ben; außerdem glaube ich, daß sie eine große Abneigung gegen jede schwere Hand- und Feldarbeit haben nin ff denn es heißt im Tal⸗ mud: Es ist keine schlechtere Handthierung als der Feldbau. — Wer 100 Rthlr. zum Handel anlegt, kann täglich Fleisch essen und Wein trinken; wer aber dasselbe Geld auf die Erde verwendet, muß sich mit Salz und Kraut begnügen. .
Db die wenigen Juden, welche die letzten Kriege, mitgemacht, sich tapfer gehalten, oder ob sie sich im Kugelregen an ihren Neben⸗ mann gelehnt haben, das weiß ich nicht, und darüber mögen diejeni⸗ gen urtheilen, die in der Schlacht neben ihnen standen. Das aber weiß ich, daß die Juden im gewöhnlichen Leben, wenn ihnen person= licht Gefahr droht, eher davonlaufen, als sich vertheidigen,
Ich glaube nicht, daß mich die Herren Juden noch jetzt beson⸗ ders fetiren und mit 150 Dank-Adressen beglücken werden, jedoch ver- zichte ich sehr gern darauf, auf ein mir vielleicht zugedachtes Diner; denn wenn ich an die Summen dente, unn, die die Meinigen und meine nächsten Bekannte durch jüdische Fallissemente gekommen sind, so möchte mir der Appetit, vergebens nur das muß ich doch noch bemer= ken, daß die Juden, die so hübsch verstanden, Bankerott zu machen, das Sprüchwort, was gestern. mehreremale für sie gebraucht ist, näm⸗ lich: „aum quique, nicht besonders lieb gehabt haben müssen. Nichts⸗ destoweniger habe ich den uns vorgelegten Gesetz Entwurf mit Freu⸗ den begrüßt und bitte die hohe Versammlung, solchen mit den etwa nöthigen Abänderungen anzunehmen, da wir doch gewiß der Weisheit Sr. Majestät unseres Allergnädigsten Königs, so wie den hohen Räthen der Krone, zutrauen können, daß sie am besten wissen wer⸗ den, was den Juden nützt.
(Ruf nach Abstimmung.)
Marschall: Meine Herren! Es giebt nichts abzustimmen in diesem Augenblicke, es ist eine allgemeine Besprechung über das Gesetz.
Heiterkeit.)
Abgeordn. Altenhoven: Meine Herren! Wir haben so oft sagen hoͤren, daß Preußen ein christlicher Staat sei und bleiben müsse. Dles hat mich veranlaßt, die Tribüne zu besteigen, um Ihnen auch meine Ansicht darliber auszusprechen, weil ich es für zweckmäßig er⸗ achte, daß von recht vielen Seiten der Staats Verwaltung dargethan werde, daß sie in dieser Auffassungsweise vom Staate nicht im Ein⸗ klange stehe mit dem Zeitgeiste und mit den, nach meiner Ansicht, gerechten Anforderungen an den Staat,. Durch das starre Festhalten dieses Prinzips gehen uns viele, zum Glücke des Staats zweckmäßig zu verwendende Kräfte verloren, und wir sehen, daß die Staats⸗ Verwaltung zur Durchführung dieses Prinzips viele Kräfte nutzlos verwendet, welche, nach meiner Ansicht, zweckmäßiger in Anwendung fommen könnten. Dabei ist nicht abzusehen, zu welchen Konsequenzen dieses Prinzip uns führen wird. Wir sehen die Staats ⸗Verwaltung zu Gericht sitzen und den Maßstab anlegen an unseren Glauben, ob er mit dem christlichen Prinzip übereinstinimt. Wie gefahrdrohend ein solcher Zustand ist, namentlich bei dem lebhaften Ausschwunge, den in der letzten Zeit das religiöse, das konfessionelle Element in unserem Staate genommen, halte ich für überflüssig, Ihnen auseinanderzu—⸗ setzen. Wir sehen es an den Konflikten, worin die Staats-Verwal⸗ lung mit den verschiedenen Religions-Gesellschaften getreten ist, und aus welchen zuletzt das Toleranz-Edikt hervorgegangen. Toleranz⸗ Gesetze werden aber, nach meiner Ansicht, die Intoleranz zur Regel und die Toleranz zur. Ausnahme haben. Ferner soll unsere Gesetzgebung vom christlichen Elemente durchweht sein. Hier wird die von dem Staatsmanne schwer zu lösende und nach meiner Ansicht ihm nicht vorliegende Frage zu beantworten sein, worin dieses christliche Element bei der Gesetzgebung bestehen soll. Meine Herren! Die Gesetzgebung sorge nun, daß das Gesetz den Anfor⸗ derungen der Gerechtigkeit und den Bedürfnissen der Zeit entspreche, vor Allem, daß Jeder vor dem Gesetz gleich sei.
Um mich zu dem Gesetzentwurfe hinzuwenden, will ich meine
Ansicht mit wenigen Worten darüber aussprechen. Es ist die ewig wiederkehrende Behauptung der Gegner der Emancipation der Juden, daß die Juden erst besser werden, erst sich ihrer würdig zeigen müß⸗ ten, ehe sie in den Staatsverband aufgenommen werden könnten, während man gerade durch die Staatsgesetze die Juden unterdrückt und gewissermaßen aaf ihre moralische Erniedrigung hinwirkt. Möge daher der erste Vereinigte Landtag einen Beweis der christlichen Liebe gegen seine jüdischen Mitbürger an den Tag legen, möge er ihnen Muth geben, daß auch ihre Talente nicht nutzlos vermodern werden, und daß sie Theil nehmen dürfen an allem Edlen und Guten. Um bieses Prinzip zu verwirklichen, scheint es mir zweckmäßig, daß wir bem vorliegenden Gesetz-Entwurf unsere Zustimmung versagen, und daß wir den Paragraphen in der Art, wie er von dem Abgeordneten von Krefeld ainendirt ist, einzig und allein annehmen.
Abgeordn. Greger: Gestern und heute sind so vielfach die Vorzüge der Juden hervorgehoben worden; aber ich glaube, man schätzt ihre Vorzüge zu hoch. Sie sollen besondere Talente besitzen, besonderes Genie haben; das findet man auch bei uns, und sie wer⸗ ken uns im Talente und Genie nicht besiegen. Man muß die Sache aicht zu hoch anschlagen, denn sie sind nicht so aufrichtig gegen uns, als wir gegen sie. Das sindet man im Handel und Wandel; man ird stets von den Juden hintergangen, von den Christen selten. Man fagt, sie seien unterdrückt. Das ist nicht wahr. Sie können * frei bewegen, ihr Leben, ihre Ehre und ihr Vermögen ist geschützt, sie trees Grundstücke kaufen, Handel und Wandel treiben, nur daß sie nien die höchsten Stellen bekleiden dürfen; dazu sind sie nicht weit warne vorgeschritten, und das würde dazu führen, daß wir unterdrückt uta, Hir würden die Juden und die Juben würden die Christen .
r Sehr große Heiterkeit in der Versammlung.)
