Sonderung derselben geradezu herbeigeführt, und diese liegt nicht im Interesse des Staates. Sie ist ihm nachtheilig und kann ihm, wie die Ge 4 lehrt, sogar gefährlich werden, weil sie auf dem Ge⸗ biete der Religion stattsindet. Hiernach bitte ich das Gutachten der Abtheilung zu beurtheilen.
(Bravo!)
Regierungs- Kommissar Brüggemann: Ich bitte nur We—⸗ niges bemerken zu dürfen. Ich habe in der Abtheilung nicht ausge= sprochen, was künftig geschehen solle, sondern nur den bestehenden Grundsatz r . wonach alle Elementar⸗Schulen einen christ⸗ lichen konfessionellen Charakter haben und Simultan⸗Schulen nur in Fällen der Noth gestattet sein sollen. Ich fig nur noch in Be⸗ zug auf die jüdischen Schulen hinzu, daß den Juden ja, wie e. auch über den konfessionellen Charakter der öffentlichen Schulen denken möge, dieselben Rechte wie den Christen gewährt werden sollen und es döch sicherlich den Evangelischen, wie den Katholiken, gestattet ist besondere öffentliche Konfessions Schulen zu errichten.
Referent Sperling: Der geehrte Herr irrt von dem Ge⸗ genstande ab. Wenn er glaubt, daß ich in Beziehung auf ihn nicht die Wahrheit gesagt habe, so berufe ich mich auf ein geehrtes Mit⸗
lied der Rhein-Provinz, welches ein Beispiel von einer Schule an⸗ fur e an der ein Lehrer anderer Konfession angestellt ist, und durch seine Bemerkung den Herrn Ministerial Kommissar gerade zu jener Erklärung veranlaßte.
Regierungs-⸗Kommissar Brüggemann: Ich bemerke, daß es sich hier nur um Elementarschulen, nicht um Gymmasien handelt.
Eine Stimme (vom Platze): Auf meine Bemerkung, daß an dem Gymnasium in Koblenz ein Lehrer anderer Konfession ange⸗ stellt sei, hat der Herr Regierungs- Kommissar erklärt, daß dies fortan nicht e gehen werde.
Regierungs Kommissar Brüggemann: Ich wiederhole, daß hier von den Elementarschulen die Rede ist, nicht aber von den Gymna— sien. Das Faktum ist übrigens richtig; ich habe dem Abgeordneten, der Stadt Koblenz, als meine Behauptung, daß alle Gymnasien einen bestimmten konfessionellen Charakter hätten, ihn zu der Frage veran⸗ laßte, wie es denn gekommen sei, gesagt, daß an dem Gymnasium zu Koblenz ein evangelischer Lehrer angestellt sei, daß ich ihm die Versicherung ertheilen könne, es werde bei eintretender Erledigung der Stelle, dem stiftungsmäßigen Charakter des Gymnasiums gemäß, ein katholischer Lehrer . werden.
Abgeordn. Naumann: Die Grundsätze, welche die Abtheilung durch den Referenten entwickelt hat, muß ich überall theilen. Ich erkenne es wohl an, daß es nicht die Absicht ist, die Juden in eine andere Lage als die Christen in Beziehung auf ihre konfessionellen Bedürsnisse zu bringen. Ich behaupte aber, daß der Gesetz⸗Entwurf in seinen Bestimmungen, die hier von der Abtheilung angegriffen werden, doch von dem Grundsatze abweicht, der in Beziehung auf die christlichen Schulen gegenwärtig gilt. Allerdings ist es den christ= lichen Kirchen-Gemeinden gestattet, besondere konfessionelle Schulen
zu errtchten; die Gesetze verpflichten aber die Schulverbände nicht, zu den Kosten für diese speziell⸗konfessionellen Schulen beizutragen. Es kann allerdings eine katholische oder evangelische Gemeinde be— sondere Schulen errichten, es folgt aber daraus nicht, daß die allge⸗ meinen Schulverbände zu den Kosten beitragen. Die Bestimmungen, wie sie der Gesetz⸗Entwurf enthält, sind aber anders. Hiernach soll die Siaats- Regierung die Orts-Schulbehörden unter gewissen Be— dingungen verpflichten können, für ein konfessionelles Bedürfniß der
Juden durch Gewährung von Geldmitteln zu sorgen. Gegen diesen
Grundsatz, glaube ich, muß man ich aussprechen. Man kann den
Konfessionen gestatten, besondere Schulen zu errichten; man kann
aber nicht gestatten, daß die Juden besondere Schulen errichten, die aus dem Charakter der öffentlichen allgemeinen Schulen, aus dem
Schulverbande heraustreten und dennoch zu den Kosten eine Beihülfe
aus dem Fonds des allgemeinen Schulverbandes erhalten.
Geh. Regierungs⸗Rath Brüggemann: Es ist übersehen wor⸗ den, daß es im S. 33 h. ausdrücklich heißt:
„Wo die Unterhaltung der Ortsschulen eine Last der bürgerlichen
Gemeinde ist.“ .
Wo dies nicht der Fall ist, legt auch der Gesetz Entwurf der bürgerlichen Gemeinde diese Last nicht auf.
Abgeordn. Naumann: Ich bemerke, daß ich dies gerade im Auge gehabt habe, nämlich die Schulverbände, in welchen die Kosten aus allgemeinen Kommunal⸗Mitteln aufgebracht werden. In solchen Schulverbänden ist es bisher nicht üblich gewesen (wenigstens meines Wissens nicht), für eine bestimmte Konfessionsschule eine Beihülfe be⸗ willigen zu müssen.
