1847 / 70 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

mangelhaft bekleidet und gingen barfuß die südlichen Gebietstheile des leobschützer Kreises, drang bis in die Ortschaften Leimerwiß, Nassiedel und Osterwitz vor und zog sich nach einem mehrtägigen Aufenthalte über die Landesgränze in den grätzer Wald C Meilen hinter Troppau) zurück, wo eines Tages, dem Gerüchte nach, mehrere Subjekte an dem erloschenen Feuer, um das sie sich des Nachts gelagert batten, erfroren gefunden wurten. Eine andere Horde bält sich noch gegenwärtig im zatiborer und r9b= niker Kreise auf. Das, was man sich Über das Leben und Treiben derselben mittheilt, lautet wenig erfreulich. An der Spitze der Horde stebt ein Häuptling, Waida genannt, welchem es obliegt, für Auf⸗ rechtbaltung der Srdnung und des Friedens unter den Gliedern der Bande Sorge zu tragen; allein der Waida, obschon er beständig einen Battog bei sich fübrt und wohl auch fleißigen Gebrauch ven demselben macht, ist durchaus nicht der Mann, die seiner Aufssicht anvertrauten verwahrlosten Kinder der Natur im Zaume zu halten. Zänkerejen und Schlägereien, auf öffentlicher Straße ausgeübt, sind dei ihnen etwas Alltägliches. Ganz ohne bestimmte Berufabeschäftigung ist die Horde nicht. Die Männer sind geschickte Schmiede und tra gen die zum Betriebe ihres Handwerkes erforderlichen Handwerks⸗ zeuge und Geräthschaften auf ihren Nomadenzügen bei sich. Da sie aber für ihre Fabrikate, welche sie überall zum Verkaufe ausbieten, nicht so viel lösen, als ste zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse brau⸗ chen, so ist ibnen jedes Mittel zur Fristung ihrer Existenz willkommen. Bettelei, Diebstahl und Betrug, das sind die Hauptquellen, aus welchen sie ihre Subsistenzmittel schöpfen. Während die Männer an einem aus gestohlenem Reisig unterhaltenen Feuer den Hammer schwingen, durchstreifen die Weiber und Kinder die Gegend nach allen Rich⸗ tungen, überfallen die ihnen begegnenden Reisenden, um Almosen bittend, wie hungrige Wölfe, stehlen in den Bauernhöfen Hühner, Gänse und an⸗ deres Geflügel und spiegeln abergläubischen, jungen Leuten, die sich hier noch sehr häusig finden, für Geld eine glänzende Zukunft vor, wodurch sie manchen Groschen verdienen. Bei allem dem bleibt das Loos dieser Leute, die, tragen sie auch den christlichen Namen, aller Civilisation Hohn sprechen, immer traurig; nur die Gewohnheit kann es ihnen erträglich machen. Bisweilen treten für sie Zeiten ein, in welchen sie von allen Lebensmitteln entblößt sind, und wo sie, um ihren Hunger zu stillen, die Kadaver gefallener Thiere auflesen müs⸗ sen, welche sie mit dem Appetite eines alten Hunnen verzehren. Den- noch flößt ihr unstetes, armseliges Wanderleben selbst geborenen Ober⸗ Schlestern Interesse ein, und man spricht davon, daß bereits zwei hübsche Landmädchen aus der Nähe Hultschin's ihre Angehörigen ver— ließen und sich den Zigeunern beigesellten.“

RNhein⸗Provinz. Am 6. März fand in Koblenz die feier⸗ liche Einführung der neuen Gemeinde⸗Ordnung, so wie des neu ge— wählten Stadtrathes und Ober-Bürgermeisters, statt.

Deutsche BGundesstaaten.

Fürstenthum Lippe. Der Hannov. Ztg. wird aus Detmold vom 7. März geschrieben: „Mehrere öffentliche Blätter enthalten einen Korrespondenz⸗Artikel vom 27. Februar aus Minden, wonach sich dort das Gerücht verbreitet haben soll, daß der Fülrst von Lippe durch einen Schuß verwundet worden. Db ein Attentat

beabsichtigt oder das Ereigniß durch einen Zufall veranlaßt sei, dar— über sei eben so wenig wie über den Thäter für den Augenblick etwas ,,

An diesem ganzen Gerüchte, das wir hier zu unserer großen Verwunderung zuerst aus den Zeitungen erfahren, ist auch kein einziges wahres Wort.“

Unsere Landstände sind auf unbestimmte Zeit vertagt worden.

O V́tünchen, 6. März. Wir haben es unseren Blättern und den im benachbarten Augsburg erscheinenden Zeitungen gern überlassen können, aus erster Hand über die bedauerlichen EClrafèn Erzesse vom 1. und 2. März zu berichten in einem Augenblick, wo es selbst an Ort und Stelle auch dem Unbefangenen schwer wer— den mußte, das Wahre vom Schein und das Thatsächliche vom Un— begründeten, von der Uebertreibung und von der böswilligen Lüge zu unterscheiden. Daß zwischen dem Studenten ⸗-Auflauf am Morgen des 1. März, bei welchem sich die Menge immerhin innerhalb der bekannten Gränzen hielt, die sich der Student durch seine Vivat⸗ und Pereat ⸗Demonstrationen selbst zu ziehen pflegt, und zwischen dem schandvollen Pöbel-⸗Erzesse vom Abend des nämlichen Tages im All⸗ gemeinen kein Unterschied gemacht worden, ja daß man beide in den unmittelbarsten Zusammenhang mit einander bringen will, ist der erste handgreifliche Fehler, und wer einmal in denselben verfällt, der baut sort auf lauter Trugschlüsse. Daher denn auch die vielen Uebertrei⸗ bungen in Bezug auf die Zahl der verhafteten Studenten u. s. w. Wir wollen uns lediglich an den letzteren Punkt halten, um darzu⸗ thun, wie gering die Betheiligung von Universitäts-Angehörigen bei dem Straßenfrevel des Pöbels gewesen ist. Während von 80 —– 100 angeblich zum Theil aus den Betten geholten Studenten gesprochen und geschrieben wird, die in den vermeintlich überfüllten Gefängnissen des Ausganges der Kriminal -Untersuchung harren sollen, können wir als verbürgte Thatsache melden, daß im Ganzen nicht mehr als sechs Studenten arretirt worden sind, wovon zwei schon am anderen Morgen entlassen werden konnten und zwei gestern. Die letzten zwei sind die Einzigen, welche sich groben Unfugs inmitten des Pöbel⸗ 16 , kahn, und wohl nur bei ihnen wird sich's

renger i i⸗ . 9 . ö gere Ahndung handeln, als um einfache poli

. estern sind zahlreiche Briese aus Athen hier eingetroffen. Herr Mussurus war abgereist, ahne daß sich die Hoffnung auf eine freund= liche Ausgleich ang der Differenzen gemindert batte.“ Herr Mussurus bedauert bas Vorgefallene setzt vielleicht am meisten; denn bekannt- lich selbst Grieche, wird er schwerlich wieder irgendwo so vortheil⸗ haft für ihn selbst placirt werden können, ais in? Athen.

