1847 / 123 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

sammlung e gen, daß diese Absonderung, wie sie gegenwärtig besteht, aufgehoben werde, und daß Jeder unter uns seinen Sitz da nehmen könne, wo er will. (Gelächter. Ich bitte! was gar nicht ausschließt, daß Jeder den Sitz behält, den er gegenwärtig inne hat. Wiederholtes Gelächter.) Ich habe, meine Herren, diese beiden Vorschläge, die, wie gesagt, unsere häusliche Einrichtung betreffen, zu machen mir erlaubt, und kommt es nun darauf an, ob die hohe Versammlung mit dem einen, so wie mit dem anderen, einverstanden

ist, in welchem Falle, wie gesagt, der Herr Landtags-Marschall zu

bitten sein würde, das Eine und das Andere gütigst anzuordnen.

Marschall: Ich muß hiergegen bemerken, daß nach der Aller- höchsten Bestimmung, die wir im Reglement finden, die Individuen ihre Sitze nach den Provinzen und in diesen nach den Ständen ha— ben sollen, daß also fo etwas von der Versammlung nicht abgeändert werden, sondern nur durch eine Petition bei Sr. Majestät dem Kö⸗— nig in Antrag gebracht werden kann. .

Abgeordn. Mohr: Ich bitte um das Wort.

Gelächter.)

Maxschall: Lassen Sie mich aussprechen! Eine solche Re— solution ist, wenn sie erfolgen sollte, bereits durch die Vorschläge an— gebahnt, welche von der Abtheilung zu dem Reglement gemacht wor— den sind. Dleses Reglement wird in Berathung genommen werden, sobald wir mit der Berathung des jetzigen Gegenstandes fertig sind, und dann werde ich den Redner bitten, seine Bemerkungen anzuschlie en. Eine Diskussion kann aber jetzt darüber nicht stattsinden.

Abgeordn. Mohr: Die Bemerkung, welche der Herr Landtags⸗ Marschall so eben gemacht hat, ist auf einen Paragraphen gegründet, ich weiß nicht gerade mehr auf welchen der Geschäftsordnung, worin es allerdings heißt, daß wir nach Provinzen und die Provinzen nach Ständen gesetzt werden sollen. Ich erlaube mir aber darauf zu ent⸗ gegnen, daß dieser Artikel der Geschäftsordnung faktisch bereits ver— nichtet ist.

(Unterbrechung durch den Ruf: Ohoh

Erlauben Sie! Wir sitzen nicht nach Ständen, es hat eine Ver— loosung stattgefunden.

Mehrere Stimmen: Nein!

Abgeordn. Mohr: Allerdings, in jeder einzelnen Provinz.

Mehrere Stimmen: Nein! Nein!

Abgeordn. Mohr: Ich habe es aus dem eigenen Munde des Herrn Landtags⸗Marschalls, daß er eine Verlosung in unserer Pro⸗ vinz vorgenommen habe, und wir sitzen auch nicht nach Ständen.

Viele Stimmen: Nein! Nein! Nein!

Abgeordn. Diergardt: Wie ich bereits bei der letzten Sitzung die Ehre hatte, der geehrten Versammlung mitzutheilen, habe ich in den letzten Tagen die betrübendsten Berichte aus dem Gewerbsbezirke von Gladbach erhalten. Die Arbeitslosigkeit nimmt in erschrecklicher Weise zu, die Lebensmittel steigen, und wir würden daher die ungn— genehmsten Folgen zu erwarten haben, wenn nicht Rath für die Ar— beiter geschafft wird. Seit Jahren Vorsitzender des Gewerbegerichts zu Gladbach, komme ich mit der arbeitenden Klasse in vielfache Be⸗ rührung. Ich glaube daher die moralische Pflicht zu haben, mich

derselben moͤglichst anzunehmen und auf Mittel zu sinnen, wie die Noth etwa mildern ist. Ich habe mir daher erlaubt, diesen Mor⸗ gen eine Eingabe abzufassen, worin ich einen Vorschlag mache, wie die Noth in unserer Gegend etwa zu mildern ist. Es ist Ihnen

sämmtlich bekannt, meine Herren, wie bedeutend die Ausfuhr von Getraide und Lebensmitteln im Allgemeinen von Amerika ist. Die einzige Hoffnung im rheinischen Fabrif-Distrifte ist die, daß Amerika uns Ersatz für den Mangel an Absatz auf dem Kontinente bieten werde. Nach den Berichten, die ich aus England und Frankreich er⸗ halten habe, sind namhafte Bestellungen von Amerika auf Baumwol— lenwagren eingetroffen. Wir, meine Herren, sind in der unglücklichen Lage, daß wir an diesen Vortheilen nicht Theil nehmen können. Der Beschluß der letzten Zoll-Konferenz lautet dahin, daß die Baumwollen-Fabrifan

ten den Zoll auf Twiste mit 3 Nthlr. pro Centner entrichten müssen, ohne daß die für das Ausland bestimmten Waaren Rlickzoll bekommen. Was sind die Folgen von solcher Besteuerung? Der Fabrikunter= nehmer ist in der nämlichen Lage, wie der Gutsbesitzer.

(Von mehren Seiten: Bravo!)

Wenn der Gutsbesitzer Meliorationen vornehmen will, so wird er gewiß berechnen, ob die Auslagen sich rentiren. Eben so ist es bei dem Fabrikbesitzer, meine Herren. Die preußischen Fabrikinhaber, wenn sie mit dem Auslande, mit den Engländern, Franzosen, Bel— . konkurriren wollen, so müssen sie Ersatz im Arbeitslohn suchen. Mein Vorschlag geht dahin .. . ... .

