orbnung vom 1. Juni 1833 enthält nur die allgemeine Bestim⸗ mun daß es jeder Gemeinde vorbehalten bleibe, für den besonderen Religions⸗ Unterricht der jüdischen Kinder zu y sz
Wenn es indeß im Interesse des Staates liegt, darüber zu wachen, 2 seine Ünterthanen ohne Ausnahme in der Religion, zu welcher sie sich bekennen, auch erzogen werden, nach der jetzigen Lage der Sache es aber lediglich dem Beschlusse und dem k Gut⸗ befinden der jüdischen Gemeinden anheimgestellt ist, ob sie ihren Kindern Religlons Unterricht ertheilen lassen wollen oder nicht, so werden nicht selten einzelne jüdische Kinder überhaupt ohne allen Re⸗ ligions⸗ Unterricht aufwachsen. Es wird 3 nothwendig Veran⸗ de,. getroffen werben müssen, daß solche Fälle künftig nicht vor-
ommen.
In verschiedenen deutschen Bundes- Staaten, z. B. in Braun—⸗ schweig, Oldenburg und Weimar, hat man den Ausweg e. die idisch Gemesnden zur Errichtung und Unterhaltung besonderer jüdischer Religions Schulen zu verpflichten, an welchen jüdische Re⸗ ligions- Lehrer durch die Schul Behörde, des Staats nach der von dieser Behoͤrde unter Zuziehung eines Rabbiners erfolgten Prüfung ihrer Qualistcation angestellt werden, und worin sämmtliche jüdische Kinder während des Lan ficht gen Alters unterrichtet werden müssen. Wenn es indeß den Verhältnissen der Juden als einer geduldeten Religions—⸗ sekte entspricht, daß der Staat lediglich den Judengemeinden die Entscheidung ber das Maß von Religionskenntnissen, welches sie von ihren Religionslehrern verlangen wollen, und über deren Recht⸗ gläubigkeit überläßt, und daß er auch von dem materiellen Inhalte des den jüdischen Kindern zu ertheilenden Religions-Unterrichts keine nähere Kenntniß nehmen kann, so läßt sich auch die zwangsweise An⸗ haltung der Juden zur Errichtung besonderer Religionsschulen für ihre Kinder, abgesehen davon, daß die Ausführung der Maßregel da, wo die Juden nur zerstreut wohnen, auf vielfache Schwierigkeiten stoßen würde, nicht wohl rechtfertigen. Dem beabsichtigten Zwecke wird auch schon dadurch bedeutend naher getreten werden, wenn nur die Verfügung getroffen wird, daß jedem Kinde während des schul⸗ pflichtigen Alters nothwendig Unterricht in der Religion ertheilt wer⸗ den muß und die Fürsorge hierfür nicht in das Belieben der Aeltern, sondern die diesfällige Verbindlichkeit den Judenschaften auferlegt wird, ohne ihnen jedoch die Mittel, welcher sie sich zu diesem Behufe zu bedienen haben, speziell vorzuschreiben. Von diesem Gesichtspunkte aus ist der zweite Theil des §. 28 entworfen.
Von einzelnen Regierungen und auch in den kommissarischen Verhandlungen wird eine Bestimmung dahin gewünscht,
daß eine jede jüdische Gemeinde verbunden sein solle, wenigstens
einen Religionslehrer anzustellen und zu besolden, welchem der
Unterricht der Kinder in den jüdischen Religionswahrheiten zu
übertragen sei. Gegen ein solches direktes Einschreiten mit positiven Bestimmungen sind die oben gegen die Errichtung besonderer Religionsschulen an⸗ geführten Gründe ebenfalls geltens zu machen. Der Staat wird lediglich darüber zu wachen haͤben, h wenn die jüdischen Gemein⸗ den besondere Religionslehrer annehmen wollen, dazu nur solche Per⸗ sonen zugelassen werden, welche zur Ausübung eines Lehramtes von der Schulbehörde die Erlaubniß erhalten haben, wie dies auch bis⸗ her schon geschehen ist und, der Schlußsatz des §. 28 ausspricht. Die eigentlichen jüdischen Religionskenntnisse können jedoch bei den für den jüdischen Religions⸗-Unterricht zu bestellenden Lehrern nicht Gegenstand der Prüfung sein, und eben deshalb kann auch auf den in den kommissarischen Verhandlungen ausgesprochenen Wunsch,
daß besondere jüdische Seminarien zur Vorbildung für jüdische
Religionslehrer errichtet werden möchten, von Seiten der Staatsbehörde in der Weise, daß dieselbe die Er⸗ richtung solcher Seminarien anordnet, nicht eingegangen werden. Eine Eich Veranstaltung wird vielmehr unter Zustlmmung des Staats lediglich den Juden selbst zu überlassen sein, wenn sie sich davon einen Erfolg versprechen.
Die Bestimmung des §. 29 ist eine Folge der im §5. 25 ausge⸗ sprochenen Angehörigkeit der jüdischen Glaubensgenossen zur Orts⸗ Schulgemeinde, Die allgemeine Fassung dieses Paragraphen ist des- halb nothwendig, weil in den verschiedenen Landestheilen die Bau⸗ und Unterhaltungslast auf verschiedenen Grundlagen beruht.
Wenngleich, die Errichtung öffentlicher jüdischer Schulen nicht von dem n Beschlusse der Hire r shaste oder der jüdischen Ortseinwohner abhängig gemacht werden darf und die Juden eine Absonderung von den ordentlichen Ortsschulen aus ihrem einseitigen, namentlich religiösen Interesse nicht verlangen können, so wird es ihnen doch unbedenklich zu gestatten sein, in eigenem Interesse, auf Grund diesfälliger Vereinbarungen unter sich und mit Genehmigung der Schulbehörden Privat-Lehranstalten nach den darüber bestehenden allgemeinen Bestimmungen einzurichten. Einer weiteren Ausführung über die rechtliche Qualität einer solchen besonderen jüdischen Ele⸗ mentarschule bedarf es nicht sobald sie nur als Privatschulen be— zeichnet und dadurch der Gegensatz gegen die allgemeinen öffentlichen Ortsschulen festgehalten wird. Die Unterhaltung derselben beruht daher lediglich auf den zwischen den betheiligten Juden unter sich und mit dem Lehrer . Kontrakten, und diese Schulen unterliegen nach der allgemeinen Vorschrift der §§5. 3, 4 Tit. 12 Th. II. Allg. Landrechts den in Betreff, der ordnungsmäßigen Ein⸗ richtung und Beaufsichtigung der konzefsionirten Privat-Lehranstalten ergangenen Bestimmungen. .
