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n Thatbestand begründet werden darf. Ich halte selbst das Urtheil des Kriminalgerichts, was eine entehrende Strafe verhängt, nicht in allen Fällen für genügend, um einen Makel auf die Ehre zu werfen. Ich fordere noch weitere Garantie, daß die Standesgenossen ein solches Urtheil bestätigen. Darin allein sehe ich eine genügende Garantie, denn selbst ein rechtskräftiges Umrtheil kann bei den schwan⸗ kenden Rechtebegriffen in Bezug . Duell und politische Vergehen eine Strafe diktiren, die nach dem Rechts Bewußtsein der Nation keine Ehrlosigkeit im Gefolge hat.
Mar ein, Ich bitte den Herrn Abgeordneten, mir den An— trag schriftlich zu übergeben, damit er morgen zur Berathung ge⸗ bracht werde. 5
Abgeordn. Brust: Der Herr Minister hat sich auf meine Un— tersuchungs Akte bezogen; ich habe nichts dagegen, wenn diese zur Einsicht ausgelegt werden, allein wie meine Mitbürger über mich denken, davon mag das den Beweis liefern, daß ich seit dem letzten Urtheil einstimmig zum Landtags Abgeordneten und mit Ausschluß von zwei Stimmen zum Stadtrathe gewählt worden bin.
Abgeordn. von Manteuffel: Ich bitte um ihre Nachsicht, wenn ich heute nicht so laut spreche, als es sonst wohl möglich wäre, da ich heiser bin. Ich gestehe, daß ich einen großen praktischen Werth diesem Gesetz⸗ Entwurf nicht beilege, und zwar deshalb nicht, weil ich glaube, die Fälle seiner Anwendung werden selten vorkom—= men, und weil die Regierung bisher des Rechts, dessen sich zu entäußern sie jetzt im Begriffe steht, sich mit großer Vorsicht bedient hat, und ich bin überzeugt, daß es auch ferner geschehen wird; dagegen er— kenne ich an, daß im Gesetz⸗ Entwurf ein wichtiges Prinzsöp ausge— sprochen wird, wie es in der ständischen Gesetzgebung in dieser All— gemeinheit noch nicht dagestanden hat, und ich glaube, daß die, welche einen schnellen, formellen Rechtsboden suchen, und diejenigen, welche BGarantieen verlangen, eine Gesetzgebung, wie die vorliegende, mit Freudigkeit begrüßen müssen. Es sind dem Gesetze die heftigsten Einwürfe entgegengesetzt worden, und ich gestehe, daß sie nur einiger⸗ maßen zu allgemein sind, um darauf zu antworten. Man hat 'ge— sprochen von allgemeinen Menschenrechten, die entzogen worden sind, von mittelalterlichen Ideen, und ich weiß nicht, wie ich diese Anfüh— rungen in Verbindung bringen soll. Mit dem vorliegenden Gesetz⸗ Entwurf beschräuke ich mich daher ganz kurz, die wichtigsten Ge⸗ sichtepunkte zusammenzustellen, und ich werde mir erlauben, da, wo ich kann, an diese Beschuldigungen ein paar Worte anzuknüpfen. Ich stelle drei Gesichtspunkte auf: I) das Prinzip, 2) das Verfahren und 3) die Konsequenz. Das Prinzip ist einfach in Rr. 4 der ersten Abtheilung enthalten. .
Eiest vor.) „Oder welchen ihre Standesgenossen das Anerkenntniß unver— letzter Ehrenhaftigkeit versagen.“
Ich habe in der That nicht geglaubt, daß dies Prinzip Anfech⸗ tungen erfahren werde; wenn die ständische Versammlung sich in ihrer Einheit fühlen soll, so muß sie die Ueberzeugung haben, daß nämlich die, welche ihre Einheit bilden, ihrer würdig sind. Man hat nun gesagt, man muß diese Ehrenhaftigkeit, die als Bedingung hingestellt ist, aus allgemeinen Gesichts punkten betrachten und nicht auf einzelne Thaten zurückgehen. Es ist im Allgemeinen die Bürger⸗ Ehre, um die es sich handelt, und ich will nicht daran erinnern, daß bei einem der edelsten Völker des Alterthums es die größte Schmach war, keinem Stande anzugehören. Unsere ständische Gesetzgebung beruht auf ständischer Gliederung; alle Vor— würfe sind a nicht gegen den Entwurf, sondern gegen unsere stän— dische Gesetzgebung. Die Regierung setzt fest, daß nur Jemand als Mitglied eines Standes seine ständischen Rechte ausüben dürfe, und wenn die, aus denen sie hervorgegangen, auch über diese wichtigste der Fragen, ob man bescholten ist, abuͤrtheilen sollen, so sehe ich nicht, was gegen diese Bestimmung anzuführen wäre. Man hat das Ver= fahren aber auch angegriffen; ich gebe zu, das Verfahren ist eine Sache der Zweckmäßigkeit, das Ziel, das vorgesteckt ist, kann man auf dem einen oder anderen Wege erreichen; ich glaube aber, daß wichtige Gründe vorliegen, den Weg einzuschlagen, den der Gesetz⸗ Entwurf gewillt hat, der, gegen den die Anklage der Bescholtenheit gerichtet ist, der ständischen Versammlung gegenübergestellt, aus wel— cher ausgeschlossen zu werden in Frage gestellt ist. Diese ständische Versammlung steht ihm gewissermaßen als Partei gegenüber, es ist ihr darum kein Ürtheil beigelegt, dagegen ein vorläufiges Befinden, sie stimmt als Anklage Kammer. Es ist der Vorwurf gemacht worden, daß bei dieser die e, ,. ausgesprochen sei, es gehören 3 der Anwesenden dazu, um das Verfahren gegen den Mann einzuleiten. Ich bitte, zu bedenken, es handelt sich um keinen Urtheilsspruch, son⸗ dern um Beantwortung der Frage: Soll der Mann, der von Allen aus der Stände Versammlung, von ihrem Vorsitzenden als Bescholte⸗ ner erachtet, unter Anführung gewisser Thatsachen, soll der, ohne daß diese Thatsachen erörtert . Mitglied der Stände -Versammlung bleiben oder soll das Verfahren eintreten, welches geeignet ist, seine Schuld oder Unschuld in das klarste Licht zu stellen. Ich glaube, wenn . vorgeschrieben wäre, die einfache Majorität foll entschei⸗ den, so würde es ein Unrecht gegen denjenigen, gegen welchen die Anklage gerichtet ist, sein. Er könnte nicht basitzen, wenn mit Ma— sorität von einer Stimme für ihn entschieden wäre; er muß es wün⸗ h und selbst antragen, daß ein so fundirter Antrag einer Unter— e ier fe; würde. Man hat die erste Entscheidung den