Abgeordn. Frhr. von Vincke: Ich glaube, wenn uns der Herr Ministerial⸗Kommissar hier allgemeine Bestimmungen vor Augen ge— führt hat, wonach vom Ministerium in anderen Fällen verfahren wird, diese zwar nicht hierher gehören, daß aber jedesmal, wenn uns ein Gesetz⸗Entwurf zur Begutachtung vorgelegt ist, wir dadurch Veran— lassung erhalten und die Verpflichtung erkennen müssen, die allgemei⸗ nen Grundsätze zu bezeichnen, welche wir als zweckmäßig erkannt ha⸗ ben, und deshalb allgemein festgestellt zu sehen wünschen müssen. Nun möchte ich im Einklange mit dem, was die hohe Versammlung vor kurzem beschlossen hat, bei einem Antrage, welcher auf die An⸗ stellung katholischer Lehrer in den Kadettenhäusern hinauslief, das all— gemeine Prinzip zur Anerkennung gebracht wissen, daß eine Trennung nach Konfessionen in Bezug auf den rein wissenschaftlichen Unterricht durchaus unstatthaft ist. Der Religions- Unterricht muß natürlich be⸗ sonders ertheilt werden, für lath l fn Kinder von katholischen Geist⸗ lichen, fe evangelische Kinder von evangelischen Geistlichen und für die jüdischen von jüdischen Geistlichen. Aber daß in anderen Unter⸗ richtsfächern eine Scheidung nach Konfessionen stattfinden soll, ist, glaube ich, nicht die Meinung der hohen Versammlung gewesen, und es würde nur dazu führen, Mißtrauen unter die Konfessionen zu säen. Ich kann mich nicht dafür aussprechen, daß die konfessionellen Schu⸗ len Regel und die Simultan⸗ Schulen Ausnahme sein sollen. Ich bin vielmehr der Meinung, daß die Simultan - Schulen Regeln und die konfessionellen Schulen Ausnahmen sein müssen. Wenn ferner hier gesagt ist in Bezug auf einen folgenden Paragraphen, daß, wenn eine Rommune, eine politische Gemeinde, ihre Schule zu unterhalten ver— pflichtet ist, für den Fall einer konfessionellen Sonderung sie dann auch verpflichtet wäre, diese konfessionelle Schule aus Kommunalmit⸗ teln zu unterhalten, so glaube ich dem aus Rechts- und Billigkeits⸗ gründen widersprechen zu müssen. Die Kommune hat die Verpflich⸗ lung, Kommunalschulen zu unterhalten, nicht aber konfessionelle. Wenn es also eine Konfession in ihrem Interesse findet, eine besondere Schule zu errichten, wenn ihr dies von den Staats-Behörden gestattet wird, so hat sie jedenfalls keinen Rechtsanspruch an die Kommune, diese be⸗ sondere Schule zu dotiren, weil die Verpflichtung der Kommune nur darauf gerichtet sein kann, eine Schule für die politische Gemeinde zu unterhalten. Aus diesen Gründen muß ich mich gegen das erklä— ren, was von der Ministerbank bemerkt ist.
(Eine Stimme bittet ums Wort.)
Marsch all: Bei dieser allgemeinen Besprechung sind wir schon auf §. 30 gekommen. Juvörderst handelt es sich um 85. 25 und 26, egen welche nichts erinnert ist, und es würde im Vortrage auf 58. 27 a, n ein.
ine Stimme: Ich wollte um das Wort bitten wegen ei⸗
ner e fte, Widerlegung, die ist doch bis jetzt immer gestattet worden. ö. IJ
Marschall: Jetzt hat der Herr Abgeordnete von Fock das Wort.
Abgeordn. von Fock: Der ganze Abschnitt über das Schul⸗ wesen scheint mir im engen Zusammenhange zu stehen mit den bei= den früheren Abschnitten, welche auf Sonderung der jüdischen Ge⸗ meinden hinzielen. Mein Wunsch ist, daß 362 Paragraph ganz wegfalle. ollte er zur Ausführnng kommen, so würden die §§. 25 und 26 müßig dastehen, denn die sprechen nur Grundsätze aus, welche für alle übrigen Einwohner des Staates bereits gelten. Wenn der Wegfall dieses Paragraphen nicht jetzt schon beschlossen werden sollte, so würde ich beantragen, daß die Bestimmung vorbehalten bliebe, diese Paragraphen bis §. 33 zu streichen, da gerade die Bestimmun⸗ gen, welche für die Christen gelten, auch für die Juden vollkommen ausreichend sind. Die Christen können ihren Kindern Privat-Unter= richt ertheilen lassen, sie können besondere Schulen errichten. Ich sehe also nicht ein, warum wir diese Bestimmung bestehen lassen sol⸗ len, wenn wir den Grundsatz der Trennung fallen lassen müssen.
Marschall: Der Antrag geht dahin, die Paragraphen bis zu 33 wegfallen zu lassen?
n. von Fock: Mein Antrag geht jetzt nur auf S8. 25 und 26.
Marschall: Er ist aber bis auf 5. 33 ausgedehnt. Ich muß bemerken, daß die Diskussion bis zu 8. 33 nur eine eventuelle sein würde. Dann werde ich fragen, ob der Antrag, die Paragraphen, wie sie auch abgeändert sein mögen, wegfallen zu lassen, Unterstützung sindet, und ob der Wegfall beschlossen werden soll?
Hat Jemand eine persönliche Bemerkung zu machen? schien, wünscht ein Mitglied dort das Wort zu haben.
Graf Merveldt: Zur Aufklärung eines anscheinenden Miß— verständnisses muß ich bemerken, daß nicht von wissenschaftlichen Schu⸗ len, sondern von Elementar- Schulen die Rede war, mit denen der Religions Unterricht so unzertrenntlich verwebt ist, daß der Lehrer auch zu der Konfession sich bekennen muß, welcher die Schule an—
ehört. s Marschall: Es ist dies bereits bemerkt worden.
Also eventuell und mit Vorbehalt des Antrages, der gemacht worden ist, die Paragraphen bis zu 33 wegfallen zu lassen, war ge—
Wie es
gen §§. 25 und 26 nichts zu erinnern, und wir kommen daher auf
§. 27.
Referent Sperling (Liest vor): .
