1847 / 119 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

Eröffnung einer Diskussion über dasselbe zu vertagen. Ueberhaupt möchte 3 bitten, daß keine Diskussion über einen Gegenstand eröff⸗ net werde, wenn nicht die Mittheilung über das betreffende Gut⸗ achten wenigstens 24 Stunden vorher den Mitgliedern bekannt ist.

Der Marschall: Was der Herr Au e ga verlangt, würde gewiß geschehen sein, ich habe aber geglaubt, daß nach dem allge⸗ meinen Wunsche man für diesen Fall von einer solchen Veranstaltung absehen würde. ;

Abgeordn. von Werdeck: Ich möchte mich dem Redner an— schließen. Das Gutachten erfordert Veränderungen in unseren geseß⸗ lichen Zuständen, die so tief in die Privatrechte eingreifen, daß ich mich außer Stande fühlen würde, mich sofort und unbedingt iber die Vorschläge zu erklären, weil ich die Sache keinesweges für ge⸗ nügend vorbereitet halte. Ich trage daher darauf an, die Diskussion . chall: Wir können nicht füglich mit einer Dis⸗ kussion darüber anfangen, ob eine Diskussion zuzulassen sei. Das Reglement schreibt nicht ausdrücklich vor, daß etwas vorher ange⸗ kündigt, und daß die Gutachten eine gewisse Zeit vorher mitgetheilt werden sollen, sondern nur, daß sie gedruckt und, vorher vertheilt werden sollen. Es wird also hier nicht quf Ausführung des Regle⸗ ments ankommen, sondern darauf, was die Versammlung zu beschlie⸗ ßen das Recht hat. . . 1

Landtags-Kommissar: Die Lage, in welcher sich das

Gouvernement in Beziehung auf den in der Monarchie verbreiteten Nothstand befindet, ist eine eigenthümliche. Erst in den letzten Ta⸗ gen ist die Erscheinung hervorgetreten, daß namentlich in solchen Theilen des Landes, in welchen durchaus kein Mangel an den ersten Lebensbedürfnissen zu besorgen stand, ein solcher plötzlich hervorgetre— ten ist. Es sind die Preise der Brodfrüchte und Kartoffeln binnen wenigen Tagen um 50, ja um 100 pCt. gestiegen, weshalb schleu⸗ nige Anstalten zur Minderung des Nothstandes haben getroffen wer— den müssen, ich sage schleunige, weil es sich hier um Tage, ja man möchte sagen, um Stunden handelt. Nichtsdestoweniger hat das Gouvernement geglaubt, bei denjenigen Maßregeln, welche nicht reine Wohlthaten sind, vielmehr dem Einen Vortheil, dem Anderen Nach— theil bringen, und die überdies bereits Gegenstände ständischer Peti⸗ tionen geworden sind, dem Landtage nicht vorgreifen und nicht eher handeln zu dürfen, als bis derselbe sich darüber ausgesprochen hat. Dagegen aber erscheint es dringend nöthig, daß diese Anträge des Landtages so bald als möglich erfolgen, weil, ich wiederhole es noch— mals, die größte Beschleunigung höchst wünschenswerth ist. Dies gilt namentlich von den beiden Anträgen der Abtheilung, welche der ho— hen Versammlung vorliegen, indem dieselben nur dann von Wirksam⸗ keit sein können, wenn ihnen sch nell entsprochen wird. Darum muß ich wünschen, daß die Versammlung sich so bald als möglich ent— scheiden möge.

Abgeordn. Hansem ann (vom Platz): Ich stimme der Ansicht des Königlichen Kommissars bei, daß es wünschenswerth sei, daß die Berathung dieses Gegenstandes baldigst erfolge, andererseits aber glaube ich, daß die Mitglieder doch wenigstens Zeit haben müssen, das Gutachten durchzulesen. Beide Ansichten können vollkommen ver— einigt werden, wenn der Herr Landtags-Marschall die Sitzung auf

eine halbe Stunde suspendiren wollte, bis ein Jeder das Gutachten durchgelesen hat.

Der Marschall: Versammlung abhängen.

Abgeordn. von Gutstedt (vom Platz ): Dem Ausspruch des Deputirten vom Rhein würde zu genügen sein, wenn das Gutachten der Versammlung vorgelesen würde.

Der Marschall: Will die Versammlung sich mit dem Gut— achten sogleich beschäftigen, oder bedarf sie einer halben Stunde zum Durchlesen? Ich bitte diejenigen, aufzustehen, die sich damit sogleich beschäftigen wollen.

(Dieses geschieht mit großer Majorität.)

Referent Abgeordn. von Schenckendorff liest das nachste hende Gutachten vor.

Auch darüber wird der Beschluß von der

„Der hten Abtheilung des Vereinigten Landtages sind mehrere Anträge zur Begutachtung überwiesen worden, welche auf Abhülfe des durch die Theurung der ersten Lebensbedürfnisse erzeugten Noth— standes gerichtet sind, und bei der Dringlichkeit dieses wichtigen Ge— genstandes haben wir uns beeilt, das Resultat unserer Untersuchungen über denselben bei einer hohen Versammlung zum Vortrag zu brin— gen. Der Inhalt der uns zugegangenen Petitionen ist folgender:

1) Petition des Herrn Abgeordneten Krüger um sofortige

Schließung der Brennereien und um ein Verbot des Kartoffel-,

event. auch des Korn-Ankaufs zur Branntweinbrennerei in Hun—

gersnoth drohender Zeit.

Petition des Herrn Abgeordneten Giese um ein Ausfuhr

Verbot von Getraide und Kartoffeln.

Antrag des Herrn Abgeordneten Zimmermann auf möglichste

Verminderung der Steuern und Zölle von Getraide, Reis,

Fleisch und Butter;

auf möglichste Beschränkung der Ausfuhr dieser Lebensmit— vent. Ankauf derselben; . uf ein Verbot, ferner Getraide zu verheimlichen und zu— üchazelten, vielmehr jeden Vorrath, der den doppelten Betrag er genen Nothdurft bis zur Aerndte übersteigt, sofort zu

NMorkte zu bringen, bei Strafe der Confiscation. .

arrag des Herrn Abgeordneten Krause: Se. Majestät zu

ditten, durch freie Be h ng angemessener Quantitäten Koch⸗ sal; und Erlaß der Klassensteuer bis inkl. Monat Juli der Ar⸗

muth einige Unterstützung zu gewähren. J

Antrag des Herrn Abgeordneken Mehls, daß den Händlern

und Kaufleuten der freie Verkehr mit den ersten Lebensbedürf—

nissen auf den Wochenmärkten beschränkt und der Aufkauf von

Getraide und Konsumtibilien bis zur nächsten Aerndte erst nach

einer bestimmten Stunde und nach Befriedigung der Bedürfnisse

der Konsumenten gestattet wird. und daß das Verbrennen der Kartoffeln zu Spiritus und

Branntwein bis zur nächsten Aerndte bei namhafter Strafe

untersagt wird. ;

Antrag des Herrn Abgeordneten Bauch auf Beschränkung der

Branntwein⸗ und Spiritus⸗-Fabrication auf den eigenen Zu⸗

wachs an Kartoffeln und Roggen. ö

7) Petition des Herrn Abgeordneten Krüger wegen Abände⸗ rung der Bestimmungen des §. 79 der Gewerbe⸗Ordnung vom

17. Januar 1845, den Marktverkehr . .

8) Mittheilung des Herrn Abgeordneten von Fabeck, die Noth— standaverhältnisse des Kreises Ortelsburg betreffend.