, minen schon jetzt über uns, sie haben den Geldmarkt in Händen, lie sm nicht unterdrückt, und durch wen anders sind sie wohlhabenkt gerne, als durch die Christen? Man sagt, sie lieb⸗ ten bas Baterlund ie ehr, J nun.. mugemeine Heiterkeit.)
e halten bac Mertt seä. mi bene ibi patria.“ Sie werden nicht e an Las Vaterlant waltez, wie wir. Im Jahre 1513 kamen Preu⸗ hen aus bem Auslande zurück und nahmen Theil an dem Kriege, um Preußen zu retten. Das bat kein Jude ethan und wird es auch nich: , Dann sagt mar, sie wären He g ee! Ja, Haurt⸗CHenieg arg, das Geld an sich zu bringen und in ihre Tasche ju sche gen. Man age ferner, sie scien mitleidig; ja, ie werfen mit dem Silbergroschen üch sam Thaler.
Gas ch ter.)
Tae erlangen sie auch; sie 2 alle Mittel, an Geld zu erlangen, die ber Christ verabscheut. anahmzweist magen gute, brave Männer unter den Juben leben, aber die Zahl ist noch zu klein im Lerhältaiß zu den Christen. Wenn sondirt werden könnte, die besten Manner unter ihnen herauszuziehen, um diese zu emanzi⸗ piren, so wäre ich vafür; aber das ganze Volk zu emanzipiren, da⸗ fi bin ich nicht. Man warte ab, bis sie reif dazu sind. Wir wür⸗
en schlecht berathen sein, wenn em Judenthume eingeräumt würde, Unsere Nachkommen würden uns
.
7 Staats⸗Aemter zu bekleit en. nicht dafür danken, sondern 17 641 ich muß gestehen, wir ge⸗ ist zu
och veranschlagt. Jede Sache
1174
noch die guten, man muß noch abwarten. Das Gesetz ist gut ent⸗ worfen; wir befinden uns wohl und die Juden auch unter unserer Regierung, unser Zustand ist ein blühender. Ich muß daher bitten, ö. Sie mich in meinem Antrage unterstützen. Das ist nur das, was ich nicht unterlassen konnte, zu sagen.
(Einige Stimmen: Bravo!)
Abgeordn. von Meding: Ich habe vom Herrn Marschall ver⸗ nommen, daß es nicht zur Abstimmung kommen soll, sondern daß es sich nur um eine vorläunsige Besprechung handelt. Unter dieser Vor⸗ aussetzung verzichte ich auf das Wort ünd wünsche, daß die Bespre— chung abgebrochen werde, indem ich glaube, daß Alles, was zu einer solchen , ist, vollständig erschöpft ist.
Marfchall. Ich bemerke, daß sich noch 18 Redner um das Wort gemeldet haben.
(Große Aufregung und lebhaftes Verlangen nach dem Schlusse der Debatte.)
Insofern aber die hohe Versammlung den Wunsch haben sollte, nunmehr zu den einzelnen Paragraphen des Gesetzes überzugehen, so bin ich damit gern einverstanden. Ich bin aber so eben erinnert wor⸗ den, daß der Herr Referent vor dem Schlusse der Debatte noch das Wort haben möchte, und ersuche ihn daher, eine allgemeine Uebersicht der Debatte zu geben, worauf zur Berathung über die einzelnen Pa— ragraphen übergegangen werden könnte,
Wenn die hoͤhe Versammlung dieser Meinung ist, bitte ich, es durch Aufstehen zu erkennen zu geben.
(Die große Majorität der Versammlung erhebt sich.)
Es will üoch der Herr Abgeordnete von Zakrzewski in einer per— sönlichen Angelegenheit das Wort nehmen.
Abgeordn. von Zakrzewski: Meine Herren! Der verehrte Abgeordnete der sächsischen Ritterschaft äußerte, der Sorglosigkeit des polnischen Charakters in Bezug auf die zeitlichen Güter sei zuzuschrei⸗ ben, daß die Juden so zahlreich in dem Großherzogthum Posen seien, weswegen sie auch von der Freizügigkeit keinen Gebrauch machen wür⸗ den. Ich muß den geehrten Redner auf die Geschichte hinweisen. Der Grund, warum die Juden sich in Polen so zahlreich angesiedelt haben, liegt in der polnischen Gesetzgebung, welche sich durch eine lo⸗ benswerthe Toleranz ausgezeichnet hat. Die gemachte Aeußerung des geehrten Redners läßt, mich zweifeln, daß defelbe der geschichtlichen Entwickelung des polnischen Volkes gefolgt ist, aus welcher klar her⸗ vorgeht, daß die Polen den Fremden immer Zuflucht gewährt und allerdings die moralischen Güter höher gestellt und geschätzt haben, als die zeitlichen.
