theilnehmenden Nachbarn dienen. Es soll der Antrag auf eine aus- gedehnte Amnestie an den Großen Rath gebracht werden.
Kanton Freiburg. Der Eidgen. Zeitung wird aus Freiburg 6 2 Abends fünf Uhr geschrieben: „Auch diese Nacht verging sowohl hier als in Murten vollkommen nubig; nur daß in Burg unweit Murten gegen halb 2 Uhr des an, eine Feuersbrunst entstand, die aber ganz zufällig war und mit den politischen Zuständen nichts zu schaffeu batte. Heute wurden 2 Arrestationẽn vorgenommen; der Alt Staatsanwalt Fröhlicher nn bis heute Nacht, obaleich sehr verdächtig, in der Stadt geblie . war, wollte über Schwarzenburg aus dem Fanton fliehen, wur ö aber von den auf allen Seiten Wache haltenden Bauern n. un wäre ohne die thätige Verwendung eines Pfarrers todt e, worden; 10 Mann vom Landsturm brachten ihn unter Volke ju el in das Gefärgniß. Um 10 Uhr marschirten 2 Bataillone und 2 Kano⸗ nen nach Bulle, wo übrigens Alles ganz ruhig ist. Vormittags 6. der Große Rath zusammen. Er erließ ein Dekret gegen die Volks⸗ Versammlungen, eine Danksagung an den Staatsrath, ordnete eine andere an die Vorsehung an und gab der Regierung ausgedehnte Vollmachten.“
Der Schlag hatte am 10. Januar geschehen sollen, durch den Verrath einiger Leiter in Freiburg wurde aber um 14 Tage vorge⸗ griffen, wodurch dae ganze Unternehmen mihlingen mußte, indem fein einziger bewährter Führer die deitung übernehmen wollte, und nur einige junge unerfahrene Brauseköpfe die Bewegung dennoch bervorriesen. Tie Folge davon war, daß die Massen kein Zutrauen zu dem Unternebmen hatten, denn es ist nun Thatsache, daß von
Murten nur 350 Mann mit 200 Gewehren, von Stäfis 200 Mann mit 55 Gewehren auszogen. Von Bulle, Greyerz ist kein Mann ausgezogen. Ihre Führer behaupteten, laut Abrede, vorerst das Er- gebniß der Volks ⸗-Versammlung des 10ten zu gewärtigen.
Kanton Zug. Die freiburger Ereignisse haben die ganze innere Schweiz während zwei Tagen in eine fieberische Aufregung versetzt. Auf die ersten Nachrichten hin beschloß die Regierungs⸗ Kommission in Anwendung der empfangenen Vollmachten unverzüglich: 1) den Bundes-Auszug auf das Piket zu stellen; 2) die erste und zweite Landwehr nach den Vorschriften des Landsturm⸗-Gesetzes ein- zutheilen; 3) die Militair-Behörden aufzufordern, sofort Anstalten zu treffen, daß alle wehrpflichtige Mannschaft auf den ersten Ruf mobil gemacht werden kann. Herr Landes-Fähnrich Andermatt ist als zuger⸗ scher Abgeordneter nach Luzern verreist.
Ztalien.
Non, 2. Jan. (A. 3.) Ein heftiges Regenwetter am gestri⸗ gen Morgen drohte den Neujahrswunsch der Römer an Se. Heilig keit zu vereiteln, als aber gegen 11 Uhr der Himmel sich aufzuklä— ren schien, versammelten sich auf dem Platz del Popolo zwischen 5— 6000 Menschen aus allen Klassen der Bevölkerung, die in mili— tairischer Ordnung, pelotonweise, mit drei Musikchören und drei Fah— nen, mit den päpstlichen Farben, gelb und weiß, durch den langen Corso zogen, dessen Häuser, wie verabredet, in wenigen Augenblicken mit Fenster⸗Teppichen geschmückt waren. In den Reihen dieses Fest⸗ zuges bemerkte man diesmal ausnehmend viele Geistliche, zum Theil besjahrte Männer, während die jüngeren der Universität angehörten, deren Studenten sich dem Zuge angeschlossen hatten. An mehre— ren Punkten hielt der Zug an, und ein Sängerchor von mehr als 500 Männern sang mit Musik-Begleitung ein eigenes für diesen Tag komponirtes Lied. Auf dem Platz des Monte Cavallo vor dem qui- rilanischen Palast angekommen, der gedrückt voll Menschen war — die Römer behaupten, es wären über 40,000 Personen da gewesen — erschien bald der Papst auf der großen Loggia dieses Palastes, umgeben von Kardinälen und Prälaten; in demselben Augenblick brach die Sonne durch die Wolken und beleuchtete die großartige Scene, wie der heilige Vater unter lautloser Stille den knieenden Tausenden seinen Segen ertheilte. Dann wurde der Festgesang an- gestimmt; hierbei machte der Papst mit seinem Hut ein Zeichen, die Versammlung möchte sich bedecken, aber nur sehr Wenige folgten diesem väterlichen Rath; in Ergebenheit und Ehrfurcht blieben fast Alle, des Wetters ungeachtet, entblößten Hauptes. Nachdem der Gesang geendet war, erhob sich ein tausendstimmiges evviva Pio nona und schallte noch lange fort, als der Papst sich bereits dan⸗ kend zurückgezogen hatte. Der Papst erschien äußerst zufrieden mit diesem Neujahrwunsch und soll dieses auch der Deputation des Zu— ges ausgedrückt haben. Wie bis jetzt alle diese Züge mit der größ- ten Ordnung vor sich gingen, so auch dieser, obgleich nirgends Mi⸗— litair oder Polizei zu sehen war.
Die nach Musik von Rossini von Conte Marchetti gedichtete Fest⸗Cantate, zu Ehren des heil. Vaters, wurde gestern Abend von einem zahlreichen Personal mit voller Orchester⸗Begleitung in dem großen Saal des Kapitols (Palazro Senatorio) aufgeführt. Der Saal war auf das glänzendste verziert, und die Versammlung bestand aus allen Klassen der Stadt. Außer vielen Prälaten und 10 Kar— dinälen, bemerkte man daselbst den Adel, die fremden Diplomaten und viele Fremde. Für den Prinzen Leopold, Grafen von Syrakus, war ein 444 errichtet.
Seit gestern sind mehrere Uhren auf die sogenannte feanzösische Art gestellt: Mittags 12 Uhr als fester pelt ö ö. sollen alle Thurm - Uhren sich nach dieser Zeitrechnung richten, eine
Verbesserung, welche anfangs vielen Römern unbequem vorkommt aber für das Allgemeine von Nutzen sein wird. .
Die Unglücks⸗Berichte von der See her lauten dieses Jahr er= schütternd, und im Adriatischen Meer gesellen sich dazu noch griechi= sche Seeräuber, die, wie man erfährt, bereits zwei Schiffe, ein päpst⸗ liches und ein sardinisches, ausgeplündert haben.