(Ruf auf Tagesordnung.)

ch habe nur wenige Worte noch zu sagen. Die Lage unserer Gegend ist höchst betrübend, und deshalb glaube ich, daß es mir als Vertreter der dortigen Gegend wohl gestattet sei, die Lage darzu—⸗ ttellen. Mein Vorschlag geht dahin, den Herrn Marschall zu bitten, die Eingabe, welche ich ihm übergebe, bald möglichst einem Aus= husse zu überreichen, und meine zweite Absicht geht dahin, daß man

in den rheinischen Fabrik-Distrikten überzeuge, daß ihre Wün—⸗ che recht bald in Berathung genommen werden. Mein Antrag geht dahin, daß Seine Majestät geruhen möge, zu hestimmen, daß 'für , , gen Baumwollenwaaren, welche nach dem Auslande gehen, der . . Twiste zurückvergütet werde. Es ist von keinem ninseof . 5 nur von der Rückerstattung des auf den

arschall: Ich kann die Versicherung geben, daß ich die

7 j 97 8 ( ich die Petition sogleich einem Ausschusse überweisen . f Zeit ist bereits so weit abgelaufen, d 8s ni ö möglich sein wir

i f es nicht mehr möglich sein wird, auf den wichtigen Gesetzentwurf, den wir vor uns haben, ei he Ich muß daher bitten, daß die ver e , eng hen. ; „daß die verehrten Herren morgen Vormittag 10 Uhr sich wieder hier derse l Der E 5 h: unmeln wollen. Der Gegenstand der Tagesordnung würde der Gesetzentwurf sei ie Ausschli ö Gesetz rf sein, die Ausschließung be—⸗ scholtener Personen von ständischen Versammlungen betreffend. (Schluß der Sitzung nach halb! Uhr.) ——

Sitzung des Vereinigten Landtags am 30. April. Kurie der drei Stände.

Worlesung des Protokolls der vorigen Sitzung.

Marschall: Es ist von mehreren Seiten fanunscht worden, daß die Aufzählung der Petitions Anträge, welche eingebracht worden sind, bei Vorlesung des Protokolls nicht wiederholt werden möge es fragt sich, ob dieser Wunsch ein allgemeiner ist. men , . dies.)

(Das Protokoll wird angenommen.)

Abgeorbn. Mohr fragt an, ob bie Frist für die Einbringung don Petitionen, welche von Sr. Majestät dem Könige bis 1. Mal d. J. verlangert worden ist, mit dem heutigen Tage aufhört oder noch bis morgen offen steht.

26 Narsch all: Ich verstehe die Allerhöchste Willensmeinung so, daß etitionen noch bls morgen Abend angenommen werden können.

8 sind in den Abtheslungen noch einige Veränderungen vorge⸗ emen, Des Herr Abgeordnete Kirberg hat erklärt, für einige Jeit verhindert zu sein, den Berathungen ber vierten Abtheilung behzu⸗ wohnen und rn , daß für ihn ein Stellvertreter ernannt werde; sch ernenne bazu den Abgeol dne ten Röchling. Die Direktoren der

/

(Viele Stim⸗

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sechsten und siebenten Abtheilung haben um Verstärkung der Arbeits-= kräfte gebeten. Ich ernenne für die sechste Abtheilung den Herrn Landrath von Lavergne⸗-Peguilhen aus Kunzkeim und für die siebente Abtheilung den Ab geordnefen Neitsch. Es sind noch folgende Petitions-Anträge eingekommen und ver— theilt worden. Verzeichniß der in der Sitzung vom 30. April d. J. den betreffenden Abtheilung en äberwie fenen Petitions-⸗Anträge. Antrag des Abgeordneten Richter, die Verweige⸗ rung von Konzessionen für Eisenbahn-Restaura— 1 Antrag des Abgeordneten Biesing, die Aussicht auf Pension für die dienstuntauglich gewordenen Steuer Empfänger des linken Rhein-Ufers be— e . Antrag des Abgeordneten Wächter auf Ausdeh nung der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des

. Abtheilung

und Flur⸗Pfändegesetzes zu richtende Petition. 8. Antrag des Abgeordneten Grafen von Schwerin, betreffend die Anerkennung rechtlicher Bedenken, As weitere Ausführung der in der Adresse an Se. Majestät den König darüber enthaltenen Andeutungen und gemachten Vorbehalte, so wie Aussetzung der Wahl des Ausschusses und der

6.

6.

8.

eximirten Gerichtsstandes und die Einrichtung kol⸗ legialischer Kreisgerichte.

Antrag des Abgeordneten von Olfers auf Ver— wendung der hohen Stände⸗-Versammlung be— hufs Erlaß eines eigenen Handelsgesetzbuches.. 6.

Antrag des Abgeordneten Mehls auf Gewährung der Oeffentlichkeit der Stadtverordneten Sitzungen 5.

Antrag des Abgeordneten Bümin g wegen gleichmä— ßiger Vertheilung der Grundsteuer auf die ganze Monarchie

für das Jahr 1818 vorzubeugen 6. Antrag des Abgeordneten Farthoefer auf Abls— sung handwerksmäßiger ö 6. Antrag des Abgeordneten Krau se, daß den Land— gemeinden gestattet werde, mit mehr als drei Mitgliedern am Kreistage vertreten zu werden, so wie daß die Verhandlungen desselben in den Kreisblättern veröffentlicht Und die Kreis Kom- munal-Geldrechnung den Kreis-Insassen mitge theilt werde 4.

. 1.

5.

