Kenntniß besttzt, als die ehrenwerthen Redner auf der Ministerbank. Und so würde es möglich sein, aus allen diesen einzelnen Vorträgen und Daten, wenngleich kein so wohl abgerundetes Ganz als die beiden Reden aus der Ministerbank, so doch eine getreue Darstellung des Lebens, eine lebendige und bewie ene Anscht g desselben zu erlangen, wie sie nicht von dem ministeriellen he, . von da herrührt, wo gedarbt, gekämpft und gelitten 5 —; ir würden also einsehen und die Ueberzeugung erlangen, 36 i, Alles sich in einem so vortrefflichen Zustande befindet, 5 3. Abänderung mehr wünschenswerth, ja nothwendig a 836 4 aber nicht vor den Vereinigten Kurien, sondern ich he an ür . mich vor einer Versammlung Zu befinden, welche , . Die steht, die in den verschiedensten Theilen, der Monar 4. 6 meisten von ihnen wohnen auf ihren Ye lte ngeh 9) 96. . von den Bedürfnissen der Ackerbau treibengen⸗ . e 1 7 . auch von den Bedürfnissen der Arheiter⸗ Klassen n niß 9 h . die vor Allem verdienen, daß wir ihre Interessen p 6 9 1 e d geh, auf mmer; Sorgfalt schon . haben, 36 ᷣ w. sei mir erlaubt, obschon ich divergirende 63 hierüber in dieser Versammlung. gehört, habe, zu sagen, daß ich 26 diese Arbeiter zuerst die Weber stelle. Ich il hire an Sie, melne Herren, und ich frage Sie, ob es bei dem ersten Vereinigten Landtage denkbar wäre, daß wir aus einander gingen, ohne daß die Herren-Kurie mit diesen Leiden und Interessen sich be ch fe igt habe, ohne daß wir uns über die Mittel und Wege einer Abhülfe beriethen, und ohne daß wir untersucht hätten, ob und welche llebel- stände zum Grunde liegen, und wie sie gründlich abgestellt werden können. Wie wäre es denkbar, daß die Herren- Kurie aus einander ginge, ohne daß sie Se. Majestät gebeten hätte, nachforschen zu lassen, ob es in den Händen der Regierung kein Mittel giebt, den Zustand der Arbeiterklassen zu verbessern, ihr Wohlsein zu gründen, ihrer fer⸗ neren Existenz eine dauernde Basis zu geben. Man erwiedere mir nicht, daß die große Zahl von Beamten, einem Netze gleich über das ganze Land ausgebreitet, der schlagendste Beweis für die Behauptun gen der verehrten Redner auf der Ministerbank sind; ich ziehe die Richtigkeit der Zahlen, das Kalkül nicht in Zweifel; die Berechnun⸗ gen mögen noch so richtig sein; aber der todte Buchstabe kann nicht ankämpfen gegen unsere lebendige Ueberzeugung der Lage des Lan des, und ich freue mich, daß ich in der, Abtheilung, zu welcher ich die Ehre gehabt habe, zugezogen zu werben, sich keine Stimme ge⸗ funden hat, die dagegen aufgetreten wäre. Ich benutze diese Veran lassung, meinem verehrten Kollegen, der Referent in der Sache ist, meinen Dank dafür auszudrücken, daß er. diesen Standpunkt aufge⸗= faßt hat; aber nicht allein hier in dieser Kurie ist dieser Standpunkt aufgefaßt worden, sondern auch in der anderen Kurie, und die Peti⸗ tionen, die in derselben über diesen Gegenstand eingereicht worden sind, scheinen mir den schlagenden Beweis dafür zu liefern. Ich glaube aber nicht, daß die Herren-Kurie und die Kurie der drei Stände allein es sind, die sich mit diesem Gegenstande beschäftigen. Ich habe aus dem Munde Vieler vernommen, daß man sich im Lande Vielfach und ernstlich mit dieser Frage beschäftigt, und daß namentlich jene Theile unseres Vaterlandes, welche dabei durch eigene Leiden be⸗
sonders interessirt sind, unablässig auf Abänderung gewisser Uebel⸗ Fände dringen. Ich bin überzeugt, daß die Herren auf der Minister⸗ bank, die durch ihre Stellung angewiesen sind, die öffentliche Meinung zu kennen, da, wo sie sich so laut als nachdrücklich kundgiebt, sehr gut von der Stimmung unterrichtet sind, die nicht allein in der preußischen Monarchie, sondern in den gesammten Zollvereins Landen sich kund gegeben hat, daß sie besser unterrichtet sind, als wir es sein können. . wissen wir, daß in Folge des belgisch⸗- hol⸗ ländischen Handelsvertrages 13 Stäbte ber Rheinprovinz im Novem ber 1846 — wenn ich nicht irre — mit einem ähnlichen Geésuche sich gewendet haben. Es liegt uns vor, daß 22 Städte des Königreichs Sachsen eine von 604 Fabrikanten unterzeichnete Petition bei ihrem Ministerium und ihrer Stände⸗ Versammlung eingereicht und auf Abschaffung der Uebelstände mit weit dezisiveren Worten angetragen haben, als ich hier es gethan habe. Von einer wichtigen und bedeutenden Petition der uralten, reichen und mächtigen Reichsstadt Augsburg ist die Rede gewesen, und es wird den Herren auf der Ministerbank bekannt sein, daß so⸗— ar in dieser Petition von einer Alternative, von der Lossagung von reußen die Rede gewesen ist. Der Zollverein, diese große mora— lische Eroberung des deutschen Geistes — wahrlich, sie bedarf es nicht, aus meinem schwachen Munde gelobt zu werden; was Millionen schon gefühlt und gesagt, würde ich nur wiederholen können; — doch zu dem vielen Guten, das er gestiftet, kommt auch noch, daß er die— verschiedenen großen und kleinen Staaten, die zu demselben gehören, sich näher gerückt hat; er hat die Interessen nicht durch geographi⸗ sche Gränzen geschieden, und so wird Niemand behaupten, daß, was im Königreich Sachsen als nothwendig und wünschenswerth hingestellt wird, bei uns unnütz oder schädlich erscheinen könnte. Ich erlaube mir, auf diejenigen Zweige der Industrie zu kommen, welche ich als naturwüchsige, nicht als kränkelnde einem besonderen Schutze der Regierung würdig erachte, und ich freue mich aus dem Gründe Reiner Seele, von dem durchlauchtigsten ersten Mitgliede dieser hohen Versammlung die Worte gehört zu haben, daß, wenn man auch für einige der vollwüchsigen leidenden Interessen des Landes Schutz be— gehrt, man doch nicht ein allgemeines Schutzsystem im Gegensaßhe