S. 30. Zur Errichtung einer öffentlichen jüdischen Schule wer— 3. 6 Gründe ausreichende , . 6 t ) ; Angel an Raum in der christlichen Schule zur Mitaufnahme ö 2 jüidischen Kinder bei regelmäßigem Schulbesuch; ) n einer abhelfenden Erweiterung überhaupt und un verhaltnißmãß . Schwierigkeit und Kostspieligkeit derselben, 3 , dn nbillige Velastung insbesondere der christlichen Einwohner bei Mit eranziehung zu den für das vorzugsweise . des jüdi chen Theils erforderlichen neuen Anlagen; 4 Besorgliche Rechts verwickelung in Vetre vorhandener das Religionsbedürfniß mit berührenden Schulstiftungen; ᷣ 5) derer ern g e e r. 7 Pädagogischer Beziehang' gegen die keen el e Schul⸗Erzie hung der jüdischen und der christ= Die §S§. 31 und 32 bestimmen das Verfahren, ᷣ fundener Zweckmäßigkeit oder her f der . * christlichen und jüdischen Schulwesens zum Zweck der ku hann eige⸗ ner jüdischer Schulen zu beobachten ist. 8 Ueber die rechtliche Qualität der im allgemeinen Schul⸗Interesse errichteten südischen Schulen enthält der §. 33 die näheren Bestim= mungen. Hiernach bestimmen sich die Rechtsverhältnisse, in welche die öffentlichen südischen Schulen treten, von selbst, . es ist gang nur noch zu bemerken:
3 daß die Beiträge zur Unterhaltung öffentlicher jüdischer Schulen und zur Besoldung der an e , on i Le . eine öffentliche Last angesehen werden müssen, wesche der Festsebung und Einziehüng im admin siratiyen Wege nach Maßgabe der Be=
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stimmung des g. 23 unterliegen, ist eine Folge der Gleichstellung der öffentlichen christlichen und iel! Schulen. ;
tungs⸗Behörden wiederholt angenommen worden, daß wenn die An⸗ ordnung der jüdischen Schule als einer öffentlichen Anstalt des Orts von der Regierung selbst ausgegangen ist, der jüdischen Gemeinde alsdann die Bestimmungen der S8. 30. 34. Tit. 12. Th. II. A. L. .. zu statten kommen, wonach bei Existenz mehrerer, Gemeinde- Schulen für die Einwohner verschiebenen Glaubensbekenntnisses an einem Orte jeder Einwohner nur zur Unterhaltung der Schule seiner Religions- partei beizutragen hat, und daß in solchem Falle die jüdischen Ein⸗ wohner von der Mitverpflichtung zur Unterhaltung der christlichen Schulen bis dahin befreit bleiben müssen, wo sie durch die Wieder⸗ aufhebung ihrer Schulen in den allgemeinen Schulverband des Orts werden zurücgetreten sein. Hiergegen ist zwar in einzelnen zur rich— terlichen Entscheidung gekommenen Fällen von den Gerichts-Behör⸗ den geltend gemacht worden, daß die erwähnten Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts nur auf christliche Schulen zu beziehen sind, und es läßt sich allerdings nicht verkennen, daß dieser Ansicht nicht unerhebliche Gründe zur Seite stehen; diese Meinungsverschie—⸗ denheit wird aber ihre Erledigung sinden, wenn, wie in dem 8. 33 des Entwurfs vorgeschlagen worden ist, allgemein bestimmt wird, daß solche jüdische Schulen die Eigenschaften und Rechte einer öf— fentlichen Ortsschule haben, indem es alsdann keinem Bedenken unterliegt, daß im Falle der Errichtung einer besonderen öffentlichen jüdischen Schule die zu dieser Schule gehörenden jüdischen Einwohner von der Leistung derjenigen Beiträge, welche nach §§. 29 bis 32. Tit. 12. Th. II. A. L R. von den zur Schule gewiesenen Hausvätern ent⸗ richtet werden, befreit bleiben. Daß diejenigen Beiträge, welche nur beim wirllichen Schulbesuche jüdischer Kinder zu entrichten sind, z. B. Schulgeld, durch Üleberwei⸗ sung der jüdischen Kinder in eine eigene jüdische Schule von selbst fortfallen, bedarf keiner Erwähnung.
An solchen Orten, wo, wie schon jetzt in den westlichen Provin⸗ zen, die Unterhaltung der bestehenden christlichen Schule eine Ver⸗ pflichtung der Ortsgemeinde ist, wird sich diese, da die Juden unter den Kommunallasten mit zu deren Unterhaltung beisteuern, nicht ent⸗ ziehen können, den Juden aus dem Kommunal-Schulfonds auf an⸗ gemessene Weise zu Hülfe zu kommen, wenn dieselben auf Anordnung der Schul-Behörde durch Errichtung eines eigenen jüdischen Schul⸗ systems ihre Kinder aus der christlichen Schule aussondern und da⸗ durch die Unterhaltungslast der letzteren verringert wird.
c) Der Besuch' der öffentlichen jüdischen Schulen muß auf die jüdischen Kinder beschränkt bleiben, denn dem Elementar- Unterrichte der christlichen Kinder liegt überall eine dem Christenthum entspre⸗ chende Auffassung der Lebensverhältnisse zum Grunde, und die Schule soll zugleich im christlichen Geiste bilden und erziehen.