ählern überla en, die den Mann in die Versammlung erwählt ha—⸗ ben. Man hätte eine andere Form wählen föhnen, zu einem ein el nen, Fall einen Gerichtshof zu konstituiten. Man hat vorgezogen solche Willkür zu verineiden und ist auf die Wähler der Versamm⸗ lung zurückgegangen. Diese haben gewissermaßen ein Recht dazu; dadurch, daß sie, ihn einmal gewählt haben, haben sie ihn' als den Würdigsten aus ihrer Mitte zu ihrer Vertretung bezeichnet. Kommt nun ein Fall vor, der es zweifelhaft macht, ob er noch der Würdigste ist, so scheint es mir Pflicht, die Wähler in die Lage zu setzen ö. einmal . zu können, nicht von einem dritten Richter muß 63 eschehen, sondern die Wähler selbst haben das wichtige Recht, wel- es die Gesetze ihnen gegeben, nochnals auszuüben. Man hat eine zweite Instanz vorgeschlagen. Es haben in der Abtheilung Beden= ken darüber obgewaltet, ob solche hier am Orte fein' möchte. Ich verkenne das Gewicht dieser Bedenken keinesweges, aber man darf . dieser wichtigen Frage eher zu vorsichtig sein, als zu leichtfertig. Man hat erwogen, daß die Wähler ⸗Versammlungen allerdings zuwel⸗ len aus sehr , Mitgliedern zusammengesetzt sind, und daß diese in der Abgabe ihres Urtheils 5 sein würden, wenn sich in Hinter⸗ grunde ein zweites Urtheil fände, was das ihrige nochmals refor= miren könnte. Deshalb ist man par ie gegangen und hat die zweite stanz konstituirt in den Abtheilungen des Standes, welcher ben geordneten gewählt hat. Das sind ungefähr die Grundzüge des Verfahrens, wobei ich offen erklären will, daß ich die Abänderung, r ich die, daß bei dem ersten r,, in der Wähler⸗Versammlung ber Angeklagte selbst zugegen sein soll, für eine gute und wichtige halte, und wünsche, daß der Gesetz⸗Entwurf in diesem Sinne eine Mobification erhalte. komme nun zu den Konsequenzen. Es ist eine neue Materie,
die hier geregelt werden soll im Wege der Gesetgebung, Eine solch. im bestehenden Gesetze einzuführen, müssen u f. Folgerungen zu⸗
die in der Abtheilung vorgenommen 1. näm
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Konsequenz ist, daß bei demjenigen, welcher bereits zu einer infami= renden Strafe verurtheilt ist, von einem solchen Verfahren nicht mehr die Rede sein kann. Der Richter -Ausspruch ist in unserem Lande sine unantastbare Wahrheit, und ich würde es tadeln, wenn, wie der Abgeordnete vor mir sagte, wenn er noch der Kritik der Wähler un— germ orfen werden sollte. Ich wüßte in der That nicht, was die WVãhl ein thun sollten, wenn ihr Ausspruch hierüber verlangt würde. Des Königs Majestät hebt ein richterliches Urtheil nicht auf, sollen es die Wähler thun? Die zweite Konsequenz ist die, daß die ständi⸗ schen Rechte, in welchen die höchste politische Thätigkeit, die höchste Würde enthalten, daß die mindestens die Berücksichtigung finden, welche die geringen politischen Rechte, nämlich die Kommumalrechte, finden. Es ist hart geschlldert worden, daß der Ausspruch eines Gemeinderaths Jemanden der ständischen Befugnisse berauben sollte. Es ist dargestellt worden, daß der Mann damit politisch vernichtet. Ich frage Sie, wünschen Sie, daß Jemand in Ihrer Mitte sitze, den die Gemeinde⸗-Versammlung nicht in ihrer Mitte haben will? Ich be⸗ zweifle das. Die westfälischen Genieinde-Ordnungen sprechen mit dürren Worten aus, und sie sind vorsichtig genug gefaßt: wann die Ausschließung vom Gemeinderecht erfolgen; darf ist sie aber erfolgt, und kann der Mann das Mindere nicht ausüben, so scheint es mir konsequent, daß er zu höheren Ausübungen das Recht nicht zu ver— langen hat. Aehnlich verhält es sich mit dem Verfahren, wenn Gemein⸗ derechte ruhen; in solchem Falle scheint es konsequent, zu verbieten, daß auch die ständischen Rechte suspendirt werden. Es ist aber der Unterschied, daß sie nicht gleich vernichtet werden, sondern bis zum Ausgang der Sache ruhen. Wenn der unbescholtene Mann nicht das Recht hat, in seiner Gemeinde die Stimme zu führen, so kann er dies nicht in einer größeren Versammlung, die viel wichtigere Rechte zu vertreten hat. .
Es ist, nun noch der 8. 5 in Anklage gesetzt worden, wonach Se. Majestät der König ausspricht, es soll der Antrag einer ständi= schen Versammlung vorliegen, bevor die ständischen Rechte wieder verliehen werden. Ich finde hierin eine Beschränkung der Königlichen Prärogative zu Gunsten der Stände. Der König will nicht aus eigener Machtvollkommenheit in Beziehung auf diefen Punkt das Begnadigungsrecht ausüben. Es sei denn, daß die Stände selbst es gewünscht hätten. Nach diesen wenigen Andeutungen, die ich im Lauf der Debatte zu vervollständigen mir vorbehalte, glaube ich, daß das Gesetz, das so sehr bescholtene Bescholtenheitsgesetz seine sehr guten Seiten hat und diese Versammlung es wohl mit einer gewissen Genugthuung wird begrüßen können.
(Bravo.)