Zur Vermeidung ermidender Wiederholungen, welche die Be— a jedes einzelnen Antrages herbeiführen würde, da in meh— reren derselben die nämlichen Gegenstände zur Sprache gebracht wor⸗ den sind, haben wit geglaubt, die ö derselben in ein gemein⸗ sames Referat zusammenfassen zu dürfen, in e e, jedoch der be⸗ sondere Inhalt jedes einzelnen Vorschlages seine Stelle finden wird.

Eines näheren Eingehens auf die Darstellung des Nothstandes, welche 6 , vorausgeschickt ist, haben wir uns aus dem Grunde überheben zu können geglaubt, weil das Vorhandensein

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desselben im Allgemeinen der hohen Versammlung aus eigener An⸗ schauung und den mannigfaltigsten Berichten hinlänglich bekannt ist, und weil wir in den speziellen Schilderungen desselben keine Veran⸗ lassung zu eigenthümlichen, nur auf besondere Oertlichkeit anwend— baren Maßregeln haben auffinden können.

Wir gehen jetzt zu den einzelnen Vorschlägen über und er⸗ wähnen: .

I) des beantragten Ausfuhr - Verbotes von Getraide und Kar⸗ toffeln. Insofern sich dieses Aussuhr-Verbot auf Getraide beziehen soll, wurde der Antrag von vornherein von der unterzeichneten Ab- theilung abgelehnt, indem durch eine solche Maßregel der für die öst lichen Provinzen so wichtige Getraidehandel für die Zukunft gefähr⸗ det und dadurch ein unersetzlicher Nachtheil herbeigeführt werden würde, aber auch rücksichtlich der Kartoffeln konnte die Abtheilung sich das Bedenkliche einer solchen so tief in die Eigenthumsrechte ein greifenden erceptionellen Maßregel nicht verhehlen. Dessenungeachtet glaubt die Majorität derselben, sie der hohen Versammlung empfehlen zu dürfen, indem sie dieselbe hinlänglich durch den Drang der Noth gerechtfertigt sindet, in welchem allerdings zum Wohle des Ganzen ungewöhnliche Opfer von dem Einzelnen verlangt werden können, durch welche allein, auch von ihm selbst, größere Gefahren und Ver— luste abgewendet werden können.

Die Majorität hält eine solche Maßregel auch von Erfolg, in— dem sie glaubt, daß dadurch nicht allein dem Lande eine Menge von Vorräthen erhalten werden, die jetzt bei den noch höheren Preisen dieser Gegenstände in anderen Ländern dorthin ausgeführt werden, sondern daß auch der durch die Speculation zum Theil künstlich er

zeugte Mangel dadurch gehoben werden könne, indem mit der Aus— sicht auf einen vortheilhafteren Absatz nach dem Auslande auch jeder Grund fortfalle, die vorhandenen Vorräthe dem inländischen Verkehr länger zu entziehen. Das Verbot der Ausfuhr kann sich nach den bestehenden Verträgen nur auf diejenigen Länder erstrecken, welche nicht dem Zoll⸗Vereine angehören, es dürften aber auch im Inlande örtliche Verhältnisse obwalten, die eine gleichmäßige Durchführung dieser Maßregel nicht rathsam machten; der Antrag der Majorität der unterzeichneten Abtheilung geht demnach dahin: daß Se. Majestät der König gebeten werde, die Ausfuhr von Kartoffeln nach Ländern außerhalb des Zollvereins bis nach beendigter Aerndte in den Provinzen Brandenburg, Pommern und Sachsen zu untersagen, in den übrigen Provinzen aber, insofern die Herren Ober-Präsidenten derselben ein solches Verbot den ört⸗ lichen Verhältnissen entsprechend erachten. -

Die Minorität hat sich diesem Antrage nicht anschließen können, sie findet durch die von der Majorität angeführten Gründe die Ein— würfe nicht gehoben, welche in rechtlicher Beziehung der gedachten Maßregel entgegenstehen, und besorgt, daß dieselbe die bedenklichsten Exemplificationen zur Folge haben werde. Auch den Erfolg muß die Minorität in Zweifel ziehen, denn, abgesehen davon, daß die Kartof⸗ feln, ihrer Ansicht nach, nirgend ein Gegenstand der Ausfuhr sind, beruft sie sich auf den bekannten Erfahrungssatz, daß Ausfuhr-Ver— bote in der Regel gerade eine Steigerung der Preise hervorgerufen haben, indem sie die Besorgniß vor dem zu erwartenden Mangel er—⸗ höhen und dadurch um so mehr auf ein Zurückhalten der vorhande— nen Vorräthe hinwirken.

Die unterzeichnete Abtheilung stellt den vorstehend formulirten Antrag der Majorität zur Entscheidung der hohen Versammlung.

2) Die Anträge auf sofortige Schließung der Branntweinbren⸗ nereien sind ebenfalls von der unterzeichneten Abtheilung in reifliche Erwägung genommen worden, und die Majorität hat sich dahin ent— schieden, dieselben bei einer hohen Versammlung in der Maßgabe zu befürworten, daß ein Verbot des Branntweinbrennens aus Kartoffeln vom 1. Mai bis 15. August d. J. Allerhöchsten Orts erbeten wer— den möge. Sie findet diese Maßregel aus denselben Gründen ge rechtfertigt, die bereits für das Ausfuhr⸗-Verbot der ersten Lebensbe— dürfnisse entwickelt sind, und sieht darin um so weniger eine unver— hältnißmäßige Bedrückung der Brennereibesitzer, als dieselben da durch nicht einen wirklichen Verlust erleiden, sondern sich zum Wohle des Ganzen nur mit einem zwar geringeren, aber doch noch immer sehr erheblichen Gewinne begnügen müssen, den ihnen die hohen Preise der Kartoffeln durch anderweitigen Verkauf ihrer Vorräthe gewähren. Auch für die übrigen Wirthschafts-Verhältnisse sei hiervon kein be sonderer Nachtheil zu befürchten, da die Abgänge aus den Brenne reien als Futter für das Vieh in der Regel mit dem Anfang des Monat Mai durch die alsdann eintretende Weidenutzung entbehrlich werden. Das Verbot auch auf das Branntweinbrennen aus Korn auszudehnen, hielt man nicht für angemessen, hauptsächlich aus dem Grunde, weil diese Art des Brennereibetriebes überhaupt seltener und im minderen Umfange stattfindet, mithin auch von geringerem Einfluß auf die vorhandene Theurung ist, als der aus Kartoffeln. Die Mi— norität hat auch diesem Antrage wegen der darin enthaltenen Rechts— verletzung ihre Zustimmung versagt, sie glaubt überdies, daß derselbe jetzt zu spät komme und daher nur noch von geringem Erfolge sein könne, und findet gerade in den aus einigen Gegenden eingegangenen Nachrichten, daß die Kartoffeln während des Winters größtentheils in einen krankhaften Zustand übergegangen seien, einen Grund mehr, diese kranken, zu nichts Anderem tauglichen Kartoffeln wenigstens durch die Brennereien zu verwerthen, so wie ihrer Ansicht nach auch die für solche Landwirthschaften, welche auf Stallfütterung basirt sind, aus dem Aufhören des Brennereibetriebes entstehenden Verlegenhei ten nicht außer Acht zu lassen sein dürften.