— Nom, 4. Jan. (A. 3.) Das Regierungs-Cirkular über die Einsetzung des neuen Kriminalgerichtshofes ist jetzt erschienen und wird in den Provinzen gewiß mit demselben Beifall wie hier aufgenommen werden. Die bisherigen Gerichtshöfe vom Kapitol und jene der Ca— mera sind aufgehoben und durch das neu gebildete Tribunal ersetzt. Als oberster Gerichtshof bleibt il Tribunale della Segnatura, an das von ersterem hin appellirt werden kann. Aber auch dieses Tri— bunal ward durch diese Verordnung bedeutenden Veränderungen un— terworfen. Die Richter und Fiskale sowohl hier als in den Provin- zen sind ernannt, und so hat das neue Jahr doch bereits eine Ver⸗ besserung gebracht, welche so lange besprochen und gewünscht worden war. Eine andere Entschließung der Regierung betrifft die Gefan— enen, welche in ihren Gefängnissen unter gewissen Bedingungen Be⸗ ea annehmen durften und überhaupt ein zu schrankenloses Leben führten, was jetzt untersagt ist. ꝛ Die Ausfuhr des Getraides ist wegen der hohen Markipreise förmlich untersagt worden.
Zeitungen und Zeitschristen tauchen hier wie Pilze auf, aber die Mehrzahl derselben trägt die Spuren des kurzen Daseins gleich bei der Geburt an der Stirn. Die frühere Regierung gab sehr ungern die Erlaubniß zu neuen Blättern, worüber un ale und glaub⸗ ten, man wolle ihnen eine glüliche Speculation nicht zu Theil wer= ben lassen, während nr, . Viele bereits bereuen, von der er⸗ haltenen Erlaubniß Gebrauch gemacht zu haben. :
Wie früher von Aricia nach Genzano eine neue Straße mit
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einer schönen Brücke erbaut wurde, so hat der Papst jetzt befoblen, daß die Straße von Albano nach Aricia gebaut werden soll. Diese wird über den Park des Fürsten Chigi bei Aricia gehen, und ein Via⸗ dukt daselbst soll in drei Bogenreihen übereinander aufgeführt werden. Viele Stimmen sind gegen diesen Bau; da gegenwärtig die Eisen⸗ babn in Aussicht stehe, meinen sie, könnte die dazu bestimmte Summe (S5, 009 Skudi) besser zu jener verwendet werden.
Turin, 6. Jan. (A. 3. Berichte aus Rom melden, daß
Se. Heiligkeit den Kardinal Ferretti, der nächstens nach Urbino ab- eben wird, mit besonderen Aufträgen beehrt habe, die dahin gehen
furn. daß der Kardinal sich bestrebe, die Gemüther der Bevölkerung zu beruhigen und das Ansehen der Gesetze und der Behörden wie⸗ der herzustellen. Se. Heiligkeit sei geneigt, seinen Unterthanen jede mit dem öffentlichen Wohl verträgliche Freiheit zu gewähren, auf keinen Fall aber zuzugeben, daß die von den Gesetzen gezogenen Gränzen irgendwie überschritten werden. Das Bestreben der Regie⸗ rung müsse zwar auf die Aufhebung früherer Mißbräuche, wo sie noch bestehen, auf die Einführung von Verbesserungen, wo sie nöthig seien, sich richten, aber die Ruhe, die öffentliche Ordnung müsse zu gleicher Zeit mit aller Strenge aufrecht erhalten werden. Hinsichtlich der Anstellung nicht geistlicher Personen in den verschiedenen Zweigen der Verwaltung hat Se. Heiligkeit nicht nur bei dieser, sondern auch bei ver⸗ schiedenen anderen Gelegenheiten den festen Entschluß zu erkennen gegeben, daß fernerhin nicht die geistliche oder weltliche Eigenschast der Kandida⸗ ten, sondern die Fähigkeit und Redlichkeit derselben bei Besetzung der erledigten Stellen die Richtschnur zu geben habe. Die Ergebenheit und die Liebe, welche allgemein dem neuen Papst gezollt wurden, haben bis zu diesem Augenblick nicht abgenommen; es ist indessen zu besor⸗ gen, daß die getäuschten Erwartungen derer, die da meinen, eine Re⸗ gierung brauche nur zu wollen, um ein Volk blühend und glücklich zu machen, und die ihre Hoffnungen bis zu einer wirklich lächerlichen Höhe gespannt haben, nach und nach das Vertrauen schwächen wer- den, so daß sie das, was eine nothwendige Folge menschlicher Unvoll⸗ kommenheit und der bestehenden Verhältnisse ist, dem Uebelwollen der Regierung zuschreiben; es ist ferner zu besorgen, daß durch die Neuerungssucht, welche kein Maß mehr kennt, die Symptome der Unordnung in einzelnen Provinzen noch überhand nehmen werden. Merkwürdig ist es, daß die revolutionaire Partei bisher nicht den mindesten Versuch machte, diese zweifelhafte Stimmung, die mehr oder weniger im ganzen Gebiet des Kirchenstaats vorherrscht, zu ihren Zwecken zu benutzen, und man fragt sich, ob dieser Ruhe irgend eine Sympathie oder aber Berechnung zum Grunde liege? Wir gestehen, daß uns das letztere der Fall zu sein scheint, und daß wir nicht zweifeln, daß diese Partei ihre Pläne keinesweges modifizirt, sondern nur bis auf den Zeitpunkt vertagt hat, wo der Neuerungsschwindel im Volke und die Unzufriedenheit mit dem Bestehenden ihren Gipfel erreicht haben werden. Diesem Neuerungsschwindel keine Nahrung zu geben, ihn vielmehr auf das vernünftige Maß eines bescheidenen
Verlangens nach zweckmäßiger Reform herabzustimmen, dürfte die erste Aufgabe der päpstlichen Regierung sein.
8 panie n.
Madrid, 5. Jan. Der Heraldo meldet, daß die Regie⸗ rung Herrn Olozaga auf sein Ansuchen gestattet habe, nach Bayonne zurückzukehren.