Abgeordn. Aldenhoven: Meine Herren! Ich habe eine dem vorigen Redner entgegengesetzte Ansicht über den uns vorge legten Gesetz Entwurf. Wenn ich unsere ständische Gesetzgebung seit dem Jahre 1823, und insbesondere die Gesetze über die Wahlen, be— trachte, so erkenne ich darin die Absicht, die Vertretung auf den Pro— vinzial-Landtagen zu erschweren und zu beschränken. Was die Ge— setze nicht ausgesprochen haben, das haben spätere ministerielle In— structionen und Declarationen zu vollenden gesucht. Es war in den früheren Gesetzen ausgesprochen, daß dasjenige Grund ⸗Eigenthum,
welches im zweiten und dritten Stande nicht vertreten sei, im Stande der Landgemeinden seine Vertretung finden solle; dies ist immer mehr und mehr , worden. Diese Tendenz soll in dem uns vor— gelegten Gesetz⸗ Entwurf über die Ausschließung bescholtener Personen don ständischen Versammlungen ihre Vollendung sinden. Bedenken Sie, meine Herren, daß unsere ständischen Rechte alsdann schon ruhen, wenn die, Staatsregierung gegen eines der ständischen Mit⸗ glieder eine Kriminal-Untersuchung einleiten läßt; betrachten Sie, wie in anderen Staaten diejenigen Bestimmungen, welche über die Un— verletzbarkeit der ständischen Mitglieder sich gerade in entgegengesetz⸗ ter Tendenz aussprechen, wie dieser vorliegende Entwurf sich aus— spricht. Sie sehen dort gesetzliche Bestimmungen, welche den Depu⸗ tirten während der Dauer der Verhandlungen vor allen Verfolgun— gen schützt; Sie sehen in der helgischen Constitution im 45sten Ar tikel, daß die Stände⸗Versammlung im Stande ist, ihren Deputirten, wenn er sich im Gefängnisse befindet, zu sich zu bescheiden und ihn während der ganzen Versammlung bei sich zu behalten, verbietet ihn, während dieser Zeit zu verfolgen; aber die Tendenz in der gegen= wärtigen Verordnung ist mir klar vor Augen. Es scheint mir des halb nöthig, daß wir der Staatsregierung in dieser ersten, meiner Ansicht nach wichtigen Angelegenheit zeigen, daß uns eine andere An— sicht der ständischen Verhältnisse vorliegt. Es scheint mir, meine Herren, daß nach unserer Achtung vor dem Gesetz und nach unserer Achtung vor dem xichterlichen Urtheil wir daran festhalten müssen, daß wir nur denjenigen für bescholten erklären, welcher durch richter= liches Urtheil seine bürgerlichen Rechte und seine Ehrenrechte verloren hat. Auf diesen einzigen Paragraph wünsche ich den ganzen Gesetz⸗ Entwurf beschränkt zu sehen, und ich schlage deshalb vor, das von der Abtheilung vorgelegte Gutachten in allen anderen Theilen zu verwerfen. . Abgeordn. von Beckerath: Sie haben bereits ausführliche Vorträge über das Gesetz vernommen, ich werde mich daher auf We— niges beschränken können, um Ihnen ebenfalls meine Ansicht über das Allgemeine des Gesetz⸗Entwurfs darzulegen; hinsichtlich des Einzelnen wird sich bei der Diskussion der verschiedenen Bestimmungen Gele— genheit ergeben, das Weitere zu beleuchten. Ich erlaube mir, den selben Gang einzuschlagen, den der vorletzte Redner genommen hat, und den Gesetz⸗ Entwurf unter drei Gesichtspunkten zu betrachten, nämlich: hinsichtlich des Prinzips, des Verfahrens und der dabei zu befolgenden Konsequenzen. Das Prinzip scheint mir ein doppeltes zu sein; das Gesetz soll die Rechte, das Interesse des Einzelnen, es soll das Interesse und die Rechte der ständischen Versammlung schützen. Was das erstere betrifft, so wird gewiß ein allgemeines Einverständniß darüber herrschen, daß Niemand' der öffentlichen Ach— . als verlustig erklärt werden kann, dessen unwürdige Handlungs⸗ weise nicht thatsächlich feststeht. Es widerstreitet dem Rechtsgefühl, daß die Strafe vor dem Ürtheil erfolge. Aber die Suspension des ständischen Rechtes kann unter Umständen, und sie ist es ge— wesen, eine harte Strafe sein. Denken Sie sich einen Mann, der der allgemeinen Achtung seiner Mitbürger bis zu dem Grade genießt, daß sie ihm die wichtige Missson der ständi⸗ schen Vertretung anvertrauen; dieser Mann wird in einem Augenblick, wo die ständische Versammlung . auf den Antrag irgend einer Behörde, nehmen wir, das Beispiel liegt nahe, einer Steuer Behörde, in eine Untersuchung verwickelt. Nach dem Wortlaute des = . müßte, insofern die Untersuchung eine Kriminal-Un⸗ tersuchung wäre, was sehr leicht der Fall sein kann, dieser vielleicht schuldlose Mann vor dem Lande an seiner Ehre gekränkt werden; denn eine Ehrenkränkung ist es, wenn Jemand von einer Versamm⸗ lung, von einer ständischen Versammlung, zu der er als Mitglied ge⸗ hört, ausgeschlossen wird, wenn auch nur zeitweise.
ch glaube, daß die dahin zielende Bestimmung des Gesetz Ent
wurfs. die Zustimmung der — 6 — um so weniger erlangen kann, als ja in dem weiteren orschlage des Gesetz⸗Entwurfes der Stände⸗Versammluug das Recht vindizirt wird, sobald der Ruf eines
kann, selbstständig darüber zu entscheiben, mithin in keinem Falle, auch
gezogen werden, auf diese komme ich mit einigen Worten. Eine
ständischen . in einen ernstlichen Zweifel gezogen werden
nicht in dem Falle, daß eine Unterfuchung eingeleitet wird, die auf
notorischer Unwürdigkeit beruht, die Ehre der Versammlung gefährde werden kann, immer ist es ihr anheimngegeben, selbst zu entscheiden ob der betreffende Deputirte zugelassen werden kann oder nicht. unnd n nun zu dem Schutz der Rechte und Interessen der dr. =, Hierbei habe ich zu bemerken, daß die stän⸗ hen samm ung, hervorgegangen aus den gesetzlich vollzogenen sahlen, einen verfassungsmäßig konstituirten selbstständigen Körper bildet, Die innerste Natur der Bestimmung, die er der Verwaltun gegenüber zu erfüllen hat, macht es nöthi Lag — ; ö ug, mn neren, e, acht es nöthig, daß seine Zusammensetzung 96 n Lurch das Ermessen der Staatsbehörde bedingt sei. Auf diesem Grundsatz beruhen die Bestimmungen aller landstän⸗ dischen Verfassungen, wonach während der Tauer a , Be = lulten Hie in fe ber ' nn, nd der Dauer ständischer Versamm lung iitglieder hinsichtlich der gegen sie einzuleitenden Unter suchungen nur von dem Urtheil der Versammlung selbst abhängig sind; ohne diesen Grundsatz würde die Unabhängigkeit, die Selbst⸗ ständigkeit der Versammlung stets gefährdet sein Ich werde mir erlauben, einige Bestimmungen des Geset Entwurfs anzuführen, um nachzuweisen, inwiefern darin dieses doppelte Prinzip durchgeführt ist.
Eine ganz besondere Aufmerksamkeit verdienen die Bestimmungen des §. J., denn diese Bestimmungen sind objektiv; es wird danach von Seiten der Verwaltung, ohne weitere Juziehung der ständischen Versammlung, verfahren werden können. Gegen die erste Bestimmung habe ich nichts zu erinnern; die von einem früheren Redner ange fochtene Bestimmung ad 2 ist von dem später für den Gesetz-Ent wurf aufgetretenen Redner nicht vertheidigt worden, und ich schließe mich der ausgesprochenen Ansicht an, wonach das Urtheil eines militairischen Ehrengerichts für die Stände-Versammlung noch keinen solchen obsek⸗ tiven Werth hat, daß derjenige, der der militairischen Ehren verlu— stig erklärt ist, unbedingt auch aller politischen Rechte verlustig sein müsse. Ich glaube, daß dies, namentlich was die materielle Seite betrifft, nicht zu rechtfertigen sein dürfte, indem das Militair auf einem Ge biete steht, auf welchem allerdings andere Rücksichten maßgebend sein müssen, als im bürgerlichen Leben. Allein auch in formeller Bezie⸗ hung scheint mir das Verfahren dieser Ehrengerichte keine solche Ga— rantie darzubieten, daß wir unsere Zustimmung dazu geben könnten, von seinem Urtheile den Verlust der politischen Rechte abhängig zu machen.