6.

rdnung vor⸗ n für Kaufleute in den Provinzial Städten der 1 J . Antrag des Abgeordneten Wen ghoffer, daß den Städten der östlichen Provinzen, die anerkannt ein zu hohes Servis- Kontingent zur Staats- Kasse zahlen müssen, vorläusig und bis zur Re— gulirung der allgemeinen Grundsteuer ein ver— hältnißmãaßiger Steuer ⸗-Erlaß oder Stundung dom Staate bewilligt werde und ihnen später für die verflossene ei eine verhältnißmäßige , 99 Antrag des Abgeordneten von Heyden⸗Cartlow uf Erlaß eines Gesetzes, wonach jede direkte Importation aus dem außereuropäischen . ductions-Lande nach dem Zoll⸗Verein auf Zoll- Vereins⸗ oder diesen gleichgestellten ar fen wenn auch über einen Nordsee⸗ Hafen zwischen Schelde und Elbe eingehend, eine Zoll-Vergün= stigung von 20 pCt. genießen soll ...... ..... 6. Antrag des Abgeordneten Grafen von Fürsten⸗ berg⸗ Stammheim wegen der ien für das preußische Militair katholischer Konfesslon in Bezug auf die Ausübung ihrer Religion.. 8. Antrag des bgeyrdneten Schneider aus Schoöne⸗

beck auf Redefreiheit und das Recht, sich zu 8 .

Or

59.

gung Deutsch⸗ Dissidenten .. gegen

Zu

Preß ?

Antrag des Abgeordneten Meyer aus Südhemmern, den baldigen Erlaß eines Gesetzes Über die Strom- und Ufer Polizei der öffentlichen Ströme ö Antrag des Abgeordneten Diergardt, die Rück vergütigung des Twist- Zolls bei der Ausfuhr von Baumwollenwaaren betreffend ... ..... .... 6. .

Ich ersuche den Herrn Secretair, eine Mittheilung des Herrn Landtags-Kommissars vorzulesen. (Dieselbe betrifft eine Benachrich— tigung, daß des Kriegs- Ministers von Boyen Excellenz durch die Ge— nerale von Reyher und von Cosel vertreten werden dürfe.)

Abgeordn. von Bardeleben: Meine Herren, zur Erläute rung des von mir gestern gemachten Antrages in Bezug auf den Grafen von Reichenbach muß ich noch einige Bemerkungen machen. Ich habe ausgesprochen, daß in der ersten Kriminal- Untersuchung das Erkenntniß bereits erfolgt sei, was jedoch der Herr Just z-Mi⸗ nister bestritten hat. Ich häbe mich nun bei Personen erkundigt, die mir früher bereits Mittheilung gemacht hatten, sie ha ben mir allerdings den Beweis für diese Behauptung nicht führen können, ich muß also annehmen und stimme unbe⸗ denklich dafür, daß die Behauptung des Herrn Justiz⸗ Ministers richtig sei, nehme auch meine desfallsige Aeu⸗ ßerung zurück. Ich muß jedoch auch auf den Grund einer ge⸗ druckten Mittheilung, die der Graf von Reichenbach an mehrere Mit- glieder der Versammlung übergeben hat, bemerken, daß er, trotz der Untersuchung wegen Majestäts Beleidigung von seinen Wählern für unbescholten gehalten wird (iest die betreffende Stelle vor), hiernach kommt es nicht darauf an, ob bereits ein Erkenntniß erfolgt ist oder nicht. Mir scheint es, daß die Wahl, bevor ein Erkenntniß ergangen war, unter keinen Umständen hätte dürfen annullirt werden. Das ist es, was ich vor der Versammlung aussprechen zu dürfen gewünscht habe, und ich trage darauf an, daß die Angelegenheit beschleunigt werden möge. J ö

Abgeordn. von Donimierski: Meine Herren, wir können wohl der Ueberzeugung sein, daß das Land auf wenige unserer Ver— handlungen mit so vieler Theilnahme hinblickt, als auf die letzte, be⸗ treffend die Abhülfe des Nothstandes. Wir gehen zu neuen Arbeiten über und werden nicht so leicht auf diesen Gegenstand zurückkommen. Dies kann im Lande die beunruhigende Ansicht verbreiten, daß der

ist von der Jten Abtheilung begutachtet worden.

angesehen werden.

Landtag diese Angelegenheit für beseitigt halte. Wir müssen geste⸗ hen, daß die beschlossenen Maßregeln zwar etwas, aber nur wenig zur Linderung der Nothstände beitragen werden. Die Noth herrscht vorzüglich in den arbeitenden Klassen, weil die Arbeits löhne mit den Preisen der Lebensmittel nicht im richtigen Verhältnisse stehen, dazu sommt, daß die Arbeiter keine Gelegenheit zum Verdienst finden. Ich habe die Nachricht erhalten, daß von einer öffentlichen Arbeit gegen 200 Menschen theils entlassen, theils zurückgewiesen sind. Diese'trei— ben sich schaarenweise herunt und erlauben sich Gewaltthätigkeiten. Die Hauptaufgabe ist daher, dafür zu sorgen, daß jeder arbeitsfä hige Mensch Gelegenheit zum Verdienst finde. Es liegen Anträge in dieser Beziehung vor, und ich erlaube mir die Bitte an den Herrn Landtags-Marschall zu richten, derselbe möge veranlassen, daß diese sobald als möglich zur Berathung komme, um die erwähnten beunruhigenden Nachrichten im Lande nicht entstehen zu lassen und durch zweckmäßige Maßregeln zur Verhinderung des Noth= standes wirklich beizutragen. (Bravo / .

Marschall: Zur Berathung steht für heute der Entwurf der Verordnung wegen Ausschließung bescholtener Personen von ständt— schen Versammlungen. Ich ersuͤche den Herrn Grafen von Stosch, den Referenten⸗Platz einzunehmen.. .