; ,, Monarchie. Wien, 3. März. (A. 3) Man denkt hier mit an eine Truppen⸗Reduction, um dem Die e th 1. , zu gewinnen und so der Beförderung der Industrie und der En wickelung des National -Wohlstandes alle vorhandenen Staats mittel zuwenden zu können. Zur zweckmäßigen Verwirklichung der erwähn⸗ ten Reduction soll eine gemischte Kommission errichtet werden. Nachrichten aus Venedig melden, daß der dortige englische Kon- sul sich mit einer Beschwerde an den englischen General- Konsul zu Mailand und an den hiesigen englischen Botschafter gewendet habe, weil vier Schiffe, die mit Getraide für die englische Regierung be= frachtet waren, an der österreichischen Küste des Adriatischen Meeres von den Behörden des Küstenlandes an der Abfahrt verhindert wor= den seien. Auch die Verwaltung des jetzigen schweizer Vororts soll bier Schritte thun, um die Aufhebung oder Milderung her Beschrän-⸗ lungen zin bewirken, denen bis Ausfuhr von Lebensmitteln nach der Schwein gr n. worden ist. Zugleich soll der hiesige Repräsen- tant der Schmeiz an die hiesige Regierung die Anfrage gerichtet ha= ken, ob die Maßregeln an der Gränze des Kanten Tessin— die daselbst geschehene Verstärlung des österreichischen Militair- Cordons nur vorübergehend oder ob sie auf längere Zeit berechnet seien. Nach den in Varese, Como ꝛc. vorgekommenen Volke-Unruhen wegen

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des gedrückten Standes der Lebensmittel ist nicht anzunehmen, daß die oͤsterreichische Regierung die bereits in Bezug auf die Ausfuhr er⸗ griffenen Maßregeln mildern werde.

Rußland und Polen.

St. Petersburg, 4. März. Aus Tiflis vom 12. Februar sind folgende Nachrichten vom Kaukasus hier eingegangen:

„Die Zerstörung der aldinschen Gehöste beim 56 * des Winters hat den widerspenstigen Tschetschenzen den Beweis geliefert, daß Schamil und dessen Naibs außer Stande sind, sie vor der verdienten Züchtigung sicher zu stellen. Dasselbe haben nun auch die Galaschewzen erfahren, die feindlichen Nachbarn des wladilawlasischen Bezirks. Am 20. Januar ver- ließ General⸗Major Nesteroff mit 6 Bataillonen, 8 Geschüßen, 5 Soinias Kosaken und etwa 1500 Mann von der berittenen und der Fuß-Mi—⸗ liz Wladilawkas und zog durch den kontschinschen Bergpaß in das Land der Galaschewzen, wo er in der Nähe der Einmündung des Flus—- ses Alguß Ali in die Assa ein Lager schlug. Hier verweilte das Deta— schement vom 20. Januar bis zum 1. Februar und bahnte während dieser Zeit durch Lichtung des Waldes in dem kontschinschen Passe und längs dem linken Ufer der Assa einen Weg in dem galaschewzen Engpasse unter häusigen, sür uns jedoch stets günstig verlaufenden Angriffen des Feindes. Die Bewohner der Auls zwischen der Assa und Sunscha wurden genöthigt, ihre Wohnungen zu verlassen und mit ihrer ganzen Habe sich auf das rechte Ufer der Assa in den Paß des Flusses Pfuta zurückzuziehen, in einen Schlupfwinkel, von dem sie glaubten, daß er uns unerreichbar sei. General Major Nesteroff beschloß, sie auch dort aufzusuchen, in der Absicht, ihre Vorräthe an Heu und Getraide zu zerstören und sie zu zwingen, sich von unseren Gränzen weiter zu entfernen und in das tiefere Gebirge zurückzuziehen. Zu dem Ende entsandte er am 3isten den Obersten Baron Wrewski II. mit 2 Ba⸗ taillonen, sämmtlichen Kosaken, 2 Berg-Kanonen und der berittenen Miliz über die Assa zum Flusse Pfuta. Diese Bewegung wurde rasch und glück= lich ausgeführt. Die Relterei, geführt von den Dbersten Fürsten Exristoff und Slaͤpzoff, umzingelte, rechtzeinig unterstützt von der Infanterie, plötzlich die feindlichen Auls und zerstörte, trotz des Widerstandes und der wiederholten Angriffe seitens des Feindes, 11 Dörfer mit sämmtlichen darin besindlichen Vorräthen an Heu und Getraide. Der bekannte kabardinsche Abrek Mahomet An soroff eilte mit seiner Schaar auf die waldigen Höhen zwischen der Assa und der

futa, wohin auch bald die ganze Bevöllerung der umliegenden Auls zu⸗ ammenströmte. Sie hofften un sere Kolonnen bei deren Rückzuge mit Glück verfolgen zu können; Oberst Wrewski aber führte, noch ehe er seinen Rück⸗ zug ins Lager nahm, einen allgemeinen Angriff auf die feindlichen Haufen aus. Durch diese muthige und unerwartete Attacke in Schrecken gesetzt, entflohen die Bergvölker in den Paß an der Pfuta; die Kolonne aber kehrte in das Lager zurück, ohne weiter verfolgt zu werden. Am 1. Februar zog General⸗Major Nesteroff mit dem Detaschement längs der Assa hinab nach der Sunscha hin, von wo aus er am 2. Februar auf einem neuen Streif⸗ zuge den Aul Bumut an der Fortanga zerstörte. Dergestalt gelang es uns, im Verlause von 13 Tagen zwei Wege (nämlich von Nasran und der Sunscha⸗Staniza aus) nach dem galaschewschen Engpasse zu bahnen, die Waldungen auf diesen Wegen zu lichten, 11 Auls zwischen der Assa und der Fortanga zu zerstören und eine in jeder Jahreszeit freie Verbindung mit dem Lande der Galaschewzen herzustellen. Mittlerweile hat ein Theil der Besatzung der Festung Atschchoi, unter der Anführung des Oberst-Lieu= tenants Preobraschenski, am 29. und 31. Januar zwel überaus günstige Streiszüge gegen den Aul Katür-Jurt und den Engpaß an der Fortanga ausgeführt. Durch diese im Verlaufe des Winters in der kleinen Tsche— tschna, von Grosnaja und Nasran her, ausgeführten Operationen haben wir unter der ganzen Bevölkerung großen Schrecken verbreitet, was zur Befestigung der Ruhe in dem wladikawlasischen Bezirke und an der Sun— scha⸗Linie wesentlich beitragen wird.