Wo eine Schule nach §§5. 29, 32 Tit. 11 Th. II Allg. Land⸗ recht durch Beiträge der Hausväter unterhalten wird, können diese Beiträge anch von jüdischen Hausvätern erhoben werden, und wo die Schule aus Kommunalfonds sustentirt wird, ist es um so mehr recht und billig, daß die jüdischen Orts- Einwohner an der, Schule gleichen Theil haben wie die Christen, weil sie gleich diesen zu den Kommunalfonds beisteuern. Tritt der Fall ein, daß die an einem Orte bestehenden Schulen dem Bedürfnisse nicht ensprechen, so ist es gesetzliche Pflicht der Kommune, für deren Erweiterung oder Errichtung neuer Schulen zu sorgen. Diese, Last auf ihre jLdischen Mitglieder zu wälzen, ist rechtlich unzulässig. Eben so wenig läßt sich eine Beschränkung der jüdischen Einwohner in der Wahl unter mehreren Ortsschulen rechtfertigen, wenn sie zu allen beitragen, da der Grundsatz „gleiche Pflichten, . Rechte da⸗ durch verletzt werden würde. Wenn es der Negierung freistehen sollte, die Kinder der Juden nach einer bestimmten Schule zu ver⸗ weisen, so könnte daraus, man denke an große Städte, auch für die Aeltern wohl die Nothwendigkeit hervorgehen, ihre Wohnungen nach dem Bezirke der Schule zu verlegen und ein mittelalterliches Ghetto sein Basein erhalten. Diese Betrachtungen führten zu dem einstimmigen Beschlusse, den Wegfall des in Rede stehenden Para⸗ graphen zu beantragen. Nur iasofern waren die Ansichten ver⸗ schieden, als von den anwesenden zehn Mitgliedern fünf es ein—⸗
fach bei dessen Wegfall belassen wollten, weil dann, wenn mehrere Schulen an einem Orte bestehen, die Freiheit der Wahl unter denselben für die Juden sich wie bisher von selbst verstehen würde, die anderen fünf Mitglieder dagegen dies noch ausdrücklich ausge⸗ sprochen und der vorliegenden Disposition des Gesetzentwurfs fol⸗ gende Bestimmung: „Befinden sich an einem Orte mehrere Elementarschulen, so stehen den jüdischen Einwohnern hinsichtlich der Wahl der Schulen dieselben Befugnisse zu, wie den christlichen Einwohnern des Orts“ substituirt zu sehen wünschten. ; . ᷣ Geh. Regierungs-Rath Brüggemann: Ich will mir mur die Bemerkung erlauben, daß ich in der Abtheilung, als ich die Deutung vernahm, die man dem vorliegenden Paragraphen geben wollte, so⸗ gleich den Vorschlag machte, die, Fassung dahin zu ändern: Es solle den jüdischen Aeltern eben so wie den christlichen die Wahl der Orts⸗ schule unter mehreren vorhandenen freistehen, so lange nicht Uebel⸗ stände daraus hervorgingen, welche ein Einschreiten erforderlich machten.
Es ist nämlich lediglich der Fall ins Auge gefaßt worden, wenn in einem Orte zwei oder mehrere öffentliche städtische Schulen und die Anzahl der jüdischen Kinder auf mehrere Schulen vertheilt sind, aber nicht in einer allein hinreichenden Raum findet, wird damit nicht wegen der gerade auf eine Schule gerichteten Wahl der jüdischen Aestern bei dieser eine Erweiterung des Näaumes oder eine Vermeh⸗ rung der Klassen nothwendig werden, während die anderen Schulen nach dem obwaltenden Gesammtbedürfnisse genügen können.
Referent: Ich weiß nicht genau mich zu erinnern, welcher Vorschlag gemacht ist, . ging er nur von dem Herrn Regierungs⸗ Kommissar aus, und kein Mitglied der Abtheilung machte ihn zu dem seinigen, weil durch den Nachsatz, den er enthält, dasselbe ausge⸗ sprochen wäre, was in dem 8. A steht.
Abgeordn. Graf von Schwerin: Ich wollte nur dasselbe an= führen, was der Referent bemerkt hat. Der Vorbehalt des Herrn
Kommissars würde keinen anderen Sinn geben als der s. 27 in sei⸗ ner jetzigen Fassung. .
Abgeordn. von Beckerath: Ich habe mit wenigen Worten sa⸗ gen wollen, daß, wenn es sich bisher immer nur darum gehandelt hat, die Juden in bürgerlicher Beziehung zu beschränken, die vorliegende Bestimmung selbst ein Eingriff in die Rechte des Familienlebens sein würhe, denn es ist ein heiliges Recht des Vaters, zu bestimmen, wer seine Kinder unterrichten soll.
Abgeordn. von Auerswald; Ich glaube, daß der Vorbehalt, der in dem von dem Herrn Kommissarlus angeführten Abänderungs— Vorschlage enthalten ist, keinen anderen Zweck und Sinn haben kann, als die Schulen vor der Ueberfüllung zu hüten; dies scheint aber über⸗ flüssig, denn in den allgemeinen Bestimmungen, welche auch für die christlichen Kinder maßgebend sind, sind schon genügende Abwendungs= Maßregeln enthalten. Hat der Vorschlag aber einen anderen Sinn, und will er die konfesslonellen Scheidungen bewahren, dann würde er . sein und ich mich diesem ger schle he entschieden wider⸗ etzen.
(Ruf zur Abstimmung.)
Marschall: Der einstimmige Vorschlag der Abtheilung geht
dahin, diesen Paragraphen ganz wegfallen zü lassen. Ueber das,
w
was an die Stelle desselben zu setzen wäre, hat sich die Abtheilung nicht vereinigen können. Bevor wir über diesen letzteren Punkt die Diskussion eröffnen, will ich an die hohe Versammlung die Frage stellen, ob der Paragraph wegfallen soll.
Majorität * die Verwerfung.)
Die Masjorität hat den Paragraphen verworfen. Nun fragt es sich, ob die Versammlung den fünf Mitgliedern der Abtheilung bei⸗ treten will, welche den Vorschlag gemacht haben, eine andere Bestim⸗ mung an die Sielle dieses ausfallenden Paragraphen zu setzen?
Referent Sperling: Dies scheint ganz überflüssig.
Abgeordn. Graf von Schwerin: Auch meiner Ansicht nach scheint es überflüssig zu sein. Nachdem der erste Vorschlag angenommen wor den ist, kap der ganze Paragraph wegfallen soll, scheint es kaum 3 möglich zu sein, andere, Bestimmungen an dessen Stelle zu etzen.
Marschall: Eine Möglichkeit möchte wohl vorhanden sein, etwas Anderes an die Stelle zu setzen, es scheint aber der Vorschlag dazu keinen Anklang in der Versammlung gefunden zu haben und darüber weggegangen werden zu können.
Abgeordn. Dittrich: Da die Streichung dieses Paragraphen beschlossen ist, so scheint es zweckmäßig, wenn in dem s. 26 zugesetzt wird: „in einer der Ortsschulen.“
Marschall: Wird diesem Vorschlage beigetreten?
(Mehrere Stimmen: Nein!)
Abgeordn. von Massow: Ich erlaube mir darauf aufmerk⸗ sam zu machen, daß der Antrag noch nicht unterstützt worden ist.
Marschall: Ich habe die desfallsige Frage an die Versamm— lung gerichtet, der Vorschlag ist jedoch nicht unterstützt, weshalb ich ihn auch nicht zur Abstimmung bringe.
