1844 / 148 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

bes Königs. Sobann wechselten Gesang und Musik, und das Fest bot so viel Genuß und Einmüthigkeit, daß man es hoch anerkennen muß, wenn namentlich ein Offizier-Corps, dessen Mitglieder in ihren bürgerlichen Verhältnissen oft fern von einander stehen, hier, von dem Allen abstrahirend, ihrem esprit de corps eine so schöne Bedeutung gaben, daß eine wahre harmonische Geselligkeit entwickelt und durch alle Grade der Anwesenden verbreitet ward; für jeden Landwehrmann unfehlbar eine freundliche Erinnerung.

Ausland.

Deutsche Bundesstaaten.

Bayern. München, 23. Mai. J. K. H. die Frau Erb⸗ großherzogin von Hessen wird wohl den größten Theil des Sommers in Berchtesgaden zubringen. Dem Vernehmen nach gestatten es die neuesten Mittheilungen aus Lissabon J. M. der Kaiserin von Bra— silien, Herzogin von Braganza, ihren hiesigen Aufenthalt noch einige Zeit zu verlaͤngern.

Das hier mit so reger Theilnahme begrüßte Unternehmen der Herstellung eines kleinen Dampfbootes für , gen auf dem nahen Starnberger See unterbleibt vorläufig; auch von der Eröffnung von , auf dem bayerischen Meere (Chiemsee) verlautet nichts mehr.

Am 20sten d. wurden die lebensgroßen Statuen der vier Evan— gelisten, von Schwanthalers Meisterhand aus Stein gehauen, in die prachtvolle Pfarrkirche der Vorstadt Au gebracht, um über den bei— den Neben⸗Eingängen, wozu die Blenden gleich bei Erbauung der Kirche an der Außenseite angebracht wurden, aufgestellt zu werden. Das Hauptportal wird eine ebeufalls aus der Werkstätte des Herrn Professor v. Schwanthaler hervorgehende Madonna (Maria-Hilf) zieren.

Hannover. Hannover, 24. Mai. (H. 3.) In der Sitzung der ersten Kammer unserer Stände vom 13ten d. wurde auf den Vortrag des Gene— ral-⸗Syndikus in Betreff des Kabinetsschreibens über die Augmentation der Armee der Konferenz Vorschlag angenommen: unter Weglassung der von zweiter Kammer beschlossenen Veränderung der Worte „erfolgenden Zuschuß“ in „bis jetzt erfolgten Zuschuß“, so wie des Zusatzes am Schlusse, hinzu⸗ zufügen, „daß Stände sich vorbehalten, auf diesen Punkt jederzeit, insbeson⸗ dere aber in Fällen des §. 141 des Landes⸗Verfassungs⸗-Gesetzes und bei anderweitiger Regulirung der Verhältnisse der Königl. General- und der General · Steuer Fasse zurückzukommen.“

In der Sitzung zweiten Kammer vom 13ten wurde derselbe Konferenz- Vorschlag vorgetragen und nach längerer Diskussion mit 38 gegen 31 Stimmen abgelehnt.

Die erste Kammer berieth am 14ten d. den Antrag der Militair— Kommission, die Ausrüstungskosten betreffend. Der Antrag, „daß an den Ausrüstungskosten für Montirung der dritte Theil mit 14,000 Rthlr. der Landeskasse zu Gute gerechnet werden solle“, wurde angenommen, desglei⸗ chen die Vergütigungs⸗Summe für die Landeskasse mit 40,009 Rthlr. auf die Ankaufsgelder der Augmentations-Pferde. Der dritte Antrag lautet, „Stände hätten sich nicht überzeugen können, daß die Nachweisung über die für Material- Vorräthe verausgabten 44,997 Nthlr. genügend sei, um die beantragte Bewilligung auszusprechen, da Königliches Kabinet anerkannt, daß es sich auf in FIrie= denszeiten zu haltendes Armee⸗Material beziehe, für welches in den Mili⸗

tair⸗-Regulativen von 18 eine Ausgabe -Position enthalten sei; es müsse ihnen daher die Unzulänglichkeit der vor der Ausrüstung vorhanden gewe— senen Vorräthe nachgewiesen werden, weshalb sie darauf antragen, eine Nachweisung über die dafür gemachten Verwendungen und eine Darstellung der bei der Feststellung des Bedürfnisses befolgten Grundsätze mitzutheilen.“ Nach längerer Debatte wurde der Kommissions- Antrag genehmigt, so wie der vierte Antrag, „die Nachbewilligung der gGapalsers Aug ruta ions Kosten für Juni 1842 abzulehnen“, so wie der fünfte, darauf anzutragen, „daß Stände in jeder ordentlichen Diät eine Vorlage über den Bestand, Abgang und Zugang bei den Gegenständen, welche nach dem Kabinets⸗ , nden vom 5. Juni 1842 einen Kriegsschatz bilden sollen, gemacht werbe“, mit dem vorgeschlagenen Zusatze „und auch noch in der jetzigen“.

Baden. Karlsruhe, 24. Mai. In der 72. Sitzung der Kammer der Abgeordneten wurde, bei Fortsetzung der Berathung über das Budget des Ministeriums des Innern, bei Titel XIX. „Verschiedene Ausgaben“ angefragt, ob darunter auch Subventionen für Zeitungen begriffen seien und Belohnung für einen Censor. Die Regierung olommission bejog sich auf die künftigen Nachweisungen mit der Erklärung, die Regierung müsse dasjenige, was sie für Staats⸗ zwecke verwende, auch rechtfertigen; sie stellte derartige Verwendungen nicht in Abrede. Eine lebhafte Erörterung erhob sich über die Frage, ob die Regierung befugt sei, Staategelder für Veröffentlichung von Verhandlungen in ihrem Sinne, namentlich in der Karlsruher Zeitung, zu verwenden; es wurde der Antrag gestellt, unter der Rubrik „Verschiedene Ausgaben“ die Summe der wahrscheinlichen Verwendung auf den bestritienen Zweck mit 270781. zu streichen, und dieser Antrag angenommen. . ;

In der 66sten Sitzung der zweiten Kammer äußerte (laut den ter Karlsruher Ztg. beigegebenen Kammer ⸗-Verhandlungen) der Ministerial⸗Präsident Freiherr von Rüdt: „Die Uebertragung des Censor-Amts an Gelehrte kann wohl nicht zu einer Besorgniß oder

878 zu einer Beschwerde Veranlassung geben. Ohnedies werden wir bald so weit sein, um Censoren zu erhalten, zwangsweise vorschreiten zu müssen, damit dieser oder jener Beamte dieses Amt übernehmen muß, weil es ein höchst ärgerliches und lästiges Amt ist wegen der Masse persönlicher Verletzungen, deren der Censor überall ausgesetzt ist, während er seine Pflicht erfüllt und nach seiner Ueberzeugung geht.“

Großh. Hessen. Darmstadt, 25. Mai. Dem Geheimen Staatsrath und Präsidenten des Ober-Konsistoriums, Freiherrn von Lehmann, ist das Präsidium des Staats- Raths übertragen worden. Die Statuten einer hier zu errichtenden allgemeinen Renten-An— stalt haben unterm 22sten d. die landesherrliche Bestätigung erhalten. Die heutige „Hessische Zeitung“ enthält ein offenes Send⸗ schreiben des Rabbiners Dr. Levi zu Gießen an die Familie des Frei—⸗ herrn von Rothschild, worin er, mit Bezug auf die von Letzteren vorgenommene Zurückziehung der für den Bau einer neuen Synagoge zu Frankfurt ausgestellten Schenkungs- Urkunde im Betrag von 250,000 Fl., ihnen die Bitte stellt, sie möchten anderen geringeren Gemeinden das zuwenden, was sie dem reichen Frankfurt zugedacht hätten und was dieses nicht bedürfe, und für Eine Synagoge in ihrer Vaterstadt deren 100 in ihrer Umgebung bauen, wozu jene Summe vollkommen hinreiche. Seit dem 20sten d. giebt es zu Heppenheim an der Bergstraße schon blühende Traubenstöcke.

