bene Erforderniß des zehnjährigen Grundbesitzes nicht erfülle, und;
wurde deshalb nach Vorschrift des Allerhöchsten Reglements über das Verfahren bei den ständischen Wahlen vom 22. Juni 1842, welches im 5§. 12 die Bestimmung enthält, „daß, wenn die Wahl auf ein Mitglied des betreffenden ständischen Verbandes fällt, bei welchem die Bedin ung des zehnjährigen ,, nicht voll⸗ 6 erfüllt wird, jederzeit noch eine zweite . che Wahl für den
all vorzunehmen ist, 6 die erforderliche lönigl. Dispensation nicht ertheilt werden sollte“, fofort noch eine subsidigire Wahl vorgenom⸗ men. Diese fiel auf den Bruder des rin cipaliter Gewählten den Grafen Eduard von Reichenbach auf Waltdorf. Zum , . Stellvertreter war der Landrath des Kreises Oppeln, Hoffmann, ge⸗
wählt . j m . die Wahl-Verhandlungen dem Landtags⸗Kommissarius
ür Schlesi her-Präsidenten von Wedell, eingereicht worden wa⸗ . e r. Wege zu dessen Kenntniß, daß der Graf Eduard von Reichenbach wegen Verbreitung einer verbotenen Schrift von Karl Heinzen, betitelt „weniger als 20 Bogen“, und hierdurch verübter Majestäts Beleidigung, von dem Königlichen Ober-Landes—= Gerichte in Ratibor zur Kriminal Untersuchung gezogen worden sei. Dieser Umstand veranlaßte den Ober-Präsidenten von Wedell, in Stelle des in gerichtlicher Untersuchung befangenen Grafen Eduard von Reichenbach eine neue subsidiaire Wahl anzuordnen, damit für den Fall, daß dem principaliter gewählten Grafen Oskar von Rei— chenbach die Allerhöchste Dispensation nicht zu Theil würde, ein völ— lig qualisizirter Abgeordneter (Reskr. des Königlichen Ministeriums des Innern und der Polizei vom 16. Januar 1811) zur Bestätigung in Vorschlag gebracht werden könnte.
In dem darauf abgehaltenen anderweitigen Wahltermine prote— stirten der Graf Oskar von Reichenbach, der Graf Eduard von Rei⸗ chenbach und noch zwei andere wahlberechtigte Rittergutsbesitzer ge— gen die Vornahme einer neuen Wahlz alle übrigen im Termine er— schienenen Wähler, neunzehn an der Zahl, erklärten sich mit der an— geordneten neuen Wahl einverstanden und vollzogen dieselbe.
Daß Ergebniß der Wahl war, daß der Graf von Strachwitz auf Proschlitz in suhsidium als Abgeordneter gewählt wurde, für den Fall, daß dem principaliter zum Abgeordneten gewählten Gra— fen Oskar von Reichenbach, dessen Wahl durchaus bestehen blieb, die Allerhöchste Dispensation von der Bedingung des zehnjährigen Grund— besitzes versagt würde. Der Bericht des Ober- Präsidenten von Wedell mit den Wahl Verhandlungen hat hierauf Sr. Majestät dem Könige in Rücksicht der für den Grafen Oekar von Reichenbach in Antrag gebrachten Allerhöchsten Dispensation vom zehnjährigen Grundbesttze vorgelegen. Se. Majestät der König haben indeß in der 28 erfolgten Allerhöchsten Kabinets Ordre vom 19. Februar dieses Jahres auszusprechen geruht, daß feine hinlänglichen Gründe vorlägen, dem Grafen Oskar von Reichenbach die Dispensation vom zehnjährigen Grundbesitze zu ertheilen, und ist in Folge dessen der in subsicsium gewählte Graf von Strachwitz auf Pioschlitz als rit— terschaftlicher Abgeordneter des brieger Wahlbezirkes bestätigt und
zum Vereinigten Landtage einberufen worden.
Die Petenten sind nun der Ansicht, daß in der egen den Gra⸗ sen Eduard von Reichenbach eingeleiteten Kriming Untersuchung keine ausreichende Veranlassung zur Anordnung und Vornahme einer neuen subsidigiren Wahl gelegen habe, daß es vielmehr bei der ersten subsidiairen Wahl habe verbleiben müssen, erachten demgemäß die zweite subsidiaire Wahl für gesetzwidrig und tragen deshalb auf die nachträgliche Einberufung des Grafen Eduard von Reichenbach an die Stelle des Grafen von Strachwitz an. Eine Entwickelung und Be— gründung dieser Ansicht aus den einschlagenden Gesetzen ist von den Petenten nicht gegeben, sondern beschränken sie sich darauf, 6 n n anzuführen, daß sie die spätere Wahl und Einberufung des Grafen von Strachwitz aus dem Grunde für gesetzwidrig erachteten, weil sei⸗ tens der Kreisstände (welcher, ist nicht gesagt) der Graf Eduard von Reichenbach für völlig unbescholten erklärt worden sei. Dagegen geht aus dem der Petitions-Schrift beigefügten, gedruckten Sendschreiben des Grafen Eduard von Reichenbach hervor, daß den Petenten hier- bei die Bestimmung des S. 7 der Kreis-Ordnung für Schlesien vom 2. Juni 1827 vorgeschwebt haben mag, da in diesem Sendschreiben der Graf Eduard von Reichenbach auf jenes Gesetz ausdrücklich Be⸗ zug genommen und angeführt hat, daß in einem von ihm nach der Bestimmung des 5. 7 der Kreis⸗Ordnung beantragten, durch die Be⸗ hörde in gesetzlicher Weise zusammenberufenen, in Neisse am 31. März d. J. abgehaltenen Konvente der Ritterschaft seines Kreises einstim⸗ mig erklärt worden sei: daß sie ihn, ungeachtet der gegen ihn wegen
ir n Telering eingeleiteten Untersuchung, für unbescholten ielten.
