ßere Garantie eintreten muß, als bei der Anklage. Es ist beschlos⸗ sen worden, daß die Anklage mit der einfachen Majorität stattsinden könne; Sie werden nicht zugeben wollen, daß, im Falle die nämliche Versammlung nun sich bei dem Ausspruche der Wähler nicht beru⸗ higt, alsdann die nämliche Majorität, welche die Anklage erhoben hat, auch die Verurtheilung aussprechen könne. Sie werden daher gewiß, wie ich hoffe, dem Vorschlage allgemein zustimmen, daß, im Falle die Versammlung in Folge der Bestimmung von Litt. c. zu entschei⸗
den hat, alsdann die Verurtheilung nur stattfinden kann, wenn drei
Viertheile der Mitglieder der Gesammtzahl dieser Versammlung sich dafür aussprechen. Sie behalten dann die nämliche Versammlung bei, vermehren aber die Zahl derjenigen, welche sic auszusprechen haben. Sic bleiben sich konfequent, geben aber diejenigen Garan= h erforderlich sind, damit eine gehörige Si⸗
tieen, welche unumgänglich ] da 99 cherung des Verfahrens und auch eine gehörige Logik in dem gan⸗
zen Verfahren stattfinde. . . .
Marfchall: Ich frage die Versammlung: Wird dieses Amen dement unterstützt? .
(Geschieht ausreichend.)
Abgeordn. von Manteuffel: Ich verkenne nicht die wohl— wollende Absicht für den Angeschuldigten, in welcher dieses Amende— ment proponirt ist; aber ich bestreite, daß diese Absicht wirklich er⸗ reicht wird. Denn ich frage, mit welcher Stirn soll der Mann, ge⸗ gen welchen über die Hälfte der Versammlung sich erklärt hat, in der Versammlung Platz nehmen? Es ist in der gestrigeo Sitzung mehrfach ausgesprochen worden, hier, wo es sich um die Wahrung ständischer Ehren handelt, müsse mehr streng, als zu schlaff verfah⸗ ren werden.
Abgeordn. Hansemann: Ich erwiedere dem geehrten Herrn Redner, daß der Angeschuldigte mit der Stirn eines Angeschuldigten wird zu erscheinen haben, und daß er mit Recht in Anspruch nehmen kann, daß nicht dieselben Persnnen, welche ihn in Anklagestand ver⸗ setzt haben, ihn auch verurtheilen können, sondern daß wenigstens eine größere Zahl hinzutreten muß.
(Ruf nach Abstimmung.)
Marschall: Die Frage ist: soll das Amendement, das so eben gestellt worden ist, angenommen werden?
Eine Stimme: Das Amendement hätte müssen vorher gestellt werden.
Marschall: Das Amendement ist unterstützt worden, daher auch noch nachträglich zur Abstimmung kommen.
Abgeordn. von Brünneck: Ich möchte mir erlauben, zu be⸗ merken, ob wir nicht anf das ursprüngliche Prinzip zurückgehen und statt R der Stimmen, 3 setzen wollen?
Abgeordn. Hansemann: Ich bin damit einverstanden, wenn es heißt, der Gesammtzahl der Mitglieder.
Abgeordn. von Auerswald: Ich muß mich dem Amendement entgegenstellen, indem ich einen psychologischen Zusammenhang darin nicht finden kann. Ganz dieselben Gründe, die mich veranlassen wür—
den, in der Versammlung auf den leisesten Verdacht hin und im Interesse des Verdächtigen eine Untersuchung zu beantragen, diesel⸗ ben Gründe würden mich veranlassen, als Richter auf das peinlichste und genaueste zu verfahren: ich kann einen formellen, so wie einen inneren Zusammenhang, der größere Sicherung nothwendig macht, durchaus nicht anerkennen, und ich erkläre mich gegen das Amen⸗
kann
dement.
Eine Stimme: Ich trete dem verehrten Sprecher bei.
(Es wird vielfach Abstimmung verlangt.)
Marschall: Wird die Abstimmung allgemein gewünscht?
(Viele Stimmen: „Ja, Ja!“) (Mehrere Stimmen: Wir wollen doch hören.)
Abgeordn. Freiherr von Gudenau: Ich wollte mir blos er— lauben, zu bemerken, daß der Unterschied zwischen dem Falle, der früher verhandelt worden, und dem jetzigen darin liegt, daß hier Freisprechung vorhanden ist, die kassirt werden soll, und daß es doch einer bestimmteren Begründung des Urtheiles bedarf, als es früher der Fall war.
Eine Stimme: Es scheint hier eine Lücke im Gesetze zu sein, indem nicht gesagt ist, die Anklage kann in der Versammlung mit einem Drittheil und die Einlegung der Appellation konsequenter⸗ weise auch durch ein Drittheil der Versammlung zu Wege gebracht
werden. (Geräusch in der Versammlung.)
Marschall: Ich stelle die Frage: Ob das Amendement ange⸗ nommen werben soll? Diejenigen, welche für das Amendement sind, bitte ich aufzustehen. — Das Amendement ist nicht angenommen.
Eine Stimme Gon einem entfernten Platze): Es ist das Amendement nicht recht verstanden worden; — ob zwei Drittheile oder drei Viertheile der Stimmen erforderlich seien.
Marschall: Das ursprüngliche Amendement ging auf drei Viertheile der Stimmen, später ist es modifizirt worden auf, 3. Be⸗ liebt ber hohen Versammlung noch eine Abstimmung über die 3?
(Stimmen: Ja und Nein.) Der Sicherheit wegen, da es nicht verstanden worden ist, will ich doch fragen: Ob die Versammlung sich für das Amendement erklärt, wenn d der Stimmen erfordert werden? — Es haben sich diesmal mehr Stimmen dafür erklärt, aber es ist noch keine Majorität.
Referent Graf Stosch: Zu ö 11 wurde hervorgeho—⸗ ben, daß es sich bei der zweiten Instanz nicht allein um ein Ver— werfen, sondern auch um ein Entscheiden handle; es also am Schluß dieses Passus heißen möge:
durch Stimmenmehrheit über den Ausspruch der Wahlversamulung in letzter Instanz enischeidet; womit die Schlußworte wegfallen würden; „Bei diesem Ausspruch hat es sein Bewenden.“
Marschall: Dies ist ein FassungsVorschlag. Vielleicht würde es hinreichen, darauf aufmerksam zu machen, daß hier in der Fassung eine Unklarheit vorzuliegen scheine. Ich frage, ob die hohe Ver— sammlung damit einverstanden ist?