X Paris, 12. Jan. Nach den neuesten Nachrichten von der catalonischen Gränze, die bis zum 7. Januar reichen, ging zu Per⸗ thus das Gerücht, eine starke Karlistenbande, bei welcher sich sogar eine Abtheilung Reiterei befinden soll, sei in der Umgegend von Man— resa erschienen. Manresa ist etwa siebzig Kilometer von Barcelona entfernt und liegt in dem Thale, welches der Clobregat durchströmt. Wenn diese Gerüchte sich bestätigen, so wäre dies eine nicht unwichtige Thatsache, weil man das Erscheinen von Karlistenbanden in dieser Gegend als einen offenbaren Versuch deuten fann, mit den Gleichge— sinnten in Neder⸗Arragonien und dem Maestrazgo sich in Verbindung zu setzen. General-Eapitain Breton könnte dadurch genöthigt wer— den, seine Aufmerksamkeit vom nördlichen Theile von Catalonien, wo er sich jetzt befindet, abzuwenden und mit Ueberlassung des Befehls über die Truppen, welche dort die Karlistenbanden zu verfolgen haben, in Person nach der nun bedrohten Gegend weiter im Innein der Pro— vinz sich zu begeben. Einstweilen ist er noch vollauf in der Provinz Gerona beschäftigt. Während er an den zweiten Kommandanten des Fürstenthums nach Barcelona den Bando schickte, wodurch alle waffen sähigen Einwohner, bei Strafe im Falle des Zuwiderhandelns als Rebellen angesehen und behandelt zu werden, angewiesen werden, beim Ertönen der Sturmglocke sogleich zur Verfolgung der Karlisten aufzubrechen, hatte er von Gerona und den umliegenden Dörfern aus auf, verschiedenen Wegen mehrere Kolonnen abgesendet, um von allen Seiten zugleich zu San Martinel ein Haus einzuschließen, welches einer Abtheilung Karlisten als Zufluchtsstätte diente. Wirklich gelang es dem Adjutanten Ignacio Plana, die Rebellen zu überfallen, einen Mann von ihnen zu verwunden und zwei gefangen zu nehmen. Diese Beiden wurden nach Gerona eingebracht, dort sogleich vor die permanente Militair⸗ Kommission gestellt und von dieser auch nach kurzem Verhör zum Tode verurtheilt. Am 4. Januar ist dieses Urtheil an ihnen durch Erschießen vollzogen worden. General Capitain Breton kündet in dem Tagesbefehle, den er aus dieser Ver⸗ anlassung veröffentlichte, an, daß Allen, die mit den Waffen in der Hand gefangen werden, das gleiche Loos vorbehalten sei. Auf seine Anordnung waren auch die Alkalden, Secretaire und Pfarrer der meisten Gemeinden der Provinz zu ihm nach Gerona gekommen, um persönlich Verhaltungsbefehle von ihm zu empfangen. Einige dieser Beamten hatten aber das Unglück, in der Nähe von Bañolas einer Karlistenbande in die Hände zu fallen, welche zuerst unter den übli⸗ chen fürchterlichen Drohungen Geld von ihnen zu erpressen suchte, endlich aber zwei derselben als Geiseln gefangen mit sich wegführte. Die Familien und Freunde der Weggeschleppten sind bei den? Grau— samkeiten, welche schon an anderen Üngiücklichen verübt wurden, na⸗ türlich in der größten Besorgniß. Auf ihre ungesäumte Bitte haben die Behörden bereits aufs thätigste den Versteck zu ermitteln gesucht, . Gefangenen zurückgehalten werden, bis jetzt aber ohne
„„Wie man aus dem zu Gerona erscheinenden Blatte el Po⸗ st illo n ersieht, war dort die Rede von einer in Madrid zu bilden den Association unter dem Titel „Spanische Fabrication“ zu dem Zwecke, den catalonischen Fabriken den ihnen nöthigen Schutz zu sichern. Als Theilnehmer an diesem Unternehmen werden die Herren Montadas, Ceriola, Madoz, Aribau und andere angesehene Kapita⸗ listen genannt. Daß die spanische Fabrication allmällg auch größeren Aufschwung nimmt, läßt sich nach den Ergebnissen der letzten ma= drider Industrie-Ausstellung, wie unvollständig auch die Industrie mancher Gebietstheile und zumal die catalonische darin vertreten war, nicht mehr in Abrede stellen.
. Portugal.
ondon, 11. Jan. Durch das Dampfschiff „Achilles“, wel- ches, von Konstantinopel . in Lissabon . sind Nach⸗ richten aus der portugiesischen Hauptstadt bis zum 6ien d. M. hier eingegangen. Die Aussichten der Infurgenten waren in Folge des
letzten Sieges Saldanha's über Bomfim sehr schlecht. bristen und Miguelisten hätten früher, verbunden, der Partei der Kö⸗ nigin Gefahr bereiten können, jetzt getheilt und Jeder einzeln ge⸗ schlagen, sind sie unschädlich. Die Nachricht von dem Siege des Baron Casal über die Miguelisten bei Braga, wo deren Anführer, Macdonnell, mit 2000 Mann eine feste Stellung eingenommen hatte, solgte der Nachricht von dem Siege bei Torres Vedras bald nach. Baron Casal's Bericht meldet, daß die Miguelisten vier Stunden mit großer Hartnäckigkeit mit Hinterlassung von 240 Todten und 1 Gefangenen, Die Königlichen Truppen sollen nur 36 Mann
die Flucht ergriffen! eingebüßt, was unwahrscheinlich erscheint, wenn der Kampf so heiß
den Kampf aus hielten,
gewesen ist, wie beschrieben wird.
sollen.
haben.
Die Septem⸗
Privatnachrichten melden, Mac Donnell habe mit 1200 Mann einen wohlgeordneten Rückzug ange⸗ treten und sei am 1sten d. M. in Amarante gewesen. von Porto, woselbst ein völlig anarchischer Zustand herrschte, haben die Miguelisten Unterhandlungen angeknüpst, die zu dem Abschluß eines förmlichen Offensiv⸗ und Defensio-Vertrages geführt haben Die Regierung muß davon sichere Kunde bereits erhalten haben, da in den letzten 24 Stunden viele angesehene Männer der miguelistischen Partei, welche hier bisher frei umhergingen, verhaftet worden sind und sich sonstwie der Verhaftung durch Flucht entzogen Zu den Letzteren gehört der Marquis von Borba, die Gra⸗ sen Rodondo und Mesquitella und ein Bruder Sa da Bandeira's, Ayres de Sa.
Die Truppen der Königin rücken immer weiter auf Porto los, und das Antas weicht vor ibnen dahin zurück. Am 4ten d. M. zog der Herzog von Saldanha bereits in Coimbra, ein und heute steht er vor Porto, wo der letzte Kampf ausgekämpft werden wird. Desertionen von dem Insurgenten-Heer sind sehr zahlreich. Am 30. und 31. Dezember gingen nicht weniger als 68 Soldaten vom Tten und 12ten Regimente zu Saldanha über. Im Süden steht General Schwalbach mit 800 Mann und bereitet sich vor, das von den In— surgenten noch immer behauptete Evora zum zweitenmal zu belagern und die Guerillas zu zerstreuen. — In der Hauptstadt ist Alles ruhig, aber die Geschäfte stehen gänzlich still. Banknoten ist auf 26 pCt. in die Höhe gegangen.
Mit der Junta
Der Diskonto für
gandels- und Görsen- Nachrichten.