Die unterzeichnete Abtheilung hält sich für verpflichtet, auch über diesen Antrag die beiden einander entgegenstehenden Ansichten zur Kenntniß der hohen Versammlung zu bringen, und stellt den Antrag der Majorität zur geneigten Beschlußnahme.

3) Einem Antrage auf Erlaß eines Gesetzes, durch welches der Aufkauf von Kartoffeln, event. auch von Korn zur Branntweinbren⸗ nerei in Zeiten drohender Hungersnoth gänzlich verboten werden soll, kann die Abtheilung nicht beitreten. Ungeachtet der gewichtigen Gründe, welche in der jetzigen Bedrängniß für eine solche, Maßregel zu sprechen scheinen, durch die unleugbar ein großer Theil der vor— handenen Noth hätte abgewendet werden können, haben wir uns den⸗ noch nicht entschließen können, derselben das Wort zu reden, indem dadurch nicht allein ein so wichtiges Gewerbe, wie die Branntwein⸗ brennerei, welches mit so bedeutenden Kapitalien begründet und in so viele andere Zweige der Landwirthschaft als wesentliches Glied ver— flochten ist, der störendsten Unsicherheit preisgegeben, sondern auch der noch wichtigere Kartoffelbau, auf welchem der aufblühende Flor gan⸗ zer Provinzen beruht, eine sehr fühlbare Beeinträchtigung erfahren würde. Ein solches Verbot würde mit unserer ganzen Gewerbe⸗ Gesetzgebung im Widerspruch stehen, und wenn auch die Mehrzahl der unterzeichneten Abtheilung bei der gegenwärtig dringenden Noth sich für eine Beschränkung des Brennereigewerbes erklärt hat, so sind wir doch darin einverstanden, daß dies nur in den alleräußersten, be⸗ reits völlig erkennbaren Fällen der Noth geschehen darf, und daß es zweckmäßiger ist, die dann etwa erforderliche Abhülfe dem Er⸗ messen des Gouvernements anheimzustellen, als von vornherein so wichtige Erwerbzweige in jedem Jahre mit wesentlicher Störung, ja mit völliger Vernichtung zu bedröhen. Wir stimmen daher für Zur ea in des gedachten Antrages.

4 Der Antrag auf ein Verbot, Getraide zu verheimlichen und

zurückzuhalten, vielmehr jeden Vorrath, der den doppelten Betrag der eigenen Nothdurft bis zur Aerndte übersteigt, sofort zu Markte zu bringen bei Strafe der Confiscation, involvirt einen so schneidenden Eingriff in alle Rechte des Eigenthums und des Besitzes, daß der— selbe durch keinen Nothstand gerechtfertigt sein dürfte und müßte über= dies in der Ausführung auf Schwierigkeiten stoßen, welche dieselbe völlig unmöglich machen würden. Die unterzeichnete Abtheilung kann ihn daher der hohen Versammlung zur weiteren Berücksichtigung nicht empfehlen.

5) Ein Antrag auf möglichste Verminderung der Steuern und Zölle von Getraide, Reis, Fleisch und Butter. Ein Theil dieser Wünsche ist bereits in Erfüllung gegangen. Die Eingangssteuern vom Getraide und vom Reis sind gänzlich aufgehoben worden. Fleisch und Butter gehören aber nicht in dem Grade zu den unentbehrlich sten Lebensbedilrfnissen, daß eine Herabsetzung der auf diese n n. stände gelegten Steuern bei den so mannigfach gesteigerten Ansprü⸗

chen an die Staatskassen gerechtfertigt erscheinen dürfte. Wir haben

daher die hierauf gerichtete Petition nicht befürworten können.

6) Aus ähnlichen Gründen müssen wir uns gegen den Antrag erklären, welcher auf freie Verabreichung angemessener Quantitãten Kochsal; und Erlaß der Klassensteuer bis ult. Juli gerichtet ist. Die Mahlsteuer und die Klassensteuer für die letzte Steuerstufe sind bereits bis zum Monat August aufgehoben, wodurch für die Staats kassen bereits ein Ausfall von 8 bis 900,009 Rthlrn. entsteht, ein höher. hinauf gehender Erlaß der Klassensteuer dürfte aber in Hinsicht auf die Vermögens -Verhältnisse der in den höheren Klassen Steuernden durch dringendes Bedürfniß nicht geboten sein. Eben so dürfte eine Verabreichung von steuerfreiem Salz für das ganze Land weder zu= lässig noch erforderlich sein, dagegen ist uns bekannt, geworden, daß der Herr Finanz⸗-Minister bereits bedeutende Quantitäten auf diejeni— gen Landstriche zur Vertheilung gebracht hat, wo besondere Umstände eine solche Unterstützung nothwendig machen, und ohne Zweifel sindet hierbei jedes wirklich dringende Bedürfniß die möglichste Berücksichti⸗ gung. Die unterzeichnete Abtheilung ist daher der unvorgreiflichen Ansicht, daß auf den vorliegenden Antrag hier nicht weiter eingegan—⸗ gen werden könne. . . 7 Der §. 79 der Gewerbe Ordnung vom 17. Januar 185, welcher die frühere Einrichtung, nach welcher der Einkauf von Le— bensmitteln auf Wochenmärkten einzelnen Klassen von Käufern nicht während der ganzen Dauer des Marktes, sondern nur während einer gewissen Zeit gestattet wird, nur dann fortbestehen läßt, wenn ihte Beibehaltung in Rücksicht auf örtliche, Gewohnheit und Behr fnisse von der betreffenden Regierung genehmigt wird, hat zu dem Anti gge Veranlassung gegeben, daß der Aufkauf von Lebensmitteln auf Wo—⸗ chenmärkten näch Ermessen der Orts- Polizei auf eine gewisse Markt⸗ zeit beschränkt werden dürfe. Dieser Antrag würde unsererseits keine

terstützung finden. . ö. 16 n indeß benachrichtigt worden, daß dieser Gegenstand bereits den Königlichen Behörden zur Berathung vorliegt, und sind daher der unvorgreiflichen Meinung, daß unter diesen Umständen von

der weiteren Verfolgung dieser Angelegenheit Abstand genommen

werden könne. 1 s j §Frste Nereiniate 8 Die sechste Abtheilung des Ersten Vereinigten Landtages.