zum Freihandelssysteme aufstellen will. Es hat Niemand von uns daran gedacht, es konnte Niemand daran denken, für sogenannte Treibhaus pflanzen, um mich des ministeriellen Ausdrucks zu bedienen, 6 künstlichen Schutz auf Kosten der Konfumenten zu begehren. . konnte Niemand daran denken, eine scharfe Unterscheidung zwischen onsumenten und Produzenten zu machen, und es konnte Niemand daran denken, rein nur für die Fabritherren, für die Fäbrikbesitzer ie zu wollen. Was die anbetrifft, so glaube ich, daß reiche Za= rikbesitzer, denen, bei Gott! das tägliche Brod nicht fehlt, sich selbst r. önnen; wir brauchen sie nicht zu beschützen, ihnen nicht das ort zu reden. Es ist allerdings wahr, daß es auch bei uns jene traurigen Vampyre giebt, die mit oder ohne. Grund unglückschwere Zeiten benußt haben, den Fabrik- Arbeitern ihren Lohn zu entziehen und sie zu drücken; das ist aber ein Fall, der sich in allen Ländern fie und die in manchen Fabrikstaaten erlassenen Gesetze über Sa— ar und Arbeitszeit seien schlagende Beweise, daß nicht wir assein diese Scheusale beherbergen. Es giebt aber auch ehrenwerthe eren, edle Männer, Väter und Versorger ihrer Arbeiter, welche ch die materielle sowohl als die sittliche Wohlfahrt derselben an=
r sein lassen, die in den bedrängten Zeiten ihren Leuten nichts aben entziehen wollen, und . sind es, welche dann hauptsächlich
untergegangen sind, zuerst ihre Fabriken haben schließen müssen. Was den . zwischen den Konsumenten und Produzenten anbetrifft, so muß ich gestehen, daß g ihn nicht fasse. Ich . nicht geglaubt, ö , a elt . ui ein ö. geben gut g wo die
nsur und Produzenten so streng geschieden sind. Ich glaube nicht, daß es einen Stand giebt, der 53 aus , * der nur aus Produzenten bestehi. Ich glaube, daß Jeder etwas produ⸗ zirt, ohne daß es stets durch Hände⸗Arbeit zu geschehen braucht, ober sollte die err üs in nicht auch produziren? Aber wenn ee in einem Staate derlei Raubthöere geben sollke, die nur konsu— miren und nichts produziren, so dürfte doch für deren Erhaltung
an den Herrn Finanzminister
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keine besondere Fürsorge zu tragen, von der r,, für sie 2 Ausnahme zum e der betriebsamen Bevölkerung zu statuiren sein. Was nun die vollwüchsigen Industrieen anbelangt, so ist zwar, wenn ich recht verstanden habe, gesagt worden, daß mein geehrter Kollege aus dem Riesengebirge nicht vollkommen mit mir äbereinstimmt. Ich muß gestehen, daß ich das, was er ausgesprochen hat, mit meiner Petition nur in vollkommener Uebereinstimmung ge⸗ funden habe, und wenn ich von vollwüchsigen Interessen rede, so bemerke ich, daß ich, da ich die Ehre habe, ein Schlesier zu sein, von der Leinen Industrie zuerst rede. Es geschieht aber nicht allein wegen der Provinz, der ich angehöre, daß ich von der Leinen In⸗ dustrie zuerst spreche, sondern weil sie der älteste und ehrwürdigste, weil sie derjenige Zweig unserer Fabrication ist, der mit unserem Ak⸗ kerbau am engsten verbunden und verschwistert ist; und diese Indu⸗ strie ist es, die am meisten leidet. Ich habe mit Wehmuth die Worte vernommen, die mein verehrter Kollege aus dem Riesengebirge aus⸗ gesprochen hat, und ich appellire an alle Schlesier, die in dieser ho⸗ hen Versammlung sitzen, auch wenn sie sonst meiner Meinung nicht beipflichten. Wir erinnern uns Alle sehr gut der Zeit, wo schlesische Linnen auf allen Weltmärkten ein gesuchtes und geschätztes Produkt waren. Tausende von Familien in den schönen Thälern des Riesen⸗ gebirges und in den angränzenden Kreisen haben von dieser Arbeit gelebt. Es waren damals treue, ehrbare, gottesfürchtige und fleißige Staatsbürger. Ich lege einen Accent darauf. Was ist aus diesen goldenen Zeiten geworden? Noch in den. Jahren 1831 bis 1836, als Napoleon schon lange todt, also von einer Kontinental⸗ Sperre nicht mehr die Rede war, betrug die Ausfuhr der deutschen Leinen 108,009 Ctr., 1843 bis 1845 war die Ausfuhr bis auf 59, 000 Gtr. herabgesunken; hingegen war die Ausfuhr der englischen Leinen 1836 15,009 Ctr., 1840 bereits 180,000 Ctr., und 18. 2 war lie schon bis zu der ungeheuren Höhe von 309,000 Ctr. gestiegen. Vaß von ei⸗ ner Ausfubr unsererfeits nicht mehr die Rete war, liegt klar am Tage. Nun frage ich, was ist aus allen den unglücklichen Webern geworden, die nicht während der Kontinental⸗Sperre, sondern in den letzten Jah⸗ ren diesen Unfall erlitten haben? Wemit sind sie beschäftigt worden, wer hat sie vor Verarmung, Demoralisation, vor Hunger und Ver⸗ zweiflung gerettet? ; ö
Ich weiß sehr wohl, daß ein hohes Herz für sie geblutet hat, daß eine hohe Hand sich mildthätig, ohne zu ermüden, für sie geöss nei hat. Gott segne den barmherzigen Herrn, der diese Noth in der Nähe gesehen und eine der schönsten Prärogative der Krone an ihnen ausüben wollte. Ich weiß auch, daß von Seiten der Königl. Seehandlungs- Sozietät Einiges zu ihrer Aufhülfe geschehen ist und noch heute geschieht. Aber Almosen machen Niemand sorgenfrei, und halbe Maßregeln haben noch Keinem geholfen. Hunderte von Meilen Eisenbahnen durchziehen in allen Richtungen unser großes Vaterland, Millionen wurden bei deren Bau gewonnen, Hunderttausende von Menschen fanden dabei einen reichlichen Erwerb. Wer aber nur ei⸗ nen Tag sich mit Eisenbahnbau beschäftigt hat, und wer nur einen Tag in Weber-Distrikten gelebt hat, weiß sehr gut, daß die armen Weber bei diesen Millionen nichts verdient haben. Ein Weber wird kein Ackerbauer, kein Eisenbahn- Arbeiter, er kommt als Weber auf die Welt, er lebt, darbt und stirbt als Weber! .
Graf von Zieten: Es ist bloßer Eigensinn von diesen Leuten, sie sind selbst Schuld an dem Elend, in dem sie leben. .
