der erste Grund der Zweckmäßigkeit; daß wir in einer Verwahrung von Rechten sprechen, dadurch erheben wir uns zum Rechtsgefühl! Es wird uns stärken, und diese Stärkung halte ich für sehr noth—⸗ wendig für Preußen. Die Thronrede hat auf Gefahren von Seiten des Auslandes hingewiesen. Ich werde hier nicht in die auswärtige Politit eingehen, aber Wahrheit habe ich mir zur Pflicht gemacht, und se spreche ich es unumwunden aus: Preußen sst allerdings in einer unter gewissen Even tualitäten bedenklichen Lage, und lassen Sie es uns wohl begreifen, wir müssen uns stärken. VDiese bedenkliche Lage will ich Ihnen nnr in zwei Momenten hervorheben. Wir können hier vollständig die Wahr⸗ heit sagen und über Dinge sprechen, die in ganz Europa bekannt sind. Wir haben mächtige Nationen zu Nachbarn. Auf der einen Seite eine Nation, die danach ringt, mit eiserner Konsequenz eine roße Nationalität von vielen Millionen zu begründen, und deren roberungen seit hundert Jahren ungeheuer gewesen sind. Ich be⸗ zeichne sie nicht, diese Macht, Sie Alle werden mich verstehen.
Eine Stimme: Ich glaube nicht, daß dies zur Debatte ge hört. (Aufregung.) . . ü
Abgeordn. Han sem ann: Ich weise nach, wie wir uns stärken müssen.
r Marschall: Ich glaube, daß die Rede, die wir hier vernehmen, uns dem Augenblick der Abstimmung bedeutend näher bringen wird. Ich glaube auch, daß in diesem Augenblick nicht mehr Grund vorhanden ist, den Redner zu erinnern, daß er sich nicht von dem Gegenstand entferne, als dies bei anderen Reden der Fall war, die wir gestern und heute vernommen haben. Ich habe mich ab— sichtlich und aus Gründen, deren Gewicht mir auch in diesem Augen⸗ blicke noch nicht zweifelhaft ist, solcher Erinnerungen enthalten. Die Rede, die wir vernehmen, wird, wie ich wünsche, uns nicht unförder— lich sein, daß wir dem Augenblick der Abstimmung uns nähern.
Abgeordn. Han semann: Ich fahre fort, meine Herren, und mache aufmerksam, daß am entgegengesetzten Ende eine eben so große Gefahr, wenn auch in anderer Form, uns bevorsteht. Nun das ist's gerade, was ich hervorheben will, daß das Rechtsgefühl, wenn es die anze Nation belebt, sie stark erheben, sie kräftigen wird, und daß es ein besseres Mittel giebt, als das, um die Nation dahin auszubilden, wohin sie kommen muß, wenn sie in Eintracht mit den übrigen deut schen Stämmen sich mächtig durch solche Gefahren erheben soll. Es hat mich erst ein Redner unterbrochen und gesagt, das gehöre nicht hierher. Wohl! meine Herren, ich sage, es gehört hierher. Was ist die Ursache, weshalb vom Rheinlande, von dem äußersten Westen und von der anderen Seite von Osten her das Bedürf⸗ niß der Entwickelung des öffentlichen Rechts am stärksten ge⸗ fordert wird? Was ist der Gründ, der tiefliegende Grund? Ich will es Ihnen sagen, und Sie werden es ehren, wenn ich es Ihnen angeführt. Er besteht darin, die östlichen wollen nicht russisch und die westlichen wollen nicht französisch werden. (Bravo.) Wir wollen Deutsche, wir wollen Preußen bleiben, aber das öffentliche Recht ent⸗ wickeln. Das ist unsere tiefe Ueberzeugung! (Sehr gut! Bravo!) Und nun noch ein Wort zum Schluß. z
Ich habe seit Jahren die Ueberzeugung geäußert, daß für
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bin ich nicht im Stande, ihre Meinung zu ändern oder ihr entgegen— utreten.
J Abgeordn. Aldenhoven (vom Platz): Dann ersuche ich Ew. Durchlaucht, diese Frage an die Versammlung nicht zu stellen, da— mit Jeder sein Votum motiviren kann, wenn wir auch länger hier blei⸗ ben müssen.
Der Marschall: Es scheint mir dies eine Ansicht zu sein, die sich aus der provinzialständischen Versammlung, aus der Ansicht von dem Wesen und der Aufgabe derselben herschreibt, die sich aber nicht gebildet hat in dem Raume dieses Saales. Hier scheint mir ein anderes Erforderniß nicht unberücksichtigt bleiben zu können, näm— lich, daß es nicht zweckmäßig sein kann, daß ein Jeder darauf aus— gehe, seine Ansicht zu motiviren, sondern, daß es zweckmäßiger er— scheint, daß jede Ansicht vollständig vertreten sei, aber nichk durch alle Mitglieder. Wenn Alle ihre Meinung motivirt vortragen wol- len, so können wir nicht heute, auch nicht in dieser Woche zu Ende kommen, und daß dies nicht im Wunsch der Versammlung liegt glaube ich bestimmt behaupten zu können. —
Abgeordn. Mohr (vom Platz): Es ist natürlich, daß in die— ser wichtigen Angelegenheit Jeder wünsche, daß sein Votum vernum— men werde. Ich muß daher bitten, daß die Debatte so lange fort⸗ geführt werde, als noch irgend ein Redner sich meldet.
Der Landtags-Marschall: Ich habe dem Redner zu ent— gegnen, daß das, was auf den Provinzial-Landtagen vorkommen kann, daß möglichst ein Jeder über wichtige Fragen seine Ansicht motivirt vorträgt, hier nicht möglich ist. Darauf muß hier im voraus ver— zichtet werden. Wenn a so die Mehrheit der Versammlung auf Ab— stimmung dringt, so habe ich nicht die Pflicht und nicht das Recht, derselben entgegenzutreten. Abgeordn. von Kraszewski (vom Platz): Ew. Durchlaucht sind allerdings berechtigt und verpflichtet, der Versammlung Gehör zu geben, wenn 24 Stimmen dies fordern. . .