Freie Städte. Hamburg, 24. Mai. Seit einiger Zeit bildet die Beitreibung der den Brandbeschädigten geleisteten Vorschüsse durch Zwangsmaßregeln das Tagesgespräch. Man wundert sich, daß unter den vorwaltenden Umständen ein solcher Beschluß gefaßt werden konnte, nachdem es anerkannt ist, daß die fremden Beiträge überhaupt nicht als Darlehen, sondern als Geschenke gereicht wurden, um alle dieje⸗ nigen ohne Unterschied zu unterstützen, die in Folge der ereignißvollen Tage vom 5. 8. Mai 18412 in ihren Verhältnissen erschüttert oder zurückgelommen sind. Eine bloße Berücksichtigung der eigentlichen Armen konnte nicht im Sinne der Geber liegen.

Brem en, 24. Mai. Die hier erscheinende Weser-Zeitung bringt heute folgende, ihr aus Berlin unterm 22sten d. zugesandte Berichtigung: Tie „Weser -Zeitung enthält in ihrer Nr. 113 unter der Bezeichnung „Köln, 7. Mai“ einen Artikel, dessen schnelle Berichtigung eine Pflicht zu sein scheint. Es soll sich nämlich das Gerücht verbreitet haben, daß in Berlin ein rheinländischer Freiwil⸗ liger (doch wohl wegen eines verübten Vergehens) todtgeschossen sei. Dies wäre nun allerdings möglich, da es in der bürgerlichen Gesell— schaft von Zeit zu Zeit Verbrecher giebt, die durch das Gesetz zum Tode verurtheilt werden; aber jeder besonnene Mann muß sich dann auch zugleich sagen, daß in dem angeführten Falle, ein großes Ver⸗ brechen verübt, daß dieses gerichtlich untersucht, dann durch ein ver— eidetes Kriegsgericht beurtheilt, hierauf vom General-Auditoriat ge⸗ prüft sein mußte, und dann erst Sr. Majestät zur Bestätigung habe vorgelegt werden können. Zufällig aber ist seit dem Jahre 1815 kein Soldat des preußischen Heeres und also auch kein rheinländischer Freiwilliger todt geschossen. Der gute Geist, der unsere Krieger be⸗ lebt, hat es möglich gemacht, mit milderen Strafen im Frieden eine genügende Disziplin in unserer bewaffneten Macht zu erhalten.“

Der bremische Haupt ⸗Verein für die Gustav-Adolph-⸗Stif⸗ tung hat jetzt seine Statuten bekannt gemacht und zum Beitritt auf⸗ gefordert.

Frankfurt a. M., 21. Mai. In der Ober⸗Post⸗Amts⸗ Zeitung findet sich ein wiederholter Angriff des Großherzoglich hes— sischen Medizinal Direktors Dr. Graff und des Großhergsg 'ich hesst⸗ schen Medizinal⸗Raths Stegmayer auf den Hofgerichts Spee Georgi zu Gießen. Um ihre Behauptung, derselbe sei am Säufer-Wahnsinn leidend, zu bekräftigen, drohen sie nunmehr sogar, „dem Herrn Georgi eine große Anzahl der ihnen bis jetzt bekannten glaubwürdigen Per⸗ sonen namhaft zu machen, welchen er im Zustande der Trunkenheit von seinen Studienjahren her bis zu der tragi⸗komischen Katastrophe vom 30. Januar 1837 sich präsentirt habe“, und ersuchen einen Jeden, „welcher bei einer oder der anderen Präsentation zugegen war, ihnen mündlich oder schriftlich davon Mittheilung zu machen.“

Frankreich.

Paris, 23. Mai. In der Pairs⸗Kammer dauern die Debat— ten über die geistlichen Seminarien, in der Deputirten-Kammer die über die Eisenbahn von Nimes nach Montpellier noch fort. Unter den Reden, welche über den ersteren Gegenstand gehalten worden, hat die des Herrn Guizot die meiste Aufmerksamkeit erregt. Der Minister ließ sich im Wesentlichen folgendermaßen vernehmen:

„Das vorliegende Gesetz entfernt die drei Hindernisse, die sich bis jetzt der Freiheit des Ünterrichts entgegengestellt haben, nämlich die Nothwendig— keit der vorherigen Autorisation, die Verpflichtung der Vorsteher der Insti= tute, ihre Zöglinge in die Colläges zu schicken, und die Befugniß der Uni- versität, dse ertheilte Autorisation wieder zurückzunehmen. Trotzdem aber, daß das Gesetz diese Hindernisse entfernt, wird es tyrannisch genannt. Allein dem ist nicht so. Das Gesetz stellt vielmehr die Freiheit des Unterrichts wieder her, indem es die Hindernisse, die ihr im Wege stehen, entfernt. Der Graf von Montalembert fühlt dies wohl, obgleich es ihm nicht beliebt,

es einzugestehen. Er ist aber der Repräsentant eines Geistes intellektueller und moralischer Anarchie. (Derr von Montalem bert ruft Nein, während ein Theil der Kammer: Ja, ja! es ist wahr! dazwischen ruft.) Gewiß, er und einige seiner Freunde sind ein beklagenswerthes Beispiel einer Anarchie, welche sich in die Herzen der Menschen schleicht, die jedoch zum Gläck oft“ mals zurückgewiesen wird. Dieser Geist der Anarchie ist aber, fürchte ich, selbst unter die Priester gedrungen, und zwar in dem Grade, daß sie die Garantieen, welche Anderen gut dünken, als tyrannisch und ungerecht zu= rückweisen. Dazu treibt nicht der Geist der Freiheit, sondern ein aller Frei= heit, aller gesetzlichen und constitutionellen Autorität entgegengesetzter Geist. Ich muß die Veränderung, die seit einigen Jahren mit dem Klerus vor= gegangen ist, aufrichtig beklagen. Früher bestand derselbe großen= theils, wenn nicht ausschließlich, aus Mitgliedern der höheren und besser erzogenen Klassen der Gefellschast. Darum war er bei allen Vorgängen betheiligt und bildete eine einflußreiche und wohlunterrichtete Corporation; jetzt rekrutirt er sich ausschließlich aus den unteren Klassen, seine Erziehung ist untergeordnet, er lebt für sich und glaubt weder die Garantieen, die Alle genießen, noch das gemeinsame Recht des Landes nöthig zu haben. Meiner Ueberzeugung nach muß der Klerus seinen ihm zukommenden Theil an der Gesellschaft haben und feinen gesetzmäßigen Ein⸗ fluß ungeschmälert erhalten. Durch die Isolirung dieser Corporation kann der Staat nichts gewinnen. Indeß giebt es vorübergehende Nothwendig- keiten, denen man sich unterziehen ua Eine solche ist die Isolirung der kleinen Seminarien. Ohne diese würde die Gesellschaft dem Klerus keine

genügende Zahl hinlänglich vorbereiteter Individuen stellen. Haben auch die mittleren Klassen durch den Unterricht der Universität an