Graf von Stosch: Die Allerhöchste Proposition, betreffend die Ausschließung bescholtener Personen von ständischen Versammlungen, utach Das Gesetz enthält erweiterte Zugeständnisse und Begränzungen der ständischen Befug⸗ nisse und darf jedenfalls als wichtig, einflußreich und inhaltschwer Das Gutachten selbst lautet wie folgt:

k der dritten Abtheilung der drei Stände des Vereinigten Landtages, die gller chste Fgropefittoen, den Entwurf einer Verordnung, die Ausschließung bescholtener Personen von ständischen Versammlungen

betreffend. ö

Referent: Abgeordneter Graf Stosch.

Der vorliegende Gesetz Entwurf ist dahin gerichtet, theils eine Lücke der vaterländischen Gesetzgebung zu ergänzen, theils bei eintre— tender Infragestellung eines der höchsten menschlichen Güter des unbescholtenen Rufes, sowohl die Rechte des Betroffenen, als das Interesse der betheiligten ständischen Versammlungen, möglichst wah— ren zu wollen. ;

Die ständischen Gesetze vom 1. Juli 1823 und vom 27. März 1824 stellen 5. 5 für alle Stände den „unbescholtenen Ruf“ als Bedingung der Wählbarkeit zum Landtags— Abgeordneten auf. Fer= ner erklären die Kreis-Ordnungen den unbescholtenen Ruf“ zur per⸗ sönlichen Ansübung des Stimmrechts auf den Kreistagen bei allen Ständen und gestatteten Vertretern für unerläßlich. Nicht minder bestimmt das Gefetz vom 8. Mai 1837 über dit persönliche Fähig⸗ keit zur Ausübung der Rechte der Standschaft, der Gerichtsbarkeit und. des Patronats §. 1: daß nur Personen von „unbescholtenem Rufe“ befähigt sein sollen, für sich oder für Andere die Rechte der Standschaft, der Gerichtsbarkeit oder des Patronats auszuüben, oder in ihrem Namen ausüben zu lassen.

Wenn demzufolge unbescholtener Ruf sowohl für Provinzial— Landtage als für dle Theilnehmer an den Kreistagen und bei der

Ausübung der Rechte der Standschaft, der Gerichtsbarkeit und des Patronats bedingend wird; so fehlten zeither theils gesetzliche Krite⸗ rien über die Wesenheit bescholtenen Rufes, theils blieb die Zustän⸗ digkeit des bezüglichen Urtheils meist fraglich, so daß Zweifel unab— weislich eintreten und zur Sprache kommen mußten.

Ueber das Verfahren, welches in Betreff der Ausschließung be⸗ scholtener Mitglieder auf dem Provinzial-Landtage zu beachten, fehlte es an jeder gesetzlichen Bestimmung; und in Ermangelung der⸗ selben ward zeither angenommen: daß es dem Landtags⸗Kommissa⸗ rius, als der mit der Ausführung und Aufrechthaltung der ständi⸗ schen Gesetze beauftragten Behörde, zustehe, darüber zu entscheiden, ob der Ruf des betreffenden Landtags Abgeordneten infoweit als be— scholten zu erachten, daß von seiner Einberufung Abstand zu nehmen und an seiner Statt der für ihn erwählte Stellvertreter einzuberu⸗ fen sei.

In den wenigen Fällen, wo diese Befugniß zur Anwendung ge kommen, ist stets der Grundsatz angenommen worden, daß dem Ab geordneten im Sinne ständischer Gesetze die Unbescholtenheit des Ru fes mangele, wenn derselbe eines Vergehens, welches in ehrloser Gesinnung wurzelt, angeschuldigt und deshalb zur richterlichen Unter suchung gezogen war; und daß seine Qualität als Landtags- Abgeord neter so lange ruhen müsse, bis er von dieser Anschuldigung durch ein ihn freisprechendes Erkenntniß gereinigt worden sei.

Endlich fehlte es an einer Bestimmung, wie es zu halten, wenn ein bereits versammelter Landtag eines seiner Mitglieder wegen be⸗ scholtenen Rufes auszuschließen sich veranlaßt finden könnte (welcher Fall jedoch zeither nicht eingetreten), und mußte solchem gleichfalls vorgesehen werden.

Bezüglich der Ausschließung bescholtener Personen aus den Kreis Versammlungen schreiben die Kreis Ordnungen ein verschiedenes Ver fahren vor. Die Kreis-Ordnungen für die Provinzen Brandenburg und Pommern (vom 17. August 18235), für Preußen (vom 17. März 1328) und für Posen (-dvom 26. Dezember 1828) stellen S§. 6 (6ub e.) ausdrücklich fest:

„Wo dieser Ruf von der Versammlung bestritten wird, ist auf den Bericht des Ober-Präsidenten von dem Staats Ministerium zu ent scheiden.“

Die Kreis-Ordnung für Sachsen (vom 17. Mai 1827) enthält keine Bestimmung, wie es zu halten, wenn die Unbescholtenheit eines Kreistags-Mitgliedes in Zweifel gezogen wird. Dagegen stellen die schlesische (vom 2. Juni 1827) die rheinische und die westfälische Kreis Ordnung (vom 13. Juli 1827), 5. 7 ausdrücklich fest:

„Wird die Unbescholtenheit des Rufes bestritten, so hat, wenn dies ein Mitglied der Ritterschaft oder den Vertreter eines solchen be— trifft, die Ritterschaft des Kreises die Befugniß, in einem besonde— ren Konvente durch Stimmenmehrheit von 3 der Anwesenden dar über zu entscheiden und, falls die Entscheidung für die Bescholten heit des Rufes ausfällt, die Ausschließung zu bestimmen.

