanration mit Hinsicht auf den Fortschrift des reli= giösen Geistes und die Entwickelung Ler religiösen Institutionen sich zutrug. Icbermann weiß, daß im Jahre ist7 ein Gesetz alle damals bestehenden religiösen Vereine als gesetzlich und rechtmäßig erlaubte betrachtete. Dieser staatsrechtliche Grundsatz, daß kein religiöser Verein in Frankreich ohne ausdrückliche Genehmigung auftreten dürfe, ist niemals bestritten worden. Von 1817 bis 1825 entstand und erschien eine groste Anzahl von neuen Vereinen unter neuen Gestalten. Diese Vereine, da sie keine Genehmigung erhalten hatten, befanden sich in einer schlimmen, bedenklichen Lage, die zu begründeten NReclamationen Anlaß geben konnte; sie konnten ein Opfer des falschen Vertrauens werden, welches man ihnen ein— geslößt hatte. Andererseits beunruhigte sich die öffenfliche Meinung; sie verwunderte sich darüber, daß man gewisse Vereine von der ge— setzlichen Genehmigung dispensirte, daß man, unter dem Vorwand, das Gesetz ruhen zu lassen, es übertreten ließ. Was geschah? Die Regierung legte den Kammern im Jahre 1825 ein neues Gesetz über die religiösen Associglionen vor. Ich will nicht an die bewundernswürdigen Verhandlun⸗ gen erinnern, zu denen dieses Gesetz in den Kammern Änlaß gab. Die unveränderlichen Grundsätze unseres Staatsrechts wurden von den bedeutend— sten Rednern mit Energie ins Gedächtniß gerufen, und es wurde festgestellt, daß in Zukunft keine religiöse Association in Frankreich anders, als durch ein Gesetz zugelassen werden solle. Man betrachtete zwar alle diejenigen, welche sich von 1817 bis 1825 bereits begründet hatten, als gesetzlich zuge⸗ lassen, aber der 2te Artikel des damals angenommenen Gesetzes stellte es als Grundsatz auf, daß fortan kein neligiöser Verein in Frankreich anders als kraft eines beiden Kammern volgelegten und von ihnen genehmigten Gesetzes sich begründen, einrichten oder niederlassen dürfe. Während dieser Vorgänge weckten andere Umstände die öffentliche Aufmerksamkeit und erregten das Mißtrauen dersenigen Bürger, die zu den Nathgebern, der Krone kein vollkommenes Vertrauen hatten. Ein merkwürdiges Exreigniß trug sich damals zu: eine religiöse Congregation von Männern, die ich nicht zu nennen brauche, war in Franlreich erschienen; die Regierung wurde über das Vorhandensein dieser Eorporation befragt, und der Minister des öffentlichen Unterrichts, in feiner Aufrichtigkeit und Lovalität gestand, daß dieselbe in der That bestehe und die Leitung mehrerer Erziehungshäusen in Frank⸗ reich in Händen habe. Die Thatsache stand fest. Von allen Seiten gingen neue lagen ein, welche bis vor die Gerichtshöfe gelangten. Der Königliche Gerichtshof von Paris wurde aufgefordert, über die Sache zu berathen. Er ent schied, daß jene Congregation nach den Gesetzen in Frankreich nicht zulässig sei, daß eine Neihe von ganz besonders gegen sie gerichteten Geschen sie hindere, neue Anstalten ohne, gesetzliche und regelmäßige Erlaubniß zu er= richten. Gleichzeitig aber erllärte der Königliche Gerichtshof, der Theilung der Gewalten huldigend, diesem großen, von der loönstitusrenden Versamm' ung aufgestellten Prinzip, daß es der administrativen Gewalt zulomme, die Staatsgesetze in Ausführung zu bringen. Um diese Zeit wurde die Frage auch vor die Pairs -Kammer gebracht, und zwar von einem ehemaligen Mitgliede der konstituirenden Versammsung, den wir noch in unserer Mitte zu besitzen das Glück haben, und der, als die Geistlichkeit verfolgt wurde, als man ihr alle ihre Güter raubte, in der konstituirenden Ver— sammlung ausrief: „„Ihr nehmt ven Bischöfen ihre goldenen Kreuze; wohlan, sie werden ein Kreuz von Holz ergreifen; erin— nert Euch, daß dieses Kreuz ven Holz die Welt erlöste.“““ Sie werden wissen, daß ich von dem Grafen von Montlosier spreche. Ich gehörte da— mals zum Binschristen-⸗Comités und hatte die Ehre, beauftragt zu sein, der Kammer einen Bericht über die Petstion des Herrn von Montlosier abzu⸗ statten. Der Zustand der Gesetzgebung erlaubte es den Jesuiten allerdings nicht, ohne vorläufige Genehmigung in Frankreich sich niederzulassen; und was die Frage betraf, ob es damals in Frankreich wirllich Jesuiten gab, so konnte sie nicht zweifelhaft sein, da der BVischof von Hermopolis erflärt hatte, daß drei oder vier Häuser, in denen Unterricht ertheilt wurde, unter Leitung von Jesuiten ständen. Ich schlug daher vor, die Petition an den Präsidenten des Minister-Naths zu überweisen, und diese Ueberweisung wurde beschlossen. Ich weiß nicht, ob dies zum Sturze des damaligen Ministeriums beitrug; als jedoch im Jahre 182 der König ein neues Kabinet bilden wollte, und mich zu sich rufen ließt, erflärte ich ihm, es würde mir unmöglich scin, an einer Verwaltung Theil zu nchmen, die, nachdem sie aufgefordert worden wäre, liber die vön der Pairs Kammer beschlossene Ueberweisung der Petitionen, hinsichtlich des Auftretens eines, gesetzlich nicht erlaubten, religiösen männ lichen Ordens zu entscheiden, dieser Sache feine Folge gäbe. Vier Tage vor meinem Eintritt in das Ministerium sagte der König zu mir: „„Ich begreife Ihre Lage; es wäre gegen Ihre Ehre und gegen Ihr Ge- wissen, ciner Sache keine Folge zu geben, die Sie selbst sür eine wichtige