Im ÜUebrigen darf noch auf Folgendes aufmerksam gemacht werden, worüber es jedoch einer besonderen gesetzlichen Bestimmung nicht bedarf:
Die Gleichstellung der öffentlichen jüdischen Schulen mit den christlichen kann nur so weit reichen, als dabei die Qualität der Ju⸗ den als einer blos geduldeten Religionspartei nicht in Betracht kommt. Es folgt hieraus, daß die an öffentlichen Schulen fungirenden jüdi⸗ schen Lehrer auf diejenigen Vorrechte, welche den christlichen Lehrern zustehen, wie auf die Befreiung von der Zahlung der Klassensteuer
und von den Kommunallasten, keinen Anspruch zu machen haben. Eines besonderen Vorvehalts bedarf es indeß in dieser Beziehung nicht, weil die jüdischen Lehrer, auch wenn sie an öffentlichen jüdischen Schulen angestellt sind, nicht den Charakter als mittelbare Staats— beamte haben. Dagegen versteht es sich von selbst, daß die an öf⸗ fentlichen jüdischen Schulen angestellten Lehrer nicht willkürlich ent⸗ lassen werden dürfen, sondern so lange als öffentliche Elementar⸗ lehrer anzusehen sind, bis die Regierung sich veranlaßt sieht, ihre Entlassung im verfassungsmäßigen Disziplinarwege auszusprechen. Es fragt sich,
ob der jüdische Religions- Unterricht in den Lehrplan der öffent⸗
lichen jüdischen Schulen aufgenommen werden darf, oder ob der⸗
selbe den jüdischen Gemeinden zur besonderen Veranstaltung über⸗
lassen bleiben soll? Streng genommen, ist die Ausschließung des Religions⸗Unterrichts von dem Lehrplan der für jüdische Glaubensgenossen bestimmten öf⸗ fentlichen Ortsschulen lediglich eine Folge des allgemeinen Grundsatzes über das Verhältniß der Juden als einer blos geduldeten Religions⸗ gesellschaft, von welchem Grundsatze es abzuweichen scheint, wenn in der Elementarschule, als einer zu öffentlichen Rechten bestehenden Anstalt, auch der jüdische Religions Unterricht ertheilt wird. Es war hierbei indeß schon immer vorausgesetzt, daß die Juden sich des Lo⸗ kals und des Lehrerpersonals der Elementarschule auch zu den Pri⸗ vatlehrstunden in der Religion, in einer praktisch sonach ziemlich auf dasselbe hinausgehenden Art, bedienen könnten und würden. Um so weniger scheint es einem Bedenken zu unterliegen, daß, nachdem in⸗ mittelst auch in einem Spezialfalle mit einer Abweichung von jenem Grundsatze vorgegangen ist, die Aufnahme des Religions- Unterrichts in den Lehrplan einer öffentlichen jüdischen Schule, ohne aus⸗ drückliche Bestimmung hierüber in dem zu erlassenden Gesetze, nach— gegeben werde.
Endlich ist noch zu bemerken, daß die besonderen jüdischen Schu— len, namentlich auch in Betreff des Schulzwanges, dieselbe Behand- lung wie die christlichen Schulen werden zu erwarten haben.
Es versteht sich jedoch hierbei von selbst, daß, auch wenn eine besondere jüdische Schule besteht, die Mitglieder der jüdischen Ge⸗ meinde dennoch nicht verpflichtet sind, die jüdische Schule zu benutzen, sondern daß sie berechtigt bleiben, ihre Kinder auch in die christliche Elementarschule zu schicken, und daß sie alsdann das Schulgeld nur an denjenigen Lehrer zu bezahlen haben, welcher ihre Kinder un⸗ terrichtet.
Zu §. 34. Der Entwurf überträgt hier den Vorstehern der Judenschaften eine Fürsorge dafür, daß die heranwachsende männ⸗ liche Jugend der jübischen Bevölkerung überall zu einem nützlichen Lebensberufe herangebildet, insbesondere von dem Handel im Umher⸗ ziehen abgehalten werde.
Der §5. 13 der ,, vom 1. Juni 1833 enthält für das Großherzogthum Posen eine ähnliche Bestimmung und legt in Ver⸗ bindung damit im §. 9 neben der here rn fe, für den regel⸗ mäßigen Besuch der öffentlichen Schulen seitens aller jübischen Kin⸗ der während des Tten bis 14ten Lebensjahres der Corporation und deren Verwaltungs Behörden besonders noch die Pflicht auf, ganz dürftigen Kindern die nöthigen Kleidungsstücke, das Schulgeld und die sonstigen Schulbedürfnisse aus den dafür bestehenden besonderen Fonds, in deren Ermangelung aber aus dem Corporations-Vermögen zu gewähren. Die letzt gedachte Verpflichtung, so weit sie nicht schon in der des 8. 13 enthalten, hat in dem er!? Zustande der jüdi⸗ schen Bevölkerung des Großherzogthums Posen ihre genügende Be⸗ hie d n gefunden und gute Früchte fr iz Die barin liegende
bweichüng bon den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften über Beauf= sichtigung bes Schulbesucheg und über Orts- Armienpflege ist jedoch
b) Schon nach ö. er Lage der Sachen ist von den Verwal⸗
erzogthum Posen für zulässig, und wie die diesfällige Vorschrift da⸗ er nunmehr für die Provinz Posen aufgehoben wird, so ist von einer
3. es irgend gestatten. Die Behörden erachten dies für das Groß=
egen ist die im §. 34 angeordnete Fürsorge durchaus räthlich. Die in der Provinz Posen erzielten Erfolge sprechen unverkennbar dafür. Wenn in dem Zustande der unteren Klassen der jüdischen Bevölkerung des Großherzogthuns Posen unter dem wohlthätigen Einfluß der Verordnung vom 1. Juni 1833 in einem verhältnißmäßig kurzen Zeit⸗ raume eine erkennbare Besserung eingetreten ist, so darf jener den Corporationen auferlegten vorsorglichen Pflicht ein wesentlicher Ein= fluß darauf beigemessen werden. Die Provinz ist nicht mehr, wie früher, von hausirenden Handelsjuden überschwemmt, vielmehr ist un⸗ ter Verminderung der handeltreibenuden jüdischen Hausirer die Zahl jüdischer Handwerker sichtlich gewachsen. Erst der 113te Jude be⸗ treibt jetzt daselbst den Handel im Umherziehen, während dies in Schlesien schon beim 99ysten der Fall ist, bis herab in die Provinz Sachsen, wo bereits der 25ste Jude dieses Gewerbe gewählt hat.
Die größte Zahl jüdischer mechanischer Künstler und Handwer— ker befindet sich im Großherzogthun Posen. Unter 1009 selbststän⸗ digen Juden sinden sich daselbst 207 dergleichen Gewerbtreibende, in der Rhein⸗Provinz 147, bis auf Sachsen herab, wo nur 68 auf 10090 selbstständige Juden vorkommen. Es kann dies bei dem Verhältniß des Kultur-Zustandes der jüdischen Bevölkerung jener Provinzen we— sentlich als ein Nesultat der Verordnung vom 1. Juni 1833 betrach⸗ tet werden. (S. die näheren Angaben in Beilage 1. B.) *.,
So nützlich auch der Handelsbetrieb im Umiherziehen sein kann, und so unzweifelhaft unter diesen Gewerbtreibenden bei den über die Zulaffung zu demselben bestehenden gesetzlichen Anordnungen sich über⸗ wiegend Teute von tadelfreier Führung befinden, so wird dennoch der vorherrschende Hang der Juden zum Hausiren von den Verwaltungs⸗ und' Landes- Justiz⸗ Behörden vorzugsweise als ihrer sittlichen Hebung entgegenstehend angesehen. (S. Beilage I. B). . —
Indem die Vorstände der Judenschaften in dieser Weise zu einer durch die Erfahrung bewährten Mitwirkung für die soziale Hebung und sittliche Verbesserung ihrer Glaubensgenossen berufen werden, dürfen diefelben darin eine ihnen auferlegte lästige Pflicht nicht er⸗ kennen, vielmehr steht zu erwarten, daß sie überall die günstigen Er⸗ folge herbeizuführen sich bestreben werden, welche das Gesetz hierbei in Aussicht nimmt.
