1847 / 123 p. 3 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

Also eine größere Bürgschaft gewähre, daß bei Fällung des Urtheils leibenschaftslos und vorsichtig verfahren werde; daß es sowohl der Versammlung, welche die Anklage beschlossen,

als dem Angeklagten zustehen müsse, gegen ein gefülltes Ur⸗

theil nochmals ihre Bedenken und etwa noch ermittelte That⸗

sachen einer abermaligen Beurtheilung zu unterwerfen; ;

daß den Vertretern eines Standes in größeren Versammlungen die

Befugniß nicht zu versagen, ein Mitglied aus ihrer .

entfernen, welches sie für bescholten erachten, daß demzu fo ge

das Urtheil der Wähler nicht absolut bindend sein könne; z

und wurde den bezüglichen Bestimmungen des Entwurfes aus obigen Gründen mit 11 gegen 4 Stimmen beigepflichtet.

Dagegen wurde folgende Abänderung beschlossen: .

Wenn nämlich Passus 9 mit den Worten eingeleitet wird: „diese Entscheidung unterliegt der Bestätigung des Standes, wel cher auf dem Provinzial-Landtage den Angeschuldigten vertritt“,

so ist nicht die Bestätigung das Kriterium einer zweiten Instanz, sondern die Entscheidung, da das Wort Bestätigung!/ nach dem bisherigen gesetzlichen Sinne (Kriminal- Drdnung §§. 508. 512. 513.) nicht sowohl eine zweite Instanz, als eine Sanction der von einer unzureichend kompetenten Behörde gefällten Entscheidung be— itet.

ö Ferner ist nicht abzusehen, warum die Appellation nur dann zu lässig sein solle, wenn (bei a.) die Ausschließung von dem Provinzial Landtage erfolgt ist, da eine Ausschließung von dem Kreistage oder dem Kommunal⸗Landtage als eine nicht geringere bürgerliche Herab setzung betrachtet werden muß, und dürfte demzufolge Passus a. zu elidiren sein. .

Bei Passus c. wurde befunden, daß hinter dem Worte: „sich“

einzuschalten sei:

bei ihrer nächsten Versammlung; . um die Möglichkeit, daß ein gefälltes Urtheil verschärft werden könne, nicht in weite Ferne verlegen zu können. .

Zu Passus 11 wurde hervorgehoben, daß es sich bei der zwei ten Instanz nicht allein um ein Verwerfen, sondern auch um ein Ent scheiden handle, es also am Schluß dieses Passus heißen möge:

durch Stimmenmehrheit über den Ausspruch der Wahlversammlung in letzter Instanz entscheidet; womit die Schlußworte wegfallen würden: „Bei diesem Ausspruch hat es sein Bewenden.“

Zu 1V. findet sich nichts zu bemerken.

Abschnitt V. enthält die Modalitäten, unter denen die Rehabi litirung einer von Ständerechten ausgeschlossenen Person herbeige⸗ führt werden kann, wobei ständische Konkurrenz gleichfalls einwirkend werden soll. . . ;

Hierbei wurde jedoch bemerkt: daß es als Lücke des Entwurfs gelten müsse, wenn in diesem Abschnitt eine Wiederzulassung zur Aus⸗ Übung ständischer Rechte nur auf Antrag der Versammlung zulässig sein dell welche die Anklage beschlossen hat; sondern muß vielmehr auch für die im Abschnitt J. 1 3 aufgestellten Fälle einer Möglich keit der Rehabilitirung vorgesehen werden; und wird in Vorschlag gebracht, statt

„der Versammlung, welche die Anklage beschlossen hat“ setzen zu wollen:

einer ständischen Versammlung, zu welcher der Angeklagte gehört

hat oder seinen Verhältnissen nach angehören würde.

Ferner dürfte, auf Grund der bei Abschnitt III vertretenen be— züglichen Ansicht, hinter „Ausschließung“ einzuschalten sein:

oder Entsagung.

Abschnitt VI. handelt von den Fällen, in welchen die Auslbung ständischer Rechte ruhen soll, und tritt diese Suspension ein:

1) wenn das Bürgerrecht ruht.

Keinenfalls wäre es zu rechtfertigen, wenn Jemand vom Bür— ger⸗ (Gemeinde ⸗) Rechte, wenn auch nur zeitweise, ausgeschlossen worden, demselben das Recht einzuräumen, höhere ständische Rechte während dieser Zeit auszuüben; und scheint demzufolge diese Bestim mung zwei ellos.

2) wenn eine Kuratel- oder Kriminal-Untersuchung eingeleitet ist.

Als zweifelhafte Frage erscheint: ob schon die Einleitung einer jeden Kriminal-Untersuchung die Suspension ständischer Rechte begrün den solle; oder ob solche nicht vielmehr nur dann eintreten dürfe, wenn wegen eines Verbrechens, worauf eine ehrenrührige Strafe steht, von einer ständischen Versammlung auszuschließen sei? Der Entwurf hat, die erste Alternative vorgezogen, weil schon nach der revidirten , , ,, 17. Mai 1831 §. 23, nach der Landgemeinde— Ordnung für Westfalen vom 31. Oktober 1811 §. 47 und nach der rheinischen Gemeinde- Ordnung vom 23. Juli 1815 8. 40 die Einleitung einer jeden Kriminal-Untersuchung se derzeit das Ruhen des Bürger- (Gemeinde-) Rechtes nach sich ziehe, und wurde dieser Ansicht des Entwurfes desto unbedenklicher beigetreten, als es für ständische Versammlungen als peinlich und' als ungeeignet gelten müsse, ein Mitglied in ihrer Mitte zu wissen, über dem Freiheits— und selbst Ehrenstrafen schweben; es auch für ständische Versammlungen jeden falls als entsprechend erscheinen will, sich bezüglich der Bescholtenheit eines Mitgliedes über derartige Eventualitäten stellen zu wollen.

3) . ach ständische Versammlung ein förmliches Verfahren ein

geleitet hat.

. 9. vorläusige Ausschließung des in Untersuchung gezogenen Mitgliedes unterliegt um so weniger einem Bedenken, als es eben die Aufgabe wie der Inhalt des Entwurfes ist, die zweifellose Ehren haftigkeit der Mitgliedschaft ständischer Versammlungen im vollsten Umfange wahren zu wollen. ö SHierbei ist anzuführen, daß die in diesem Abschnitt beregte Sus⸗ pension sich von einer Ausschließung dadurch wesentlich unterscheide, als bei ersterer nur der Stellvertreter einberufen wird, das zeitherige Mandat demzufolge auch nur ruht, während bei letzterer eine neue Wahl eintreten muß und hiermit das Mandat erlischt.