(Wird bejaht.)
Referent Graf Stosch: trägt vor: §. JV. stalt durch rechtskräftigen Ausspruch aus einer ständischen Versamm— lung des Inlandes ausgeschlossen ist, darf überhaupt ständische Rechte nicht mehr ausüben, auch an ständischen Wahlen als Wähler nicht mehr theilnehmen. .
Abgeordn. Graf von Strachwitz (Kamienietz: Ich würde mir zu §. III. noch etwas erlauben. Es ist nothwendig, daß etwas beschlossen werbe, weil hier vorausgesetzt wird, daß Standes“ genossen entscheiden sollen. Nachdem aber beschlossen worden ist, daß der ganze Landtag entscheiden soll, so muß der i mn, am Schlusse et⸗ was geändert werden. Ich mache hiermit darau aufmerksam, denn es heißt hier: „Dieser ernennt beim nächsten Zusammentreten des Land⸗ kages einen Referenten, welcher dem Stande des Angeklagten ange⸗ hört.“ Dies wird also abgeändert werden müssen:
Referent Graf Stosch: Es ist dies lediglich Redactions⸗Sache.
Marschall: Es betrifft dies die Fassung, die nach den jetzi⸗
en Beschlüssen redigirt werden muß. Zu §. IV. ist von der Abthei⸗ ung nichts bemerkt worden.
Abgeordn. Han semann: Nach diesem 8. IV. werden alle die⸗ jenigen, welche durch ein Ehrengericht ausgeschlossen sind, insofern sie
nicht begnadigt werden, auf Antrag der nämlichen ⸗Versammlung, die sie ausgeschlossen hat, lebenslang politisch ehrlos sein. Dies scheint mir zu weit zu gehen. Ein Gericht erläßt sein Urtheil nicht immer auf lebenslängliche Strafe, sondern in sehr vielen und sogar in den meisten Fällen nur auf Zeit. Es scheint mir deshalb, daß es dem Angeklagten allezeit, wenigstens nach Verlauf von 5 Jahren, freistehen müsse, die nämliche Versammlung, die ihn ausgeschlossen hat, um ein neues Urtheil anzurufen. .
(Einige Stimmen äußern: „Dies gehört zu §. V.“
Es gehört das, was ich vortrage, eigentlich zu 8. IV. und V. — Der ünterschied besteht darin, daß nach 5 Jahren Jemand, der durch dieses Gericht der Stände verurtheilt worden ist, wieder von der nämlichen Versammlung rehabilitirt werden könne, ohne daß es dazu der Genehmigung der Regierung bedürfen würde. Ich glaube es nicht weiter mötiviren zu brauchen. Einstweilen will ich sehen, ok inwendungen dagegen gemacht werden. .
Abgeordn. von Manteuffel: Ich bin außer Stande, Ein- wendungen dagegen zu machen, weil ich es ni nt verstanden habe.
Abgeordn. . Ich werde suchen, mich deutlicher auszudrücken. Nach JV. und V. zusammengenommen, ist der Aus⸗ spruch einer Stände⸗Versammlung für lebenslang, insofern nicht die Regierung auf Antrag dieser Versammlung wieder begnadigt. Meine Meinung ist nun, daß nach 5 Jahren die Versammlung, die ausge— schlossen hat, auch wieder zulassen könne, ohne daß es dazu der Ge⸗ nehmigung der Regierung bedürfe. Nach meiner Ueberzeugung näm- lich ist es gerade im Prinzipe der ständischen Ehren, daß bei solchen Angelegenheiten, wo nicht die Gerichte erkennen, es nun auch ganz den Ständen überlassen bleibe, ob sie es für angemessen erachten, Jemanden wieder zuzulassen, und daß dieses nicht von der Regierung abhängig gemacht werde..
Marschall: Würde nicht der Antragsteller der Meinung sein, daß §. IV. stehen bleiben könne, und daß sich seine Aenderung nur auf §. V. bezöäge? — Dann können wir auf §. V. übergehen; wir haben den Vortrag der Abtheilung hierüber noch nicht gehört.
Abgeordn. Han semann: Mein Abänderungs-Vorschlag be— zieht sich auf beide Paragraphen.
Marschall: Wollen Sie beide Paragraphen zusammennch— men, so habe ich nichts dagegen; dann bitte ich aber den Herrn Re— ferenten, seinen Vortrag über . V. zu halten.
Referent Graf Stosch: S. V. lautet:
„Die Wiederzulassung zur Ausübung ständischer Rechte werden Wir nur auf den Antrag der Versammlung, welche die Anklage be⸗ schlossen hat, genehmigen. Ein solcher Antrag darf nicht vor Ablauf von 5 Jahren nach der Ausschließung gemacht und nur dann zu Unserer Kenntniß gebracht werden, wenn zwei Drittel der Versamm— lung sich dafür erklären.“
Bericht hierüber Seite 10:
„Abschnitt V. enthält die Modalitäten, unter denen die Reba— bilitirung einer von Ständerechten ausgeschlossenen Person herbeige—= führt werden kann, wobei ständische Konkurrenz gleichfalls einwirkend werden soll.
Hierbei wurde jedoch bemerkt: daß es als Lücke des Entwurfs gelten müsse, wenn in diesem Abschnitt eine Wiederzulassung zur Aus⸗ übung ständischer Rechte nur auf Antrag der Versammlung zulässig sein solle, welche die Anklage beschlossen hat; sondern muß vielmehr auch für die im Abschnitte J. 1— 3 aufgestellten Fälle einer Möglich⸗ keit der Rehabilitirung vorgesehen werden; und wird in Vorschlag gebracht, statt .
„„der Versammlung, welche die Anklage beschlossen hat““ setzen zu wollen: ;
einer ständischen Versammlung, zu welcher der Angeklagte gehört
hat ober seinen Verhältnissen nach angehören würde.
Ferner dürfte, auf Grund der bei Abschnitt III. vertretenen be—
Wer solcherge⸗
züglichen Ansicht, hinter „„Ausschließung““ einzuschalten sein: oder Entsagung.“
Nachdem aber im §. J. beschlossen worden ist, daß die Passus 2 und 3 wegfallen sollen, so erledigt sich diese Bemerkung der Ab⸗ theilung. * Einschaltung ist der Zustimmung der hohen Versammlung zu empfehlen, um der „Entsagung“ gleiche Rechte der Rehabilitirung zu geben, denn es kann Jemand mehr bescholten sein, der freiwillig entsagt hat, als Jemand, der durch das Urtheil seiner Standesge⸗ nossen ausgeschlossen worden ist. . . .