Obgleich es begründet ist, daß die Kreis- Ordnung für Schle— sien vom 2. Juni 1827, in Uebereinstimmung mit der rheinischen und westfälischen Kreis-⸗-Ordnung, im angezogenen Paragraphen für den Fall, daß bei einem Mitgliede der Ritterschaft oder einem ge— statteten Vertreter derselben die Unbescholtenheit des Rufes bestritken wird, der Ritterschaft des Kreises die Befugniß beilegt, in einem be— sonderen Konvente durch Stimmen-Mehrheit von zwei Dritteln der Anwesenden darüber in erster Instanz zu entscheiden, resp. wenn die Entscheidung für die Bescholtenheit des Rufes ausfällt, die Ausschlie⸗ ßung zu bestimmen, und falls der Betroffene ober die abgestimmte Minorität bei dem Beschlusse sich nicht beruhigen will, den Mitglie⸗ dern des Provinzial⸗Landtages von der Ritterschaft die Entscheidung in der zweiten und letzten Instanz überträgt, und obschon die gehor— samst unterzeichnete Abtheilung auf der anderen Seite keine Veran— lassung hat, die Richtigkeit der von dem Grafen Eduard von Rei— chenbach in dem Senbschreiben ,,. von der Ritterschaft sei⸗ nes Kreises in dem Konvente zu Neisse abgegebenen Erklärung in Zweifel zu ziehen, so kann doch die Abtheilung, und zwar in einer Majorität von 12 gegen 2 Stimmen, der hieraus von jenem und den Petenten selbst gezogenen Folgerung nicht beitreten, noch weniger aber dem darauf gestützten Petitions-Antrage sich anschließen, sondern erachtet vielmehr die Majorität den Antrag für nicht begrün— det und ist der Ansicht, daß das angegriffene Verfahren des Bber⸗
räsidenten von Wedell in der obwaltenden Sachlage und in den ge— 946 Bestimmungen seine vollständige Rechtfertigung findet. ach dem dargestellten Sachverhältnisse gestaltet sich nämlich der
vorliegende Fall eh ln.
daß im brieger Wahl⸗Bezirke ein ritterschaftlicher Abgeordneter zum
Provinzial - Landtage gewählt worden, welcher wegen mangelnden
zehnjährigen Grun dest n der Allerhöchsten Diepensation bedurfte,
und daß als 86 mann für den Fall, daß dem
wählten die Allerhöchste Dispensation nicht zu
Ritter gutsbesitzer
rincipaliter Ge⸗ heil würde, ein
) ewählt und zu bestätigen war, gegen welchen, noch ehe die Bestéligung erfolgte, die g n h. uind fehr ein⸗
. ist. andelte sich mithin nicht von der Befähigung zum Erschei— nen auf dem Kreistage 9 welchem der Graf . von Reichen⸗ bach als Ritt ergutsbesitzer Mitglied ist oder, spezieller ausgedrüct, nicht um die Beurtheilung des in §. 6 sub & der schlesischen Freia⸗ Ordnung als Bedingung zur ersönlichen Ausübung des Stimmrechts 7 dem Kreist e vorgeschriebenen unbescholtenen Rufes seitens der tglieder der reis - Ritterschaft nach der Bestimmung des bereits allegirten . 7 ibid., sondern es handelte sich junchsi' um Prüfung
S0d
zum Provinzial⸗Landtage h . gewähl⸗ ätigung in gerichtlicher Unter n befange⸗ nen ritterschaftlichen Abgeordneten nach Maßgabe des dieserhalb er⸗ lassenen Gesetzes wegen Anordnung der Provinzial-Stände für das Herzogthum Schlesien 2c. vom 27. März 1824. Beide Verordnun⸗ gen enthalten aber hierunter wesentlich verschiedene Bestimmungen.
Während nämlich, wie schon berührt, der §. 7 der Kreis-Ord-= nung die Prüfung der in Frage gestellten Unbescholtenheit eines Rit—= tergutsbesitzers, welche letztere der 8. H ibid. neben der Gemeinschaft mit einer der christlichen Kirchen und Vollendung des 24sten Lebens⸗ jahres als Bedingung zur persönlichen Ausübung des Stimmrechtes auf dem Kreistage erfordert, der Ritterschaft des Kreises überweist, stellt zwar das Gesetz wegen Anordnung der Provinzial⸗Stände im §. 5 neben dem zehnjährigen Grundbesitze, der Gemeinschaft mit einer der christlichen Kirchen und dem 30 jährigen Alter gleichfalls den unbe⸗ scholtenen Ruf als allgemeine Bedingung der Wählbarkeit zum Land tags-Abgeordneten für alle Stände hin, enthält aber eben so wenig, als die für die anderen Provinzen erlassenen ständischen Gesetze, eine Bestimmung, wodurch die Beurtheilung des unbescholtenen Ruses den Standesgenossen zugewiesen würde, sondern setzt nur, und zwar wie— derum in Uebereinstimmung mit den anderen ständischen Gesetzen, hinsichtlich der Prüfung der allgemeinen Bedingungen im §. 29 ge⸗ nerell fest, „daß der Landtags⸗Kommissarius zu prüfen habe, ob die Wahlen in der Form und nach den Eigenschaften der Abgeordneten, der Vorschrift gemäß, geschehen sind. Es stand mithin nach dieser klaren, auf den vorliegenden Fall allein zur Anwendung zu bringen⸗— den Disposition nicht den Standesgenossen des Grafen Eduard von Reichenbach und am allerwenigsten dem gar nicht zum brieger Wahlbezirke gehörigen, in Neisse abgehaltenen Kreis- Ritterschafts⸗ Konvente zu, über die Unbescholtenheit des Grafen Eduard von Reichenbach zu entscheiden, sondern gehörte dies zur ausschließli—⸗ chen Kompetenz des Königlichen Landtags-Kommissarius, als der zur Ausführung und Aufrechthaltung der ständischen Gesetze bestellten Behörde. Wenn man aber zugestehen muß (und dies wird nach dem angeführten Gesetze nicht in Abrede zu stellen sein), daß der lindesherrlichen Behörde, und zwar zunächst dem von Sr. Ma— jestät dem Könige bestellten Landtags Kommissarius, das Urtheil allein darüber zuständig ist, ob die erwählten Landtags- Abgeordneten die gesetzlich vorgeschriebenen Eigenschaften erfüllen vder nicht, so kann es sich im vorliegeuden Falle auch im Wesentlichen nur darum fra— gen, ob das Verfahren selbst, welches der Ober-Präsident von Wedell, als Landtags-Kommissarius für Schlesien, in dieser zu seiner Kom— petenz gehörigen Angelegenheit eingeschlagen hat, sich rechtfertigt.
Weder das Gesetz wegen Anordnung der Provinzial-Stände für Schlesien, noch irgend ein anderes ständisches Gesetz schreibt ein be— stimmtes Verfahren in Betreff der gänzlichen oder zeitweisen Aus⸗ schließung bescholtener Personen aus den Provinzial-Ständen vor. Eben so fehlt es gänzlich an gesetzlichen Bestimmungen über die Kri— terien der Bescholtenheit. . .
Bei diesem Mangel spezieller gesetzlicher Dispositionen ist in allen bisher zur Sprache gekommenen bezüglichen Fällen stets angenommen worden, daß, wie der Königliche Landtags-Kommissarius nach dem §. 29 des ständischen Gesetzes unbedenllich für befugt und verpflich⸗ tet zu erachten, einen Landtags⸗Abgeordneten, welcher nach der Wahl sich seines Grundbesitzes entäußert hat, zum Landtage nicht einzuberufen, es eben so auch auf den Grund des §. 29 und des §. 33 der pflichtmäßigen Beurtheilung des Landtags ⸗Kommissarius überlassen bleiben müsse, ob der Ruf eines Landtags- Abgeordneten in dem Grade für bescholten zu erachten sei, daß von seiner Bestäti— gung resp. Einberufung Anstand genommen werden missse.