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, *. n, eines solchen mora en Unge⸗ heuers einen . n —̃ der, wie sich aus allen Indizien a , Ainet kestimmsen geisislcchen Comwerchion angehört; Vie Blame welcht hier über einen mißliebigen Orden virhängt wirt! al auf den geislichen Stand

im Allgemeinen zurück, und wenn dieser, abgesehen von allen konfessionellen

und prinzipiellen Fragen, auch nur annäherüngsweise von der Bühne herab dem Hohne und der Verachtung preisgegeben wird, wie kann er dann noch in seinem Berufe wirlen? Es giebt, urtheilen sie weiter, in allen Ständen Scheinheilige; es war also feine Nothwendigleit vorhanden, gerade den geistlichen zum Gegenstand einer Satyre auf die heuchlerische Devotion zu machen, um so mehr, als die Geschichte lehrt, daß Angriffe auf die geist= liche Würdenhasftigleit am schlimmsten auf die weltlichen zurückwirken und in der Regel von Letzterer gutgemacht werden müssen. .

In dieser Beziehung handelte demnach der Klerus seit 1664, wo Moliére den Tarlufe schrieb, und 1669, wo derselbe erst durch ein Macht— wort des Königs auf die Bretter gebracht werden lennte, bis auf den heu— tigen Tag in seinem Rechte, wenn er gegen das Stück eiferte, erklärend, er werde die Pflicht jedes Rechtschaffenen üben und mit aller Macht gegen das schleichende Gist der Scheinheiligkeit ankämpsen, dürse aber nicht zu=

eben, daß letzteres Laster einem nicht undeutlich bezeichneten bestimmien Ktn imputirt bleibe.

Der „Tartufe' ist durch diese Bezichungen und Kämpfe ein dramati= sches Parteistück göworden, mit dessen Aufführung in Frankreich es ungefähr so geht, wie mit dem Absingen der Marseillaise? beide ruhen so lange oder machen keine aufreizende . bis sich feindselige Tendenzen gegen Regierung und Heistlichleit rühren, dann aber sind sie das Banner, um welches sich die Factionen schaaren. Molirre's „Tartufe“ ist, in Beziehung auf. Charalter⸗ Wahrheit und Konsequenz, die von der Hauptperson zur Er⸗ reichung des vorgesebten Jieles an den Tag gelegt wird, ein Meisterwerk, Anlage und Ausführung gleich vortrefflich; bie Sprache hat eine beißende einätzende Kraft, dabei 1 die Versistcation überaus leicht und anmuthig; die dramgtische Themis wägt hier gut und bös in Glacc— Handschuhen ab. Nur der Schluß hat ung nie 34 können: Tartufe mußte,

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nach unserer unmaßgeblichen Meinung, Sieger bleiben, Orgon von Haus und Hof gejagt und ins Gesängniß abgeführt, die ganze Familie ins

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tiesste Elend gestürzt werden; dann war der Eindruck erschütternd, zermal— mend und nachhaltig wirtsam. Gewiß hätte ein solches Ende den Zwecken des Dichters weit mehr genützt, als die vernützte Entlarvung eines Böse— wichls und die Herstellung des Glücks der Orgonschen Famille. Doch Moliäre hatte, als er den Tartufe schrieb, den Schutz eines Mächtigen nö⸗— thig und ließ sich daher die Gelegenheit nicht entwischen, am Schluß dessel— ben durch den Mund des Gefreiten (Erempi) einen Regen von Lobsprüchen auf die Tugenden und Gerechtigkeitslicbe Lutwig's XIV, sin den mejodiöse; sten Alerandrinern zu ergießen. (Bei der hiesigen Aufführung am 29. April blieben diese unzeitgemäßten Beziehungen natürlich insgesammt weg, und der Bearbeiter der bekannte Jesuitenfeind Nicolai, dessen Uebersetzung von F. L. Schmidt bühnengerecht gemacht, wurde“) läßt den Orgon an Mad. Pernelle ungefähr folgende, gegen die feinen Anspielungen Moligre's grell abstechende und das, was der Dichter nur versteckt andeuten mochte, plump aussprechende Wonte richten:

Ich denk', wir Beide sind gewitzigt worden, Uns fern zu halten vom scheinheil'gen Orden).