F rann reg ich,

Paris, 6 März. Der König und die Königin der Belgier haben vorgestern früh Paris verlassen, um nach Brüssel zurückzukehren. Die angeblich beabsichtigte Reise König Leopold's von hier nach Lon— don, während welcher seine Gemahlin in Paris bleiben sollte, war also ein leeres Gerücht. ;

Um den Getraide⸗Vorräthen für den Verbrauch der Menschen möglichst wenig Abbruch zu thun, hat der Kriegs-Minister befohlen, daß das Gerstenmehl, welches den kranken Pferden der Kavallerie ge⸗ geben zu werden pflegt, durch Hafermehl ersetzt werden soll. Man berechnet, daß dadurch 1200 Centner für die Bevölkerung gewonnen werden, da in vielen Gegenden Frankreichs die Landbewohner unter den Weizen zum Brodbacken ein Drittel Gerste zu mengen pflegen.

Ein Schreiben aus Jerusalem meldet, daß der neue anglika⸗ nische Bischof, Herr Gobat, am 20. Dezember dort angekommen war.

Der Dreidecker „Friedland“ ist von Brest nach Toulon abgese⸗ gelt, um sich dem dortigen Geschwader anzuschließen.

Es sind mancherlei Gerüchte im Umlauf von der angeblichen Ver— legenheit, in welcher sich der Finanz⸗Minister befinden soll, die zu dem täglichen Dienst erforderlichen Geldsummen aufzubringen; die zu emit⸗ tirenden Schatzscheine im Belauf von 60 Millionen Fr. sänden nur schwierigen Abgang; es wäre von einem neuen Anlehen von 100 Millionen die Rede. Es heißt auch, die Bank werde ihren Diskonto abermals erhöhen.

Der Kaiser von Rußland soll an die Herren Rothschild die Auf— forderung gerichtet haben, in St. Petersburg ein Comtoir ihres Hauses zu errichten.

Es heißt, die Eisenzölle würden um die Hälfte herabgesetzt werden.

Der bisherige Redacteur der Epoque will ein neues Journal unter dem Titel Progressif gründen.

A. Dumas wird im Feuilleton der Presse seine Reise nach Spanien und Algier beschreiben.

Einem Ministerial⸗Beschluß zufolge, wird das neue lyrisch⸗drama⸗ tische Theater den Namen „National⸗Oper“ führen; es wird ihm das Lolal des Cirque Olympique eingeräumt. Herr Adam ist Direktor des Theaters. Für das Unternehmen hat sich eine Actiengesellschaft mit 2 Mill. Fr. gebildet. :

Xx Paris, 6. März. Die Deputirten⸗Kammer ver- sammelte sich heute vor ihrer öffentlichen Sitzung in ihren Büreaus zur Prüfung und vorläusigen Besprechung vorgelegter Gesetzentwürfe und Anträge. Der Antrag des Herrn Duvergier de Hauranne auf Wahl- und parlamentarische Reform kam an die Reihe. Die Oppo⸗ sition war in allen Büreaus sehr zahlreich erschienen. Die Diskussion war lang und lebhaft. Im ersten Büreau bekämpfte der Minister der öffentlichen Arbeiten und des Ackerbaues und Handels die Ver— lesung des Antrags in der Kammer. Seiner Behauptung zufolge, würde die Durchführung des Antrags zu größeren Mißbräuchen An— laß geben, als das bestehende Wahlgesetz; auch werde durch den An= trag das Wähler⸗Corps ,,. in Verdacht gebracht. Der Mmnmister der öffentlichen Ärbeiten befonders hob, hervor, der Antrag stütze sich auf gar kein Prinzip. Das erste Bürgau stimmte mit 25 gegen 18 Stimmen für die Verlesung, das zweite mit 35 gegen dagegen, das dritte mit 30 gegen 14 Stimmen dafür, Hier wurde sie unterstützt von den Herren Thiers, Barrot, Carnet, Garnier Pag s und Mahul, bekämpfl von Herrn von Torcy. Das vierte Bürcau verwarf sie mit 2 Stimmen gegen 13, das fünfte mit 25 gegen 15, das sechste aber erlaubte sie mit 23 gegen 7, das siebente ver⸗ warf sie mit 23 gegen 16, das achte mit 22 gegen 19, das neunte mit egen 19. Da rei Blreaus die Verlesung erlaubten, so wird def stattfinden. ;

In der darauf eröffneten öffentlichen Sitzung entwickelte Herr Achille Fould seinen Antrag in Betreff der von der Schulden⸗

Tilgungs⸗Kasse heimgekauften Zprozentigen Rente. Er bezeichnet als seinen Zweck die Erleichterung der öffentlichen Lasten und verliest den einzigen Artikel desselben. Es habe seiner vollen Ueberzeugung von der Güte seiner Sache bedurft, um ihn zur Ergreifung der Initia⸗ tive zu bestimmen, die eigentlich der Regierung zukomme. Ohne diese Ueberzeugung hätte er sich nicht entschlossen, sich mit einem Minister in Opposttion zu versetzen, für welchen er die höchste Ach—⸗ tung hege. Er hoffe der Kammer leicht darzuthun, daß sein Antrag gerecht, nüßlich und zeitgemäß sei. Er werde in Details über die Verlegenheiten der Finanzlage eingehen und zeigen, wie nothwendig die Maßregel sei. Er verspreche, nur richtige Ziffern vorbringen wollen. Der Redner geht nun in die finanziellen Details ein und schließt mit den Worten: „Ein Anlehen ist uns nothwendig. (Murren in verschiedenem Sinne.) Werden wir es machen, ohne ein Mittel, die Zinsen und den nöthigen Tilgungs- Fonds zu finden, wie ihn die allgemeinen Gesetze vorschreiben? Der Zustand unserer Budgets, ein normales Defizit von durchschnittlich 60 Millionen seit7 Jahren, erlaubt aber nicht, dieses Mittel in unseren ordentlichen Einkünften zu finden. Mein Vorschlag giebt es an die Hand. Wenn Sie es verwerfen, werden Sie von der Auflage die für die Zinsen und die Tilgung nöthigen Fonds verlangen? Oder werden Sie diese Ausgabe sich regeln lassen, wie die anderen, für welche Sie keine Vorsorge zu treffen wissen, mit der alltäglichen Formel: die Hülfs— quellen der schwebenden Schuld? Ein solches Verfahren würde unserem Kredit mehr schaden, als die Annullirung der Renten; Sie haben das Recht und die Pflicht, zu dieser zu schreiten.“ Der Red⸗ ner fährt fort in seiner Begründung des AÄntrags und ist noch auf der Tribüne im Augenblick des Postschlusses. ö