Berlin, 16. Jan. Die Börse konnte sich heute nicht so fest behaup-— ten, als man anfangs erwartete, und die Couise schlossen auch niedriger als gestern.
Berliner Den 16. Januar 1847.
Börse.
Fonds.
Brier. Geld.
Actien.
St. Schuld-Sch. 3 Prumien- Scheme d. Seeh. à5 T. Kur- u. Neumůrk. Schuldlversehr. 3] Berliner Stadt- Obligationen Westpr. Pfandbr. Grossh. Pos. do.
do.
Ostpr. Pfandhr.
Pomm.
Kur- u. Neum. do. Schlesische do.
do. v. Staat ga-
rantirt. Lt. B.
Gold al marco. Friedrichsd'or. Aud. Gldm. à s rh. —
Discounto.
D* .
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do.
Nied. Mr. zw gb. 41 ͤ
do.
Wilh. B. (C.--0.) 4 Berlin- IIamb. 4
Erl. Potsd. Magdb. do. Obl. Lit. A. B.
do. Prior. Oblig.
Męd. Lp. Eisenb. do. do. Prior. Obl. Brl. Anh. abgest. do. do. Prior. Ohl. Düss. Elb. Eisenb. deo. do. Prior. Obl Rhein. Eisenb.
do. do. Prior. Obl. do. v. Staat garant. 35 Ob. Schles. B. L.A. 4
do.
—s 1 * — 9. .
.
do. B. Si. E. Li. A. u. B. Magd. IIalbst. Eb. 41 Br.- Schw. -FErb. E. do. do. Prior. Obl. Bonn-Kölner Esh. 5 Niedersch. Mk. v. e. 4
— — — — — —
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C oO urs.
Pr. Cour. Thlr. zu 30 Sgr. Brief. Geld.
Frankfurt a. M. südd. W. .... ...... Petersburt
Neapl. —.
Ans wäüärti ge Amsterdam, 12. Jan. 39h do. 373. 495 Russ. Ilope 88. Antwerpen, 11. Jan. Frankfurt a. M., 13. Jan. 1913 . Bayr. Bank-Aetien 658 Er. Nope S8 Br. Stiegl. Poln. 300 FI. 99 . Hamburg, 14. Jan. Paris, 12. Jau.
336 Span. —.
1H echsel Amgter ann 2506 FI. ll 250 FI.
Hamburg...... ... 361 M.
ö 300 M. e 1'13t. F, ö 300 Er. , 150 *I. Augsburg.... ...... 150 FI. ,, , 1060 ThIr.
Leipzig in Courant im 14 ThI. Fuss, 100 Thlr. 160 *I.
100 sRbl. Börsen. Niederl. wirkl. Sch. 59.3. LZinsl. —. Preuss. Pr. Sch. —.
Zinsl. —.
do. Soo FI. 7921. . Rank-Actien 1570 Br. 5 h Rente sin eour. 117. 80.
596 Span. 204.
Neue Anl. 20 6. 595 Met. 107 5 Rank-Actien p. ult,
lut. 59 1. 5813.
Eul. Russ. 1055 Br. 399 do. in cour. 79. 30.
Sonntag, I7.
Gedruckt in der Deckerschen Geheimen Over-Hofbuchdruckerei. Beilage
Königliche Schauspiele. Im Opernhause.
Hierauf:
iuse. Mit aufgehobenem Abonnement: Schauspiel in 5 Abth., von H. Laube.
k ; Verantwortlicher Redacteur Dr. J. W. Zinkeisen.
7Tte Abennements⸗Vor⸗ stellung: Marie, oder: Die Tochter des Regiments, komische Oper in 2 Abth. Musik von Donizetti. der Postillon, Ballet⸗Divertissement in 1 Akt. (Mad. Cerrito⸗Saint⸗LEon: Kathi; Herr Saint- Leon: Hans,) Un— fang 6 Uhr.
Zu dieser Vorstellung werden Billets zu folgenden Opernhaus⸗ Preisen verkauft:
Ein Billet in den Logen des Prosceniums 1 Rthlr. in den Logen des ersten Ranges und ersten Balkons, Tribüne 1 Rthlr. 10 Sgr.; im Parquet und in den Logen des zwei⸗ ten Ranges 1 Rthlr.; in den Logen und im Balkon des dritten Ranges, so wie im Parterre 20 S in den Fremdenlogen 2 Rthlr.
Im Schauspielhause. Karleschüler,
Die Marketenderin und Musik von Pugny.
so wie zur
gr.; im Amphitheater 10 Sgr.;
Im Selbstverlage der Expedition.
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Beilage zur Allgemeinen Preußischen Zeitung.
nhalt. W. Marr. Heinzen. Freiligrath.
W. Marr. Heinzen. Freiligrath.
Nur zu oft mußte man den Zusammenhang revolutionairer Um— triebe aus einzelnen vielden igen Worten oder einzelnen, nicht sicher z ige— standenen Thatsachen kombiniten.
Dies undankbare Geschäft nimmt uns aber die Propaganda selbst ab, — 6 die offensten Selbstbekenntnisse za ihren taftischen Mitteln
Besonders offen spricht sich Bw. Marr aus, nach den Bekennmnissen sei= ner jüngst herausgegebenen Schrift, eines der Häupter der „Propaganda des jungen Deutschlands in der Schweiz“, welche im Jahre 1845 iheils durch eine gerichtliche Untersuchung in Neuschatel, theils durch einen Macht— spruch der radikalen Regierung des Kantons Waadt zur Auflösung gezwun⸗— gen wurde. Es verlohnt sich wohl der Mühe, aus den eigenen Wor— ten dieser durch ihre Freiwilligkeit besonders werthvollen Geständnisse Mart's sich klar zu machen, was diese Propaganda ist, und was das . Volk von ihr zu erwarten hat. Dazu möge das Nachfolgende
ienen.