Moralität gewonnen, so sind sie durch denselben doch nicht zugleich zum Priesterstande vorbereitet worden. Die Universität ist keine Kirchenschule, und ich finde es natürlich, daß die Kirche in Betreff der Vorbereitung ihrer Diener sich nicht auf die Universität verlassen will. Deshalb halte ich es auch für gut, daß die Kirche, für den Augenblick wenigstens, besondere An— stalten habe. Indeß verkenne ich auch nicht, daß die Befugnisse der kleinen Semingarien nicht zu weit ausgedehnt werden dürfen. Dieselben müssen genau auf ihre eigentliche Bestimmung beschränkt und nicht zum Unterricht derjeni- gen Zöglinge, welche später der Gesellschast angehören sollen, zugelassen wer= den. Aus diesem Grunde stimmt die Negierung dem Antrage der Kommission, daß der gegenwärtige Zustand der Dinge noch drei Jahre lang unverändert bleiben soll, bei, indem sie hofft, daß der Klerus nach Verlauf dieser Zeit aus sich selbst unter die Herrschaft des gemeinsamen Rechts zurücktreten werde. Schließlich muß ich die Lage der Regierung erllären. Die Regie— rung liebt die Religion, die Kirche, den Klerus. Sie liebt, aber fürchtet sie nicht, d. h. sie fürchtet die Entwickelung ihrer natürlichen und gesetzmäßigen Gewalt, ihre moralische Autorität über die Geister und Herzen nicht, sondern wünscht dieselbe vielmehr. Andererseits will sie aber nicht, daß der Klerus in der Gesellschaft eine Macht habe, und jeder Wunsch, eine solche herzu- stellen, würde mit Ernst unterdrückt werden. Dazu hat die Regierung mehr als genügende, gesetzliche und moralische Mittel, und man hat an den Vor— gängen in und außerhalb der Kammer sehen können, daß ihr weder die Uebereinstimmung, noch die Unterstützung des Publikums fehlt. Ich wie— derhole, die Regierung liebt den Klerus, ohne ihn zu fürchten. In diesem Geiste muß man stets mit dem Klerus unterhandeln. Das Gesetz im All— gemeinen und besonders die vorliegenden Theile desselben sind in diesem Sinne abgefaßt und werden aus diesem Grunde von der Regierung un— terstützt.

So wie Herr Guizot in dieser Rede den die geistlichen Semi— narien betreffenden Artikel gegen die Forderungen der bischöflichen Partei zu vertheidigen hatte, die besonders vom Grafen Montalem⸗ bert vertreten wird, und der die jenen Anstalten bewilligten Gerecht same nicht genügen, da sie unbeschränkte Unterrichtsfreiheit verlangt, fanden die Minister des Kultus und des öffentlichen Unterrichts gestern sich im Gegentheil zu einer Rechtfertigung der dem Klerus und sei⸗ nen Schulen gemachten Konzessionen veranlaßt, die von Herrn Cousin, wie schon erwähnt, aufs heftigste angegriffen und als der Beginn einer Contre-Revolution bezeichnet wurden, die den Jesuiten in die Hände arbeite. Herr Villemain sowohl wie Herrn Martin du Nord protestirten energisch gegen diese Vorwürfe und erklärten, daß der Geist⸗ lichkeit nur bewilligt sei, was sie mit Recht in Anspruch nehmen könne.

Die Regierung hat folgende telegraphische Depeschen erhalten:

Tanger, 9. Mai. Man hat Grund, die Ankunft der Kabylen des Innern zu befürchten. Das Konsular-Corps schreibt dem Pascha, um im Voraus gegen diese Verletzung der allgemeinen Befehle des Kaisers zu protestiren. Der britische Agent hat ein Gesuch an die zu Malta stationirenden See⸗-Streitkräfte gerichtet. Ich (der fran— . Konsul) habe den „Cygne“ aufgefordert, hierher zurückzu ehren.

Man erwartet eine verneinende Antwort auf das spanische lllti— matum; in diesem Falle wird der spanische General-Konsul seine Flagge einziehen und sich einschiffen, wenn er es nämlich kann.

Tanger, 12. Mai. Tanger ist vollkommen ruhig. Es sind ö getroffenk, um die Stämme des Innern von hier entfernt zu halten.

1 Paris, 23. Mai. Heute wurde in der Pairs⸗Kammer die Diskussion über den Art. 17 (30 der Kommission) des Unterrichts—⸗ gesetzes fortgesetzt:

Graf Portalis verlas eine Rede, in welcher er alle gegen den Gesetz Entwurf gerichteten Angriffe zurückzuweisen sucht. Er behauptet, die Re— krutirung der Geistlichkeit leide durchaus nicht durch die Verfügungen des neuen Gesetzes und giebt den Gegnern desselben den Vorwurf erfünstelter Sprache zurück, den sie dem Gesetz- Entwurf gemacht hatten. Auf eine andere Art von Einwürsen eingehend, übernimmt der Redner die Vertheidigung der kleinen Seminare. Es müsse Spezialschulen für den Klerus geben,

Winterlandschast von Andre Schelfhout ist zwar mit vielem Fleiß ge—

malt, sehr transparent im Eise ünd durch die Mühe merlwürdig, welche sich der Maler gegeben hat, um jedes Ritzchen, jede Spur eines Schlitt⸗ schuhs oder einer Eisborste darzustellen, aber in der Malerei ungemein jrocken und in der Staffage etwas hölzern. Außerdem sind noch Land— schasten von J. Coig net, Con st. Tro von und vielen anderen aufge⸗ stellt, von denen einzelne mehr oder minder erheblich, sehr viele mittelmäßig und unbedeutend sind. ĩ .