Referent Sperling: Ich gehöre zu denjenigen, welche für Zu⸗ erkennung der Rechte der Staatsbürger an die Juden im weitesten Sinne slimmen. Doch fürchten Sie nicht, daß ich Ihnen alle die Gründe, die mich zu dieser Ansicht gebracht haben, darlegen werde. Ich müßte fürchten, zum großen Theile dasjenige zu wiederholen, was wir gestern und heute gehört haben, und das würde ich mir selbst nicht verzeihen. Ich halte aber in der Stellung, die ich hier ein— nehme, mich verpflichtet, auf einige Aeußerungen zurückzukommen, die gestern und heute gemacht worden sind, um wo möglich Mißverständ⸗ nisse zu vermeiden. Ich erkläre im voraus, daß ich persönliche Her— zensergießungen, welche wir hier gehört haben, übergehe, weil ich diese nicht zur Sache gehörig betrachte, unsere Stellung in einer an⸗ deren Weise auffasse, und nament:ich es für nothwendig erachte, daß wir bei der Berathung über einen so wichtigen Gegenstand gleichsam aus uns heraustreten und das bei Seite laffen, was wir personlich
für oder gegen die Juden fühlen. Ich komme zuerst auf eine Bemerkung zurück, welche von einem Abgedrdneten, der mir gestern zur Seite saß, gemacht ist und den Immediat-Bericht des Königl. Instiz Ministeriums vom Jahre 1841 Ind die demselben beigefügte Zahlenliste der Verbrecher betrifft, Es ist diese Liste insofern von Erheblichkeit, als darauf die Ansicht ge⸗ stützt wird, daß die Zahl der Verbrecher im Verhältnisse der Be võöl⸗ kerung unter den Juden bedeutend großer sei, als unter den Christen, und daraus wieder der Schluß gezogen wird, daß die Juden in sitt⸗= licher Beziehung auf einer niederen Stufe als die Christen sich befän⸗ den. Ich bitte Sie, hochverehrte Herren, auf diese Verbrecher⸗ Liste kein Gewicht zu ligen. Denn, abgesehen davon, daß die Mo⸗ ralität sich nicht nach Zahlen abzählen läßt, daß oft ein Verbrechen auf der Waage der Moralität viel schwerer wiegt, ale hundert an⸗ dere, mache ich Sie darauf aufmerksam, daß einzelne Arten von Ver⸗ brechen in diese Liste gar nicht aufgenommen sind, wie z. B. die Holz-Diebstähle und Holz-Defraudationen. Es könnte diese Aus⸗ lassung gering erscheinen; aber die Zahl dieser Vergehen ist sehr be⸗ deutend, und sind diese nicht unwichtiger als die Steuer- Defrauda⸗ tionen, welche in jener Liste mitgezählt sind. Es gereicht diese Ueber⸗ ehung der Holz-Diebstähle den Juden insofern zum Nachtheile, als . meistens von der ländlichen Bevölkerung verübt werden, welcher die Juden nicht angehören. Es ist ferner darauf, Bedacht zu neh— men, daß nach den Berichten der Ober - Landesgerichte zu Insterburg und Königsberg bei Anfertigung jener Liste auf die nationale Her— kunft der Angeklagten nicht Rücksicht genommen ist, daß aber der größte Theil der dort angeklagten Juden fremde Juden gewesen,. Es giebt die Verbrecher-Liste, wie wir sie der Denkschrift beigefügt finden, durchaus keine Andeutung, um danach den sittlichen Stand⸗ punkt der Juden zu beurtheilen. Ob in einzelnen Gegenden wirklich solche Erscheinungen hervortreten, daß wan auf eine geringe Sitt⸗ lichkeit der dortigen Juden schließen könnte, lasse ich dahingestellt. Dann haben solche aber gewiß auck * desonderen Verhältnissen ihren Grund, namentlich darin, daß Jaden in größerer Zahl gerade der⸗ artige Geschäfte betreiben, welse zu Uebertretungen des Gesetzes verleiten, und es entstände die Frage, auf welcher Seite, wenn man Christen, die dasselbe Geschäft treiben, mit ihnen in Verhältniß bringen wollte, die Zahl der Vergehen größer wäre. Ständen sie aber wirklich auf einer geringeren Stufe der Sittlichkeit, wen träfe die Schuld anders, als uns und den bisherigen Stand der Verfassung, die letztere nämlich insofern, als bisher für die Bildung der jüdischen Jugend nicht genügend gesorgt ist. Man verlangt, daß die Juden ihre Re⸗ liglon behalten und deren Wahrheiten in sich aufnehmen; aber man bekümmert sich nicht darum, ob sie Religionslehrer haben, und am wenigsten ist davon bisher die Rede gewesen, welche Ausbildung die Religionslehrer besitzen. Diesem Bedurfnisse soll erst jetzt durch das vorliegende Gesetz abgeholfen werden, und ich bin überzeugt, daß in dieser Beziehung Letzteres die wohlthätigsten Folgen äußern würde. Wir sind im Laufe der Debatte so häufig auf die Religion der Juden , worden. Man ist aber in der That übel daran, lber etwas zu fprechen, was man nicht kennt. Ich glaube, daß allen denjenigen Herren, welche aus der Religion der Juden Folgerungen machten, zunächst ker Beweis obgelegen hatte, daß auch ihre an f gegründet seien. Hiervon abgesehen, stehen mir einige Momente zur Seite, die gegen die angeführten Folgerungen sprechen. Ich beziehe mich auf die zahlreichen Beispiele sehr ehre nhafter Juden, ich mache darauf aufmerksam, daß der Staat die religiösen Gesinnungen seiner Unterthanen zu erforschen und erkennen nicht im Stande ist, sich mit der äußeren Bekenntniß⸗Formel derselben begnügen muß, und daß es viele Angestellte im Staate giebt, die früher Juden gewesen sind. welche die christ liche Bekenntniß Formel abgelegt haben, ohne daß man die Ueber 1
3 u weit, ihre gute Seite
at ihre gute und böse Seite. Hier Überwiegen die bösen Seiten
, , , , ,. liche Religions⸗Anschauung wirklich in aufgenommen haben. Dennoch haben sie . in allen ihren amtlichen Stel⸗
lungen zum Staate, bewährt, und daraus läßt sich folgern, daß in ihrer Mutter-Religion nichts Gefährliches für den Staat enthalten sein könne. Es ist auf einen Grundsatz ihrer Religion, auf den Spruch hingewiesen worden: Zahn um Zahn, Aug' um Auge. Dar⸗ über will ich hinweggehen, weil es zu offenbar ist, daß dieser Spruch nur einen bildlichen Ausdruck des Prinzißs höchster Gerechtigkeit ent⸗ hält. Es ist ferner auf ihren Messias Glauben hingedeutet worden. Dieser mag bestehen, aber gewiß besteht er bei der größten Zahl, bei allen gebildeten Juden nur in simbolischer Weise. Die Juden glau— ben an eine bessere, ausgleichende Zukunft. Sie haben diesen Glau⸗ ben. Den wollen wir ihnen lassen. Wir haben ihn ja ebenfalls, nur in veränderter Form. Es ist von einem geehrten Abgeordneten aus Schlesien gestern ausgesprochen, daß er dafür sein würde, den Juden alle Rechte der Christen einzuräumen, wenn sie nur ihrerseits die Hand dazu bölen, sich den Christen gleichzustellen und nicht so streng an der Sabbathsfeier halten wollten. In Bezug auf diese Bemerkung weise ich darauf hin, daß schon der Gesetz- Entwurf über dieses Vorurtheil hinausgegangen ist. Nach dem Gesetz⸗ Entwurfe sollen die Juden zu gewissen Aemtern gewählt werden können; das würde ihnen nicht zu gestanden sein, wenn noch die Voraussetzung bestände, daß sie an ih⸗ rem Sabbathe, dem Sonnabend, nicht arbeiten könnten. Es geht auch aus der den Beilagen des Gesetz Entwurfs beigefügten Dent⸗ schrift des Königlichen Ministeriums des Innern in. Bezug auf die Militairpflicht der Juden heroor, daß sie im Militairstande ihren Pflichten ohne Ausnahme nachgekommen sind. Es lautet in dieser Denkschrift wörtlich: ö , .