Der Marschall: Das Geschäfts Reglement enthält nicht ganz das, was der Abgeordnete sagt. Es enthält nicht, daß der Marschall der Debatte Fortgang zu geben habe, wenn 24 Mitglieder es verlangen. Es enthält ganz etwas Anderes, nämlich die Bestim— mung, daß, wenn 24 Mitglieder die Fortsetzung der Debatte verlan— gen, der Marschall darüber abstimmen zu lassen habe, ob der Debatte Fortgang zu geben sei oder nicht. Es ist also in die Hand der Ver— sammlung gelegt und nicht in die von 24 Mitgliedern. Dies scheint dem Redner entgangen zu sein. Daß wir uns dem Ende der De— batte genähert haben, steht fest; wenn also nicht der von mir be— zeichnete Gang eingehalten wird, daß dem Abgeordneten Auerswald, dann dem Grafen von Arnim und zuletzt dem Referenten das Wort gegeben wird, so müssen wir darüber abstimmen, ob die Debatte zu schließen sei oder nicht. Der Abgeordnete von Auerswald hat jetzt das Wort. . Abgeordn. von Auerswald: Zunächst freue ich mich der Erklärung des Herrn Landtags- Kommissarius, daß aus den Bestim— mungen des Gesetzes vom 17. Januar 1820 nur für die damals vorhanden gewesenen Gläubiger des Staates Rechte und Ansprüche
Preußens Verfassung eine auf alte Ge chlechter gegründete Aristokratie einen wesentlichen Theil in der Verfassung einnehmen möge. Meine Ueberzeugung gründet sich darauf, daß auf der einen Seite die neuen Elemente unserer sozialen Verhältnisse vollkommen demokratischer Natur sind, und daß ich, weil die Nothwendigkeit es erfordern wird, neue Elemente sich entwickeln zu lassen, auf der anderen Seite als Gegenwicht ein stolzes auf sein Recht kräftiges Haus haben möge, was die alten Geschlechter vertrete und die Rechte verwahre, die Rechte der Krone, wenn die Demokratie zu weit gehen will, die Rechte des Volks, wenn die Räthe der Krone Erlasse vorschlagen, wodurch die früheren Rechte des Volkes gekränkt werden. Also Kon— servativsein ist nach meiner Ueberzeugung die Aufgabe. Das besteht aber darin, zu wahren, was man hat und besonders die Rechte; und von Ihnen, meine Herren, erwarte ich, daß Sie konservativ sein wer— den, und wahren, was besteht.
Prinz von Preußen: Wir haben gehört, daß gesagt wor— den ist, die vorliegenden Verordnungen seien aus dem Mißtrauen der Räthe des Königs hervorgegangen. Vermöge meiner Geburt bin ich der erste Unterthan des Königs, vermöge des Vertrauens des Kö— nigs sein erster Rathgeber. Als selcher gebe ich die heilige Versiche⸗ rung in meinem und der übrigen Rathgeber Namen (die Minister er— heben sich, daß kein Mißtrauen einen von uns beschlichen hat, als diese Verordnungen berathen worden sind. Aber eine Voraussicht haben wir gehabt, daß die Verordnungen, die zum Besten des Vaterlandes 7 wurden, Freiheiten und Rechte der Stände niemals auf Un— kosten der Rechte und Freiheiten der Krone gewähren sollten. Das ist der Grund atz, nach welchem ich an diesem Werke Theil genom— men habe, und einen Vorwurf des Mißtrauens lasse ich auf die Krone und ihre Räthe nicht kommen.
; Landtags-Kommissar: Ich muß noch einmal um das Wort bitten, bitte aber nicht zu glauben, daß ich das mit Sehnsucht er—⸗ wartete Ende der Debatte zu sehr hinausschieben werde. Der ver⸗ ehrte Nedner hat angeführt, es gehe aus den Aeußerungen, die ich . habe, hervor, daß das Ministerium, daß die Räthe der Krone . erer, de, erklärt haben. Ich weiß nicht, aus welchem 1 ö icse Schlußesolge gezogen ist. Ich weiß aber, daß wir — 9 ö. verantwortlich halten für alles das, was wir thun, 2 : ö or ; em Könige und vor unserem Gewissen. Wir sind
, . wortlich für das, was Se. Masestät Allerhöchstselbst a ; , und befehlen. Dafür sind wir nicht ver⸗ antwortlich. as ist es, was ich zur Aufklärung habe sagen wollen
und müssen, weil es nöthig ist, daß di hältniß ganz genau . n i n n ns rr er.
Der Marschall: Es haben si ü unddreißig Redner um das . i, den i ii 394 vier⸗ daß ich die Absicht der Versammlung richtig dente, wenn * e spreche, daß es nicht in ihrem Wunsch liegen wird ö sie alle . in. fondern die Debatte ihrem Schluß zugeführt zu schürn. Altan . erreichen, würde ich dem Abgeordn. von Auerswald, der an ber g e ist, das Wort geben können, nachher dem Grafen von Arnim und a. Referenten. Dann würden wir, so scheint es mir, zum Schluß — Gern g elan f ; 6. 9.
eordn. Aldenhoven (vom Platz): bitte, ᷓ der bages, erbeten, dasselbe nn 2 Wir af re. 5 Abstimmung motiviren, dazu sind wir hergeschickt, nichl um zu weigen.
r eorbn. Tschokke und Graf von Heldorf om Platz):
Ich muß erklären, daß ich mich bereits gemeldet habe, und wenn i auch nicht gerade viel neue Ansichten vorzubringen habe, so kann 9 doch nicht auf das Wort , ,
Der Marschall: Daß es nicht in meiner 1 liegt, die Debatte zu beschränken, davon glaube ich gestern und heute vollgül⸗ tige Beweise aeg i haben. Es wird daher auch ben Abgeordn. , , und Tschokke nicht verweigert werden, eben so wenig wie en v
. 9 . 8 ve n, no * Mei⸗ nung ist anzuhören. ann aber doch dem Wunsch der gro⸗ e e, der Damm nich Gewalt anthun. Und — bie große Mehrheit wünscht, noch heute zum Schluß zu kommen, so
erwachsen sind, jedoch nicht für die zukünftigen Gläubiger des Stag⸗ tes, Ich habe hieran zwar nie gezweifelt, da ein Gläubiger, der noch nicht existirt, auch noch keinen Anspruch haben kann. Es ist äber diese Erklärung denjenigen gegenüber wichtig, welche behaupten, daß dies Gesetz nur den Gläubigern des Staates, keinesweges aber dem Lande Rechte gewähre. Denn da der Theil des Gesetzes, wel—⸗ cher Zusagen für die Zukunft enthält, doch irgend Jemand zu Gute kommen muß, so kann derselbe nach Ausschluß der Gläubiger offen bar sich nur auf das Land beziehen. ;
Wenn ich nun, ein Mitglied der Abtheilung, welche die Adresse entworfen hat, das Wort für dieselbe ergreife, so beabsichtige ich nicht, manche gestern und heute bereits ausführlich gepflogenen Er— örterungen von neuem aufzunehmen, wenngleich ich dieselben keines weges, am wenigsten durch die heutige Rede des Abgeordneten der Stadt Posen, für erledigt halte. Ich will mich dar uf beschränken, so kurz als möglich und ohne mich auf jedes Wort und die Form der Adresse zu versteigen, für den Theil des Inhalts derselben zu sprechen, welchen ich für wesentlich und unerläßlich halte.