Man wird uns nicht zumuthen, den Leser mit einer ausführlichen Analyse zu quälen; doch wird man uns zu gute halten, wenn wir ihn noch mit einer eige⸗ nen Abart dieser naturalistischen Landschasts⸗ Malerei bekannt machen, die nichts weniger bezweckt, als die Natur in ihren geringsten Einzelheiten haarklein und aufs allergenaueste nachzuahmen. Den Anstoß zu dieser mikroskopischen Rich⸗ mung gab der vor einigen Jahren gestorbene Landschafis Maler Delaberge, den' uͤbermäßige Studien in seinem sechsunddreißigsten Jahre getödtet ha— bin. Seine ice sind wunderbare Phänomene von Geduld, Fleiß und Ausführung. Die alten Holländer haben nichts aufzuweisen, was an diese miniatürarfig sorgsame und bis ins allerkleinste Detgil eingehende Behand- lungsweise . Der = . Slingelandt, Wonants, Jan van der Heyden und Benlheyden sind Vanloo's und Boucher's, das Non plus ulira von Nachlässigkeit und Flüchtigkeit dagegen. Aus einem Bilde von Delaberge, „der Landarzt“ betitelt und gegenwärtig zu der schö—= nen Sammlung moderner Bilder gehörig, welche der verstorbene derzog von Orleans angelegt, erinnere ich mich besonders eines Daches, wo jeder

Ziegelstein einzeln studirt, genau porträtirt und individualisirt war; auch nichi zwei gleiche hätte man darunter gefunden; der eine war roth, der andere ins Röthliche fallend, der dritte, älter oder härter ge brann, von braunem Ton, einige voller Regenflecken, andere mit solchen Mooglappen überzogen, wie sie Zeit ünd Nässe auf alten Dächern an Das Gemäuer war eben so merlwürdig, jeder Stein ein Portrait, die lleinsten Rissc, Ritzen und Spalten, die . das storn, die Sprünge, Ulleg mit unglaublicher Gewissenhaftigkeit und Treue nach- ebildet. In der Vegetation zeigte sich derselbe unermüdliche Fleiß der Aus=

hrung; eine Weinrebe umrankie die Thür des Hauses, in dessen Hinter= runde man in einem warmen Hellduniel den Kranlen erblickte, dem der ztliche Besuch galt. Jedes Blan ein Wunder; die lleinsten Auszackun

gen, die feinsten Adern konnte man darau unterscheiden, und am Rebholz

waren alle Borsten und Schälungen der Ninde, wie am Rebenlaub alle Nügncen und Schattirungen des herbstlichen Einflusses ausgedrückt. Von gleich milroskopischer Vollendung war der Baumschlag; jedes Blatt hatte sein besonderes Licht, seine eigene Halbtinte, seinen apart aufgetragenen Schatlen, seine speziellen Vegetations-Details, die nicht mehr zur Malerei, sondern zur Botanik gehören. Und dazu der eben so genau ausgepinselte Doftorsgaul, eine einzige Mähre mit eingesunlenem Nückgrat, abgetretenen Hufen, zottigen, haarigen Beinen, zerzauseter Mähne und jämmerlicher Miene! Die Nachahmung war bis auf den höchsten Grad getrie— ben, und bei aller sorgsamen Beendigung und emsigen Durchbildung hatte das Bildchen, wenn man einige Schritte zurücktrat, eine treffliche Haltung und eine erstaunliche Kraft des Kolorits. Untersuchte man es aber mit der Loupe, so entdeckte man den sammetweichen Flaum am Kelch der Klette, die spitzen Stacheln an den Distelstengeln, die Knoten an den Strohhalmen, die Thautropfen an den Grasspitzen, kurz eine Menge Einzelheiten, die sich bis dahin versteckt hatten: die unbedeutendsten Kleinigkeiten des Terrains, ein Sandkorn, ein kleiner Kieselstein, das schwächste Geröll und Geleise waren mit einer Treue wiedergegeben, welche der Daguerreotyp nicht zu er= reichen vermöchte, da sich hier Farbe zu Modellirung und Perspeltive ge⸗ sellte. Delaberge's ganzes Streben ging dahin, Bilder zu liefern, die, auf einige Schritt weit gesehen, breit und massig behandelt erscheinen sollten, wie die wirklichen Dinge in einiger Entfernung sich ausnehmen, und die, in der Nähe betrachtet, ebenfalls Alles enthalten müßten, was eine ge⸗ naue Beobachtung an den Natur -Gegenständen wahrnimmt. Mit einem Wort, anstatt seine Bilder aus einem gewissen Standpunkt aufzu—= nehmen, wollte er ihnen den bunten Erscheinungswechsel der Natur geben und es dahin bringen, daß der Beschauer in der Nähe oder Feine die mannigfaltigen Ansichten habe, welche die wirlliche Landschaft dar, bietet: zuerst den Baum, dann die Blätter, dann jedes Blatt und selbst jedes einzelne Blatt, wenn es der Phantasie gesiele, darauf mit prüsendem Auge zu verweilen. In dem Streben nach Verwirklichung dieses Traumes ist er natürlich gescheitert; doch hat er Nachahmer und Nachfolger gefunden, die seine Nichtung vertreten, und, nach seinem Vorgange, die Natur por—= traitiren, wie Denner die menschliche n,, kopirte mit allen Run= zeln, Hautfalten, Poren, Warzen, Sommersprossen und Blatternarben.

Dahin gehören Finart, Delave, Blanchard und Benj. de Fran— cesco, welcher Letztere seinem Vorbilde am nächsten kömmt und dessen Bauerfrau unter dem Hollunderbaum an Delaberge's „Alte mit dem Hammel“ erinnert. Der Hollunderbaum ist mit unsäglichem Fleiß bis in die kleinsten Details durchgeführt, ebenso die Gartenmauer, doch das Ganze nicht sehr hell und klar in der Färbung. Auch eine grö— ßere Landschast dieses Künstlers, eine flache Gegend aus der Bre— tagne, im Vorgrunde mit einer mächtigen Eiche an einem Wasser, worauf weiße und gelbe Mümmelken und andere Wasserpflanzen schwim— men, ist von seltener Präzision, aber einiger Trockenheit des Machwerks, welche dem Rain ein gar zu struppiges Ansehen giebt. Schon voriges Jahr gedachten wir rühmlichst der fleißigen Pflanzenstudien dieses Künstlers, der seinem Vorgänger auch darin ähnlich ist, daß er oft an einem Distel busch, oder an einer Nesselstaude für den Vorgrund seiner Bilder einen ug Monat arbeitet. In einer Zeit, wie die unsrige, wo Jeder schnell ein Glück machen, in Ruf und in Vogue kommen und wo möglich Mode werden will, wenn auch nur für den Augenblick, wo der Künstler sein ihm von der Natur mitgegebenes Kunst⸗Vermögen auf hohe Zinsen anlegt und sein Gehirn gleichsam in Schläge theilt, um den größtmöglichen Ertrag da— von zu ziehen, kann man nicht genug gewissenhafte Leute loben, welche aufs genaueste studiren, ehe sie elwas produziren, und nichts der banalen Leich figleit und Handfertigkeit anheimstellen, die ohne allzu große Mühe zu er— ringen und den Meisten genügend ist. ö