Von neuem ist die Aufmerkfamkeit der Polizei auf den Faubourg St. Antoine gerichtet, der wiederholt schon gezeigt hat, daß sich in seinem Gheoß? anarchische Tendenzen verstecken. Vor vierzehn Ta⸗ gen etwa fand man dort in den Straßen, so wie auf den Boulevards, fleine runde Papierchen in der Größe von Zweifrankenstücken ausge⸗ streut; auf denselben las man in ziemlich schlechter Schrift geschrieben die Worte? „Laßt uns Brand stiften, bis kein Widerstand mehr ist gegen die Theilung der Ländereien und Aerndten.“ Auch kleine Petarden in Cylinderform und gleichfalls in brandstisterische Schriften eingewickelt, worin man zum Aufruhr aufforderte und ausrechnete, daß einem Jeden 12,509) Meter Grund und Boden zukämen, wurden gefunden. Der schlechte Druck zeigte, daß es nur Abklatsche, mit der Bürste gemacht, waren. Der Ton und die Uebertreibungen der Sprache darin hatten zu dem Glau⸗ ben veranlaßt, ein Verrückter sei der Urheber derselben. Nun hat man aber in den letzten Tagen an mehreren Orten eine Art Brand- stiftungsMaschine in Kellern gefunden, in welche sie durch die nach

der Straße gehenden Luftlöcher geworfen worden zu sein scheint. Die

Zusammensetzung dieser Maschine ist offenbar gefährlich und zeigt, ö es dabei f mehr abgesehen ist, als auf bloßes Erschrecken, daß Anarchisten und Ruhestörer von Profession, die Hand dabei im Spiele haben. Darum ist von Seiten der Polizei eine scharfe Ueber⸗ wachung angeordnet worden.

Großbritanien und Irland.

London, 5. März. Die gestrige Unterhaus⸗-Sitzung bot durch die Verhandlung über den lange schon angekündigten Antrag des Herrn Hume wegen Einstellung der Zinszahlung der russisch-hollän— dischen Anleihe ein erhöhtes Interesse. Nachdem eine kurze Unter— haltung über die Beschäftigung der Armen in Irland beendet war, in deren Verlauf Herr Labonchere die Anzahl der am 29. FJe= brnar bei öffentlichen Arbeiten beschäftigten Individuen auf 668,000 angab, und ein Antrag des Herrn V. Smith zur Förderung der Auswanderung wieder zurückgenommen war, da die Regierung ver— sprach, auf diesen Gegenstand selbst zurückzukommen, brachte Herr Hume seine Resolutionen vor. Sie sind in folgenden Inhalt ge⸗ faßt: 1) das Haus, den wiener Traktat vom 9. Juni 1815 als die Grundlage des Friedens und der Wohlfahrt Europa's betrachtend, erblickt die Einverleibung des Freistaates Krakau, welche eine offen⸗ bare Verletzung jenes Vertrages ist, mit Besorgniß; 2) es geht aus den dem Parlamente vorgelegten Aktenstücken hervor, daß der britische Schatz von 1816 bis 1846 zur Liquidirung der soge⸗ nannten russisch⸗holländischen Anleihe die Summe von 3,374,479 Pfd. bezahlt hat, und daß er bis zum Jahre 1915 (nach dem Verhältniß von 72,916 Pfd. für jedes der hundert Jahre, für welche die Zah⸗ lung stipulirt ist) noch 3,917,187 Pfd. zu bezahlen haben wird; 3) die Convention vom 16. November 1831 zwischen England und Ruß⸗ land ist bestimmt, die wegen jener Zinszahlung am 19. Mai 1815 abgeschlossene und in den wiener Traktat aufgenommene Uebereinkunft zwischen England, Rußland und den Niederlanden zu erläutern, und besagt wörtlich, daß jene Convention geschlossen sei, Rußland die Zah⸗ lung eines Theiles seiner alten holländischen Schuld zu sichern mit Rücksicht auf die allgemeinen Vereinbarungen des wiener Vertrages, zu welchen es seine Zustimmung gegeben, Vereinbarungen, welche nach wie vor in voller Kraft bleiben; 4) das Haus ist deshalb der Ansicht, daß, da Rußland seine Zustimmung zurückgezogen habe und jene Vereinbarungen in Folge davon nicht mehr in Kraft seien, die Zahlungen Englands zur Li- quidirung jener Schuld fortan zu suspendiren seien. In der Begründung dieser Resolutionen entwickelte Herr Hume sehr umständlich, daß Lord Palmerston die Motive der Einverleibung Krakau's, welche das österreichische Kabinet geltend gemacht habe, widerlegt, daß die drei Mächte, wenn ein geographisches Atom, wie Krakau, wirklich als ge⸗ fährlich anzusehen gewesen wäre, ohne Zuziehung Englands nicht eine solche Veränderung mit dem wiener Traktat hätten vornehmen dür⸗= fen, und daß endlich England, welches 600,000 Pfd. St. zum Opfer gebracht, um den Kontinent von dem Militair-Despotismus Napo⸗ leon's zu befreien, welches den wiener Vertrag mitunterzeichnet und mit demselben Lasten übernommen habe, jetzt durch die Einverleibung Krakau's eine Gelegenheit erhalte, sich von diesen Lasten loszumachen. Da Herr Hume seinen Vortrag hauptsächlich gegen Rußland richtete, um die Ungültigkeit der Forderungen der bezeichneten Zinszahlung nachzuweisen, so war? er der Ansicht, England sei. durch das Verfahren Ruß—⸗ lands berechtigt, anzunehmen, daß seine Verletzung aller Bestim⸗ mungen des wiener Kongresses über die unabhängige Stellung Polens die Verpflichtung Englands, jährlich 72,916 Pfd. St. als Zins und Til⸗ gung für die alte holländische Anleihe zu zahlen, aufgehoben habe. Diese Behauptung suchte er durch die Autorität der Rechtslehrer Vattel und Grotius zu begründen und berief sich unter Anderem auf die Deduction eines Dr. Addams, der die Anleihe-Frage speziell behan⸗ delt habe. Es ergebe sich nämlich ganz deutlich aus früheren Verhandlungen über diesen Gegenstand, daß England diese Zahlung im Jahre 1815 nur übernommen hätte, um eine Garantie für die russische Politik hinsichtlich der Niederlande in Händen zu haben. In ven wiener Traktat sei eine Convention zwischen Eng⸗ land, Rußland und Holland aufgenommen worden, der gemäß England sich verpflichtete, 250, 000 9 oder 1 pCt. der russisch⸗hol⸗ ländischen Anleihe zur Verzinsung und Tilgung dieser Anleihe zu zah= len, so lange Belgien im Besitze des Königs von Holland bleibe. Demgemäß sei dieses Geld bis zum Jahre 1831 regesmäßig bezahlt worden. Als damals Belgien, mit Zustimmung Englands, sich von