Abschnitt VII. ist rein formeller Natur und unterliegt keinem Bedenken.

Schließlich wurde die Ansicht geltend gemacht, daß es im Ge— setz ausdrücklich ausgesprochen werde: daß eine wissentlich falsche Denunciation der gesetzlichen Strafe

der Verleumdung unterliege.

Das Gesetz fein darf als ein zeitgemäßes betrachtet werden, durch welches eine wichtige Lücke der vaterländischen Gesetzgebung ausgefüllt und mancherlei Zweifeln vorgebeugt wird.

Berlin, den 21. April 1847.

Die dritte Abtheilung der Kurie der drei Stände.

(gez) Graf Bismark⸗Bohlen. Grätz. Scheven. Douglas. von Arnim. von Jaraczewski. von Steffens. Minkley. von Münchhausen. Krämer. Krause.

D. Graf von Bocholtz-Asseburg. Sattig. Graf Stosch. Offermann. A. de Galhau.

,, J. ommissar: Nach der gründlichen und im We⸗ . anerkennenden Beurtheilung, welche der vorliegende Gesetz=

twurs von der Kommission ber hohen Versammlun erfahren hat, . ich mich bei dem Kain der Berathung auf wenige Worte beschränken zu können. Der Gesetz- Entwurf verdankt feine Entste⸗ hung zunächst einem Antrage des Rheinischen Provinzial-Landtages,

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welcher den Wunsch ausgesprochen hatte, daß die Cognition über die Bescholtenheit oder Unbescholtenheit seiner Mitglieder, welche bis da⸗ hin ven Organen der Regierung ausgeübt war, dem Landtage selbst übertragen werden möge, einem Wunsche, welchem Se. Majestät der König in dem Landtags- Abschiede für die gedachte Provinz auf das bereitwilligste entgegenzukommen versprochen haben. Nachdem auf diese Weise der Gegenstand einmal angeregt war, schien es unerläß⸗ lich, ihm eine breitere Basis zu geben, und zwar theils wegen des innigen organischen Zusammenhanges, in welchem die verschiedenen ständischen Institute unserer Monarchie zu einander stehen, theils we⸗ gen der von Sr. Majestät dem Könige erfolgten Kreirung Central⸗ ständischer Versammlungen. Für die Mitgliedschaft der Kreisstände ist der unbescholtene Ruf ebensowohl vorgeschrieben, als für alle übrigen ständischen Versammlungen; für die Kreisstände bestehen aber be— sondere Vorschriften über die Art und Weise, wie die Frage über Bescholtenheit oder Unbescholtenheit festzustellen sei. Indessen sind diese Vorschriften für die verschiedenen Provinzen, wie wir gehört haben, unter sich sehr wesentlich verschieden, und eine Provinz ent behrt dieser Bestimmungen überdies gänzlich. Sollten nun die Regeln zur Beurtheilung der Bescholtenheit für höhere Instanzen festgesetzt werden, so schien es räthlich, wo nicht nothwendig, dieselben für die unteren Instanzen zu generalisiren, und dies war um so unerläßlicher, nachdem Se. Majestät der König die Centralständischen Ver samm lungen berufen hatten, indem wohl jedes Mitglied einer solchen Ver sammlung mit Recht erwarten konnte, daß die Bescholtenheit oder Unbescholtenheit seiner Mitstände nach denselben Regeln beurtheilt werde. Nach diesen Grundsätzen haben wir geglaubt, den Gesetz Entwurf allgemein fassen und die älteren speziellen Vorschriften, die davon abweichen, außer Kraft setzen zu müssen.

Was den materiellen Inhalt des Entwurfs betrifft, so beruht der selbe auf zwei wesentlichen Prinzipien, nämlich:

1) daß die Ausübung der Standschaft das höchste politische Recht und die höchste politische Ehre in sich begreife, daß also alle Personen, welche in Beziehung auf andere politische oder Stan- des-Functionen eine Verminderung ihrer Ehre erktten haben, in keiner Weise die höchste Ehre, d. h. die der Standschaft, ausüben können; auf dem Grundsatz, daß die Bescholtenheit oder Unbescholten— heit, so weit sie nicht aus bestimmten Kriterien zu erkennen, von Standesgenossen beurtheilt werden, daß also ein udicium parium eintreten müsse.

Aus diesen Grundsätzen entwickeln sich die einzelnen Bestimmun⸗

gen des Gesetzes; wenn im Laufe der Debatte nähere Auskunft über das Einzelne gewünscht werden sollte, so werde ich diese zu geben gern bereit seid. ; . . Marschall: Es sind zu diesem Gesetz⸗ Entwurf nach 8§. 15 der Geschäfts-Ordnung zwei Amendements-Vorschläge gemacht und mir überreicht worden. Der erste vom Grafen von Gahlen ist allgemei— ner Art, ich werde also den Antragsteller bitten, ihn entwickeln zu wollen, und dann die Frage stellen, ob er von der reglementsmäßi gen Anzahl von Mitgliedern der Versammlung unterstützt wird, um ihn in Berathung nehmen zu können. Abgeordn. Graf von Gahlen: Ich muß die hohe Ver⸗ sammlung recht sehr um Verzeihung bitten, wenn ich mich zuerst auf S. 7 des Gesetz⸗ Entwurfs berufe. S. 7 des Gesetz⸗-Entwurfs hat nämlich die Bestimmung:

Alle den vorstehenden Anordnungen zuwiderlaufende Vorschristen

werden hiermit aufgehoben. Alles also, was in Beziehung auf

die Beurtheilung der bescholtenen Personen bisher gegolten hat, ist von dem Augenblick nicht mehr gültig. In der Provinz Westfalen haben wir, wie wir aus dem Gutachten gehört haben, ein besonderes Verfahren, wie über Bescholtenheit bei kreisständischen Versammlungen entschieden wird. Dieses ist durch F. T der Kreis Ordnung vollständig bestimmt. Es ist ein von dem hochseligen König verliehenes Recht, und ein Bestandtheil dieser Einrichtung der Kreisstände wird durch §. 7 aufgehoben. Ein solches Recht aufzuheben, ist nach 8. 12 des Gesetzes vom 3. Februar c. ohne Zuziehung oder Anhörung sdes Provinzial-Landtages nicht zu⸗ lässig. Es ist allerdings gesagt worden: (Liest die betreffende Stelle).