Unter den Gemälden, in welchen Landschaft und Genre auf mehr oder weniger anmuthige Weise verbunden und prosaische oder poe— tische Scenen in landschaftlicher Stimmung aufgefaßt sind, gefallen besonders die Zigeuner im Walde, die orientalischen Frauen auf einer Terrasse im Freien, und das Mädchen mit der alien Here in der Grotte von Diaz, einem jungen Künstler, der sich erst seit kurzem einen Namen gemacht und sonst nur Kunsthändlein und einigen Liebhabern bekannt war. Obgleich nur leicht à la prima hingemalt und im Grunde immer nur Far= en dn, gewähren doch seine Bilder durch das pikante Spiel der Lichter und Farben, durch geistreiche Gruppirung und Behandlung einen eigenen Reiz und Effekt. Die beiden zuerst genannten Stucke glitzern und blitzen, wie Schmuckkästchen voll Edelsteine; man meint, gemalte Seifenblasen auf- steigen zu sehen, und hat seine Freude daran. Auf nähere Unter suchung

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und diese besonderen Schulen, sagt er, seien die kleinen Seminare. Sie müßten schon deshalb da sein, weil die großen Seminare beste⸗ hen. Sie machen keinen Theil des eigentlichen Unterrichts aus, und nur nebenbei und ausnahmsweise wird ihrer im Gesetz-Entwurse gedacht. Außerdem haben die kleinen Seminare zu allen Zeiten bestanden und waren vom Konzilium von Trient bis auf unsere Tage stets Gegen= stand der Sorgfalt der französischen Könige. Der Redner schließt mit der Eillärung, daß die Gesellschaft nichts von den in den kleinen Semingren erzogenen jungen Leuten zu besorgen habe, denn diese jungen Leute, gebildet von anderen Lehrern, als den bürgerlichen, würden sich uneigennützig zeigen in iwischen Dingen und sich ganz den Interessen der Kirche widmen. Der Redner erklärt sich gegen das Amendement des Herrn Cousin.

Herr Cousin schlägt eine neue Fassung seines Amendements vor, das so lauten würde: „Die Zöglinge der geistlichen Sekundärschulen, die gemäß der Ordonnanz am 16. Juni 1828 errichtet sind, können erst dann zum Eyamen für das Balkalaureat zugelassen werden, wenn diese Schulen den Bedingungen Genüge geleistet haben, die von den vollständigen Sekundär— schulen (institutions de plein exercice) verlangt werden.

Herr Rossi bekämpft dieses Amendement. (Die Sitzung dauert fort.)

A Paris, 23. Mai. Die Regierung ist im Begriff, den Ge— neral Delarue mit besonderen Aufträgen für den Herzog von Aumale nach Algier abzuschicken. Man glaubt, daß die Sendung desselben in gewiffem Zusanimenhange mit dem Treffen vom 24sten v. M. stehe, von welchem jetzt alle Welt weiß, daß es mit einer förmlichen Niederlage der Franzosen geendet hat, die der Unvorsichtigkeit des Herzogs von Aumale beizumessen ist.

Die Kommission der Deputirten⸗Kammer, welche mit der Be gutachtung der außerordentlichen Kredite für Algier beauftragt ist, hat ihre Arbeiten beendigt, und ihr vom General Bellonet abgefaß⸗ ter Bericht ist gedruckt und an die Mitglieder der Kammer vertheilt worden. Der General Bellonet trägt freilich darauf an, der Regie⸗ rung die verlangten 7 Millionen zur Verstärkung der afrikanischen Armee um 15,000 Mann zu bewilligen, aber er dringt zu gleicher Zeit mit großem Nachdrucke darauf, daß es dem Ministerium zur Pflicht gemacht werde, das algierische Budget künftig nicht mehr zu über schreiten, wie dies bisher von Jahr zu Jahr in größerem Maße geschehen. Der Bericht des genannten Deputirten will, daß die französische Erobe rung in Afrika an der Linie Halt mache, welche im vorigen Jahre vom Marschall Soult selbst als die Gränze derselben bezeichnet ward, und die von Tlemzen aus über Maskara, durch das Thal des Schelif, über Miliana, Medea, Setif und Konstantine läuft. Diese Linie ist gleichwohl in letzter Zeit überschritten worden, und die Franzosen ha⸗— ben an dem Rande der kleinen Wüste eine Reihe von militairischen Niederlassungen gegründet, die, dem gegenwärtigen Plane des Statt⸗ halters von Algier zufolge, Mittelpunkte europäischer Ansiedlungen werden sollen. Der General Bellonet mißbilligt diesen Gedanken im Namen der Kommission und schlägt vor, der Regierung einen Theil der für jene Niederlassungen verlangten Geldsumme zu verweigern, um zu verhindern, daß aus ihnen etwas Anderes gemacht werde, als vorgeschobene militairische Posten, die nur einen vorübergehenden Zweck haben und von vorn herein bestimmt sind, früher oder später wieder einzugehen.

O Paris, 23. Mai. Das Kabinet der Tuilerieen, war auf den Ausbruch der neuesten Unruhen in Wallis nicht unvorbereitet, denn in der Erwartung der Dinge, die da kommen sollten, erhielt Graf Pontois die Weisung, sich unverzüglich auf seinen Posten in der Schweiz zu begeben. Graf Pontois hat die nöthigen Instructionen mitgenommen, um zur Unterdrückung jener Unruhen dem Vorort die moralische Mitwirkung Frankreichs zuzusichern. Man erwartet daher in Paris, daß der Vorort mit der größten Energie jetzt auftreten wird, und um nöthigenfalls der Sprache desselben mehr Nachdruck zu verleihen, wird die französische Regierung sich den Schein geben, längs der Schweizer-Gränze ein Observations- Corps aufstellen zu wollen. Ich mache Sie darauf aufmerksam, im Fall Sie in der nächsten Zeit Don Truppenbewegungen in den Departements, welche an die Schweiz gränzen, sprechen hören sollten.

Die telegraphischen Depeschen, welche unsere Regierung gestern aus Tanger erhielt, haben derselben die Idee eingeflößt, zur Verhü⸗ tung eines Krieges zwischen Marokko und Spanien, dem Kaiser von Marokko die Vermittelung Frankreichs anzubieten. Doch wünscht das Kabinet der Tuilerieen vorläufig hierüber mit England Rücksprache zu nehmen, um dann im gemeinschaftlichen Einverständnisse mit dem— selben den Streit zwischen, dem Kaiser von Marokko und der Köni⸗ gin von Spanien desto leichter friedlich auszugleichen. Ein Courier sst zu diesem Ende gestern Abends von hier nach London abgegangen. Man erwartet in einigen Tagen die Antwort des Hofes von St. James. Unterdessen ist mit dem Telegraphen der Befehl nach Tou— son abgefertigt worben, eine Fregatte und einen Kriegsdampfer nach Tanger abzusenden, um die dortige, französische Station zu vermehren.