Holland trennte, habe letzteres mit Rußland eine neue Convention geschlossen, durch welche es sich zur ferneren Bezahlung der oben er— wähnten Summe verpflichteie gegen das Versprechen Rußlands, daß es sich in Bezug auf die Unabhängigkeit und Neutralität Belgiens der Politik Englands anschließe, im Üibrigen aber nach wie vor sich streng an alle Stipulationen des wiener Vertrages halten wolle. Diese Convention nun erklärte Herr Hume als durch die Einverlei⸗ bung Krakau's verletzt und suchte darzuthun, daß England seinerseits von der übernommenen Verpflichtung eo ipso befreit sei. Lord San don unterstützte den Antrag, den Lord J. Russell bekämpfte, obschon er damit übereinstimmte, daß die drei Mächte ohne Zuziehung Eng⸗ lands und Frankreichs Krakau nicht hätten aufheben sollen, weshalb auch Lord Palmerston den Auftrag erhalten habe, gegen diesen Akt zu protestiren. Ganz anders aber verhalte es sich mit den beantrag⸗ ten Resolutionen. Was die erste Resolution betreffe, welche die Stimmung des Hauses aussprechen solle, dürfe man nicht übersehen. daß bereits im Namen der Krone ein Protest eingereicht worden sei und daß, abgesehen von dem mangelnden Brauch einer nachträglichen Erklärung des Parlaments, eine solche Erklärung vernunftgemäßer⸗ weise nur abgegeben werden dürfte, wenn es der Zweck wäre, dem Protest noch wirksamere Maßregeln folgen zu lassen, zu deren Ausführung es der Konkurrenz des Parlaments bedürfte. Seinerseits fände er daher auch gar keinen Geschmack an dem alljährlichen Protest der französischen Kammern in der Polensache, die dadurch nur an Kraft und Bedeutung verlieren könne. Was aber die andere Resolution des Herrn Hume anbelange, so lasse sich die in derselben ausgesprochene Ansicht, die Zahlungen an Rußland ein⸗ zustellen, noch viel weniger rechtfertigen. Allerdings sei es wahr, daß der Vertrag von 1831 die Worte enthalte, daß die Zahlung mit Rück⸗ sicht auf die Bestimmungen des wiener Vertrags geschehe, Bestimmun⸗ gen, welche in voller Kraft zu halten seien; unzweifelhaft sei es aber auch, daß sich der Vertrag nur auf die Verhältnisse Belgiens zu Hol— land beziehe, und daß der Vertrag von 1831 eigentlich nichts als eine Erneuerung des Vertrags von 1813 sei, welche die mit Zustimmung Englands gegen den Wunsch Rußlands eingetretene Veränderung in den Verhältnissen Belgiens veranlaßt habe, weshalb denn auch jene Worte wegen Aufrechthaltung des wiener Vertrages auf Rußlands Betrieb eingeschaltet worden seien, nur um darzuthun, daß Rußland in der belgischen Sache den wiener Traktat nicht verletzt habe. Wollte man daher jetzt von den krakauer Vorfällen Anlaß nehmen, den Traktat aufzuheben, so würde man, auf einen bloßen Vorwand hin, einen Vertragsbruch begehen, denn bie belgischen Verhältnisse, auf welche es allein ankomme, seien von Rußland nicht angetastet worden. Mit dieser Ansicht stimmen denn auch die höchsten Rechts- Autoritäten, welche die Minister befragt haben, vollkommen überein. Ganz besonders aber habe England unter den gegenwärtigen Verhältnissen Ursache, zu zeigen, daß es Treu und Glauben unter allen Umständen zu bewahren gesonnen sei. „Ich halte dafür“, sagte Lord John Russell, „daß während der letzten europäischen Vorgänge, obgleich bei mehr als einer Gele⸗ genheit und von verschiedenen Mächten unsere Wünsche nicht berück— sichtigt, ja unsere Verwahrungen mißachtet worden sind, doch unsere moralische Kraft keine Verminderung erlitten hat. (Lauter Beifall.) Andererseits ist niemals gegen England der Vorwurf erhoben wor— den, daß es einen Vertrag verletzt oder unbeachtet gelassen habe. Wir sind bereit, Angesichts von Europa, so unbequem auch einige Vertrags-Stipulationen für uns sein mögen, uns an alle Verpflich= tungen gebunden zu halten, den Ruf, den Namen und die Ehre der Krone Englands unbefleckt zu erhalten und diese unbefleckte Ehre als ein Juwel zu betrachten, dessen Glanz wir niemals trüben werden.“ Der Minister schloß seine Rede unter großem Beifall, nachdem er noch dagegen protestirt hatte, daß man eine so große Prinzipfrage auf die undedeutenden Dimensionen einer bloßen Geldfrage herabzu⸗ bringen suche. Nach längerer Unterredung über die Vertagung der Debatte ward dieselbe endlich auf Sir R. Peel's Antrag bis zum IIten vertagt.

Im Oberhause wurden keine Beschlüsse gefaßt. Lord Ellen⸗ borough machte einige Bemerkungen über den Ausfall in der Aus— fuhr des vorigen Jahres.

Die heutige Times erklärt sich in einem längeren Artikel durch- aus für die Resolutionen des Herrn Hume in Betreff der Zinszahlung der russisch-⸗holländischen Anleihe. Sie beruft sich dabei auf die Er— klärung der französischen Deputirten-Kammer, daß Verträge nicht einseitig verletzt werden könnten, ohne alle anderen Staaten ihrer Verpflichtungen zu entheben ; folglich habe Rußland durch sein Ver— fahren gerade diejenige Politik befördert, gegen welche die wiener Verträge gerichtet wären. Die Minister, sagt die Times, anstatt die Enischeidung der Frage zu umgehen, sollten sich lieber darüber freuen, daß ihnen eine Gelegenheit geboten sei, ohne direkte Verant⸗ wortlichkeit dem Verfahren der drei nordischen Mächte entgegenzu— treten.

Nachrichten vom Cap der guten Hoffnung vom 23. Dezember melden nichts Neues über den Stand der Dinge an der Gränze. Auf der Reise vom Cap nach England ist der General-⸗Major Hare, Vice-Gouverneur der Kolonie, gestorben. Er war ein tapferer Vete⸗ ran aus dem Halbinsel-Kriege.