„Faßt man den Inhalt dieser Ermittelungen zusammen, so darf man als erfahrungsmäßiges Resultat annehmen, daß die Juden des preußischen Heeres von den Soldaten der christlichen Bevölkerung im Allgemeinen nicht erkennbar unterschieden sind, daß sie im Rriege gleich den übrigen Preußen sich bewährt, im Frieden den übrigen Truppen nicht nachgestanden haben; daß ferner. insbesondere die jü⸗ dischen Religions-Verhältnisse nirgend als ein Hinderniß beim Kriegs⸗ dienste hervorgetreten sind.“ . . ⸗
k also 66 auch in Bezug auf, ihr Ritual ⸗ Gesetz kein Grund vorhanden sein, ihnen die Rechte nicht einzuräumen, auf welche sie Anspruch machen. ) .
Es fragt sich nun noch, ob dergleichen Gründe auf unserer Seite bestehen. In dieser Beziehung will ich über die Behauptung, daß bei einer großen Zahl Ungebildeter ein unüberwindliches Vorur⸗ theil gegen die Juden obwalte, hinweggehen, da diese Behauptung heute bereits ihre Widerlegung gefunden hat. Ich gehe nun auf das= senige Argument ein, welches zu wiederholten Malen angeführt ist, nämlich die Natur unseres Staates als eines christlichen, Staats. Wohin man gelangt, wenn man den Staat nach der Religion Feiner Mitglieder konstruirt, haben wir vor kurzem wahrzunehmen Gele genheit gehabt. Bis dahin war nur von einem christlichen Staate bie Rede, bald wären wir dahin gekommen, auch noch einen christ⸗ lichen Staat im Staate anzunehmen. Verfolgen wir diese Idee in ihren Konsequenzen, so gelangen wir gewiß noch dahin, von einem evange⸗ lischen und einem katholischen Staate zu sprechen. Vice Idee führt aber offenbar zu einer Separation, zu Spaltungen im Staate und befestigt nicht den Staat, sondern untergräbt denselben. Staat ist ein Begriff, der unter seinem Merkmale die Religion. nicht zählt, ein Verband, der Jeden, der in denselben aufgenommen ist, als sein Mitglied anerkennt ohne Rücksicht auf die Religion, der er angehört. Jeder ist ein tüchtiges Mitglied desselben, welcher seine Pflichten gegen ihn erfüllt und erfüllt er sie, so hat er auch auf alle Rechte eines Staatsbürgers Anspruch. Soll ein Staat ein christlicher, gengunt werden, so kann es nur geschehen, wenn die Mehrzahl seiner Mitglieden sich zu der christlichen Religion bekennt. Aber dann ist es nothwendig, daß, diese nicht nur äußerlich sich dazu bekennen und das, was der Meister sprach, blos auf der Zunge führen, sondern sie müssen auch, im Leben bethätigen, die Lehre, welche Christus, gab: „Liebe Deinen Nãächsten wie Dich selbst !, wirklich üben. Dies lassen Sie uns be— herzigen, wenn wir zur Berathung des Entwurfs übergehen. Marschall: Ehe wir nun zu der Berathung über die einzel⸗ nen Bestimmungen des Gesetzes übergehen, muß ich vorausschicken, daß Vorschläge darauf hingegangen sind, an die Stelle des ganzen Gesetzes einen einzigen. Paragraphen zu stellen, also das ganze Ge— setz dadurch zu verwersen. Diese ganze jetzt vorzunehmende Bera⸗ thung wird also nur eventuell sein für den Fall, daß ein solches Amendement nachher Unterstützung finden und dasselbe von der hohen Versammlung angenommen werden sollte. .
Abgeordn. Graf von Schwerin: Wenn ich recht verstanden habe, so würde die Abstimmung über das Grundprinzip des Gesetzes erst nach der Berathung der einzelnen Paragraphen des Gesetzes kommen. ö
Marschall: Ich will nicht sagen, über den Grundsatz des Gesetzes, sondern darüber, ob das ganze Gesetz, wie es amendirt werden wird, angenommen werden soll oder nicht. Ich muß bemerken, daß ich überhaupt gegen Abstimmungen über Prinzipien bin, weil sich die aus deuselben hervorgehenden Folgerungen nicht immer vollständig übersehen lassen, wogegen sich ein praktisches Resultat ergiebt, wenn die, aus den Prinzipien selbst folgenden Bestimmungen zum Gegen stande der Berathung gemacht werden.
Abgeordn. Graf von Schwerin—: men an. . ⸗ ;
Abgeordn. von Massow: Wenn ich richtig verstanden habe, so wird über §. 1 nicht abgestimmt werden. .
Marfchall: Wir wollen erst das ganze Gesetz in Berathung nehmen und dann erst zu dem 8. 1ͤ' zurückkommen.
Referent Sperling diest:)
„Entwurf einer Verurdnung, die Verhältnisse der Juden betreffend. 1
ueber die Verhältnisse der J i
Ich erkenne das vollkom—
Juden in allen Landes thei⸗ len Unserer Monarchie, mit Ausschluß des Großher— zogthums Posen.
§. 1.
Die Juden, welche in den vorbezeichneten Landestheilen ihren Wohnsitz haben, genießen, so weit bieses Gesetz nicht ein Anderes bestimmt, neben gleichen Pflichten gleiche bürgerliche Rechte mit Un= seren christlichen Unterthanen und sollen nach den für diese daselbst geltenden gesetzlichen Vorschriften behandelt werden,. ̃
„Die Einleitung und die Ueberschrift wurden hei Seite gelassen, weil solche eines Theils unwesentlich, anderen Theils durch den ma—⸗ teriellen Inhalt des Geseßzes bedingt sind und letzterer im legislato⸗ rischen Wege erst festgestellt werden muß.
Marschall:, Es fragt sich, ob die höhe Versammlung ein⸗ zerstanden ist, daß man über den Eingang weggehe, weil aus den Abänderungen, die an dem Gesetze gemacht werden, sich erst sinden wirb, wie derselbe gefaßt werden muß?