Marschall: Würde gegen diesen Zusatz etwas zu erinnern sein?
Mehrere Stimmen: Nein, es ist nur andere Fassung.
Marschall: Wir sprechen also über beide Paragraphen.
Abgeordn. Mevissen: Schon bei der allgemeinen Diskussion, meine Herren, habe ich mir erlaubt, zu bemerken, daß es feststehen⸗ der Grundsatz des Kriminalrechts ist, daß im Laufe der Zeit sich die Individuen in ihrem Innern umbilden, daß sie nicht dieselben blei⸗ den, sondern geistig andere werden. Nur auf die härtesten Ver⸗= brechen setzt das Kriminalrecht den bürgerlichen Tod. Wollen Sie hier dasselbe thun, wollen Sie eine gleiche Strafe aussprechen, wo Sie die That an gar keine festen Kriterien gebunden haben? Ich glaube, es wird Ihrem Gefühle für Recht, für Gerechtigkeit mehr Ehre machen, wenn Sie diese innere Umbildung der Personen auch in' diesem Gesetze anerkennen. Ich glaube, wenn Sie Ihr, Urtheil an 10jährige Frist binden, so haben Sie Ihrem Gewissen völlig ge= nügt, so haben Sie dem Lande die Garantie mehr wie genügend geboten, die es für die Ehre seiner Vertreter bedarf. Ich trage darauf an, daß im S. IV. eine 10jährige Frist eingeschaltet werde. (Gemurre in der Versammlung.) ö
Marschall: Es fragt sich, ob das Amendement Unterstützung indet. t Abgeordn. Mevissen: Ich komme jetzt zu 8. V. Der 8. V. weicht nach meiner Ansicht von dem Prinzip, was dem Gesetz⸗ Ent⸗ wurf im Ganzen zu Grunde liegt, gaͤnzlich ab. Wenn die Stande?⸗ genossen ausschließlich Richter in eigenen Angelegenheiten sein sollen, so darf durch §. V. kein fremdes Element in diese Befugniß einge⸗ mischt werden. So bald die Standesgenossen erkennen, daß ihr Ur⸗ theil ein unrichtiges gewesen, so müssen sie das Recht haben ihr Urtheil umzuändern, es zu kassiren; sie müssen jederzeit die Rehabi⸗ litirung aussprechen können. In Anerkennung dieses Grundsatzes möchte ich §. V. so gefaßt wissen: „Jede Versammlung, welche die Anklage oder Verurkheilung beschlossen hat, ann zu jeder Zeit die Rehabllitirung des Angeklagten oder Verurtheilten gussprechen.
(Mehrere Stimmen 6 das Amendement unterstützt
oder überhaupt angemeldet
NMarsch ehe 6 gefragt wird, ob dasselbe angemeldet sei, so muß ich sagen, daß der ln Redner in seinem allgemeinen Vor⸗ frage allerdings darauf hingewiesen hat, und ich fand kein Bedenken, die , zu fragen, ob sie diese Amendements unterstützt. Das erste Amendement schlen keine Unterstützung zu finden.
Eine Stimme: Zum Verständniß glaube ich bemerken zu müssen, daß dies eine Abänderung des, 8. IV, ist.
Secrekair von Patow: Es würde also nach 10 Jahren der Mann von selbst wieder ehrlich?
Marschall: Wird diefes Amendement unterstützt? Es hat die Unterstützung von etwas mehr als 24 Stimmen.
(Ruf: Abstimmung! Abstimmung!)
Abgeordn. Milde: Dies ist das erste Amendement. Dagegen ist das zweite noch nicht gestellt.
Marschall: Ich —— dieses Amendement auch sogleich zur Abstimmung. Ich bitte, daß diejenigen, welche es angenommen zu sehen wünschen, aufstehen. — Es ist mit großer Majorität abgelehnt.
Das zweite Amendement bitte ich nochmals vorzutragen.
(Abgeordn. Mevissen bewirkt dieses, s. o.)
Marschall: Wird dieses andere Amendement unterstützt? — Es erlangt hinreichende Unterstützung.
Es kommt also zur Diskussion.
Landtags-Kommissar: Ich erlaube mir hierauf die Be— merkung, daß die durch rechtskräftiges richterliches Erkenntniß abge— sprochenen Ehren nicht anders, als durch die Begnadigung Sr. Ma⸗ jestät des Königs hergestellt werden können.
Jeder Einzelne, und sei er der Niedrigste im Volke, der die Natio⸗ nal-Kokarde verloren hat, kann nur durch spezielle Bestimmung Sr. Majestät rehabilitirt werden. Sollte die vorgeschlagene Ausnahme beliebt werden, so würde die hohe Versammlung das ständische Ur⸗ theil niedriger stellen, als das der Gerichtshöfe. Ich glaube nicht, daß dieses in der Absicht liegt; läge es aber in der Absicht, so glaube ich von unserem Standpunkte aus die Prärogative der Krone dahin wahren zu müssen, daß, wenn Jemand durch rechtskräftiges Erkennt niß, sei es durch die Gerichtel oder durch die Stände⸗Versammlungen, weiche Se. Königl. Majestät für diesen Fall als gleichberechtigt mit den Gerichten anerkannt haben, entehrt ist, eine Aufhebung der Strafe nur erfolgen könne aus der Quelle, welche die alleinige Quelle der Gnaden bei uns ist. . ĩ
In Folge lauten Rufes nach Abstimmung findet sich der Herr Marschall veranlaßt, die Versammlung zu fragen, ob dieser Ruf nach Abstimmung durch 24 Mitglieder unterstützt wird?
(Geschieht sehr zahlreich.) Es bitten Mehrere ums Wort. . .
Marschall: Wenn ich Ihnen das Wort geben soll, so muß ich Anderen auch noch das Wort geben. ö
Abgeordn. von Bardeleben; Ich habe zu bemerken, daß dieser Gegenstand noch gar nicht debattirt worden ist. r
Marschall: Ich gebe aus diesem Grunde nach und bitte, daß sich diejenigen Redner melden, welche sich hierüber vernehmen lassen wollen. . (Der Ruf: Abstimmung! wird dringender, und die Unruhe in der
Versammlung nimmt zu, so ug sich der Herr Landtags- Mar⸗
schall mehreremale der Glocke bedienen muß.)