Ich kann in diesem Abschnitt des S. 12 nicht finden, daß, wenn zufällig nicht eine Provinz, sondern zwei, drei ein besonderes ständi— sches Recht haben, dieses lediglich zur Cognition des Vereinigten Landtages gehören solle. Es kommt nur darauf an, ob es ein ein—⸗ zelnes Recht der Provinz ist; denn wenn es ein solches ist, so muß der betreffende Provinzial Landtag darüber gehört werden. Ob und welches Gesetz hier im Allgemeinen vorzuziehen sei, würde ich mich und diejenigen, die mit mir einerlei Ansicht sind, in die Nothwendig— keit versetzt finden, gegen den Gesetz⸗ Entwurf so wohl im Ganzen, als wie auch in seinen einzelnen Theilen zu votiren, wenn nicht der §. 7 aufgehoben und damit das allgemeine Gesetz subsidiarisch würde. Ich beantrage, daß 8. 7 aufgehoben werde.

Königl. Kommissar: Ich glaube Folgendes müssen: .

Der vom geehrten Antragsteller angezogene Paragraph lautet

allerdings:

ELiest die betreffende Stelle vor.) ö

Ich glaube aber nicht zugestehen zu dürfen, daß dieser Para⸗ graph, durch die Vorlage der Regierung verletzt sei. Einmal, weil es sich hier nicht um ständischen Beirath bei einer Abänderung der Ver⸗ fassung einer Provinz handelt; denn die Art und Weise, wie die Be⸗ scholtenheit beurtheilt werden solle, berührt die ständische Verfassung der Provinz keinesweges; und zweitens ist vorgesehen, daß, wenn dergleichen Angelegenheiten sich über mehr als eine Provinz erstrek= ken, dieser Besrath vom Vereinigten Landtage erfordert werden kann. Wir haben aber vernommen, daß die fraglichen Bestimmungen für Schlesien, Westfalen und die Rheinprovinz gleich sind, deshalb ist das Gouvernement, der Meinung, daß die Vorlage der gesetzlichen Bestimmung vollständig entspreche. Uebrigens würde die Üünterdrük⸗ kung des angefochtenen Paragraphen das ganze Gesetz in die Luft stellen. Denn wenn das neue Gesetz gelten und die älteren Provin— zial-Gesetze beibehalten werden sollen, so würde Einheit und Konse—⸗ Juenz fehlen. Deshalb glaube ich nicht, daß das Gouvernement sich dem Amendement würde anschließen können. .

Marschall: Ich frage, ob dem Amendement, welches dahin geht, den Artikel 7 wegzustreichen, beigetreten wird?

(Findet keine Unterstützung . ö

Es hat keine Unterstützung gefunden. Das zweite ,, ist von dem Abgeordneten Delius gestellt und besteht darin, daß Nr. 2 des Artikels 1 weggelassen werde. Da dies in Einzelnheiten ein= geht, so würde es bei der Berathung der Paragraphen vorkommen, Das Erste, was von der Abtheilung beschlossen worden ist, ist die Bedürf⸗ nißfrage anzuerkennen. Es fragt sich, ob über die Bedürsnißfrage Jemand sprechen will. Es haben' sich Mehrere gemeldet, wahrschein⸗ lich zur Besprechung des Gesetzes im Allgemeinen.

Abgeordn. Brust: Meine Herren! Wenn Jemand in die⸗ sem Saale Beruf hat, über vorlie endes Gesetz zu sprechen, so ist es

ewiß meine Person, die das Schicksal hatte, . die Veran⸗

erwiedern zu

assung zu diesem Gesetze zu sein. In der Denks. . Bezug auf einen Deputirten der T . ros in genommen, und dieser Deputirte

bin ich. Es steht in dieser Denkschrift, ein rheinischer Deputirter sei in Untersuchung verwickelt worden, und der Ober⸗ Prokurator habe dies dem Landtags-Kommissar mitgetheilt. Indessen ist dabei zu be⸗ merken, daß diese Untersuchung gerade auf den Antrag des Kommis⸗ sarius oder der Königlichen Regierung zu Koblenz gegen mich ver— hängt worden ist. Man hat mich des Gewohnheitswuchers beschul— digt. Ein verletzter Theil, gegen den ich Wucher ausgeübt haben sollte, war nicht aufgetreten. Wenn die ganze Sache nicht ein Ten⸗ denz Prozeß gegen mich wäre, so ist es schwer, zu begreifen, wie die Königliche Regierung sich veranlaßt finden konnte, eine solche Unter suchung gegen mich zu provoziren. Dieser Schritt war um so auf⸗ fallender, da der Staat durch die Königliche Bank und Seehandlung auch Geld- und andere Geschäfte treiben läßt, die einer sehr ver⸗ schiedenen Beurtheilung unterliegen. Es ist nämlich nicht unbekannt, daß, während die Bank von Pupillengeldern und anderen Depositen nur 2 pCt. Zinsen zahlt, sie viel höhere Zinsen realistrt; eben so ist es nicht unbekannt, daß die Seehandlung Geschäfte treibt, in diesem Augenblick sogar mit Roggen, den sie zu 60 Rthlr. eingekauft hat und jetzt mit 100 Rthlr. verkauft. Geichen des Mißfallens.)

Ich will dies nicht als en Unglück beklagen, sondern nur be⸗— weisen, daß es auffällig war, wie die Regierung mich hier in Unter— suchung ziehen konnte. Diese ist in großartigem Maßstabe geführt worden und endigte damit, daß ich freigesprochen wurde. Ich bin vom Landtage entfernt worden und habe also Strafe erlitten, ohne daß ein Urtheil gegen mich gefällt worden ist. Entschuldigen Sie, daß ich Sie mit Perssnlichkeiten unterhalten habe, ich habe aber ge⸗ glaubt, daß die Schilderung meines Beispiels nöthig sei, um Ihnen zu zeigen, wie sorgfältig die Bestimmungen eines Gesetzes erwogen werden müssen, wodurch die Ehre, der gute Name und politisches Recht nur zu leicht gefährdet werden können. Hier in diesem Gesetz soll die Bescholten heit auf allerhand Weise bestimmt und anerkannt werden. Mir scheint aber, daß eine Bescholtenheit nur dann besteht, wenn irgend einem Abgeordneten, irgend einem Manne Ehre, und Bürgerrecht durch ein Urtheil entzogen sind, eher kann von einer Bescholtenheit nicht die Rede sein. Ein berühmter Rechtslehrer hat vielmehr gesagt: ubi accusare et difsamare sufficit.

