1847 / 170 p. 6 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

nach Umständen dort ein Veto einzulegen. Das ist nicht gemeint. Man hat hauptsächlich bezweckt, daß die Juden, auch wenn ein besonderes Vertrauen der christlichen Gemeindeglieder sie nicht zu Stadtverordneten wählt, dennoch nie aus den Stadtverordneten-Ver⸗ sammlungen ausgeschlossen werden. Befinden sie sich aber einmal in der Versammlung, so soll man nicht unterscheiden, ob sie Juden '. oder nicht. Ein jeder Stadtverordneter hat die Pflicht, das

ohl der Gemeinde im Ganzen wahrzunehmen, und dies gemeinsame Wohl soll auch das jüdische Mitglied der Stadtverordneten nach dem Vorschlage des Gesetz Entwurfes nicht aufhören, ins Auge zu fassen.

Graf von Burg haus: Ich muß meinerseits erklären, daß ich mich dem Vorschlage der Abtheilung anschließe, und zwar von. dem Standpunkte ausgehend, daß ich zwar mit Freuden den Juden gleiche bürgerliche Rechte eingeräumt sehe, mit Ausschluß einiger wenigen, die im Gesetz Entwurf vorbehalten sind. Aber ich kann nicht einsehen, warum ihnen mehr Rechte eingeräumt werden sollen, als die christlichen Einwohner des Staats genießen, und es scheint mir eben dieser Vorschlag ein Mehr zu sein. Denn die Juden erhal⸗ ten dann nach der Bestimmung des S. 6 das Recht, daß immer ein

ude gewählt werden muß, ofern die bestimmte Zahl von jüdischen . in einem Orte vorhanden ist. Es scheint mir aber auch im Interesse der Juden selbst zu liegen, wenn diese Bestimmung nicht Platz greift, indem ein solchergestalt gewählter jüdischer Abge⸗ ordneter in er Stadtverordneten-Versammlung nicht eine so günstige Stellung einnehmen wird, als wenn er mit dem ganzen Vertrauen der stäbtischen Einwohner gewählt ist, und ich halte es daher wünschenswerth, daß dieser Paragraph wegfalle.

Fürst Wilhelm von Kadziwill: Ich muß nur wiederholen, was ich gestern schon die Ehre hatte zu sagen, und mein Bedauern ausdrücken, daß die Ansicht, welche die Regierung bei der Fassung dieses Paragraphen gehabt hat, nicht vollständiger entwickelt worden ist, da bei einer vollständigeren Entwickelung der Idee sich ein Vertrauen der Betheiligten zu dieser Richtung des Gesetzes würde haben be— gründen lassen. Es hat die Minorität die Reciprozität bei dem, z. 15 vermißt, die durchaus nothwendig schien, um ihn in jeder Beziehung gerecht zu stellen, hat aber im Uebrigen die wohlwollende Absicht der Regierung nicht verkannt, die darin besteht, den Judenschasten ihre Vertretung in den Stadtgemeinden zu sichern, wenn sie auch nicht aus den freien Wahlen der Christen hervorgehen sollten.

von Hochberg: Ich wollte mir nur eine kurze Bemerkung erlauben, wodurch sich die Ansicht vielleicht anders stellen könnte. Es ist bisher in meiner Nähe und in den Kreisen, wo ich mich befinde, vorgekommen, daß die Juden dort das Vertrauen der Stadtbewohner gewonnen haben und als Stadtverordnete und Raths⸗ männer in den Magistrat eintreten, und sie wurden gar nicht von ihrem religiösen Standpunkte aus betrachtet, sondern als Männer, die das Vertrauen der Kommune genießen, und ich fühle mich ver⸗ pflichtet, ihnen das Zeugniß zu geben, daß sie sich dieses Vertrauens stets würdig gezeigt haben, und daß man die Juden auch als Ge⸗ richtsschreiber angenommen hat. Ich würde mich der Ansicht anschließen, daß es in Zukunft in Beziehung darauf bei den bestehenden Ver⸗ hältnissen bleiben möge, obgleich dieser aus meiner Erfahrung ge⸗ schöpfte Fall freilich ein einzeln dastehender ist und ich auch nicht befugt bin, eine Ansicht für die anderen Provinzen des Staats aus⸗ zusprechen.