Eine Stimme: Es ist ja auf Abstimmung angetragen.
Marschall: Ich habe blos gefragt, ob der Antrag unter⸗ ützt wird. Dies war keine Abstimmung; diese bleibt noch zu veran— ssen. Ich ertheile jetzt dem Abgeordneten von Werdeck das Wort.
Abgeordn. von Werdeck; Die Anträge des Abgeordneten sind gestellt in Hinsicht der Erweiterung der ständischen Prärogative. Ich glaube aber, daß man gerade in ständische Prärogative eingrei⸗ fen würde, wenn man den Antrag annähme. Die Sache liegt so wie der Herr Landtags-Kommissar in Erinnerung gebracht hat. In allen Fällen steht Sr. Majestät das Begnadigungsrecht zu. Es folgt daraus, daß, wenn Se. Majestät von dieser Prärogative will Gebrauch machen, es jederzeit ihm freisteht. Wenn heute die Stände⸗ Versammlung Jemanden ausschlösse, so könnte Se. Majestät Dig ee Mitglied rehabilitiren. S. V. enthält die Entsagung dieser Prärs⸗ gatise zu Gunsten eines Standes, und wir sind im eigenen wohl Derstandenen Interesse nicht im Stande, nur etwas an Artikel . im ändern. Ich stimmeéè für unveränderte Annahme dieses Artikels.
Abgeorbn. Han semann: Es handelt sich im vorliegenden Falle nicht von der Königlichen Prärogative, auch nicht von dem Königlichen Begnadigungsrechte in dem Falle von wirklichen Verur⸗ theilungen; bedenken Sie, meine Herren, daß es sich hier nur um den Ausspruch eines ständischen Ehrengerichtes handelt, nicht, von einem Gerichte, welches über ein bestimmtes Verbrechen, ein bestimm⸗ tes Strafurtheil abzugeben hat, sondern es handelt sich nur von dem Ausspruche der Genossen, welcher sagt: Du kannst jetzt nicht mehr unter uns sein, Du kannst Deines Standes Ehrenrechte jetzt nicht wahrnehmen. Das ist ein großer Unterschied, und wir sind vollkommen in unserer Befugniß, wenn wir uns darüber ausdrücken, ob nach unserer Ansicht die Stände das Recht behalte ollen, ohne Einwirkung der Regierung das Ehrenrecht, was sie genommen haben, auch wiedergeben zu können.
Abgeordn. Steinbeck. Herr, Landtags-Marschall! Es wird 6 vielfach und mit vollstem Rechte in Ansprüch genommen, daß einem
olke nichts Schöneres und Edleres verliehen werden könne, als das Recht, seine Genossen, seine Mitglieder für würdig oder unwür⸗ dig zu erklären, ihm anzugehören. Dieses erhabene Recht hat Se. Majestät der König uns zugesprochen, und, dies erhabene Recht aus—⸗ übend, stehen wir höher, wie jedes einzelne Gericht. Das einzelne Gericht muß nach dem Buchstaben erkennen; wir erkennen in den Gränzen, die das Gesetz uns vorzeichnet, nach unserem Gewissen, nach unserer innersten Ueberzeugung, wir bilden ein wahrhastes
Goltesgericht. (Heiterkeit.)
Und diesem Gerichte ist in 8. 5 des Gesetzes die schöne Befugniß beigelegt worden, daß seine Aussprüche feststehen müssen, wie die Aus sprüche eines Gottesgerichts; nicht willkürlich, bald zu verurthei⸗ len, bald , , bald zu widerrufen, was man erst ausge⸗ sprochen hat, nein, sondern festzuhalten an dem, was anerkannt wor⸗ ben ist durch das Gewissen, aus dem Innersten der Seele, aus der gebietendsten Ueberzeugung, das ist es, was der Paragraph nus zi
sichert. Mögen Personen wechseln, mögen Parteien und Parteiun⸗ gen verschieden sein, immer bleibt die Wahrheit, sich gleich; d
Wahrheit aber ist das, was aus dem Innersten fließt. Doch üb—
den Wechsel ist eine Gewalt höher, als jede andere, das ist die Ge⸗ walt der Ordnung, und sie kann nur in den Händen des Monarchen liegen, wo eine monarchische Verfassung waltet, Daß sie bei uns waltet, das danken wir Gott, und halten wir die Rechte der Kro
fest, wie unsere eigenen. Daß der Wechsel nicht schade, dafür sor
diefer Paragraph, indem er eine Macht bietet, die, von den Ver= sammlungen ausgeübt, dann doch auch gemißbraucht werden kann, don dem Monarchen aber ausgeübt, der über dem Volks und mit dem Volke waltet, nur zum Besten dienen darf. Die Macht der Begnadigung, sie sei uns heilig! Ich vertheidige den Paragraphen.
Eine Stimme: Bravo! .
Abgeordn. von Bonin: Ich halte den Abänderungs-Vorschlag für den Gesetzen widersprechend und daneben auch für unprakftisch, Er widerspricht den Gesetzen in Beziehung darauf, daß ein einmal rechtskräftig festgestelltes Urtheil niemals durch eine Versammlung wieder aufgehoben werden, sondern nur im Wege der Begnadigung von Sr. Majestät dem Könige beseitigt werden könne. Er ist aber auch durchaus unpraktisch, und er würde uns in die Lage bringen, daß die von einer ständischen Versammlung ausgesprochene Beschol⸗ tenheit eines Angeklagten sofort durch eine niedere ständische Ver⸗ sammlung wieder aufgehoben werden könnte, wenn es ihr genehm wäre, mit der höheren Entscheidung sich nicht einverstanden zu erklä- ren. Ich muß mich entschieden gegen den Abänderungs⸗Vorschlag
aussprechen.
s
la
(Ruf zur Abstimmung von mehreren Seiten.) ͤ ö. Erste Beilage.
Umfange wahren zu wollen.
M 129.
673
Erste Beilage zur Allgemeinen Preußischen Zeitung.
Montag den 100 Mai.
Marschall: Jetzt scheint mir doch die Versammlung allge— mein die Abstimmung zu wünschen; kommt also nun das Amende— ment des Abgeordneten Mevissen zur Abstimmung? Es wolle der , selbst sein Amendement noch einmal vortragen. (Dies eschieht .