Gegen Nr. 3 ist der sehr triftige Grund angeführt worden, daß, während bei dem Verfahren ad 1 die Gerichtshöfe entscheiden nach bestimmten Gesetzen, hier ein Gemeinderath das Urtheil nach seinem Ermessen fällt. Auch hier scheint nicht diejenige Garantie vorhanden, die eine hinlängliche Beruhigung gewähren könnte, wenn es sich darum handelt, einem Bürger unwiederbringlich seine wichtigsten Rechte zu nehmen. Ich sage unwiederbringlich, denn was kraft der Bestimmun⸗ gen dieses ersten Paragraphen geschehen ist, das würde nach her auf den Antrag der Stände - Versammlung nach §. 5 nicht wiederherzustellen sein. Von dieser Versammlung kann die Wieder herstellung nur provozirt werden, wenn sie es war, die den betref⸗ fenden Deputirten in Anklage versetzt hat. Ein Bürger, von den Wählern zum Abgeordneten gewählt, kann von der Regierung auf Grund dieser Bestimmung ausgeschlossen werden. Hätte Jemand das Unglück gehabt, sich mit der Majorität des Gemeinderaths zu ver feinden, und schlösse ihn diese Majorität aus dem Gemeinderechte aus, so wäre er dadurch für immer aller ständischen Rechte verlustig geworden. Ich muß mich daher auch gegen diese Bestimmung ad 3 erklären.
Die Bestimmung ad 4 scheint mir entsprechend zu sein, jedoch mit dem Unterschiede, daß die Entscheidung nicht von dem einzelnen Stande, sondern von der ganzen Versammlung ausgehen muß. Diese Betrachtung gehört jedoch schon zum anderen Theil, nämlich zum Ver— fahren. :
Ich fahre, was das Prinzip betrifft, weiter fort und gehe zum §. 6 über, wonach in allen den Fällen, in welchen das Bürger- und Gemeinderecht ruht, wenn eine Kuratel- oder Kriminal-Untersuchung eingeleitet ist, das ständische Recht bis zum Urtheilsspruch ruhen soll. Ich wiederhole, daß die Suspension der ständischen Rechte eine Strafe, daß es eine der empfindlichsten Ehrenkränkungen ist, die el— nem Bürger widerfahren können, wenn er bei Zusammentritt der ständischen Versammlung als unwürdig, als verdächtig ausgeschlossen wird, daß diese Ehrenkränkung durch das nachher erfolgende frei— sprechende Urtheil nicht wieder gut gemacht wird, und deshalb muß ich mich auch diesen beiden Bestimmungen widersetzen. Was den zweiten Gesichtspunkt, das Verfahren, betrifft, so scheint es mir allerdings sehr richtig, daß die Wähler zunächst darüber urtheilen sollen, ob der Mann ihres Vertrauens noch fortwährend die Qualität besitzt, die sie bei der Wahl voraussetzten. Aber, meine Herren, es handelt sich nicht lediglich darum, die Rechte einzelner Perso— nen, einzelner Körperschaften zu wahren, es handelt sich auch darum, die Rechte der ständischen Versammlung, ihre Würde in ihrer Eigenschaft als Vertretung des Landes zu wahren. Und da, sobald ein Gesetz emanirt wird, dasselbe auch in jeder Beziehung dem Prinzip, auf dem es erbaut ist, entsprechen muß, so halte ich es für gerechtfertigt, daß in zweiter Instanz die Stände -Versammlung das Urtheil fällt. Ich beziehe mich hierbei jedoch auf die von dem vor— letzten Redner dargelegte Ansicht, daß die Mitglieder, welche die Ein— heit der Versammlung bilden, darüber urtheilen müssen, ob der be— treffende Deputirte würdig ist, in ihrer Mitte zu sitzen, oder nicht. Wir Alle aber, alle Stände, die hier vertreten sind, bilden die Ein= heit dieser Versammlung, und keinem Stande kann es gleichgültig sein, ob der Eine die Ehre der Versammlung wahrt oder nicht. Wir! sind Alle gleich betheiligt, und deshalb wünsche ich, was das Ver— fahren betrifft, der Stände -Versammlung in ihrer Einheit jenes Recht zu vindiziren.
Anlangend den dritten Punkt, die Konsequenzen, so muß ich der Behauptung des geehrten Redners, daß es nöthig sei, des Einklangs in der Gesetzgebung wegen hier auf die Bestimmungen der Ge— meinde Ordnung und der Städte Ordnung in der Art Rücksicht zu nehmen, daß sie auch für die ständische Versammlung maßgebend seien, widersprechen. Wenn in der Gemeinde⸗-Gesetzgebung ein Uebel vorhanden ist, müssen wir dasselbe auch hinübertragen auf das grö— ßere Gebiet der ständischen Gesetzgebung? Es ist aber ein Uebel, daß der Gemeinderath das Recht hat, in seiner Majorität einem Bürger das Gemeinderecht zu entziehen. Sollten wir, um des klei nen Mangels willen, noch einen größeren hervorrufen? Dies wäre keine richtige Konseuenz. Vielmehr wäre Bedacht darauf zu neh— men, jenes Mißverhältniß zu beseitigen, nicht aber es zu vervielfäl— tigen, wie es geschehen würde, wenn diese Bestimmung der Ge— meinde⸗LVrdnung auch maßgebend für die ständische Gesetzgebung sein sollte. Dies habe ich über das Allgemeine des Entwurfs zu . hinsichtlich der einzelnen Punkte behalte ich mir die weitere Bespre— chung vor.