1
Das junge Deutschland in der Schweiz oder, wie wir es kurzweg hier immer nennen werden die Propaganda betrachtet als Aufgabe ihrer gan zen Thätigkeit, „den Um stürz der jetzigen fozialen Zustände vor— zubereiten, die Gemüther mit Haß gegen die bestehenden Zustände zu erfüllen und für eine Ne volution empfänglich zu machen.“ Jedoch beabsichtigt sie nicht, diese oder jene Form des Le— bens, des Denkens, des Staates und der Kirche einzuführen, „sie erreicht vielmehr die Ertreme auf dem sozialen und philosophischen Gebiete;“ und „greift mit rücksichtsloser Konsequenz nicht nur die bestehenden Institutio nen in Staat und Kirche, sondern Staat und Kirche überhaupt an.“ Die Propaganda „konnte nichis Besseres thun, als an der Auflö— sung der Welt arbeiten;“ und „da die Massen nur unter das Banner der Noihwendigkeit, der Negation, vereinigt werden, kamen die Häupter überein, eine durchweg kritische Richtung zu verfolgen“ und „das eigene Bewußt sein erst total zu reformiren.“
„Der Geist, der stets verneint“, so sagt Marr, „bahnt der Zukunft allein den Weg, und ich habe mehr Vermrauen in ihm, als in den frommen Wünschen der Patrioten und Kommunisten.“
„Zuerst führte uns dies (das Vertrauen in ihm) auf die Ne—⸗ gation aller und jeder Religion. Die Religion der Zukunft war der Mensch. Der Mensch als das Höchste, das Erste und Letzte, was ich erkenne.“ „Das transcendente Gottesbewußtsein ist der Grundstein der ganzen wurmstichigen Gesellschaft, und so lange der Mensch nur noch mit einer Gedankenfaser am Himmel hängt, kein Heil auf Erden.“
„Allein mit diesem, dem Himmel entrissenen Menschen durfte man sich nicht begnügen. War die götiliche Persönlichkeit in die menschliche Allge— meinheit aufgegangen, so verstand es sih von selbst, daß die Idee der Menschheit der Ausgangs- und Endpunkt unseres Denkens wurde. Mit Einem Wort — die Nothwendigkeit.“ „Gott als Gott z. B. ist nicht nohwendig. Für den Menschen ist er nichts ohne den Menschen. Dieser aber bleibt immer Mensch. Der Mensch ist Gott nothwendig, Gott nicht dem Menschen. Die Idee Gottes ist nur Realität, Wahiheit in der Idee der Menschheit.“
„So (d. h. von der Idee der Menschheit aus) gelangten wir zur Negation des Patriotäsmus. Das Vaterland war uns Objelt des Verstandes, nicht des Gemüths gewerden.“ „Mensch zu sein oder nicht, darin bestand unsere ganze Frage.“ Der Paitriotismus ist vielmehr dem Macr so verhaßt, „daß derselbe, wenn er Riesenkräfte hätte und das Va⸗— terland ihm unter den Schuhsohlen kleben bliebe, doch als ein gebildeter Mann erst die Füße reinigen würde, ehe er in des Nachbars Zim— mer träte.“
Und nicht blos der Patriotismus, dieses oder jenes Vaterland, der Staat überhaupt wurde als eine niedere Form angesehen, als „ieine Form, in welcher die Gesellschaft sich läutern muß, um zur freien humanen Selbstherrschaft überzugehen.“ Die Propaganda „faßte daher den Endzweck ihres ganzen Strebens in den Worten zusammen: Demo——ͤ kratie mit allen ihren Konsequenzen“; „radikal bis zum äuß er ste n.“
Und nun noch eine Probe, zu welchem Pathos die „selbstbewußte“, auf dem kalten Veistand beruhende Propaganda“ ihre Priester steigert:
„Ich habe“, sagt Marr, „des Nachts oft an die Zukunft gedacht und den Hebel gesucht, womit man Völker in Bewegung setzt. Ich habe ihn gefunden und bei seinem Anblick geschaudert. Er heißt — die Ver— zweiflung. Zwei Wege gab es noch: die Menschen zu reformiren und Engel aus Teufeln zu machen, oder: zu konspiriren.“
„Das eiste konnten und wollten wir nicht.“
„Konspiriren aber ist eine Dummheit.“
„Wo es aber zu spät, oder wo man zu schwach ist, den Gang der Dinge zu regeln, da thut man am besten, ihn zu beschleunigen. Vernichw tung aller heirschenden Begriffe von Religion, Staat und Gesellschaft war das Ziel, welches wir mit vollbewußter stonsequenz verfolgten. Döleke nannte es die „Trostlosigkeits⸗Theorie.“
Die seTheorieen hat die Propaganda aber nicht aus sich, sondern verdankt sie ihrem Standpunkt. Ihr Standpunkt aber „ist der Standpunkt der Krütik der neuen Philosopbie“, wie sie, ausgebend von Strauß und Bauer ꝛ6. ihre Spitze in den Schriften der Fenerbachs und durch den unveidauten Gatiungsbegriff erreicht hat. Dies Geständniß ist höchst wichtig, weil es erweist, daß die Propaganda, wenn sie auch von den alten Ideen des Sozialismus angeregt war und Mutel und Einrichtungen von den Franzosen entlehnte, doch ihre eigenthümliche Form einzel- nen Geistein in Deutschland zu danken und darum auch Gefahr für Deuntschland hat, weil sie hier, wo sie enistanden, auch Anknüpfungspunkte für ihre Wirfungen finden muß. . . ;
Namentlich die Auflösung der Religion verfelgten Marr und seine Helfer shelfer, fo gut sie es verstanden, ganz nach Vorschrift des We⸗ sens des Chiistenthums von L. Feuerbach und „der Religion der Zuk enft von Fr. Feuerbach.“ „Die Religion der Zukunft zu popularisiren und zu prollamiren, war unsere Aufgabe.“ . . .
Dagegen gebührt Mart und seinen Genossen Dölele, Standau ac; das Verdienst, die praktischen politischen Konsequenzen der „Trostlosigleits· Thro⸗ rie“ selbst gezogen zu haben, und sie kamen darin, wie sich zeigen wird, weiter als die Zeit. z
Fragen wir nun, wie die se P—lropaganda organisirt ist, aus was für Menschen sie besteht, wo und auf wen säe wirken wollte, so erhalten wit die Antwort: Sie ist eine geheime Verbindang, welche aus vielen selbsiständig wirkenden, aber in Einen Mittelpunkt ver. bundenen Gesellschaften besteht und von einem noch geheimeren, ihr selbst unbekannten Ausschuß überwacht und geleitet wird. Die einzelne geheime Gesellschast heißt eine „Familie“, und in dieser liegt das wahre Leben der Propaganda; denn die „Familie“ ist es, die nach eigenem Ermessen die Neulinge zur Aufnahme vorbereitet und aufnimmt, die den Verhältnissen gemäß sich ausdehnt oder zusammenzieht, die mit anderen Gesellschaften korrespondirt und nur in so weit an den Mittelpunkt — das Central-Büreau — geknüpst ist, als sie sich an die letzten Grundsätze der Propaganda über⸗ haupt hält und administrative Beziehungen es wünschenswerth machen. Der geheime Ausschuß übt eigentlich nur eine moralische Macht und dient mehr dazu, wenn günstige Umstände sich ausbeuten lassen, dies zu thun und die Ausdehnung der Propaganda vorzubereiten, kurz, die Seele der Propaganda zu sein und sie zu lenken, während sie sich selbst zu lenken glaubt.