Referent: Ich kann gleichfalls aus meiner dienstlichen Erfah— rung bestätigen, daß bei den Stadtverordneten-Versammlungen, namentlich in Psqmmern, ich Juden gefunden habe, die ihre Stellung vollständig ausfüllten, und ich glaube also, daß die bisherigen Ver⸗ hältnisse im Wesentlichen gut waren, und es möchte wohl Niemand wünschen, daß sich die Stadtverordneten -Versammlungen in kon— fessionelle Parteien sonderten. .

Graf Aork: Ich wollte nur bemerken, daß ich an der guten Absicht, die Se. Erxcellenz ausgesprochen, den Juden einen außer⸗ ordentlichen Beweis der Gewogenheit zu geben, nicht zweifeln darf; ich kann ihn jedoch als solchen nicht aufnehmen, denn es ist eine nothwendige Folgerung, daß, wenn der Jude von der Judenschaft, also von einer Körperschaft, gewählt wird, sich auch ein korporatives Interesse bei den Vertretern finden muß, und daß wir einen Kampf zwischen den Interessen der christlichen und jüdischen Bevölkerung hervorrufen, der gegenwärtig nicht mehr existirt. Es ist mir 3 nie zu Ohren gekommen, daß eine christliche Stadtverordneten-Ver⸗ sammlung die jüdischen Mitglieder der Kommune nicht mit gleichen Augen wie den Christen angesehen, und es würde, wenn das ge⸗ schehen wäre, ein schwerer Vorwurf gewesen sein für den, der gegen Pflicht und Gewissen gehandelt hätte, und es ist mir auch noch nie bekannt geworden, daß Juden über Stadtverordnete eine der— gleichen Klage geführt; ich stimme also dafür, daß der Parapraph wegfällt.

Graf von Königsmark; Ich kann mich dem nur anschließen, weil ich die Ueberzeugung hege, daß der Wunsch, der Paragraph möge weg⸗ bleiben, mit den Wünschen aller Juden im preußischen Lande über⸗ einstimmt.

Marschalfsl: Wenn keine weitere Bemerkung erfolgt, so kom— men wir zur Abstimmung, und zwar in der Art, daß diejenigen, welche dem Antrage der Abtheilung, daß der Paragraph wegfalle, beistimmen, dies durch Aufstehen zu erkennen geben. ;

Dem Antrage ist beigestimmt, und wir kommen zu dem §. 16. . Die folgenden Paragraphen handeln von dem Kul—

(Verlesung §. 16 des Gesetzes, ö. des Gutachtens ad §. 16.) 1

Die auf den Kultus bezilglichen i inri ;

. s bezüglichen inneren Einrichtungen bleiben 3. a jeder einzelnen Judenschaft, resp. deren Vorstehern . , überlassen. Bie Regierung hat von diesen Ein— tresfen als e r Kenntniß zu nehmen und Entscheidung zu

Jun? z 16 6 Ordnung ihr Einschreiten erfordert, geen, . ö. der Abtheilung nur ein Zusatz in Anregung

ren m , Jedoch die Majoritaͤt nicht erhalten hat, sondern

m gegen timmen abgelehnt worden ist

Der Inhalt dieses Paragra f

. phen entspricht ganz den §5§. 46 48

Vt. Ji. Thell jJ. bes Agne ne enn, Gee 'S erde, z Jeme d .

Synagogen⸗ Ordnungen annehmen 6 . , .