Zu §. 35. Staats-Aemter haben die Juden seither nicht be— kleidet. Sie sollen künftig dazu verstattet werden, sofern sie sich CivilVersorgungs-Anspriiche im stehenden Heere erworben haben. Durch die an das Königl. Staats⸗-Ministerium ergangene Allerhöchste Ordre vom 31. Dezember 1845, wodurch den Juden das Avancement zum Unteroffizier gestattet ist, sind sie in Stand gesetzt, sich jene An⸗ sprüche zu erwerben. In Betreff der mittelbaren Staats- und Kom⸗ munal-⸗Aemter dagegen bewendet es bei den bestehenden Vorschristen. (S. Beilage J. X.) Ueberall aber wird beim Eintritt in diese Aem⸗ ter die Gränze festgehalten, daß mit deren Ausübung eine obrigkeit⸗ liche Autorität nicht verbunden ist. Diese Gränze ist durch die Rück⸗ sicht auf die christliche Bevölkerung des Staates bedingt. Es kann nicht für zulässig erachtet werden, den Juden eine, obrigkeitliche Ge⸗ walt über christliche Unterthanen einzuräumen. Die bereits im Ein⸗ gange berührte, von den, Juden in gewissem Maße bewahrte Natio⸗ nalität, die mit ihrer Religion eng verbundene Sonderung und Stam⸗ mesverschiedenheit muß als ein Hinderniß für den Eintritt in einen Beruf betrachtet werden, dessen Wirksamkeit in keiner Weise durch ein Mißtrauen oder Vorurtheil beeinträchtigt werden darf. Eine längere Dienstzeit im stehenden Heere darf indessen erfahrungsmäßig als ein Mittel angesehen werden, wodurch die nationelle Sonderung, so weit folche hier zur Berücksichtigung kommt, in dem Maße beseitigt wird, um den Juden innerhalb der gezogenen Gränze Staatsämter unbe⸗ denklich übertragen zu dürfen. Die eigenthümliche Verfassung des preußischen Staats in Bezug auf die Vorbereitung zu den Staats—⸗ Aemtern und die Berufung in dieselben gestattet bei der wesentlichen Verschiedenheit hierin, den übrigen europäischen Staaten gegenüber, eine Vergleichung nicht. Aber auch abgesehen davon, in welcher Weise dort Beamte in die Staatsämter gelangen und daraus entlas⸗ sen werden, bietet auch noch die sehr erhebliche Abweichung in dem Verhältniß der jüdischen Einwohner zu den christlichen ganz verschie⸗ dene Gesichtspunkte. Außer in den Niederlanden ist das Verhältniß (s. Beilage J. F.) in der Zahl der jüdischen zu den christlichen Ein= wohnern in Preußen bedeutend stärker. In England und Frankreich gehört erst der 2076ste resp. A87ste, in Preußen bereits der 74ste Einwohner den jüdischen Glaubensgenossen an.
Dagegen steht nichts im Wege, den Juden die Schlichtung strei⸗ tiger Angelegenheiten, wenn sie von ihren Glaubensgenossen zu Schieds—⸗ männern gewählt werden, zu übertragen.
In den §§. 7 und 8 des Edikts vom 11. März 1812 ist die n mg enthalten, daß es akademische Lehr- und Schul—⸗ Aemter giebt oder geben soll, welche jüdischen Gelehrten anvertraut werden dürfen; eine unbedingte Befähigung der Juden zu allen akademischen Lehrämtern ist aber nicht darin enthalten. Es darf, um eine solche Deutung auszuschließen, nur an die theologischen Fakul⸗ täten überhaupt und an solche Universitäten erinnert werden, welche statutenmäßig von allen Lehrenden das Bekenntniß einer bestimmten christlichen Konfession fordern. Diese Bestimmung des Gesetzes ließ daher, um ihre Anwendbarkeit innerhalb des aus der Natur der Sache abzuleitenden Umfanges festzustellen, eine nähere Erläuterung erwar⸗ ten. In dem Zeitraum von 1812 bis 1820 waren auf preußischen Universitäten als seltene Ausnahmen nur drei jüdische Docenten für medizinische und naturwissenschaftliche Fächer aufgetreten, von denen zwei jedoch bald nachher zum Christenthum übertraten. Im Jahre 1820 meldete sich zum erstenmale ein Jude zur Privat- Doction in der juristischen Fakultät, und dieser Fall gab Veranlassung, den Um⸗ fang der Zulässigkeit jüdischer Gelehrten für akademische Lehr- und Schulämter in nähere Erwägung zu ziehen. Das Resultat derselben wurbe von dem Königlichen Stäats-Ministerium des hochseligen Kö⸗ nigs Majestät vorgetragen, welche die im 8. 8 des Ediktes vom 11. März 1812 enthaltene Bestimmung in, der Allerhöchsten Ordre vom 18. August 1822 wieder aufhoben, weil sie, ohne große Mißverhält⸗ nisse zu veranlassen, nicht durchzuführen sei. Die dem Königlichen Staats ⸗Ministerium n, . Bekanntmachung dieser Abände⸗ rung erfolgte unter dem 4. Dezember 1822 (Gesetz⸗ Sammlung S. 221.
. Jahre 1845 haben die preußischen und schlesischen Stände die Wiederherstellung des 8. 8 des Edikts von 1812 beantragt, und die posenschen Provinzial-Stände haben sich diesem Antrage dadurch angeschlossen, daß sie die Einführung jenes Gesetzes in dortiger Pro— vinz, „jleboch nach Beseitigung aller späteren Zusätze“, erbaten.
Wenn nun der vorliegende Entwurf auf die in dem Edikt vom Jahre 1812 wegen Zulassung der Juden zu akademischen Lehr- und Schul⸗ Aemtern enthaltene Bestimmung zurückzugehen beabsichtigt, so konnte es nich räthlich erscheinen, ie Zulässigkeit in jenem allgemeinen und eben deshalb für einzelne Fälle einen sicheren Anhalt nicht bie⸗ tenden Ausdrucke zu wiederholen, sondern es ergab sich die Nothwen⸗
als eine Ausnahme -⸗Maßregel zu beseitigen, sobald die erzielten Er=
Zweite Beilage
so weit gehenden Verpflichtung auch überall Abstand zu nehmen. Da⸗
digkeit, auch zugleich den Umfang bestimmt anszusprechen, in welchem bie Anstellung südischer Gelehrten zulässig sein sollte. Bei Feststel— lung dieses Umfanges ist von folgenden Gesichtspunkten ausgegangen worden.