Die Einrichtung ist hauptsächlich darauf berechnet, die Freiheit in der Wirksamfeit des Einzelnen zu erhalten, was ost mit Einsicht geschieht. „Deshalb“, sagt Marr, „wirkt die Verbindung auch nur auf negative Weise, ohne irgend sonst einen positiven Zweck, z. B. die Einführung dieser oder jener Staatsform zu verfolgen.“ „Denn eine Pro—
paganda muß darum namentlich negativer Natur sein, damit die Theilneh⸗ mer an derselben, nur der Nothwendigkeit folgend, unter einander einig bleiben“, „und diese Rothwendigleit besteht bei politischen Verbindungen in der Ueberzeugung, an dem Sturz der alten wurmstichigen Verhältnisse zu arbeiten.“ ; ;
Die Mitglieder die ser propaganda waren mit Aus nahme einiger Führer Handwerken. Standau und Dölete fungirten als Lehres, und Mart, ursprünglich Kaufmann, gründete nicht blos „seine Car= riere“, sondern auch seine Existenz auf das Bestreben der Propaganda, in dem er der Buchhändler derselben wurde.
Der Boden dieser Propaganda, auf welchem sie ihre Wirk- samtest ausübte, war die Schweiz und hätte Deutschland sein sollen. Denn gerade zur Zeit ihrer Auflösung war der Plan reif: die Verbindung aus- zudehnen und auch, Männer aus an deren Ständen aufzunehmen;“ „die Wirksamkeim der Propaganda in Deutschland“, welche seither dem Ermessen der einzelnen Jurückehrenden überlassen war, „zu organisiren“, „in Deutschland selbst Familien zu gründen“ „je de Bewegung im Sinne des Fortschritts als Anknüpfungspunkt in ihrem Sinne auszubeuten“, „in Relation mit den einflußreich sten Män— nern der'8ppostition zu treten“, „so viel sich ihun ließ, auf, die deutsche Literatur zu wirken, damit sie eine entschiedene soziale Richtung einschlage“; „Flugschriften (durch die Familie, einzelne Buch— händler und Colporiation) zu verbreiten, und „aus Deutschland die größt— möglichen literarischen und pecunigiren Mittel zu ziehen.“ .
In der Schweiz selbst aber waren es, — ene kluge Berücksichtigung der dortigen Zustände — keinesweges die Schweizer, sondern aus sch ließ lich die deutschen Hand werter und die von diesen gegründe⸗ ten Handwerker-Vereine, welche von der Propaganda als das wahre Feld ihrer Thätigkeit behandelt wurden. .
Eine sehr bedeutende Anzahl deutscher Handwerker aller Art pflegt nämlich die große Route nach Paris über die Schweiz zu nehmen und in Basel, Zürich, Bern, Waadt und Genf längere Arbeitsstationen zu machen. Sie gehören sämmtlich nicht dem Proletariat an, finden zum Theil reichliches, zumeist hinreichendes Auskommen und pflegen sich an ihren Arbeitsstationen in Vereine zusammenzuthun, welche jedoch ihre Entstehung keinesweges der Propaganda zu danken haben, sondern nur um besonderer Verhältnisse willen von derselben ausgebeutet werden konnten.
Und wir rechnen es ganz besonders zu den Vorzügen des Marrschen Buches, daß es den Unterschied der Arbeiter- Vereine von der Propaganda selbst deutlich hervorhebt, wie sie an und für fich nichts mit einander zu thun haben, und daß er namentlich z. B. dem Lemanbund, d. h. dem nach dem Beispiel der schweizerischen Kantonal-Verfassang organisirten Verband der an dem Genfersee liegenden Handwerker Vereine, seine richtige Stellung anweist. „Der Lemanbund und das junge Deutschland waren zwei verschiedene Dinge. Das eine öffent= lich, das andere geheim, jener ein rein äußerliches, dieses die revolutionaire
Secle, welche das Ganze zu durchdringen bestimmt war.“ l 3
Höchst bemerkenswerth sind aber die Mittel, mit deren Hülfe die Propaganda in den Vereinen Platz greift, und die Resultate in den Gemüthern der also bearbeiteten Hand- werker. Denn die Führer der Propaganda boten, oft mit Einsicht, Alles auf, um sich zu „Vostsmännern“ zu bilden und ihre Lehre durch Neden, Diskussionen, Zeitschriften, popularisirte Ausgaben von Feuerbachs Schrif⸗ ten, Feste, Rundreisen, fleißige Korrespondenz namentlich, zu verbreiten. Das Hauptmittel ihres Einflusses auf die Handwerler-Ver⸗ eine waren aber ihre „Familien“. „Denn in jedem Vereine, ohne daß er es wußte, faßte eine Familie Platz.!“ Diese suchte nicht blos das Amt des Präsidenten und Secretairs einem der Ihrigen oder wenig- stens einem ganz von ihr abhängigen Aibeiter zu verschaffen, sondern sie leitete auch durch Vorbereitungen und festes Zusammenhalten die Diskus⸗ sionen, Abstimmungen 1c. „Die Familie war das moralische Haupt des Vereins“, und mit ihrer Hülfe wurden nun die Mitglieder bearbeitet. Da— von nurein Beispiel. „Die Propaganda“, sagt Marr, „richtete ihre Auf- merksamkeit auf Alles. Sie bemerkte die Lieblings-⸗Lektüre der Einzelnen aufs genaueste und war sorgfältig bemüht, in ihnen ein Interesse an politi= schen und religiösen Oppositionsschristen zu wecken. Wir lenkten die Lektüre des jungen Mitgliedes fstematisch. Harro Harring's Drama: „„Die deutschen Mädchen““, war das erste, was wir den Arbeitern zu lesen empfahlen. Einen tieseren Gehalt hat das Buch nicht, doch ist die Lektüre desseiben spannend und endet romantisch erregend. — Der Sinn für öffentliches Leben wurde dadurch spielend bei dem Handwer— ker geweckt. Ich habe gesehen, daß Manche das Buch küßten. Auf Kosten der Vereine wurde sogar eine neue Auflage veranstaltet. Damit jedoch das patriotische Deutschthum contrebalancirt werde, ließen wir den „„deut⸗— schen Michel““ folgen, und diese kleine Burleske pflegte von Zeit zu Zeit vorgelesen und besonders erläutert zu werden.“
„Episoden von Louis Blanc's Geschichte der Zehn Jahre weckten den Sinn für Vollsgröße in den Arbeitern, und endlich nach diesen Vor— bereitungen ward mit „„der Religion der Zukunft““ den alte Adam vollends zum Fenster hinausgeworfen.“
Dies war so leicht nicht, „denn es lossete Mühe genug, daß unsere Arbeiter sich offen gegen alle und jede Religion erklärten“; ja bis sie nur „ihre Schüchternheit bei Diskussionen ablegten, wenn Leute anderen Stan— des zugegen waren“, was jedoch hauptsächlich eine Folge vorhergegangener „Gaunerstreiche einzelner politischer Industritritter, Vagabunden und Tage— diebe war.“ Allein zuletzt gelang es doch so, „daß“, wie Marr von sich und Anderen sagt, „wir oft selbst erschraken über die Revolu⸗— tion, welche die Religion der Zukunft in den Arbeitern hervonbrachte;“ daß Döleke und Marr „eine gewisse Berühm heit als Apostel der neuen Philofophie erlangt hatten, so daß ihre Schüler, die Ar— beiter, alle „„persönliche Feinde Goites““ geworden waren“; daß endlich „bei den Aibeitern der Drang, sich von allen Gesetzen loszumachen, zu einer wahren Manie wurde, ünd sie im Vereine selbst die Anarchie praktisch übten.“ Durch diese Bestrebungen wurden allerdings „die Aibeiter wie umgewandelt“, aber was sie an Bildung gewannen, verloren sie an Zu— friedenheit. ö
Allein glücklicherweise gehörte das Feld der Hand wer kervereine nicht ausschließlich der Propaganda; sie mußte es ursprünglich mit den Kommunisten theilen und wurde selbst noch in ihrem eigenen Antheil durch freilich schwache Einwirkung Andersgesinnter, vorzüglich aber durch die Einwirkung des deutschen Liberalis- mus in allen seinen Nüanzirungen von den „teutonischen Eichelfressern“ bis zu dem „Bourgeois - Liberalismus“ unserer Tage paralysirt und zuletzt gar von dem politischen Radikalis mus der waadtländer Re— gierung zertrümmert.