Regierung insofern erhalten, daß der S halt zu erinnern findet: so haben diese ö , . Natur der Polizei- Gesetze. Hiernach ist es ig . nn ö.

rathen, daß die Synagogen⸗ Ordnungen zuwellen Geldstrafen 2 Störungen des Gottesdienstes androhen; es fragt sich, ob ki gegen , des Vereins oder auf Antrag de e de, d e, 56 olizei Behörde festgesetzt und eingezogen werden sollen. e 3 * eher der Juden im Posenschen wänschen öfter Letzteres, um . orstande das Odium der Straffestsetzung zu ersparen, und die Mi⸗ er gie , 0 3 fend ö die Majorität eine solche

er Polizei⸗Behö sin ö. . 3 hörde, selbst auf Antrag des Vorstandes, ollte die Ansicht der Minorität bei der hohen Kurie Anklan ke , e. der beregte Zusatz möglicher Weise dahin gefaßt Auf Ansuchen des Vorstandes hat die Polizei⸗Behörde die Gelb⸗ strafen festzüsetzen und einzuziehen, welche 6 eine geseßlich eingeführte Synagogen⸗Orbnung angedroht worden sind.“

*

Im Allgemeinen empfiehlt die Abthellung den §. 16 und eben so auch den §. 17 zur Annahme.

Referent Graf von Itzenplitz: Ich bemerke zunächst, daß die Minorität nicht blos aus meiner Person bestanden hat, sondern daß die Majorität 4 und die Minorität 3 Stimmen betrug. Ich bin auf diesen Antrag dadurch geführt worden, weil ich glaube, daß dazu ein praktisches Bedürfniß vorliegt. Wenn die Juden Syna⸗ gogen⸗-Ordnungen annehmen, so werden diese der Regierung zur An⸗ erkennung vorgelegt, und diefe äußert sich den Gesetzen entsprechend in der Regel dahin, daß sie sagt: „wir finden gegen die Synagogen⸗ Ordnungen nichts zu Lrinnern!“ Run sst herdorzuheben, daß oͤfter die eine Partei, welche an den bisherigen Anordnungen hält und bei Annahme der Synagogen-Ordnungen in der Minorität geblieben ist, diese dadurch geltend zu machen sucht, daß sie den Gottesdienst, wenn dieser in der neu vorgeschriebenen Ordnung vor sich geht, zu stören sucht. In einem solchen Fall ist dann der Vorstand ermäch= tigt, die Strafen festzusetzen, welche die Synagogen-Ordnung an⸗ droht. Es scheint wünschenswerth, daß, wenn der Fall einer Störung eintritt, der Vorstand befugt sei, der Polizeibehörde Anzeige zu machen: „Der N. N. hat gegen den und den Paragraphen der Synagoögen-rdnung verstoßen und ist daher zu bestrafen.“ Wenn derselbe es nicht zugesteht, so ist der Beweis zu führen, und wenn der Beweis geführt ist, so wird er bestraft. Ich habe dies nur wollen zur Sprache bringen, weil ich weiß, daß es von vielen Vor⸗ ständen gewünscht wird, der Straf- Festfetzung überhoben zu sein und solche der Polizeibehörde überlassen zu können.

von Massenbach: Ich erlaube mir eine Bemerkung dagegen. Ich glaube, daß die Veränderung nicht eine Verbesserung, sondern eine Verschlechterung ihres Gottesdienstes ist, weil es nämlich die jüdische Partei ist, welche man zu den Lichtfreunden rechnen kann, und ich fehe nicht ein, warum wir diese Partei unterstützen wollen. Ich würde mich dafür erklären, daß es bei den alten Einrichlungen in der Synagoge bleibe.

Referent Graf von Itzenplitz: Ich glaube, es geht über unsere legislatorische Befugniß und über die Stellung des Staates, den Juden als einer geduldeten Religionsgesellschaft gegenüber, hin⸗ aus, zu beurtheilen, was rücksichtlich ihres Gottesdienstes schlechter oder besser ist. Dem Staate kann es ganz gleichgültig sein, was besser ist; allein für das, was die Majorität angenommen hat, scheint mir äußerlich die Präsumtion zu sprechen, daß es besser seie.