Fürst Lich nowsky: Hätte man der Leinen-Industrie denselben Schutz angedeihen lassen, wie der Tuch-Fabrication, so würde sie jetzt, wenn auch nicht eben so brillante, so doch wenigstens befriedigende Resultate er
unter den schlesischen Webern — ich frage jeden meiner Kollegen hier, welchem die Tradition darüber von ihren Vätern überkommen ist, oder die an Jahren so weit vorgerückt sind, um sich selbst jener Zeit zu erinnern, — hat Niemand, sage ich, an kommunistische Umtriebe ge—⸗ dacht. Sie verzweifelten nicht an sich, nicht an ihrem Schicksale, sie verzweifelten nicht an ihrem Könige, nicht an ihrem Gotte, bis end= lich die Verzweiflung durch den Hunger herbeigeführt wurde. Mit dem Hunger also kam die Verzweiflung, und neigten sie ihr Ohr zu den stets bereitwilligen Emissairen, über deren lichtscheues Treiben es mir gestattet sei, gleichfalls einen Schleier zu werfen. Diese trauri⸗ gen Zustände, meinem engeren Vaterlande, Schlesien, diesem Lande der Stärke und der Treue, so nahe, sie sind es, die mir den Muth gegeben haben, über einen Gegenstand in dieser hohen Versammlung das Wort mir zu erbitten, der so viele Wunden geschlagen hat und seine harten Schläge über ganz Preußen, über alle Staaten des Zoll⸗ Vereins ausdehnen kann. Man muß nicht glauben, daß unser Volk schlechter geworden ist, daß es weniger treu an König und Vaterland hängt, weniger treu an so vielen alten Institutionen, die durch lange Jahre hindurch es glücklich gemacht haben. Nein, es ist in Folge falscher und neuerer Maßregeln elender und ärmer geworden, und . ist der Grund zu vielem Uebel. Ich habe ganz gewiß, nicht die An⸗ maßung, zu glauben, daß die Petition, die ich eingereicht habe, daß die Worte, die ich zu ihrer Vertheidigung anführe, heute eine ent scheidende Maßregel ins Leben rufen werden. Dies ist der Grund, warum ich mich in allgemeinen Ausdrücken gehalten habe, ich über⸗ lasse der zweiten Kurie mit ihren Sachverständigen, daß sie für die einzelnen Punkte einstehe. Ich habe wollen, daß die Herren-Kurie die Initiative in dieser Angelegenheit ergreife und für die Tausende von armen Arbeitern unseres Vaterlandes ein ernstes Wort rede; und ich weiß, daß es gut ist, daß in dieser Versammlung, die vor Europa, vor der ganzen Welt debattirt, dieser Punkt, dieser inhaltschwere Ge⸗ genstand zur Sprache kommt und von der wahren Seite beleuchtet wird. Ich habe nur den Wunsch, daß, nachdem von drei durchlauch— tigsten Herren, von so vielen meiner ehrenwerthen Kollegen, von der Abtheilung einstimmig diese Debatte als Nothwendigkeit anerkannt und vertheidigt worden ist, daß baldigst Sachverstäindige einberufen und gehört werden. Ich sage baldigst, denn ich sehe keinen Grund, warum nicht in Folge des Begehrens des Vereinigten Landtags ein außerordentlicher Zoll-Kongreß berufen werden könnte. Es soll dann bei demselben das Ergebniß dieser Erwägungen, diese Lebensfrage nicht allein für die materiellen, auch für die . schen Interessen unseres Landes, mit der Kraft, mit dem Nachdru vertheidigt werden, die Preußen nicht allein mit Kandnen, ug mit den Waffen des Friedens, mit einer siegenden Intelligenz dem Wohle seiner Völker zu geben wissen wird, '. . Finanz- Minister: Ich habe vollkommen das Zeitgemäße der Frage anerkannt, aber nach dem Standpunkte, auf den ich mich gestellt, doch nicht aussprechen können, es sei alsolut nothwendig, n ändern. Was zu ändern ist, und in welchem Maße, das ist etwas, worüber die Regierung bestimmen wird, nachdem sie die Stimme des Landes über diese Angelegenheit gehört hat. Ich habe auch nicht zwischen Konsumenten und Produzenten in meinem Vortrage. enen scharfen Unterschied gemacht, ich habe unr gesagt, es seien dorzugs. weise nur diejenigen gehört worden, die unmittelbar bei der Frage betheiligt sind. Aber die Frage verbreitet ihr Interesie in einer sehr weiten Ausdehnung, und es ist zu wünschen, daß auch diejenigen ge hört werden, die nicht unmittelbar dabei betheiligt sind, auf deren Verhältnisse aber die Frage doch von erheblichem Einfluß jst. Un
Jeben. Jene meiner verehrten Kollegen, die an Jahren älter sind, als ich, werden sich noch der Zeit erinnern, wo Niemand einen Rock trug, der nicht aus englischem oder holländischem oder französischem Tuche gefertigt war, überall gab man der ausländischen Waare den Vorzug. Es ist ein hoher Zoll von 30 Thalern pro Centner Tuch gelegt worden, und im gegenwärtigen Augenblicke verdrängt das deutsche Fabrikat auf den meisten Plätzen, auf fremden wie einheimi— schen, auf europäischen wie auf transatlantischen Märkten das fremde Tuch. Ich sehe nicht ein, warum das Tuch mehr naturwüchsig sein soll, wie die Leinwand. Wir haben eben so gut Flachs, wie Heerden im Lande, und was für die eine Industrie geschehen konnte, hätte auch für die andere ins Leben treten können. Indem ich den Aus⸗ druck des Dankes für den unserer Tuchfabrication gegebenen Schutz hier abstatte, kann ich nur mein Bedauern aussprechen, daß nicht ein Gleiches für die Leinen geschehen ist. Allerdings muß ich bekennen, daß es vielleicht im Jahre 1818 — auch lange nach der Kontinen— tal⸗Sperre — nicht an der Zeit gewesen wäre, auf die Einfuhr der Leinen einen starken Zoll zu legen, denn noch 1818 war die halbe Welt mit unseren Leinenwaaren gefüllt. Als aber die Flachsmaschi— nen-Spinnerei in England eingeführt wurde