Dabei ist bisher der Grundsatz festgehalten worden, daß die Un— bescholtenheit des Rufes im Sinne der ständischen Gesetze schon dem— senigen Abgeordneten mangle, welcher eines Verbrechens angeschul— digt und deshalb zur gerichtlichen Untersuchung gezogen worden ist, ein Grundsatz, welcher wiederholt und noch in dem letzten an die Stände der Rhein-Provinz erlassenen Landtags -Abschiede vom 27. Dezember v. J. die ausdrückliche Allerhöchste Billigung erhalten, in⸗ dem Se. Masestät der König es als den bestehenden Gesetzen völlig ent prechend erklärt haben, daß seitens derjenigen Behörden, welchen die Prüfung der gesetzlichen Qualification der Landtags⸗ Abgeordneten obliege, und von benen solche in ähnlichen Fällen stets geübt worden, der Einberufung des in gerichtlicher Untersuchung befangenen Abge— ordneten Anstand gegeben sei. Wenn nun der Ober-Präsident von Wedell amtliche Kenntniß davon erhalten, daß gegen den subsidiair
der Wählbarkeit eines ten, vor erfolgter Be
zum Landtags⸗Abgeordneten erwählten Grafen Eduard von Rei— chenbach die Kriminal-Untersuchung wegen Majestäts Beleidigung ein geleitet sei, so handelte er nicht nur mit dem bezüglichen ständischen Gesetze und der wiederholt erklärten Allerhöchsten Willensmeinung, sondern auch mit den Präcedenz⸗Fällen vollkommen im Einklange, als er aus der Eröffnung dieser wegen Majestäts- Beleidigung inmittelst anhängig gewordenen Kriminal-Untersuchung Veranlassung nahm, den die Theil⸗ nahme an der Provinzial⸗Standschaft mit bedingenden Ruf des Gra— fen Eduard von Reichenbach zum Gegenstand seiner näheren Erwä— gung zu mach n. ö
Dabei erscheint der Umstand, daß die gerichtliche Untersuchung wegen Verbreitung einer verbotenen Schrift eingeleitet worden, an sich indifferent, sondern war lediglich die Thatsache in Betracht zu ziehen, daß die Kriminal-Untersuchung, und zwar wegen Majestäts⸗ Beleidigung, eröffnet worden war. .
Der Ober-Präsident von Wedell hat nun angenommen, daß der Ruf des Grafen Eduard von Reichenbach in Folge der gegen ihn anhängig gewordenen Kriminal-Untersuchung, im Sinne, der ständi— schen Gesetze, verletzt sei. Dieser Ansicht kann die Majorität der ge— horsamst unterzeichneten Abtheilung nur beitreten.
Die gerichtliche Untersuchung wegen eines Verbrechens trübt, wenige in der Volks⸗ oder Standessitte begründete Fälle ausgenom⸗ men, stets den Ruf des betroffenen Individuums, bald mehr, bald weniger, je nach der Beurtheilung der Motive und der Auffassung des speziellen Falles in seinem Gesammtumfange; ganz besonders aber ist dies der Fall, wenn das Verbrechen in ehrloser Gesinnung wurzelt oder der Gegenstand der Kriminal -Untersuchung ein Vebrechen ist, welches zur Kategorie der schweren Verbrechen gehört. Ist auch bei der Einleitung der Kriminal-Untersuchung die geschmälerte Ehrenhaf⸗ tigkeit noch nicht in einer bestimmten staatlichen Form, noch nicht thatsächlich festgestellt, und ist es auch denkbar, daß Männer, welche die allgemeine Achtung genießen, zufällig und ohne ein besonderes Verschulden in eine gerichtliche Untersuchung verwickelt werden können, so ist doch einmal wohl zu erwägen, daß im Volke selbst die Ansicht tief wurzelt, daß mit der Einleifung einer Kriminal-⸗Untersuchung bis zum Erlasse eines freisprechenden Erkenntnisses dem Angeklagten die volle Ehrenhastigkeit nicht ungeschmälert zustehe, und auf der anderen Seite in spezieller Beziehung auf die Standes- Ehre und die ständi⸗ schen Versammlungen insbesondere zu berüchichtigen, daß die erstere nach der herrschenden Sitte besonders sorgfältig gewahrt sein will, so wie, daß es für die letzteren, in denen mit dem höchsten politischen Rechte die höchste politische Ehre ausgeübt wird, ganz ungeeignet erscheint, ein Mitglied, über weichem Freiheits oder Ehren-Strafen schweben, zu haben, diese vielmehr ihrem innersten Wesen nach unbedingt über solche aus einer derartigen Bescholtenheit eines Mitgliedes drohende
ventualitäten gestellt sein müffen. ollte man aber auch bei dem
Mangel bestimmter gesetzlicher Kriterien über die Wesenheit bescholte⸗ nen Rufes der vorentwickelten 93 du h dan gin beizutreten Beden⸗ len tragen, so dürfte doch im vorliegenden Falle der gegentheiligen Annahme schon um deswillen keine Geltung zu gewähren sein, weil in demselben nach der bisherigen, mehrfach , ,. Gesetzgebung das Urtheil über Bescholtenheit des Rufes in Beziehung auf ständi= sche Wirksamkeit vorzüglich von der subjektiven Ueberzeugung des Kö—⸗ niglichen Landtags- Kommissars abhängig gemacht ist, und weil zwei⸗ tens die wahlberechtigten Rittergutsbesitzer des brieger Wahl⸗Bezirks sich mit sehr großer Majorität der anderweitigen Wahl unterzogen haben, und damit auf das Evidenteste der Beweis geführt worden ist, daß die wählenden Standesgenossen selbst dem Grafen Eduard von Reichenbach nach anhängig gewordener Kriminal Untersuchung den Besitz der im §. 5 Nr. 4 des ständischen Provinzial⸗Gesetzes vorgeschrie⸗ benen Eigenschaften nicht mehr zugestanden haben. —
Die Thatsache, daß dieselben Standesgenossen, von welchen die
erste Wahl des Grafen von Reichenbach ausgegangen, bei diesem, nachdem gegen ihn die Kriminal-Untersuchung eingeleitet worden, den Besitz derjenigen Qualität, welche sie im ersten Wahltermin voraus—= gesetzt, als nicht mehr vorhanden erachtet haben, erscheint aber der überwiegenden Majorität der Abtheilung als ein um so wichtigeres Momenk, als gerade die Standesgenossen am besten geeignet sein dürften, den Werth einer Handlung eines ihrer Mitglieder vom Ge⸗ sichtspunkte der Standes-Ehre und der Standchaft richtig zu würdigen und darüber ein Urtheil zu fällen, ob in congreto dem ehe nn das Zeugniß voller oder geschmälerter Ehrenhaftigkeit gegeben werden ann oder nicht. ö. . dient die Vornahme und der Ausfall der Wahl zur Bestätigung der Richtigkeit der subjeltiven Ueber zeugung, von welcher sich der Königliche Landtags-Kommissarius bei der Anoidnung der Wahl hat leiten lassen. Taß aber bei dieser Wahl der nachträglich von der Kreis-Ritterschaft in Neisse über die Unbescholtenheit des Grafen Eduard von Reichenbach abgegebenen Erklärung, auf welche die An⸗ tragsteller sich hauptsächlich stützen, ganz abgesehen davon, daß der gedachten Kreis-Ritterschaft nach der früheren Ausführung die Zu stäöndigkeit eines Urtheils abging, nicht beigelegt werden kann, bedarf keiner weiteren Ausführung. ö.