(Einstimmig: Jah Referent Sperling: 1
„8. . Die Juden, welche in den vorbezeichneten Landestheilen ihren Wohnsitz haben, genießen, soweit 33 Gesetz nicht ein Anderes bestimmt, neben gleichen Pflichten gleiche bürgerliche Rechte mit Un-
seren christlichen Unterthanen und an nach den für diese daselb
geltenden gesetzlichen Vorschriften behandelt 6 ee wn, l Gutachten zu §. 1.
Dasselbe fand in Betreff der Worte statt, „welche in den vorbezeich⸗ neten Landestheilen ihren Wohnsitz haben.“
Marschall: Die ganze Fassung des §. 1 wird auch von dem abhängen, was späterhin i sef! wird; wir werden also vorläufig darüber hinweggehen, mit dem Vorbehalt, darauf wieder zurückzu⸗ kommen.
Referent Sperling liest):
2 2.
ö ,. ;
Die Juden sollen nach Maßgabe der Orts- und Bevölkerungs⸗ Verhältnisse dergestalt in Judenschaften vereinigt werden, daß alle innerhalb eines Judenschafts Bezirkes wohnenden Juden demselben
angehören.“ Gutachten zu S§. 2.
Der Zweck, zu welchem die Juden zu Judenschaften vereinigt wer⸗ den follen, ist in diesem und den nächsten Paragraphen, welche von der Bildung der Judenschaften handeln (88. 2 — 14) nicht ausge⸗ hrückt. Man könnte daher sich zu der Annahme versucht fühlen, daß er lediglich auf die Kultus⸗Ang elegenheiten der Juden gerichtet ist. Indeß ergeben die später , Dispositionen der 88. 15, 27 und Z4, daß die Judenschaften auch eine politische Bedeu⸗ tung haben sollen. Welche Nachtheile sie bei diesem Charakter für den einzelnen Juden haben würden, ist bereits oben angedeutet. Dem Staats-Interesse aber könnten sie schon deshalb nicht förderlich erachtet werden, weil sie zu einer schärferen Absonderung der Ju⸗ den von den Christen führen würden.
Marschall: Ich stelle diesen Punkt zur Diskussion.
Abgeordn. Graf von Schwerin: Meine Herren! Ich habe mich bei der allgemeinen Diskussion des Wortes enthalten, theils weil ich gestern nicht in der Versammlung gegenwärtig sein konnte und ich daher fürchten mußte, auf Argumente zurückzukommen, die in der gestrigen Debatte bereits zur Erörterung gezogen waren, theils um deswillen, weil es sich mir nicht um Sympathien und Anti⸗ pathieen für oder gegen die Juden handelt, sondern um einen großen, staatsrechtlichen Grundsatz, und weil ich diesen in diesem §. 2 am prägnantesten ausgesprochen finde. Ich muß gestehen, ich glaube, auf den Grundsitzen der „Bildung der Judenschaften ruht dieses ganze Gesetz, und gerade in Beziehung auf diesen Grundsatz weicht es von dem Gesetze von 1812 wesentlich ab. Das Gesetz von 1812 erkennt den Grundsatz des Staatsbürgerthums an, erkennt den Juden als Staatsbürger an und giebt ihm eben als solchem vollständige bürgerliche Rechte. Nur einige wenige Ausnahmen wur— den noch gemacht, aus der Ansicht, daß die Zeit vielleicht noch nicht auch die Anerkennung des Grundfatzes in Beziehung auf diese be⸗ stimmten Verhältnisse zu tragen vermöchte.
Diesen Grundsatz verläßt nun das Gesetz im S. 2. Es substi⸗ tuirt an die Stelle des Staätsbürgerthums den Begriff einer gedul⸗ deten Genossenschaft innerhalb des Staats-Verbandes, der es jene einzelnen Rechte zugestehen will. Es ist das nicht eine Anerkennung des Rechts, sondern ein Zugeständniß, was man den Juden macht, darin liegt nach meiner Meinung ein wesentlicher Rückschritt, und deshalb bin ich gegen den Grundsatz, den das Gesetz aufstellt, mit aller Entschiedenhelt. Das war der große Vorzug jener Gesetzgebung, von der eben auch das Gesetz von 1812 ein Theil ist, daß es große Grundsätze hinstellte, an denen die Zeit sich heranzubilden im Stande war, hier der Grundsatz des Staatsbürgerthums. Den wollen wir fallen lassen, indem wir die Geltung des Juden von der Mitglied⸗ schaft zu dieser Genossenschaft abhängig machen? Das wäre, ich wie⸗ derhole es, ein entschiedener Rückschritt und deshalb unhistorisch. Die Gegenwart ist das Produkt der Vergangenheit und die Trägerin der Zukunft; lassen Sie uns daher nicht von der Errungenschaft der Jahr⸗ hunderte wieder rückwärts sehen, sondern vorwärts schreiten auf dem Wege, den wir schon beschritten haben! Das erfordert nicht nur der Begriff des Staats, das erfordert noch mehr der Begriff des Chri⸗= stenthums. Es ist viel von dem christlichen Staate gesprochen, es ist gesagt worden, die Kirche hätte den Staat erzegen zur Mündigkeit. Wohlan, gestehen wir das zu. Zunächst ist allerdings im Mittelalter die Kirche die Trägerin des Staats gewesen; aber weil der Staat mündig geworden ist, will er nicht wieder in die Knechtschaft, in die Vormundschaft der Kirche zurückgewiesen werden, darum will er selbst⸗ ständig dastehen, will seinen Begriff aus sich selbst weiter entwickeln und das Staatsbürgerthum, das Leben des Staats nicht der Kirche unterordnen, sondern neben der Kirche selbstständig entwickeln. So werden beide die große Aufgabe der Weltgeschichte erfüllen, das Reich Gottes auf Erden zu bauen. Ich bin daher entschieden gegen den Paragraphen, weil er einen Grundsatz aufstellt, den ich verwerfe, weil er dem Grundsatze des Staatsbürgerthums der Juden, den Grundsatz einer geduldeten bürgerlichen Genossenschaft substituirt. Ich fürchte nicht, daß dieses Gesetz Gesetzeskraft erlangen wird. Geschehe es, so bin ich aber auch der Ueberzeugung, seine Dauer wird nicht lange sein. Der Geist des 19ten Jahrhunderts wird darüber hinwegschrei⸗ ten und seine Spur verwehen. Aber, meine Herren, bedenken Sie, der Geist der Geschichte sitzt auch über uns zu Gericht, und wenn ich für uns einen Wunsch habe, so ist es der, daß wir diesen Geist an⸗ erkennen, daß wir nicht rückwärts unsere Blicke wenden lassen, sondern nach vorwärts schauen unverrückt.
(Vielfaches Bravo!)