Auerswald. Prüfer. Urban.

R 1 Frhr. von Lilien. . Schulz. von Cöls.“

Renard. ö er von Schenckendorff.

Mevissen. Der Marschall: Von den verschiedenen Anträgen, die zur Linderung der Noth gemacht worden sind, hat die Ahe n in ihrer Maäjorität nur zwei bevorwortet. Der eine geht auf das Ver⸗ bot der Ausfuhr von Kartoffeln nach Ländern, die nicht, zum Zo Verbande gehören, unter gewissen Modisicationen nämlich aus . Provinzen Pommern, Sachsen, Brandenburg, aus den anderen Pro⸗ dinzen aber nur, je nachdem die Herren Sber-Präsidenten derselben

3 1 = ö ö . w ein solches Verbot den örtlichen Verhältnissen entsprechend erachten. Diese Frage stelle ich zuerst zur Berathung. ö

Geheimer Staats- und Finanz Minister vo 1 2 üesberg: Die erste Petition umfaßt zwei Gegenstände wegen eines Ausfuhr -Ver— bots: 1) von Getraide, und 2) von Kartoffeln.

Die Abtheilung hat sich einstimmig gegen die Ausfuhr von Ge— traide erklärt; die Regierung kann dem nur beistimmen. Nur be— merke ich nachrichtlich, daß vom Getraide Roggen fast gar nicht ausgegangen ist, außer in solche Landestheile, nach welchen Ausfuhr⸗ Verbote nicht stattfinden können. Weizen ist allerdings in großen Quantitäten ausgegangen und geht noch aus. Dagegen ist umge⸗ kehrt der Import von Roggen im Ganzen überwiegend, und es würde gegen das allgemeine Interesse sein, sowohl den Import für jetzige Zeit zu verhindern als auch im Allgemeinen für den Handel ein folches Ausfuhr-Verbot eintreten zu lassen. Was dagegen das Verbot der Ausfuhr von Kartoffeln anlangt, welche zunächst für die drei Provinzen von der Majorität der Abtheilung der hohen Ver sammlung beantragt worden ist, so bemerke ich, daß, so weit es zur Beruhigung des Landes in der jetzigen Kalamität dienen kann, dage gen nichts zu erinnern ist. Praktisch kann es nicht von großem Er folg sein. Was zunächst die Ausfuhr eigentlich in das Vereins-Aus— land angeht, so ist sie in der letzten Zeit unbedeutend gewesen und kann auch weiterhin von keiner Bedeutung werden. Zunächst kömmt hier namentlich die Ausfuhr auf der Elbe in Betracht. Nach amt— lichen Nachweisungen hat die ganze Ausfuhr von Kartoffeln auf der Elbe seit Wiedereröffnung der Schifffahrt 13,000 Scheffel betragen, also kein Objekt. Was die Ausfuhr aus Pommern nach Mecklenburg anlangt, so ist auch diese nur gering. Eben so kann die Ausfuhr von Stettin aus über See, der Natur der Sache nach, nur in sehr ge⸗ ringem Maaße stattfinden. Daß man das Ausfuhr-Verbot auch dar⸗ auf erstreckt, dagegen würde zwar praktisch nichts zu erinnern sein; indessen wird es nöthig sein, solche Modalitäten zu treffen, daß die Binnenschifffahrt nicht belästigt wird. Wenn die Kartoffeln für das Inland bestimmt sind, so muß einer solchen Verschiffung Freiheit gestattet werden. Mit diesen Modificationen ist von Seiten der Regierung gegen das Verbot an sich nichts zu erinnern. Ob große Vortheile davon zu erzielen sind, ist zu bezweifeln. Wie die Sachen jetzt stehen, wird es zur Beruhigung . Deshalb ist man von Seiten der Regie— rung damit einverstanden. .

ĩ ö runau aus Elbing: Ich wollte nur, mit Bezug auf das, was der Herr Finanz- Minister über die Ausfuhr von Ge⸗ traide und Kartoffeln zu sagen beliebt hat, einwenden, daß wir jetzt in dieser Jahreszeit keine Ausfuhr bis zur Aerndte zu befürchten ha⸗ ben. Die Erfahrung lehrt, daß, wenn der Keim in der Kartoffel le⸗ bendig ist, sie nicht mehr zur Exportation tauglich ist, Ich habe er⸗ lebt, 3 Kartoffeln, nach dem Auslande verschifft, als Dünger aus geworfen worden sind. Deshalb würde es unzeitig sein, die Kartoffel⸗ Ausfuhr zu verbieten, in dem Augenblick, wo es nicht möglich ist, sie zu verschicken. Dem, was der Herr Finanz Minister vom Getraide gesagt hat, kann ich nur beistimmen „denn dieses ist für die östlichen Provinzen eine Lebensfrage. Für diesen Augenblick verbietet es sich von selbst; denn die östlichen Provinzen sind beschäftigt, Roggen ein—⸗ und nicht auszuführen. Die Kleinigkeiten an Roggen, welche noch etwa versendet werden möchten, waren bereits auf Kontrakt verschlossen und müssen, um die Solidität und Reellität aufrecht zu erhalten, erfüllt werden. Für diesen Augenblick sind die Vorräthe so erschöpft, daß sich

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jene Provinzen veranlaßt gesehen haben, Roggen aus Rußland zu impor⸗

tiren. Ich wollte dies nur der Versammlung mittheilen, denn es könnte höchstens eine solche Unternehmung von einem Nichtkenner gemacht werden.