) shhn Ausschluß der Allerhöchsten Bestätigung also.
Abgeordn. von Bardeleben: Ich bitte ums Wort.
ö . Vielfacher, lauter Ruf zur Abstimmung.)
Ich bitte ums Wort nur in Bezug auf die Fraͤgestellung selbst. Die Frage zerfällt in zwei Theile. Ich möchte mich ganz ent⸗ schieden für das Vorrecht der Krone erklären, aber außerdem würde ich mich entschieden gegen die 5 Jahre erklären; es läßt sich also nicht 75 Beides in eine Frage zusammenbringen.
Marschall: Ich will also die Frage in zwei Theile spalten und die erste Frage so stellen, ob es der betreffenden Versanmlung nicht etwa nach 5 Jahren, sondern jeden Augenblick zustehen solle, eine solche Rehabilitation wieder eintreten zu lassen. Diejenigen welche das Amendement annehmen wollen, bitte ich aufzustehen.“
(Wird durch überwiegende Majorität abgelehnt.)
Das zweite Amendement besteht darin, daß die Allerhöchste Be— stätigung nicht erforderlich sein solle. Ich bitte die Herren, die die ses Amendement annehmen wollen, aufzustehen.
(Es erhebt sich nur eine Stimme dafür.)
Der Paragraph schreibt noch vor, daß, wenn eine solche Ver sammlung nach 5 Jahren beschließt, demjenigen, der seine Ehren haftigkeit verloren hat, sie wiederzugeben, dieselbe darauf antragen kann, daß Se. Majestãt der König dies auszusprechen habe; das Amende ment aber geht dahin, daß diese Machtvollkommenheit in die Ver— sammlung allein gestellt werden solle. Die dem Amendement bei⸗ treten, bitte ich aufzustehen.
(Das Amendement wird mit großer Majorität verworfen.)
Abgeordn. Freiherr von Gudenau: Ich wollte mir' auch noch ein Amendement erlauben; Wir haben bei dem ganzen Gefetz⸗ Entwurfe überall, wo eine bestimmte Majorität erforderlich war, die absolute Mehrheit angenommen; ich behaupte daher, daß auch in §. 5 die Majorität von 5 wegfallen und die Abstimmung durch die einfache Majorität stattfinden müsse. .
Viele Stimmen: Ja!
Marsch all: Verlangt Jemand das Wort hierüber? Aus den sich kundgebenden Aeußerungen glaube ich annehmen zu können daß das Amendement unterstützt wird; ich werde also sogleich zur Ab⸗ stimmung über dasselbe vorschreiten. Soll das Aniendement an— genommen werden, daß nicht 3 der Stimmen, sondern die Majori— tät hinreichend sei?
ö (Wird mit großer Majorität angenommen.)
Ich kann wohl nunmehr voraussetzen, daß mit diesem letzten Amendement die beiden S§. 4 und 5 angenommen werden, wenn Rie—⸗ mand dagegen sich erklärt. —ͤ ;
. (Es erklärt sich Niemand dagegen.)
Wir kommen nun zum §. VI. .
Referent Graf Stosch: §. VI. lautet: „Die ständischen Rechte ruhen: ̃ z 1) in allen den Fällen, in welchen das Bürgerrecht oder Gemein derecht ruhen; . ; 2) wenn eine Kuratel- oder Kriminal⸗Untersuchung eingeleitet ist; 3) wenn eine ständische Versammlung nach Nr. III. den Beschluß gefaßt hat, das Verfahren eintreten zu lassen, bis ein rechts— kräftiger Ausspruch ergangen ist.“
Die Abtheilung hat sich für diese Bestimmungen ausgesprochen und sagt hierüber:
„Abschnitt VI. handelt von den Fällen, in welchen die Ausübung ständischer Rechte ruhen soll, und tritt diese Suspension ein:
1) wenn das Bürgerrecht ruht.
Keinenfalls wäre es zu rechtfertigen, wenn Jemand vom Bür— ger⸗¶ G inde⸗) Rechte, wenn auch nur zeitweise, ausgeschlossen worden, demselben das Recht einzuräumen, höhere ständische Rechte während dieser Zeit auszuüben; und scheint demzufolge diese Bestim— mung zweifellos. )
2) wenn eine Kuratel- oder Kriminal-Untersuchung eingeleitet ist.
Als zweifelhafte Frage erscheint: ob schon die Einleitung einer jeden Kriminal- Untersuchung die Suspension ständischer Rechte begrün— den solle; oder ob solche nicht vielmehr nur dann eintreten dürfe, wenn wegen eines Verbrechens, worauf eine ehrenrührige Strafe steht, von einer ständischen Versammlung auszuschließen sei?⸗ — Der Entwurf hat die erste Alternative vorgezogen, weil schon nach der revidirten Städte-Ordnung vom 17. Mai 1831 8. 23, nach der Landgemeinde⸗ Ordnung für Westfalen vom 31. Oktober 1841 §. 47 und nach der rheinischen Gemeinde-Ordnung vom 23. Juli 1845 §5. 40 die Einleitung einer jeden Kriminal⸗Untersuchung je derzeit das Ruhen des Bürger⸗ (Gemeinde⸗) Rechtes nach sich ziehe, und wurde dieser Ansicht des Entwurfs desto unbedenklicher beigetreten, als es für ständische Versammlungen als peinlich und als ungeeignet gelten müsse, ein Mitglied in ihrer Mitte zu wissen, über dem Freiheits- und selbst Ehrenstrafen schweben; es auch für ständische Versammlungen jeden⸗ falls als entsprechend erscheinen will, sich bezüglich der Bescholtenheit eines Mitgliedes über derartige Eventualitäten stellen zu wollen.
3) wenn die ständische Versammlung ein förmliches Verfahren ein—⸗ geleitet hat.