Angegriffen sind bis jetzt meines Ermessens vornehmlich drei
Punkte des Adreß-Entwurfs. Einmal die Aufführung spezieller Be— denken, sodann die Erwähnung einer schmerzlichen Berührung durch die Thronrede Sr. Majestät, endlich der Ausdruck „zur Wahrung ständischer Rechte“ Was nun die Anführung spezieller Bedenken be— trifft, so erkenne ich, was ein geehrtes Mitglied der Herren-Kurie dagegen angeführt hat, in vielem Betracht als richtig an, und ist dies auch in der Abtheilung nicht übersehen. Diese jedoch, welche sich sowohl auf Grund des von dem Abgeordneten Grafen von Schwe⸗ rin gestellten Antrages, als nach eigener Ueberzeugung verpflichtet hielt, die obwaltenden Bedenken anzuzeigen, glaubte neue Undeutlichkeiten und Mißverständnisse am besten durch Spezialisirung weniger und fast all⸗ gemein getheilter Bedenken zu verhüten. Ich meinerseits bin bereit, mich je⸗ dem anderen Wege zur Erreichung dieses Zweckes anzuschließen, glaube auch, daß derselbe zu finden ist, wenn das von dem Mitgliede der Herren-Kurie beantragte Amendement verändert oder anders, als be⸗ antragt, eingeschaltet wird. Nach dem vorliegenden Antrage halte ich es nicht zureichend, denn es ist nichts mehr und nichts minder als eine allerdings offene. Ankündigung der zu erwartenden Petitionen. Darum aber handelt es sich bei mir nicht, sondern es liegt mir daran, offen und ehrerbietig auszusprechen, wie ich mein Gewissen beschwert fühle dadurch, daß ich in Voraussetzung einer Uebereinstimmung von Gesetzen handeln, mit bewußter Theilnahme meine Mitwirkung eintreten lassen soll, während ich jene Uebereinstimmung nicht zu erkennen ver— mag. Es handelt sich bei mir nicht um das Mehr oder Minder des Gewährten, nicht um die größere oder geringere Zweckmäßigkeit und Nützlichkeit der getroffenen Einrichtungen, es handelt sich bei mir um ernste Bedenken meines Gewissens, weiche ich nur aufgeben kann, wenn ich die Ueberzeugung gewonnen habe, daß sie unbegründet oder erledigt sind und dadurch die Lebensbedingung meiner Wirksamkeit in allen Fällen,
wo diese Bedenken obwalten, wiederhergestellt ist. Indem ich mir vorbehalte, in diefem Sinne eine Vervollständi⸗
gung des Amendements vor i : ö Jriffenen Stelle der ef f agen, a , n,
Ein geehrter Redner der Herren-Kurie hat in lebendi 1 gen und . hervorgehoben, daß die Erwähnung einer schmerzli⸗ mir schien . Gefühl verletzt habe. Nach der ihm, wie es glaube 7 . gewordenen Zustimmung der hohen Versammlung 9 r ng für . halten zu dürfen. Da⸗ e
mit jeieni n eg 24 * welche diesen Ausdruck wählten, nicht verkannt von ihm vorges e, ee. Redner bemerklich machen, daß die leinen stärkeren . 6
der Adresse. rtrauens enthält, als die Worte
Hert Marschall! ich b e
gern in das Rei gebe len Redner da des G ie.
Erklärung angegriffene Wort „Wahrung“ betrifft, so muß ich aufrich= tig bekennen, daß es mir bei allem Nachdenken nicht gelungen ist, irgend etwas Bedenkliches in demselben zu entdecken. Ich enthalte mich jeder näheren Erörterung und bitte nur, der Stelle, der Thron⸗ rede Sr. Majestät zu gedenken, in welcher wir ausdrücklich Vertreter und Wahrer unserer Rechte genannt werden. Nun denn, ein Wah⸗ rer seines Rechts, ein solcher, den sein König selbst dafür erkennt, wird sich wohl unbedenklich des Wortes „Wahrung“ bedienen dürfen.
Von den hier angedeuteten Gesichtspunkten ausgehend, trage ich nunmehr auf eine Vervollständigung des eingebrachten Amendements dahin an, daß dasselbe nicht eingeschaltet werde zwischen denjenigen Stellen, welche dazu bezeichnet sind, sondern erst nach dem Satze des Adreß-Entwurfs, welcher heißt:
„Nachdem Ew. Königliche Majestät den in dem Gesetze vom 5. Juni 1823 ausgedrückten Vorbehalt verwirklicht und der Ver sammlung, welche in jenem Gesetze eine allgemeine ständische, in dem jenigen vom 17. Januar 1820 eine reichsständische Versammlung ge— nannt wird, den Namen des Vereinigten Landtags beigelegt haben, sind dadurch dem letzteren die in den angeführten und in früheren Gesetzen begründeten Rechte erworben“; und vor dem Satze, welcher lautet: —
„Gehorsam dem Rufe Ew. Majestät und im Begriff, unsere Wirksamkeit zu beginnen, fühlen wir uns in unserem Gewissen gedrun— gen, zur Wahrung der ständischen Rechte die gegenwärtige ehrfurchts— volle Erklärung am Throne niederzulegen.“
Die Hinzufügung dieser beiden Stellen des Adreß Entwurfes halte ich für eben so nothwendig als unbedenklich. Was die erste Stelle anbetrifft, so enthält sie eigentlich erst die Vervollständigung des vorher ausgesprochenen tiefen und ehrerbietigen Dankes; sie spricht es aus, was wir dem freien Königlichen Entschlusse Sr. Majestät zu danken haben, und, meine Herren, wofür, nach den Worten des Dich— ters, „wir uns halten im eigenen Herzen.“
Herr Marschall! ich möchte so gern deutlich bezeichnen, was mich bewegt und an diesem Antrage festhalten läßt. Gestatten Ew. Durchlaucht, daß ich es mit den Worten eines besseren Mannes, als ich, thue, welcher dem mächtigsten Monarchen seiner Zeit, dem Mo— narchen, welcher sagte, „der Staat, das bin ich“, schrieb: „Dem Kö nige die Wahrheit nicht im ganzen Umfange sagen, heißt an ihm sel ber einen Verrath begehen.“ Ich weiß wohl, daß das Wort, das vor dem Könige ertönt, den Eifer für seine Ehre, die Sanftheit und die Ehrfurcht nicht verleugnen dürfe, aber ich weiß auch: man möge es machen, wie man es wolle, am Ende muß man Ihm doch die Wahrheit sagen.