und nach wenig Jahren so zunahm, daß 1832 es nicht nur seinen eigenen Bedarf decken konnte, sondern auch gleich und in dem früher von mir angedeuteten Maße auszuführen begann, dann wären vielleicht energische Maßre— geln an der Zeit gewesen. Welche Maßregeln hätten getroffen wer⸗— den sollen, ist hier schon zur Genüge diskntirt worden, und ich habe nicht die Eitelleit zu glauben, daß zich hier etwas Neues vorbringen werde, was nicht alle jene Räthe der Krone, die sich mit diesem Gegenstande beschäftigt haben, schon oft und von vielen Betheiligten gehört haben müssen. Ich werde mir aber doch die Frage erlauben, warum auf die viel⸗ fachen so tief erwogenen, so tlef gefühlten Anträge, die seit langer Zeit, namentlich seik 1833, von Sachverständigen gemacht worden sind, warum auf diese nicht mehr Rücksicht genommen worden ist, über welche Rücksicht ich nicht der einzige Redner bin, der in der heutigen Versammlung spricht. Diese Rüchichtslosigkeit dürfte aber leider in jenen diplomatischen Theil gehören, über welchen mich auszulassen ich nicht berechtigt bin. Die unglücklichen Weber, die ein Redner, wel⸗ cher mich vorhin unterbrochen hat, als eigensinnig bezeichnet hat, haben sich, als sie keine Möglichkeit mehr fanden, mit ihrer bisheri⸗ gen Industrie sich zu ernähren, auf die Baumwolle werfen müssen. Richt allein in Schlesten, sondern auch in Westfalen, wie ich von westfälischen Fabrikanten noch gestern gehört habe, sind Tausende von Arbeitern von den Leinen zur . übergegangen. Dadurch entstand eine solche Ueberproduction, daß weder Arbeitgeber noch Ar⸗ beitnehmer dabei bestehen konnten; viele Fabriken mußten schließen; andere machten Bankerott; darunter vorzugsweise viele wohldenkende, gefühlvolle Arbeitgeber, die ihre Arbeiter nicht nach Maßgabe des eigenen Ausfalls drücken wollten; die Konkurrenz wurde geringer die Independenz der Arbeiter ging verloren, da, je mehr und je verschie= denere Arbeiten ausgegeben werden, desto unabhängiger die Stellung des Arbeiters ist. Gefühllofe Fabrikanten drückten die armen Arbei ter, die nicht mehr die leichte Wahl hatten, zu einem menschlicher Gesinnten überzugehen. ; ät
. Dies dürfte vielleicht der Grund jener traurigen Ereignisse sein, die in der letzten Zeit über Schlesten gekommen i. Ich glaube, der Hunger ist der Grund und nicht kommunistische Ideen. Wer des Lebens froh sein will, der muß mehr haben, als das Brod, des heutigen Tages, er muß für seine Familie und sich mit ruhigen Plick auf morgen blicken können. So lange ein gesicherter, rechtlicher Erwerb dort war — ich komme auf das als. was ich die Ehre hatte mit einem Accent zu bezeichnen, — so ange also ein rechtlicher, gesicherter Erwerb dort war, hat Niemand
dies ist der Grund, warum Lie Regierung wünscht, daß der Verer⸗ nigte Landtag, in deim alle Interessen ihre Vertretung finden, über die Frage sich ausspreche, Was den belgisch= holländischen Vertrag angeht, so hat er allerdings zu vielfachen Beschwerden Anlaß gege⸗ ben. Indeß ist meinerseits nicht versäumt worden, den Gegenstand einer gründlichen Erörterung zu unterwerfen. Er liegt gegenwärtig vor und wird von den betheiligten Ministerien nochmals berathen werden. Mehr kann ich in diesem Augenblicke nicht sagen, weil aus⸗ wärtige Verhältnisse dadurch berührt werden,
General- Steuer -Direktor Kühne: Was den Unterschied zwi⸗ schen Konsumenten und Produzenten betrifft, so glaube ich, daß der geehrte Redner von vorhin auf eine Aeußerung von mir hat zielen wollen. Ich gebe gern zu, daß es im Allgemeinen schwer ist, zu sa⸗ gen, was ist Konsument und was ist Produzent. Aber wenn es sich von Spinnern handelt, dann ist der Spinner Produzent und der Nicht spinner Konsument, wenn es sich von Webern handelt, so ist der Weber Produzent und die Nichtweber sind Konsumenten. Das wollte ich nur zur Erläuterung meiner Worte sagen. Es ist außerdem hier sehr viel von dem Elende unter den schlesischen Webern gesprochen worden, ich bezweifle dies keinesweges, im Gegentheile, die Nachrich— ten liegen im Uebermaße uns vor und mehr, als irgend lieb sein kann. Aber nur dagegen möchte ich mich verwahren und an den hoch— verehrten Redner die Frage richten, was soll die Regierung in Be⸗ zug auf Steuern und Zölle thun, um diesem Elende abzuhelfen? Es ist allerdings richtig, die Leinen Ausfuhr hat abgenommen, wie hätten wir sie aber in der Höhe erhalten sollen? Sie hat abgenom⸗ men einmal dadurch, daß die englische Industrie zugenommen, daß sie durch reißende Fortschritte der Maschinen -F
d -Fabrication uns über⸗ flügelt hat, daß sie vor der unseren vorangeschritten ist in der Qua— litat. Da war kein Mittel für die Regierung, um dieser Konkur— renz im Auslande entgegenzuarbeiten. Wir haben aber auch jetzt ge⸗ sehen, und das ist der zweite und Hauptgrund, der sowohl die preu— ßische als die englische Leinen-Industrie jetzt drückt, daß sie eine große Konkurrenz in der Baumwollen-Industrie erhalten hat und daß sie in England, von woher der geehrte Redner die Ausfuhr von 1840 anführte, er kaun auch die von 1841 anführen, wo die Ausfuhr seit der Jeit ebenfalls abgenommen, erklecklich abgenommen hat. Ich möchte Zahlen nicht aus dem Gedächtnisse anführen, ich kann nur unbestimmt sagen, daß, wenn ich nicht irre, die Leinen⸗Ausfuhr im Jahre 1846 um 1,300, 9000 Pfd. St. — doch will ich die Zahl