Abgeordn. Delius: Ich bitte die hohe Versammlung, ihre gufmi ifm noch einen Augenblick auf die Disposition des §. 1 Satz 2 des Gesetz⸗ Entwurfs zu richten. Ein früherer . .. Marschall: Ich stelle anheim, ob der Antragsteller sein Amendement nicht bei der speziellen Berathung vorbringen wolle. (Der Abgeordnete Delius erklärt sich dazu bereit und verläßt die
Tribüne.) Abgeordn. von Auerswald: Bevor ich über den Gesetz—
Entwurf im Allgemeinen mir Bemerkungen zu machen erlaube, möge
es gestattet sein, auf die Bemerkung eines Redners aus der Provinz Brandenburg zurückzukommen, welche ich gein widerlegen möchte, um nicht in Betreff solcher Aeußerungen, die ich später machen könnte, Mißverständniß zu erregen. Ich habe verstanden: daß, weil man diejenigen Functionen, die hier von Ständen geübt werden sollen, von einer Seite her in Gemeinschaft der verschiedenen Stände geübt zu sehen wünsche — man dies für einen Angriff auf die ad hn Prinzipien halten und darin erkennen müsse, daß man eine Kritik, nicht sowohl des Entwurfs, als der ständischen Gesetzgebung über⸗ haupt, beabsichtige; dem muß ich widersprechen, denn so gewiß auch unsere ständische Gesetzgebung eine gegliederte ist, so gewiß ist es auch, daß der König uns in einer Einheit versammelt hat, um die verschiedensten Functionen gemeinsam zu vollbringen; eben so gut wird es, ohne das Prinzip zu verletzen, einer solchen Versammlung gestattet sein, in allen vier Ständen gemeinschaftlich über die Ehre eines ihrer Mitglieder zu urtheilen. — Was nun den Gesetz⸗Ent⸗ wurf im Allgemeinen betrifft, so glaube ich, daß, wenn es überhaupt gestattet ist, Ausnahme-Gesetze zu geben und besondere Richter für solche Fälle zu bezeichnen, welche der Arm des ordentlichen Richters nicht erreichen kann, daß ein solcher Fall vorzugsweise eintreten kann da, wo es sich um die Beurtheilung von Personen handelt, denen von Standes wegen und durch das Gesetz Rechte heigelegt sind, die auf das Gemeindewohl sowohl, als auf das Landeswohl und zum Vortheil und Nachtheil desselben ausgeübt werden können; wenn diese nicht trotz dem, daß die Personen, die sie ausüben, in den Au— gen ihrer Mitglieder bescholten sind, überall ausgeübt werden sollen. Auf die vorliegenden Fälle des Entwurfs angewendet, die der Cog— nition des gewöhnlichen Rechts nicht unterliegen, bin ich der Mei nung, daß es vollkommen zulässig und in Vieler Interesse wünschens⸗ werth ist, daß ein Richter für solche Fälle gefunden werde, und ich erkenne mit Dank an, daß dieser Richter in der Art bestellt werden soll, daß derjenige, der für bescholten gehalten wird, nach altem deut— schen Brauch durch seines Gleichen gerichtet werden kann. Ich er kenne es ferner an, daß da, wo von einer solchen Bescholtenheit die Rede und ein Erkenntniß des ordentlichen Richters vorangegangen ist, d. h. dessenigen, dem jeder Staatsbürger unterliegt, ein Erkennt— niß, welches, wie der Gesetzentwurf sagt, einen Staatsbürger zum Verlust der Ehrenrechte zc. verurtheilt, zu Aemtern und zur Eides leistung unfähig erklärt, daß also da, wo ein Erkenntniß der Art von dem ordentlichen Richter gefällt ist, die Frage auf sich beruhen müsse. Es ist dagegen eingewendet, daß dergleichen Erkenntnisse gesetzlich wohl begründet sein können und doch einen Punkt der Bescholtenheit in den Augen der Mitbürger nicht berühren. Dergleichen Ausnah⸗— men können aber den Grundsatz nicht ändern, daß Gesetz und Aus spruch des ordentlichen Richters gilt und geltend bleibt. Wenn in dem Gesetz⸗Entwurf nur diese beiden Prinzipien ausgesprochen wä ren, daß nämlich Jemand der ständischen Versammlung entzogen wer den soll, weil er in Folge Erkenntnisses für bescholten erklärt ist, oder weil die Standesgenossen, die durch ihre Verhältnisse seiner Person so nahe stehen, daß sie darüber mit Einsicht urtheilen können, ihn für bescholten halten, so würde ich kein Wort weiter verlieren. Der Gesetz-Entwurf geht aber darüber hinaus, und, um es mit wenigen Worten anzudeuten, derselbe sagt, daß die Bescholtenheit festgesetzt wird, nicht allein durch richterliches Erkenntniß, nicht allein durch Ur— theil der Standesgenossen, sondern er sagt, und zwar zu meiner gro— ßen Ueberraschung, als wenn es sich von selbst verstände, einmal: wenn auch außer sdiesen beiden Verhältnissen noch das Verhältniß stattfindet, daß ein anderer exceptioneller Richter existirt, der nicht in Beziehung zu dem Manne steht, in anderen Verhältnissen lebt und keinesweges nach dem Prinzip des ordentlichen Richters verfährt, so soll auch dieser entscheiden können. Ferner nicht blos dann, wenn das Gesetz verurtheilt, soll die Standschaft ruhen, sondern auch dann, wenn der Richter nach seiner subjektiven Ansicht die Ver⸗ muthung hat, daß das Gesetz verurtheilen werde. Ich erlaube mir diese Ansicht zu begründen, zunächst durch Verlesung der S5. 1,2, 3, — die Ansicht nämlich, daß außer dem ordentlichen und dem exceptio— nellen Richter, der durch die Verhältnisse bedingt wird, noch ein an— derer ganz erxceptioneller Richter zu richten hat. Ganz abgesehen davon, daß es mir nach Durchlesung des Gesetzes über die Ehrengerichte nicht gelungen ist, zu entdecken, für welche Vergehungen bestimmte Strafen ausgesprochen sind, sondern, daß ich gefunden zu haben glaube, daß diejenigen Strafen, von denen die Rede ist und die ein ständisches Mitglied ausschließen können, eben so gut wegen ehrenlosen Vergehens verhängt werden können, als des- halb, weil Jemand sich nicht den Verhältnissen des Offizierstandes entsprechend benommen hat oder Dienstvernachlässigungen hatlzu Schul— den kommen lassen und Aehnliches, wovon ich nicht überzeugt bin, daß es unter allen Umständen die Ehre verletze. Abgesehen davon, daß ich gern glaube, wie auch Vergehungen dieser Art stattfinden können, aus welchen die Bescholtenheit entsteht, so erlaube ich mir die Frage: wo liegt darin ein Prinzip, daß ein Offizier-Corps ein fach durch ein ehrengerichtliches Erkenntniß, welches keinenfalls dem gemeinen Gesetze entspricht, was, wie ich glaube, behaupten zu dür— fen nicht einmal in allen Punkten auf die zehn Gebote begründet ist, einem unserer Mitstände ohne Weiteres der ständischen Rechte berau— ben darf? Sollte ein solches Prinzip gelten können, so müßte kon⸗ sequent daraus folgen, daß, wenn die Kreisstände einem Ofsizier die ständischen Rechte entziehen, derselbe aus dem Offizier-Corps auch ohne Weiteres entlassen werden müßte, denn wenn ein exceptionelles Gericht, welches aus besonderer Körperschaft besteht, über eine andere Körßerschaft zu entscheiden hat, so muß dies der anderen auch ge stattet sein. Ich würde aber eins eben so beklagenswerth halten wie das andere und halte den Passus des §. 