Wenngleich die in deutscher Nationalität begründete Eigenthüm⸗ lichkeit und das Christenthum auf die Gestaltung aller derjenigen Verhältnisse, auf denen unsere Gesammtbildung und die gesellschaft⸗ liche Ordnung beruhen, vorzugsweise e nl haben, so sind doch in den letzten Jahrhunderten zu den vorhandenen Bildungsmitteln neue hinzugekommen, bei deren Förderung und weiterem Anbau der Einfluß des christlichen Religions Bekenntnisses zurücktritt. Hierauf ist bei der Ermittelung, in welchen Fakultäten, für welche Fächer und für welche Stufen des Lehramts die Anstellung der Juden zulässig erscheine, vorzüglich Rücksicht zu nehmen. Die theologischen Falultä⸗ ten dürfen nur genannt werden, um sofort die Ueberzeugung hervor= zurufen, daß die in denselben bestehenden Lehrämter ohne Ausnahme nur Christen übertragen werden können. Das öffentliche und Pri⸗ vatrecht geht in dem Grade aus der gesammten Staats- und Fami⸗ lien Ordnung hervor und wirkt auf dieselbe erhaltend, fortentwickelnd und sichernd ein, daß christliche Lebens Auschauung in Beziehung auf Recht und Verfassung, so wie deren Fortbildung, stets ein entscheiden⸗ des und niemals auszuschließendes Moment bleiben wird. Muß schon diese Erwägung auf eine Ausschließung der Juden von den Lehr⸗ Aemtern der juristischen Fakultät führen, so stellt es sich auch als unvereinbar dar, den Juden den Eintritt in das Richteramt und in obrigkeitliche Aemter nicht zu gestatten und sie doch als Rechts- und Gesetzeslehrer auftreten . lassen und ihnen die Bildung derjenigen anzuvertrauen, welchen künftig das Richteramt und die Vollziehung der Gesetze übertragen werden soll. Ta die Medizin sich vorzugs⸗ weise mit den leiblichen Zuständen des Menschen und der Herstellung und Erhaltung seiner Gesundheit beschäftigt, die öffentliche Sitte auch schon längst jüdische Aerzte zugelassen hat, so kaun den Juden auch ber Vortrag der medizinischen Wissenschaften gestattet werden, wenn⸗ gleich sie für den Vortrag der Seelenheilkunde minder geeignet er⸗ scheinen. In der philosophischen Fakultät werden diejenigen Diszi⸗ plinen christlichen Lehrern vorzubehalten sein, deren Auffassung und Darstellung mehr oder weniger durch die religiöse Ansicht bestimmt wird, und welche insbesondere auf die ganze geistige Richtung derje⸗ nigen Zuhörer entscheidenden Einfluß äußert, die künftig als Richter oder Verwaltungs Beamte oder als Diener der Kirche und an christ⸗ lichen Schulen nicht blos als Lehrer, sondern auch als Erzieher im Geiste des Christenthums wirken sollen. Es ergiebt sich von selbst, daß hiernach nur die mathematischen und naturwissenschaftlichen Dis— ziplinen als solche übrig bleiben, welche auch von jüdischen Gelehrten vorgetragen werden können. Bei der Frage, für welche Stufen des Lehramts Juden angestellt werden können, kommt weniger die wissen⸗ schaftliche Thätigkeit der Dozenten, als die disziplinarische und obrig⸗ keitliche Einwirkung derselben auf die Studirenden in Betracht. Kön⸗ nen Juden überhaupt nicht in Aemter eintreten, mit welchen die Aus⸗ übung einer obrigkeitlichen Autorität verbunden ist, so sind sie auch nicht als akademische Obere zuzulassen und schon deshalb von dem
Nektorate und akademischen Senate auszuschließen, welche in Verbin⸗ dung mit dem Universitäterichter die Sittenpolizei und akademische Jurisdiction ausüben. Aber auch der Fakultät als Gesammtheit liegt Es ob, Rektor und Senat in der disziplinarischen Thätigkeit zu un⸗ terstützen; aus ihrer Mitte geht der Dekan hervor, welcher die Pro⸗ motionen vollzieht und dabei dem Promovendus den Eid nach christ⸗ lichem Formulare abnimmt; Fakultäts Mitglieder treten in verschiedene Prüfungs⸗-Kommissionen, welche bei Abhaltung der Examina von der christlichen Lebens-Anschauung und christlichen Denkungsart der Exa⸗ minirenden in vielen Fällen weder absehen können nech dürfen, über⸗ nehmen mithin Functionen, welche von Inden nicht ausgeübt werden können. Erscheint es aber hiernach nicht zulässig, Juden den Eintritt in die Fakultäten zu gestatten, weil dieser Eintritt die Wählbarkeit zu den bezeichneten Functionen, zum Dekan und zum Senats Mitgliede in sich schließt, so können sie überhaupt zu ordentlichen Professoren, welche als solche auch Mitglieder der Fakultäten sind, nicht ernannt werden, dan es nicht angemessen ist, sie zwar zu, ordentlichen Professo⸗ ren zu ernennen, dagegen an den statutenmäßigen Rechten derselben nicht theilnehmen zu lassen. Der Umfang der den Juden einzuräu— menden akademischen Lehrerthätigkeit wird daher auf die Privatdoc⸗ tion und die außerordentliche Professur für die mathematischen, na⸗ turwissenschaftlichen und medizinischen Lehrfächer zu beschräuken sein, insofern nicht an einzelnen Universitäten statutenmäßig die Ausübung des Lehramts an das Bekenntniß einer bestimmten christlichen Kon⸗ fession geknüpft ist und Juden daher in Folge einer solchen speziellen Bestimmung ausgeschlossen sind. So setzen z. B. die Statuten der Universität zu Königsberg §. 105 fest, daß, der ursprünglichen Stif⸗ tung gemäß, bei derselben nur Lehrer evangelischer RKonfession zuzu⸗ lassen und anzustellen sind. Bei den übrigen Unterrichts- Anstalten, Gymnasien, höheren Bürgerschulen, Elementarschulen u. s. w. ist das ganze Wirken der Lehrer pädagogischer Natur, so daß der Unterricht niemals ausschließlich sich geltend macht, sondern stets in Verbindung mit der Erziehung den ganzen Menschen erfaßt, jedes Lehramt an diesen Schulanstalten daher auch an der Ausübung der Disziplin An⸗ theil hat. Das erziehende Element kann aber in allen diesen Schu⸗ len nur auf christlicher Grundlage beruhen und die religiöse Seite derselben mit den erforderlichen gottesdienstlichen Anordnungen nur dem Geiste der christlichen Kirche entsprechen, so daß alle diese Schu⸗ len, abgesehen von einer stiftungsmäßigen Feststellung ihres konfessio⸗ nellen Charakters, nur als christliche Schulanstalten betrachtet und be⸗ zeichnet werden körnen, welche als solche die Anstellung jüdischer Leh⸗ rer unbedingt ausschließen. Es hat daher auch die Anstellung der Juden als Lehrer, außer der ihnen eingeräumten Theilnahme an ei— nigen akademischen Lehrämtern, auf jüdische Unterrichts-Anstalten be⸗ schränkt werden müssen. ;
Zu §. 36. Die in diesem Paragraphen aufgeführten Beschrän— kungen beruhen theils in den ständischen Gesetzen, theils sind sie in der Allerhöchsten Ordre vom 390. August 1816 gegründet. Die Beilage J. A. enthält darüber das Nähere. Die Bestimmungen folgen theils aus der Ratur der christlichen Kirchengemeinschaft und der den christ- lichen Kirchengemeinden im Staate gebihrenden Stellung, theils aus dem Grundsatze, daß den Juden die Ausübung obrigkeitlicher Rechte nicht eingeräumt werden kann. Eben deshalb müssen auch die aus dem gutsherrlichen Aufsichtsrechte über das Kommunalvermögen her⸗ geleiteten Befugnisse, welche die S8. 33 u. fgg. Tit. 7 Thl. II. A. T. R. einräumen, während des Besitzes eines Rittergutes seitens ei⸗ nes Juden ruhen.