nicht vertre⸗ ten — an Werth sich gegen die Ausfuhr von 1840, oder allenfalls von 1843 bis 1845, verringert hat. Was nun den inländischen Markt betrifft und die Zusammenstellung mit den Woll-Fabrikaten, so will ich bemerken, daß wir ganz und gar kein Fabrikat haben, was von der ausländischen Konkurrenz minder gedrückt wird, als die Leinen= Fabrikate. Der geehrte Redner will kein Gewicht auf Zahlen legen, es sind aber meine Argumente, und ich weiß, wo es sich um derglei— chen materielle Interessen handelt, keine anderen. Wenn aber nun durch die allgemeinen Zoll⸗Listen, deren Zuverlässigkeit ich in Zweifel zu ziehen keine Ursache habe, und die nur um ein höchst Geringes alterirt wird durch etwaigen Schleichhandel, der in Leinewand, wie mir bekannt ist, nicht stattsindet, nachgewiesen ist, daß in den Jahren 1837 bis 1839 in jedem Jahre 1151 Centner, ich sage Elfhundert ein und funfzig Centner, auf 28 Millionen Bevölkerung, in den gan⸗ zen Zoll⸗Verein eingeführt ist — merkwürdigerweise sind in den Jah⸗ ren 1839 bis 1842 genau dieselben 1151 Centner und in den Jah⸗ ren 1843 bis 1815 1370 Centner hereingekommen, und das ist die ganze Einfuhr von der Leinewand im ZollVerein — so gestehe ich, daß ich kein Mittel weiß, um noch mehr Schutz zu gewähren. Der geehrte Redner hat uns viel von dem Unglück der Weber erzählt ünd erklärt, daß es nur von dem Mangel an Schutz komme. Ich möchte gern seine nicht minder geehrten Landsleute doch auch darauf auf
merksam machen, daß diese Weber⸗ Unruhen nicht von heute und gestern sind, sondern daß in den neunziger Jahren Artillerie aus Breslau ausrücken mußte, um die Weber zu Paaren zu treiben. Und das geschah zu einer Zeit, wo wir das strengste Accise= und Schutzzoll⸗System hat⸗ ten. Wir können auf diesen Gegenstand jetzt nicht weiter eingehen, wir würden uns sonst zu weit von dem Gegenstande, um den es sich hier handelt, entfernen. Nur möchte ich därauf aufmerksam machen, daß man gar nicht von einem Systeme, heiße es, wie es wolle, heiße es Schutzzoll'⸗System oder Prohibitiv- oder Freihandels-System, welches letztere unser Zoll-System nicht ist, da sehr angemessene und zum Theil sehr hohe Schutzzölle für einzelne Artikel darin sind, ich sage, daß wir von keinem Zoll-Systeme in der ganzen Welt glauben mögen, es könne Glückseligkeit verbreiten und allein dazu geschaffen sein, diese Glückseligkeit zu schaffen. Daß Ruhe und Ordnung erhal⸗ ten wird, daß der Arbeiter, seinem Arbeitsherrn gegenüber, in einem menschlichen Verhältnisse stehen bleibt, daß er als Mensch behandelt wird, das Alles liegt auf ganz anderen Blättern der Politik, als wir Steuer- Systeme haben. Ich habe das nur bemerken wollen, um einem Vorwurfe zu begegnen, den unser Zoll-System wenigstens ganz gewiß nicht verdient.
ö Graf Sandretzky: Provozirt durch die Aeußerung des letzten Redners aus Schlesien, erlaube ich mir die kurze Bemerkung, daß die gottvertrauenden gesättigten Weber, wie mir mein Vater, der damals Kriegs- und Doniainen⸗-Rath und als Deputatus des Kollegiums mit anderen Mitgliedern in das Gebirge delegirt worden war, vielfach er— zählt hat, zu Ende des vorigen Jahrhunderts in den Gebirgsstädten Unruhen veranlaßten, und daß gegen sie Prittwitz Dragoner instiuktive haben einwirken müssen und eingewirkt haben. :
Graf Kevserling: Da die hohe Versammlung wohl jetzt dem
Abschluß dieser Debatte näher treten dürfte, so erlaube ich mir die Aufmerksamkeit derselben auf das Gutachten und dessen Fassung zu— rückzuführen. Nach den bisherigen Vorträgen und Vorschlägen würde streng sich die Durchführung eines Systems nicht rechtfertigen lassen. Es wird allgemein anerkannt, daß wir faktisch und gesetzlich uns in einem Freihandels-System befinden, in welchem alle Zölle und Steuern als Ausnahmen, als Regel und Präsumtion aber Freihandel gelten; nun werden noch andere Ausnahmen vorgeschlagen, deshalb dürfen wir nicht zugleich strenge Durchführung eines Systems dem Gouvernement empfehlen. Ich würde daher vorschlagen, diesen Passus ganz fallen zu lassen. . Son Sierstorpff: Es ist zu beklagen, daß Noth im Lande ist. Diese ist aber für mich eben so wenig ein Beweis unserer schlech— ten Handelszustände, als Zahlen. Beweis sind die Handels- und Schifffahrts- Verträge der Staaten unter einander. Ich bedaure, daß biese nicht den Gegnern dieser Petition vorliegen, um aus ihnen zu ersehen, daß jährlich Millionen unseres National-Vermögens schwin= den müssen. Ich verweise auf ein Land, welches in jüngster Zeit durch die Prinzipe, welche dieser Petition zu Grunde liegen, zu Reich= thum gelangt ist: auf Belgien. ;
Belgien hat einen großen Theil des Wohlstandes konsumirt, wel— cher früher in den Fabrikgegenden am Rheine herrschte. Se. Königl. Hoheit der Prinz von Preußen hatte die Gnabe, ein schönes Wort zu äußern, nämlich: daß von dem Freihandels-System nicht abge wichen werden soll. Das Wort ist schon, weil dieses System auf der Freiheit der Völker beruht. Aber um diese Freiheit zu erringen, dür fen wir uns in Bezug auf andere Staaten nicht Beschränkungen gefallen lassen. Wir sind aber beschränkt, beschräntt über die Ge— bühr.
Diese Petition strebt den Beschränkungen entgegen, und aus die⸗ sem Grunde ist es nöthig, daß sie vor den Augen des gesammten Staates mit möglichster Stimmeneinheit unserer Kurie vor die Stu— fen des Thrones gelange.