Graf Dyhrn: Nach meiner Ansicht ist davon hier nicht die Rede, es ist hier von Störungen des Gottesdienstes überhaupt die Rede. Daß diese von einer gewissen neuen Partei ausgehen können, war, so viel ich verstanden habe, nur die Privat- Ansicht des Herrn Referenten. Die Störungen können von der alten Partei eben so gut ausgehen, wie von der neuen. Wir entscheiden hier gar nicht über irgend eine Partei. Wenn wir überhaupt damit übereinstimmen, daß die Polizei⸗Behörde die Störungen strafen soll, so sprechen wir dadurch nicht aus, daß wir irgend einer Partei helfen wollen. Wir sprechen blos von Störungen. Nach meiner Ansicht war es ein Beispiel, welches der Herr Referent vertreten wird; aber es war nicht die Ansicht ausgesprochen, daß wir diese Strafen einführen sollen, damit die neue Partei die alte nicht störe.

von Massenbach: Der Herr Referent hatte sich in eben der Art darüber ausgesprochen, und darum hielt ich mich zu meiner Be⸗ merkung verpflichtet. Ich glaube auch, wie der Herr Referent sagt, daß wir nicht darüber zu entscheiden haben, ob wir eine oder die andere Partei an einer Verbesserung verhindern wollen; aber ich sehe auch nicht ein, warum wir uns einmischen wollen, und dadurch der einen oder der anderen Partei polizeiliche Hülfe gewähren. Ich glaube, daß gerade in religiösen und kirchlichen Angelegenheiten, es sehr selten die Majorität ist, von der man behaupten könnte, daß sie Recht habe.

Marschall: Es muß bemerkt werden, daß es sich nicht von Störungen des Gotlesdienstes allein handelt, sondern von llebertre⸗ tungen überhaupt.

Graf Dyhrn: Auch bei Störungen in christlichen Kirchen muß die Polizei requirirt werden. Welchen Grund die Störungen haben, das ist ganz gleich. Es kann Jemand in einem unzurechnungsfähigen Zustande in die Kirche kommen und Störungen verursachen.

Marschall: Wenn keine weitere Bemerkung erfolgt, so kom— men wir zur Abstimmung und zwar in der Weise, daß diejenigen Mitglieder, welche dem Antrage, wie er vorliegt, beitreten wollen, dieses durch Aufstehen zu erkennen geben.

Referent Graf von Itzenplitz: Der Antrag lautet: „Auf Ansuchen des Vorstandes hat die Polizei-Behörde die Geldstrafen festzusetzen und einzuziehen, welche durch eine gesetzlich eingeführte Synagogen-Ordnung angedroht worden sind.“

Graf Nork: Wenn ich recht verstanden habe, so soll jetzt die Ansicht der Minorität zur Abstimmung kommen.

Marschall: Der Vorschlag ist von 6 Mitgliedern unterstützt worden, und dies ist die Veranlaffung, weshalb ich ihn jetzt zur Ab⸗ stimmung bringe. Es würden diejenigen, welche dem Vorschlage bei⸗ treten, dies durch Aufstehen zu erkennen geben. .

Die Majorltät ist dem Vorschlage beigetreten. Wir kommen zu §5. 17.

; Referent Graf von Ihen lig (Eiest vor.) 8. 17

Dem Statute einer jeden Judenschaft bleibt die Bestimmung darüber vorbehalten, ob Kultusbeamte angestellt und wie dieselben gewählt werden sollen. Bis dahin behält es wegen dieser Wahlen bei demjenigen, was in den einzelnen Judenschaften herkömmlich ist, und in Ermangelung eines festen Herkommens bei den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften wegen der Wahl von Gesellschaftsbeamten sein Bewenden. Die gewählten Kultusbeamten dürfen in ihr Amt nicht eher eingewiesen werden, bis die Regierung erklärt hat, daß gegen ihre Annahme nichts zu erinnern ist. ie Regierung hat ben dieser Erklärung außer den Förmlichkeiten der Wahl nur. darauf Rücksicht zu nehmen, daß die gewählten Kultusbeamten unbescholtene Männer sind. . .

Das Gutachten hierzu lautet: „Im Allgemeinen empsiehlt die Abtheilung den §. 16 und eben so auch den 8. 17 zur Annahme.“

§. 17 wird zur unveränderten Annahme seitens der Abtheilung empfohlen. .

Marschall: Der Paragraph ist angenommen.

Referent Graf von Ih enp lit trägt vor):

§8.