Referent Giest ad 8. 28 des Gutachtens vor):
; „S. 28. ;
In der Denkschrift ist S. 32 bemerkt worden, daß es im Interesse des Staates liege, daß seine Unterthanen ohne Aus⸗ nahme in der Religion, zu welcher sie sich bekennen, erzogen wer⸗ den. Ist dies der Fall, so muß der Staat sich auch dessen verge⸗ wissern, daß solches geschieht, und Anstalten treffen, daß es gesche⸗ hen kann. Zu Gunsten der Juden kann es nun nicht ausgelegt werden, wenn es, wie in den Worten „eine jede Judenschaft 2c,“ beabsichtigt worden, lediglich ihnen anheimgegeben wird, wie sie ihren Kindern den Religlons-Unterricht beibringen wollen. Den meisten Familien würde solches wegen Beschränktheit ihrer Ver⸗ hältnisse bei dem besten Willen nicht möglich sein, wenn ihnen Ler Staat dabei nicht zu Hülfe käme. Deshalb entschied sich die Ab—⸗ theilung einstimmig dahin, daß in Stelle des angedeuteten Passus,
den eigenen Wünschen der Juden entsprechend, die Bestimmung zu treffen sei: daß eine jede Synagogen- Gemeinde verbunden sein soll, wenigstens einen Religionslehrer anzustellen und zu besolden, welchem der Unterricht der Kinder in den jüdischen Religions⸗ wahrheiten zu übertragen ist, ⸗ indem sie es dabei als sich von selbst verstehend ansah, daß, wenn an einem Orte mehrere Synagogen - Gemeinden bestehen, sollten, denselben es unbenommen bliebe, sich in Beziehung auf einen ge— meinschaftlichen Religionslehrer zu vereinigen. ͤ
Regierungs- Kommissar Brüggemann: Blos weil es besondere Schwierigkeiten zu haben schien, für jede einzelne Synagoge die Ver⸗ pflichtung zur Anstellung eines besonderen jüdischen Religionslehrers auszusprechen, glaubte man den Weg offen lassen zu müssen, daß auch auf andere Weise, z. B. durch die Aeltern selbst, für die Ertheilung des Religions-Unterrichts gesorgt werden könne. Wenn aber die Versammlung es angemessen hält, daß jede Synagoge verpflichtet werde, einen eigenen Religions Lehrer anzustellen, und wenn sie den einzelnen Vereinen die finanziellen Mittel zutraut, um die Kosten die⸗ ser' Anstellung aufzubringen, so wird gegen eine solche Verpflichtung nichts zu erinnern sein, da dem Staate dasjenige Mittel, welches die Unterweisung in der Religion am besten sichert, auch das erwünschteste sein muß. w .
Abgeordn. Graf von, Schwerin: Ich würde mich dem S. 26 widersetzen, insofern er wieder den Grundsatz aufstellt, den ich nicht anerkennen kann, daß dem Staate die Befugniß zustehe, darüber zu urtheilen, ob Jemand als Religions-Lehrer zuzulassen sei oder nicht, und in dieser Beziehung würde ich für die Weglassung des letzten Satzes im §. 28 stimmen.
Marschall: Dieser Gegenstand wird noch besonders vor— kommen, für jetzt ist zur Frage gestellt, ob vorgeschrieben werden soll, daß jede Synagogen-Gemeinde verbunden sei, wenigstens einen Religions-Lehrer anzustellen und zu besolden. Ich bitte diejenigen, welche sich für diese Bestimmung erklären wollen, aufzustehen.
(Beinahe einstimmig angenommen.)
Referent (liest in dem Abtheilungs- Gutachten weiter):
„Legt aber der Staat den Sznagogen-⸗Gemeinden diese Verpflich— kung auf, so meinten einige Mitglieder, müsse er auch dafür sor⸗ gen, daß dieselben solcher genügen können, daß es an qualifizirten Religions-Lehrern nicht fehle. Hierzu seien besondere Bildungs⸗ Anstälten, gewissermaßen Seminarien, nothwendig. Wie der Staat Anstalten zur Heranbildung der Lehrer der christlichen Religion ins Leben rufe und unterhalte, so sei es auch seine Sache, zu Gun— sten der Lehrer jüdischer Religion es zu thun, da die Juden zu seinen Bedürfnissen eben so beisteuern, wie die Christen, und im Wege der allgemeinen Besteuerung selbst zur Unterhaltung der Anstalten für die Lehrer der christlichen Religion beitragen.
Dem wurde von den übrigen Mitgliedern widersprochen, indem einzelne derselben unter Hinweisung darauf, daß die jüdische Reli⸗ gion nur einr geduldete sei, schon die Verpflichtung des Staats, überhaupt sich darum zu kümmern, wie die Juden sich ihre Reli⸗ ions-Lehrer heranbilden, Andere wenigstens die Obliegenheit des⸗ ien, die Kosten solcher Bildungs⸗Anstalten herzugeben, in Ab⸗ rede stellten.
Als es zur Abstimmung kam, erklärte sich daher die Abthei⸗ lung mit sechs Stimmen gegen vier zwar dafür,
daß es überhaupt zweckmäßig und nothwendig sei, Anstal⸗
ten zur Ausbildung jüdischer Religions-Lehrer einzurichten, in gleichem Stimmen⸗Verhältnisse aber dagegen:
daß dies auf Kosten des Staates geschehe.“
Marschall: Wenn jetzt der Herr Abgeordnete Graf von Schwerin Gelegenheit nehmen will, seinen früheren Vorschlag vorzu— tragen, so ist demselben hierzu das Wort gestattet.
(Geschieht nicht.) Verlangt sonst Niemand das Wort? Der Haupt-Vorschlag der Abtheilung geht dahin, daß Anstalten zur Ausbildung in der jüdi⸗ schen Religion eingerichtet werden sollen, und dies bildet die allge— meine Frage. Ob diese Einrichtungen auf Kosten des Staats ausge⸗ führt werden sollen, ist demnächst die zweite. Zunächst werde ich über die erste Frage abstimmen lassen und bitte diejenigen, welche dieselbe bejahen wollen, aufzustehen.
(Dies geschieht.) Das Ergebniß der Abstimmung ist nicht mit Gewißheit zu über- sehen, ich bitte daher die Herren Ordner, zu zählen.