„) In ihr ist der Alerandriner nur theilweise beibehalten und wechselt mit Knittelreimen ab. Diese Einrichtung ist nicht übel und thut dem Ohre im Lustspiel wohl; sie verdient Nachahmung. Auch Plautus schrieb seine Stücke in abweichenden Maßen: nicht blos in verschiedenen Jamben auch in ungleichen Trochäen, in Bakcheen, Kretikern und vermischten Versen dichtets er, und ganze Seenen; die Jamben leiten gewöhnlich das Stück nur ein, die steigende Lebendigkeit der Handlung verschmäht die hinlenden Gesellen, die schnellen unaushaltbaren Trochäen nimmt sie in ihr Geleit auf; nur sie genügen der zür Entwickelung strebenden. Vgl. Köpte' s treffliche Bearbeitung der Lustspiele des Plautus, Berlin bei Nauch 16809, Bd. I. S. 1V.

Frage erklärt haben; als Großsiegelbewahrer, als Justiz⸗-Minister könnten Sie unmöglich umhin, die Gesetze in Frankreich in Ausführung zu brin— gen; ich nehme die Bedingung an, unter welcher Sie in das Mi— nisterium treten wollen.““ Auf diese Versicherung hin schloß ich mich dem neuen Kabinet an, und zögerte nicht, zu dem von mir angekündigten Ver— fahren zu schreiten. Ich schlug dem Könige die Bildung einer Kommission

vor, um die vom Grafen von Montlosier angeführten Thatsachen zu prüsen,

den Zustand der geistlichen Sekundärschulen in Frankreich zu untersuchen, diesen zustand dann mit den Gesetzen des Königreichs zu vergleichen und einen Bericht darüber abzustatten. Die Kommission wurde ernannt. Sie bestand aus dem Eizbischose von Paris als Präsidenten, aus dem Bischof von Beauvais, dem Baron Seguier, ersten Präsidenten des Königlichen Gerichtshofes von Paris, dem Vicomte Lain, dem Grafen von Labour— donngpe, dem Herzoge Aleris von Noailles, Dupin dem Aeltere und anderen Mitgliedern der Depütirten Kammer, nebst einem Mitgliede des Königl. Univer- sitäts-Conseils. Nach Ernennung dieser Kommission war es meine Pflicht, sie sich selbst zu überlassen, und ohne mich weiter in bie Sache zu mischen, die Be— endigung ihrer Arbeit abzuwarten. Vier Monate vergingen darüber, die Unter suchung war vollständig und entscheidend. Einstimmig erkannten die Mit glieder der Kommission, daß es in Frankreich 53 geistliche Sckundär Schu— len gäbe, welche die in den Königlichen Verordnungen genehmigte Zahl überschritten, so wie, daß fünf von Jesuiten geleitete Sekundär-Unterrichté= Anstalten beständen. Ueber diese Thatsachen war die Kommission einig, nur darüber theilte sie sich in ihren Ansichten, ob man die geistlichen Schulen, welche die in den Königlichen Verordnungen bestimmte Zahl überschritten, bestehen lassen solle; sieben Mitglieder sprachen sich bejahend aus und nur vier Mitglieder waren entgegengesetzter Meinung. Der Ansicht des Baron Mounier aber, daß man Jesuislen unmöglich fernerhin fünf Sekun där-Schulen fönne leiten lassen, weil dieselben einem gesetzlich nicht erlaubten religiösen Männer- Orden angehörten, pflichtete die Kom— mission bei. Die Berathung war ruhig, gemessen und gewissenhaft, man beschäftigte sich nur mit dem einen, daß die Gesetze vollzogen werden müß— ten. Nach dieser Berathung verfaßte die Kommission den Entwurf einer Verordnung, die dem Könige zur Genehmigung und Unterzeichnung vorge— legt werden sollte. Ich erstattete dem Könige, der die Verordnungen über die Schließung der Jesuiten Anstalten unterzeichnen sollte, Bericht Über das Gutachten der Kommission und des Conseils; ich sagte ihm, daß, meiner Ansicht nach, hier nicht zu schwanken sei, daß der von uns ihm vorge⸗ legte Ordonnanz - Entwurf unterzeichnet werden müsse, daß wir je— doch seiner Weisheit die Sorge überließen, zu prüfen, ob nicht in dem Entwurf einige, Abänderungen, einige Modificationen vor- zunehmen seien. Der König ließ der Geradheit unserer Absichten, der Un. parteilichkeit unserer Verhandlungen Gerechtigkeit widerfahren. Nach Ver— lauf von 8 Tagen wurden wir auf Befehl des Königs zum Minister Nath versammelt; er erklärte uns, daß er die Frage reiflich erwogen, die Alten stücke geprüst habe und die Verordnungen zu unterzeichnen bercit sei. Wir machten ihm bemerklich, daß, da es sich um eine den Glauben berührende Religionsfrage handle, es wohl nicht zu viel wäre, die Sache noch 8 Tage zu überlegen, ehe er seine Unterschrift unter diese Verordnungen setze, und daß wir nur auf ausdrücklichen Befehl vor ihm erscheinen würden. Vier Tage darauf ließ der König uns von neuem zu sich rufen und übergab uns die Verordnungen mit seiner Unterschrist. So, meine Herren, haben wir dem Könige Gewalt angethan. (Von allen Seiten: Sehr gut!) Der ergan der Dinge war so, wie ich es Ihnen zu sagen die hre hatte: Wir ließen dem Könige Karl A. volllommene Freiheit. Es heißt, das An— denken dieses Königs, der ein so guter Christ war, verleumden, wenn man behaupten will, es hätte seinem Gewissen in einer solchen Angelegenheit lönnen Gewalt angethan werden. Mit Entrüssung weise ich den gegen uns gerichteten Vorwurf zurück.“ (Neuer Beifall.) . Das e auch Graf Roy, der im Jahre 1828 Finanz- Minister war, die Angaben des Grafen Portalis vollkommen bestätigte, ist schon gemeldet.