Abgeord. von der Heydt: Ich theile ganz die Ansicht der Abtheilung, die es nicht für zweckmäßig hält, die Judenschaft nach bürgerlichen Distrikten abzutheilen, und stimme in dieser Beziehung allem dem bei, was der letzte Redner gesagt hat. Ich finde es aber auch bedenklich, daß eine Stände⸗Versammlung sich überhaupt in innere Kultus⸗-Angelegenheiten der Juden mische. Es könnte das zur Folge haben, daß dann auch die Kultus-Angelegenheiten anderer Kirchen hier berathen würden, und das würde mir sehr bedenklich erscheinen. Es erinnert dies auch an die Eingriffe, die seitens des Staats in andere Kirchen geschehen sind, und nichts hat betrübender eingewirkt auf getreue Unkerthanen, als gerade die Eingriffe in den inneren Kultus der Kirche. So ist z. B. eine evangeliche Kirchen Ordnung und eine Agende zwangsweise eingeführt worden, worin zu beten vor⸗ geschrieben ist, daß der jedesmalige Landesherr als Vorbild der christ⸗ sichen Kirche ferner erhalten bleiben möge, was mit christlichen Grund⸗ sätzen ganz unvereinbar ist. Ich halte solche Eingriffe des Staats in die Kirche nicht für wünschenswerth; aber ich bin der Meinung, daß auch eine Stände-Versammlung sich nicht in die inneren Ange⸗ legenheiten der Kirche mischen möge, weil dann die Kultus-Angele⸗ genheiten der protestantischen und der katholischen Kirche eben so gut hier zur Erörterung gezogen werden könnten.
Landtags-Kommissar: Der Grundsatz, den der Redner so eben ausgesprochen hat, wird von dem Gouvernement auf das voll⸗ kommensie getheilt. Daß darüber kein Zweifel bestehe, glaube ich auf S. 16 verweisen zu können, welcher sagt: „Die auf den Kultus be⸗ züglichen in neren Einrichtungen bleiben der Vereinbarung jeder ein⸗ zelnen Judenschaft, resp. deren Vorstehern und Repräsentanten, über= lassen. Die Regierung hat von diesen Einrichtungen nur insoweit Kenntniß zu nehmen und Entscheidung zu treffen, als die öffentliche Ordnung ihr Einschreiten erfordert.“ Hieraus geht hervor, daß die Judenschaft von dem Gouvernement keine Agende zu erwartrn hat.
1175
(Mehrfacher Ruf zur Abstimmung, nachdem der Abgeordnete von Manteuffel J. auf das Wort verzichtet hat.)
Abgeordn. Hansemann: In dem, was der Herr Landtags⸗ Kommissar gesagt hat, erkenne ich nicht eigentlich die Frage, die uns vorliegt. Biese besteht darin, ob die Stände Versammlung für an⸗ gemessen halten wolle, darüber Bestimmungen zu treffen, wie die jü⸗ dischen Corporationen, die für die Kultus Angelegenheiten eingerich⸗ tel werden sollen, zu organisiren sind, oder ob dies eine Sache ist die den Juden selbst zu überlassen sei, wobei sie etwa mit dem Staate näher sich vernehmen können; also, ob wir uns hier für be⸗ fugt, oder ob wir es für klug halten, Grundsätze hierüber festzu⸗ stellen. Ich stimme der Meinung meines Kollegen aus der Rhein— provinz und des ritterschaftlichen Abgeordneten aus Pommern bei kön gan Veste sel, ns darauf nicht einzulasen.? Bie zlotheilunz hat bereits das Prinzip der Judenschast als einer polstischen Corpo' ration einstimmig verworfen, und ich glaube, daß in dieser Versamm— lung nur sehr Wenige sein werden, die nicht die Ansicht der Abthei⸗ lung ebenfalls zu der ihrigen machen; es wird also die Frage einer Meinungs-Verschiedenheit darin bestehen, ob wir die Corporationen für Kultus-Zwecke hier anordnen wollen. Ich für meinen Theil verneine diese Frage. .
Landtags-Kommissar: Ich habe, indem ich mich vorhin über die Aeußerung des geehrten Deputirten der Stadt Elberfeld aussprach, keinesweges mich über die Frage geäußert, ob jüdische Corporationen für den Kultus für nüßlich zu erachten seien oder nicht; ich habe nur die Worte des geehrten Redners widerlegt, welche die Befürchtung aussprachen, daß der Staat sich in die inneren Kul⸗ tus-Angelegenheiten der jüdischen Corporationen mischen wolle. Le— diglich hierauf bezog sich meine Aeußerung, und die Widerlegung war, wie ich glaube, eine schlagende, indem ich die eigenen negirenden Worte des Gesetzes anführte. Was aber die Frage anlangt, die der geehrte Redner, welcher zuletzt auftrat, aufgeworfen hat, ob überhaupt die hohe Versamm'ung mit dem Theile des Gesetzes sich beschäftigen wolle, welcher die korporativen Angelegenheiten der südischen Ge⸗ meinde betrifft, so glaube ich nicht, daß diese hier überhaupt aufge⸗ stellt werden kann. Das Gesetz ist von des Königs Majestät der hohen Versammlung vorgelegt, und hierin liegt die Verpflichtung, es zu berathen. Außerdem mache ich darauf aufmerksam, daß im Ge⸗ setze von 1812 dieser Theil ausdrücklich der künftigen Gesetzgebung vorbehalten ist. Wenn der geehrte Redner bemerkte, daß diese Er⸗ gänzung der Gesetzgebung den Juden selbstständig überlassen werden solle und möge, so ist das freilich eine Ansicht, aber eine Ansicht, die schwerlich haltbar sein dürfte. Denn da, wo es sich darum handelt, jüdische Corporationen mit rechtlichen Befugnissen, mit den Rechten juristischer Personen zu begründen, da genügt die Autonomie der Juden nicht, sondern der Gesetzgeber allein hat das Recht, ihnen dergleichen Rechte beizulegen, wie sie ihnen durch diesen Gesetz-Ent— wurf beigelegt werden sollen. Davon verschieden ist allerdings die Frage: Ob die hohe Ver⸗ sammlung glaubt, daß dieser Theil des Gesetz⸗Entwurfes von dem anderen getrennt werden möge. Das ist eine Ansicht, die allerdings in der Abtheilung angeregt ist, und über die sich die hohe Versamm⸗ lung auch hier auszusprechen in ihrem vollen Rechte ist.