Will der Betroffene oder die abgestimmte Minorität bei dem Beschlusse sich nicht beruhigen, so ertheilen die Deputirten der Rit terschaft beim Provinzial Landtage die Entscheidung in der zweiten und letzten Instanz.“

Die Kreis-Ordnung für Schlesien reiht noch an:

„Wird die Unbescholtenheit des Rufes eines Kreistags-Abgeordneten der Städte oder des Bauerustandes in Zweifel gezogen, so ist solches in erster Instanz zur Entscheidung des Magistrats, der Stadtverordneten oder der Bezirkswähler zu bringen, von denen die Wahl ausgegangen ist, und bei derselben auf die Wahl eines anderen DVeputirten anzutragen; die Entscheidung in zweiter In— stanz gebührt hier ebenfalls den Landtags-Mitgliedern desjenigen der beiden Stände, zu welchem der betreffende Kreistags-Abgeordnete gehört.“

Wenn endlich in dem Gesetz vom 8. Mai 1837 bestimmt wird: daß nur Personen von unbescholtenem Rufe fähig sein sollen, für sich und für Andere die Rechte der Standschaft, der Gerichtsbarkeit ober des Patronats auszuüben oder in ihrem Namen ausüben zu lassen, so verweist dies Gesetz, 6. 2, in Hinsicht des unbescholtenen Rufes allgemein auf „vorhandene besondere Verordnungen“ hin.

Mehrseitig eingetretene Zweifel veranlaßten Se. Majestät, die⸗ sen bedeutsamen Gegenstand zur Berathung des Staats Ministeriums zu stellen, und sprachen Allerhöchstdieselben hierbei die Geneigtheit aus, den Ständen eine vorwiegende Theilnahme bei Entscheidung der Bescholtenheitsfrage einzuräumen. Hiernach ward unerläßlich, den diesfälligen Gesetz- Entwurf auf alle ständische Versammlungen auszu dehnen, für solche das gleiche Prinzip vorwalten zu lassen, den Ent wurf demzufolge möglichst a411gemein zu formuliren, damit derselbe für die verschiedenen ständischen Versammlungen (Provinzial⸗, Kom⸗ munal-Landtage und Kreistage) zur gleichmäßigen Anwendung gelan— gen möchte, indem es als unverkennbarer Mißstand betrachtet werden müßte, könnte ein Mitglied aus einer ständischen Versammlung aus⸗ geschlossen werden, ohne daß dies sein Ausscheiden aus anderen stän⸗ dischen Versammlungen zur Folge haben sollte; und ist demzufolge der vorliegende Gesetz⸗ Entwurf in diesem Sinne abgefaßt worden.

Aus Obigem ergiebt sich die Bedürfniß Frage. Wenn nämlich in den allegirten Gesetzen auf Unbescholtenheit des Rufes hingewiesen ist, so fehlen gesetzliche Bestimmungen:

über Kriterien der Unbescholtenheit,

über die Kompetenz,

über das einzuschlagende Verfahren.

Den Begriff der Unbescholtenheit mit logischer Schärfe definiren zu wollen, liegt außer menschlicher Macht. Bürgerliche Ehre ist so zar⸗ ter Natur, ihre Abnahme ein so allmäliger lebergang, dieser so eng mit den Individuen selbst verwebt und daher so subjcktiv, daß ledig⸗ lich jeber spezielle Fall in seinem Gesammt-Umfange aufzufassen und zu beurtheilen bleibt.

Ein derartiger Ausspruch kann jedoch nur auf Ueberzeugung be⸗ ruhen, nicht auf Erlassen, nicht auf Gesetz⸗Vorschriften, da derselbe in den innersten Tiefen des menschlichen Herzens, in volksthümlichen Zuständen, im gesammten Volksleben wizelt.

Aus diesem Grunde überläßt der Entwurf die Reinhaltung der ständischen Versammlungen von bescholtenen Mitgliedern diesen Ver— sammlungen selbst, so daß lediglich Standesgenossen darüber zu be— finden haben, ob die Ehrenhaftigkeit ihrer Mitglieder unverletzt sei, da man zu den Ständen das Vertrauen haben kann, daß sie am sorgfaltigsten die Ehrenhaftigkeit ihrer Mitglieder überwachen werden.

Hiermit abstrahirt der Gesetzgeber von Aufstellung der Kriterien der Bescholtenheit, verlegt vielmehr das diesfällige Ürtheil in das Gebiet der Ueberzeugung; hält es jedoch für unerläßlich, Kategorieen außzustellen, nach welchen Personen als bescholten zu erachten (13; überträgt edach die wesentlichsten Entscheidungen dem Ausspruche von Standesgenossen, und zwan auf Grund vollständig erforschter Thatsachen.

Bezüglich der Kompetenz, so wa los, noch (für die meisten FJälle) gese ben die Behörden in eintretenden fehlte es zether an de

Wie bereits gen der verschiedenen 6. auch verschiedene Bestim⸗

609

mungen. Ueber das Verfahren, welches in Betreff der Ausschließung bescholtener Personen vom Kommunal- Landtage oder aus den Pro“ vinzial⸗Stände⸗-Versammlungen zu beobachten, fehlt jede gesetzliche Grundlage. Nicht minder weist das Gesetz über bie persönliche Fä—⸗ higkeit zur Ausübung der Rechte der Standschaft, der Gerichtsbarkeit und des Patronats auf vorhandene Verordnungen hin, ohne solche näher zu bezeichnen. . .

Wenn aber durch das vorliegende Gesetz nicht allein diese Kom⸗ petenz-Frage, sondern nicht minder das hierbei festzuhaltende Verfah— ren zur Erledigung gelangen, so wird bezüglichen legislativen Be— dürfnissen hiermit genügt.