Sitzung vom 29. April. Nach Herrn Passy, aus dessen Vortrag bereits das Wesentlichste mitgetheilt ist, nähm in der Be batte über den Sekundär-Unterricht der Marquis von Barthelem 9 gegen denselben bas Wort. Er fand, daß der Gesetz- Entwurf kein wahres Prinzip der Organisation enthalte, daß bas Erziehungs- System, welches er aufstelle, mit der Constitution nicht im Einklang stehe. Anstatt die Freiheit des Unterrichts zu proklamiren, begünstige er das Monopol und vernichte die Konkurrenz. Anstatt ein Gesetz der Frei— heit für Alle zu sein, sei er nur ein Gesetz des Mißtrauens gegen den Klerus, den er verdächtige. Dabei verletze er das Recht der Familien. Herr Villemain sah sich durch einige der Beschuldigungen dieses Redners zu einer Entgegnung veranlaßt, worauf Marquis von Boissy wiederum gegen den Gesetz-Entwurf sprach. Die Debatte wurde nach dem Schluß seiner Rede nochmals vertagt.

Deputirten⸗Kammer. Sitzung vom 29. April. Wie schon erwähnt, erstattete heute Herr Felix Röal, im Namen des fünften Büreaus, den Bericht über die nochmalige Wiedererwählung bes Herrn Charles Laffitte für Louviers. Die Kommission hatte sich für die Bestätigung der Wahl erklärt. Herr Lafsitte ist bekanntlich lonservativer Kandidat und seine Wahl wird beshalb von der Oppo sition angefochten, weil dieselbe behauptet, daß er durch Suhmission für eine nach Louviers zu führende Zweig -Eisenbahn die Wähler be stochen habe. Der Berichterstatter erklärse nun, daß von Seiten des Herr Lafsitte verschiedene Dokumente beigebracht worden seien, welche diese Beschuldigung zu widerlegen geeignet wären. Hätte aber, meinte er, Herr Lassitte jene Submission jetzt zurücknehmen wollen, so würde er sich dadurch in den Augen der Kammer nur verdächtig gemacht und Grund zu dem ihm gemachten Vorwurfe gegeben haben, daß dieselbe eine Art von Kontrakt mit seinen Wählern gewesen sei. Ueberdies könne auch wohl die zweimalige Wiedererwählung des Herrn Laffitte, trotz dem daß die Wähler hinreichend gewarnt worden seien, für einen Beweis gelten, daß sie unabhängig und aus freiem Antriebe gehandelt hätten, indem sie die sem Kandidaten ihr Vertrauen zugewendet. Dazu komme,