Es kann sich vielmehr nach der dargestellten Sachlage nur noch darum fragen, ob der Ober-Präsident von Wedell, weil nach seiner Ueberzeugung der Graf Eduard von Reichenbach die Bedingung im §. 5 Nr. 4 des Ständegesetzes nicht mehr erfüllte, überhaupt befugt gewesen, eine anderweitige Wahl anzuordnen, oder ob er nicht viel mehr bis zum Ausgange der gerichtlichen Untersuchung blos auf den im ersten Termine erwählten Stellvertreter, den Landrath Hoffmann, habe zurückgehen müssen. Allein auch hierin ist die Majoritat 3. Abtheilung mit dem Verfahren des Ober-Präsidenten von Wedel vollkommen einverstanden. Wäre die Wahl des Grafen Eduard von Reichenbach, als subsidiarisch gewählten Landtags- Abgeordneten, bereits von der Immediat-Kommission für Stände⸗-Angelegenheiten bestatigt gewesen und erst nach erfolgter Bestätigung die fragliche Kriminal- UÜntersuchung eingeleitet worden, so würde allerdings, nachdem don des Königs Majestät die Allerhöchste Dispensation für den prinzipa⸗ liter als Abgeordneten gewählten Grafen Oekar von Reichenbach ver⸗ sagt worden war, an die Stelle des subsidiair als Ab— n . ge⸗ wählten Grafen Eduard von Reichenbach der vorerwähnte, , ,. treter zum Vereinigten Landtage einzuberufen gewesen sein, wie dies stets in anderen ähnlichen Fällen geschehen ist. Die Wahl des Grafen Cduarb von Reichenbach war indeß, als gegen ihn die Kriminal-Untersuchung eröffnet worden, noch nicht in der vorgeschriebenen Weise bestätigt, derselbe mit⸗ hin, da in der Allerhöchsten an das Ministerium des Innern und der Polizei unter dem 20. November 1840 erlassenen Kabinets-Ordre gab⸗ gedruckt im Ministerialblatte für die innere Verwaltung von 1841, Seite 5 ausdrücklich bestimmt ist, daß die Gültigkeit der Wahllisten erst durch die Erklärung der Immediat-Kommission, daß sie gegen dieselben nichts zu erinnern finde, festgestellt werden soll, die Wahl also erst durch die hinzutretende Bestätigung der gedachten Kommission perfekt wird, noch gar nicht wirklicher Landtags-Abgeordneter, so daß bei dem inzwilchen eingetretenen Mangel eines der in dem ständischen Provinzial-Gesetze angeordneten Erfordernisse auf den Stellvertreter hätte rekurrirt werden dürfen. Der Graf Eduard von Reichenbach hatte noch gar kein volles ständisches Recht; es konnte daher auch von einem zeitweisen Ruhen, von einer bloßen Suspension nicht die Rede sein. Der Ober-Präsident von Wedell handelte demnach ganz der Bestimmung des mehrangezogenen §. 29 des ständischen Provinzial— Gesetzes, wonach dem Königlichen Landtags-Kommissarius, wenn er in Beziehung auf die Eigenschaften der gewählten Abgeordneten Män⸗ gel findet, die Befugniß zur Anordnung einer anderen Wahl beigelegt ist, entsprechend, als er unter den dargelegten Verhältnissen von der Ritterschaft des brieger Wahl-Bezirkes eine neue Wahl erforderte. Daß aber endlich die wahlberechtigte Ritterschaft selbst vollkommen in ihrem Rechte war, als sie der Wahl-Aufforderung in der geschehe— nen Weise entsprochen, kann schon, von allem Uebrigen abgesehen, aus allgemeinen Rechtsgründen nicht zweifelhaft sein, indem es denen, welche eine Vollmacht ertheilt haben, freisteht, dieselbe zurückzunehmen, wenn die Voraussetzung, auf deren Grund sie mit ausdrücklich ertheilt ist, nicht mehr zutrifft. ( ĩ ö.
Die Majorität der Abtheilung hält daher sowohl die Kompetenz
des Ober -Präsidenten von Wedell in dieser Angelegenheit für voll— kommen begründet, als auch sein gesammtes Verfahren und die ander— weitig vorgenommene Wahl insbesondere in allen Beziehungen für vollständig gerechtfertigt und kann eben deswegen den Antrag der Petenten auf nachträgliche Einberufung des, Grafen Eduard von Reichenbach in Stelle des rite erwählten, bestätigten und einberufenen Abgeordneten Grafen von Strachwitz nicht für. begründet erachten, erlaubt sich vieimehr bei Einem Hohen Landtage die Zurückweisung des Petitions-Antrages gehorsamst in Vorschlag zu bringen. Die aus 2 Mitgliedern der Abtheilung bestehende Minorität hat gegen die vorstehend entwickelte Ansicht der Majorität und deren Begründung nichts Spezielles eingewendet, sondern nur im Allgemeinen erklärt, daß sie dieser Ansicht beizutreten Bedenken trage. Ein Mitglied der Mincritãt hat dabei dieser Erklärung noch hinzugefügt, daß nach seinem Dafürhal⸗ ten, wenn es bei der ersten Wahl des Grafen Eduard von Reichen⸗ bach nicht habe bewenden können, wenigstens der im ersten Wahl⸗ Termine erwählte Stellvertreter, Landrath Hoffmann, habe Abgeord⸗ neter werden müssen, und daß der im zweiten Wahl⸗Termine erwählte Graf von Strachwitz nur dessen Stellvertreter habe werden können, folglich nicht der Letztere, sondern der Erstere einzuberufen gewesen sei. Eine nähere Begründung dieser Ansicht ist nicht gegeben worden.