Wenn also die bloße Anklage der Untersuchung hinreicht, so ist nichts mehr sicher und besonders, weil die Regierung es in ihrer Hand hat, jede ihr mißliebige Person vor Ausübung ständischer Rechte zu entfernen. Welche sonderbare Motive hierbei obwalten, haben wir noch vor drei Wochen gesehen. Da war ein anderer Kollege von uns auch angeklagt. Seine Bescholtenheit sollte durch ein Ehrenge⸗ richt untersucht werden, welches von den rheinischen Stände⸗Mitglie⸗ dern gehalten wurde. Es wurde der Bericht vorgelesen, worin gesagt wurde, der Deputirte gehöre der liberalen Partei an, und sein Stell vertreter sei eine dem Gouvernement viel angenehmere Person. Wenn also solche Motive gelten sollen, so ist solche Untersuchung leicht zu provoziren. Dann haben wir Tendenz⸗Prozesse, weiter nichts. Ich bin also der Meinung, daß nur wirkliches Urtheil genügen kann, um eine Standschaft zu entziehen. Wenn gesagt worden ist, daß in den rheinischen Gesetzen deshalb nichts vorgesehen wäre, so muß ich er⸗ klären, daß dem nicht so ist. Der Artikel 12 unseres Cod. nale ermächtigt unsere Gerichte ausdrücklich, das Wahlrecht, das Recht, zeuge zu sein, das Recht, Vormund zu sein, das Recht, Geschworner zu sein, zu entziehen. Wenn dies vom Gericht ausgesprochen ist, so sinde ich es ganz gerecht, daß Bescholtenheit existirt. Ich trage dar—

f an, das Gesetz zu verwerfen. ö ; . ö . andta zl Kommissar: Ich glaube nicht, daß der spezielle Fall, welcher allerdings die nächste Peranlässung des gegen— wärtigen Gesetz - Entwurfs gewesen ist, hier e. Erorte⸗ terung unterliegen dürfe. Ich 6 daher in 3 Augenblick nicht darauf antworten, ob die erst Deranla fung, l. . mn, welcher so eben gesprochen, zur Untersuchung zu zie hen, e. der degirung aus⸗

egangen ist oder nicht. Wenn aber die nähere Erörterung dieses . von der hohen Versammlug gewünscht werden sollte, so bin . . sämmtliche Verhandlungen im Sekretariat aufzulegen, damit die Ueberzeugung gewonnen werden könne, wie es, damit stehe. Es wer⸗ den dann die Urtheile beider Instanzen, die Mittheilungen des Ober⸗ Prokurators an den Landtags Nommissar u. s. w. eingesehen werden können. Wenn also ein Wunsch der Versammlung sich ausspricht, so werde ich die Papiere im Sekretariat niederlegen lassen.

ÜUViele Stimmen wünschen dies.!

Was den zweiten Fall, dessen der Herr Abgeordnete erwähnt, betrifft, daß nämlich bei einem anderen Deputirten, dessen Unbeschol= tenheit angefochten, zugleich dessen politische Tendenzen erörtert seien, so glaube ich dabei das Urtheil der hohen Versammlung für das Gouvernement in Anspruch nehmen zu dürfen. Der Fall ist folgen⸗ der: Unmittelbar vor Eröffnung dieses Allgemeinen Landtags erhielt ich eine Anzeige, daß der Ruf eines der Herten Deputirten in Frage gestellt sei, weil er sich wegen groben Gewohnheitsschmuggels in ge⸗ richtlicher Untersuchung befinde. Nach dem jetzigen Stande der Ge— setzgebung würde ich allein zu beurtheilen gehabt haben, ob der De⸗ putirte als bescholten einstweilen auszuschließen oder zuzulassen sei. Des Königs Majestãt geruhten aber, zu bestimmen, daß, unter einst⸗ weiliger Suspendirung des gesetzlichen status quo, und mit Rücksicht auf den eben vorliegenden Gesetz Entwurf, die Standesgenoffen der Provinz gehört werden sollten, ob der Ruf, des Depütirten be— fleckt sei oder nicht. Tiese hann ihn einstimmig für unbefleckt er⸗ klärt, und auf Grund dieses Beschlusses ist er ohne Weiteres zuge⸗ lassen worden. Ich glaube, daß hierin das Gouvernement in libe⸗ ralster, zuvorkommender Weise gehandelt hat. Wenn nun in dem Bericht des betreffenden Ober, Präsidenten gestanden hat, daß dieser Deputirte der liberalen Partei angehört, und daß sein Stellvertreter dem Gouvernement viel angenehmer sein müsse, dessen Antrag aber nichtsdestoweniger dahin geht, den Deputirten nicht auszuschließen, und wenn dieser Bericht den Herren Standesgenessen mitgetheilt ist, so glaube ich, daß darin kein anderer Vorwurf liegen kann, als vielleicht der der Unvorsichtigkeit und zu großer Unbefangenheit: jeden anderen muß ich ernstlich zurückweisen. Endlich habe ich noch ein Wort an⸗ zuführen über den Antrag des geehrten Redners, daß lediglich ge⸗ richtliche Verurtheilungen der mögliche Maßstab der Unbescholtenheit seien. Doch glaube ich, dieserhalb lediglich an die Versammlung appelliren zu dürfen, ob wirklich Niemand in recht greller Weise be scholten sein kann, ohne daß er einem gerichtlichen Strafurtheile un⸗ terlegen habe. Es wird keiner Beispiele bedürfen. Diejenigen, welche anderer Meinung sind, nur die können dem geehrten Redner bei⸗ treten.

Abgeordn. Mevissen: Hohe Versammlung! Der Gesetz⸗Ent⸗ wurf, der Ihnen heute zur Berathung vorliegt, hat, wie ich glaube, bei der Mehrzahl dieser Versammlung gemischte Gefühle, ein Befühi der Befriedigung und ein Gefühl, getäuschter Erwartung er weckt. Ein Gefühl der Befriedigung, weil er zuerst offiziell den richtigen Grundsatz, daß die 1 Versammlung in ihren inneren Angele⸗ genheiten selbst zu entscheiden habe, anerkennt. Wir haben nur zu wünschen, daß die Staats- Regierung recht bald die Initiative ergreifen und die weiteren . dieses Prinzips ziehen möge. Ein Ge⸗ fühl getäuschter Erwartung, weil ich glaube, daß nach Verlauf dieser Diskussion, die sich

eben zu entwickeln beginnt, die materiellen Be—⸗ stimmungen dieses Gesetz- Entwurfs, als der öffentlichen Meinung Erste Beilage.