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daß jene Eisenbahn mit der von der Stadt Lonviers dafür bestimmten Summe vollkommen herstellbar sei, daß man also der Hülfe des Herrn Lafsitte gar nicht bedurft hätte. Was den Konflift zwischen zwei Staatsgewalten betreffe, wovon man gesprochen habe, so könne dergleichen zwischen den Kammern und einem Wahlkollegium nicht stattfinden; die Unabhängigkeit eines Wahlkollegiums könne auf zweier— lei Weise verletzt werden, entweder durch gewaltsame Einmi⸗ schung von Seiten der Regierung, oder durch eine systematische Weigerung von Seiten der Kammer, die Kammer aber sei zu stark und zu gewissenhaft, als daß sie sich auf solche Weise dem freien Willen einer Wählerschaft widersetzen sollte. Herr Gustav von Beaumont bezeichnete alle diese Angaben und Argumente als bloße Sophismen und verwies auf die früheren Erklärungen der Herren Janvier, Gasparin, Dupin des Aelteren und Dufaure im Sinne der ersten Entscheidung der Kammer, durch welche diese sich gebunden habe. Er verlas unter Anderem eine Note, die ein Wähler von Louviers in Folge einer Unterredung mit Herrn Lafsitte aufgesetzt hatte, und worin die Versprechungen des Letzteren sich verzeichnet fanden. Mitglieder des Centrums riefen, diese Note sei von dem Kandidaten selbst nicht unterzeichnet, worauf Herr von Beaumont fragte, ob es etwa, um eine Bestechung zu erweisen, durchaus nöthig sei, daß sich dar— über ein Notariats- Akt vorfände. Der Redner wurde von neuem unterbrochen. Die Herrn Liadirres und Dugabé verlangten zu glei cher Zeit das Wort. Herr Emil von Girardin erhob sich und richtete mit heftigen Gebehrden einige Fragen an Herrn Grandin, der gegen Herrn Laffitte ausgesagt hatte. Die Sitzung war überhaupt sehr tumultugrisch, und schloß damit, daß nach zwei zweifelhaft gebliebe⸗ nen Abstimmungen die Kammer endlich zur Kugelwahl schritt und mit 185 gegen 176 Stimmen die Zulassung des Herrn Lafsitte abermals zurückwies.

Paris, 30. April. Die Deputirten- Kammer schritt heute zur monatlichen Srganisirung ihrer Büreaus. Unter 9 Büreaus wurden 6 im Sinne der Konservativen und 2 im Sinne ber Opposition zu sammengestellt, in einem Büreau, dem vierten, ernannten bie Konser⸗ vativen und die Opposition ihren Präsidenten und ihren Secretair in Uebereinstimmung, wozu die Opposition zuerst das Beispiel gab, indem sie für Herin Croissant, den Kandidaten der Konscrvativen, stimmte, worauf diese ihrerseits bem von der Opposition vorgeschlagenen Kandidaten, Herrn Dubois, ihre Stimmen gaben.

Morgen wird die alle fünf Jahre stattsindende große Industrie⸗ Ausstellung eröffnet; unter den interessantesten neuen Ersindungen, welche zu derselben eingesandt sind, nennt man einen Mohn Extrakt, der die beruhigende Eigenschaft des Opiums besitzt, ohne dessen auf— regende Wirkung zu theilen, und feste Milchkugeln, die in ähnlicher Weise wie die Tafelbouillon in kochendem Wasser aufgelöst die kräf tigste und reinste Milch geben.

M Paris, 30. April. In der heutigen Sitzung der Pairs Kammer unter Vorsitz des Kanzlers, Baron Pasquier, sprach zuerst Herr Viennet. Er würde nicht in der allgemeinen Diskussion das Wort genommen haben, ohne das Zaudern und die Zweifel der Re— gierung und die Angriffe einer mächtigen Partei auf der anderen Seite. Er wolle daher seine ganze Meinung sagen, sowohl um die Negierung gegen ihre Feinde, als gegen sich selbst in Schutz zu neh— men. Er wisse, daß eine Bekehrung nichts Leichtes sei, wer eine Meinung habe, wolle sie meist auch behalten. Außer Herrn von Boissy, der aus einem Vertheidiger des Gesetzes zum Gegner dessel⸗ ben geworden, habe fast Jedermann die seinige behalten, wie am An— sang der Diskussion, daher auch stets dieselben Argumente wieder kehrten. Der Redner bekämpft vorzüglich den Marquis von Barthe lemy und die „excentrischen Ansichten“ des Grafen von Montalembert und giebt eine Uebersicht der bisherigen Diskussion. Er schildert die Unruhen, welche zu verschiedenen Zeiten durch den Ehrgeiz des Klerus erregt wurden und sagt, die Revolution von 1789 habe zum Haupt zweck mit gehabt, sein unerträglich gewordenes Joch abzuschütteln. Er sei gegen alles Hinausschieben der Sache, wollé eine Entscheidung wie sie auch sei, und daher stimme er für den Gesetz-⸗Entwurf, weist aber die Idee einer Prüfungs-Jury zurück; verlangt die freie Kon kurrenz unter Aufsicht, der Regierung, sonst würbé die Unordnung organisirt. Er behält sich vor, Amendements zu beantragen und die— jenigen zu unterstützen, welche ihm zweckgemäß scheinen. Marquis von Boissysagt, er habe eine persönliche Frage anzuregen; als er gestern erklärte, er sei kein Bornirter, kein Obsturant, sei die Kam⸗ mer wenig zahlreich gewesen, er freue sich also, heute dasselbe wieder— holen zu können. Herr Vlennet habe so eben gesagt, er habe seine Meinung geändert; er sage nicht, ob er sie nicht vielleicht noch ein mal ändere. (Heiterkeit. Der Redner gesteht, daß er gestern über das, was der Rath des öffentlichen Unterrichts koste, sich getäuscht habe, im Uebrigen aber habe er Recht gehabt, und bleibe bei seinen Worten stehen. Er verlangt Aufklärung Som Minister des öffent⸗ lichen Unterrichts. Dieser entgegnet, er habe dessen Argumentation nicht begriffen; was derselbe angeregt, fei der Diskussion ganz fremd. Graf v. Montalembert, sich auf die Ordonnanzen Karl's X, vom Jahre 1828 in Betreff der religiösen Congregationen beziehend, be⸗ klagt sich, daß man seine Wahrheitsliebe in Zweifel gezogen, und will die Wahrheit seiner Angabe aus einem Briefe des Bischofs von Hermopolis beweisen, den er anführt. Herr v. Portalis bleibt aber bei seiner Behauptung stehen. Der Herzog v. Bro glie: er halte es für liberflüssig und ermüdend, noch einmal in eine Beleuchtung der