Berlin, den 12. Mai 1847.
Graf von Bismark-Bohlen. Scheven. Graf von Boch olz⸗
Asseburg. Krämer. Douglas. Graetz. Mineley. Graf
von Stosch. de Galhaus. Jaraczewski. Sattig. Krause. von Steffens. von Münchhausen. von Arnim.
Marschall: Die Abtheilung hat in ihrer Majorität den An⸗ trag auf Einberufung des Grafen Eduard von Reichenbach zum Ver— einigten Landtage nicht befürwortet, bevor ich 33 ob der Antrag der Abtheilung Unterstützung findet, muß ich dem Abgeordneten Herrn
Erste Beilag
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Offermann das Wort geben, weil er Gelegenheit gehabt hat, sprechen. Abgeordn. Offermann: Ich gehöre zur dritten Abtheilung, war aber nicht bei der Berathung, sondern kam erst zu derselben, als das Gutachten schon verlesen wurde. Ich erklärte, daß meine Mei⸗ nung abweichend sei, und bat darum, dem Gutachten mit einem Se—⸗ parat⸗-Votum beitreten zu dürfen, was mir jedoch abgeschlagen wurde, weshalb ich mir erlaube, meine Ansicht hier zu entwickeln. Das Gut⸗ achten geht nur von einem Gesichtspunkt aus und bemüht sich, die Handlungsweise des Ober⸗Präsidenten von Wedell sowohl von Sei ten des Rechts als der Moral zu rechtfertigen. Wenn ich auch zu schwach bin und mich nicht für fähig halte, den Rechtsweg zu bestrei⸗ ten, so kann ich doch unter keinen Umständen die Meinung theilen, daß der Ober-Präsident auch moralisch recht gehabt hat. Vas Gut— achten gründet sich auf die Ansicht: es lebe im Volke, daß eine Kri— minal-Untersuchung schon eine Handlung der Bescholtenheit vorausĩ setzt. Dies muß ich bestreiten. Es lebt' dies gewiß nicht im Volke, und es läßt sich um so mehr bestreiten, indem? der Gesetz Entwurf, den wir früher berathen haben, dies nicht voraussetzt, sondern selbst,
. zur Abtheilung gehört und nicht seine abweichende Meinung dort auszu—
wenn bei §. 6 ad — und 2 das stehen bliebe, was die Regierung vorgeschlagen hat, so ist dennoch die Bescholtenheit nicht ausgespro⸗ chen, sondern seine Stimme ruht nur, wenn er in Untersuchung be— griffen ist. Wenn aber der Vorschlag der Masjorität durchgeht und die Position 1 und W wegfällt, so müßte der Graf Reichenbach hier gegenwärtig sein. Selbst in dem Stande der Herren hat man sich mißbilligend darüber geäußert und den §. 6 ad 1 und 2 zu hart ge⸗ funden. Deshalb gebe ich zu bedenken, daß, wenn jetzt der Fall vor— fame , , Geseßz so. stehen bliebe, wie es vorgelegt worden ist, , der Ste lvertreter hier wäre, und würden die Amendements der Versammlung genehmigt sein, so daß die Position 1 und 2 geneh— migt wären, so würde der Graf von Reichenbach jetzt selbst hier stzen. Denn wenn schon eine bloße Kriminal Untersuchung nänilich für Majestäts-Beleidigung — welcher Ausdruck so weit geht, daß, wie es hier geno mmen ist, beinahe jeder von Ihnen sich dessen zu Schulden kommen lassen kann — —
. (Oho! Großes Geräusch.)
ö Meine Herren, man mache einen Unterschied zwischen Majestäts— Verbrechen und einer einfachen Aeußerung, bei welcher eine Beleidi— gung subsonirt werden kann. Es kann ein Tadel, ein bloßer Wunsch, wenn er wieder erzählt wird, als Majestäts- Beleidigung ausgelegt werden. Ich widerspreche also, daß die Meinung im Volke bestehe, daß eine Kriminal Untersuchung die Bescholtenheit voraussetzt, und ich trage darauf an, daß die Versammlung, wenn kein besserer Er— folg zu erzielen ist, sich wenigstens dafür erklärt, daß sie den Gra— fen von Reichenbach, nach dem, was vorliegt, nicht für bescholten hält.
Marschall: Bevor ich das Gutachten ber Abtheilung zur Berathung bringe, frage ich, ob der Antrag? ie Einberufung des Grafen von Reichenbach zu erbitten, Unterstütznug sinbet?
(Es geschieht.!
Abgeordn. Allnoch: Ich kann mich der Ansicht der Abthei— lung nicht anschließen, die darin besteht, daß die Annullirung der Wahl des Grafen von Reichenbach richtig sei. Zur Zeit als der Graf von Reichenbach erwählt wurde, war er in keiner Untersuchung verwickelt, erst später wurde diese gegen ihn auhängig gemacht, und welche? er soll ein verbotenes Buch Jemanden gegeben haben, er soll es gegeben haben, und darüber ist eine Untersuchung eingeleitet. Was hat die Untersuchung bis jetzt ergeben? es sind eine Menge Zeugen vernommen worden, selbst in dieser Versammlung befinden sich vier oder füuf Mitglieder, die vernommen worden sind. Ich fordere dieselben auf, sich zu erklären, was sie vernommen haben.
(Unruhe in der Versammlung.)
Ich bitte, meine Herren, mich aussprechen zu lassen. Bei dem abgehaltenen Konvente am 31. März in Neisse hat sich nicht eine Stimme gegen den Grafen Reichenbach erhoben, sondern der Vorsitzende Land— rath von Maubeuge hat sogar dem einen Herrn, der einen ausführ— lichen Vortrag zur Vertheidigung desselben hielt, einen offenen Dank gezollt. Die übrigen Mitglieder der Ritterschaft haben sich dem an— geschlossen. Wir haben auch in dieser Versammlung zwei Mitglieder, die in Untersuchung gewesen sind, während ihrer Untersuchung wur— den ihrer Stellvertreter einberufen. Sie sind später freigesprochen und sind heute dennoch unsere lieben Kollegen, der Eine aus der Rheinprovinz und der Zweite aus Schlesien. Ich glaube, daß dies bei dem Grafen von Reichenbach auch der Fall sein wird. Hätte man hier eben so verfahren, so hätte sich für den Grafen von Rei— chenbach keine Stimme erhoben, da wir in dieser Angelegenheit leider ein desinitives Gesetz noch nicht haben. Da ich in dem Kreise wohne in welchem der Graf von Reichenbach sein Domizil hat, so erlaube ich mir nur noch ein paar Worte über seine Stellung zu seinen Standesgenossen zuzusügen. Er ist von den Kreisständen zum Kreis Deputirten erwählt und durch das Vertrauen seiner Standesgenossen heute Landesältester. Er wurde im vorigen Herbste zum Direktor der neisse=-grottkauer Fürstenthums-Landschaft erwählt, diese Wahl aber von Berlin aus abgeschlagen; in Neustadt wurde derselbe zum Landtags-Deputirten-Stellvertreter und in Brieg zum subsidiarischen Landtags-Deputirten erwählt. So vergeht keine Gelegenheit, wo er nicht gewählt wird, selbst bei dem Kreistage am 31. März wurde er, troñdem daß er sich in Untersuchung befindet, zum Kreis-Armen-Ver— bande gewählt. Es muß also doch etwas voraus gegangen sein, wo— durch sich dieser Mann das Vertrauen seiner Standesgenossen und des Volks im Allgemeinen erworben hat, und ich kann nichk umhin, zu sagen, daß es mir scheint, als ob man diesen Ehrenmann, der seine größte Ehre darin setzt, Vertreter des Volks zu sein, rein dem Volke entziehen will.