Abgeordn. Gadegast: Meine Herren, die nächste Frage, die der Versammlung vorgelegt ist, ist die Frage in Betreff der Mittel, dem Nothstande abzuͤhelfen. Wir fragen: In welchen Gliedern der bürgerlichen Gesellschaft zeigt sich der Nothstand am meisten? und die Antwort darauf ist: In den untersten Klassen, weil dort die we⸗ nigsten Mittel sind. Wie ist diesem Nothstande in der untersten Aaasse besser abzuhelfen, als dadurch, ihr Mittel zu schaffen, um sich die Subsistenz zu sichern. Das einzige, das Haupt-Kapital der arbeiten den Klasse, ist die Arbeitskraft. Diese wird unterdrückt, wie die Er— fahrung aus Den Jahren 1844 und 1815 in denjenigen Provinzen, wo die lleberschwemmungen sich so gewaltig nachtheil!g zeigten, ge⸗ lehrt haben, so daß deren Folgen jetzt und noch nach Jahren half werden. Was thaten alle die Unterstützungen, die aufopfernd von allen Seiten zu öffentlichen Kassen flossen. Sie thaten, was nöthig war, zur Nothdurft das Leben zu erhalten. Aber der Fonds der un' teren Klasse, das Haupt-Kapital, die Arbeitskraft, wurde geschwächt, wurde vom Central⸗Verein nicht unterstützt. Es wäre allerdings ge⸗ gen den Willen der Geschenkgeber gewesen, würde diese Gabe dazu angewendet worden sein, um die Wegsamkeit in den Provinzen her⸗ zustellen und dadurch den Gewerbe- Betrieb, überhaupt das kommer⸗ zielle Leben, zu heben. Es würden durch diese Gabe nachhal⸗ tige Früchte gewonnen sein. Unsere Aufgabe scheint es mir zu sein, dies näher zu untersuchen, denn wo schreibt sich der Nothstand her? Bosheit mag es nicht sein. Es ist Mangel, wirk⸗ licher Mangel. Bosheit kann man nicht präsumiren, sie enispringt aus äußerster Noth. Wenn der Vater seine Kinder weinen sieht und kann ihnen nicht ein Stück Brod geben, das ist das Fürchterlichste, was man sich denken kann. Meine Herren, ich würde im Interesse der Provinz den Antrag machen (schwer mag es für die öffentlichen Kassen sein), daß das Haupt⸗-Napital gekräftigt und in der Wegsam— keit, im Umtriebe der Menschenkraft, erhalten werde, daß von Seiten des Staates zinsfreie Vorschüsse an einzelne Provinzen gemacht wür— den, um das kommerzielle Leben (Unruhej .

Der Marschall (unterbrechend): Ich bitte den Herrn Redner sich an die Frage zu halten. ; . ; Abgeordn. Gadegast; Meine Meinung geht dahin, daß alle Ausfuhr-⸗Verbote nicht nöthig sein würden, wenn der unteren Klasse durch den Lohn die Mittel an die Hand gegeben würden, sich das Leben zu sichern. Ich stimme gegen die Ausfuhr-Verbote und mache meinen Antrag dahin, daß einzelnen Provinzen und Kreisen Kapita—⸗ lien gegeben und namentlich durch Wegsamkeit in den einzelnen Pro— dinzen die Ausfuhr-Verbote beseitigt und die Arbeitskräfte unterstützt würden. ;

Abgeordn. Naumann: Ich erlaube mir, den Herrn Marschall zu bitten, etwas weiter gehen zu dürfen, als die erste Frage geht; ich möchte den Gesichtspunft beleuchten, auf den es! ankommt, und meine Betrachtungen darüber zu erkennen geben. Es fragt sich vor

erst. ist überhaupt Noth da, und zweitens, wie ist dieser abzuhelfen? Daß Noth da ist, daran zweifelt kein Mensch. Sie ist nicht heute entstanden, sie besteht schon seit einem halben Jahre, und, so viel ich weiß, hungern die Leute, d. h. heute essen sie sich satt und mor— gen darben sie. Dies ist der Zustand. Der Grund dieses Zustan⸗ des liegt darin, daß die Nahrungsmittel fehlen; der hohe Preis ist Folge dieses Zustandes. Nicht gegen die hohen Preise ist zu wirken, son⸗ dern darauf hin, daß Produkte verschafft werden, und, wenn dies nicht aus reichend möglich ist, daß wir uns die vorhandenen Produkte erhalten, bis Gott durch reichliche Aerndte giebt, was zur Befriedigung unse⸗ rer Bedürfnisse dient. Die erste Frage betrifft das Verbot der Ge— traide und Kartoffel-Ausfuhr. Bei allen solchen Maßregeln kommt es darauf an, zu erwägen, ob der beabsichtigte Zweck dadurch erreicht wird oder nicht; wird er es nicht, so vergrößern wir das Uebel, weil wir die große Menge glauben machen, wir helfen, während wir nicht helfen, und ich sehe darin mit einen Grund zu tumultua⸗ rischen Auftritten. Die Frage ist, die: Wollen wir verbieten, Getraide und Kartoffeln auszuführen? Sind denn aber unsere Bestände so groß, daß wir noch welche auszuführen haben? Wir haben aus dem Munde des Herrn Departements-Chefs gehört, daß eine Besorgniß nicht da ist, und daß, wenn wirklich exportirt würde, der Ersatz durch Import uns zu Gute kommt. Ich glaube, die Ansicht ist rich tig, und ich würde daher auf das Verbot von Getraide- und Kar— toffel Ausfuhr verzichten, aus dem Grunde, weil es nicht zu dem Resultate führt, daß wir ein Mehreres dadurch erlangen und die Lage des Volkes besser stellen. Von allen Vorschlägen' . . .. doch es handelt sich blos um die erste Frage, und ich werde mir spä— ter über die zweite das Wort erbitten.

Königl. Kommissarins: Es ist die Behauptung aufgestellt, daß das Verbot der Kartoffel-Ausfuhr wirkungslos sein werde, weil man diese Frucht jetzt nicht mehr transportiren kann. Auch mir ist es nicht unbekannt, daß die Kartoffeln im Frühjahre dem Verderben außerordentlich ausgesetzt sind, und das Gouvernement erwartet des— halb, von dem Verbot keine großen Erfolge. Es sind aber dem Ministerxium des Innern, namentlich von Mitgliedern des Magistrats der Residenz, Nachrichten darüber zugegangen, daß gerade in diesem Augenblicke nicht unbedeutende Versendungen nach einer benachbarten Seestadt eingeleitet worden seien. Eine bestimmte Bestätigung dieser Nachricht haben wir zwar nicht erhalten, aber eben so wenig auch die lüeberzeugung vom Gegentheil, weshalb die Frage des Ausfuhr⸗ Verbots doch bei uns in ernste Erwägung genommen ist. .