Die plötzliche Abreise des Prinzen von Joinville nach Compièngne bildet das Tagesgespräch, weil man sie als die Folge des Artikels, welchen gestern das Journal des Débats veröffentlichte, betrach= tet. So viel erfährt man mit Gewißheit, daß der Prinz von Join⸗ ville durch den Ausdruck, in dizcretion de jeune homme, welchen das Journal des Dabats sich gegen ihn erlaubte, auf das tiefste beleidigt, neuerdings seine Entlassung als Contre-Admiral

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in der französischen Marine gestern früh dem Könige, seinem Vater, zuschickte, und daß, weil dieselbe nicht angenommen wurde, er den Hof verlassen hat, um sich nach Compiègne zurückzuziehen. Einige ver⸗ sichern, der Prinz werde dort längere Zeit zubringen, und sogar seine Gemahlin, welche mit der größten Zärtlichkeit an ihm hängt, wolle ihm dahin folgen. Nach einem anderen Gerüchte, welches im Konferenz- Saal der Kammer von den, ministeriellen Deputir⸗ ten wiederholt wurde, wird der Prinz nur einige Tage in Compiégne dem Vergnügen der Jagd leben und dann wahrscheinlich nach Paris kommen, wenn er nicht etwa seiner Schwester, der Königin der Bel⸗ gier, einen kurzen Besuch in Brüssel abstattet, da Compiegne nicht fern von der belgischen Gränze liegt. Der Hof ist, wie ich schon gestern bemerkte, durch die Broschüre des Prinzen von Joinville in zwei feindliche Lager getheilt worden, und nach einem Artikel der heu⸗ tigen Presse zu urtheilen, welche den Prinzen von Joinville gegen das Journal des Débats in Schutz nimmt, scheint der Streit sich eher zu verschlimmern, als zu beschwichtigen.

Grossbritanien und Irland.

London, 22. Mai. Die unter dem Namen des jungen Eng. land bekannte Fraction der Tory-Partei hat ihre Grundsätze und Reformations-Pläne in einer eben erschienenen Schrift „Coningsby oder die neue Generation“ offenbart. Es ist ein Roman, dessen Ver⸗ fasser das bekannte Parlaments-Mitglied, Herr d'Israeli, sich mit den Helden des Buches identifizirt und über die Lage Englands in einem Gespräche mit einem reichen, klugen und leidenschafts⸗ losen Juden Sidonia, „einem Lara Rothschild“, folgende Schilderung giebt, welche zugleich die Partei hinlänglich charakterisirt: „Was vermag uns zu helfen?“ sagt Coningsby. „Was mächtiger ist als Gesetze und Verfassungen und ohne was die besten Gesetze und die vortrefflichsten Verfassungen ein todter Buchstabe oder gar ein Mittel der Tyrannei sein können: der National⸗Charakter. Nicht in der zu⸗ nehmenden Kraftlosigkeit der Verfassung sehe ich Englands Gefahr, sondern in dem Verfalle seines Charakters als einer bürgerlichen Ge— sellschaft.“ „Und doch würde man unsere Zeit nicht wohl eine ver— derbte nennen können.“ „Nicht eine politisch verderbte, allein eine Zeit sozialer Auflösung, die in ihren Folgen weit gefährlicher, weil viel umfassender ist. Man kann eine verderbliche Regierung, und eine reine bürgerliche Geselischaft, man kann eine verderbte bürgerliche Gesellschaft und eine reine Regierung haben. Was würden Sie vorziehen?“ „Keine von beiden“, antwortete Coningsby, „ich verlange ein glaubens⸗ treues Volk und eine pflichttreue Regierung.“ . . . „England sollte sich mehr um die bürgerliche Gesellschaft als um die Regierung be⸗ kümmern. . . Der Mensch ist geschaffen zum Verehren und zum Ge— horchen. Giebt man ihm aber nichts zum Verehren, will man ihm nicht befehlen, so macht er sich selbst Götter und findet einen Führer in seinen eigenen Leidenschaften.“

Die Times, welche dem jungen England das Wort redet, weil sie besonders einer Erörterung der sozialen Zustände des Landes, na⸗ mentlich des Pauperismus sich zugewandt hat, und die hochtoryisti— schen Grundsätze der jungen Partei in Bezug auf Kirche und Aristo— kratie vertritt, bemerkt dazu: „Ja eine Kirche, die in so viele Sekten zerfallen, daß sie kirchspielig, nicht katholisch ist, eine Aristokratie, die Vorrechte besitzt, aber nicht anführt, eine Krone, der man ihre Macht wie ihre Einkünfte geraubt hat, ein Landvolk, das der Rubriken-Phi⸗ losophie einer Central-Armen⸗Kommission oder der tabellarischen Milde der Gerichtshöfe preisgegeben; ein Fabrikstand, der die Feudalrechte innig beneidet und über Alle, die von ihm abhängig sind, die Ge⸗ walt des Kapitals mit einem in neueren Zeiten im Feudalismus unerhörten Druck ausübt: das sind die Bestandtheile unserer bürgerlichen Gesellschaft, eine Lage, in der Bauern Heuschober in Brand stecken, Handwerksbursche Chartisten werden und Geistliche Aufwiegler spielen. . . England istjetzt eine Sammlung von Sekten und Klassen und Parteien, die alle gleich eigensüchtig, gleich verblendet sind. Die Macht des Monarchen, in dessen Person die Weisheit der Vorzeit stets den Führer des Volks anerkannte, ist verloren. Die Allgemeinheit der Kirche, welche jeden Stand umfaßte und allein Alle gleichstellte, ist durch eine achtbare Anstalt verdrängt, kühl, gleichgültig, besorgt und anstandliebend, be⸗ stehend aus Priestern, die Bücher über Algebra und griechische Metrik schreiben, aber unfähig sind, der rohen Menge das Gewissen zu rüh—⸗ ren; ein Landvolk, das der Kirche und dem Monarchen und der Ari⸗ stokratie durch die selbstmörderische Nachlässigkeit Aller entfremdet ist und wechselsweise den furchtbaren Mauern drohender Kerker und den furchtbaren Tröstungen des Chartismus preisgegeben wird: das sind die Bestandtheile unserer bürgerlichen Gesellschaft.“ In solcher Weise bekämpft die Times, die dadurch zum Oppositions-Blatt geworden ist, die jetzige konservative Regierung und ihre Partei.

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Martinach, 20. Mai. Die Unterwalliser ziehen sich zurück. Ardon ist diesen Morgen um 8 Uhr durch die an Zahl überlegenen und gut bewaffneten Oberwalliser genommen worden, deren Haupt⸗ Kolonne in der Ebene vorgeht, während andere sich in gewisser Höhe an dem Gebirge hinziehen. Die Kolonne Joris und Barmann hat sich auf Riddes zurückgeworfen und hat die Rhonebrücke nahe bei diesem Orte abgebrochen. Der Rückzug geschieht in Ordnung; es ist

möglich, daß die Oberwalliser diesen Abend in Martinach ankom⸗ men, obgleich die Brücken abgebrochen sind. Man hat eine große Feuersbrunst in Ardon gesehen und man sagt, die Eisenwerke des Herr Kohler ständen in Flammen. Es hat auf beiden Seiten mehrere Todte gegeben. Diese Berichte wurden dem waadtländischen Großen Rathe während seiner Berathung über die walliser Sache vorgelesen.