religiösen Erörterungen einzugehen. Nur dem einzigen Redner werde er antworten, der den Kommissionsbericht an 2 habe. Dieser Bericht sei der Hypokrisie beschuidigt worden, s stehe es im Moni⸗ teur. Graf Montalembert: er habe nicht den Kommissionsbericht, sondern den Gesetz-Entwurf der Hypokrisie beschuldigt. Der Her⸗— zog von Broglie: das Wort stehe im Moniteur, sei aber aller⸗ dings zurückgenommen worden. Das sei eine in diesem Hause bisher unerhörte Sprache, deren Monopol er dem Redner überlasse, der sich derselben bedient. (Beifall Graf Montalembert: er habe die Kommission nicht verletzen wollen. Graf Mols: er und seine Kolle⸗ gen hätten das Wort alle auf den Kommissionsbericht bezogen. Die allgemeine Diskussion wurde geschlossen.

Die Deputirten-Kamm er setzte die Diskussion der Artikel des Gesetzes über die Gefängnisse fort.

m Paris, 30. April. Die ganze Nacht hindurch wurde in dem Industrie⸗Ausstellungs⸗-Gebäude gearbeitet, um die letzten Vor- kehrungen für die Industrie Ausstellung zu vollenden. Um neun Uhr Morgens übernahm die vom Handels-Minister ernannte Kommission aus den Händen der Architekten das Gebäude im Namen der Regie⸗ rung, und ühertrug sogleich die Aufsicht desselben der Polizei⸗Behoͤrde und der großen Ausstellungs- Jury. Der Polizei⸗-Präfekt unternahm um elf Uhr eine genaue Besichtigung des Lokals, damit der König ohne Gefahr seinen heutigen Besuch der Industrie⸗Ausstellung aus⸗ führen könnte. Gegen Mittag wurde ein bedeutendes Detachement von Munizipal-Gardisten zu Fuß und zu Pferd vom Palast der Tui⸗ lerien längs des Quai's über den Platz de la' Concorde bis zum Ausstellungs Gebäude, aufgestellt. Der König, die Königin der König und die Königin, der Belgier, die Herzogin von Kent, alle fünf im nämlichen Wagen, der Prinz Alexander von Würt⸗ tkemberg, der Herzog August von Koburg⸗-Kohary, der Prinz von Leiningen und die übrigen Mitglieder der Königlichen Familie in acht Hofwagen, mit einer zahlreichen Suite von Adjutanten und Hofdamen begaben sich nach ein Uhr nach den Ehamps⸗Ely⸗ säes. Beim Aussteigen vor bem Gebäude der Industrie⸗Ausstellung wurde der Hof vom Minister des Handels, vom Präfekten der Seine, vom Poli⸗ zei⸗Präfekten und von der großen Industrie⸗Jury, an deren Spitze Baron Thénard stand, empfangen. Dem Architekten, welcher das Ausstellungs⸗Ge⸗ bäude aufgeführt hatte, wurde die Ehre zu Theil, dem Könige den Plan des Gebäudes einzuhändigen, worauf der Hof seinen Umgang durch die verschiebenen Gallericen des Gebäudes begann. Der König blieb vor jedem Ausstellenden längere Zeit stehen, unterhielt sich mit ihm über die Fortschritte, welche die Indusirie in dem betreffenden Zweige seit der letzten Ausstellung gemacht hatte, und bezeichnete dann den Gegenstand, welcher im Namen der Civilliste angekauft werden sollte. Eben so wählten die beiden Königinnen und die übrigen Prinzen und Prinzessinnen mehrere Gegenstände aus, welche nach vollendeter Aue⸗ stellung ihnen gehören werden. Der heutige Besuch des Hofes wird schwerlich vor. 6 Uhr Abends enden, da Ludwig Philipp nichts so sehr liebt, als mit den Fabrikanten die Interessen der Industrie zu be⸗ sprechen und dabei die ausgedehnten Kenntnisse zu entfalten, welche er in Gebiete aller mechanischen Künste besitzt, und worüber die Fabri⸗ kanten selbst nicht selten in Verwunderung gerathen. .