Eine vorläufige Ausschließung des in Untersuchung gezogenen Mitgliedes unterliegt um- so weniger einem Bedenken, als es eben die Aufgabe, wie der Inhalt des Entwurfs ist, die zweifellose Ehren— haftigkeit der Mitgliedschast ständischer Versammlungen im vollsten
Hierbei ist anzuführen, daß die in diesem Abschnitt beregte Sus⸗ pension sich von einer Ausschließung dadurch wesentlich unterscheide, als bei ersterer nur der Stellvertreter einberufen wird, das zeitherige Mandat demzufolge auch nur ruht, während bei letzterer eine neue Wahl eintreten muß und hiermit das Mandat erlischt.“
Abgeordn. Han semann: Ad VI. mache ich folgendes Amen— dement: „Die ständischen Rechte ruhen während der Zeit, daß ein kompetentes Kriminalgericht wegen solcher Verbrechen, auf welche die unter J. 1L a. und b. bezeichneten Strafen ausgesprochen werden kön— nen, die Untersuchung und zugleich Verhaftung des Angeschuldigten angeordnet hat.“ — Es ist also nach meiner Ansicht nur dann das Ruhen der ständischen Rechte auszusprechen, wenn eine wirkliche Kri— minal - Untersuchung auf solche Verbrechen, wegen welcher die ständi— schen Rechte entzogen werden, durch ein Kriminalgerichts-Urtel ein— getreten ist. Ich glaube, daß Sie dieses Amendement um so mehr annehmen werden, als durch Ihren früheren Beschluß auch schon die Bestimmung wegen des Bürger- oder Gemeinde⸗Rechts eliminirt worden ist, und als sie nicht durch die Einleitung des ehrengericht⸗ lichen Verfahrens, nämlich seitens der Stände, schon gewissermaßen das Strafurtel ausführen wollen; denn wenn Sie di das ständi⸗ sche Recht ruhen lassen, sobald von einer ständischen Versammlung die
T rVZω%ueai
sonst aufhört, nämlich mit der Bestrafung, und dies werden Sie nicht wollen.
Abgeordn. Milde: Ich wollte mir nur zwei Worte zur För⸗ derung der Debatte erlauben. Ich glaube, um das Geschäft zu för— dern, möchten wir die einzelnen Passus in der Reihe durchnehmen, wie sie vorgeschlagen sind, also über 1, 2 und 3 nach einander de? battiren und abstimmen; sonst kommen wir nicht zu Ende.
M ar sch all: Es ist ein Amendement eingebracht worden, welches den ganzen Paragraphen streichen und einen anderen an des— sen Stelle setzen will, also ganz allgemeiner Art ist. Ich frage, oh dieses Amendement Unterstützung findet? Wird es angenommen so schließt es alle ferneren Debatten aus.
(Das Amendement wird hinreichend unterstützt.) Es wird nützlich sein, das Amendement näher ins Auge zu fassen, und ich frage, ob sich einige Redner darüber wollen hö— ren lassen. . Eine Stimme om Platze): nicht verstehen können. ;
. (Der Secretair liest das Amendement vor.) Marschall: Es handelt sich also davon, daß die ständischen Rechte ruhen sollen, wenn Jemand eingesperrt ist.
— (Gelächter. )
Abgeordn. von Bonin: Es ist hier schon wiederholt hervor— gehoben worden, daß das Amendement seine Erledigung in sich selbst sindet, weil derjenige, welcher zur Haft gebracht worden ist, natürli cherweise an keiner ständischen Versammlung Theil nehmen kann; ich habe mir aber gleich bei Einführung des Gesetz-Entwurfs den Vor— schlag erlaubt, den §. 6 von den übrigen Bestimmungen, die in den §5. 1 bis 5 enthalten waren, scharf zu trennen, weil ich glaube, in llebereinstimmung mit einem großen Theile der Versammlung anneh—⸗ men zu dürfen, daß die Dispositionen des 8. 6 unmöglich gleichmä⸗ ßig aufgefaßt werden können mit den Dispositionen der §§. 1 bis 5. In den Bestimmungen, die in den s§. 1 bis 5 abgehandelt werden, ist stets nur von entschieden bescholtenen Personen gesprochen worden, hier aber wird von Verhältnissen gesprochen, in denen sich Personen befinden können, ohne daß man deshalb annehmen muß, daß ihre Be— scholtenheit schon ausgesprochen sei. Sofern die hohe Versammlung dieser Ansicht beitritt, gewönnen die Dispositionen dieses Paragra— phen ein ganz anderes Ansehen. Es scheint mir ziemlich nahe zu lie⸗ gen, daß, Jemand wegen eines Verhältnisses, das ihm nicht seine Ehre entzieht, ihn aber doch von Ausübung des Bürgerrechts aus⸗
schließt, noch keinesweges als bescholten anzusehen ist; aber eben so bestinmt scheint es mir, daß, so lange Jemand das Bürgerrecht nicht exerzieren kann, er auch nicht im Sande ist, ständische Rechte zu exer— zieren; sie sind ihm aber deshalb nicht entzogen, sondern sie werden nur so lange von ihm nicht exerziert, als er die bürgerlichen Rechte nicht exerzieren kann. Deshalb würde ich mich dafür erklären, daß die erste Bestimmung, daß die ständischen Rechte ruhen sollen in al— len den Fällen, in welchen die Bürgerrechte oder die Gemeinderechte ruhen, wie es im Paragraphen vorgeschlagen ist, beibehalten werde. Darf ich nun in Beziehung auf die anderen Bestimmungen weiter sprechen? — Dieselben Gründe bestimmen mich in Bezug auf die an⸗ deren Nummern sub 2 und 3. Ich räume ein, daß Jemand in eine Kriminal-Untersuchung verwickelt werden kann, ohne daß er durch die Einleitung der Untersuchung an seiner Ehre eine Kränkung erleidet, auf der anderen Seite aber ist nicht in Abrede zu stellen, daß, so lange nicht durch ein Erkenntniß festgestellt ist, daß man keine Ehrenkränkung erlitten hat, man auch nicht bei Ausübung ständischer Rechte thätig sein kann, die eine unbedingte Unbescholten— heit erfordert. Ich bin daher der Meinung, daß, wenn durch mei— nen Abänderungs-Vorschlag überall die Ehrenhaftigkeit der Personen, die hier bezeichnet sind, noch nicht in Frage gestellt wird, man eben⸗ falls die Bestimmung sub 2 beibehalten kann. Dasselbe findet in Beziehung auf Nr. 3 statt. Durch Einleitung des Verfahrens, was nach Nr. 3 rücksichtlich der Ehrenhaftigkeit des Mitgliedes einer stän⸗ dischen Versammlung eingeleitet werden darf, ist noch keineszweges der Mangel der Ehrenhaftigkeit ausgesprochen; das wird erst das Resultat der Untersuchung ergeben. Eben so muß ich auch für diese Bestimmung verlangen, daß, so lange ein solches Verfahren einge⸗ leitet ist und besteht, die Ausübung des ständischen Rechtes nicht ge⸗ stattet werden und erst wieder eintreten kann, wenn durch die Ent— scheidung der kompetenten ständischen Versammlung die Ehrenhaftig⸗ keit anerkannt worden ist. Das ist der Antrag, den ich gleich an⸗ fangs gestellt und heute wiederholt motivirt habe. .