Zu §. 37. Die in einigen Landestheilen in Bezug auf den Ge⸗ werbebetrieb der Juden im uh n ehen noch vorhandenen Beschrän⸗ kungen, worüber die Gewerbe⸗Ordnung §. 14 weitere Bestimmung vorbehalten hat, sollen, mit ae n. der in der Provinz Posen hinsichtlich der nicht naturalisirten Juden beibehaltenen (8, 51 d. des Entw.) aufgehoben werden. Solche sind an sich von keinem erheb⸗ lichen Umfange. (S. B. J. A.)
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Der Hang zum Hausiren ist von jeher als ein wesentli. hes Hin⸗ derniß für die Hebung der jüdischen Bevölkerung betrachtet worden. In ben deutschen Bundesstaaten bestehen daher die mannigfachsten Vorschriften, um dieser Neigung der Juden entgegenzuwirlen und sie zu stehenden Gewerben überzuführen. (S. B. J. E.) Die statisti⸗ schen Ermittlungen ergeben (S. B. J. B)), daß die Zahl der Juden, welche den Handel im Umherziehen betreiben, noch jetzt verhäͤltniß⸗ mäßig sehr überwiegend ist. Auch von den Provinzial⸗Ständen ist früher jener Hang der Juden als ein Hemmniß ihrer Verbesserung hervorgehoben, wobei verschiedenartige Vorschläge gemacht wurden, bemselben wirksam entgegenzutreten. Die Landes Justizbehörden ha⸗ ben bei Gelegenheit der im Jahre 1840 erfolgten Ermitte lung des Verhältnisses der Angeschuldigten jüdischen Glaubens zu der übrigen Bevölkerung, welches ein erhebliches Uebergewicht auf Seiten der Juden ergab (S. auch hierüber Beil. J. B.), unter den Gründen dieser Erscheinung mehrseitig neben der ungenügenden Schulbildung und der mangelhaften religiösen Erziehung auch die vorherrschende Neigung zu den gedachten Erwerbsquellen angeführt. Mehrere Re⸗ gierungen haben sich in ähnlicher Weise geäußert. Wenngleich in dem überwiegenden Hange der Juden zum Handel im Umherziehen ein erheblicher Uebelstand zu erkennen und die Ueberleitung zu stehen⸗ den Gewerben, zum Handwerk und zum Landbau für die Hebung namentlich der unteren Klassen von Wichtigkeit ist, so muß doch An— stand genommen werden, neben den bestehenden gesetzlichen Vorschrif⸗ ten, wodurch bereits vorgesehen ist, daß das Gewerbe im Umherzie⸗ hen nur von Personen in reiferen Jahren bei vorwurfsfreier Füh⸗ rung betrieben werden darf, den Juden besondere Beschränkungen aufzulegen, mit Ausnahme jedoch der Provinz Posen, wo zu solchen ein fortdauerndes Bedürfniß vorliegt.
Durch die den Juden jetzt verliehene Organisation ist die Ver⸗ besserung des Kultus und Religions- Unierrichts erleichtert, und ver⸗ möge der nach §. 34 den Vorstehern der Judenschaften obliegenden Ueberwachung bei der Vorbildung jüdischer Knaben kann eine gün— stige Einwirkung, wie sie in der Provinz Posen stattgefunden, überall erwartet werden. Es scheint hiernach denn auch nicht bedenk ich, die in Betreff des Gewerbebetriebes im Umherziehen nur noch in einzel nen Landestheilen bestehenden Beschränkungen aufzuheben.
Die Gewerbe-Ordnung hat, so weit bisher die Zulassung zu den in den 8§. 51 — 55 bezeichneten stehenden Gewerben die Gemeinschaft mit einer der christlichen Kirchen erforderlich war, es vorläusig dabei belassen. Diese Gewerbe werden den Juden fortan freigegeben, so weit sie davon noch ausgeschlossen gewesen sind. Nur ist auch hier die im §. 35 aufgestellte Norm festgehalten, sofern mit dem Be⸗ triebe des betreffenden Gewerbes ein Staats- oder Kommunal-Amt verbunden ist.
Den Juden wird hiernach namentlich das Apotheker- Gewerbe offen stehen. Ihre bisherige Ausschließung beruhte wesentlich auf der ihnen als Zeugen in erheblichen Kriminal-Untersuchungen mangelnden Glaubwürdigkeit, während in manchen Gattungen von Verbrechen die Untersuchungen der Apotheker von entscheidender Wichtigkeit sind.
Dies Hinderniß fällt nach 5. 39 jetzt hinweg. Schwierigkeiten, bei Ausübung des Apotheker⸗Gewerbes durch die Ceremonial⸗ Vorschriften der Juden sind dadurch zu beseitigen, daß auf eine Stellvertretung
gehalten werden kann. . 3 Außerdem verdient das Schankgewerbe besonderer Erwähnung.
Es ist mehrfach zur Sprache gebracht worden, daß der Betrieb der Schankwirthschaft besonders auf dem platten Lande sich als schädlich erwiesen habe. Ir.