Bevor der König in die Industrie-Klusstellung fuhr, empfing er den Erzbischof von Paris, begleitet von dem Dom-Kapitel der Notre⸗ Dame-⸗Kirche, welche bei Gelegenheit des morgenden Namensfestes des Königs ihre Glückwünsche darbrachten. Man versichert, daß zwischen dem Kultus-Minister und dem Erzbischof von Paris seit mehrereren Tagen Unterhandlungen gepflogen wurden, damit Letzterer bei der heutigen Glückwünschungs Rede die so delikate Frage der Freiheit des Unterrichts mit keiner Sylbe berühren möchte. Der Prälat hat sich geweigert, seine Rede dem Minister vorläusig mitzu⸗ theilen, er soll jedoch versprochen haben, daß er die Konvenienzen zu gut kenne, um nicht ein Wort zu sagen, welches der König nicht an⸗— hören dürfte. Unsere politische Welt jegt großes Gewicht auf die diessährige Rede des Erzbischofs von Paris, wesl man daraus das muthmaßliche Benehmen, welches die Bischöfe von Frankreich beobach⸗ ten wollen, wenn der Gesetz- Entwurf des Sekundär ⸗Unterrichts in der Pairs Kammer durchgehen sollte, zu entnehmen hofft. Die reli⸗ giöse Partei meint, daß der Erzbischof in gemäßigten, aber bestimm⸗ ken Ausdrücken den Wunsch des Klerus zur Erlangung der Freiheit des Unterrichts dem Könige erneuern werde. Man ist sehr gespannt, zu sehen, ob der Moniteur universel morgen diese Rede veröf⸗ fentlichen wird, welche man jedenfalls im Univers eingerückt zu sinden hofft.

Heute Abends findet bei der Königin großer Damenzirkel statt, wel⸗ cher sehr zahlreich zu werden verspricht. Sämmtliche Damen des diplo- matischen Corps sind dazu geladen. Heute Abends wird der König die Glückwünsche des Staatsraths empfangen. Bei der morgenden Aufwartung des diplomatischen Corps, welche um 4 Uhr Nachmittag stattsindet, wird der päpstliche Nuntius das Wort führen. Um 9 Uhr Abends ist dann bei Hofe große Tafel von 126 Gedecken, wozu sämmtliche Minister, die Präsidenten und Vice Prä⸗ sidenten der beiden Kammern, die Präsidenten der obersten Gerichts höse, die Marschälle von Frankreich, die Admirale, die Obersten der [2 Legionen der National-Garde von Paris u. s. w. geladen worden sind. Längs des Quais d'Orsay wird seit einer Woche an dem Ge— rüste zum morgenden Feuerwerk gearbeitet. Die Stadt Paris will wegen der Gegenwart, der Herzogin von Kent und der zur In⸗ dustrie Ausstellung zahlreich herbeigecilten Fremden aus den Pro⸗

Weniger, und doch mehr, als der deutsche Bearbeiter“), that Herr Döring als Darsteller des Tartufe. Dieser wackere Künstler hatte die Worte beherzigt, welche Molicre in der Selbst- Apologie seines Stücks geäußert: „Meine Absichten sind in diesem Lustspiel durchweg harmlose, und es will feinesweges Dinge verhöhnen, welche man verehren muß; ich habe es mit aller Vorsicht behandelt, welche die Delifatesse des Gegenstan« des erforderte, und alle mögliche Kunst und Sorgfalt aufgeboten, um die Person des Heuchlers wohl zu unteischeiben von der des wahrhaft From= men. Ich habe deshalb zwei ganze Afte dazu verwendet, um bas Auftreten meines Vösewichts vorzubereiteü. Er läßt den Zuhörer nicht einen Augen⸗ blick in Zweisel; man kennt ihn alsbald an den Merfzeichen, die ich ihm gebez, und von Anfang bis zu Ende sagt er lein Wort, verrichtet keine Handlung, welche ben Zuschauern nicht den Charalter eines Bösewichts zeichnet und den eines braven Mannes, den ich ihm gegenüberstelle, nicht hervortreten läßt.“ In diesem Sinne des Dichlers reproduzirte Herr Döring diesen Schleicher, sich von aller llebertreibung, Anzüglichkeit und Karrilatur auf das entschiedenste fernhaltend. Er halte den Charalter in drei Theile gespalten, deren beide ernsten sich im dritten und vierten Alt mit bewun« deruswirdiger Geschicklichkeit durchkreuzten. Esvbsren gegenüber behielt er sein natürliches Organ bei, war schmeichelnd, kosend, wie der Versucher an lockend, von den Berührungen ihres Gewandes und Armes elektrisch durch-= zuckt, und endlich, durch ihie Schein-Begünstigungen ermuthigt, vom Sin. nenfener hingerissen, das ihierisch in seinen Augen hraunte und die lechzen⸗ den Lippen beben machte. In den Gesprächen mit Orgon nahm er den