Referent Sperling: Ich muß bemerken, daß es nicht blos im Interesse des Staates liegt, sondern im eigenen Interesse der Juden, daß Corporationen in Beziehung auf Kultus- Angelegenheiten gebildet werden, denn sie haben in Beziehung darauf gewisse Insti⸗ lute zu unterhalten; diese können sie aber nicht anders unterhalten, als wenn ihnen diese Rechte beigelegt werden.
Abgeordn. Graf Schwerin: Ich habe mich eines Versehens anzuklagen. Als ich vorhin auf diesem Platze stand, habe ich unter⸗ laffen, ausdrücklich zu erwähnen, daß ich der hohen Versammlung den Vorschlag mache, §. 2 nicht anzunehmen, weil ich eben glaube, daß in diesem Paragraphen der ganze Grundsatz des Gesetzes ent⸗ halten ist, und also mit der Nicht Annahme des §. 2 auch der Grundsatz des Gesetzes nicht anerkannt wird. Bei dieser Meinung muß ich auch in diesem Augenblicke noch stehen bleiben, und zwar aus dem Grunde, weil ich es eben so wenig vom staatlichen Stand⸗ punkte aus gerechtfertigt halte, daß der Staat die religiösen An⸗ gelegenheiten einer innerhalb seiner Gränzen befindlichen Religions⸗ Gemeinschaft ordne, als ich es, wie ich vorhin schon bemerkt habe, nicht für gerechtfertigt halte, die staatsbürgerlichen Rechte davon abhängig zu machen. Meiner Meinung nach besteht das Ver⸗ hältniß des Staates zu einer Religions-Gemeinschaft einfach so, daß der Staat berechtigt ist, die Kenntnißnahme der Grundsätze der Religions Gemeinschaft, die Kenntnißnahme der statutarischen Be⸗ stimmungen, die sie sich in Beziehung auf den gemeinsamen Kultus gemacht hat, zu verlangen und sich das Recht vorzubehalten, zu ver⸗ bieten, was er wider sein Interesse hält. Eine weitere Macht aber steht grundsätzlich dem Staate nicht zu; ich wünsche diesen Grundsatz auch auf die Juden angewendet zu sehen, und wünsche, daß man es ihnen überläßt, ihre Kultus-Angelegenheiten selbst zu reguliren und sich darnach zu organisiren. ;
Referent Sperling: Hier thut ja der Staat meiner Ansicht nach nichts weiter, als was er auch bei einer christlichen Religions⸗ gemeinschaft thut. Die Juden müssen Synagogen und Begräbniß⸗ Plätze unterhalten, und das ist nicht möglich, wenn sie nicht in einem gewissen Bezirke den Einzelnen die Verpflichtung auferlegen konnen, zu diesen Instituten beizusteuern. ö
Marschall: Die Berathung kommt hier zu einer Frage, die in der Abtheilung nicht zur Sprache gekommen ist. Die Abtheilung hat vorgeschlagen, dergleichen Corporationen nur in Beziehung auf Kultus-Angelegenheiten gelten zu lassen, wohingegen hier amende⸗ mentsweise der Vorschlag gemacht wird, gar keine solche Corporatio⸗ nen zu bilden, auch nicht für Kultus-Angelegenheiten. Wenn hierüber verhandelt werden soll, so muß sich erst zeigen, ob ein solcher Vor⸗ schlag hier Unterstützung findet; ich bitte daher diejenigen, die das Amendement unterstützen, dies durch Aufstehen zu erkennen zu geben.
(Ein Abgeordneter bittet ums Wort.)
Es kann nicht eher darüber gesprochen werden- * —
Eine Stimme: Nur zur Erläuterung bitte ich ums Wort.
Marschall: ͤ
Es kann nicht eher etwas erläutert werden, als bis die nöthige Anzahl von Mitgliedern dafür stimmt, daß das Amen⸗ bement beräthen werde. Ich bitte also diejenigen, welche dafür sind, daß Corporationen auch nicht für Kultus Angelegenheiten gebildet werden sollen, dies durch Aufstehen zu erkennen zu geben. (Wird unterstützt.) .
Abgeordn. von der Heydt: Wenn ich sagte, daß ich es be⸗ denklich finde, daß der Vereinigte Landtag Kultus⸗Angelegenheiten berathe, so habe ich nicht blos den Kultus im engsten Sinne, son⸗ dern überhaupt die Kultus⸗Angelegenheiten der Kirche in Auge ge= habt. Ich habe dabei erinnert an die zwangsweise Einführung der evangelischen Kirchen⸗Ordnung und an den Eindruck, den sie hervor⸗ gerufen hat. Jede Kirche hat ihre besonderen Organe, die ihre In⸗ leressen pflegen und wahren, und man kann der Kirche füglich über⸗ lassen, ihre organische Einrichtung selbst zu treffen. Ich finde es hart, wenn sie ihr aufgedrungen werden soll, und ich sinde es gleich⸗ falls hart, wenn diese organische Einrichtung in Kultus⸗Angelegenhei⸗ len den Juden zwangsweise gegeben werden soll. Ich würde es viel angemessener sinden, wenn man ihnen dieses selbst überließe. Wenn
von dem Herrn Landtags- Kommissar gesagt wurde, pflichtet sei, die Proposition zu berathen, weil si 5
. then, sie von des Kö Masestät ausgegangen, so verstehe ich die Pflicht der 2 daß sie die Proposition allerdings nicht ohne Antwort ö
n, ö. ; assen dürfen daß sie sich darüber gewissenhaft auszusprechen haben, daß sie 2 wenn sie der Meinung sind, daß es überhaupt keien sC n nn a Berathungen nicht näher einzugehen, sie auch diese 4 * Majestät ehrerbietigst vortragen dürfen. ; 686
Abgeordn. Aldenhoven; Ich wollte mir erlauben, um dem Edikt vom Jahre 1812 dieselbe Ausdehnung zu geben, um die Ju⸗ den dahin zu bringen, wohin wir Alle wünschen, daß sie kommen, ein Amendement in Vorschlag zu bringen, dahin lau end: ;
„Die Juden sind befugt, nach Maßgabe der Orts- und Be⸗
völkerungs - Verhältnisse sich in Synagogen Gemeinden zu ver- einigen.“ Dann wäre ihnen die Befugniß ertheilt, sie könnten davon Gebrauch machen, ohne daß der Staat direkt dabei einzuwirken habe.