Abgeordn. Wodiezka: Ich für meine Person bin zwar der Ansicht, daß der Ruf des Grafen von Reichenbach unbescholten sei und trete der Meinung der Abtheilung nicht bei, daß im ganzen Volke die Ansicht fest wurzele, daß bei Einleitung der Kriminal- Un— tersuchung vor dem Erkenntniß der Ruf eines Mannes bescholten sei.
Dagegen muß ich bekennen, daß Viele hier einer anderen Ansicht sind
und zwar insofern, daß die Ehrenhaftigkeit eines in Anklagestand ver— setzten Mannes in Zweifel gezogen werden kann. Diese Ansicht be— ruht auf subjeltiver Meinung und man kann einem Manne, der diese Ansicht theilt, keinen Vorwürf darüber machen. Diese Änsicht hat auch der Herr Oberpräsident von Wedell gehabt, und er war deshalb verpflichtet, als ihm bekannt wurde, daß der Graf von Reichenbach zum Landtags-Abgeordneten gewählt war, diese seine Ansicht denje— nigen mitzutheilen, die ihn gewählt hatten. Hätte er nicht seiner ebe n ng gemüß gehandelt, vielmehr wider seine Ansicht die Wahl des Grafen von Neichenbach als Landtags-Deputirten als gülltig an— , so würde er pflichtwidrig gehandelt haben. Die Wahl⸗-Ver⸗ ammlung hat die Ansicht des Ober-Präsidenten getheilt, sie hat we= nigstens faktisch das Urtheil gefällt, daß sie seiner' Ansicht beitritt und zu erkennen gegeben, a sie den Grafen für bescholten erachtet, denn
/ hätte die Versammlung des Brieger Wahlbezirks eine andere
Ansicht gehabt, so mußte sie eine andere Wahl ablehnen. Dadurch, i sie die neue Wahl vollzog, trat sie der Ansicht des Oberpräsidenten fak⸗ tisch bei. Das Gutachten der Stände des neisser Kreises kann hier nicht maßgebend sein, denn die Kreisordnung vom 2. Juni 1827 sin⸗ det, da sie sich blos auf die Kreis Versammlungen bezieht, hier keine Anwendung und konnte nur als Analogie gelten, indem sie dieser Wahl angepaßt wurde, dergestalt, daß die Versammlung des brieger Bezirks die einzige Behörde sti, welche zu urtheilen hatte, ob der Graf von Reichenbach bescholten sei. Diese Versammlung hat aber, wie erwähnt, faktisch zu erkennen gegeben, daß sie der Ansicht in Betreff der Bescholtenheit des Grafen beitrete. Aus diesem Grunde trete ich zwar nicht allen von der Abtheilung entwickelten Ansichten, wohl aber ihren Vorschlägen bei. .
Abgeordn. Graf von Stosch: Als Mitglied der Abtheilung ergreife ich das Wort. Ich glaube, daß diese vorliegende Frage un⸗ ter zweierlei Gesichtspunkten zu betrachten sei: . ;
[) hat der Ober-Präsident seine amtliche Befugniß iberschrilten? und 2) ist Graf von Reichenbach event. einzubernfen?
Die erste Frage bin ich veranlaßt darum zu verneinen, weil das Gesetz vom 27. März 1824 §. 29 lautet: „Der Landtags- Kom⸗ missar hat zu prüfen, ob solche in der Form und nach den Eigen— schaften der Abgeordneten, der Verschrift gemäß, geschehen sind. Nur wenn derselbe in dieser Beziehung Mängel sindet, ist er berechtigt, eine andere Wahl zu verlangen.“ f
Der Ober- Präsident hat die Eigenschaften des Grafen von Reichenbach bemängelt und zwar aus dem Grunde, weil, ehe die Wahl genehmigt war, der Graf von Reichenbach wegen Majestäts⸗ Beleidigung in Untersuchung gezogen worden war; und glaube ich, daß nach dem Gesetz vom Jahre 1824 der Ober-Präsident von We dell in seiner vollsten Befugniß gewesen. Es wird dies durch ein Sendschreiben des Grafen von Reichenbach, welches der Abtheilung nit zugegangen, und welches in der Leipziger constitutionellen Staats? bürger- Zeitung abgedruckt ist, bestritten. Mir scheint aber, daß hier ein großer Irrthum zu Grunde liege. Es wird dies nämlich aus dem Grunde bestritten, weil eine Wahl⸗-Kommission den Grafen von Reichenbach als völlig unbescholten erklärt habe, Hiernach ist eine Verwechselung des Gesetzes v. J. 1824 eingeschlichen. Nach unserer Kreisordnung v. J. 1827 wird bestimmt: wenn die Bescholtenheit in Frage gestellt wird, so hat zuerst die Kreis-Versammlung und dann der Landtag darüber zu besinden; dagegen sagt das Geseßz vom Jahre 1824: daß, wenn die Bescholtenheit in Frage gestellt ist, von Seiten der Abgeordneten der Ober-Präsident zu ermessen habe, ob derselbe einzuberufen sei oder nicht; event. wird ihm die Befugniß gegeben, eine andere Wahl auszuschreiben. Von dieser Befugniß hat der Ober-Präsident von Wedell Gebrauch gemacht und ist, wenigstens nach meinem Ermessen, im vollsten Rechte gewesen. Man könnte nach dem Gesagten die zweite Frage: ob der Graf von Reichenbach event. einzuberufen sei, fallen lassen. Ich will aber annehmen, kei= nesweges jedoch zugeben, daß der Ober-Präsident von Wedeli seine Befugniß überschritten habe, so muß ich mich dennoch dahin aus— sprechen, daß selbst in diesem Falle der Graf von Reichenbach nicht einzuberufen sei. Die Stände des Wahlbezirks Brieg haben nämlich zuerst den Grafen von Reichenbach gewählt. Es trät nun der Fall ein, daß die Kriminal- Untersuchnng wegen Majestäts Beleidigung über ihren Abgeordneten verhängt und eine nene Wahl aus geschrie⸗ ben wurde. Diese neue Wahl hat mit großer Majorität, 19 gegen 14 Stimmen, beschlossen: den Grafen von Strachwitz als Abgeordne⸗ ten zu wählen. Meiner Ueberzeugung nach ist somit das erste Man— dat erloschen und die neue Wahl des Grafen von Strachwitz voll—⸗ ständig gültig. Seine Wahl ist nämlich riteè vollzogen, Allerhõöchst bestätigt, und hat Graf von Strachwitz bereits seit dem 11. April c. in, unserer Mitte gesessen; und es würde mehr als hart sein, ihn wieder zu verweisen und einen Anderen einzuberufen, dessen Mandat erloschen ist. Ich erlaube mir hinzuzufügen, daß die Petition eigent— lich dahin gerichtet ist, wenn wir es unverschleiert nehmen, daß wir die Bitte an Se. Majestät richten sollen, daß ein Rittergutsbesitzer, der gegenwärtig wegen Majestäts- Beleidigung in Kriminal- Unter— suchung derflochten ist, seinen Platz in dieser Versammlung einnehmen elle. Ich weiß nicht, ob von dieser Versammlung ein derartiger Antag an die Stufen des Thrones gelangen könnte, nach meinem Gefühl wenigstens nicht, und ich halte dies sür durchaus unzulässig. Aus den, dargelegten Motiven habe ich für die Ansicht der Abthei— lung gestimmt, und wünsche ich, daß die hohe Versammlung dieser Ansicht beitreten wolle.