Das Ergebniß der Abstimmung t folgendes: die Frage
ist mit 213 gegen 177 Stimmen bejaht, und hiernach steht
fest, daß Anstalten für die Ausbildung jüdischer Lehrer eingerichtet
werben follen. Nun ist noch die Frage, ob die Einrichtung auf Ko⸗
sten des Staates stattfinden soll. Bie Abtheilung hat sich dagegen erklärt, und es fragt sich, ob sich Jemand darüber äußern will.
Wbgeordn. Wodiczka: Ich gehöre zu den Mitgliedern, die der Ansicht sind, daß die Anstallen zur Ausbildung jüdischer Lehrer nicht auf Kosten des Staats eingerichtet werden, denn es giebt ka⸗ tholische Seminarien, die nicht vollständig auf Kosten des Staates, sondern größtentheils aus Fonds der Katholiken eingerichtet werden, und ich sehe nicht ein, warum die Juden bevorzugt werden sollen.
Marschall: Wenn Niemand mehr das Wort verlangt, so kom— men wir zur Abstimmung, und ich frage, ob die Anstalten zur Ausbildung der jüdischen Lehrer auf Kosten des Staates errichtet werden len? Die Bejahenden bitte ich, aufzustehen. ö
(Es erheben sich nur sehr wenig Mitglieder, und die Frage ist verneint.)
Referent (liest vor): ] ;
„Eine Prüfung der jüdischen Religionslehrer in Betreff ihrer Rechtgläubigkeit und des Maßes der ihnen beiwohnenden Reli⸗ gionskenntnisse kann füglich nicht stattfinden, weil das Judentum eine geistliche Autorität überhaupt nicht anerkennt. Jedoch darf deshalb dem Staate es nicht gleichgültig sein, welche wissenschaft⸗ lich? Bildung der Religionslehrer außerdem besitzt. Da von einem Manne, welcher einen gewissen Grad allgemeiner wissenschaftlicher Bildung sich angeeignet hat, mit Grund auch eine gesundere Auf⸗ fassung der Religionswahrheiten zu erwarten ist, so schien es der Abtheilung zweckmäßig, von einem jüdischen Religionslehrer wenig- stens die allgemeinen wissenschaftlichen Kenntnisse eines Elementar⸗ lehrers zu fordern und in dieser Beziehung ihn einer Staats- Prü⸗ fung zu unterwerfen. Sie wünscht demnach einstimmig, daß hier⸗ über noch eine ausdrückliche Festsetzung erfolge, und würde ihrem Wunsche genügt werden, wenn in dem zweiten Abschnitte des vor— liegenden Paragraphen hinter „zugelassen werden, welche“ die Worte: „in einer mit ihnen anzustellenden Prüfung die allgemeinen wissenschaftlichen Kenntnisse eines christlichen Elementarlehrers nach= gewiesen und“ eingeschaltet würden, so daß dann dieser Abschnitt dahin lauten möchte:
„„Als besondere Religionslehrer können nur solche Per⸗ sonen zugelassen werden, welche in einer mit ihnen anzustellen⸗ den Prüfung die allgemeinen wissenschaftlichen Kenntnisse eines christlichen Elementarlehrers nachgewiesen und zur Ausübung eines Lehramtes vom Staate die Erlaubniß erhalten haben.““
Regierungs Kommissar Brüggemann: Ich wollte mir die Bemerkung erlauben, daß das, was die Abtheilung wegen der Prü— fung der Religionslehrer wünscht, bereits besteht; denn es wird kein jüdischer Lehrer zur Ausübung des Amtes eines Religionslehrers zu⸗ gelassen, der nicht die allgemeine Bildung und die Kenntnisse eines christlichen Elementarlehrers nachgewiesen und zur Ausübung eines Lehramtes vom Staate die Erlaubniß erhalten hat. Die Ertheilung der Erlaubniß zur Ausübung eines Lehramtes setzt die nachgewiesene Qualification dazu voraus.
Abgeordn. Graf Schwerin: Eine Bemerkung dem Herrn Re— gierungs⸗Kommissar gegenüber bitte ich mir zu erlauben. Ich möchte es für zweckmäßig halten, wenn es bei der Fassung bleibt, welche die Abtheilung vorgeschlagen hat. Mit Berücksichtigung dessen, was der Herr Regierungs-Kommissar uns gesagt hat, . es die Tendenz der Staats-Jegierung sei, daß konfessionelle Schulen eingerichtet werden sollen, würde der Paragraph so verstanden werden, als wäre diese Tendenz auch hier ausgesprochen, und es wird daher die Fassung, wie sie die Abtheilung vorgeschlagen hat, die bessere sein.
Regierungs- Kommissar Brüggemann: Der Staat hat seiner⸗ seits eine Prüfung der jüdischen Religionslehrer nicht anordnen kön—= nen, weil er sich eben in den inneren jüdischen Kultus nicht ein— mischen will. ö. ;
Referent: Nach meiner Ansicht würde sich die Prüfung nur darauf beschränken, von welcher moralischen Qualisication er ist. Auf die wissenschaftliche Ausbildung des Lehrers dürfte sie sich nicht aus dehnen, und um in dieser Beziehung jedes Bedenken zu heben, ist es nothwendig, daß der Zusatz zu dem 8. 28 so gefaßt wird, wie die Abtheilung ihn gewünscht hat. w
Regierungs Kommissar Brüggemann: Dagegen würde ich nichts zu erinnern haben.
Marschall: Wenn Niemand das Wort verlangt, so frage ich, ob der Antrag der Abtheilung angenommen werden soll?
(Wird von der Versammlung angenommen.)
Referent (liest vor):
„Um den Lehrern jüdischer Religion keine Gelegenheit abzu⸗— schneiden, sich diese Kenntnisse anzueignen, schien es einigen Mit— gliedern zweckmäßig, denselben auch die Aufnahme in die Semina— tien des Staats für christliche Lehrer zu gestatten. Dies wollten andere Mitglieder bedenklich finden, weil der Unterricht in den Se⸗ minarien mit der Religion im innigsten Zusammenhange stehe und die ganze Erziehung der Zöglinge in den jetzigen Seminarien auf christlicher Lebensanschauung beruhe. Indeß blieben jene Mitglie⸗ der bei ihrer Ansicht, weil den geistlichen Zöglingen die Anwesen— heit von Juden in den Seminarien so wenig gefährlich werden könne, als in Gymnasien oder anderen Schulen, die aufgeworfenen Bedenken also höchstens auf Seiten der Juden beständen und den⸗ selben dadurch begegnet werde, daß die Juden zum Eintritt in die Seminarien für Ehristen nicht gezwungen werden, ihnen solcher nur, wenn sie es wünschen, gestattet werden solle. Mit 9 Stimmen ge— gen h entschied sich die Abtheilung für den Vorschlag, also dafür, daß den jüdischen Lehramts-Aspiranten die Aufnahme in die Se— minarien für christliche Lehrer zu gewähren sei.“
Ich glaube, es ist eine Konsequenz des ersten Satzes, und wir haben ihn aufgestellt, damit die jüdischen Lehrer die Kenntnisse der christlichen Elementar⸗Lehrer sich aneignen.