Graf von Arnim: Ich erlaube mir vor dem Eingange in die Sache auf einen indirekten Vorwurf über die Form zu antworten, der mir von einem geehrten Redner gemacht worden ist. Er betrifft die Einmischung der Person Sr. Majestät des Königs in die De—⸗ batte. Ich hoffe zunächst, daß die Versammlung mir das Zeugniß geben wird, daß ich bei Nennung des Königlichen Namens die Ehr— furcht vor unserem Könige nicht verletzt habe, und ich hoffe und weiß es im voraus, daß, wenn dieser Name hier genannt wird, nur die selbe Ehrfurcht für ihn in uns Allen leben werde; deshalb haben wir nicht zu scheuen, ihn zu nennen. Mag die Verfassung anderer Länder die Minister zwischen König und Volk stellen. Nach unserer Verfassung steht nichts zwischen dem Könige und seinem Volke, aber die Mittler zwischen Beiden sind die Stände. Wenn mir aber dieser Vorwurf gemacht wird, so frage ich, weshalb denn die Kommission in ihrem Adreß-Entwurf die Worte der Thron⸗Rede zum Gegenstande ihrer Beleuchtung machte und die Gefühle schildert, die sie hervorge bracht hat. Ist dies nicht ein Hineinziehen des Königs in die De batte? Wäre es denkbar, daß über diesen Passus der Adresse debat— tirt würde, ohne die Person Sr. Majestät des Königs zu berühren. Jener Vorwurf also, glaube ich, trifft mich nicht. — Derselbe Red— ner fürchtet ferner den Vorwurf seines Gewissens, wenn er nicht alle Verwahrungen niederlegt, die in dem Entwurf enthalten sind, er fürchtet spätere Vorwürfe über vergebene Rechte. Wird er aber auch gegen die Vorwürfe gesichert sein, wenn er, um ängstlich die Rechte zu verklausuliren, Zwiespalt erregt hat zwischen König und Volk, zwischen König und Ständen, wenn er im ersten Augenblick unserer Wirksamkeit die Har— monie, die er wünscht, trübt? Gerade von jener Seite ist gesagt worden, daß es wesentlich darauf ankommt, ständische Rechte zu wahren und die Stärke ihrer Entwickelung zu fördern. Ich frage diejenigen, die vielleicht in dem Begehren und in dem Wunsche ihrer größtmöglich— sten Ausdehnung am weitesten gehen, ob sie ihrer Sache einen Dienst thun, wenn sie bei dem ersten Schritt, den Preußens Stände thun, indem sie ihre Gefühle ihrem Könige sagen, irgendwie die Einheit und den guten Einklang in Frage stellen. Ich citire hier nicht gern Schriften und Autoritäten außer der Versammlung; aber ich beziehe mich doch auf einen Schrifsteller, der in constitutionellen Ländern einen gewissen Klang hat, und der sagt: Ein Schritt, den Preußen als ein großer Staat auf der constitutionellen Bahn thut, der wiegt mehr, als zehn Schritte, die kleine Staaten thun. Also diesen einen Schritt wollen wir ja festhalten, und glauben denn diejenigen, die sich ängstlich an Worte früherer Gesetze anklammern, daß sie diesen Schritt för⸗ dern, Muth und Freudigkeit bringen, wenn sie ihm entgegentreten mit achtungswerther, aber mit allzu peinlicher Gewissenhaf— tigkeit? Derselbe Redner hat gesagt: er wolle um den König stehen, wenn es gelte, durch Kriegführung das Land zu vertheidigen. Nun, meine Herren, das wollen wir Alle, darüber ist nur Eine Stimme. Die Frage ist aher: Ist es verboten, ist es in einer solchen Rücksicht nicht gut, den Weg zu bezeichnen, um dem König die Mittel zu geben, wenn er uns nicht rufen kann? Ich wünsche von Herzen, daß, wenn ein Gewitter am politischen Horizont heraufzieht, Se. Majestät dann auch die Möglichkeit habe, alle seine Stände um sich zu berufen, und ich bin überzeugt, dies würde einen Eindruck machen, gleich einer Schlacht, die gewonnen ist. Aber ich sinde in der Vorgüssicht des Falles, daß die Einberufung Aller nicht möglich, keinen Angriff auf unsere Rechte, dessen Zurückweisung ich für nöthig halte. Der geehrte Redner, den ich öfter erwähnt, habe, sagt, er halte sich verpflichtet, Erklärungen zu geben, daß er in ge— wissen Dingen nicht mitwirken könnte. Ich achte seine Ansicht, ich frage ihn aber: Ist diese Erklärung hier nicht zu früh? Will sich der Redner schon jetzt sein Votum vergeben, will er seine Ansicht der⸗ jenigen Leitung entziehen, die durch gründliche Debatte sich bei uns erst herausstellen kann? Ich bin der Meinung, man halte sein Vo⸗ tum frei bis zum Tage der Abstimmung. Ich wenigstens thue dies; ich erkläre frei, was meine, Ansicht jetzt ist, wenn es nöthig; aber ich werde abwarten, ob mich die Versammlung später anders belehrt, und dann werde ich mein Gewissen zu Rathe ziehen und meine Stimme geben nach meinem Gewissen. Deshalb sage ich, daß jene Erklärung zu früh abgegeben ist. Wer da sagt; Ich kann den Ausschuß nicht vertreten, der mag Recht haben in seinem Sinne; er soll sich aber nicht der Berathung entziehen, denn durch dieselbe wird sich erst zeigen, was die wahre Ansicht ist, indem sie durch die Läuterung des Landtags gegangen. Ob, wie der Redner es wünscht, die Ver⸗ handlungen der Regierung mit den Ständen harmonischer sein wer⸗ den nach dem Amendement, wie ich es proponirt, oder nach dem Adreß⸗ Entwurf, wie die Kommission ihn * 7 darüber mag die Versammlung entscheiden. Der Redner hat auch verlangt, dem
Könige solle die Wahrheit nicht verschwiegen werden, er hat verlangt,