Abgeordn. Tschocke: Hohe Versammlung! Die Darstellung und Ausführung des Gutachtens der Abtheilung über die von mir mitunterzeichnete Petition ist Ihnen bekannt. Sie werden mir ge⸗ statten, meine Gegenansicht darüber hier auszusprechen: Die geehrte Abtheilung hat zuvörderst einige Bemängelung über die Petition aus— gesprochen, daß sie sich nicht auf das Gesetz, sondern nur auf die Kreis⸗Ordnung. von Schlesien u. s. w. begründe; sie hat ferner aus gesprochen, daß nicht diese Kreis Ordnung hier kintrelen könne, son— dein das Gesetz vom Jahre 182. Es' soll dies als richtig und , , , . die Petenten hatten die Kre s⸗-Ordnung zur Begründung ihres Antrags angeführt, ich finde aber bei der Prüfung des Gesetzes vom Jahre 1824 zu meinen Genugthuung fast gar keine wesentliche Unterschiede, alle Kriterien sind noch dieselben, mit Aus— nahme des Alters, denn nach der Kreis- Ordnung soll ein Mitglied stimmfähig, sein, wenn er 24 Jahre alt ist, nach' dem Gesẽtze dom Jahre 1824 aber erst, wenn er das 30ste Jahr erreicht hat. Es ist un Jesagt, daß der Landtags Kommtissar zu prüfen habe, ob die Wahl in Form und nach der Eigenschaft der Abgeordneten vor⸗ schriftsmäßig geschehen, sei. Lassen Sie uns einen Augenblick bei diesem Ausspruch verweilen, lassen Sie uns diese wenigen Worte prü— fen, weil, nach meinem Dafürhalten, hier Ter ganze Umfang an Wirksamkeit des Landtags-Kommissars ausgesprochen ist Der Kom- missar hat also zu prüfen, ob der zu Wählende ober Erwahlte die Eigenschaften hat und den vorgeschriebenen Bedingungen entspricht Diese sind zehnjähriger Grundbesitz, ein gewisser Werth des Grund. besitzes, ein gewisses Alter und dann noch Eigenschaften, worunter die Unbescholtenheit des Rufes zu verstehen sei. Alle dieseꝰ hier verzeich⸗ neten Eigenschaften besitzt Graf von Reichenbach, unb sie sind von keinem seiner Gegner bemängelt worden, und hier handelt es sich aller⸗ dings blos um den Ruf der Unbescholtenheit. Es sei mir die Frage erlaubt, wie konnte der Kommissar den Ruf der Unbescholtenheit für so begründet erachten, daß er eine neue Wahl anordnete, der Kom— missar hat also etwas gethan, was er nur thun konnte und thun durfte, wenn ein gerichtliches Urtheil über den Grafen vorhanden war er durfte in dem Augenblick nicht mehr thun, als den Stellvertreter einberufen und die Wahl des Reichenbach ruhen lassen.
Meine Herren! Es ist etwas schwer, eine solche Behauptung zu widerlegen, ich darf mich aber wohl auf die im preußischen Volle mir und Ihnen Allen nicht unbekannten Urtheile beziehen; wir wissen
ußischen Zeitung.
Sonnabend den Qsen Mai.