Abgeordn. von Auerswald: Ich erkläre mich entschieden ge— gen den Vorschlag der Abtheilung, weil der Vergleich, der hier ge— macht ist, auf die Seminarien, die keinesweges nur Unterrichts- An⸗ stalten sind, nicht paßt. Zweitens und hauptsächlich aber aus dem Grunde, weil ich bereits gegen einen früheren Vorschlag, der eine direkte Einmischung in die Verhältnisse einer geduldeten Religions Gesellschaft bezweckte, gestimmt habe, weil ich eine solche Einmischung im Interesse derselben nicht geeignet halte, und aus demselben Grunde glaube ich, daß auch hier keine Einmischung stattfinden dürfe.
Abgeordn. Graf von Schwerin: Ich habe geglaubt, daß es nicht nothwendig sein würde, noch etwas zu den Gründen der Ab⸗ theilung hinzuzufügen, da sich aber eine, namentlich für mich sehr gewichtige Stimme dagegen erhoben hat, so bitte ich, das Abtheilungs⸗ Hutachten noch einmal vertheidigen zu dürfen; ich bin für dasselbe, indem ich für die Seminaristen eines christlichen Seminars, wenn Juden Theil nehmen an dem Unterricht, keinen Nachtheil sehen kann. Daß die Tendenz des Unterrichts nicht geändert werden soll, versteht sich von selbst. Wenn also die Juden keinen Anstoß daran nehmen, so ist auch nicht w , warum etwas von uns dagegen ö wer⸗ den soll. Ich halte es für das Interesse des ee . sogar wünschenswerth, die Juden zu dem Unterrichte in deniselben heranzu⸗ ziehen, da ihnen dadurch die Kenntniß des Christenthums möglich
1187 wird, und jemehr man das r e n, kennen lernt, desto mehr wird man sich demselben u ließen gi sein.
Abgeordn. Frhr. von Vincke: Ich schließe mich dem an, und ich glaube, daß von dem Standpunkte des christlichen Staates aus, der Uns von der Ministerbank proklamirt worden ist, es als eine gewisse Schwäche erscheinen würde, wenn man das Christenthum durch die Zulassung der Juden gefährdet halten wollte. Dagegen möchte ich doch bas Gouvernement verwahren.
Regierungs- Kommissar Brüggemann: Es ist keinesweges das Christenthum durch die Aufnahme jüdischer Schulamts-Aspiran—⸗ ten in die christlichen Seminarien für gefährdet gehalten worden, sondern der Grund, weshalb die Aufnahme in die Seminarien bei der in einzelnen Fällen nachgelassenen Theilnahme an dem Unterricht versagt worden ist, liegt in der christlichen Lebens- Gemeinschaft, in welcher die Seminagristen verbunden sind, und nach welcher ihr gan— zes Leben in den Seminarien geregelt ist; in diese Gemeinschaft jü⸗ dische Aspiranten aufzunehmen und dieselbe dadurch zu trüben oder von den jüdischen Aspiranten eine Theilnahme zu' verlangen, schien nicht zulässig. .
Abgeordn. Dittrich: IiIch schließe mich der Abtheilung an und glaube, daß es in der Konsequenz beruht, daß nach dem, was über die Schulen beschlossen worden ist, die Lehrer auch in den Se⸗ minarien aufgenommen werden müssen. Auch aus dem, was der Kö⸗ nigliche Herr Kommissarius gesagt hat, finde ich keinen Grund, um . den Antrag zu stimmen; weil den Juden überlassen bleibt, die Aufnahme zu beantragen; ich glaube, daß eine solche dem christlichen Prinzipe sicher nicht schaden würde.
Abgeordn. von Massow: Ich bemerke, daß die Aufnahme in den Seminarien, falls sie beschlossen würde, in Folge unseres frü⸗ heren Beschlusses jedenfalls auf Kosten der IJudenschaft geschehen würde.
Abgeordn. von Auerswald: Ich muß wiederholt und aus dem Grunde, den ich bereits anführte, daß es nämlich nicht geeignet sei, sich in die inneren Verhältnisse einer geduldeten Religions-Gesell⸗ schaft zu mischen, dagegen stimmen. Ich muß bedauern, daß ich mich den beiden geehrten Mitgliedern, welche eben sprachen, nicht anschlie—⸗ ßen kann; ich kann weder dem Abgeordneten der Grafschaft Mark auf den Gesichtspunkt des christlichen Staates folgen, noch die Ten⸗ denz unterstützen, die der Abgeordnete der pommerschen Ritterschaft mir ganz unerwartet aussprach, und hätte geglaubt, daß er der Letzte sein würde, der sich von der Proselytenmacherei Vortheile verspricht.
Abgeordn. Frhr. von Vincke: Ich muß mich vorerst aufs allerentschiedenste gegen die Voraussetzung verwahren, als ob es mir jemals in den Sinn hätte kommen können, den sogenannten christlichen Staat zu vertheidigen. Ich habe mich so vollständig dagegen aus— gesprochen, daß das geehrte Mitglied dies wohl nicht voraussetzen konnte. Ich habe gesagt, daß ich nichts dagegen zu erinnern haben würde, die Juden in den Seminarien zuzulassen. Ich habe dabei so wenig, wie das Mitglied der pommerschen Ritterschaft, an Proselyten⸗ macherei gedacht, aber wohl daran, den Juden Gelegenheit zu geben, sich die Kenntniß der hohen Vorzüge des Christenthums zu erwerben. Wenn ich dem Mitgliede weiter folge, so sehe ich darin keine Ein⸗ mischung in die Verhältnisse einer geduldeten Religion, wenn ich ihren Bekennern gestatte, freiwillig dem Unterricht in den Seminarien bei⸗ zuwohnen. Es ist ja fakultativ und ganz in die Freiheit der Juden gestellt; von Zwang ist nicht die Rede. Gegenüber dem Königlichen Kommissar muß ich dann noch bemerken, daß ich nicht habe verstehen können, was unter Gemeinschaft des christlichen Lebens ge⸗— meint ist. Dieser Ausdruck ist für mich eben so mostisch und unver⸗ ständlich, als der Begriff des christlichen Staates. Wenn die Juden keinen Anstand finden, an christlichen Tischen zu essen, dann können sie auch vollständig in den Seminarien zugelassen werden.