Zwar ging es der Propaganda noch am glüäcklichsten in ihrem Kampfe mit den Kommunisten um die Herrschaft in den Vereinen; zuletzt saßen wirklich die Letzteren nur in vier Vereinen fest, während die Piopaganda des jingen Deutschlands ein Netz von ungefähr 30 Vereinen behemrrschte. Allein dennoch war die Hemmung durch die Kommunisten so bedeutend, daß Marr eingesteht, „wenn die Kämpfe mit den Kommunisten nicht ge— wesen wären, so wäte die Propaganda schon über ganz Deutschland aus—
ebreitet.“ ö Die Schilderung dieses Kampfes mit den Kommunisten, die Kenntniß dieses gegenfcttigen Hasses ist mit der interessanteste Theil des Marrschen Buches und ein erstes Erforderniß zum Verstehen der wühlerischen Umtriebe unserer Tage überhaupt; wir können gleichwohl hier nicht weiter darauf eingehen.
z Nicht minder als durch die Kommunisten wurde die Propaganda durch den Liberalismus, namentlich die altdeutsche,Zopfromantil“ der dreißi⸗ ger Jahre gestört. Die deutschen Arbeiter haben namlich, um ihres ange—= bernen deulschen Idealismus willen, stets die Neigung, aus „dem Selbst⸗ bewußtsein des kalien Verstandes“, das an sie herangearbeitet wird, stets in die unschuldige Romantik des Teutonismus zurückzufallen, sobald sie damit nur in die leiseste Berührung kommen. Dies zeigte sich namentlich bei der Ankunft des Georg Fein, der ganz noch im Teuionis mus steckle. Der-
selbe ist in seiner Art ein Typus und wird von Marr, dem die Gering
Sonntag den 17iu Januar.
schääung gegen ihn die Feder schärst, durch Mittheilung seiner Briefe ge schildert. Fein lebte seit längerer Zeit in wohlhabenden Verhälmnissen zu Christiania und machte alle drei Jahre eine politische Rundreise durch Eu- repa, auf der er dann auch zu der jungdeurschen Propaganda kam und alsbald die Arbeiter abspenstig machte. Er zeigt sich dabei stets ungemein besorgt für seinen „politischen ECharalter“ und seine „höheren Zwecke“, welche „die Propaganda gar nicht versteht“, „streist lieber in glücklicher Stunde durch Berg und Thaler, sei's auch im nordischen Sturm und Schnee, vergräbt sich lieber in seinen Schiller und Luther, in seinen Homer und Shafespeare“; hat Ueberfluß an Thränen, hält „passende Reden an Schil—= let's und Luther's Geburtstag“, „befindet sich am glücklichsten in seiner stillen ungestörten Häuslichkeit“ und zieht sich, nachdem er sich mit der Propaganda überworfen, siegreich, als er noch von den Auftritten des gestrigen Abends so sehr angegriffen ist, daß ihm die Hand zittert, und daß er unmöglich mehr schreiben kann, ja, nachdem er die ganze Nacht lein Auge zugethan, in seine liebe Einsiedelei nach Liestal zurück“. „Gott helfe mir, ich kann nicht anders, Amen.“ ; ;
Doch auch dem „Bourgeoisliberalismus“ ist die Propa- ganda nicht grün und würde ihn gänzlich verachten, wenn sie ihn nicht „zu gebrauchen dächte“: 2
„Wir sahen wohl ein, daß an eine prinzipielle Uebereinstimmung mit dem deutschen Liberalismus nicht zu denken war, doch hofften wir durch ihn, indem wir ihm die Hand boten, die nöthigen Mittel zu er= halten.“ „Denn wir konnten zu unseren demokratischen Projekten, da wir selbst zu schwach waren, die liberale Partei selbst nicht mehr entbehren.“ „Das aber stand bei uns Allen fest, im Fall einer Revolution, den Libe— ralen gegenüber, die Rolle der Montagnards gegen die Gironde zu spielen.“
„Aber aufrichtig gestanden“, sagt Marr weiter, als er Mannheim erreicht hat und im Begriffe steht, seine Empfehlungsschreiben an die Oppositions⸗ Männer abzugeben, „es kostete mich einiges Ueberwinden, Männer zu be— suchen, deren Bestrebungen ich oft in Wort und Schrift lächerlich gemacht hatte, und welche gewissermaßen die Vertreter der Pa. tei waren, welche wir fast eben so sehr, wie ven Absolutismus haßten“; um so mehr, als „der Liberalismus, wie überall, so auch in Baden, ma:t und abgestanden ist.“
Und nicht blos die Führer der Propaganda verachteten „eine Partei, deren 30jähriges fruchtloses Bemühen gerade die „„Praktiker““ von ihrer Werthlosigkeit überzeugt haben sollte“; die Arbeiter selbst sagen: „Ist denn der heutige Liberalismus etwas Anderes, als ein „Stehe auf, daß ich mich hinsetze““ „Die Sackpatrioten wollen nur das Volk begei- stein! Wozu? — Daß es seine bestehende Regierung zum Teufel jage und sie an deren Stelle setze, um in kurzer Zeit noch ein schlimmeres Regiment einzuführen, als das eben vertriebene. Und dafur soll man zu Ehrenbechern, Medaillen und dergleichen steuern?“
Diese liberalen Mittel der Zweckessen, Sammlungen 2c. sind der Pro⸗ paganda nämlich ganz besonders verhaßt, „die Betieleien für Jordan, die Ehtenbecher und Sammlungen für Monumente, die Feste und Zweckessen hatten wir als Fußangeln des wahren Fortschrüts erkannt.“ „Diese Patrio- ten können nie einsehen, was der Sache und was nur einen Tyeil dersel-— ben gilt. Nicht diese oder jene Bettelei, nein, die Bettelei überhaupt soll abgeschafft werden.“ ;