es sollen keine ständischen Rechte vergeben werden; ich glaube, hierin tritt ihm Jeder bei. Die Frage ist aber: wird denn durch das Amendement die Wahrheit nicht gesagt? werden ständische Rechte vergeben? Ich überlasse dies wiederum lediglich Ihrer Entscheidung. Auf die Person ist kein Gewicht zu legen; aber bei der Deutung des Sinnes (ines Vorschlags kann man einigermaßen daraus schließen, wenn man die Person ansieht. Deshalb frage ich den Redner, ob er denn glaubt, daß ich nicht gesonnen bin, dem Könige die Wahr⸗ heit zu sagen, ob ich mich so gezeigt habe, daß ich zu leicht umginge mit ständischen Rechten? Das sei, meine ein zige Antwort auf die gestellte Frage: ob wir hier Wahrheit sagen, ob wir ständische Rechte vergeben sollen. Ein anderer Redner hat, wenn ich nicht irre, gesagt: es müsse der Satz in die Adresse aufgenommen sein, daß der Landtag die Rechte der älteren stän⸗ dischen Gesetze und des Staatsschulden Gesetzes von 1820 als er— worben betrachtet. Gegen den Sinn dieses Satzes an sich kann, wenn ich ihn richtig fasse, nicht wohl ein Einwand gemacht werden. Ich habe in dem Satz nichts Tiefes, überhaupt nichts Wesentliches ge⸗ sucht, noch gefunden; aber ich habe mich aus zwei Gründen gegen ben Ausspruch desselben bestimmen lassen, weil er mir, seiner ganzen Fassung nach, etwas zu enthalten schien, was mir nicht in der edlen Stellung zwischen König und Ständen zu liegen scheint, sich gewisser⸗ maßen zu sichern und das, was frei gegeben ist, an, sich zu ziehen und auf diese Weise festzuhalten. Ich bin überzeugt, daß dies nicht die Ab⸗ sicht der Verfasser gewesen; aber dies Gefühl hat er mir gemacht. Deshalb würde ich mich aus solchen formellen Gründen mit der Ac— ceptation, die für Privatverhältnisse nöthig sein mag, nicht recht be freunden können, aber ich halte auch den Satz in der Sache nicht für konsequent, nicht für logisch richtig, nicht für aus dem Rechts Standpunkt zu rechtfertigen. Ich glaube, gerade aus dem juristischen Standpunkt wird Jeder in dem ganzen Adreß-Entwurfe der Kommis⸗ sion sinden, sie acceptire einen Theil, den anderen nicht; und es ist eine alte Rechtsregel, daß man entweder die Sache ganz oder gar nicht acceptiren muß, wenn man sich über die Acceptation erklärt und sie Wirkung haben soll. Deshalb steht dieser Satz den folgenden des Adreß Entwurfs entgegen. Eben deshalb habe ich auch den Punkt der Acceptation bei meinem Vorschlage ausgelassen, weil dieser es freiläßt, die Bedenken zu erörtern, die erhoben werden könnten; während, wenn sie hier entschieden aufgestellt wären, die Acceptatlon des übrigen Theils eine wirkungslose wäre. Ich appellire an alle diejenigen, die dem Richterstand angehören, ob diese einfache Ausfüh— rung nicht juristisch richtig ist.
Das Amendement, ist gesagt worden, erkennt nicht genug an, daß wir Rechte haben, die Adresse erkennt dies an. Ja, wenn die Adresse nichts weiter thäte, als zu sagen, daß wir gewisse Rechte haben, daß also das und das in dem Gesetz vom J. Juni 1823 stehe, so wäre darin nichts Unrichtiges, nichts Vorgreifendes, sie würde dann nur etwas Unnützes sagen. Aber ich habe gestern schon ausgeführt, die Adresse sagt nicht blos: gewisse Rechte sind geschrieben im Gesetz, sondern sie folgert Rechte aus dem Gesetz, und das ist etwas, was für die Adresse zu weit geht. Die Folgerung der Rechte wird Ge⸗ genstand der Berathung sein. Ein anderer Rebner hat ausgeführt, daß die Aenderung der . höchst bedenklich sei, wenn sie nur von Räthen der Krone begutachtet wäre. Für unsere Zukunft scheint mir in dieser Behauptung kein Grund zur Besorgniß zu liegen. Denn während das Gesetz vom Jahre 1823 den einzigen Punkt, wie die Reichsstände aus den Provinzial Ständen hervorgehen sollen, der landesväterlichen Fürsorge vorbehält, so ist, nachdem der König hier⸗ über entschieden hat, nach den Worten des Gesetzes vom 3. Februar keine Veränderung der ständischen Verfassung mehr möglich, als mit dem Beirath der Stände. Der Fall kann also nicht mehr vorkom— men, daß ohne Beirath der Stände Aenderungen hervorgehen können, und noch mehr, gerade für diesen Zweck ist unter allen Umständen der Bei⸗ rath des ganzen Vereinigten Landtags in Anspruch genommen und als Be⸗ dingung gestellt. Ob wir bei denjenigen Umwandlungen, die die ständische Verfassung im Laufe der Zeit erfahren könnte, von Ver⸗— trauen beseelt sein wollen oder nicht, darauf sage ich nur, hat die Versammlung bereits entschieden, als ein Redner das Wort „Ver⸗ trauen“ auf die Regierung in Zweifel zog. Ich halte es für höchst bedenklich, sein eigenes Vertrauen zur Ansicht des Landtags zu machen. ie Kreise, in denen sich der Einzelne bewegt, und wären sie noch so weit, sind immer noch viel zu klein, um hier einen Aus spruch darüber zu fällen, was 16 Millionen über dieses Vertrauen denken, und so Gott will, werden diese 16 Millionen in ungeheurer Majorität das Vertrauen bewahren, welches auch wir uns nicht wollen erschüttern lassen. (Bravo.) Man sagt, in dem Amen— dement liege nichts als eine Ankündigung von Petitionen. Es sei mir erlaubt, einen Augenblick auf das Wort: Petition, einzugehen. Heißt das: es ist im Amendement nichts weiter enthalten, als die Möglichkeit von Bitten? Ich sage nein; denn unser ständisches Ge— setz kennt Bitten und Beschwerden. Ich zeige hier ganz deutlich, daß ich in meinem Amendement der Beurtheilung des Landtags frei lasse, von seinen ständischen Rechten im vollsten Umfange Gebrauch zu machen, und findet der Landtag in seiner Majorität einen Grund, Se. Majestät den König aufmerksam zu machen, daß hier oder dort ein Gesetz wirklich nicht vollständig erfüllt, hier oder dort ein Recht verküm⸗ mert oder vereng sei, so mag man dies eine Petition nennen, darum verliert sie nach jener ständischen Bedeutung des Worts, welches Bitte und Beschwerde in sich schließt, nicht an ihrem Gewicht. Ich bin über zeugt, daß eine solche Ausführung, wenn sie das Königl. Rechtsge⸗ fühl anspricht, den Weg zur Abhülfe anbahnen wird, aber nöthig dazu ist zweierlei. Man hat nämlich eingewendet: es sei zu schwach, zu sagen: „sollte der Landtag die Ueberzeugung gewinnen, daß Man⸗ gel an Uebereinstimmung zwischen den älteren und neueren Gesetzen vorhanden sei, und sollte der König diese Ueberzeugung theilen, so werde er unfehlbar die Wege zur Ausgleichung finden.