Erste Beilage zur Allgemeinen Preusischen Zeitung.

und der Achtung vor dem Rechte der Personen widerspre end, bei der graßen Mehrzah! dieser Versammlung keinen 9h . sinden werden. Was zunächst die Frage betrifft, ob dieser Go etz⸗ Entwurf ein Bedürfniß sei, so glaube ich, nach der Lage der bisherigen Ge⸗ setzgebung, daß dieses Bedürfniß zwar nicht aus der Lage der Ge— een. an a wohl aber aus der Entwickelung, welche die Ge⸗ etzgebung praktisch, seit Bestehen die ser Gesetzgebung, genommen hat, bejahend beantwortet werden muß. Das Gesetz vom 5. Juni 1823, das Grundgesetz unserer ständischen Verfassung, fordert die Unbe“ scholtenheit des Rufes für alle Mitglieder. Dieses Gesetz stellte kein Verfahren fest, wonach diese Unbescholtenheit des Rufs erkannt werde, es stellte keine feste Kriterien für diesen Ruf fest; es stellte nicht fest von wem die Unbescholtenheit ermittelt werden sollte. Natür⸗ lich würde es gewesen sein, und einer unbefangenen Auffassung ent⸗ sprechend, wenn das Gouvernement diese Licks der Gesetzgebung zu Gunsten der persönlichen Rechte interpretirt, wenn es gesagt hätte, nur der ist bescholtenen Rufes, der durch irgend ein Kriminalgericht zu einer entehrenden Strafe rechtskräftig verurtheilt worden ist. Ich glaube, wenn sie sich fragen, wie sie die betref⸗ fende Lücke der Gesetzgebung praktisch aufgefaßt haben, so würde dies die Antwort gewesen sein. Die Antwort, die aus der Anwendung des Gesetzes von Seiten des Gouvernements hervorgegangen ist, ist eine andere, eine abweichende, sowohl in Bezug auf die orm, als in Vr! zug auf den materiellen Inhalt. In Bezug auf die Form stellt das Gesetz nicht fest, wer dies Urthell über den Ruf fällen soll. Das Gouvernement hat diese Lücke so interpretirt, daß das Gouvernement dieses Urtheil fällen soll. In Bezug auf den? materiellen Inhalt stellt das Gesetz nicht fest, welche Kriterien vorhanden und Pie sie sestgestellt sein müssen, um Jemand für bescholten zu erklären. Wie es hen, wird erst jetzt der Versuch gemacht, solche Kriterien auf⸗ zufinden. Die Regierung aber, die bis dahin ausschließlich für sich das Urtheil über den Ruf der , n. Mitglieder, das Urtheil über den Ruf derjenigen Körperschaft, die berechtigt ist, die Staats— Regierung zu kontrolliren, die mit der Staats Regierung gleichberech—⸗ tigt zur Gesetzgebung konkurriren soll, in Anspruch nahm, hat bisher die Bescholtenheit des Rufes genügend dargethan, auch wenn kein rechtskräftiges Urtheil ergangen, sondern wenn nur eine Kriminal ⸗Un⸗ tersuchung eingeleitet war. Sie hat das letzte Kriterium für genü⸗ end erachtet, und nur darin, daß verschiedene provinzialständische zersammlungen mit dieser Auffassung der Regierung nicht einverstan⸗ den waren, weil sie dagegen nachdrücklich remonstrirt, weil sie geglaubt haben, das Gesetz müsse durchaus eine andere Basis aben, darin haben Sie die Bedürfnißfrage für die Entstehung dieses Gesetzes zu erkennen. Ich bin, wie gesagt, der An' sicht, daß bei dem heutigen Zustand der Dinge das Gesetz ein drin. gendes Bedürfniß geworden sst, damit wir endlich aus dem Zustande des Schwankens, des Verwaltungs⸗Urtheils über den unbescholtenen Ruf herauskommen. Wird das Bedürfniß anerkannt, so wird die weitere Frage zu erheben sein: wie der gute Ruf eines Menschen zu definiren ist. Der gute Ruf beruht 91 der unbestrittenen Ehrenhaf⸗ tigkeit der Person. Diese Ehrenhaftigkeit ist eine doppelte, eine' in—= nere, eine äußere. Die innere Ehre beruht auf dem Selbstgefühl, auf dem Gefühl der inneren sittlichen Freiheit, der inneren Würde,

auf dem Bewußtsein, daß die einzelne Persönlichkeit in keinem Akte

ihres Lebens sich seiber, ihren Ueberzengungen ungetreu geworden. Diese innere Ueberzeugung ist jedem äußeren Eingriff unantastbar. Sie kaun auch dann noch fest bestehen, wenn alle anderen sie nicht aherkennen, sie hat in der Geschichté fortbestanden bei historischen Personen, die mit der ganzen Anschauungsweife, mit dem Rechtsbe⸗ wußtsein und der Sitte ihrer Zeit in Konflikt gerathen waren, sie hat bei Sokrates, Christus, Huß fortbestanden, inmitten solcher Kon⸗ flikte, und kein Gericht der Welt hat sie erschüttern können. Das ist die eine Seite, die innere Ehre der Person.