Solches vorausgeschickt, wenden wir uns den einzelnen Bestim⸗ mungen des Entwurfs zu.

Zu J. Dieser Abschnitt bezeichnet die Kriterien, wonach Perso⸗ nen wegen Mangel unbescholtenen Rufes von ständischen Versamm⸗ lungen auszuschließen sind, und theilt solche in vier Kategorieen.

1) Es wird als bescholten erachtet: wer durch ein Kriminalge⸗ richt zu dem Verlust der Ehrenrechte rechtskräftig verurtheilt, oder zur Verwaltung öffentlicher Aemter, oder zur Ableistung eines nothwen⸗ digen Eides unfähig erklärt worden ist.

Dieser Passus rechtfertigt sich, seiner Tendenz nach, durch Ana— logie der Gesetze; da derjenige, welchem durch rechtskräftiges Er kenntniß die allgemeine bürgerliche oder besondere Standesehre abge sprochen worden, nothwendigerweise hiermit zugleich von ständischen Versammlungen ausgeschlossen wird; und erscheint diese Annahme un bedenklich. Wenn jedoch nach diesem Passus nur der als bescholten

zu erachten, welcher „durch ein Kriminalgericht“ rechtskräftig verur theilt worden, so dringt sich als Bedenken auf:

Wie es zu halten, wenn Jemand im Civil Prozeß zur Ableistung eines nothwendigen Eides rechtskräftig für unfähig erklärt wurde?

Titel 23 der Prozeß⸗Ordnung (5) bestimmt:

„Wer sich des frevelhaften Leugnens oder vorsätzlicher Unwahrheiten im Gerichte einmal schuldig gemacht hat, soll sowohl in diesem als in allen nachherigen Prozessen unfähig sein, zur Ableistung eines nothwendigen Eides, so weit als derselbe zu seinem Vortheile gereichen würde, verstattet zu werden.“

Da aber kein Grund ersichtlich ist, warum hier ein Unterschied zwischen einem Urtheil, welches auf Unfähigkeit zur Ableistung eines nothwendigen Eides lautet, ob solches von einem Kriminalgericht oder von einem Civilgericht gefällt worden, zu machen; so sprach sich die Abtheilung dahin aus: daß gleiche Motive gleiche Folgen haben müßten; daß dies aber am einfachsten dadurch zu erreichen sei, wenn die Worte

„durch ein Kriminalgericht“

wegsielen und dafür substituirt würde:

durch ein rechtskräftiges Urtheil.

2) Der allegirte §. 4 des Gesetzes vom 20. Juli 1843 bezeich— net (ch—e) als ehrengerichtliche Strafen:

Entlassung aus dem Dienste;

Entfernung aus dem Ofsizierstande, mit welcher der Verlust des Titels, der Charge und die Unfähigkeit zur Wiederanstellung als Offizier verbunden ist;

Verlust des Rechts, die Militair-Uniform zu tragen;

Entfernung aus dem bisherigen Wohnort, als Strafe.

Für unzweifelhaft darf angesehen werden, daß ein von seinen Standesgenossen mit einem der obigen Erkenntnisse betroffener Mann in einer ständischen Versammlung seinen Platz nicht finden könne.

3) Nicht minder müssen Männer von stäudischen Versammlungen ausgeschlossen bleiben, welchen das Bürger- oder Gemeinderecht ent zogen ist, da es folgerecht, daß die Ausschließung aus einer politi schen Corporation niederen Grades die Ausschließung aus einer mit höheren Rechten ausgestatteten Corporation selbstredend in sich fasse.

4) Dieser Passus betrifft diejenigen Personen, welchen ihre Stan— desgenossen das Anerkenntniß der Unbescholtenheit versagt haben. Wenn aber angenommen werden darf, daß Mitbürger das zutreffendste Urtheil über die Ehrenhaftigkeit ihrer Mitglieder werden fällen kön nen, so erscheint es als vornehmlichste Aufgabe des Entwurfs, nicht allein diese Befugniß den Standesgenossen allgemeiner zu übertragen, sondern diesem Ausspruche auch umfassendere Folge zu geben.

Nach der zeitherigen Gesetzgebung war es nämlich zum größten Theil eine den Staats Behörden überlassene Sorge, ständische Ver sammlungen von Personen bescholtenen Rufs rein zu halten. Jedoch treten Fälle ein, in denen Jemandes Ruf wohlbegründet als beschol ten zu erachten, ohne solches durch richterlichen Ausspruch erkennbar machen zu können; und wird, für derartige Fälle, in dem Urtheil der Standes- Genossen wenn man nicht darauf verzichten will, Beschol tene möglichst aus ständischen Versammlungen auszuschließen das sicherste und vielleicht das einzige Mittel gefunden werden dürfen, in einer Angelegenheit so zarter Natur mittelst Ueberzeugungs⸗-Gericht den bezeichneten Zweck erreichen zu können. Denn nicht allein sind Fälle denkbar, sondern treten im täglichen Leben in die Erscheinung, in denen Gesetze und Gerichte nicht zureichend sind, um die Beschol—⸗ tenheit durch Urtheil aus usprechen. Es kann sich Jemand gesetzmã⸗ ßig verhalten, leben und handeln, sein bürgerlicher Ruf dessenungeach— tet, mit allem Recht durch moralisches und sittliches Verhalten er schüttert und in der öffentlichen Meinung befleckt sein. Für derartige Fälle wird aber das Gericht der Standesgenossen als der allein mög⸗ liche Weg gelten dürfen, die beabsichtigte Reinhaltung ständischer Genossenschaften erreichen zu können.