Graf Zieten: Aus eigener bitterer Erfahrung weiß ich, daß unsere Aufmerksamkeit ziemlich ermüdet ist, ich kann aber unmöglich die Debatte sich schließen lassen, ohne ein Paar Worte dem Interesse der Weber zu widmen. Man greift das Steuer-System des Gou— vernements unablässig und von allen Seiten an. Daß die Weber ärmer werden, das gebe ich zu, aber wenn ein Grund unter den vie— len Gründen ihrer traurigen Verarmung vergessen worden ist, so ist dies der, daß seit mehreren Jahren das Tragen so wie der Verbrauch von baumwollenen Waaren unglaublich um sich gegriffen hat. Die⸗ sen Verbrauch zu hindern, ihn einzuschränken, glaube ich, kann durch kein Steuer⸗-System, am wenigsten durch das Gouvernement hervor— gebracht werden. Ich stimme dem vollkommen bei, oder vielmehr ich
stimme entschieden gegen diejenigen, welche dem Gouvernement alles
Unerfreuliche stets und bei allen Gelegenheiten in die Schuhe schieben wollen. . Graf von Arnim: Die Gründe für und wider in Bezug auf die Schutzzoll und Frei- Handelssysteme sind wohl in so qus— führlicher Weise erörtert, daß ich nicht glaube, darauf zurlickkommen zu dürfen. Ich halte überhaupt nicht dafür, daß in dieser Beziehung eine Einigung zwischen den, verschiedenen Verfechtern dieses oder je⸗ nes Sostems möglich ist, ich halte vielmehr dafür, daß es darauf ankommt, die praktischen Resultate, wie sie die Anwendung in jedem einzelnen Staate hervorgerufen hat, genau ins Auge zu fassen, ohne sich weiter als durchaus nöthig auf das Feld der Theorie zu bege— ben. In dieser Beziehung erlaube ich mir darauf hinzuweisen, daß doch nicht zu verkennen ist; wie gerade eine Industrie in immer stei⸗ gendem Verhãltnisse bei uns zugenommen hat und sich im höchsten Flor besindet, die in ihrem Aufwachsen von einem Schutzzolle beglei⸗ tet worden ist — nämlich die Tuchfabrieation — während diejenigen Industrie⸗- Zweige, die nicht von einem Schutzzolle begleitet worden sind, sich gegenwärtig in einer höchst peinlichen und gedrückten Lage befinden. Diese Thatsache läßt sich nun einmal nicht wegleugnen. Ihren Grund bis in die tiefsten Tiefen zu verfolgen, das wird wohl schwerlich irgend Jemand gelingen, aber wegleugnen kann sie Nie— mand, auch der Gegner der Schutzzölle nicht. Man braucht nur eine Zeit lang in den Gegenden Preußens gelebt zu haben, wo die Tuch— fabrication betrieben wird; sobald man sich darauf in eine Ge— gend begiebt, wo diejenige Fabrication zu Hause ist, die des Schutzes entbehrt, so tritt einem allerdings ein Vergleich entge⸗ gen, der einem Systeme geneigt macht, welches der gedrückten Industrie Schutz verleiht. Ein zweiter Punkt, der, glaube ich, bei der vorliegenden Frage festgehalten werden muß, ist, daß jeder Staat diejenige Industrie hauptsächlich zu heben und zu schützen be— rufen ist, zu welcher das rohe Material im eigenen Lande erzeugt wird, in Beziehung auf welche er also hinsichtlich des rohen Mate— rials unabhängig von dem Auslande dasteht. Das ist nicht allein bei der Wolle der Fall, sondern auch bei dem Flachse, der in einem Ackerbau treibenden Lande, wie das unsrige, ein Rohstoff ist, den wir in genügender Menge selbst erzeugen und in Beziehung auf welchen wir ganz unabhängig von dem Auslande sind, bel dem es also nur darauf ankommt, ihn in angemessener Weise gegen die Kankurrenz, des Auslandes bei der Verarbeitung zu schüßen. Ich , unhelin n ab 2 a weiterer Prüfung und Erörterung . een irh isher von den Gegnern der Schutzzölle leine g für die Frage vernommen, weshalb denn das 'ine Fabrikat aus dem einheimischen Rohstoffe, welches geschützt wurde, voranging, während das andere, zu dem! wir ebenfalls den Rohstoff
823 , selbst erzeugen, und welches nicht geschlitzt wurde, zurückging. Ich ö. s
wende mich nun zu demsenigen Fabrikate zurück, das seinen
nicht aus dem Lande erhält, zu dem Baumwollen- Fabrikat. Da ist allerdings von vielen Seiten angeführt worden, man dürfe diese In⸗ dustrie eben deshalb nicht übermäßig 2 * um nicht eine 8 mehrung derselben herbeizuführen; man sei sonst in Gefahr, eine fabri— zirende Bevölkerung künstlich zu schaffen, die durch auswärtige Flonjunlturen arbeitslos gemacht werden könnte. Man hat mit Grund dagegen erwiedert daß einmal eine große Bevölkerung der Art schon vorhanden sei und die nicht dem Elend preisgegeben werden dürfe. Man hat Maßregeln getroffen, um ihnen zu helfen, und wenn man dies einmal thut so muß. die Frage nahe liegen und muß berathen werden, sind biese Maßregeln genügend gewesen? sonst kann es nichts helfen, diesen Weg einzuschlagen. Gegen das Genügende dieser Maßregel sprechen einmal alle Stimmen, die wir heute vernommen haben es spricht dagegen die Erfahrung, denn die Zustände haben sich nicht verbessert. Es scheint aber noch ein Punkt gegen das Genügende dieser Maß⸗ regeln zu sprechen. Man hat, als England die Einfuhr der Baum— wolle um etwa 1 Rthlr. 10 Sgr. pro Centner erleichterte, geglaubt
es genüge, wenn man die Einfuhr der englischen Baumwollen- Jabri—⸗ kate in Preußen um dieselbe Summe pro Centner erschwerte. Das scheint mir allerdings, ganz abgesehen von der Erfahrung, keine ge
nügende Maßregel sein zu können. Denn wenn seder englische Baum— wollen⸗Fabrikant künftig alle seine Baumwollen⸗Fabrikate, Gespinnste
u, s. w. um so viel wohlfeiler liefern kann, als die Abänderung oder Aufhebung des Baumwollen⸗Zolls für ihn beträgt, so kann er ja künftig seine Fabrikate in Preußen viel wohlfeiler absetzen, als die Differenz von 1 Rthlr. 10 Sgr. preußischen Eingangs- Zoll beträgt; ja, wenn er das, wovon er in England den Centner um 1 Rthlr. 16 Sgr. wohlfeiler produzirt, nur in Preußen absetzen könnte, dann wäre, die Sache ausgeglichen. Er führt aber in die ganze Welt seine Fabrikate um so viel wohlfeiler aus, als die Abänderung des Baum— wollen⸗Zolls in England beträgt, und unsere Repressallen, wenn ich so sagen soll, von 1 Rthlr. 16 Sgr. empfindet er kaum; er kann also von dem Augenblick an in einem viel höheren Maße mit unseren hiesigen Fabrifaten konkurriren, er kann, wenn er um 1 Rthlr. 10 Sgr. wohlfeiler produzirt, in Preußen noch viel wohlfeiler verkaufen, weil ihm der Antheil von 1 Rthlr. 10 Sgr. pro Centner auf dem ganzen Weltmarkte zu Theil wird, wo nicht überall ähnliche Maßregeln getroffen werden können. Wenn jener Vortheil der englischen Fabrikanten gegen die unsrigen also ausgeglichen werden soll, so kann es nur durch eine viel höhere Belastung seiner Fabrikate ausgeglichen werden. Preußen allein er reicht durch die Auflegung von 1 Rthlr. 10 Sgt. Zoll noch nichts. Ich glaube, daß es gewiß sehr nöthig ist, diesen Punkt bald ins Auge zu fassen, um nicht durch solche Maßrregeln nach beiden Seiten hin zu schaden. Wenn geäußert worden ist, man habe sich von Ex⸗ tremen fern halten, man habe diejenigen, welche die Zölle erniedri— gen, und diejenigen, welche sie erhöhen wollten, in eine gewisse Ver einigung bringen wollen, so glaube ich, hätte man besser gethan, man hätte gar nichts geändert und wäre auf diese Weise in der Mitte zwischen beiden Extremen geblieben. Denn wenn der Eine auffordert, ich solle rückwärts gehen, und der Andere, ich solle vor-