Die zweite Seite ist die äußere Ehre. Die äußere Ehre der Person wird dargestellt durch die Achtung, die die Person in ihrer näheren und weiteren Umgebung in der menschlichen Gefellschaft, in dercsie lebt. genießt. Diese Achtung beruht auf der Ansicht er G.! sellschast, daß die einzelne Person in ihrem Rechtsbewußtsein, in ihren Handlungen mit dem Rechtsbewußtsein, mit den Sitten dieser Ge— sellschaft in ungetrübtem Einklang stehe. Auf dieser voraus gesetzten liebereinstimmung beruht die äußere Anerkennung der Ehre einer Person. Wo, wie bei uns, diese Chrenhaftigkein zue Unterlage der wichtigsten politischen Rechte gemacht ist, da, glaube ich, wird der Geist dieser Versammlung dafür bürgen, daß sie Bedenken tragen wird, diese Ehrenhaftigkeit zu bezweifeln, an diesen Rechten zu ruh— ren, ohne die dringendste, unabweisbarste Veranlassung. Sie ö. nicht geneigt sein, das Gesetz lar zu interpretiren, sonder strikte. Die Verletzung des allgemeinen Rechtsbewußtseins durch Handlungen be straft das Strafgefetz und nur dann, wenn das Strafgericht festge⸗ stellt hat, daß der Einzelne von dem Rechtsbewußtsein der Gesanmt. heit abgewichen ist, nur dann kann mit Sicherhelt sein Ruf für be— scholten erachtet werden. Ein jeder Versuch, andere Kriterien aufzu⸗ sinden, ist mißlich und gefährlich. Am gefährlichsten ist der Versuch, eine spezielle ständische Ehrenhaftigkeit der allgemeinen bürgerlichen gener fei zu substituiren. Im Lauf der Geschichte ist jene Ent— wickelung vor sich gegangen, die das besondere Rechtsbewußtsein, die besondere Sitte zum Allgemeinen entwickelt hat. Der Pfahlbürger hat sich zum Staatsbürger, der nur mit Privatrechten versehene Mensch hat sich zu dem mit allgemeinen politischen Rechten versehenen Yen en erhoben. Sollen wir nun heute von jener Entwickelung zurückschreiten, sollen wir zum Einzel⸗Rechte zurückkehren und die all— gemeinen Rechtsbestimmungen aufgeben? Sollen wir heute die Ehre eines Menschen für gekränkt erachten, weil er etwa mit den speziellen Ansichten einer Kaste, eines Standes in Konflikt gerathen ist, während er dem allgemeinen Rechts Bewußtsein vollkommen getreu geblieben ist? Ich glaube nicht, daß ein solcher Geist in dieser hohen Versamm⸗ lung vorherrschen wird. .

Mit der

chen chte, sonde

s Gesetz⸗Entwurfs.

ch komme, wie gesagt, jetzt . §. 1 Tes Heset En imun el adi 1. 9 Kritik des Entwurfs. Der

iest vor.)

61

Dienstag den ten Mai.

Als bescholten sind diejenigen Personen zu erachten, welche durch ein militairisches Ehrengericht zu einer der im §. 4 Lit. B—« der Allerhöchsten Verordnung vom 20. Jull 1843 über die Ehrengerichte aufgeführten Strafen verurtheilt.

Der ganze Paragraph beruht, und ich bitte, sich das zu verge⸗ genwärtigen, auf der Unterscheidung einer bestimmten Einer e. von der allgemeinen Ehre des Volkes, und ich frage Sie? Kann es genügen, daß irgend eine bestimmte Standesehre einzelnen Standes— 9 gekränkt erscheine, damit der Mensch sein Menschenrecht ver⸗ liere, daß ihm sein höchstes politisches Gut entzogen werde. Verfol⸗ gen Sie den Entwickelungsgang, den der Begriff Standesehre im Laufe der Geschichte genommen hat.. Die Standesehre war eine ganz andere im Mittelalter, als sie es heute ist. Sehen Sie, wie damals die verschiedenen Klassen der Gesellschaft ohne Scheu sich Dinge er— laubten, die heute dem Rechtsbewußtsein civilisirter Nationen wider⸗ sprechen. Welche Standesehre ist heute noch mit dem Raubritter= thume verträglich? Sehen Sie, wie noch im vorigen Jahrhundert die Standesehre bei einem gewissen Stande gewisse noble Passionen für ehrenwerth erachtete, und wie noch im heutigen Jahrhundert die Begriffe von Stanbesehre und die Begriffe von allgemeiner bürger— licher Ehre streng geschieden sind. Noch heute giebt es einen Stand, bei dem das Duell Ehrensache ist, während der größere Theil der heutigen Gesellschaft das Duell zur kriminalgerichtlichen Strafe geeignet hält. Diese wenigen Andeutungen werden genügen, um Ih⸗ nen darzuthun, daß keinesweges die Standesehre nothwendig mit der allgemeinen Ehre übereinstimme, daß vielmehr noch heute ein unlös— barer Konflikt zwischen Standesehre und bürgerlicher Ehre besteht. Wollen Sie nach diesen Erläuterungen die Standesehre noch für maßgebend erachten, um ihrer etwaigen Verletzung wegen einem Ihrer Mitbürger die höchsten Rechte zu entziehen? Ich glaube, Sie wer— den einen solchen Grundsatz nicht anerkennen, sondern diesen Passus des Gesetz⸗ Entwurfs einstimmig verwerfen. Ich brauche Sie nicht zum Ueberfluß an neueste Vorfälle in unserem eigenen Vaterlande zu erinnern, diese Vorfälle sind nur zu bekannt, und ich glaube, daß die große Majorität in diesem Saale den Personen, denen die Standes ehre durch militairische Ehrengerichte abgesprochen worden ist, das Zeugniß unversehrter bürgerlicher Umnbescholtenheit nicht versagen, daß sie dieselben mit Freude in ihrer Mitte sehen würde. Ich halte es für durchaus unmöglich, den Konflikt der Standesehre und der bür— gerlichen Ehre zur Zeit in unserem Staate zu lösen.

Die zweite Bestimmung des Gesetz⸗Entwurfs ad 3 lautet:

Eiest vor.)

Als bescholten sind diejenigen Personen zu erachten, welche im ge—

ö Wege vom Bürger- oder Gemeinderecht ausgeschloffen

sind. = Erwägen Sie wohl den Umfang dieser Bestimmung, erwägen Sie wohl, was Sie thun würden, wenn Sie diese Bestimmung an—= nehmen. Sie würden ein kriminalrechtliches Urtheil, was dem Men‘ schen Alles entzieht, was sein höchstes Gut ist, was keine Rehabili⸗ tation im Laufe der Jahre zuläßt, lohne Zwischenkunft Anderer, ein solches Urtheil würden Sie' einer jeden Gemeinde- Eorporation von einer geringen Anzahl Mitglieder in die Hände legen. Das Krimi— nalgericht erkennt nur dann, wenn s Zuchthausstrafe oder zu ei⸗ ner anderen entehrenden Strafe verurkheist, und nicht einmal in allen diesen Fällen auf Verlust der bürgerlichen Rechte. Das Strafgesetz betrachtet also das bürgerliche Recht als ein so heiliges Gut, daß es selbst dann nicht unbedingt verloren werden soll, wenn auch das Strafgesetz eine entehrende Strafe verhängt, Nach diesem Para graphen des Entwurfs aber soll das Urtheil über dieses hohe Gut nicht dem Strafrichter, sondern dem zu einem solchen Urtheile gar nicht qualifizirten Gemeinde⸗Rathe berlassen werden, einer Corpora⸗ tion, die in ihren Mitgliedern wechselt unb gar keine Garantieen bie⸗ tet, soll das Urtheil über das höchste Recht des Menschen zustehen, und dieses Urtheil soll nur auf die innere Ueberzeugung, ganz abge⸗ sehen von allein rechtlich festzustellenden Thatsachen, begründet werden. Erwägen Sie die Frage in ihrer praktischen Bedeutung; erwägen Sie, daß in vielen unserer Gemeinden nur 5, 8, 10 Mitglieder den Ge⸗ meinde⸗Rath bilden und es nur der Uebereinstimmung von öder h Personen bedarf, einem Mitbürger seine heiligsten politischen Rechte zu nehmen. Die Gefahr, die in diesem Paragraph liegt, wird um so klarer her— vortreten, wenn ich an die einzelnen Bestimmungen der bestehenden Gemeinde- Ordnungen erinnere. Die rheinische Gemeinde- Ordnung sagt: Das Gemeinderecht kann durch Beschluß des Gemeinde Rathes auch demjenigen entzogen werden, welcher