“ Sagt man: dies sei zu schwach und nicht deutlich genug, nun so frage ich: wel cher andere Weg ist denn denkbar, um die Abhülfe zu finden? Es muß doch zweierlei vorangehen, 1) daß der Landtag die Aenderung eines Punktes als wünschenswerth erkenne und entweder Se. Maje⸗ stät darum bitte oder sich überzeuge, daß in diesem oder jenem Punkte ein Recht gekränkt sei, und dies vorstelle, dann 2) daß der König sich davon überzeuge. Denn ist es nicht nöthig, daß sich der König von dem überzeuge, was als Punkt des Gravamens hin— gestellt wird, um von Ihm zu verlangen, daß Er auf Wege zur Ab— hülfe denke? Ich glaube also, im Ämendement kiegt nichts weiter, als logische Entwickelung dessen, was sich als nöthig und rich— tig Jedem darstellt. Der letzte Redner sagte, daß seine Bedenken, die er in seinem ständischen Gewissen habe, ihn in die Lage setzen, nicht eher zu weichen, bis er die Üeberzeugung habe, daß den ständi— schen Rechten nicht zu nahe getreten sei. Will er denn aber seine Meinung als unumstößlich hinstellen und sich nicht zuvor der weiteren Verhandlung hingeben, üm jene Ueberzeugung dadurch vielleicht zu gewinnen? Erkennen wir denn nicht, a wir sonst im voraus etwas aufgeben, von dem wir wünschen, daß es möglich sei? Zum Schluß noch eine Bitte. Ich gebe zu, daß Ihnen ein Wort von einem Anderen besser vorgeschlagen werden könnte, als von mir, aber marktzen wir nicht in diesem Augenblick um ein n ,. Wort. Das Wort hat nöch nicht Großes erbaut, sondern nur der wahre Sinn, der hinter ihm lag;
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aber es hat schon oft in der Weltgeschichte Großes zerstört. Meine Herren! Als am Jahrestage des neuen Patents, am 3. Februar 1813, der hochselige König den Aufruf an sein Voll erließ, da hat jenes Wort freilich Großes erbaut, und warum? Weil hinter ihm der Sinn lag eines Königs und ganzen Volles. Aber ist es nicht oft genug ein einziges Wort gewesen, das Zwiespalt erregt hat zwischen einzel= nen Personen, zwischen einzelnen Schichten der Gesellschaft. zwischen ganzen Völkern, zwischen Königen und Völkern und sind nicht Ströme bes Blutes darüber geflossen? Gott sei Dank! von solchen Verhält⸗ nissen und Worten sind wir fern, aber wir sind nicht fein, daß die Einigkeit getrübt werden könnte zwischen König und Volk, wenn wir das erste Wort nicht wägen. Ob noch ein Wort in die Adresse hin⸗ einkommt oder herausbleibt, darum werden unsere Rechte nicht ver⸗ geben. Ein Wort kann nichts rauben. Darum geht meine dringende Bitte dahin, es mögen die, welche in dieser Weise denken, sich für das Amendement aussprechen und, wie von einem Redner bereits gesagt sist, gern und willig ihre eigenen Ansichten den allgemeinen unterord⸗ nen. Ich bitte, bestehen Sie nicht auf dieses oder jenes einzelne Wort. Tassen Sie uns um deswillen nicht eine Adresse an Se. Masestät den König richten, die den Landtag in zwei Lager spaltet. Selen wir hierin einig, und diese Einigkeit wird länger leben in den Annalen der Geschichte, als jenes einzelne Wort! ;
Abgeordn. von Beckerathi Es sei mir zunächst erlaubt, auf ein Mißverständniß aufmerksam zu machen, welches gestern bei Er⸗ örterung des Entwurfs von einer Seite her sich ergeben hat. Mehrere Redner haben eine Stelle in der Adresse so genommen, als drücke dieselbe aus, daß nunmehr, nach Errichtung des Vereinigten Landta⸗ ges, von Seiten der Krone den Provinzial-Ständen keine allgemei⸗ nen Gesetz⸗ Entwürfe mehr vorgelegt werden könnten. Das ist aber nicht in der Adresse enthalten. Es heißt vielmehr darin, daß, nach⸗ dem nunmehr ein allgemein - ständisches Organ, wie es in der frühe ren Gesetzgebung vorgesehen war, geschaffen ist, der Beirath dieses Organs zu allgemeinen Gesetz⸗ Entwürfen nicht mehr durch das Gutachten der Provinzial-Stände ersetzt werden kann. Keinesweges aber lag es in sder Absicht, auszusprechen, daß irgend ein Hindernitz der Krone entgegensteht, wenn sie für angemessen erachtet, neben dem Beirath der Reichsstände das Gutachten einzelner Provinzial⸗Stände einzuholen. Bei dieser Gelegenheit und in Beziehung auf den Vor trag, den die Versammlung von einem Mitgliede aus Posen vernom⸗ men hat, möge es mir gestattet sein, einige Worte über den Begriff und das Wesen einer allgemeinen Stände Versammlung zu sagen. Dieses Wesen kann nur auf dem Rechtskreise beruhen, der einer sol⸗ schen Versammlung zusteht, und ein Haupt- Bestandtheil dieses Rechts⸗ kreies ist das Recht, die Gesetz Entwürfe, die den ganzen Staat betreffen, zu berathen. Findet diese Mitberathung in einzelnen Fällen statt, im and ren nicht, so ist kein Recht der Mitherathung vorhanden. Diejenige Versammlung, die nicht das Recht hat, alle Gesetze, die den Staat im Allge meinen betreffen, zu berathen, würde keine allgemeine ständische, würde keine reichsständische Versamnilung sein; sie würde nur eine Versammlung von einzelnen Eingesessenen des Landes sein, deren Rath die Krone eut— gegennimmt. Das ist stets festzuhalten, wenn es sich um eine reichs ständische Versammlung handelt. Von demselben Standpunkte aus widerlegt sich ein anderer Einwurf. Es wurde getadelt, daß ausge⸗ sprochen ist, der Vereinigte Landtag könne in seinen reichsständischen Funckionen von anderen Körperschaften nicht rechtsgültig vertreten werden; man bemerkt, dies gehe zu weit, indem ja wohl Verhältnisse eintreten könnten, die es dem Vereinigten Landtage genehm machten, in gewissen Functionen durch eine andere ständische Körperschaft sich vertreten zu lassen. Dies wird keinesweges durch den Passus der Adresse ausgeschlossen. Wenn wir festhalten, daß die reichsständische Versammlung ein selbstständiger Körper ist, so liegt darin schon im plicite, daß ihr nichts entgegensteht, sich in Folge eigenen Beschlusses vertreten zu lassen, das heißt, auf Grund ihrer Zustimmung zu einer desfallsigen Proposition der Krone durch eine andere ständische Körper schaft vertreten zu werden. Bei der Ausführlichkeit, mit welcher die Debatte geführt wurde, mag mir wohl die dem Referenten sonst ob liegende Pflicht erlassen werden, einen lleberblick der ganzen Verhand⸗ lung zu geben. Nur einige Punkte muß ich noch berühren.