Allerdings ist der Zudrang, der Juden zum Schankgewerbe in manchen Provinzen, namentlich in Schlesien, Preußen, Posen und Pommern, erheblich, dagegen findet sich dies in anderen Provinzen nicht. (S. Beil. J. B.) Mehrere Regierungen halten den Schank⸗ betrieb der Juden auf dem Lande wegen Verleitung zum Trunk, ausgedehnten Kreditirens, Uebervortheilung der Schuldner bei Annahme von Landesprodukten oder wegen Beherbergung lie derlichen Gesindels für nachtheilig. Die Provinzial Stände haben früher mehrseitig diese Ansicht getheilt. (S. Beil. J. D.) Nach der über den Gegenstand im Königlichen Staats-Ministerium veranlaßten Be⸗ rathung ist jedoch in Berücksichtigung, daß die Vorschriften der Ver⸗ ordnungen vom 7. Februar 1835 und 21. Juni 1841 den Verwal⸗ tungs-Behörden genügende Mittel gewähren, alle nicht zuverlässige Personen von diesem Gewerbe auszuschließen, für hinreichend erach—⸗ tet, die Provinzial⸗-Behörden, in deren Bezirk sich eine nachtheilige Einwirkung auf die Bevölkerung seitens jüdischer Schänker gezeigt, auf ein möglichst strenges Verfahren bei Ertheilung derartiger Kon⸗ zessionen hinzuweisen. Bei diesen allgemeinen gesetzlichen Vorschrif⸗ fen über bas Schankgewerbe ist die Aufhebung der diesfälligen, in manchen Landestheilen für die Juden noch bestehenden speziellen Be⸗ schränkungen unbedenklich. Im Großherzogthum Posen müssen solche jedoch, in Uebereinstimmung mit den Anträgen der Stände und der Regierungen dieser Provinz, beibehalten werden, 5
Zu F. 38. Die Führung fest bestinimter Familiennamen ist den
inländischen Juden durch den 8. 2 des Editts vom 11. Mãrʒ 1812 für die alten Provinzen, durch die Allerhöchste Ordre vom 22. De⸗ zember 1833 für das Großherzogthum Posen, durch das, Dekret vom 20. Juli 1808 für die ehemals französischen und westfälischen Lan⸗ destheile, endlich durch die Allerhöchste Ordre vom 31, Oktober 1815 (G. S. S. 682) für alle übrigen vorgeschrieben. Räthlich erscheint es, im Gesetz auszudrücken, daß es auch in Zukunft hierbei verblei⸗ ben soll, damit kein Zweifel über die Anwendung der dies fälligen Vor⸗ schriften auch auf die erst künftig sich in den Königlichen Staaten niederlassenden Juden entstehen kann. . ö.
Der Vorschrift wegen Führung der Handelsbücher in landiibli cher Sprache und Schriftzeichen liegt die Bestimmung des 8§. 2 des Evikts vom 11. März 18123 zum Grunde, Die angedrohte Strafe der Ungültigkeit erscheint als das einfachste und wirksamste Mittel, die Juden auf den Gebrauch der in dem betreffenden Landestheile üblichen Sprachen hinzuleiten. Bei Abfassung, von Verträgen und rechtlichen Willens Erklärungen, wie bei sonstigen schriftlichen Ver⸗ handlungen, ist nur der Gebrauch der deutschen oder einer anderen lebenden Sprache und deutscher oder lateinischer Schriftzüge gestattet. Da hier derjenige, welcher den Beweis aus dergleichen Urkunden zu erbringen hat, in der i nicht der verpflichtete Aussteller ist. so muß anstatt der angedrohten Nichtigkeit hier eine Geld- oder Frei⸗ heits⸗Strafe treten. Die Strase des 8. 6 des Edikts von 1812, wonach die, welche gegen jene Vorschrift fehlen, als frenide Juden behandelt und demgemäß aus dem Lande, geschafft werden sollen (8. 35), steht theils außer allem Verhältniß mit der , theils ist sie insosern ungusführbar, als fremde Staaten zur Auf⸗ nahme solcher Juden nicht gezwungen werden können.
ten für die Civilprozesse und ien, verschiedene Vorschristen. (S. Beil. J. X Daß den Zeugnissen der 56 in Civilprozessen
i allen Landestheilen, wo zur Zeit hierin Beschränkungen noch be⸗ stehen, in lie herrinstinmung mit dem Edikt vom Jahre i? und der
Verorbnung vom 1. Juni 1833, eine gleiche Glaubwürdiagkei 1. Zeugnissen der Christen bei ö. wird, ist eine 6a . . gemeinen Di, w. 93 1 4 selllnd 1 2. en Unterthanen (§. 1), vergl. 5. es Anhangs zur em. Gerichts⸗ U 265 zie 16 hi. . an ne,.
Der Mangel an voller Gleichwürdigkeit jüdischer Zeugnisse in Kriminalsachen ist in den Landestheilen, wo gemeines Recht zur An⸗ wendung kommt, auf dessen Vorschriften gegründet; in den Provin- zen, wo das Edikt vom Jahre 1812 gilt, und im Großherzogthum Posen beruht jene Ausnahme auf den Bestimmungen, der digen, Herichts Ordnung 8§. 351 fgg. a. a. O. und der Kriminal⸗Ordnung §8. 335 und 3575, wonach Juden nicht gezwungen werden können, in Untersuchungen einen Zeugeneid abzulegen, wenn die Strafe eine Geldbuße bis 50 Rthlr. oder Gefängnißstrafe bis 6 Wochen über= steigt und die volle Beweiskraft auch ihren in solchen Fällen frei= willig abgelegten eidlichen Zeugnissen entzogen bleibt.
Auch den der Rebaction dieser gesetzlichen Vorschriften vorange⸗ gangenen Verhandlungen (s. von Kamptz's Jahrbücher für die preu⸗ ßische Gesetzgebung Bd. 58 S. 401 ff ergiebt sich, daß jenen Be⸗ schränkungen wesentlich die gutachtlichen Aceußerungen Moses Men⸗ delssohn's zum Grunde liegen. Derselbe bemerkte auf die ihm vor⸗ gelegten Fragen in Betreff der Eidesleistungen der Juden,
daß Zeugen durch den Eid in Kriminalsachen allerdings zu binden
seien, in vweit nicht die Lebensstrase oder eine unausstehliche Lei-
besstrafe daraus entstehe. ö Unter der hiernach angenommenen Voraussetzung, daß den Juden nach ihren Glaubensgrundsätzen die Ablegung eines eidlichen Zeugnisses in Kriminalsachen nicht erlaubt sei, wurden die gedachten gesetzlichen Be⸗ stimmungen getroffen, und erschien es auch nicht zulässig, den Juden selbst bei freiwillig abgelegten eidlichen Zeugnissen volle Glaubwürdigkeit beizulegen, weil, wie man annahm, diese Eidesleistung mit Verletzung einer Religions-Vorschrift verbunden war. Die Richtigkeit jener Vor- aussetzung ist in neuerer Zeit von den Juden bestritten. Zwei Mit⸗ glieder der jüdischen Gemeinde in Berlin, welchen eine genaue Kennt⸗ niß der jüdischen Religions⸗Vorschriften zugetraut werden darf, haben sich dahin erklärt, , ö
daß nach jüdischen Satzungen die eidliche Bekräftigung eines Zeug⸗
nisses nur deshalb nicht für erforderlich erachtet werde weil den
Zeugen-Aussagen der Juden auch ohne eidliche Bestärkung voller
Glauben beigemessen worden, daß es jedoch nicht als den Juden
verboten anzusehen sei, auf Erfordern des Richters ein eidliches
Zeugniß abzugeben.