1) zu irgend einer Kriminalstrafe verurtheilt oder in irgend einer

Kriminal-Untersuchung nur vorläufig freigesprochen worden ist; 2) sich durch seine Lebensweise oder durch einzelne Handlungen die öffentliche Verachtung zugezogen hat. ĩ

Ich frage Sie, wie vag ist der Begriff Verachtung, welcher weiten Interpretation ist dieses Wort fähig? Wir legen, wenn wir den Gesetz Entwurf annehmen, in die Hände weniger nicht qualifizir e r eder der Gemeinde-Räthe das Urtheil' über die höchsten Nechte eines Jeden von uns. Wir haben vom Königlichen Kommis— runs gehört, wie es im Geiste des Gesetz⸗ Entwurfs liege, daß der⸗ enige, dem die Ausübung untergeordneter politischer Rechte entzogen sei, auch keine höheren politischen Rechte ausüben dürfe. Freilich olgt das ganz lonsequent aus dem Geiste des Entwurfs, der mit Recht für die Ehre gewählter Mitglieder ständischer Versammlungen besorgt ist, aber darin zu weit gehi, daß er kein Bedenken trägt, den leisesten Makel, den irgend eine Corporation des Landes an der Ehre eines Menschen entdeckt hat, für genügend zu erachten, diesem Menschen seine Rechte zu entziehen. . Von Ihnen aber, meine Herren, erwarte ich ein anderes Urtheil. Erwägen Sie wohl, daß Ihre Mitbürger Sie hierher gesandt haben, um ihre Rechte zu schützen, nicht um dazu beizutragen, die bisherigen Normen, die sich keiner Billigung zu erfreuen gehabt haben, durch Ihr Votum zu festen, gesetzlichen und bleibenden Bestimmungen zu erheben. Erwägen Sie, daß in dem Gesetz Entwurf die Ent= ziehung der politischen Rechte an keine bestimmte Dauer ge— knüpft ist, daß ein Individuum durch einen Spruch, der es für bescholten erklärt, für immer durchaus rechtlos, aller staatlichen Rechte beraubt, hingestellt wird. Ich glaube, wenn Sie sich die tiefe Bedeutung eines solchen Urtheils vergegenwärtigen, werden Sie da⸗ von abstehen, ein solches Urtheil in die Hände der Gemeinde ⸗Räthe zu legen. Es bleibt mir nun noch übrig, einige Worte über Abschnitt 4 des 5. 1 zu sagen, wonach den Standesgenossen ein absolutes Üür⸗ theil über die Bescholtenheit anvertraut werden soll, ohne daß sie an irgend ein Kriterium durch das Gesetz gebunden werden. Auch das scheint mir mit einer hohen Achtung vor den Rechten der Person, die die Gesammtheit nur dann entziehen kann, wenn bestimmt charakteri⸗ . Handlungen diese Entziehung rechtfertigen, nicht vereinbar.

as Strafgesetz fordert bestimmte Thatsachen, um 'in Urtheil zu be⸗ gründen. Jedes Gericht der Geschwornen urtheilt nach innerster Ueberzeugung über eine bestimmte That. Wollen Sie weiter gehen, als das Strafrecht, wollen Sie sich zu einem höheren erceptionellen

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Gerichtshof konstituiren, wollen Sie Ihr Urtheil pure von Ihrer Ue⸗ berzeugung abhängig machen, ohne denjenigen, den Sie verurtheilen wollen, mit irgend einer schützenden Form zu umgeben? Freilich ent⸗ spricht das dem Geiste des Gesetz Entwurfs, der . vorliegt, dieser geht sogar noch weiter. Er gewährt nicht allein dem An eklagten leine schützenden Formen, nein, er hebt ausdrücklich die schützenden Formen, die das gewöhnliche Recht bietet, auf. Ich frage Sie, wird in irgend einem geselligen Verein der Ausschluß einer Fe fer nicht an die Bedingung geknüpft, daß eine große Majorität, daß oder der Anwesenden sich dafür erklären müssen? Im Gesetz Entwurf fin⸗ den Sie gerade das Gegentheil. Der Gesetz- Entwurf ist so zärtlich besorgt für den guten Ruf der Mitglieder, daß er es genügend sin= det, wenn * der anwesenden Standesgenossen erklärt, daß der gute Ruf bescholten sei. Der Gesetz⸗- Entwurf knüpft ferner das Urtheil über die Bescholtenheit nicht an das Urtheil einer ganzen ständischen Versammlung, sondern an das Urtheil eines Theiles einer solchen Versammlung. Er geht dabei von dem wenigstens konsequenten Grundsatz aus, daß die spezielle ständische Ehre eines Standes den guten Ruf bedingt und nicht die allgemeine bürgerliche Ehren⸗ haftigkeit, deshalb knüpft er auch die Bescholtenheit an die spezielle Beurtheilung eines Standes, nicht an das Urtheil der Einheit der verschiedenen Stände. Wenn Sie meiner Ansicht beitreten, so kön⸗ nen Sie nie und nimmer einen Stand für berufen erachten, ein sol⸗ ches Urtheil auszusprechen; denn ein Ürtheil über Rechte, die die Grundlage der menschlichen Gesellschaft bilden, kann nur von der mit der Ausübung dieser Rechte betrauten Gesammtheit ausgesprochen werden. Diesen Grundsatz können Sie auch dann noch aufrecht halten, wenn Sie selbst geneigt sein möchten, die subjektive Ueberzeugung einen solchen ständischen Körpers zum Richter über die Ehre Ihrer Hine ger zu machen. Ich habe nun noch den Passus zu besprechen, wel⸗ cher lautet:

Die Wieberzulassung zur Ausübung ständischer Rechte werden Wir nur auf den Antrag der Versammlung, welche die Anklage be= schlossen hat, genehmigen. Ein solcher Antrag darf nicht vor Ablauf von 3 Jahren nach der Ausschließung gemacht und nur dann zu Unserer Kenntniß gebracht werden, wenn zwei Drittel der Ver= sammlung sich dafür erklären.