1 ad 2, ohne mich auf Spezialitäten einzulassen, von der Art, daß ich mich nur für seine Weglassung erklären kann. Dieselbe Bewandtniß hat es mit dem Passus ad 3, wie ein Redner schon gesagt hat, der sich auf bürgerliche und Gemeinderechte bezieht. Nur in Konsequenz dessen, was ich in Betreff der Ehrengerichte sagte, will ich mir erlauben, dem geehrten Redner aus der Provinz Brandenburg etwas zu erwie dern. Er fragt: wünschen sie, daß Jemand, der von der Gemeinde— Versammlung ausgeschlossen ist, in ihrer Versammlung Zutritt er hielte? Ich antworte, daß dies nicht zu meinen Wünschen gehört, aber eben so wenig wünsche ich auch, daß irgend eine kleine Ge meinde am Rhein berechtigt sei, ein ständisches Mitglied der Rosen berger Kreis Versammlung in Ostprenßen aus dieser ohne Weiteres auszuschließen. Ich glaube, ähnliche Fragen lassen sich viele stellen. Ich muß auf die Weglassung der einzelnen Theile des Paragraphen 1 8 nicht, weil sie eben nicht mitunter zweckmäßig wirken könn⸗ ten, sondern weil sie dem Prinzip des Gesetzes entschieden entgegen sind. Ganz ähnliche Bewandtniß hat es mit dem 5. 6 Punkt 2, wo gesagt ist, daß die ständischen Rechte ruhen sollen, wenn die Krimi nal⸗ untersuchung eingeleitet ist, also, wie ich bereits mit anderen Ir . ,. wenn der Richter die persönliche Vermuthung * , wa esetz ihn richten werde, daß er dann für bescholten zu erachten ist. Ich bitte auf die praktischen Folgen einer solchen Sache zu sehen, es handelt sich bier ni 1 j sich hier nicht um Strafwürdigkeit, son⸗ dern um Bescholtenheit. Die Strafwürdigkeit wirb a in Er= kenntniß nach dem Gesetz aus h ; 2 m n. et gesprochen, man mag die Ansicht des Nichters heilen oder nicht, min muß sie anerkennen. Die Beschol tenheit ist aber, wie in den G . Beschol⸗ h n Gutachten der Abtheilung so schön aus
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eführt ist, eine Sache der Ueberzeugung, die also auch nur, wenn
ᷣ mit Erfolg ausgesprochen werden soll, in einer Art ausgesprochen werden muß, die der Auffassung und Ueberzeugung unserer Mitbür⸗ ger entspricht. Ich erlaube mir aber die Frage: ob ein Einziger in der Versammlung ist, der unter allen und jeden Umständen Jeman⸗ den deshalb, weil er in Kriminal-Untersuchung gekommen ist, für be⸗ scholten halten werde; deshalb aber nur, weil er bescholten gehalten wird, nicht, weil er strafwürdig ist, soll er ausgeschlossen werden. Es las⸗ sen sich unzählige Beispiele anführen, ich will nicht darau erinnern, daß die Ansicht der Richter irregeleitet sein kann, ich will nicht an Preß- und politische Untersuchungen aller Art denken, ich will schla⸗ gendere Beispiele anführen. Der berühmte Admiral, der gegen das Gesetz die Seeschlacht lieferte und gewann, der große Feldherr, der mit dem Verbot des Hof-Kriegsraths in der Tasche die Landschlacht gewann, der tapfere und unglückliche Krieger, der ohne des Königs Ruf das Schwert für denselben zog und mit seinem Blute dafür bii ßen mußte, wäre mit Recht zur Untersuchung gezogen worden. Ich frage: wenn im Laufe dieser Untersuchung Jemand aufgetreten wäre und gesagt hätte, der Mann ist in Untersuchung, daher ist er be scholten und von den Ständen auszuschließen, welche andere Antwort, als ein wahrhaft homerisches Gelächter würde Jener erhalten haben, (Bravo.) Ich glaube aus diesen Rücksichten mich entschieden gegen den cunkt 2 §. 6 erklären zu müssen. Ich enthalte mich des Ein gehens auf Spezialitäten und erlaube mir nur noch eine Sache, die ich nicht gern mißverstanden sehen möchte, zu berühren. Ich sprach davon, daß, wenn die Bescholtenheit ausgesprochen werden soll, dies nur einen Effekt haben kann, wenn das Urtheil über die Bescholten heit allgemein ganz unabhängig gehalten wird.
Ich sprach weiter davon, daß die vorläufige Anerkennung de Bescholtenheit nach Punkt 2 8§. 6 von der subjektiven Ansicht des Richters und nicht von dessen nach dem Gesetze gefällten Urtheil entschieden werden soll, und da erlaube ich mir, daran zu erinnern, daß, seit gewisse Gesetze bei uns erschienen sind, über die Unabhän gigkeit des Richterstandes im Volke im Lande Besorgniß entstan⸗ den ist. Ich bitte, mich nicht mißverstehen zu wollen, es ist nicht meine Absicht, auf diesen Punkt einzugehen und zu untersuchen, ob das Recht oder Unrecht stattfindet, aber das Faktum, daß eine über⸗ wiegende Anzahl unserer preußjschen Mitbürger in dieser Weise dar⸗ über denken, ist nicht zu bestreiken, denn es ist von mehreren Pro vinzial⸗-Landtagen Sr. Majestät angezeigt worden. Das aber ist der wahre und wichtige Antheil, den wir von der Gesetzgebung haben sollen, nicht daß wir uns beschäftigen mit der Redaction einzelner Pa ragraphen, nicht daß wir uns den Kopf zerbrechen, ob sie um ein Jota zweckmäßiger sein könne oder nicht, sondern daß wir sagen, diese Prinzipien werden vom Volke nach dem Rechtsgefühle, welches im Volke liegt, anerkannt, in dieser Weise sind sie demselben zugäng⸗ lich, und in dieser Weise können sie gepflegt werden. Das ist es, wodurch wir den Zweck erfüllen, Sr. Majestät dem Könige treu und redlich mit unserem Beirath zur Seite zu stehen.
Abgeordn. Winzler: Nach dem Vortrefflichen, was wir über den vorliegenden Gesetz Entwurf schon an dieser Stelle gehört haben, wird einem schlichten Bürger, wie mir, wenig zu sagen übrig blei⸗ ben, indeß was ich auch, wenn ich mit Aufmerksamkeit, gefolgt bin, Vortreffliches gehört habe, so kann ich dies nur von meinem Stand⸗ punkte aus für ideale Wünsche halten, die herrlich klingen, bei denen ich nur aber fragen muß, ob sie überall Anwendung finden können. Das vorliegende Gesetz hat, wie alles menschliche Machwerk, was von Geist und Kraft entstanden ist, mannichfachen Tadel zu erfahren, man kommt hier, wie bei ähnlichen Machwerken, auf das Lob zurück, wenn sie sich im praktischen Gebrauche entwickeln und Brauchbarkeit gezeigt haben. Es fragt sich nur, ob der Gesetz- Entwurf, wie er besprochen ist, noch etwas übrig läßt, wenn alle die Anklagen und Tadel, die über ihn erhoben sind, nicht in Anwendung kommen sol⸗ len. Jeder Einzelne von uns, und es ist Keiner, der nicht innig den Wunsch gehegt hat, in den Augen seiner Mitbürger, seiner Nächsten im Volke, unbescholten und rein dazustehen. Dazu muß es Mittel geben; das eine liegt in mir selbst, mich so zu betragen und zu re⸗ den, daß man mich dafür halten muß, und daß der innere Richter, der in mir selbst ist, mir das Zeugniß davon geben muß. Aber auch für äußere Ehre muß es Regeln und Gesetze geben. Wenn nun et⸗ was so Hochstehendes, lwie diese Versammlung, auf die die Augen vom 'ganzen Lande, von Europa gerichtet sind, Bestimmungen treffen würde, die der Hauch der Unbescholtenheit trüben könnte, so würde dies einen höchst nachtheiligen Eindruck machen.