TDiese Ansicht haben neuerlich mehrere, jüdische Gelehrte ausge⸗ sprochen, namentlich hat der Ober- Rabbiner Frankel zu Dresden solche in dem im Jahre 1816 erschienenen Werke: „der gerichtliche Beweis nach mosaisch-talmudischem Rechte“ ausgeführt.
Geht man auf die Ausführung in dem Gutachten Mendels⸗ sohn's vom 4. Juni 1782 Gamptzs Jahrb. a. a. O. S. 411) zurück, so ergiebt sich, daß solches insoweit mit der vorstehend ge⸗ dachten Ansicht übereinstimmt, als auch er darin wörtlich bemerkt:
den Zeugen wird kein Eid aufgelegt, denn das Gesetz, sprechen
die Rabbiner, ist hierüber deutlich und, bestimmt genug, und also jeder durch das Gesetz Mosis hinlänglich beeidigt- vor Gericht die
Wahrheit auszusagen.
Dagegen fehlt eine Begründung aus der jüdischen Lehre dafür, daß die eidliche Bekräftigung eines in Kriminal⸗Sachen abgegeben Zeug⸗ nisses den Juden verboten und unerlaubt sei, worauf die weitere Folge zu gründen wäre, daß einem solchen eidlichen Zengnisse wegen der damit verbundenen Uebertretung bestimmter n ge gn die volle Glaubwürdigkeit entzogen bleiben müsse. Wird durch diesen Mangel genügender Begründung das Gewicht der Mendelssohnschen Aeußerung über die Unzulässigkeit eidlicher Zeugnisse der Juden in Kriminal? Sachen erheblich geschwächt, so berechtigt die in der Fran⸗ kelschen Schrift enthaltene, auf den Gegenstand in umfassender Weise eingehende Erörterung um so mehr, dazu, die mehrseitig von jüdi⸗ schen Gelehrten und anderen der jüdischen Religionslehre kundigen Männern ausgesprochene Ueberzeugung, .
daß den Juden nach ihren Religionsbegriffen gestattet ist, auch in
Kriminal-Sachen auf Erfordern des Richters ein eidliches Zeug⸗
niß abzulegen, als begründet anzusehen. .
Eiwägt man, daß im Bereich des Qber-Appellations-Gerichts zu Köln, woselbst in Gemäßheit der dort bestehenden Gesetzgebung die Vereidigung jüdischer Zeugen erfo gt, ohne daß in der jüdischen Be—⸗ völkerung wegen entgegenstehender Vorschriften ihrer Religion Be⸗ schwerden erhoben sind, so rechtfertigt sich die hinsichtlich der Ver⸗ HFflichtung der Juden zur Ablegung cidlicher Zengnisse und der dieser beizulegenden Glaubwürdigkeit im Entwurfe allgemein, mithin auch in Kriminal-Sachen erfolgte Gleichstellung mit den christlichen Un⸗ terthanen.
36 den Vorschriften über die bei Ableistung jüdischer Zeu— geneide zu beobachtenden Förmlichkeiten wird hierdurch nichts ge⸗ ändert.
Zu §. 140. Das Edikt vom 11. März 1812 im 8. 25 und die Verordnung vom 1. Juni 1833 im §. 15 setzen bei den Ehen der Juden die Zusammenkunft unter dem Trauhimmel und das feierliche Anstecken der Ringe an die Stelle der christlichen Trauungs-Hand⸗ lung und die Bekanntmachung in der Synagoge an die Stelle des kirchlichen Aufgebots.
Bei diesen Vorschristen, welche zufolge Allerhöchster Ordre vom 29. März 1836 auch in Neu⸗Vorpommern und im ostrheinischen Theile des Regierungs-Bezirkes Koblenz zur Anwendung gebracht sind, wird es überall, wo sie bereits bestehen, zu belassen und deren Anwendung auch da unbedenklich sein, wo nicht, wie in, der Rhein⸗ Provinz, eine besondere Gesetzgebung anderweite Förmlichkeiten und bestimmte abweichende Anordnungen enthält. Jene Vorschriften be⸗ ruhen auf den Grundsätzen jüdischer Lehre und CeremonialVerfas⸗ sung. Da hiernach jeder Jude eine Trauung vornehmen kann, so bedarf es indessen zugleich einer Sicherstellung, daß die einer Ehe entgegenstehenden gesetzlichen Hindernisse beachtet und von den i Trauung vollziehenden Juden eben so geprüft a wie 21 . christlichen Pfarrern im S. M0 Tit 11. Th, II. Allgemeinen Land-
Zu §. 39. Ueber die Glaubwürdigkeit jüdischer Zeugnisse gel⸗
. . . 2. 2. 2 2. ꝰ J. da elbst Rechts unter Verweisung auf die Abschnitte. und 2 Zit e ig zur Pflicht gemacht ist. Die zu diesem 3e in 4 ni⸗ wurf aufgenommene Bestimmung beruht auf 8* an das n Stants-Pöinisterium ergangenen Allerhchsten Ordre vom „. 6 IS36, worin in dieser Beziehung verordnet ist, daß die im 8. 440 Tit. 11 Th. II. des Allgemeinen Land-Rechts vorgeschriebene Ver- pflichtung der Pfarrer in Gemäßheit des 8. 29 a. a. O. auf den bie Trauung vollziehenden Juden übergeht. ᷣ
In der Cirkular-Verfligung der Minister ber 8 ö. legenheiten, des Innern und der Justiz vom 12. Januar ist hierauf den Regierungen und den Landes Justiz⸗ Behörden rröffnet, wie die Nichtbeachtung jener ge etlichen Vorschriften gegen die eine Trauung ihrer Glaubensgenossen vollziehenden ¶ Juden denselben
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