Doch ist Marr nicht mit allen deutschen Liberalen so unzufrieden, „weil sie nicht für die Freiheit kämpfen, sondern betteln“, nicht alle will er „blos zur Effektmacherei benutzen“, nicht alle „als die welke Citrone be- trachten, aus welcher er den noch vorhandenen Saft herauszieht“; er hat auch welche gefunden, die tiefer sehen, die „fühlen, daß die jetzige Politik gänzlich antiquirt werden muß.“ Nament- lich in Mannheim „ist er mit seinen Resultaten zufrieden. Daß ihm keine festen, direkten Versprechungen gemacht werden konnten, begreift ein Jeder.“ „Am meisten freut es ihn, in Mannheim Männer kennen ge— lernt zu haben, deren Gestnnung mit der Zeit gleichen Schritt gehalien hatte, welche in der Misere ihres beschränkten Wirkens nicht auf einer Stufe mit ihren offiziellen Thaten standen“; ja, die ihn sogar, wie Itzstein — obwohl dieser ihn sonst auf das Unpraktische seiner Pläne aufmerksam macht — zugleich versichern, „daß seine — Marr's — Pläne auf eine an und für sich richtige Grundlage basirt seien.“ — Marr hat ferner „literarische Versprechun gen“ erhalten, Aussichten, „ganz Deutschland mit dem Neßz der Propaganda zu überziehen“, hat „in Ostpreußen, am Rhein, in Schlesien Verbindungen angeknüpft“, und auch in Leipzig „ne— ben buchhändlerischen Konnexionen Leute, obwohl wenige, gefunden, „welche einen Widerwillen gegen das Treiben des liberalen Geschmeißes haben.“
Doch als eben alle diese Blüthen aufgehen sollten, wunde die Propaganda durch den politischen Radikalis mus in Waadt gesprengt. Denn Druey sah den prinzipiellen Unterschied und Haß zwischen der jungdeutschen Propaganda und den Kommunisten so wenig (in, daß er sie — tragisch genug — zugleich mit den Kommunisten ausweisen ließ, als er durch einen Gewaltsakt sich selbst vom Verdacht des Kommunismus reinigen mußte, wenn er am Ruder bleiben wollte. Dafür begrüßt ihn Marr noch mit folgendem Abschied:
„Und das waren dieselben Radikalen, welche im Februar vor lauter Freiheitssehnsucht und Brüderlichkeit aus der Haut fahren wollten, und welche jetzt, obwohl sie schwankend wie ein Rohr dastanden, sich das Anse— hen der Macht durch den unerträglichsten Despotismus zu behaupten such= ten. Ein Esel in der Löwenhaut hatte die Freiheit proflamirt,“
„Doch ist etwa in anderen Ländern der politische Radilalismus ande= rer Ratur als in det Schweiz? Mit Nichten! So lange er unterdrückt ist, fucht er seine Gegner mit dem Gespenst „„Gesetz““ zu schrecken; er handelt nie aus freiem, eigenem Antriebe, er läßt sich treiben wie ein steuer= soses Boot. Kommt dann der Radikalismus zur Herrschaft, so ist er ver⸗ blüfft, er weiß nicht, was er mit der Macht, die er in Händen hat, begin- nen foll. Der Radikalismus hat sich von jeher als ein Tölpel gezeigt, und die Freiheit ist nie so arg gemißhandelt als da, wo der politische Radika⸗ lismus herrschte. Und es ist natürlich. Der Radikalismus glaubt für eine „heilige““ Sache zu handeln, er ist Fanatiker, so gut wie der religiöse Mostiker. — Wo er an der Spitze steht, wird er mit der Zeit entweder müde und dann wieder konservatio, oder er bleibt kräftig und frisch, und dann ist aus ihm ein selbstständiger Despot gewerden“ 21. — —
„Leide ich unter dem Radikalismus und empöre ich mich gegen ihn mit Wort und Schrift, so ist dies eigentlich nur Komödie. Ich gebe selbst nichts auf „Recht““ und „„Gesetz““, weil ich damit nichts ausrichten kann, und führe die schönen Sachen nur an, weil — sie mir gerade aus der Feder fließen.“ ꝛc. ꝛc. —
9.
Damit schließen wir die Geschichte „von dem Thurme, der da heißt der babylonische“, wie Marr selbst seine Bestrebungen bezeich- net, und überlassen dem Leser, zu entscheiden, ob wahr ist, was der Sozia—⸗ list von sich sagt: „Man kann uns wahnsinnig nennen, aber gewiß nicht feig.“ .
Um aber den Eindruck dieser verderblichen Intentionen auf das richtige Maß zurückzubringen, müssen wir die Gegenmittel berühren, welche in dem Üüebel selbst liegen, ohne uns jedoch auf die politischen Gegen mittel weiter einzulassen. Das größte Gegenmittel ist jedenfalls die Of= fenheit der Revolutionaire selbst. Diese erleichtert nicht nur die Kenntniß der Krankheit, fondern erspart den Behörden auch das Odium, welches eine Unterfuchung, die bei der negativen Tendenz der Propaganda oft scheinbar ohne Refultat bleiben wird, sonst leicht treffen fann, aber solchen Selbstgeständuisfen gegenüber nicht mehr treffen 12 Weitere 2 genmittel liegen in der inneren Scission der Revolutiongire,
namentlich dieser Propaganda mit den Kommunisten, dem volitischen Radi⸗
lalismus 2c, so wie in Ihrem schiefen Berhliniß zu dem Liberalismus, der
n ihnen nicht wird brauchen lassen und sie nicht brauchen kann, wenn k . 6 . mit der Kirche, an die er sich oft jetzt anlehnt, mit sei⸗ ner eigenen rüchsichtsvollen Natur, mil dem weiblichen Deutschland und mit anderen Dingen kommen wil, die er selbst nach, gar nicht kennt.
Ein anderes Gegenmittel liegt ferner nicht blos in der äußeren Schwäche der Propaganda an Geldmitteln 2c., sondern in der Ratur des beitfchen Handwerkers selbst, die gar nicht so zu ver. derben ist, als es der Propaganda nölhig wäre, und noch mehr in der ver⸗= halinißm ßig g gtin gan semü ih ttaft und Geistestraft der Füh⸗ rer.“ Da sst Alles Kopfarbeit und nirgends wahre Erfahrung, und von