wärts gehen, und wenn ich mich weder dem Einen noch dem Anderen anschließen will, so muß ich stehen bleiben. Schließlich lenke ich noch die Aufmerksamkeit auf einen Punkt, dessen Nützlichkeit gewiß von keiner Seite bestritten wird, und wo also eine eigentliche Differenz der Ansichten weniger besteht, soudern wo es nur darauf ankommt, auf alle Weise hinzuwirken, daß etwas, welches Alle als nützlich anerkennen, gefördert werde, ich meine die Rhederei. Die Rhe? derei ist in unseren Ostsee⸗ Provinzen ein so einslußreicher, wich— kiger Gewerbzweig, daß es höchlichst zu bedauern ist, daß dort, wo alles Material sich vorfindet, wo eine kräftige, muthige, mit der See vertraute Bevölkerung vorhanden ist, nicht diese Art der Gewerbsamkeit in größerer Ausdehnung stattfindet; wir haben Landestheile, die früher in dieser Beziehung in einer sehr glücklichen Lage sich befanden — ich meine Neu⸗Vorpommern; diese Provinz kann die Zeit nicht vergessen, wo die Rhederei in großer Blüthe, in großer Vollkommenheit in ihr bestand. In dieser Beziehung wird gewiß Alles dazu gethan werden müssen, um den Erwerbszweig, der auch hier auf naturgemäßem Boden besteht, durch angemessene Maß regeln der Regierung kräftig zu fördern. Ob dies geschehen ist, ob ein Differenzialzoll⸗System oder Schifffahrts- Verträge dazu führen, ist eine Frage, die ich noch nicht weiter erörtern will. Aber wie ge— sagt, eine Thatsache ist es, daß während wir eine Seeküste von einer bedeutenden Ausdehnung, vortreffliche Häfen, vortreffliche Hölzer, vortreffliche Menschen zu Matrosen haben, wir keine Rhederei haben, die so fortschreitet und so sich geltend macht, wie es wohl für einen Staat wie den unsrigen zu wünschen wäre. General-Steuer-Direktor: Wenn der geehrte Redner darauf aufmerksam machte, daß wir keine Rhederei haben, die irgend den Namen verdient, so will ich doch bemerken, daß unsere Rhederei seit den letzten Jahren, namentlich unsere Rhederei in Vorpommern, so vorangeschritten ist, daß wir alle Ursache haben, wohl damit zu— frieden sein zu können. ; Unsere Schiffe gehen nach der Ostküste von Afrika, nach China und auf den Wallfischfsang, und es sieht also in der That nicht so schlimm aus, wie der geehrte Redner dargethan hat. Ich will aber den geehrten Redner darauf aufmerksam machen, daß die neu⸗vor— pommersche Rhederei allerbings dadurch, daß sie auf Preußen über— ging, einen Verlust erlitten hat. Schweden hatte einen sehr günstigen Traktat mit den Barba
resken, und die schwedische Flagge war im Mittelmeer eine sehr angesehene. Darum haben wir gern nachgesehen, daß auch nach dem Ueber— gange an Preußen die schwedische Flagge benutzt wurde. Jetzt aber, we die Barbaresken vertilgt sind und alle Nationen darin gleiche Berechtigungen haben, ist unsere Rhederei in relativen Nachtheil gekommen. Dann möchte ich noch einen anderen früheren Theil der Rede berühren. Es ist mir dort die Absicht des Herrn Redners, wie es mit der Baumwolle sein soll, nicht recht klar geworden, denn wir haben be— rechnet, daß mit 2 Rthlr. Eingangszoll die englischen Baumwollen— spinner so gestanden haben, daß die unsrigen noch mit einem mäßigen Vortheil ihr Geschäft betreiben konnten. Wenn nun der englische Spinner sein Material einen Thaler pro Centner billiger beziehen kann, wenn er diesen Thaler Eingangszoll von Baumwolle früher mußte mit auf seine Fabrikationskosten Fön, so weiß ich doch in der That nicht, warum er künftig gleich gute Waare noch um mehr als einen Thaler billiger fabriziren kann. Graf von Arnim: Auf diese beiden Punkte werde ich noch zu antworten haben. Ich nehme den letzten zuerst auf. Meine Ansicht ist die, daß, wenn England z. B. eine Million Centner in irgend einem Fabrikat produzirt und sie 3 pCt. wohlfeiler produziren kann dadurch, daß dem Fabrikanten der Rohstoff um 3 pCt. wohlfeiler zu stehen kommt, als früher, weil der Zoll sich verringert hat, und von dieser Million Centner hunderttausend nach Preußen
gehen, so fag ich, ob deshalb, weil Preußen den Eingangs- Zoll um 3 pCt. erhöht, das frühere Verhäliniß zwischen dem englischen
und preußischen Fabrikat hergestellt ist. Die engli ĩ nen den ganzen Vortheil, n 9 den e Te ge egen ken durch den verringerten Zoll machen, bis auf einen gewissen , . die 100,000 übertragen, die sie uns zuführen, und können 6 auf einfach auf unserem Markt unsere Fabrikanten überflügeln. so gan enn man uns fragt; ja, was ist zu thun? so it allerdi nicht mit apodiktischer Gewißheit zu sagen, es könne das very ö werden, denn wir können vielleicht mit unserem Zoll näicht so ho hinauf gehen, um die große Erleichterung, die die Erlassung d Baumwollen Zolls in England mit sich führt, ganz auszugleichen. Aber jedenfalls ist man vollständig getäuscht, wenn man ga daß man mit jedem Thaler, um den man hier den Zoll erhöht, man in England einen Thaler ausgleicht, den der dortige Fabrikant am Zoll der Baumwolle spart. Das ist nicht der Fall. Was nun die Rhederei betrifft, so liegen darüber Zahlen vor, die das näher belegen können, was ich behauptet habe.
In dem Antrage eines Abgeordneten der Rhein⸗-Provinz ist be⸗ hauptet, die preußische Rhederei habe seit 1832 um 14000 Lasten ab⸗ genommen. Wenn ich dies natürlich nicht verbürgen kann, so ver⸗ weise ich wiederholt auf die Anschauung.