Aus den Bädern von Lavey, 20. Mai, Morgens. Wie wir erwartet, haben unsere Nachbarn von Monthey und St. Morꝛitz unsere Hülfe angerufen. Unsere Freiwilligen von Aigle haben sich nach den Bädern von Lavey begeben, wo wir bivouaquirten, und den Besatzungen von Monthey und St. Moritz meldeten, wie wir letzte⸗ ren Ort beschützen und verhindern wollten, daß man ihnen nicht in den Rücken falle, wenn sie den Posten von Balma zu stürmen ver⸗ suchten. Diese Operation wird nun wirklich ausgeführt, wir zählen so eben den vierten Kanonenschuß. Die Alte Schweiz hat durch Be⸗ setzung des Postens von Balma die Communication der Zehnten Monthey und St. Moritz mit Martinach abgeschnitten. Wir sind hier 50 Leute von Aigle, die nicht zu den aufs Pikfet gestellten Trup⸗ pen gehören. Das Kanonen- und Gewehrfeuer dauert fort, aber in einer etwas weiteren Entfernung.

Ber, 20. Mai, Nachmittags 2 Uhr. Da die Oberwalliser nach Martinach marschiren, wo sie diesen Abend ankommen, und da es möglich ist, daß sie es versuchen werden, sich auf waadtländisches Gebiet zu werfen, sei es, um Repressalien zu nehmen für die von Waadtländern den Unterwallisern geleistete Hülfe, sei es aus Neid gegen die Bäder von Lavey, so hat der Präfekt, von den ihm vom Staatsrath übertragenen Vollmachten Gebrauch machend, 3 Infan⸗ terie⸗Compagnieen von Aigle aufs Piket gestellt. Der Präfekt hat die Ermächtigung erhalten, nöthigenfalls alle Streitkräfte seines Be⸗ zirks aufzubieten. 55 Uhr. Es sollen von den Oberwallisern Dro⸗ hungen gegen die Waadtländer, und namentlich gegen die Bäder von Lavey, ausgestoßen worden sein. Bex ist mit Flüchtigen angefüllt, welche vor dem Brande fliehen, mit dem Martinach bedroht ist. Man veranstaltet Kollekten im Kanton Waadt, um den Unterwallisern, welche großen Mangel leiden, Brod zu senden.

Bex, 21. Mai, Morgens früh. Die Walliser schlagen sich hier⸗ her von Rartinach. Die Truppen des Ober⸗-Wallis sind vielleicht um sz Uhr in St. Moritz, sie verbrennen die Dörfer auf dem Wege. Der Präfekt hat außer den zu seiner Verfügung gestellten Truppen eine Compagnie Scharfschützen aufgeboten. 6 Uhr. Die, Ober⸗Wal⸗ liser rücken an, sie sind nahe bei St. Moritz und legen überall Feuer an, wo sie durchkommen; Evionaz brennt in diesem Augenblicke, in Bex läßt der Präfekt durch den Generalmarsch die Bevölkerung unter die Waffen rufen. Man bittet andere Gemeinden des Bezirks um Hülfe, um das waadtländische Gebiet gegen einen angedrohten Ueber— fall zu schützen.

Lausanne, 21. Mai. Der Große Rath hat gestern Abend die Anträge des Staatsraths in Bezug auf Wallis mit großer Mehr— heit angenommen. Die Mehrheit der Kommission empfahl sie unbe⸗ dingt, eine Minderheit wollte Truppen nur auf ausdrückliches Be⸗ gehren der walliser Regierung oder der Tagsatzung marschiren lassen. Kraft der erhaltenen Ermächtigung hat nun der Staatsrath beschlossen, zwei Bataillone einzuberufen, vom 5. und 6. Bezirk, unter den Oberst⸗ lieutenants Audemars und de Mieville, außer den dem Präfekt von Aigle zur Verfügung gestellten Compagnieen, unter Oberst⸗Lieutenant Veillon; ferner, aufs Piket zu stellen das Bataillon des 1. Bezirks, eine Artillerie Compagnie und eine Compagnie Scharfschützen. Sämmt⸗ liche aufgebotene Truppen sind unter den Oberbefehl des eidgenössischen Obersten Ch. Bontems von Villeneuve gestellt. Der Staatsrath hat ferner Staatsrath Ruche, Vicepräsident des großen Rathes, als Ver— mittler an die Regierung von Wallis abgeordnet.

Auf das Begehren der wallisischen Regierung hat der Staats— Rath Maßregeln getroffen, um zu verhindern, daß bewaffnete Waadt⸗ länder als Parteigänger nach dem Wallis gehen und an den Feind⸗ seligkeiten Theil nehmen.

Der Vorort benachrichtigt unterm 19ten, daß er die Herren B. Meyer und Schmid als eidgenössische Commissaire nach dem Wallis gesandt, und daß er hoffe, Waadt werde die Truppen liefern, welche sie etwa ansprechen könnten. 127 Uhr. In Folge der neuesten Nachrichten hat der Staats-Rath auf dem Dampfboote die in der Militair-Schule befindlichen 200 Mann nach der wallisischen Gränze abgesandt, bis die Bataillone sich versammelt haben werden. Im Bezirke Aigle sind gegenwärtig im Ganzen 1000 Mann Elite unter den Waffen außer dem Landsturm der Gegend. Das Dampfboot führte auch viel Munition mit.

Bern, 21. Mai. Heute versammelte sich der Regierungsrath außerordentlich um 10 Uhr; das Resultat seiner mehr als zweistün= digen Berathung war, daß das 1ste, Zte, 4te und 19te Bataillon, die 3Zte und te Scharfschützen⸗Compagnie und die 1ste Compagnie Artillerie aufs Piket gestellt werden sollen.

Freiburg, 22. Mai. Der ganze westliche Theil des Kantons Waadt ist in Bewegung; unsere Scharfschützen aus diesem Theile