Wenn wir die Unbescholtenheit wollen, und ich kann nicht zwei— feln, daß wir sie wollen, dann, meine Herren, müssen wir auch Mit⸗ tel, Kriterien haben, die Unbescholtenheit erkennen zu können. Wir ha— ben herrliche Worte von einem Redner der Rheinprovinz gehört, aber trotz dem, daß er die Bestimmungen des Gesetz-Entwurfs ver⸗ wirft, habe ich nicht auffinden können, was nach seiner Ansicht dafür eintreten soll. Ich habe nur gehört, Niemand anders als der Rich- ter darf über die Bescholtenheit erkennen, manchmal mag dies aus— reichen, aber mir steht die Achtung meiner Umgebung höher, derjeni⸗ gen Richter, die mich kennen, die mich täglich sehen, diese steht mir höher, als die des einzelnen Richters, der mich nicht kennt, nicht all wissend ist, nicht zu sehen vermag, wie ich mich so lange benommen, der mich nur Hach den vorliegenden Thatsachen beurtheilt, ein solches Urtheil wird nicht schützend sein, und wir wollen doch Schutz sinden. Meine Herren, wenn wir die Unbescholtenheit wollen und dazu eine Kraft, ein Kriterium wünschen, so kann dies nur in einem Gesetze bestehen. Der Entwurf hat Mängel, ich selbst werde auf einige auf⸗ merksam machen, dafür ist er menschliches Machwerk, aber im Gan— zen sinde ich nichts darin zu fürchten, ich bewillkommne ihn als eine Wahrung, weil er mich nicht dem Kriterium eines einzelnen Richters hinstellt, sondern einer so erleuchteten Versammlung, weil er mich meinen Standesgenossen hingiebt, die wissen, wie sie mich zu beur⸗— theilen haben. Das Fürchterlichste wäre, wenn es einem Einzelnen hingegeben sein würde. Deshalb stimme ich für den Gesetz-Entwurf und werde mir erlauben, später einzelne Amendements vorzuschlagen. Aber ich bitte, da ich einmal an dieser Stelle bin, wohin zu gelan— gen es schwer hält, noch einige n,. hieran knüpfen zu dür⸗ fen. Mit jedem Tage sehen wir, mit welcher Intelligenz und Kraft die Versammlung Alles zu erfassen sucht, was vorgelegt ist, aber es gehört Zeit, Frische und Kraft dazu, es liegt also das Recht ei gentlich in uns Allen, die Bitte an unsere Vorstände zu stellen, daß die Kräfte und Zeit möglichst bewahrt und geschont werden. Ich bin zu einem Antrage gekommen durch das Referat; dasselbe enthält ganz faßliche Maßregeln, ohne welche keine Berathung bestehen kann. Sowohl das Referat als der Gesetz-Entwurf sind gedruckt und ver— theilt worden. Der Zweck war, daß er dadurch Jedem von uns be⸗ kannt werden soll; warum lassen wir nun einen Entwurf, der unsere Kräfte und Zeit wegnimmt, noch einmal vorlesen, den wir schon zu Hause vielleicht mehreremale gelesen haben, und der in den Reden einen Widerhall erhält und dann noch stückweise uns vorgelegt wird? Ich wollte deshalb bitten, die Versammlung zu fragen: ob sie es nicht gen htißt. daß in den Fällen, wo die Referate den Mitgliedern länger als 24 Stunden vorher übergeben sind, es für unnütz gehal⸗ ten werden dürfte, das Vorlesen hier noch einmal zu bewirken. Wir
würden dadurch bei dem heutigen kleinen Entwurfe Zeit gewonnen
haben, die uns überdies sehr nöthig ist, da uns noch viele G stände vorliegen. — n
Mayrs ö all: Ueber diesen Gegenstand kann ich keine Bera‚ thung stattfinden lassen; es ist in der Geschäfts Ordnung die Be. stimmung enthalten, baß Propositionen und Petitionen allemal vorge. lesen werden sollen. Wo das Reglement so deutlich spricht, habe ich keine Bestimmung zu treffen. 56 Mehrere Stimmen: Ueber Referate sind in der Geschäfts- Ordnung keine Bestimmungen enthalten.