Es ist von dem geehrten Mitgliede des Herrenstandes, welches das Amendement gestellt hat, gesagt worden, daß der Entwurf der Kommission die Krone in die Alternative setze, entweder sofort den Ständen Recht zu geben oder ihnen dasselbe abzusprechen. Ich glaube, daß dieses eine irrige Auffassung ist. Ich halte es im Gegentheil für einen der wesentlichsten Vorzüge des Ent« wurfs, daß er die Krone gar nicht in den Fall bringt, sich sofort auszusprechen, und gerade deshalb ist diese Form von der Kom-— mission gewählt worden, weil sie die zarteste, die rücsichtsvollste ist. Es wurde der Weg empfohlen, durch Petitionen die Bedenken zu äußern. Ganz abgesehen von den anderen Gründen, aus welchen hierauf von meiner Selte nicht eingegangen werden könnte, erlaube ich mir zu bemerken, daß gerade dadurch das herbeigeführt werden würde, was der geehrte Antragsteller vermieden wissen will, nämlich, daß die Krone in die Lage gebracht wird, sich sofort zu erklären. Wir würden gerade dann, wenn wir den Weg der Petitionen ein schlügen, der Aufforderung entgegenhandeln, die die Krone in der Thronrede ausgesprochen hat, das neu geschaffene Werk nicht durch Neulingshast in Frage zu stellen. Wie aber die Adresse gefaßt ist, so ist darin nur eine einfache Erwähnung und Wahrung derjenigen Rechte enthalten, die dem Lande aus der früheren Gesetzgebung zu⸗ stehen, ohne daß auf diese Darlegung eine sofort zu gewährende For derung gegründet wird. Dasselbe verehrte, Mitglied hat mit Recht bemerkt, daß der Weg der Reformen derjenige sei, auf welchem wir uns befinden. Ich trete dem vollkommen bei, daß das der rechte Weg sei, ich füge noch hinzu, daß ich selbst den Weg der allmäli⸗ gen Reform für den besten, den gedeihlichsten halte. Damit aber dieser Weg uns erhalten bleibe, damit auf diesem Wege nicht nur die Regierung, sondern auch das Volk wandeln könne, liegt die Nothwendig⸗ keit vor, in der Adresse die betreffenden Rechte zu wahren. Denn von den jetzt geschaffenen ständischen Institutionen hat nur der Vereinigte Landtag das Recht, in ständischen Angelegenheiten, also in Bezug auf die Fortbildung der Verfassung, Petitionen zu stellen. Der Verei⸗ nigte Landtag hat aber nicht das Recht der periodischen Einberufung. Da er dieses Recht nicht hat, so steht nichts entgegen, die Möglich= keit anzunehmen, daß er nicht mehr einberufen wird. Ich sage die Möglichkeit. Der Vereinigte Ausschuß, dem freilich periodische Ein—⸗ berufung verliehen ist, hat nicht das Recht, in Bezug auf die Ver fassung zu petitioniren; die Provinzial-Landtage haben dasselbe noch weniger. Wird also der Vereinigte Landtag nicht wieder einberufen, so ist dem Volke jeder 9 abgeschnitten, seine Bitten und Wünsche in Betreff der staatlichen Entwickelung an den Thron gelangen zu lassen. Wir haben nicht nur den Weg der Reform betreten, wir ha⸗ ben auch schon eine Strecke zurückgelegt. Daß dies geschehen, das haben wir allerdings, wie in der Adreffe ausgedrückt ist, der von dem Throne herab ergangenen Anregung zu danken; wir haben es aber auch zu danken der mitwirkenden Thätigkeit des Volkes, die sich durch die gesetzmäßigen Organe, durch die Provin ial- Landtage, bis dahin in fortwährenden Bitten und Anträgen auf Fortbildung unseres öf⸗ fentlichen Lebens kundgegeben hat. Diese mitwirkende Thätigkeit uns zu erhalten und zu sichern, sie nicht von einem ein seitigen, wenn auch dem wohlwollendsten Ermessen, abhängig zu ma⸗
chen das war einer der Gesichtspunkte, der die Adre
zum Grunde liegen. Ich gehe näher auf das von r . Mitgliede der Herren Kurie gestellte Amendement ein und muß mi im Allgemeinen dahin äußern, daß es eben dasjenige, was nach ei= ner ziemlich allgemein in der Versammlung ausgesprochenen Meinung darin enthalten sein muß, nicht enthält, indem es nämlich den Rechts boden, um dessen deutliche Bezeichnung und Wahrung es sich han= delt, nicht bezeichnet, nicht wahrt, sondern sogar in Frage stellt. Ich sinde, was das Einzelne betrifft, das Amendement nicht freimüthig,
benn es verleugnet das Bewußtsein des Volkes und dieser Versamm=
lung; es stellt Dinge in Zweifel, die seit Jahrzehnden abgemachte Fragen sind. Vergebens wird eingewendet, daß. es einer genaueren Prüfung, einer tiefer eingehenden Erörterung bedürfe, um jene Rechte klar zu stellen. Meine Herren! diese Rechte leben im Volke, sie sind Jahrzehnde lang Gegenstand der Betrachtung und Erörterung gewe⸗ sen, denn es sind die Angelpunkte der vaterländischen Hoffnungen. Freimüthig kann ich das Amendement nicht nennen. Ich kann viel⸗= mehr dabei nur erinnern an den Aus spruch eines der berühmtesten Meister der Diplomatie, „daß man die Worte gebrauchen müsse, um bie Gedanken zu verbergen.