X London, 5. März. Obgleich Prinz Albrecht es abgelehnt hatte, zum Kanzler der Universität Cambridge ernannt zu werden, so nahm er doch keinen Anstand, als er einmal dazu ohne seine, Zustim⸗ mung ernannt und von einer beträchtlichen Majoritãt erwählt war, diese alademische Würde anzunehmen. Einige Mitglieder des Senates stimmten gegen ihn, weil er ein Prinz ist, andere aus demselben Grunde für ihn, aber die Majorität der einsichts vollen Magnaten von Cambridge wählte ihn, weil er mit dem höchsten Range diejenigen Eigenschaften ünd Vorzüge vereinigt, welche sich für das Oberhaupt einer solchen Universität eignen. Ein Streit mit Königlichen Prinzen ist übrigens in Cambridge nicht ohne Beispiel. In dem letzten Jahr hundert stand Prinz Friedrich von Wales gegen den Herzog von Neweastle, des Königs Sohn gegen des Königs Minister, und wurde geschlagen. Im gegenwärtigen Jahrhundert wurde der Herzog von Gloucester, Neffe und Schwiegersohn Georg's III., von dem Herzoge von Rutland bekämpft, aber Letzterer erlag. Die Anzahl der Mit⸗— glieder des Senates, welche bei der gegenwärtigen Gelegenheit stimm— ten, ist die größte, deren man sich entsinnen kann.

Es ist jetzt jede Wahrscheinlichkeit dafür, daß die Bill zur Ver kürzung der Arbeitszeit in Fabriken auf 10 Stunden des Tages für junge Leute und erwachsene Frauen in kurzem durch das Unterhaus gehen wird. Sie passirt jeßt das Comité mit großer Majorität. Die Regierung hat dabei eine neutrale Stellung eingenommen, und einige Nitglieber des Ministeriums widersetzen sich der Maßregel eben so eifrig, als sie and ere unterstützen. Es ist eine sogenannte offene Frage. Lord John Russell hat durch seine Nachgiebigkeit ge— gen das GHeschrei der Philanthropen bei denkenden Männern im Ganzen an Kredit viel verloren, Sir R. Perl dagegen durch seinen Widerstand gegen dies Geschrei große Ehré gewonnen.

Ohne Zweifel ist eg wünschenswerih, daß die Arbeit von 16 Stunden jungen Leuten und Frauen die nöthigen Bedürfnisse ver⸗ schaffte und ihnen noch Zeit zur Erholung und Vervollkommnung sieße: Wenn diese Leue gezwungen wären, zu arbeiten, dan? könnte das Geseß wohl einschreiten, um sie von einer Art Silaverei

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zu befreien. Aber es ist nicht weniger klar, daß, wenn man sie zwingt, nicht zu arbeiten, ihnen eine direlte Beraubung widerfährt. Wenn der Hand, welche diese Zeilen schreibt, durch ein Gesetz streng verboten würde, nicht länger als eine gewisse Anzahl Stunden des Tages die Feder zu führen, so würde ich dies als einen uner⸗ träglichen Eingriff in die Freiheit der Arbeit und die Mittel meines Unterhalts schmerzlich empfinden. Nach welchem Prinzip soll aber der Gesetzgeber bei einigen Gattungen von zusammengesetzter Arbeit, z. B. bei dem Baumwollspinnen oder Weben, eine Beschränkung ein⸗ treten lassen, da diese doch von Natur überhaupt nur auf drei oder vier industrielle Beschäftigungen beschränkt hleiben muß. Man kann wohl den Webestuhl durch das Mandat eines Regierungs⸗Inspektors, der mit der Ausübung des Gesetzes betraut ist, anhalten lassen. Kann man aber die Oefen der Eisenwerke löschen, die Pumpwerke der Minen anhalten, die Kessel des Brauers oder Färbers nicht mehr kochen lassen, die heiße Arbeit des Glasmachers beschränken oder dem Maschinen- Lehrling und der Nätherin, welche Tag und Nacht über der schlecht bezahlten Arbeit sitzt, Freistunden geben? Das ist unmöglich. Man versucht hier, sich mit den Gesetzen der Arbeit zu befassen, die so unwiderstehlich sind, wie die Gesetze der Natur und des Lebens. Ich zweifle nicht daran, daß, wenn die Zehnstunden⸗Bill in ein Gesetz ausgeht, nach zwei Jahren eine Agitatien unter den Arbeitern selbst auf dessen Abschaf⸗ fung dringen wird. Indeß sie wird wahrscheinlich noch in diesem Jahre im Oberhause verworfen werden.

Am 9gten d. M. wird, wie verlautet, ein Befehl erlassen werden, dem zufolge im ganzen Königreiche in den letzten Tagen der Fastenzeit und in besonderer Berücksichtigung der Heimsuchung durch Hungers⸗ noth, mit welcher die Vorsehung einen Theil dieser Inseln heimge⸗ sucht hat, ein allgemeiner Bettag gehalten werden soll.

gel g i en.

Brüssel, 7. März. Vorgestern Abends sind Ihre Majestäten mit einem Extrazuge von Paris wieder hier eingetroffen und haben sich sogleich nach Laeken begeben. An demselben Tage kam der außer— ordentliche Gesandte und bevollmächtigte Minister des Kaisers von Brasilien, Herr von Lisboa, mit seiner Familie hier an.

Ungefähr tausend Arme aus den beiden Flandern wurden gestern früh unter Eskorte von 60 Gendarmen und Polizei-Beamten nach dem Bahnhofe in der Allée Verte gebracht und, nachdem sie Jeder ein Kleidungestück und F Franc in Geld erhalten hatten, auf der Ei⸗ senbahn nach ihrer Heimat zurückgeschickt. Die Bürgermeister ihrer verschiedenen Gemeinden haben für sie außerdem noch Geld- Unter⸗ stützungen empfangen und sind aufgefordert worden, die Leute an den betreffenden Stationen mit Fuhrwerk abholen zu lassen. Von heute an hat die hiesige Polizei strengen Befehl, alle Bettler ohne Unter— schied festzunehmen. Die Mittel des Comité's für Erwärmungssäle und des philanthropischen Vereins sind erschöpft, man hofft aber, daß der Ertrag eines bevorstehenden Konzerts des Virtuosen Vieuxtemps und einer Vorstellung der Tänzerin Dlle. Grahn gestatten wird, jenen Unglücklichen noch einige Hülfe zukommen zu lassen.

In Brügge ist die Ruhe wieder völlig hergestellt; der Magi— strat hat es aber für nöthig gehalten, Vorsichtsmaßregeln für die Zukunft zu treffen. Die Bürger⸗Garde und die Chasseurs⸗Eclaireurs wurden gestern zusammenberusen und mußten sogleich an dem Dienst des Platzes theilnehmen. Andererseits hat man sich damit beschäf⸗ tigt, die Wykmeesters oder Bezirks⸗Vorsteher zu reorganisiren. Für jeden der sechs Hauptbezirke der Stadt wird ein Ober-Vorsteher be⸗ stellt, von dem die Wykmeester der Unterbezirke abhängen. Der Ober⸗Vorsteher empfängt seine Verhaltungsvorschriften vom Magi— strat und macht seinen Untergebenen davon Mittheilung. Alle haben ein Abzeichen und empfangen eine Vollmacht vom Magistrat, um nöthigenfalls mit gesetzlicher Kraft einschreiten zu können und sich den Militair⸗Behörden kenntlich zu machen. Der General Pletinckrx hat die Garnison von Brügge über ihr Verhalten an den beiden Tagen der Unruhen in einem Tagesbefehl belobt.