Abgeordn. Winzler: Der Zweck der vorliegenden Berathung, die bestehende Noth zu lindern und der künftigen vorzubeugen, ist so wichtig, daß sie das Gemüth nicht nur aller hier Anwesenden, son— dern auch aller Preußen beschäftigt. Der Zweck ist uns als ein heiliger, nothwendiger, als Pflicht hingestellt. Die Wahl der Mittel wird schwierig sein. Wir haben bereits Redner gehört, die theils für, theils gegen sie gesprochen haben. Ich muß mich dem anschlie— ßen, was als Grund für die Abweisung des ersten Antrags gesagt worden ist, es sei nicht mehr an der Zeit, solche Maßregeln einkre— ten zu lassen, es sei zu spät, um Kartoffeln versenden zu können. Das mag wahr sein in der Generalität der Frage, aber nicht in der Spezialität. Was ich für mich selbst und meine Familie bedarf der Staatsverband ist auch eine Familie dazu habe ich nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, das, was vorhanden ist, zu erhalten, sei es auch nicht mehr viel. Ich muß für die strengste Ausführung derjenigen Maßregeln stimmen, die von dem Gouvernement für gut . sind, daß das, was wir an Lebensmitteln besitzen, 1 4 Jamilien Verbrauch erhalten; aber ausreichend wer— 3 . . , nicht, sein. Die Mildthätigkeit, so groß sie sich

h gezeigt, hat, namentlich in Berlin, wird auch nicht ausreichen 3 . y, zu groß und die Mittel zu klein. Aber es giebt Ib, Mittel, die, nach meiner Ueberzeugung wenigstens unsere Roth mildern und, derselben für die zukunft zienlich vollständig! borbeusn können. Ich erlaube mir ein Vasnltes äindig Lorbengei mir ein Beispiel aus den letztv . gen anzuführen. Das mil w I gen „Tas milde Herz unseres Königs hat uns den Be= weis gegeben, die Noth zu findern. Er hat ein Min Hi en durch die Aufhebung der w , m , enn. tufe der, Klassensteuer. Diese Million ist eine w n * ö große Summe. Mit einer Million muß bei guter nwendung viele Noth gelindert wer—

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den können. Was hat der edle Wille genutzt? Wir haben gesehen, wozu die Aufhebung der Mahlsteuer bei den jetzigen hohen Preisen gedient hat. Der Arme erhält auf ein Fünfgroschenbrob ein Loth

rod mehr, wenn der Bäcker gewissenhaft ist. In der Provinz ist die unterste Stufe der Klassensteuer aufgehoben, die größte Zahl des Gesindestandes gehört zu ihr. Dieser Stand ist nicht der, der am meisten der Hülfe bedarf, denn nicht der Dienstbote bezahlt die Steuer, sondern sein Brodherr, und der Dienstbote steht sich oft ziemlich gut, oft besser als der, bei dem er dient. Wenn ich aber annehme, wie hätte man diese Million verwenden können, so komme ich jetzt zu dem Mittel, was gewiß ein Jeder in der Versammlung angeben könnte. Der hiesige Markt ist für Cerealien, Kartoffeln, Spiritus u. s. w. die Skala für die ganze Umgegend, also gilt es, ein Mittel zu sinden, bei einem solchen Nothstande, wie dem jetzigen. Dies Mittel würde das sein, die Marktpreise bei solchem Noth stande in der Weise zu regeln, daß sie nicht eine solche übermäßige Höhe erreichen können. Ein solches Mittel ist da. Wenn die Million Thaler dafür verwendet würde, um die Haupt-Nahrungsmittel niedrig zu halten, so würde hunderttausendmal mehr dadurch bewirkt worden sein, als durch die Aufhebung der Mahlsteuer und der untersten Stufe der Klassensteuer. Nun fragt es sich, ob, wenn dies Mittel Anklang finden sollte, es in der Ausführung leicht sei. Wir haben hier in der Provinz ein mächtiges Geld-Institut es ist oft ange— griffen worden, ob mit Recht oder Unrecht, gebührt mir nicht zu sagen das mit seinem tüchtigen Vorstande au der Spitze viel wirken kann. Ich glaube, es ist die rechte Aufgabe für bie See— handlung, den weiteren Folgen des Nothstandes vorzubeugen, indem es Brod und Früchte anschafft und sie zu dem Preise, wie es mit seinen großen Geldmitteln ihm möglich ist, zu erlangen, wieder zu verkaufen. Der günstige Erfolg dieser Maßregel wird nicht nur die Residenz, sondern auch die Provinzen treffen, und dem Institute, das bisher nur Tadel getroffen hat, wird der Segen des Landes folgen.

Königlicher Kommissar: Indem das Gouvernemeut durch den Erlaß der Mahlsteuer und der Klassenstener für die letzte Stufe derselben bis zur Aerndte eine Summe von etwa Sho, 060) Rthlr. von den Staats-Einkünften aufgeopfert hat, scheint das Unerläßliche geschehen zu sein. Wenn die Preise des Getraides einen so enormen Stand erreicht haben, wie der gegenwärtige, wenn namentlich der Weizen etwa 5 Rthlr. der Scheffel koͤstete, so schien es moralisch gebo— ten, die Erhöhung von 1 Rthlr. für die mahl- und schlachtsteuerpflichtigen Städte zu beseitigen, und wenn die Preise der ersten Lebensbedürfnisse für die dürftige Klasse fast unerschwinglich geworden sind, so schien es zu hart, von ihr den letzten Groschen als Klassensteuer beizutreiben. Dies waren die Gründe des Erlasses. Wir sind längst gewohnt, daß der— gleichen Maßregeln, auch wenn sie, wie diese, aus der Absicht ent springen, wirklicher Noth zu begegnen, dennoch dem Tadel unterlie gen, und daß man andere vorzuschlagen weiß, welche besser gewesen wären. Wenn aber gegen die Maßregel angeführt wird, daß der Erlaß einer Million dem Einzelnen wenig zugute komme, so muß ich darauf aufmerksam machen, daß die Verwendung einer solchen Summe für die Einzelnen nicht mehr einträgt. Dieser vergleichende Tadel trifft daher die Maßregel des Gouvernements nicht. Was demnächst diz Andeutung betrifft, daß es noch andere Maßregeln gäbe, um de hohen Preise herabzudrücken und dadurch die Noth zu mildern, so bitte ich die hohe Versammlung, das Vertrauen zu haben, daß dergleichen Maßregeln, und zwar nach ziemlich großem Maß⸗ stabe, keinesweges versäumt sind, auch das Seehandluͤngs⸗Institut dabei seine Mitwirkung sehr bereitwillig gewährt hat. Es darf aber nicht erwartet werden, daß diese Maßregeln im Detail angegeben wer— den, weil dies ihre Wirkung nur schwächen könnte.