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Alle, daß, wenn Jemand mit Recht oder Unrecht gemängelt oder ver⸗ unglimpft wird, eine Menge nicht denkungsfähiger Menschen das für wahr annehmen werden, was sie von Anderen hören. Wir aber, die wir wissen, was in solchem Falle zu thun ist, wir haben die Pflicht uns zu unterrichten, ob eine Anschuldigung eine solche ist, 9. der Betreffende seine Ehrenhaftigkeit verloren habe. Es ist auch ange⸗ führt worden, daß ein Beweis daraus könne genommen werden, daß die Wähler den Grafen von Reichenbach nicht wiedergewählt haben, was sie zu thun berechtigt waren. Ich bin allerdings etwas ent fernt von diesem Wahlorte und will auch den Hergang, wie man ihn mitgetheilt hat, nicht anführen, weil er für das Urkheil der Versamm— lung nicht maßgebend sein könnte, ich sage aber, wenn die Wähler ihn nicht wieder gewählt haben, so folgt daraus nicht, daß er nicht mehr wahlfähig war. Es kann dies aber auch gar nicht als erheb— lich betrachtet werden für die Beurtheilung der hohen Versammlung, da durch die Nichtwiedererwählung des Grafen Reichenbach auch nicht das Geringste von seinem Rechte verloren gehen kann. Esist bereits mit⸗ getheilt worden, worin diese Majestäts Beleidigung besteht, wodurch sie herbeigeführt ist; ich erlaube mir dies noch einmal in Erinnerung zu bringen. Sie besteht darin, daß der Graf von Reichenbach eine Broschüre Jemanden gegeben haben soll, ob geliehen oder geschenkt, weiß ich nicht, der nun davon den herrlichen Gebrauch gemacht hat, ihn zu denunziren. Erlauben Sie mir, daß ich so offen bin, wie ich es gern sein möchte; ich glaube, daß Alle, die wir hier sitzen, sich sagen müssen, auch ich habe einmal ein verbotenes Buch ge⸗ habt, auch ich habe ein verbotenes Buch gelesen. Meine Herren, Sie haben es vielleicht nicht gekauft, als es verboten war, sondern ehe es verboten war, und wer kennt nicht den Reiz, den ein solches Verbot hat; wer ist im Stande, einem Freunde die Bitte abzuschlagen, wenn er kommt und sagt mir: ich möchte ihm das Buch leihen. Meine Herren! was nun auch immer für die Recht⸗ fertigung des Verfahrens seitens des Herrn Kommissars gesprochen, geschehen und geurtheilt werden möge, was auch immer noch gegen die Klage hier angeführt und geäußert werden möge, so viel ist ge⸗ wiß, ich wiederhole es, der Landtags Kommissar hat gethan, was er nach meinem Dafürhalten zu thun nicht berechtigt war. Zur Be⸗ gründung, daß Jemand in den größten Verdacht kommen kann un⸗— schuldigerweise, dafür Beispiele anzuführen, würde mir nicht schwer werden. Beispiele für noch weit größere Anklagen, als diese ist. Haben wir doch den Fall erlebt, daß Männer in ihrer Heimat auf⸗ gegriffen und vier Monate lang eingekerkert waren und nach vier Monaten als unschuldig freigesprochen wurden. Ich nenne Ihnen einen solchen Mann. Es ist der Fabrikbesitzer Schlöffel. So, meine Herren, empfehle ich diese Petition, die Sache des Rechts und der Wahrheit, Ihrem Schutz, Ihr Urtheil wird mich zufriedenstellen. Justiz⸗-Minister Uh den: Ich muß mir die Bemerkung erlau—⸗ ben, daß der Redner, der so eben gesprochen, Details angegeben hat, wie sie ihm von der Untersuchung wider den Grafen von Reichen⸗
bach bekannt geworden sind. Doch hätte derselbe in dieser Beziehung in seiner Rede ein wenig zurückhaltender sein können, da diese De? tails nicht von der angegebenen Art sind. Die Sache ist die: wider den Grafen von Reichenbach ist denunzirt worden, daß er eine Schrift ver⸗ breitet habe, die Majestäts⸗Beleidigung enthielt, und das Ober⸗Lan— desgericht in Ratibor hat noch mehr darin gefunden, nämlich den Versuch des Hochverraths. Das Kammergericht, zum Gutachten dar— über aufgefordert, ist aber der letzteren Ansicht nicht beigetreten. Was die Majestäts Beleidibung betrifft, so müssen wir die Entscheidung darüber dem kompetenten Richter überlassen und ich muß bitten, mir die Details zu erlassen, denn die Untersuchungs⸗- Akten sind bis jetzt noch für keinen offen. Der kompetente Richter hat die Untersuchung eingeleitet und wir müssen erwarten, was dieser darüber erkennen wird
Abgeordn. Werner: Ich bin Antragsteller und habe zu be⸗ merken, daß ich in dieser Sache ein Amendement angemeldet habe. Ich schicke voraus, daß ich die Bemerkung des Herrn Justiz-Mini⸗ sters für ganz richtig halte und nicht weiter darauf eingehe. Nach meiner Ansicht und nach dem schon früher Ausgesprochenen ist der Graf von Reichenbach unbedingt ein ehrenwerther Mann, das ist es, was mich prinzipaliter bewogen hat, den Antrag zu stellen, indem er nach meinem Dafürhalten in seinem Rechte verletzt worden ist. Es war ferner meine Schuldigkeit, diesen Antrag zu stellen, weil in der Stadt, welche ich zu vertreten die Ehre habe, die Wahl vorgenom⸗ men ist, der Bevollmächtigte der Stadt Brieg bei der ersten und zweiten Wahl gegenwärtig und einer derjenigen war, welcher gegen die zweite Wahl als nicht gesetzmäßig protestirte. Ich muß mein Bedauern darüber ausdrücken, daß die Abtheilung es nicht für gut befunden hat, die Akten einzufordern, sondern sich nur mit einem Promemoria begnügt hat. Das Gutachten veranlaßt mich, einige nähere Daten zu geben, namentlich darüber, was die Zeit anbetrifft. Im Anfange des September war die Wahl des Grafen von Rei⸗ chenbach in Brieg, und bis zum Anfang des Dezember ist von einer Kriminal- Untersuchung nicht die Rede gewesen; es sind also zehn Wochen verstrichen, ehe der Graf von Reichenbach in die Unter suchung verwickelt gewesen ist. Daß dies ein unangenehmes Gefühl erregen muß, ist natürlich, wenn man bei einer so einfachen Sachlage mit der Prüfung der Wahllisten zehn Wochen wartet. Wir haben früher schon einmal gehört, daß wir in Liberale, und solche, die der Regierung angenehm sind, eingetheilt werden, und ich fürchte daher, daß dieser Aufschub von zehn Wochen daran gelegen habe, weil man den Grafen von Reichenbach zu den Liberalen gezählt habe. Sei dem, wie ihm wolle; ich glaube, daß eine Einleitung in Kriminal- Unter⸗ suchung schlechterdings nicht hinreichend sei, Jemanden zu veranlassen, auszusprechen: der oder der ist bescholten; nur dann, wenn die Unter⸗ suchung ergeben hat, daß das, was man ihm zur Last gelegt hat, wahr ist, kann er für bescholten gehalten werden. Die Versammlung hat sich schon dahin erklärt, daß man nicht wohl annehmen kann, daß Jemand, der in Untersuchung ist, auch schon bescholten sei. Ich will nur noch einige kleine Umstände, welche hier in dem Gutachten ausgesprochen sind, einer Kritik unterwerfen und verspreche, mich darin sehr kurz zu fassen, und ich fange gleich bei der neunten Seite an:
„Der Graf Eduard von Reichenbach hatte noch gar kein volles
stähndisches Recht; es konnte daher auch von einem zeitweisen
Ruhen, von einer bloßen Suspension nicht die Rede sein.“ Das bezweifle ich, und daß derjenige, der gewählt ist noch kein stän⸗ disches Recht hat. Durch die Wahl hat nach meiner Ansicht ein Jeder schon ein ständisches Recht erworben, ob hernach die Gesetze anders ausgelegt werden können, weiß ich nicht; was aber den Wahlakt im zweiten Termine anbetrifft, da ist allerdings gesagt wor⸗ den: daß nur im Allgemeinen gegen die 6 protestirt sei, ob sie als faktische Wahl anzunehmen 97 Ich mu .,. sagen, daß
Vier gegen die Wahl protestirt und die Anderen gesagt haben, die neue Wahl ist befohlen, und darum müssen wir noch einmal wählen. Es ist mir lieb, daß ich nicht einer der Wähler bin.
(Großes Geräusch.)