Ich frage, wozu eine solche Beschränkung, selbst wenn Sie das Prinzip, welches ich bestritten, genehmigen? Warum werden die Konsequenzen dieses Prinzips nicht gezogen? Weshalb wird nicht be⸗ stimmt, daß, wenn eine ständische Versammlung über kurz oder lang von ihrem ersten Urtheile liber eine Person zurückkominen, wenn sie ein- sehen sollte, daß sie sich geirrt hätte in der Unterlage ihres Urtheils, daß sie dann zu jeder Zeit wieder auf Rehabilitirung der ungerecht bescholtenen Person antragen dürfe. Weshalb sollten dieser Remedur des Urtheils Schranken entgegen treten, weshalb wollen Sie diese Strafe, diese harte S* nf die im Gesetz⸗Entwurf ausgesprochen ist. die Strafe, die die Person inmitten der Gesellschaft moralisch tödtet, nicht je eher je lieber aufheben, wenn diejenigen, die das Urtheil gesprochen, die Ungerechtigkeit desselben anerkennen? Nach dem Wortlaute des Gesetz- Entwurfs würde der Mensch, den Sie für bescholten erklären, für immer beschoͤlten sein, so lange er auf Erden wandelt; der in jedem Kriminalrecht der neueren Zeit anerkannte Satz, daß im Innern der Person durch die Zeit eine Umwandlung stattfinden könne, eine innere Rehabilitirung hat in dem Gesetz⸗ Entwurfe keine Aufnahme gefunden. Der Gesetz⸗ Entwurf verdammt Jeden, derselbe zu bleiben, der er einmal war.

Eießt vor):

Der §. 6 sagt.

Die ständischen Rechte ruhen:

1) in allen den Fällen, in welchen meinderecht ruhen;

2) wenn eine Kuratel- oder Kriminal-Untersuchung eingeleitet ist;

3) wenn eine ständische Versammlung nach Nr. IIi. den Beschluß gefaßt hat, das Verfahren eintreten zu lassen, bis ein rechts⸗ kräftiger Ausspruch ergangen ist.

Der Redner, der vor mir gesprochen, hat ausgeführt, welche Gefahren es in sich schließt, wenn schon die Einleitung einer Kri⸗ minal-Untersuchung hinreichen könnte, Jemanden von ständischen Versammlungen auszuschließen. Die Einleitung einer Kriminal Unter- suchung beruht auf dem noch unbegründeten Verdacht eines Ver brechens. Ob ein solches Verbrechen wirklich vorliegt, darüber ent⸗ scheidet erst das Urtheil des konipetenten Gerichtes. So lange der Ausspruch des Gerichtshofes nicht erfolgt ist, steht wohl der Ver⸗ dacht einer That, aber keine That fest. Es ist allerdings möglich, und diese Möglichkeit ist recht wohl selbst mit dem größten Ver trauen, das man zu den augenblicklichen Inhabern der Staats gewalt haben mag, vereinbar, daß man sich eine Regierung denke, die von einem solchen vaguen Paragraph den allergrößten Mißbrauch machen würde. Es ist eine solche Möglichkeit ganz besonders vorhanden in einer so bewegten Zeit, wie der unsrigen. Menschen sind immer Men⸗ schen; die Gesetze sollen nicht nur auf die zufällige Gegenwart Rück⸗ sicht nehmen, sie sollen bleibende Bestimmungen treffen, die die per— sönlichen Rechte des Einzelnen unter allen Um fänden, so weit es mög⸗ lich und mit dem Staatszweck vereinbar, sichern. Diese Rechte aber sind durch jenen 8. 6 aufs tiefste bedroht. Ich enthalte mich des näheren Eingehens auf denselben, weil der vorige Redner ihn hin= reichend beleuchtet hat, aber das muß ich doch noch zufügen, daß meines Wissens in keinem civilisirten Staate der Verbacht ein. Verbrechens allein hinreicht, einer Person ihre Rechte, wenn auch nur einstweilen, zu entziehen. Vor wenigen Tagen bei der Dis kussion über die Adresse sagte ein Redner auf dieser Tribüne, das Rechts gefühl wecke und stähle die Kräfte der Völker und stütze die Macht der Krone, das Rechtsgefühl, meine Herren, wird da am stärksten sein, wo die Personenrechte sich des größten Schutzes der Gesetze erfreuen. Die Achtung der Bürger vor dem Gesetz steht im ge⸗ nauen Verhältniß zu der Achtung, welche das Gesetz vor dem Rechte, vor der Freiheit der Person selbst hat. Seien wir daher nicht leicht= fertig, wo es sich um die heiligsten Rechte unserer Mitbürger handelt Bedenfen wir, daß die gewählten ständischen Vertreter schon durch einen Akt des Vertrauens zur höchsten Stufe der bürgerlichen Ehre emporgehoben sind, und daß wir durch unser Urtheil diesen Akt des Vertrauens wieder vernichten würden; achten wir das Urtheil der Wähler, und erwägen wir wohl unsere eigene Berechtigung, damit kein eigenes, kein fremdes Recht gekränkt werde. rein Antrag geht dahin, an die Stelle des Geseßz⸗- Entwurfs einen einzigen En ragraphen zu adoptiren, dahin lautend, „als bescholten sind die Per⸗ sonen zu betrachten, welche durch ein Kriminalgericht zu einer enteh= renden Strafe rechtekräftig verurtheilt sind, und welchen ihre Standes-

enossen die Anerkenntniß unbescholtener , J Der Gesetz Entwurf geht von dem Grundsatze aus, jeden seisen Makel, der eine ständische Ehre betroffen, für genügend zu erachten, um Jemanden seine politischen Rechte zu entziehen. Ich gehe von dem Grundsatze aus, daß ein Urtheil von so peinlicher Bedeutung,

das Bürgerrecht oder Ge—

wie das Urtheil über die Ehre eines Mannes, nur auf vollkommen

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