Auch in Lüttich hat vorgestern ein Volksauflauf stattgefunden, der jedoch keine schlimme Folgen hatte; etwa 3— 400 Arbeiter versam⸗ melten sich auf dem Marktplatz, dem Stadthause gegenüber, es kam aber zu keiner drohenden oder feindlichen Demonstration. Einer, der sich besonders tumultuarisch benahm, wurde verhaftet, ohne daß die Anderen irgend einen Widerstand leisteten. Nach anderen Berichten wären an 20 Individuen verhaftet worden, die mit wildem Geschrei unter dem Gesang der Marseillaise und der Parisienne durch die Straßen zogen. Der Bürgermeister von Lüttich hat verordnet, daß die Kaffeehäuser und Schenken um 10 Uhr Abends geschlossen werden müssen, und daß jedes Zusam⸗ mentreten von mehr als 5 Personen auf den Straßen als ein gesetzwidriger Auflauf betrachtet und auseinandergetrieben, die Wi— dersstzlichen aber festgenommen und bestraft werden sollen. Der Gou⸗ verneur der Provinz Lüttich hat seinerseits an die städtischen und Landbehörden ein Rundschreiben gerichtet, worin er ihnen alle mög— lichen Erleichterungs⸗Maßregeln mit Hinsicht auf die Getraide⸗-Theu⸗ rung anempfiehlt und sie zur Förderung von Arbeiten, um den Armen Beschäftigung zu gewähren, so wie zu wohlthätigen Veranstaltungen, auf⸗— muntert. Der Gemeinde⸗Rath von Lüttich hat auch bereits den Beschluß ge⸗ faßt, mit Rücksicht auf den noch immer steigenden Brodpreis (14 Pfund des besten Brodtes kosten jetzt ungefähr 77 Sgr. und vom schlechte⸗ sten 5 Sgr.) täglich 600 Fr. zur Verfügung des Magistrats zu stel⸗ len, um dafür 60,000 Zettel auszugeben, gegen deren Vorzeigung die Armen ein Vierpfundbrod um 10 Centimes (ungefähr 10 Pfennig) billiger erhalten sollen. Diese Zettel sollen von den Wohl⸗ thätigkeits⸗Büreaus und Unterstützungs-Comités jedes Kirch⸗ spiels vertheilt werden. In Bezug auf die Beschaffenheit und den nöthigen Vorrath von Brod soll der Magistrat mit den Bäckern in Verhandlung treten. Ferner ist beschlossen worden, die Erhebung der Fleischtaxe vom 8. März bis zum 31. Mai einzustellen, eine Abgaben⸗ Erleichterung, die man auf 50,000 Fr. anschlägt, indem die Taxe 9 bis 109 Centimes auf 2 Pfund gFleisch beträgt.

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Kanton Bern. Nach dem vom General Ochsenbein ver— faßten Entwurf einer neuen Militair⸗Organisation würde sich die ganze waffenfähige Mannschaft 1) in Rekruten vom 16ten bis 19ten und Auszug vom 19ten bis 21sten Jahre; 2) in Landwehr erster Klasse vom 21sten bis 30sten Jahr; 3) in Landwehr zweiter Klasse vom Ihsten bis 40sten Jahre eintheilen und die ganze Militairmacht des Kantons Bern aus 56 Bataillonen Infanterie, 20 Compagnieen Artillerie, 4 Compagnieen Sappeurs, 1 Compagnie Pontoniere, 9 Com— pagnieen Kavallerie, 1 Compagnie Guiden und 12 Compagnieen Scharfschützen bestehen.

Der Regierungs- Rath hat die Bestimmung des Stämpflischen Vermögenssteuer⸗-Entwurfs, nach welchem die von Nichtkantons⸗Ein⸗ wohnern auf bernisches Grundeigenthum angeliehenen Kapitale steuer⸗ frei gewesen wären, verworfen.

ABtalien.

Nom, 25. Febr. Eine Mission des Sultans an den Papst, wie die Abdul⸗Medschid's an Pius IX., ist in den Annalen der Civi⸗ lisation und Kirchengeschichte nicht verzeichnet. Wir wissen zwar, daß

auch Bajazet im Jahre 14990 einen Gesandten an Innocenz VII. schickte; allein der sollte dem Papst weder huldigen, noch Freundfchafts= bündniß mit ihm schließen, sondern seinen von den hierosolymitaner Rittern gefangenen und dem Papst übergebenen Bruder Zizim auslösen. Ueber das (bereits erwähnte) Zusammenkommen Schekib Efendi's mit Kar⸗= dinal Gizzi am 16ten d. M. und andere Präliminarien der nachge⸗ suchten Audienz bei Pius IX. enthält die römische Staatszeitung folgenden Bericht: „Schekib Efendi begann damit, Pius dem Neunten zu versichern, daß der Kaiser, sein Herr, seine Erhebung auf den päpstlichen Thron mit höchstem Wohl- gefallen vernommen habe. Er fügte hinzu, ungeachtet bis jetzt be⸗ sondere Freundschafts⸗-Beziehungen zwischen der hohen Pforte und dem h. Stuhle nicht bestanden, hätte sich doch auch sein Gebieter der all= gemeinen Freude über die Thronbesteigung St. Heiligkeit hingegeben ünd den Redner mit dem A Auftrage beehrt, Sr. Heiligkeit in seinem hohen Namen die aufrichtigsten und wärmsten Wünsche aus zudrücken. Der Kaiser benutzte allen Ernstes dieses glückliche Vorkommniß, um sich mit der päpstlichen Regierung in ein direktes Verhältniß zu setzen. Er äußerte dann sein festes Vertrauen darauf, daß die wohl⸗ wollenden Gesinnungen seines erhabenen Herrn gegen seine Unter— thanen jedes Standes und jedes Glaubens ohne Unterschied, wie die eines liebenden Vaters gegen alle seine Kinder, ganz besonders dem Papste nicht unwerth sein würden, dessen Achtung und Freund⸗ schaft der Kaiser vorzüglich sich zu erwerben trachte. Pius IX. be- antwortete die Ansprache in fehr huldvollen Worten. Er trug dem Gesandten auf, dem Kaiser zu melden, daß er die durch den Redner ausgesprochenen Gefühle des Wohlwollens dankbar aufnehme und erwiedere, und daß ihm das Herz hoch schlage bei der frohen Hoff⸗ nung, daß die vom Sultan gewünschten Beziehungen mit der päpst⸗ lichen Regierung zum Heil der in dem weiten Reiche zerstreuten ga⸗ tholiken gereichen würden. Je günstiger die religiöse Lage dieser dort in Folge des andauernden und wachsenden kräftigen Kaiserlichen Schutzes sich gestalte, desto theurer würde ihm des Sultans Freund⸗ schaft und die zwischen beiden Regierungen vorgeschlagenen An⸗ knüpfungen in ihren Ergebnissen werden. Der vom h. Vater beschie⸗ dene Kardinal Mezzofanti war bei dieser Audienz zugegen; Dolmet- scher zwischen beiden Sprechern war der General⸗Prokurator der ar⸗ menischen Mönche von des h. Antonius-Regel, Don Arsenio Angia⸗ rakian. Schelib Efendi stellte hierauf seinen Sohn und ersten Ge⸗ sandtschafts⸗Secretair, Arit Bey, vor, auch den zweiten Secretair, Aly Efendi, und seinen ersten Dragoman, Gasparo de Manaß, mit denen Se. Heiligkeit sich aufs leutseligste unterhielt. Schekib Efendi pflog noch mit dem Papste verschiedene Privatgespräche und schied dann über so gnädige Aufnahme sehr erfreut. Von den Audienz⸗ Zimmern richteie der türkische Gesandte seine Schritte nach der Woh⸗ nung des Staats-Secretairs Gizzi; ihre Zwiegespräche waren zu beiderseitiger großen Zufriedenheit. ö“