Demzufolge konnte sich die Abtheilung der bezüglichen Bestim⸗ mung des Entwurfs nur anschließen, welche die ständische Befugniß, Mitglieder wegen bescholtenen Rufes von der Theilnahme an ständi— schen Versammlungen auszuschließen, und welche bisher gesetzlich nur für Kreisversammlungen dreier Provinzen feststand, weiter aus zudehnen und solche ausschließlich in die Hand der Standes— genossen legen zu wollen.

Zu II. Aus dem zu J. Bemerkten erhellt, daß in den 1 —3 beregten Fällen die Unfähigkeit zur Ausübung ständischer Rechte so⸗ fort eintreten muß, sobald der Vorsitzende der ständischen Versamm— lung (beim Kreistage der Landrath oder in dessen Verhinderung der erste Kreis- Deputirte; beim Kommunal Landtage der von den Ständen gewählte und von Sr. Majestät bestätigte Vorsitzende;

beim Provinzial-Landtage der Allerhöchst ernannte Landtags Mar⸗ schallh davon Kenntniß erlangt hat: daß das Erkenntniß, welches die entehrende Strafe festsetzt, rechtskräftig, daß das Urtheil des Eh⸗ rengerichtes Allerhöchst bestätigt (5. 50 des Gesetzes vom 29. Juli 1813), daß die Entziehung des Bürger- (Gemeinde-) Rechtes for⸗ mell gültig ausgesprochen sei. Jedoch wird im Wege der Instruction dahin Sorge zu tragen sein, daß diese Thatsachen auch gehörig zur Kenntniß des Vorsitzenden ständischer Versammlungen gelangen mögen.

Zu III. Dieser Abschnitt schreibt das ger vor, welches einzuschlagen ist, wenn (J. 4.) das Urtheil über Bescholtenheit des Rufes auf subjektive Ueberzeugung gegründet werden soll. Hierbei fand die einleitende Bemerkung Ausdruck, daß dieser Abschnitt, grö— ßerer Klarheit halber, in mehrere s aragraphen zerfallen möge.

Passus 1. verpflichtet den Vorsitzenden einer ständischen Ver⸗ sammlung, Thatsachen zur Sprache zu bringen, welche die Ehrenhaf⸗ tigkeit eines Mitgliedes in Zweifel stellen, um den Ausspruch der Standesgenossen darüber, ob das Anerkenntniß unverletzter Ehren⸗ haftigkeit ertheilt oder versagt werde, herbeizuführen.

§.

Passus 2 erkennt jedem Mitgliede einer ständischen Versammlun bie Befugniß zu, den Antrag zu stellen, daß einem anderen Mitgliede die Anerkenntniß unverletzter Ehrenhaftigkeit zu versagen sei; und ver= pflichtet Passus 3 den Vorsitzenden, diese Anklage der Versammlung mitzutheilen. l

Obschon kein Bedenken getragen wurde, obigen Verpflichtungen und obiger Berechtigung beizutreten, so schien es nothwendig, in Pas⸗ sus 2 hinter „befugt“ einschalten zu wollen: ;

unter Anführung bestimmter Thatsachen und deren Beweismittel; um frivolen Beschuldigungen hiermit entgegen zu wirken.

Bei Passus 4 wurde hervorgehoben, daß hinter „Zusammen— treten“, bei der Wichtigkeit des zu berathenden Gegenstandes, beige⸗ fügt werde: J

mit vorheriger Bekanntmachung des Zwecks der Versammlung.

Dem Passus 5, welcher die Entscheidung umfaßt, ob auf Grund des gestellten Antrages ein weiteres Verfahren einzuleiten, dürfte Nachstehendes beizufügen sein: 3

Entsagt Angeschuldigter der ferneren Ausübung ständischer Rechte,

so hat es dabei sein Bewenden, und kann dann Angeschuldigter

nur unter den Bedingungen des Abschnitts V. wieder zur Aus⸗ übung ständischer Rechte zugelassen werden. Entsagt dagegen der

Angeschuldigte nicht freiwillig der Ausübung ständischer Rechte, so

tritt dann folgendes Verfahren ein. . Denn unfehlbar darf einem freiwillig Entsagenden seine Rehabiliti= rung nicht enger verschränkt werden, als dem durch Urtheil Betrof⸗ fenen; weshalb dieser Zusatz als unabweislich gilt.

Ferner könnte es als Härte angesehen werben, daß für den An⸗ geschuldigten zwei Drittheile der Stimmen erforderlich werden, wãäh⸗ rend gemeinhin der favor defensionis vorzuwalten pflegt. Hierbei bleibt jedoch zu erwägen, daß §. 7 der Kreis-Ordnungen für Schle⸗ sien und die westlichen Provinzen gleiche Bestimmung enthält. Fer⸗ ner liegt es im recht eigentlichen Interesse des Angeschuldigten, seine Rechtfertigung klar zu stellen, sich möglichst vollständig gereinigt zu sehen, demzufolge den Ausdruck einer bedeutenden Majorität süůr seine Schuldlosigkeit zu erlangen. Endlich handelt es sich hierbei ja nicht um den Ausdruck des schuldig oder unschuldig, sondern, wie die Motive zum Gesetz-Entwurf zutreffend bemerken:

„Um Beantwortung der Frage: soll eine ehrenrührige Thatsache,

welche der Vorsitzende für wichtig genug hält, um sie in der Ver⸗ sammlung zur Sprache zu bringen, oder welche einer Versammlung

als Anklage formell hinzustellen kein Bedenken getragen hat, der

Untersuchung völlig entzogen werden?“ ö. . und fand die Ansicht demzufolge Beistimmung: daß eine Majorität von zwei Drittheilen für den gegebenen Fall als gerechtfertigt gelte, daß solche selbst im Interesse des Beschuldigten liege.