Vergleichen wir den Zustand der Rhederei in den Ostseehäfen
mit demjenigen Zustande, der vor 20 und 30 Jahren bestand, so er⸗ klären alle Augenzeugen, alle Kaufleute, die dort leben, daß er zurück= gegangen ist und können dies durch Data nachweisen, die irrekusa⸗ bel sind. In Wolgast besteht ein eigenthümliches Verhältniß; das Haus Homeyer hat durch große Mittel, große Betriebsamkeit und bewähr⸗ ten Ruf, trotz aller Schwierigkeiten, die Rhederei von Wolgast wie⸗ der gehoben, aber ich zweifle dennoch, daß die Rhederei des jungen Homeyer der gleicht, die sein Vater ebendaselbst vor dreißig Jahren betrieb. Es ist also auch hier nicht einmal die frühere Zeit wieder hergestellt. Dagegen liegen Stralsund, Greifswalde und andere Plätze darnieder. Ich beziehe mich auf ein geehrtes Mitglied in un⸗ serer Versammlung, ob die Klagen wirklich dort alle nur auf Vorur⸗ theil beruhen, oder ob sie nicht die vollständigste Wahrheit sind.
Fürst von Putbus: Ich muß ganz bestätigen, was der frühere Redner vor mir angeführt hat.
Es werden fast gar keine Schiffe mehr gebaut.
Wolgast ist der einzige Ort, der noch einigermaßen Rhederei ge⸗ habt hat, aber er hat sie auch nicht mehr in dem Maße wie früher.
Prinz Adalbert von Preußen: In Beziehung auf die Rhederei von Wolgast will ich nur bemerken, daß ich Wolgast's Schiffe an zwei sehr verschiedenen Punkten der Erde, zu Bahia und Messima, getroffen habe.
Was die Rhederei-Verhältnisse betrifft, so glaube ich, daß na- mentlich bei uns ein großer Mangel an Schiffen besteht, die für weitere transatlantische Fahrten gebaut sind.
Der größere Theil unserer Schiffe, namentlich der Rhederei von Danzig, ist ausschließlich mit dem Getraidehandel beschäftigt, weil sie zu schwer sind, um weitere Reisen zu unternehmen. —
Gras zu Dyhrn: Ich will mir nur ein Faktum zu berichti⸗
gen erlauben.
Die Tuchfabrication ist der Leinenfabrieation entgegengesetzt wor den. Nun muß ich nur bemerkten, daß dieselbe Katastrophe, welche die Leinenfabrication jetzt in Schlesien erlebt, die Tuchfabrication in den zwanziger Jahren dort erlebt hat. Dies ist der beste Beweis, daß die Schutzzölle unseren Garnspinnern jetzt nicht helfen werden, denn nicht der zu niedrige Schutzzoll ist an dem Elend der Spinner Schuld, sondern der Kampf zwischen der Hand und der Maschine. Dieser Kampf wurde bei Tuch in den zwanziger Jahren durchgefoch— ten, und wer damals in meiner Gegend gelebt, hat die langen Züge von Tausenden der Tuchweber gesehen, die nach Polen hinübenzogen.
Es waren die entstandenen Tuchfabriken, welche die Hand-⸗Tüch⸗ macher in dieselbe Hungersnoth setzten, als jetzt die Leinenspinner durch die Spinnmaschinen gebracht worden sind, und unter beiden Ka⸗ lamitäten besteht der . daß damals der Scheffel Korn mit 18 Sgr. und jetzt um wie viel mehr bezahlt wird. Uebrigens ist noch eine Stadt in Schlesien, die solche Hand⸗Tuchmacher hat, das ist Neu⸗ rode, und während z. B. auf den Gütern meines verehrten Kollegen, der mit mir übereinstimmt, die Leinenspinner und Weber nur darben, hungern die Hand Tuchmacher in Neurode vollständig. Zuletzt sen mir nur noch erlaubt, ganz persönlich dem fürstlichen Mitgliede ans Schlesien auf seinen beredten Vortrag, dem ich mit allem Interesse gefolgt bin, zu erwiedern, daß er mich gar nicht so falsch verstehen konnte, daß ich die „Raubthiere“, die er Konsumenten nennt, hahe vertheidigen wollen, sondern daß ich feinen Unterschied mache zwischen Konsumenten und Produzenten. =
In der einen Sache bin ich Produzent, ein Anderer Konsument, wogegen er vielleicht da Produzent ist, wo ich Konsument bin. Je⸗ der Schutzzoll, der ihn schützen wird, drückt mich daher, und jeder, der mich schützen wird, drückt ihn. Wenn daher die Petition diese Zölle nicht fordert, so kann ich ihr beitreten; nach meiner Ansicht aber fordert sie dieselben und darum kann ich ihr nicht beitreten, nicht darum, weil ich an den Tischen, an denen gekämpft, gelitten und un⸗ terlegen wird, nicht helfen will, sondern weil ich glaube, daß diese Hülfe eben nicht genügend sein wird für diesen Kampf und dieses Leiden.
Finanz-Minister: Es ist in Beziehung auf die Rhederei vorhin angeführt worden, daß ein besserer Zustand zu wünschen sei. Im Allgemeinen will ich dem nicht widersprechen, daß eine größere und gedeihlichere Entwickelung unserer Schifffahrt wünschenswerth sei, und daß man von Staats wegen sich angelegen sein lasse, dar⸗ auf hinzuwirken; allein daß die Schifffahrt in einem so ungenügen⸗ den Zustande sich befinde, wie er von gewisser Seite dargestellt wor⸗ den ist, das kann ich nicht zugeben. Ich bemerke: nach der erst kürzlich aufgestellten Liste pro 1845 zählt Preußen im Ganzen 913 Seeschiffe von 113,650 Lasten. Es sind im vorigen Jahre überhaupt neu gebaut worden: 72 k von 10,5609 Lasten, und hiervon 24 im Regierungs- Bezirk Stralsund. Im Allgemeinen ist die Zahl der Schiffe und ihre Tragfähigkeit gestiegen, in welchem Verhältnisse, kann ich in diesem Augenblicke nicht genau angeben, da mir die Zahlen nicht speziell zur Hand sind.
Dann uff ich noch, was unsere innere Fabrication angeht, be⸗ merken: es ist nicht die Woll-Fabrication, welche die größten Fort⸗ schritte gemacht hat, sondern die Seiden und Baumwollen-Fabri⸗ cation. Ich nehme meine Angaben von dem Jahre 1831 her, wo der Zoll⸗-Verein sich zu gestalten begann. — Wir hatten damals für Wollwaaren und Halbwollwaaren 15.300 Webstühle und im Jahre 1843 ungefähr 17, 000; die Zahl der Webstühle für Seidenwaaren ist in derselben Zeit von 8960 auf 16,900 gestiegen, so wie für baumwollene Waaren von 25,1400 auf 47,700. Der Verbrauch der baumwollenen Waaren betrug im Jahre 1843 in der Regel 13 Ellen pro Kopf, ungefähr das Doppelte von dem Verbrauch, der im Jahre 1831 stattfand.
Es ist also ganz unverkennbar, daß die Baumwollen⸗Fabrication
der Leinwand- Fabrication nachtheilig geworden ist. Rach außen hat lletztere immer einen bedeutenden Schutz gehabt, allein 8. n