ö. h Es giebt auserbem noch eine Uebersetzung sämmilicher Werle Mo liere's ven 3schůolte, in C Bänden, Jurich i663, welcht das Original a. . , . und eine, von mehreren lebenden Schrist= ellern bearbeitete und theilweise gelungene, die 1838 u giachen in Vn

Bande erschienen ist. se gelungene, 3 achen in Einem

gezogenen Ton der Lämmelei an, und während er bei der Hausfrau sei— nen Körper in männlicher und schöner Haltung getragen, wuchsen jetzt die Schultern, der Kopf sanl, der Leib schien bie angeheuchelte Resignation der Seele zu theilen der Heimtücker stand vor uns wie er leibt und lebt. Die Charaltermaske rundele sich endlich zu der Erscheinung des bewuß— testen Bösewichts zusammen, als derselbe, nach der berühmten Tafel Scene, entlarvt zusammenbricht, doch sich plötzlich besinnt, ihm sei ein Mittel an die Hand gegeben, fernerhin als Schurle“ errei= cen zu önnen, was er bisher als Heuchler zu erschleichen gewußt. Töring's Tartuse hatte in diesem Augenblick wohl äußere Affection, doch leine innere Unruhe, und aus dieser Lage, die ihn vernichtet zu haben schien, ging er ohne Selbstbetäubung hervor, die scheinbare Vernichtung zu einer Verherrlichung seiner verbrecherischen Natur umgestaltend. Herr Böring be— wies auch in dieser schwierigen Rolle, wie sehr er bie Aufgabe zu sösen dersteht, welche dem genialen Darsteller (zum Unterschied von dem nur ver— ständigen und forrekten Darstellen) obliegt, nämlich den dichterischen Cha sakter so wiederzugeben, daß wir, bei aller Besonnenheit und Freiheit des Geistes, womit er über seinen Stoff schaltet, doch ihn zugleich ganz darin aufgegangen sehen. J

leherhaupt war die Vorstellung, die im Kostüm der Zeit stattfand, eine meistens befriedigende, was das gedrängt volle Haus alich durch bei⸗ sällige Aufmunterungen anerlannte. Namentlich hielt Herr Devrient den gon so, daß der gute Mann selbst in seiner Schwäche immer Mitgefühl und Interesse erregte. Auch das Zusammenspiel ließ diesmal Nichts zu wünschen übrig. ie schelmische Eivire, der die veisänglichste Nolle zuge- dacht ist, fand an Dem. Stich eine seine und gewandte Darstellerin, und der derbe Humor des Kammermädchens kam im Munde ver Frau von Lavallgde allerliebst und so zum Ausbruch, wie es in der Stellung liegt, die die ofen in der altfranzössschen Komöbse einnehmen. Vie fleincren Nollen (Mad. Pernelle, Damis, Maliane, Cleant u. s. w.) waren bei Mad, Valentini, Filn. Aug. von Hagn, Hin,. von Lavallade und Hmm.

Franz in den besten Händen. Herr Weiß (der, beilqufig gesagt, an senem Abend in Kotzebue's Lastspiel „das zugemauerte Fenster“ zu seiner, denn er wurde gerusen, und zu unserer „Freude“ spielte) hatte den Tartufe mit der an ihm gewohnten Sach- und Fachtenntniß in Scene gesetzt.

Schließlich möchte hier der Umstand Erwähnung verdienen, daß Mo⸗ liöte bei seinen Landsleuten seit kurzem eben so eine dramatische Figur zu werden anfängt, wie Haus Sachs dies längst bei uns ist. Abgesehen da—= von, daß der bekannte Fabrilant von Rühr und Greaelstücken, Victor Dncange, den „Tartufe“ zu melodramatischen Zwecken unter dem Titel „ée Jésuite“ bearbeifete, ist nämlich Moligre selbst Held eines Dramarg geworden, welches Charles Desnoper (seit kurzem Regisseur des Theatre srançgais) unter dem Namen „La vie d'un Comédien““! herausgegeben hat ein Stüc, das auch auf verschiedenen deutschen Bühnen mit Beifall gege⸗ ben wurde, z. B. in Frankfurt 4. M, wo Baison in der Rolle des Mositre gerühmt wird. Ez ist übersetzt von Hermann in Hamburg und in Both's (id est: unseres L. Schneider) „Bühnen-Repertoire“. Vor ung liegt serner ein viergltiges, in Alerandrinein gedichtetes Lustspiel von Au 8 Des portes „Molière à Chambord“ (Paris bei Tresse, 1843, 96 S. . welches am 5. Januar v. J. auf dem Königl. Odeon Theater zu Van zum ersten Mal aufgeführt ward, und worin Bouch et die Titelrolle mit bestem Essolg spielte. Das Stück hat übrigens wenig Inhalt, enthüllt uns blos die Hahnreischast des sich unglücklich fühlenden X ters, sührt uns die Höflinge Ludwig's XIV. vor, wie sie sich von Molizre abwenden, weil der König in einem seiner neuen Stücke nicht gelacht, und wie sie ihm wiederum schmeicheln, als der König eine Neprise eben desselben St verlangt.

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