Landtags-Kommissar: Nachdem der Kommissar des geist⸗ lichen Ministeriums erklärt hat, daß die Aufnahme der jüdischen Schul⸗-Aspiranten in den Unterricht der christlichen Seminarien keinen Anstoß sinde, sie seither zugelassen sei und ferner zugelassen werden würde, so scheint es mir doch kaum an der Zeit zu sein, daß sich die Versammlung noch länger mit der Frage beschäftige, ob dergleichen Aspiranten auch in den Seminarien essen, trinken und schlafen sollen. Es ist dies eine Frage, die in den Haus-Ordnungen der Seminarien zu entscheiden sein wird, nicht aber in dem Gesetze über die Juden. Möge man über die Frage denken, wie man will, hierher scheint die Entscheidung nicht zu gehören.
Referent Sperling: Es handelt sich hier um Zugestehung der Rechte der Staats- Bürger an die Juden so weit als irgend möglich. Von diesem Gesichtspunkte müssen wir ausgehen. Wenn von dein Königlichen Herrn Kommissar gesagt worden, es würde für die Juden ausreichend sein, wenn sie nur am Unterricht theilnehmen, so kann ich dieser Ansicht nicht beistimmen. Es kommt auf Feststellung des Prin— zips an. So wie die Christen aus Rücksichten der Konfession von dem Eintritte ins Seminar im Allgemeinen nicht ausgeschlossen sind, eben so können wir konsequenterweise auch den Juden nicht davon ausschließen. Die Proselytenmacherei, welcher ein geehrtes Mitglied gedacht hat, setzt eine positive Thätigkeit voraus. Von solcher kann hier nicht die Rede sein, da es von dem freien Willen des Juden abhängen soll, ob er in das Seminar Aufnahme suchen will oder nicht. Eben so sind die Bedenken, welche der Königliche Herr Kom⸗— missar aufgestellt hat, nur solche, die auf Seiten der Juden bestehen könnten, nie aber auf Seiten der Christen. Ich glaube, daß das Gutachten der Abtheilung nicht geschwächt und aufrecht zu erhal ten ist.
. Graf von Schwerin: Ich wollte nur sagen, daß
es nach dem, was der Herr Königl. Kommissarius zugestanden hat, für uns von keinem Interesse ist, die Sache ferner zu verfolgen, ob die Juden als Zöglinge in die Seminare aufgenommen werden kön⸗ nen. Ich muß mir aber die Bemerkung gestatten, daß der Herr Re⸗ gierungs-Kommissar es war, der uns auf die prinzipielle Erörterung geführt hat, indem er den Grundsatz ausstellte und vertheidigte, sie aufzunehmen und Theil nehmen zu lassen am Leben der christlichen Seminaristen, sei im Prinzip nicht zu rechtfertigen. Nachdem er dies aufstellte, haben wir Veranlassung gefunden, diesen Grundsatz zu be— streiten. Abgeordn. Hansemann: Auf die Bemerkung des Herrn Land⸗ tags Kommissars, daß die Sache eigentlich hier nicht zur Berathung gehöre, habe ich zu erwiedern, daß, nachdem das Gouvernement uns verschiedene Bestimmungen über den Kultus vorgelegt hat, nichts, na⸗ türlicher und folgerichtiger ist, als daß auch andere hierher gehörige Bestimmungen bei dteser Gelegenheit zur Sprache gebracht werden.
Abgeordn. von Saucken: Es ist schon Mehreres, was ich sagen wollte, von den Abgeordneten aus Westfalen und Pommern erörtert worden, dem ich mich anschließe. Wenn aber davon geredet wird, es würde durch die Aufnahme in die Seminarien Proselytenmacherei getrieben werden, so muß ich bemerken, daß die Juden gezwungen sind, Soldaten zu werden, mit den christlichen Waffenbrüdern zu essen, zu trinken und Alles mit ihnen gemeinsam zu thun, und doch wird dies Niemand für Proselytenmacherei halten, um so weniger kann dies dafür erkannt werden, wenn man ihnen nur das Recht giebt, freiwil⸗ lig am christlichen Unterrichte Theil zu nehmen und in die Semina⸗ rien die Aufnahme nachzusuchen.
Abgeordn. von Massow: Ich habe nur eine kurze Bemerkung
zu machen zu dem, was der Referent ge amli ĩ nirgend im Staate r n , gelder, 5 ö. 8 Seminarien für evangelische oder katholische Schulamts⸗Aspiranten. , eiten. ier nicht in Betr ͤ = herr e gieren is. wee . acht, da hier nur von geordn. von Merckel; Ich wollte mir di I ben, ob von Seiten der Abtheilung überhaupt be n Tf. . dement gestellt ist, Aus dem Gutachten kann ich es nicht ersehen wenigsteng nicht mit Bestimmtheit. Ich bitte, kaß sch die Mbthet— lung hierüber ausspreche, ob sie den bestimmten Antrag' stellt.
Referent Sperling: Ich bitte, deshalb die letzten Worte des Gutachtens zu lesen.
Abgeordn. Graf von Finkenstein: Ich muß mich im Namen der christlichen Religions Freiheit, der geistigen Freiheit, gegen die Aussprüche der Abgeordneten von Westfalen und Pommern erklären. Den Juden soll alle Freiheit gestattet werden; aber offenbar wird dadurch die christliche Religions-Freiheit angetastet, wenn in die Häu⸗ ser, welche dem christlichen Kultus in Leben und Lehre gewidmet sind, Leute aufgenommen werden, welche diesem Bekenntnisse feindlich ent⸗
gegenstehen. (Ruf nach Abstimmung.)
Marschall: Die Frage ist zunächst, ob die Aufnahme jüdi⸗ scher Lehramts Aspiranten in Seminare für christliche Lehrer gestat⸗ tet werden soll. Diejenigen, welche die Frage bejahen, bitte 4 auf⸗ zustehen.