Passus 6, 7 und 8 bezeichnen den Gang der ersten Instanz. Nach derselben geht, sobald der Beschluß gefaßt ist, das Verfahren einzuleiten, die weitere Verfolgung der Sache in die Hand des Ober- Präsidenten über, welcher vermöge seiner amtlichen Stellung beson⸗ ders geeignet ist, in seinem Verwaltungsbezirke als Wächter über die richtige Handhabung ständischer Gesetze betrachtet zu werden; und dürfte demzufolge den Bestimmungen des Passus 6 beizutreten sein.

Dagegen ist zu Passus 7 zu bemerken, daß hinter die Worte: „die Entscheidung fällt hiernächst“, aus bereits anerkannten Gründen, einzuschalten sein dürfte:

nach vorgängiger Bekanntmachung des Zweckes der Versammlung.

Wenn aber hei a. die Entscheidung erster Instanz zunächst den Wählern zugesprochen wird, welche den Angeklagten zur Theilnahme an der ständischen Versammlung gewählt haben, bei welcher er in Anklage gesetzt worden ist; so gelten unfehlbar diejenigen, aus deren Mitte der Gewählte hervorgegangen, und welche derselbe vertreten soll, recht eigentlich als die Instanz, welche sein Verhalten, sein Ver⸗ gehen und die wahre Geltung seiner Handlung vom richtigsten Ge⸗ sichtspunkte zu beurtheilen vermag. .

Ist dagegen (bei b.) der Antrag auf Ausschließung gegen einen Rittergutsbesitzer, als Mitglied einer kreisständischen oder kommunal⸗ ständischen Versammlung, gerichtet, so soll die Entscheidung gleichfalls den Wählern des betreffenden Wahlbezirkes zustehen, zu welchem der Angeschuldigte gehört; und wurde der Ansicht beigepflichtet: daß die Ständesgenossen dieses Wahlbezirks am geeignetsten sein dürften, das Verhalten, wie den moralischen Werth des Angeschuldigten richtig zu würdigen und diese wichtigen Momente bei dem zu fällenden Urtheil mit in Anschlag zu bringen.

Gehört endlich Gu c.) der Angeschuldigte dem Herrenstande an, so erscheint es als entsprechend, daß für jeden einzelnen Fall die Er⸗ nennung eines Ehren-Gerichtshofes von Standesgenossen Sr. Ma⸗ jestät vorbehalten bleibe, dessen Ausspruch jedoch die Allerhöchste Be⸗= stätigung bedarf.

Bei Passus q8 ist nicht ersichtlich, warum der Angeschuldigte in der Wahl-Versammlung nicht erscheinen, dem Vortrage über das Er— gebniß der Untersuchung nicht beiwohnen, sich seinen Richtern gegen⸗ über nicht vertheidigen solle?! und ward die Ansicht ausgedrückt: daß dem Angeschuldigten diese Befugniß hier so wenig als bei allen übrigen gerichtlichen Verhandlungen zu versagen, bei denen mündliches Verfahren stattfindet; daß jedoch der Beklagte, nach erfolgter Vertheidigung, der ferneren Berathung, so wie der Abstimmung, nicht beiwohnen dürfe.

Passus 9, 10, 11 bilden die Vorschriften der Appellation.

Hierbei wurde von einem Mitgliede der begutachtenden Abthei⸗ lung hervorgehoben: daß das Wesen des Geschwornengerichts recht eigentlich darin beruhe, daß dasselbe ein Ueberzeugungsgericht von Standes-Genossen, daß daher von demselben keine wei⸗ tere Berufung, noch weniger aber, nach gesprochenem Urtheil, eine Verschärfung eintreten könne, daß demzufolge das von den Wählern gefällte Urtheil als ein rechtskräftiges gelten müsse, und daß von demselben keine weitere Berufung zulässig sei. Zur näheren Moti- virung wurden als sich aufdringende Zweifel hervorgehoben:

wie es in der Appellation zu halten, wenn ein bereits ver- sammelter Landtag eines seiner Mitglieder wegen Bescholten⸗

heit auszuschließen sich veranlaßt finde? (auf welchen Fall S. 4

der Motive hingewiesen wird); da doch unmöglich dem Land⸗

tage, welcher als Ankläger aufgetreten, der Ausspruch in zwei⸗

ter Instanz zustehen könne; ö ö J ob es ferner nicht als Härte gelten müsse, daß, wenn beide In⸗

stanzen verschiedener Ansicht gewesen, die Wähler den Ange⸗

schuldigten für unbescholten erach teten, derselbe dagegen von den

Standesgenossen des Landtages für bescholten erklärt werden,

es bei diesem Ausspruch ohne die Möglichkeit der Appel⸗

lation sein Bewenden behalten solle?“ Hiergegen ward jedoch geltend gemacht: daß ein weiterer reis von

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Richtern eine größere Bürgschaft der Unparteilichkeit ge⸗

zähre; ü ĩ daß ma 1 geringen Anzahl der Wähler, wie solche mitunter

vorfindlich, persönliche Rücksichten, Leidenschaft, Intrigue zc.

auf das ürtheil einwirkend werden könnten; . daß in den Kreis-Ordnungen für Schlesien und die westlichen

Provinzen eine solche zweite Instanz bereits angeordnet sei; daß sich eine Wahlversammlung nicht lei t in die Lage bringen

werde, ihrem Ausspruche, daß Jemand für unbescholten zu er-

achten, die Bestätigung versagt zu sehen, eine zweite n