Abgeordn. Graf von Schwerin: Meine Herren, ich habe mir das Wort erbeten, nachdem wir die Rede des Abgeordneten von Köln gehört, der sich entschieden gegen den Entwurf des Gesetzes und das Prinzip desselben ausgesprochen hat, um mich meinerseits für dasselbe auf eben so entschiedene Weise zu erklären. Inzwi⸗ schen hat ein Abgeordneter aus der Mark gesprochen, dessen Ansich⸗ ten ich im Wesentlichen theile, und ich werde mich daher kurz fassen können. Ich muß gestehen, daß ich sowohl den Gesetz⸗ Entwurf als Bedürfniß erachte, als ich auch das Prinzip, auf dem er beruht, durchaus für angemessen halten muß, mit Vorbehalt der Einwendun⸗ gen, die ich gegen einzelne Bestimmungen habe. Der Gesetz⸗Ent⸗ wurf ist bestimmt, wie der Königliche Herr Kommissar bemerkte, uns aus dem Bereich der Willkür auf einen festen Rechtsboden zu brin⸗ gen, und somit liegt darin ein wesentlicher Fortschritt, und diesen be⸗ grüße ich mit Freuden. Ich will nicht weiter darauf eingehen, was der Herr Abgeordnete aus der Mark über das Prinzip, das Verfah⸗ ren und die Konsequenzen gesagt hat. Ich glaube, daß das en, in den einzelnen Bestimmungen auch ziemlich richtig durchgeführt i und nur in einzelnen Momenten eine Abweichung stattgefunden hat, in welchen eine Modification stattfinden mußte. Ich komme darauf bei der späteren Diskussion wieder zurück. Nur zwei Einwendungen darf ich nicht unerwähnt lassen, die gegen den Gesetz- Entwurf ge⸗ macht worden sind; namentlich auch von einem Abgeordneten aus Preußen. Sie betreffen Nummer 2 und 3 des 5. 1. Dieser Para⸗ graph spricht das Prinzip aus, daß derjenige für bescholten zu ach⸗ ten, der erstens durch Erkenntniß dafür erklärt ist, und sodann der, wie Nummer 2 und 3 bestimmen, durch das Urtheil seiner Standes- genossen in seinem Stande nicht mehr ehrenhaft erachtet wird, und weil er in der kleineren Begränzung nicht unbescholten geblieben,
in der größeren, die politischen Rechte der Standschaft nicht aus—⸗ üben kann. Das Prinzip halte ich an sich für absolut richtig, und bitte ich, zu erwägen, ob wir nicht einen Fehler begehen, wenn wir in Bezug auf unsere volksthümliche Wehr Verfassung von demselben abweichen wollen. Wehrhaft und ehrenhaft sind bei uns iden tisch. Lassen Sie uns kein Prinzip annehmen, welches uns von dieser Basis entfernen könnte; wer nicht mehr für fähig erachtet wird, die Waffen, des Königs Rock zu tragen, der kann auch nicht mehr für politisch unbescholten, für fähig gehalten werden, die ständischen Rechte auszuüben. Tas ist ein Grundsatz, von dem, wie ich glaube, wir uns nicht entfernen dürfen, ohne das Prinzip unserer Wehr Ver⸗ fassung, des edelsten Kleinods, was wir in Preußen haben, zu ver- letzen. Unsere Wehr⸗Verfassung datirt aus jener großen Zeit, der wir uns so oft mit Freuden erinnern. Lassen Sie uns nicht undank⸗ bar sein und stellen einen solchen Grundsatz in Frage. Niemand darf die Waffen tragen, der nicht vollkommen bürgerlich ehrenhaft ist, und so muß auch unigekehrt Niemand politisch unbescholten sein dür fen, der nach dem bestehenden Gesetz militairisch nicht mehr intakt ist. Daher müssen wir Nummer 2 §. 1 aufrecht erhalten, vorbehaltlich alles dessen, was im Gesetz vom 20. Juli 1843 nicht angemessen sein mag und daher an seiner Stelle angefochten werden muß. Es mag sein, daß noch manche Vorurtheile da sind, die beseitigt werden müssen, die influenzirend sein könnten auf das Urtheil der militairischen Eh⸗ rengerichte, Vorurtheile, von denen wir wünschen müssen, daß sie be⸗ seitigt werden, aber vertrauen wir auch der Entwickelung des freien öffentlichen Staatslebens, wie es durch unsere neue Gesetzgebung an⸗ gebahnt ist, sie wird die Kraft haben, manche Vorurtheile zu beseiti= gen. Aber ich wiederhole, lassen Sie uns an dem Grundsatz der Wehr -Verfassung nicht rütteln, das wehr und ehrenhaft identisch seien. Endlich ist auch noch Nummer 3 des 5§. 1 angefochten wor— den. Ich kann mich auch damit nicht einverstanden erklären. Allerdings ist die Gemeinde⸗Versammlung eine weniger bedeutende, der Gesichts- kreis ist ein beschränkterer, und es kann allerdings vorkommen, daß die groͤße Mehrheit einer ständischen Bersammlung wünschen möchte, einen Mann unter sich zu sehen, der aus irgend einem Motive des bürgerlichen Rechts für verlustig erklärt worden ist. Aber bedenken wir, er erscheint hier in unserer Versammlung nicht blos als Mensch, sondern als Vertreter der Gemeine der Bürgerschaft, und der kann unmöglich die Bürgerschaft vertreten, von dem seine Bürgerschaft der Meinüng ist, er sei nicht vollkommen unbescholten. Das war, was ich mir erlauben wollte in Bezug auf das Allgemeine zu erwähnen, und behalte mir vor, über den §. 6, der von der Ruhe der stän⸗— dischen Rechte spricht, noch einige Bemerkungen zu machen.
Abgeordn. Hansemann; Meine Herren! Ein berühmter Rechtslehrer, jetzt an der Spitze unserer Gesetzgebung stehend, hat vor mehreren Jahren ausgesprochen, unsere Zeit sei nicht geeignet zur Gesetzgebung. Es scheint mir, daß der vorliegende Gesetz Ent⸗ wurf einer der Beläge für diesen Ausspruch sei, und zwar in der Hinsicht, daß die Materie, welche er ordnen soll, eigentlich sehr schwer durch die Gesetzgebung überhaupt zu ordnen ist. Es war nach mei⸗ ner Ueberzeugung nämlich ein Fehler der früheren Gesetzgebungen, daß man ein so unbestimmtes Wort, wie das der Bescholtenheit oder Unbescholtenheit, in die Gesetzgebung aufnahm, anstatt einfach zu sa— gen, wer dies oder jenes Verbrechen begangen hat, wer solcher Ver⸗ brechen angeklagt ist oder in den und den bürgerlichen Verhältnissen sich befindet — lauter Kriterien, die durch das Gesetz klar dargelegt werden konnten —, kann nicht Mitglied der Standschaft sein. Ich wünsche noch und ich hoffe es zuversichtlich, daß Sie diesen Gesetz⸗ Entwurf, wie er hier vorliegt, nicht annehmen, sondern ihn sehr wesentlich amendiren werden. Wenn ich jetzt einige Bemerkungen mache von dem Verhältaiß der Stände oder des Volks zur Staats- gewalt, zum Ministerium, so hoffe ich, daß die verehrten Herren auf der Ministerbank darin keine Persönlichkeiten erblicken werden.
Königlicher Kommissarius: Keinesweges! .
Abgeordn. Hansemann: Es handelt sich von Grundsätzen, nicht von Personen, und an unseren Grundsätzen müssen wir festhal⸗ ten ohne Rücksicht auf die Personen, die jetzt Minister sind. Der frühere gesetzliche oder Verwaltungs-Zustand ich weiß ig einen Ausdruck zu finden —, dieser unbestimmten Eigenschaft der eschol⸗ tenheit bestand darin, daß er theilweis durch Gesetze regulirt, theil= weis aber dem Ermessen der Staats-Regierung anheimgegeben war. Sie hat mitunter Gebrauch daven gemacht, Jemanden für be⸗ scholten zu erachten, der, wenn auch noch nicht in Anklagestand ver= setzt, doch in eine Üntersuchung verwickelt worden war. Der Zufall
at in der Regel gewollt, daß, wenn dergleichen Fälle vorgekommen
* es gerade solche Personen getroffen hat, welche der liberalen
bder' wie wir sonst die freisinnige Partei nennen wollen angehört
aben. Jetzt wird uns ein Gesch vorgelegt, wodurch die Bescholten⸗ * völlig geregelt, völlig in gesetzliche Begriffe aufgenommen werden oll. Dirser Gesetz Entwurf nun dehnt die Bescholtenheit aus, an- 8 sie zu beschränken. Es ist bisher nicht vorgekommen, daß die
Regierung diejenigen, welche bei Ehrengerichten von Offizieren au—