Geh. Regierungs-Rath Brüggemann: Der letzte Paragraph des Edikts vom Jahre 1812 behält ausdrücklich die Regulirung der Kultus- und Unterrichts Angelegenheiten der Juden vor. Darum sind auch diese ohnehin in einem näheren Zusammenhange stehenden An⸗ gelegenheiten gerade beim Gesetz⸗Entwurfe über die korporativen Verbände der Juden ins Auge gefaßt. Außer ihnen berührt noch ein Paragraph die Armen⸗ und Krankenpflege. Andere Verhältnisse werden, wie schon bemerkt worden ist, blos in den 88. 14, 15 und 34 berührt. Sollte der Vereinigte Landtag dahin sich aussprechen, daß diese drei Paragraphen, die auch die bürgerlichen Verhaältnisse berühren, wegfallen mögen, so würde der übrige Theil des Gesetz⸗ Entwurfs die Kultus- und Unterrichts Gegenstände fast ausschließlich umfassen. Es wird daher zu erwägen sein, ob die korporativen Verbände sich blos auf Kultus- Gegenstände beschränfen oder auch andere, insbesondere die Unterrichts Verhältnisse, umfassen sollen. Was die Theilnahme der Juden an der Regulirung der äußeren Form dieser Vereine betrifft, so hat die Regierung wohl erkannt, daß es in dieser Beziehung des Beiraths der Juden bedürfe. Die Denkschrift weist aber auch nach, daß dieser Beirath wirklich gepflo⸗ gen worden ist. Ich selbst habe die Ehre gehabt, in einer Verhand⸗ lung über diese Regulirung der Verhältnisse der Juden mit einigen hiesigen jüdischen Glaubens genossen kommittirt zu werden. Nachdem der Gesetz- Entwurf vollendet war, ist er den Dber⸗Präsidenten der Monarchie mit dem Auftrage mitgetheilt worden, einzelne Juden der Provinz, die ein großes Vertrauen genießen, und denen man Einsicht in die jüdischen Verhältnisse zutrauen könne, n it der Absicht des Ge⸗ setz Entwurfs bekannt zu machen, um ihre Wünsche darüber zu ver⸗ nehmen. Ich darf in dieser Beziehung die hier anwesenden Ober-Präsidenten zur Bestätigung meiner Angabe auffordern. Alle Aeußerungen, die hierauf eingegangen sind, geben meh eder weniger ein Einverständniß mit dem Entwurf zu erkennen. Mit den Grund⸗ sätzen des Entwurfs haben sich Alle einverstanden erklärt und es kaufbar ancrkannt, daß korporative Verbände für die Kultus ⸗Ver⸗ hältnisse eingerichtet werden sollen. Es ist den zugezogenen Juden namentlich die Frage vorgelegt worden, ob es nicht hinreichend sei, den Juden die Befugniß zu erthei'en, in solche Keorporatis⸗Verbande zusammenzutreten. Sie haben aber die bloße Befugniß für unzurei⸗ chend erklärt und darum gebeten, daß der Zwang zum Eintritt in dieselben ausgesprochen werden moge.
Marschall: Ich bemerke, daß das Amendement des Adgeord⸗ neten Aldenhoven eizentlich zum 8. 3 gehören möchte, denn dort in vorgeschrieben, wie diese Verbände gebildet werden sollen. Ich stel anheim, das Amendement bis zur Frage über zu lassen.
Abgeordn. Hanse daß es geschehen soll; n tativ. Ich will mir erlauben, nos
Maäͤrschall: Wenn der ö daß das Amendement beim §. ? vorerst fragen, ob es die erforderliche Unterstüßung
(Dies geschieht. — Nach einer?
daß man ver⸗
*
ollen den 2
r werden 1 e
wer ren Tel Ktn.
Es kann also nicht darüber Graf von Helldorff: Meine Herre jeder Beziehung gegen den 8. 2 er litischer Hinsicht, sondern auch
Gutachten der Abtheilung zuge
aesnurnchen gesprochen
des Geset ten im Staate erhalten. Angelegenheiten niuß ich bestreiten, daß Sonagogen⸗Vereine zu bilden, denn es sie selbst wünschen können und man n angemessen, finden kann. Ich meine daß der Grundsatz, die Kirche sei unabhang: gemeine Geltung erlange. Die Kir Staat von der Rirche. ö . Abgeordn. von Meding: Es scheint mir in der That, und ich alaube mich hierbei im Einverständnisse mit dem Herr Referenten zu befinden, daß wir auf einen Punkt gekemmen sind, wo die Frage, was wir eigentlich zu beschließen haben, gemissermaßen ins Unklart gerathen ist' Es scheint mir, daß wir nur darüber Beschluß zu fassen haben, ob wir dem Antrag des Gouvernements dadin beistimmen wollen, daß jüdische Corporationen gebildet werden sellen, die ich noch mit etwas Anderem, als mit blos kirchlichen Angelegendeiten zu beschäftigen haben. Ich erledige hierbei zugleich die Aufforderung des Herrn Kommissar aus dem Ninisterium der geistlichen Angele gen⸗ heiten, indem er sich auf die Verhandlungen berusen dat welcke durch die Ober⸗Präsidenten geleitet worden snd. Diese Verhandlungen haben sich allein auf die Bildung von Sonagogen⸗Bezirten bezegen. Der damalige Entwurf ist von mir mit den angesebensten **en Berlins berathen worden, und er bat damals bei allen Nota litate⸗ der Judenschaft die vollste Anerkennung genden. Es ist w anerkannt worden, daß ein Bedürfniß zur Bilt ung 2 selden 38 nagogen⸗ Bezirken vorhanden sei. Nur einzelne Aus stellun gen sin
gemacht, und diese Austellungen sind auch bei dem 5 . 23 genden Gesetz Eutwurf berüchsichtigt worden. 8e. — 86 darum, ob die Corporatienen der Juden auch ned e m, ,. gebildet werden sollen, als für die Kuhns · Angeber, 2 die Bejahung oder Verneinung dieser rage n s ie 1 —* 8 die Abstimmung gerichtet und dabei dem Best 2 2 sammlung über die Bildung den ir, . 1 dizirt würde, und zwar dies um ᷣ— = , , rungen der Herren Vertrete—, des Sem r, , * . fen glaube, daß von dem Theil des Gesekes, nach * 2 ö porationen der Juden sich auch mit anderen Tie mit 8 D . legenheiten, beschaftigen sollen, vielleicht 2 werden * * Da ich nun einmal an die er Stelle stede so er 1 noch ein Wort über die Tenden: des 8er, n, . ann nicht finden, daß dasselbe den ihm gemachten Ee, 8 tes verdiene. Ich sinde vielmedr, daß dasse lde, und near im Bergleich mit dem Edikt dom Jadre 1812, durchaus den E haral· ter des besonnenen Fortschrittes tragt.