Entstehen innerhalb einer Judenschaft Streitigkeiten über die inneren Kullus-Einrichtungen, welche auf Bildung einer neuen Sy⸗ nagoge abzielen, so sind die Minister der geistlichen 2c. Augelegenhei⸗ ten und des Innern ermächtigt, auf den Antrag der Interessenten eine Begutachtung der obwaltenden Differenzen durch eine zu diesem Zweck einzusetzende Kommission eintreten zu lassen. Kann durch den Juusspruch' ber Kommission der Konflikt nicht . werden, so haben' die Minister unter Benutzung des von der Kommission ab⸗

e genen Gutachteng darüber Anordnung zu treffen, ob und mit welcher Maßgabe die Einrichtung eines abgesonderten Gottes dienstes

oder die, Bistung einer neuen Synagoge zu gestatten ist; zugleich aben dic mit Ausschluß 8 Rechtsweges zu bestimmen, welcher heil im Besiz der vorhandenen Kultus- Efnrichtungen verbleibt.

Bei dem 8. 18 sind der Abtheilung die Worte: „ob und“ (in der vierten Zeile von unten) bedenklich erschienen. Aus diesen könnte leder werden, daß die Behörde auch das Recht habe, die begehrte

rennung pure zu versagen. Es ist dies wohl nicht die Absicht des Gesetzgebers, und der Staat kann keinen Grund haben, solche Tren— nung zu hindern; es kommt nur darauf an, die Modalitäten derselben zu oͤrdnen und festzustellen. Die Abtheilung beantragt daher einstim⸗ mig, die Worte: „ob und“ wegzulassen, übrigens aber den Paragraphen anzunehmen. In der letzten Zeile desselben wird nach der Ansicht des Königlichen Rathes, welcher den Berathungen der Abtheilung bei— wohnte, statt:

„Kultus-Einrichtungen“ besser zu sagen sein:

„Vermögen des Synagogen-Vereins.“ Die Abtheilung war hiermit ganz einverstanden.

Staats -Minister Eichhorn: Es ist allerdings nicht die Ab— sicht der Regierung, die Trennung in einer Judengemeinde zu ver— hindern, wozu in Folge der sich jetzt kundgebenden Bewegungen ein Theil der Gemeinde sich entschließen möchte. Darüber, ob eine Trennung stattfinden darf, soll keine Frage entstehen können. Es scheint, daß blos die Trennung an und für sich im Gutachten der Kom— mission ins Auge gefaßt wird. In der Beschränkung der Frage hierauf erscheint allerdings das Wort „ob“ ganz überflüssig. Der §. 18 spricht aber an der betreffenden Stelle nicht blos von einer Trennung, sondern auch von der Errichtung eines neuen Gottes⸗ dienstes und der Bildung einer neuen Gemeinde. Wenn in Absicht der Trennung an sich nicht in Frage kommen kann, ob sie zuzu⸗ lassen sei, so unterliegt dagegen die andere Frage, ob die Getrennten als eine neue Gesellschaft zusammentreten können, eben so einer Prü⸗ fung von Seiten des Staats als sie angestellt wird, wenn Mitglie—⸗ ber einer öffentlich anerkannten, oder auch einer geduldeten ch ri st⸗ lichen Religions-Gesellschaft sich absondern und eine neue Reli⸗ gions-Geselischaft bilden wollen. Wie nach allgemeinen Vorschriften keine neue Religions-Gesellschaft ohne Gene hmigung des Staats ins Leben treten kann, so kann auch keine neue jüdische Religious⸗ Gemeinschaft aus der bestehenden hervorgehen anders, als mit Ge— nehmigung des Staats. ö . .

Referent Graf von Itzenplitz: Der so eben gehörten Ansicht dürfte es entsprechen, wenn das Wort o b etwas später in den Pa⸗ ragraphen eingeschaltet würde, wonach es dann heißen würde: So haben die Minister unter Benutzung des von der Kommission abge⸗ gebenen Gutachtens, darüber Anordnung zir treffen, mit. welcher Maßgabe die Einrichtung eines abgesonderten, Gottesdienstes oder ob die Bildung einer Synagoge zu gestatten sei?“ .

Minister Eichhorn: Vielmehr so: „Mit welcher Maßgabe die Trennung von der bisherigen Gemeinschaft und ob die Bildung

einer neuen Synagoge zu gestatten t.. .