Uebrigens ist zweierlei zu unterscheiden: künstliche Noth und

wirkliche Noth, künstlicher Mangel und wirklicher Mangel. Der wirk liche Mangel kann durch Maßregeln, welche auf Herabdrückung der Preise wirken sollen, nicht ersetzt werden, denn ist wirklicher Mangel an Lebensmitteln vorhanden, so giebt es kein anderes Mittel, als die selben von außen herbeizuschaffen, und wenn auch dies unmöglich, so erfordert es um so mehr die Pflicht, die vorhandenen zusammen— zuhalten. Deshalb bitte ich, die Maßregeln gegen künstlichen Man— gel von denen gegen wirklichen Mangel zu trennen; zunächst scheint es sich von letzterem zu handeln. Abgeordn. Wächter: Mein Antrag soll in der Kürze dahin ge⸗ hen, entschieden gegen jedes Verbot der Ausfuhr zu streiten. Abge⸗ sehen davon, daß es jetzt für die Kartoffeln zu spät ist, so ist es auch ein Eingriff in die Lebensfrage für die Ostsee⸗-Provinzen. Es sind dort bedeutende Importationen aus Rußland gemacht, und ich möchte behaupten, daß sie größer gewesen sind, als die Ergebnisse des Bo dens daselbst waren; allein wenn der Handel beschränkt wird, so ist dies eine Vernichtung der Freiheit des Eigenthums, und dagegen habe ich mich entschieden verwahren wollen. .

Abgeordn. Bürgermeister Sperling aus Königsberg: Der erste Antrag geht dahin, daß ein Gesetz emanirt werde, welches die Aus— fuhr für die Provinzen Brandenburg, Pommiern und Sachsen bestimmt. Es soll also ein Partikulargesetz sein. Insofern erscheint es mir zwei⸗ felhaft, ob der Landtag kompetent ist, bei einem solchen Gesetz sich zu betheiligen. Doch hiervon abgesehen, durch den zweiten Antrag soll ein Gesetz herbeigeführt werden, welches einen Theil der Staats bürger in der freien Disposition ihres Eigenthums beschränkt, es soll in Beziehung auf die ersten Regeln ein Recht für irgend einen Fall als nicht existirend erklärt werden. Dies ist für mich sehr bedenklich, und ich glaube, wir können uns nicht anders dazu entschließen, als wenn sehr überwiegende Gründe dafür sprechen. Diese scheinen zu fehlen. Ein Ausfuhr⸗-Verbot kann nur stattfinden, wenn die vorhan— denen Vorräthe nicht hinreichen, um zu subsistiren, wenn die Vor— räthe im Lande dem Bedürfniß des Landes nicht entsprechen. Da— von fehlt uns aber die Ueberzengung, es fehlen uns sogar alle Nach— richten, aus denen wir uns diese Ueberzeugung beschaffen können. Für jetzt besteht eine Theurung, es sind hohe Preise; dies ist aller— dings eine Kalamität, die aber überwunden werden kann. Kann sie der Einzelne nicht überwinden, so steht er im Verbande mit Anderen, die ihm beschaffen, was er braucht. Ich glaube, daß die Sache von der Art ist, daß ein Theil der Staatsbürger in den Verdacht kommen möchte, sich auf Kosten der Anderen einen Vortheil zu ver— schaffen. Landtags⸗Kommissar von Bodelschwingh: Es ist die Kom— petenz des Landtags in Beziehung auf einen solchen Antrag bezwei felt worden, weil er sich auf drei Provinzen der Monarchie beschränkt. Dagegen muß ich bemerken, daß diese Kompetenz nach den gesetzli⸗ chen Bestimmungen ganz unzweifelhaft ist, indem Bitten und Beschwer⸗ den, welche innere Angelegenheiten der gesammten Monarchie oder meh— rerer Provinzen betreffen, zur Kompetenz des Vereinigten Landtags gehören. Auch bemerke ich, daß es sich nicht darum handelt, ein Gesetz in Vorschlag zu bringen, denn es bedarf zu der beantragten Maßregel, keines Gesetzes. Das Kartoffel- Ausfuhr Verbot für die westlichen Provinzen besteht seit anderthalb Jahren und beruht auf einem ein⸗ fachen Befehle Sr. Majestät des Königs; in mehreren anderen deut— schen Ländern ist es in derselben Weise eingeführt. Es handelt sich also nicht um ein Gesetz, sondern um eine Verwaltungs ⸗Maßregel und kann die Kompetenz des Landtags in keiner Weise zweifelhaft sein.

Abgeordn. Gier aus Mühlhausen: Nach meiner Anficht ist

lediglich der Hunger, der Mangel und die Theurung der Lebensmit-

tel Ursache der seitherigen Tumulte gewesen, und di ü lichen Ereignisse werden —— dem . gebeugt wird. Es kommt daher auf die Frage an, ob die j Theurung eine künstliche oder ob wirklicher Mangel . und pig erlaube ich mir die Frage an die höchstverehrten Rhe der Krone zu richten, ob man sich die möglichste Klarheit darüber zu verschaffen gesucht hat, ob man bisher mit aller Genauigkeit und Für= sorge zu Werke gegangen und ob man sich nicht vor Allem in dieser Beziehung jede mögliche Auskunft verschaffen müsse, namentlich durch die Aufforderung aller Behörden zur Einlieferung statistischer Nach= richten. Wir haben noch Monate lang bis zur nächsten Aerndte, und es haben andere Staaten ganz eben so verfahren. Stellt sich nun heraus, daß in Folge dieser Nachrichten, die binnen etlicher Wochen aber von den untersten Behörden einzuziehen sind, wirklicher Mangel im Lande ist, dann müssen Ausnahme⸗Gesetze eintreten; Ausnahme⸗Gesetze sind jetzt schon im Landrecht vorhanden, dahin gehört das Expropriations⸗ Gesetz. Es thun aber auch andere Staaten dasselbe. Ich bin aus Thüringen, und zwar aus dem Theile, der dem Kurfürsten⸗ thum Hessen zunächst liegt, und da ist hauptsächlich der Noth⸗ stand, der jetzt schon sehr arg ist und, was Gott ab⸗ wenden möge, vielleicht noch schlimmer werden kann das bemerke ich zur Berichtigung des Gutachtens, weil darin steht, die Kartoffel-Ausfithr komme nur wenig vor dadurch veranlaßt, daß das Kurfürstenthum Hessen schon vor etlichen Monaten verboten hatte, es dürften keine Kartoffeln, die im Inlande gewonnen wären, zur inländischen Branntweinbrennerei verbraucht werden. In Folge dessen hat das Kurfürstenthum Hessen fast sämmtliche Kartoffeln aus unserer Gegend angefahren. Jetzt hat Hessen, zum Zoll⸗Verein ge⸗ hörig, verboten, daß eine Frucht⸗Ausfuhr statthaben darf. Sobald sich bei uns in Folge näherer Ermittelung, worauf freilich Alles an⸗ kommt, um zur Klarheit zu gelangen, herausstellt, daß wirklicher Mangel im Lande ist, so müssen wir festhalten, was da ist, und müssen sowohl die Getraide⸗Ausfuhr, als auch die Kartoffel⸗Ausfuhr, für die Zeit der Noth verbieten. Die Preise sind so hoch, daß kein Handelsgeschäft, keine Gegend darunter leiden kann. Die Produkte werden bei solchen Verboten auch im Inlande zu hohen Preisen ver⸗ werthet werden.