Ich werde bitten, zu zählen.
Die Frage ist mit 206 gegen 183 Stimmen bejaht worden.
Referent Sperling:
J „S. 20.
Zur Unterhaltung der Ortsschulen haben die jüdischen Glaubens— genossen in gleicher Weise und in gleichem Verhältnisse mit den christ⸗ sichen Gemeindegliedern den Gesetzen und bestehenden Verfassungen gemäß beizutragen.“
Er blieb unangefochten.
Abgeordn. von Fock: Ich beantrage den Fortfall von 8. 29 aus demselben Grunde, wie den der §s8§. 26 und 27, weil danach das Verfahren dasselbe sein soll, wie nach den bestehenden Gesetzen, weil es also dieses Paragraphen gar nicht bedarf.
Marschall: Wird dieser Antrag unterstützt? Abgesehen da⸗— von nämlich, daß über §§. 31 — 33 noch abgestimmt werden wird, soll dieser Paragraph wegfallen. .
(Der Antrag wird unterstützt.)
Referent: In Beziehung auf diesen Paragraphen erlaube ich mir die Bemerkung, der hoffentlich die ganze Abtheilung beistimmen wird, daß nämlich wir den Wegfall des Paragraphen nur deswegen nicht beantragt haben, weil die darin enthaltene Bestimmung den Juden vortheilhaft werden könnte, indem in Beziehung auf sie etwas Anderes bisher beobachtet worden ist. Das ist der einzige Grund, wearum die Ab⸗ theilung sich für seine Beibehaltung entschieden hat.
Marschall: Ich frage nun: Soll §. 29 wegfallen? Die⸗ jenigen, welche für den Wegfall sind, bitte ich aufzustehen.
(Es erhebt sich keine Majorität.)
Referent:
„S. 30.
Eine Absonderung von den ordentlichen Ortsschulen können die juüdischen Glaubensgenossen der Regel . nicht verlangen; doch ist den Juden gestattet, in eigenem Interesse auf Grund diesfälliger Vereinbarungen unter sich mit Genehmigung der Schulbehörden Pri- vat-Lehranstalten nach den darüber bestehenden allgemeinen Bestim⸗ mungen einzurichten. Ist in einem Orte oder Schulbezirke eine an Zahl und Vermögensmitteln hinreichende christliche und jüdische Be⸗ völkerung vorhanden, um auch für die jüdischen Einwohner ohne de⸗ ren Ueberbürdung eine besondere öffentliche Schule anlegen zu können, so kann, wenn sonst im allgemeinen Schulinteresse Gründe dazu vorhanden sind, die Absonderung der jüdischen Glaubensgenossen zu einem eigenen Schulverbande auf den Antrag des i enn, der Judenschaft angeordnet werden.“
Gutachten der Abtheilung.
Nach der Fassung dieses Paragraphen könnte es den Anschein gewinnen, als wenn es lediglich von dem freien Entschlusse des Vorstandes der Judenschaft abhängen soll, ob eine besondere öffent⸗ liche Schule für die Kinder der jüdischen Orts-Einwohner einzu- richten sei oder nicht. Geht man aber auf die in der Denkschrift Seite 34 aufgeführten Gründe zurück, welche zur Errichtung einer solchen Schule Veranlassung bieten sollen, so findet man, daß solche von der Art sind, daß sie überall eintreten können, und daß da⸗ selbst, wo sie geltend gemacht würden, der Vorstand der Juden⸗ schaft gezwungen sein würde, die Errichtung einer eigenen jüdischen Schule in Antrag zu bringen. Hiernach dürfte es auch kaum einem Zweifel unterliegen, daß die Tendenz des Gesetz⸗ Entwurfs geradezu dahin gerichtet sei, auf die Errichtung eigener, jüdischer, sogenannter Glaubens-Schulen hinzuwirken, und dies muß, wie schon zu 8. 17 bemerkt worden, nicht allein dem Stgats-Interesse widersprechend, sondern auch mit den bestehenden allgemeinen ge⸗ setzlichen Grundsätzen unvereinbar erachtet werden. Nach diesen ist es lediglich Sache der bürgerlichen Kommunen, Elementarschulen, so weit es das Bedürfniß erfordert, einzurichten; und wie hierbei auf die verschiedenen Bekenntnisse der christlichen Kirche nicht gese= hen wird, eben so wenig kann dabei das Glaubensbekenntniß der Juden in Betracht kommen, so wenig von einzelnen Sekten der hristlichen Kirche, wenn sie auch nur zu den geduldeten gehören, gefordert wird, daß sie für sich eigene Schulen anlegen und unter⸗ halten, eben so wenig kann dasselbe von den Juden gefordert wer⸗ den, da sie eben so Mitglieder der Kommunen sind, wie die Chri= sten. Selbst nur in Form einer Vergünstigung es ihnen zu über⸗ lassen, für sich besondere öffentliche Schulen zu errichten, würde eine Ausnahme von der Regel sein, welche bedenklich wäre, weil es an Bestimmungen nicht fehlt, nach welchen, wenn einmal der⸗ gleichen öffentliche Schul Anstalten bestehen, dieselben auch unter- halten werden müssen. Daher kam die Abtheilung zu dem einmü⸗ thigen Beschluß, den Wegfall des in Rede stehenden Paragraphen, mit alleiniger Äusnahme des ersten Satzes, und aller übrigen bis . 33 inck. zu beantragen, aber auch im ersten Satze des 8. 30, um Zweifel zu vermeiden, noch die Worte „der Regel nach“ zur Vöschung zu empfehlen, so daß sich dieser Paragraph auf die Worte beschränken würde: ,. ö
„Eine Absonderung von den ordentlichen Ortsschulen kön= nen die jüdischen Glaubensgenossen nicht verlangen; doch ist es den Juden gestattet, in eigenem Interesse auf Grund diesfälliger Vereinbarungen unter sich mit Genehmigung der Schul-Behörden Privat Tehr⸗Anstalten nach den darü⸗ ber bestehenden allgemeinen Bestimmungen einzurichten.“
Für den Fall, daß auf diesen Vorschlag von dem Plenum nicht eingegangen werden sollte, vereinigten sich die Mitglieder der Abtheilung zu dem einstimmigen Wunsche, daß wenigstens
8. 30 am Schlusse hinter dem Worte:; „Vorstand“, die Worte: „und der Repräsentanten“, eingeschaltet werden möchten, da der Antrag auf Errichtung einer besonderen