Referent Graf von Itzenplitz: Nachdem diese Erläuterung und Zusicherung des Herrn Staatsministers ausgesprochen worden ist, koͤn ten wir, glaube ich, über die Sache hinweggepen.

Marschall: So daß es also auf der Aten Zeile von unten hieße: Mit welcher Maßgabe die Trennung der bisherigen Gemein schaft und ob die Bildung einer neuen Synagoge zu gestatten sei.“

Referent Graf von Itzenplitz erklärt sich damit einverstanden.

Marschall: Der Herr Referent hat sich angeschlossen, und ich habe zu erwarten, ob eine entgegenstehende Brmerkung gemacht wird.

Fürst B. Radziwill: Ich muß mir doch noch eine deutlichere Erklärung über den Schluß des Paragraphen ausbitten: „zugleich haben dieselben mit Ausschluß des Rechtsweges zu bestimmen, welcher Theil in Besitz der vorhandenen Kultus- Einrichtungen verbleibt.

Referent: Darauf bezieht sich das, was ich bereits die Ehre hatte zuletzt vorzulesen: . .

„in der letzten Zeile desselben wird nach der Ansicht des König⸗ lichen Rathes, welcher den Berathungen der Abtheilung beiwohnte, statt: . „Kultus-Einrichtungen“ besser zu sagen sein: 3 . „Vermögen des Synagogen⸗Vereins.“ Die Abtheilung war hiermit ganz einverstanden.“ Denn die Worte „Kultus-Einrichtungen“ sind unbestimmt, aber wenn man sagt, bei der respektiven Vereinigung oder Trennung solle dar⸗ auf Rücksicht genommen werden, was mit dem früheren Vermögen der Judenschaft gemacht werden soll, so ist kein Zweifel vorhanden.

Fürst B. Radziwill: Es fragt sich nur, ob, so lange dar⸗ über nichts bestimmt ist, die Bermögens-Verhältnisse dem älteren, dem ursprünglichen Zweck gesichert bleiben.

Graf Nork: Ich muß mir noch ein Bedenken auszusprechen erlauben, welches mir noch nicht behoben ist, warum ihnen nämlich der Rechtsweg verschlossen sein soll? Wenn man sich die jüdischen Verhältnisse recht deutlich macht, so ist diejenige Partei, dte eine Trennung beabsichtigt, die der neuen Richtung angehörende und, wie mir scheint, die rationellere. Es dürfte also vielmehr im Interesse des Staates liegen, daß man eine solche Absonderung erleichtert, denn es ist immer wie die größere Zahl, der Mitglieder eines jüdisch-kirch= lichen Verbandes, die austreten will, so auch diejenige, welche die noch bestehende Absonderung mehr und mehr aufheben will. Nun sinde ich eine gewisse Beeinträchtigung für die Masorität, wenn viel⸗ leicht die sehr wenigen zurückbleibenden Altgläubigen das ganze Sy nagogen⸗- Vermögen behalten sollen. Am wenigsten möchte ich es als Grundsatz aussprechen, daß ihnen das Rechtsmittel versagt werde.

Referent: Tarüber dürften uns wohl die geehrten Herren Regicrungs⸗Kommissarien die beste Auskunft geben können. Nach dem, wie ich mir aber als Referent die Sache gedacht habe, liegt sie so: Der geehrte Redner hat selbst gesagt, es möchte wünschenswerth sein, eine solche Trennung zu erleichtern, er ist aber bedenklich darüber, daß bei dieser Trennung die Festsetzung über das Vermögen von den Verwaltungs- Behörden ausgehen und der Rechtsweg ausgeschlossen sein soll. Ich glaube aber, daß, wenn die Trennung erleichtert wer⸗ den foll, eine derartige Bestimmung des Gesetzes nothwendig ist, denn sonst würden die Inieressenten vor Streitigkeiten über das Eigenthum sehr schwer auseinanderkommen.

Graf Dyhrn: Das waren Gründe der Nützlichkeit, die aber doch den Rechtsweg nicht verschränken können, denn hier handelt es sich um Mein und Dein, und so halte ich es aus dem Prinzip des Rechts für durchaus nothwendig, daß die Worte; „mit Ausschluß des Rechtsweges“ gestrichen werden. Es wäre eine Verletzung unseres höchsten Prinzips, wenn bei Eigenthums⸗ Fragen der Rechtsweg aus⸗ geschlossen sein sollte. .