Finanz⸗Minister von Düesberg: Ich bemerke, daß seit vo⸗ rigem Herbste, wo die ersten Anzeigen eines Mangels hervortraten, die größte Aufmerksamkeit darauf verwendet worden ist, Nachrichten über den Zustand der Provinzen zu erhalten. Es sind regelmäßige Berichte von allen Seiten eingegangen, und man hat eine klare Ueber⸗ sicht zu gewinnen gesucht. Daß es nicht möglich ist, die Vorräthe von Getraide im Lande genau zu konstatiren, das wird Jedem ein⸗ leuchten, denn die Verwaltung kann nur im Stande sein, aus den Erscheinungen zu beurtheilen, wie sich die Verhältnisse gestalten, und in dieser Beziehung ist gewiß nichts versäumt worden. Die Berichte, die eingezogen sind, lauten allerdings verschieden, allein bis zur Mitte des vorigen Monats glaubte man, was die mittleren Provinzen des Landes angeht, daß ein wirklicher Mangel in keiner Weise zu besor⸗ gen sei. Das sind die Nachrichten, die aus den glaubwürdigsten Quellen mitgetheilt sind. Ein eigentlicher Mangel an Lebensmitteln ist auch jetzt noch nicht eingetreten. Die Preise sind allerdings hoch gestiegen, und eine Theurung ist vorhanden. Die Staats⸗Regierung wird aber auch dafür sorgen, daß die Märkte hinreichend versorgt werden; allein wie weit sie mit diesen Mitteln reicht, ist im voraus nicht mit Bestimmtheit zu ermessen. Genug, es ist alle Vorsorge getroffen, es sind alle Mittel, die ihr zu Gebote stehen, angewendet worden. ;

Es kommt aber, was namentlich die Getraide⸗Ausfuhr anlangt, noch in Betracht, daß das Getraide, welches namentlich zum Lebens⸗ bedarf gebraucht wird, der Roggen, fast gar nicht ausgegangen ist; Weizen ist allerdings in größerer Menge ausgeführt worden. Dies war aber das Mittel, um Roggen, der zum inneren Bedarf noth⸗ wendiger ist, im Auslande anzukaufen und einzuführen. Die Quan⸗ tität des Weizens, welche ausgegangen ist, ist nicht gleichzustellen mit der Quantität Roggen, die eingeführt ist. Ich bemerke, daß die Ausfuhr in andere Zoll⸗Vereinsstaaten nicht in Betracht kommen kann, da nach dieser Seite hin kein Verbot besteht, es ist auch kein Ver— bot von anderen Staaten ergangen, und es ist nur die Nachricht ein⸗ gegangen, daß das Fürstenthum Sondershausen eine Ausnahme da⸗ von gemacht hat. Dagegen ist von einzelnen Vereins⸗Staaten die Maßregel getroffen worden, daß verboten wurde, Kartoffeln im In⸗ lande zur Brantweinbrennerei einzukaufen. Dies hat Veranlassung gegeben, daß Einkäufe an der Gränze gemacht sind, indeß sind diese nicht von großem Belange. Der Staat, der diese Maßregel ge⸗ troffen hat, ist das Kurfürstenthum Hessen gewesen, allein dort ist seit langer Zeit das Brantweinbrennen gänzlich verboten, so daß auch dieser Uebelstand beseitigt ist.

Abgeordn. von Fabeck: Ich will nur auf einen Einwand, den ein geehrtes Mitglied aus der Mark vorgetragen hat, daß näm⸗ lich die Aufhebung der Mahlsteuer keinen günstigen Einfluß gehabt hat, die Bemerkung machen, daß gerade mein Interesse für den Noöth⸗ stand mich veranlaßt hat, mit Bäckern Rücksprache zu nehmen, und diese haben mir die Mittheilung gemacht, daß ein großer Unterschied in den Preisen jetzt darin bestehe, daß die Bäcker statt des Roggens Weizen kaufen können; denn, wie bekannt, kostete der Roggen an Mahlsteuer 10 Sgr., der Weizen dagegen 1 Rthlr. Durch die Auf⸗ hebung dieser Steuer ist es möglich, daß jetzt mehr Weizenbrod als Roggenbrod gebacken werden kann.

Abgeordn. von Auerswald: Ich erlaube mir in Beziehung auf das, was der geehrte Abgeordnete der Stadt Mühlhausen ge—⸗ sagt hat, hervorzuheben, daß es sich um kein Aus nahme-Gesetz, sondern um eine Verwaltungs⸗Maßregel handelt, und zwar einer solchen, welche aus dem staatswirthschaftlichen, nicht aus dem rechtlichen Standpunkt zu betrachten ist. Es ist nicht anzunehmen, daß der Effekt für den Augenblick ein großer sein wird. Es kommt indeß doch darauf an, den Schaden und Nachtheil abzuwägen, im Allgemeinen wie für den Einzelnen. Der Schaden für den Einzel⸗ nen, den dieses Ausfuhrverbot nachtheilig treffen könnte, kann nicht bedeutend sein. Es handelt sich nicht um den Betrieb eines blühen⸗ den Gewerbes, es handelt sich um einen möglicherweise zu verlieren⸗ den Gewinn einzelner Unternehmer; es handelt sich auch für diese nicht um einen Verlust, der aus mit dem Auslande geschlossenen Nontrakten hervorgehen kann, denn diese verlieren nach, dem Gesetze, so viel mir bekannt ist, mit dem Ausfuhrverbot ihre Gültigkeit. Die Nachtheile, die im Allgemeinen Ausfuhrverbote haben, können, mei⸗ nes Ermessens, in Beziehung auf das Ausfuhrverboat der r, von gar keiner Bedeutung sein, benn, so. viel 9 . 2. ie Aus- fuhr von Kartoffeln kein Handels Artikel von irgend we chem Be⸗ lange. Die Erfahrung hat in den Rhein- Provinzen gezeigt, daß das Ausfuhrverbot nicht nächtheilig gewirkt hat. Mehrere unserer rheini=

z esagt, daß man es im Allgemeinen bis jetzt schen Kollegen haben gesagt, ; für eine vortheilhafte Maßregel gehalten hat. Ich kann nicht anneh= men, daß das Ausfuhrverbot von Kartoffeln für die drei erwähnten Probinzen, event. auch für die übrigen, nachtheilig sein könnte. Die zweite Frage ist: kann es einen Vortheil gewähren? Es ist gesagt worden, der Vortheil kann nur gering sein, ich bin der Meinung, wenn et gering ist, so ist er nur dem Umfange nach gering. Bei

denjenigen aber, denen der Vortheil zu Gute kommt, die das Ver⸗