darf man sich freilich nicht einlassen, wenn einem die Freude nicht vergällt

werden und die Blase nicht platzen soll. Die Bilder von Diaz sind sehr gesucht und werden sogar in Versteigerungen gut bezahlt. Die Zigeuner jm Walde und das Mädchen in der Grotte hat Herr Paul Perrier für 2300 Fr. angekauft. Von Papety, der voriges Jahr so großes Aufsehen erregte mit seinem wunderlichen Glückstraum, der einige von den unaussprechlichen und unzähligen Wonnen und Glückselig— leiten des von Fourrer verheißenen Paradieszustandes der künftigen Menschheit veranschaulichte, enthält die diesjährige Ausstellung nur ein fleines Bild, welches wir für unser Theil seinem kolossalen Gemälde vorzie—= hen. Es stellt die Versuchung des heiligen Hilarion in seiner Einsamkeit vor; höchst lebendig in der aͤngstlichen Gebehrde des gewaltsam Zurück= prallenden und mit beiden Händen abwehrenden frommen Einsiedlers, voller Grazie in dem lieblichen Gesicht der mit kokettirender Nonchalance sich rel— fenden und streckenden Versucherin und sehr tüchtig in der Behandlung der Landschaft und des Beiwerks, wird der Eindruck des Bildes leider durch die kreidige Carnation, die schwache Zeichnung und Modellirung der nackten Theile beeinträchtigt. P. Wicke mbeng, der meist nur Schnee- und Winter Landschasten malt, hat diesmal die Darstellung einer Herbst- Land- schaft gegeben, worin Kinder von einem älteren Burschen auf einem Schieb farren gefahren werden. Die auf den Bildern dieses Künstlers stereotyp ewordene Kinder- Staffage ist, wie immer, mit Empfindung gemalt, die e af jedoch nüchterner behandelt und die Farbe nicht so klar und lebenvoll gestimmt, als gewöhnlich. Al. Dubuisson aus Lyon lieferte mehrere Ansichsen von französischen Gegenden mit reichen Staffagen von Figuren und Vich, die gesundes Naturgefühl, leid= lichen Farbensinn, gewandte Technik und leine gewöhnliche Anlage für Dar stellung von Karrengaulen und Frachtsuhrleuten zeigen. Dieser Künstler, von dem mir in gegenwärtiger Ausstellung zum ersten Mal Bilder vorge- kommen sind, dürfte in Viehstücken oder vielmehr Pferdestücken bald einen ähnlichen Ruf erlangen, wie ihn Saint-Jean, der bekanntlich ebenfalls aus Lyon gebürtig und daselbst ansässig ist, in Blumenstücken hat, und unter dem Impuls so geschickter Meister könnte sich in Lnon bald eine eigene, selbstständige Malerschule bilden, die neben der pariser zählen und mit ihr wetteifern würde. Roubaud zeigt uns in einem großen Bilde die Rück lehr des Herzogs von Aumale in die Ebene der Mitidscha mit der erbeuteten

Smala Abd el Kader's. Dies Bild übte eine sichtbare Anziehung auf die

Menge, die sich immer in dichten Kreisen davor ansammelte; doch bestand hier das Haupt-Interesse lediglich in den äußerlichen Elementen und In— gredienzien des Süjets, indem sowohl Figuren, als Vieh und Landschaft nur in mehr dekorativer Weise behandelt sind und in künstlerischer Bezie⸗ hung weiter keinen sonderlichen Reiz und Belang haben. Ungleich mehr anziehend sind die kleinen Bilder von Phidlippotcaux: der arabische Vor- posten und die Nazzia, jener von einfacher Auffassung, diese von sehr drama— tischer Composition und ungemeiner Wahrheit in der Bewegung des tödtlich verwundeten, vom Pserde sinkenden Beduinen, beide von krästiger Behand« lung des Ganzen und sorgsamer Beendigung des Details. Ad. Guignet gab uns ein wüthendes Reitergefecht im Geschmack des Salvator Rosa, und eine wilde Felsen-Landschaft, ebenfalls im Styl dieses Meisters, der darin auch unter Räubern zeichnend dargestellt ist. Beide Bilder sind mit Phantasie aufgefaßt und mit tüchtigem Pinsel vorgetragen, auch harmonisch in einem düstergrauem Ton durchgeführt, darum aber doch lediglich uur bloße Nachahmungen der . Schreckens Momente und schönen Na— turschauer, welche Salvator Rosa uns in seinen Schlachtstücken und Land- schaften vorführt.

Von den Seemalern, welche Bilder in die Ausstellung geschickt haben, sind zu nennen: Th. Gudin mit einem Seestück, welches die Rettung der verunglückten Mannschast eines gescheiterten französischen Schiffes an der holländischen Küste vorstellt und durch die merkwürdig wahre Bewegung des empörten Elements, wie durch die meisterhaft energische Behandlung des Ganzen, eine ergreifende Wirkung macht; Eug ne Isabey, mit einer großen Marine, den Empfang des Königs der Franzosen an Bord der Jacht der Königin von England auf der Rhede von hn darstel⸗ lend, ein Bild, welches durch den meisterlichen Voitrag, die reiche Staffage, den heiteren Effekt, die schöne Beleuchtung und die treffliche Haltung gleich ausgezeichnet ist; L. Garneray, mit sieben kleinen Seebildem, die uns die verschiedenartigsten Fahrzeuge, Fischerböte, kleine Küstensegler, große Kausfsahrer, mächtige Dreidecker und zierliche Fregatten, in allen möglichen Bewegungen und Verlürzungen, in allerlei Situationen und Momensen, in der Ruhe des Hafens und im Spiel der vollen Segel, im brandenden Sturm und in lauer Windstille vorführen und ganz besonders durch die anatomische Genauigkeit, womit alle Fahrzeuge in ihren geringsten Einzeln=

heiten durchgebildet sind, interessiren; endlich Eugene Lepoittevin, mit zwei sich mehr dem Genre nähernden trefflichen Bildern. In dem einen Bilde führt ein Küstenboot, die sogenannte Kohlpost, einem Freibeuterposten am Meeresufer Lebensmittel zu; in dem anderen frägt ein vornehm gellei= deter Herr zu Pferde einen Bauer vor seiner Hütte nach dem Wege, in einer flachen, von einem Kanal durchschnittenen Gegend; in beiden Bildern herrscht eine lräftige Farbe und Durchführung, so der Landschaft, als der ziguren, eine trefflich gehaltene Masse und Lichtvertheilung. Die Marinen von Morel-Fatio, Mozin, L. Meyer und mehreren Anderen sind von geringerer Bedeutung, und wenn auch mitunter von nicht geringem technischen Verdienst, doch durchweg ohne Poesie, Wahrheit, Natur und Energie.

Gesellschaft naturforschender Freunde.

Berlin. In der Versammlung der Gesellschaft naturforschender Freunde am 21. Mai sprach Heir Ehrenberg über das unsichtbare Leben im Meere in mehr als o a Tirfe und zeigte einige der auf der Südpol⸗ Expedition des Capitain Roß durch den Herin Dr. Horker jun. im Golf von Victoria-Land gesammelten kleinsten Lebensformen mit nöch sichtbar er= haltenen Organen vor. Herr Bevrich legte Zeichnungen sossiler schlesi— scher Fische aus der Sammlung des Herrn Geh. Med. Nath Dr. Otto in Breslau vor. Herr Girard zeigte zwei ausgezeichnete Diamanten vor, welche Herrn General-Konsul Theremin gehören. Der eine kleinere ist in einem löthlichen Thon (Casgalhio) eingewachsen, der andere größere, ein freier Krystall, zeigt zwei Würfel, welche mit der größten Negeimäßigkeit durch- einandergewachsen sind. Beide stammen aus der Gegend des Flusses Jequitinhonha im Norden des Rio San Francesco. Derselbe legte ein schönes Exemplar von Türlis vor aus den Gruben bei Muschad in Per- sien, zwischen Teheran und Heraf, worin der Türkis mit Quarz einen Gan im Kieselschiefer bildet, Geschenk Sr. Excellenz des Herrn von Mevendor an das Königliche Mineralien- Keabinet. Ein Vortrag des Herrn Schom⸗ bergk betraf eine in den Hirudineen von ihm entdeckte und e n. neue Gattung Tremataden: Ileptaltomum hirudinum.

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