Marschall: Die Abänderung besteht darin, daß im Eingange des Paragraphen, wo es heißt: „Die ständischen Rechte ruhen“, es heißen soll: „Die Ausübung der ständischen Rechte ruht zeitweise.“ Landtags-Kommissar: Ich glaube, daß der gestellte An⸗ trag etwas weiter geht, als er eben definirt worden ist. Er geht nämlich dahin, im Gesetze ausdrücklich zu bezeichnen, daß diejenigen Personen, welche unter VI. subsumirt sind, noch nicht bescholten seien. Nach der Ueberschrift des Gesetzes heißt es: „Entwurf einer Verord⸗ nung, betreffend die Ausschließung bescholtener Personen von ständi⸗ schen Versammlungen“, und daraus würde allerdings hervorgehen, daß auch diejenigen, deren ständische Rechte nur ruhen, schon deshalb als bescholten anzusehen seien. Da dies aber keinesweges bei dem Entwurfe des Gefetzes in der Absicht gelegen hat, so stimme ich dem verehrten Redner vollkommen dahin bei, daß es eine wesentliche — wenn auch nur formelle — Verbesserung des Gesetz⸗Entwurf ist, wenn sowohl durch die Ueberschrift, als durch die Stellung ausdrück⸗ lich bezeichnet wird, daß das bloße Ruhen der ständischen Rechte noch keine Bescholtenheit einschließe. Ich glaube aber, daß es sich eigentlich nur um eine wesentliche Verbesserung der Fassung handelt, zu der das Gouvernement mit Freuden die Hand bieten wird. Abgeordn. Gier: Das ist eine Bemerkung, die allerdings zu Protokoll zu nehmen ist; es ist aber eine Sache der Redaction. Marschall: Es sind noch andere Amendements eingegangen. Abgeordn. von Werdeck: Ich bin vollkommen damit einver- standen, daß Personen, gegen welche eine Kriminal-Untersuchung we—⸗ gen entehrender Verbrechen eingeleitet worden ist, so lange in unserer Versammlung nicht geduldet werden dürfen, bis es entschieden ist, daß sie unschuldig sind. Es gründet sich das darauf, daß der Ein⸗ leitung der Untersuchung eine Voruntersuchung vorhergehen muß. Ich glaube aber, daß diese Wirkung sich auch nur auf Verbrechen er⸗ strecken dürfe, die die Folgen haben, daß überhaupt die ständischen Rechte aberkannt werden können, und hierauf gründet sich der Vor—⸗ schlag, hinter dem Worte: „Kriminal- Untersuchung“ einzuschalten: „wegen eines Verbrechens, das die unter 1. 1 a und h vorgesehenen Folgen nach sich zieht.“
Abgeordn. So mmerbrodt: Es ist hier im §. VI. Nr. 1 gesagt: die ständischen Rechte ruhen, wenn das Bürgerrecht ruht; eine solche Bestimmung kennt aber die alte Städte⸗Ordnung, die ich aus vollem Herzen auch die gute nennen will, weil es meine Ueber⸗ zeugung ist und ich sie als den Grundpfeiler unseres freien, selbst=
Ich habe das Amendement
Anklage ausgesprochen worden ist, so fangen Sie damit an, womit man
ftändigen Bürgerthums betrachte, gar nicht. Die neue Städte⸗Ord⸗
nung und die rheinische, die auch nur allein in der Denkschrift zu diesem Gesetz erwähnt sind, sprechen aus, daß, wenn Jemand in Kri— minal⸗Untersuchung sich befindet, das Bürgerrecht ruht, die alte Städte- Ordnung macht es davon abhängig, ob die städtischen Be—⸗ hörden ihm alsdann die Ehrenrechte entziehen wollen; sie hat keinen Paragraphen, welcher ausspricht, daß bei demjenigen, der sich in ei⸗ ner Kriminal- Untersuchung befindet, die bürgerlichen Rechte ruhen müssen. Ich fürchte, daß, wenn dieser Passus so, wie hier, stehen bleiben sollte, es leicht möglich wäre, daß das Gouvernement ihn als eine Ergän⸗ zung der alten Städte-Ordnung in vorkommenden Fällen ansehen könnte, dadurch also wieder ein Fel unserer Selbstständigkeit verlo⸗ ren ginge, und wenn irgend ein Abgeordneter durch einen willfähri⸗ gen Denunzianten, deren wir leider genug haben, wegen Verleihung eines verbotenen Buches oder wegen einer frei ausgesprochenen poli⸗ tischen Ansicht in eine Kriminal- Untersuchung verwickelt würde, das Gouvernement auf Grund dieses Passus dann behaupten könnte, daß die Ehren-Bürgerrechte desselben ruhen und er deshalb auch nicht zum Landtage einberufen werden könne. Die Städte-Ordnung sagt aber, es hängt von dem Beschlusse des Magistrats und der Stadt⸗ verordneten ab, ob einer solchen Person die Ehrenrechte entzogen werden sollen, und ich möchte behaupten, daß es Fälle geben wird, wo Magistrat und Stadtverordnete wegen einer politischen Untersu⸗ chung die Ehrenrechte nicht eher entziehen werden, bis wirklich aus⸗ gesprochen ist, ob die fragliche Person ein Verbrechen begangen hat. Ich muß daher, wenn der Passus stehen bleiben sollte, den Antrag stellen, daß der Zusatz gemacht werde: „die ständischen Rechte ruhen in allen den Fällen, in welchen das Bürger- oder Gemeinde- Recht ruht, oder in denen, mit der alten Städte- Ordnung beliehenen Städten, wenn durch einen gesetzmäßig gefaßten Beschluß des Ma⸗ gistrats und der Stadtverordneten eine zeitweise Entziehung der Eh⸗— renrechte stattgefunden hat.“
Abgeordn. Zimmermann: Es sind mir wesentliche Bedenken gegen den Artikel VI. aufgestoßen; ich erlaube mir, dieselben zur Sprache zu bringen und zu einer Erwägung zu empfehlen. Ich will mein Amendement voranschicken, um sogleich übersehen zu lassen, zu welchem Resultate meine Bedenken führen sollen. Ich schlage vor: den Artikel VI. so zu fassen:
„Inwieweit die ständischen Rechte ruhen 1) in allen den Fällen, in welchen das Bürgerrecht oder das Gemeinderecht; 2) wenn eine Kuratel oder eine Kriminal-Untersuchung eingeleitet ist; 3) wenn eine ständische Versammlung nach Nr. III. den Beschluß gefaßt hat, das Verfahren eintreten zu lassen, bis ein rechtskräftiger Ausspruch ergangen ist, hat diejenige ständische Versammlung zu besinden, de⸗ ren Mitgliedschaft beansprucht wird.“
Das wichtigste Bedenken scheint mir in dem Punkte zu liegen, daß die ständischen Rechte ruhen sollen, wenn eine Kriminal-Unter⸗
suchung eingeleitet worden ist. Es ist bereits an dieser Stelle er⸗ wähnt worden, daß es eine Berücksichtigung verdiene, wenn etwa Uebergriffe des Gouvernements zu fürchten sein möchten. Diesen Grund möchte ich für durchgreifend nicht erkennen, ich finde ihn wi— derlegt durch die Vorlage dieses Gesetz⸗Entwurfs und widerlegt durch das Erscheinen der Herren Departements-Chefs, die ihre Bereitwil— ligkeit erklärt haben, Auskunft zu geben über Alles, wo eine solche gewünscht wird; aber ich finde ein Bedenken darin, daß, während die Kriminal-Untersuchung eingeleitet ist, die ständischen Rechte ruhen sollen, wenn ich darauf zurückkomme, welche Formalitäten die Krimi⸗ nalordnung vorschreibt bei Einleitung einer Untersuchung. Es fehlt in derselben ganz und gar an festen Bestimmungen, unter welchen Modalitäten, unter welchen Voraussetzungen und Formen eine Unter⸗ suchung für eingeleitet zu erachten ist; es sind keine Grundsätze aus—⸗ gesprochen, ja, nicht einmal angegeben, ob und wann der Richter er⸗ klären solle, die Untersuchung sei eingeleitet; es liegt daher ganz in der subjectiven Beurtheilung des Richters, zu erklären, ob eine Un⸗
tersuchung als eingeleitet anzusehen sei oder nicht, und hierin
finde ich eine Gefahr, wenn ausgesprochen wird, daß die
ständischen Rechte während einer Kriminal- Untersuchung ruhen.
Abgesehen aber davon, liegt in dieser Bestimmung auch die An⸗
ordnung, daß die ständischen Rechte ruhen sollen bei allen Ver⸗
brechen und Vergehungen, die Kriminal-Untersuchungen zur Folge ha⸗
ben. Ich erlaube mir, darauf aufmerksam zu machen, daß viele Fälle
vorkommen, wo der Richter genöthigt ist, eine Kriminal⸗Untersuchung
einzuleiten über Handlungen, die nicht ehrenrührig sind, z. B. bei
Vergehen, die aus Fahrlässigkeit und Unvorsichtigkeit begangen sind,
bei der Untersuchung, die ein Duell zur Folge hat, kurz, alle nicht
ehrenrührige Vergehen würden die Folge haben, daß die ständischen
Rechte nicht ausgeübt werden könnten. Ferner mache ich darauf, auf⸗
merksam, daß nach der Kriminal-Ordnung Jeder eine Denuncigtion
anbringen kann; aber sie giebt für den Richter keine bestimmten Vor—⸗
schriften, welche Gestalt diese Denunciation haben muß. Sobald
nur Jemand eine Denunciation anbringt, die mit Beweismitteln un⸗
terstiltzt ist, so ist nach dem gewöhnlichen Verfahren der Richter in
der Regel verpflichtet, die Untersuchung einzuleiten. Ich finde das Interesse der Stände gefährdet, wenn einem einzelnen Böswilligen üͤberlassen sein soll, die ständischen Rechte durch das Anbringen einer Denunciation zu beeinträchtigen. Es ist mir entgegnet worden und auch im Gutachten erwähnt, daß man darin einen Schutz finden könne, daß wissentlich falsche Denunciationen bestraft werden; was hilft es aber, wenn man schon dadurch, daß man die ständischen Rechte nicht ausüben darf während der Zeit, daß die Untersuchung schwebt, bestraft ist.
Ferner spricht der Artikel 6 aus, daß, wenn eine ständische Ver⸗ sammlung den Beschluß gefaßt hat, das Verfahren eintreten zu las⸗ sen, auch die ständischen Rechte so lange ruhen sollen, bis ein rechts⸗ kräftiger Ausspruch ergangen ist. Ich erlaube mir, darauf aufmerk- sanw zu machen, daß auch ein Appellations- und Aggravationsver⸗ fahren noch angemessen erachtet worden ist, daß also die Zeit, wäh= rend welcher die ständischen Rechte ruhen sollen, auf Jahre sich ausdehnen könne, wenigstens nach den Grundsätzen, wie jetzt die Versammlungen zusammentreten. Endlich bitte ich, zu erwägen, daß fonsequenterweise Las Ruhen der ständischen Rechte auch die Folge haben muß, daß die übrigen Vorrechte der Standschaft gleichfalls ru⸗
hen, daß, wenn gegen Einen eine begründete Denun ciation angebracht worden ist, von demselben nicht mehr das Recht deg an nn, und
der Jurisbiction, nicht mehr das Recht der Polizei Vieeĩwal⸗
tung ausgeübt werden darf, daß also alsdann diese Rechte in Nandert' Hände übergehen. Alle diese Punkte scheinen mir von so größer Erheblichkeit, daß ich im Allgemeinen den Grund⸗ satz, der im Artikel VI. ausgesprochen ist nicht beitreten kann. Ich inde nur darin eine Garantie gegen mögliche Uebergriffe, wenn der⸗ enigen ständischen, Versammlung die Befugniß beigelegt wird, zu er⸗ ige. daß die ständischen Rechte Uuhen, deren Mitgliedschaft bean⸗ sprucht wird. Gegen eine solche Maßregel findet sich auch kein Hin⸗ berniß in den Fällen, wo eine ständische Versamm ung auszu prechen hat, ob eine Untersuchun überhaupt einzuleiten sei oder nicht; bei
dieser Gelegenheit kann die Versammlung die Frage füglich mit er⸗