“ Ich finde das Amendement zweitens nicht parlamentarisch! Meine Herren! Was würden wir sagen, wenn wit vom englischen Parlamente hörten, es sei von diesem eine Mittheilung an die Krone ergangen, worin es heiße, daß manche Mitglieder die; ser oder jener Meinung wären, daß das Parlament sich noch nicht überzeugt habe, daß es aber suchen wolle, sich zu überzeugen, und daß, nachdem diese Ueberzeugung sich gebildet haben werde, Petitio⸗ nen an die Krone gerichtet werden würden. Ich glaube, daß so etwas mit der Haltung des englischen Parlaments nicht vereinbar ist, warum sollte es denn mit der unsrigen vereinbar sein? Wohl mag jene Versammlung mitzuwirken haben an den Geschicken eines mãäch⸗ tigen Reiches, aber auch wir vertreten eine Weltmacht, hinter uns stehen nicht nur die 15 Millionen, die unser engeres Vaterland um⸗ faßt, sondern auch die 25 anderen Millionen des deutschen Volks, deren Geschicke hier auch mehr oder weniger entschieden werden. Warum soll diese Versanmlung, vom Könige berufen, vom Volk entsendet, nicht ihre Ueberzeugung unverhüllt darlegen? was kann entgegenstehen, wenn dabei, wie es hier geschehen ist, mit sorgfalti⸗ ger Rücksicht auf die Lage des Augenblicks verfahren wird? Ich sinde endlich das Amendement nachtheilig weil es vor der Krone einen Schleier wirft über das Herz des Volkes. weil es dazu bei⸗ tragen könnte, die Krone irre zu leiten über die innere Lage und über die Stimmung des Landes. . Meine e, Erlauben Sie mir, daß ich zum Schluß dieser Debatte noch einige Worte an Sie richte. Es giebt im Leben der Nationen Augenblicke, wo sich all' ihr Fühlen und Denken, der ganze Inhalt ihres Gesammtdaseins wie in einem einzigen Punkt zu⸗ fammendrängt. Dann treten die Gegensätze scharf einander gegen⸗ über, eine Wahl muß getroffen werden, und diese Wahl entscheidet über die höchsten Interessen des Volkes. In solchen entscheidungs- vollen Moömenten weht uns der Hauch der Weltgeschichte an, demü⸗ thig ahnt der Mensch das Walten eines höheren Geistes, aber seine Seele wird fest, wenn er sich im Einklang fühlt mit diesem ewigen Geiste, und keine Künste, keine Combinationen, wie geschickt sie auch berechnet sein mögen, können ihn ableiten von dem Wege, den sein innerstes Bewußtsein ihm vorzeichnet. Meine Herren! Sie haben ein inhaltschweres Wort zu reden in dieser feierlichen Stunde, Sie werden entscheiden über den theuersten Besitz, über ein heiliges Gut des Vaterlandes. Es handelt sich darum, ob alles das, woran un⸗ ser Herz hängt, was wir als das Fundament unserer Zukunft betrach⸗ ten, was uns bisher ein Trost war, wenn wir über die Nichterfüllung vaterländischer Hoffnungen trauerten, ob alles das ein leerer Schat⸗ ten, ein zweifelhaftes Wesen war, dem wir auf ungewissen Wegen nachgehen müssen, oder ob wir die edle Errungenschaft unseres Vol kes, wie es unsere Pflicht ist, unseren Kindern ungeschmälert erhal⸗ ten wollen. Es handelt sich darum, ob wir dazu beitragen wollen, der Krone eine unrichtige Meinung von den inneren Zuständen des Landes beizubringen und so die Gefahren zu vermehren, die früher oder später hieraus hervorgehen müssen; es handelt sich darum, ob wir dem edlen Fürsten, dessen Seele nach Wahrheit verlangt, die Wahrheit vorenthalten wollen! Das Amendement entspricht nicht der Wahrheit, ich verwerfe es und bestehe auf den Entwurf der Kommission, einverstanden damit, daß die Stelle, welche den Eindruck der Thronrede schildert, daraus wegbleibt.
Ter Landtags-Marschall: Die Abstimmung wird durch na⸗
entlichen Aufruf bewirkt werden.
nien,, . e (vom Platz): Ueber den Schluß der Debatte will ich nur noch bemerken: Wir können es uns nicht verhehlen, daß die Aufmerksamkeit des ganzen Landes der Debatte zugewendet ist, und da Vielen von uns das Wort genommen ist, so können wir we⸗ nigstens verlangen, daß die Namen der Redner, die das Wort ver⸗ langt haben, genannt werden, um uns vor unseren Wählern zu recht⸗ fertigen.
Der Landtags-Marschall: genommen. ö. . . Albgeordn. von Saucken (vom Platz: Wenn von 214 Mitglie⸗
Es ist Niemanden das Wort
dern es gewünscht wird, die Debatte fortzusetzen, so weiß ich nicht, ob Ew. Turchlaucht abstimmen lassen können. Ich bin nicht eitel, um das Wort hier führen zu wollen, aber ich glaube dies erklären zu müssen, um meine innigste Ueberzeugung auszusprechen, e
Der Marschall: Ich habe, die Diskussion noch nicht für ge⸗ schlossen erklärt; ich habe blos erklärt, daß die Abstimmung durch na⸗ mentlichen Aufruf bewirkt werden soll, und ich bin auch nicht dage⸗ gen, daß die Versammlung sich jetzt erst erkläre, ob sie die Debatte für schlußreif halte. —
Abgeordn. Aldenhoven: Ich beantrage, über die Frage, ob die Debatte geschlossen werden soll, durch namentlichen Aufruf ab⸗ stimmen zu lassen, damit wir uns näher kennen lernen.
Der Landtags-Marschall: Das kann beantragt werden; es liegt aber in der Befugniß des Marschalls, zu entscheiden, in wel⸗ cher Art die Abstimmnng stattfinden folle. Ich bin der Ansicht, daß durch namentlichen Aufruf die Abstimmung über die Annahme des Adreß-⸗Entwurfs erfolge, weil der Gegenstand zu wichtig ist. als daß eine kürzere Abstimmungsweise zulässig wäre. Ich bin . . eben so der Meinung, daß die Versammlung darüber: ob eg e. batte für schlußreif halte, auf kürzerem Wege abstimme, jet stelle ich die Frage: ob die Versammlung die Debatte für er. hält, und ich glaube, daß es leichter ,,, wenn diejenigen aufstehen, welche die Debatte fortgesetz schen.
—⸗ (Stimmen dazwischen. ae bie De
Ich fordere also diesenigen auf, aufzustehen, welche die Debatte
ünschen. . . 86 ; 3 *, 1d, (vom Platze): Ich bitte, die ae aufzuschreiben, damit fein Mißverständniß über dieselbe möglich ist. Der Landtags ⸗Mars han . ,, Hält die Ver⸗ ĩ kathunz g zur immung reif. samn n, . ,. Platze): Kann über diese Frage debat⸗ tirt werden? ich glaube mich gegen diese Verfahrungsweise in Zu⸗
⸗ müssen. ; kunft ef nn, 16 Platze: Auch ich glaube das Recht zu
haben, dutch ein paar Worte meinen Antrag anzubringen.