Den hier ohne alle Mittel zurückgebliebenen Dienern des Dom Miguel hat der heilige Vater aus seiner Privatkasse eine Unterstützung zukommen lassen. Dom Miguel genoß hier während seines Aufent⸗ halts von der Regierung eine namhafte Summe jährlich, die narür— lich bei seiner Abreise wegfällt. .

Ein Erlaß des Kardinal⸗Staats⸗Secretairs Gizzi beklagt die in mehreren Theilen des Landes von Wucherern herrührenden Hemmun— gen des Getraidehandels und droht denen harte Strafen an, welche durch falsche Gerüchte das Steigen der Kornpreise veranlassen. Er versichert den Landesbewohnern, daß die Regierung Korn⸗Ankäufe in der Fremde eingeleitet habe und gestattet die zollfreie Einfuhr des Getraides und Welschkorns bis zum 1. Juli d. J. aus der Fremde her.

Die Accademia dei Lincei, im Jahre 1603 errichtet und mit mehreren Unterbrechungen bis 1842 bestehend, wo bei dem Ableben des Professors Scarpellini diese gelehrte Anstalt von der Regierung nicht weiter bestätigt wurde, soll jetzt erneuert werden.

Wie man sagt, soll eine Reviston der hiesigen Censur bevorste⸗ hen, die namentlich den wissenschaftlichen Arbeiten ein weiteres, freie⸗ res Feld einräumen soll.

Heir Cobden ist heute nach Neapel abgereist.

Florenz, 27. Febr. (A. 3.) Nachdem wir hier schon sehr schöne milde Frühlingstage gehabt, hat sich seit gestern der Winter noch⸗ mals eingestellt, indem viel Schnee gefallen ist eine hier sonst so seltene, dieses Jahr sich aber öfter wiederholende Erscheinung. Das Thermo⸗ meter siel in vergangener Nacht bis zum Gefrierpunkt herab. Die ältesten Leute erinnern sich nur aus ihrer Jugend, daß die Delbäume durch die Kälte so viel Blätter verloren haben, als es in diesem Jahr an vielen Orten der Fall ist; indessen schien es damals dem Ertrag im Allgemeinen keinen Abbruch zu thun, da die Blüthen ungewöhnlich, zeitig und noch ehe die neuen Blätter ansetzten, zum Vorschein kamen.

Die Noth fängt auch hier bei der ärmeren Bevölkerung an sich immer mehr bemerkbar zu machen, indem die Brodpreise in der letz- ten Zeit zu wiederholtenmalen erhöht worden sind.

Livorno, 265. Febr. Endlich beginnen auch wir in dem glück lichen wohlhabenden Toscana die erhöhten Preise der Lebensmittel zu fühlen. Den Gebirgen zu wird schon mancher Backofen nicht mehr geheizt, und die Bewohner begnügen sich mit der Polenta von Ka⸗ stanienmehl. Nun steht Toscana in Italien ganz allein im Prinzip des freien Getraidehandels, alle anderen Regierungen haben ihre Länder mit Getraide-Ausfuhrverboten umgürtet, zuletzt noch die Lom⸗ bardei. Viel türkisch Korn (Mais) ward in den vergangenen Monaten aus Toscana nach Irland versendet. Die seit lange für diese Ge⸗ traideart nicht bezahlten hohen Preise veranlaßten manche Besitzer zu verkaufen, die es nun wohl ziemlich bereuen, da die Hoffnung, durch reichliche Zufuhren in anderen Getraidehäfen den Ausfall zu billige⸗ ren Preisen decken zu können, an Wahrscheinlichkeit verliert. Die Regie⸗ rung Toscana's hat den kleinen Zoll für Getraide nach dem Inlande aufgehoben, auch den Schiffen aller fremden Nationen, die bis näch⸗ sten Juni in toscanische Häfen mit Getraide einlaufen, in Schiffs⸗ Abgaben so weit Erleichterung gegeben, daß sie nicht mehr als die einheimische Flagge zu bezahlen haben. Die fortwährende Steige- rung der Getraide⸗Preise, so wie die traurigen Nachrichten aus an—⸗ deren Ländern, haben übrigens die schon seit längerer Zeit durch das erlittene Erdbeben erweckte trübe Stimmung erhalten. Manches Fest ist unterblieben, die Karnevals-Belustigungen waren labm. Zür * land sind sowohl in Florenz als in Livorno Geldsammlungen ein=

geleitet. J j d Die Unterhandlungen wegen eines Zoll-Verein? zwischen Tos

ü. ; luß gekom- cana, Modena und Lucca sind noch nicht, zum Absch men. Das Salt soll der cl igt zu beseitigen de r 9 . es in Toscana beinahe doppelt so viel ir n den ndern mm, kostet. 8p an i e n. 18. 27. Jebr. Der Heraldo theilt die wichtigsten St ie, ,. 9. ann, welche Herr Mon über die Heiraths-= J w. ;. in der Deputirten⸗Kammer gehalten hat. Der Redner bestreitet . gea wiffe lauf die Doppel ⸗Vermählung bezügliche Aktenstücke ; lend a wolden feien, und vertheidigt die von der spanischen Re—= 1 in dieser Angelegenheit befolgte Politik, ohne jedoch, wie

nngün, Gchmahungen gegen das engüische Kabinet auszustoßen.