Staats⸗Minister Eichhorn: Es heißt in dem vorliegenden Ge⸗ setz, die Minister sollen mit Ausschluß des Rechtsweges bestimmen, welcher Theil im Besitz der vorhandenen Kultus- Einrichtung, oder richtiger, des Vermögens der Synagogen⸗-Gemeinde verbleibtẽ? Wenn die Fragen, die im Falle des Ausscheidens eines Theils der Ge⸗ meinde Über das Verhältniß zu dem bleibenden Theile eutstehen, so flar, so einfach wären, daß sie unter bestehende positive Rechtsgrund⸗ sätze gebracht werden könnten, so würde es natürlich sein, den Nechts⸗ weg kicht auszuschließen; es giebt aber sehr viele Verhältnisse, die vom Rechtswege e e, g. sind, nicht deswegen, weil man sie als solche anfieht, die willkürlich beurtheilt werden könnten, sondern des⸗ halb, weil die Verfolgung der Sache vor dem ordentlichen Richter

nicht zureicht, sehr oft sogar zu materiellem inneren Unrecht führen würde, indem die bestehenden Richter angewiesen sind, nur nach be⸗ stimmt vorgeschriebenen Gesetzen zu urtheilen, die Veihältnisse aber oft eine solche Mannigfaltigkeit von Momenten enthalten, die nicht unter ein bestimmtes positides Gesetz gebracht werden kön— nen. Man denke sich den Fall, worauf es hier ankommt, genauer. Eine jüdische Gemeinde ist anerkannt vom Staate, besitzt Corpora⸗ tionsrechte und ihr eigenes Vermögen. Nun kommt eine Anzahl von Individuen, welche sagen: Wir wollen uns trennen, wir wollen für die Zukunft eine neue Gemeinde bilden. Das sind sie aber noch nicht, sie sind noch keine Corporation; als getrennte Individuen haben sie, dieser bestehenden Corporation gegenüber, kein besonderes Recht; nur so lange sie bei der Corporation bleiben und Glieder derselben sind, haben sie ein Recht, gleich den übrigen, an dem Genuß des Ver⸗ mögens der Corporation. Wenn sich aber diese Individuen freiwil⸗ lig von der Corporation trennen, worauf solhen sie nun ein Recht auf das Corporations-Vermögen gründen? Es ist gleichwohl möglich, daß die Trennung, das Ausscheiden von Individuen unter Ümständen stattfindet, wo man sich überzeugt, daß seitens der älteren Gemeinde unnatürliche Prätensionen gemacht worden sind, die dem Wesen der bisher bestehenden Gemeinde widersprechen. Wird nun eine solche unnatürliche Anmuthung an diejenigen, welche austreten wollen, gemacht, die sich aus der Ver⸗ faffung der bestehenden Corporationen nicht rechtfertigen läßt, dann könnten allerdings Momente vorkommen, die auf Seiten der Verwal— tungsbehörde eine besondere Berücichtigung nöthig machen. Welcher? das läßt sich nicht voraussehen und hängt von Umständen ab. Vor dem Richter sind die ausscheidenden Individuen, selbst wenn sie die Hälfte der bisherigen Gemeinschaft ausmachen, immer nur Individuen, eine Masse von Einzelnen; sie haben der bleibenden Gemeinschaft gegen⸗ über kein positives Recht. Das ist in dem Paragraphen angedeutet. Wenn die Bestimmung im Gesetz auch nicht enthalten wäre, so müßte der Rechtsweg für die vorgedachten Verhältnisse dennoch ausgeschlossen werben. In das Gesetz wird oft etwas aifgenommen, was sich von selbst versteht, was aber dennoch ausgesprochen wird, um von vorn— herein alle Unklarheit zu beseitigen. Wesentlich zu diesem Zweck ist die Fassung des Paragraphen gewählt worden.

Graf Dyhrn: Die Ansichten Sr. Excellenz sind das punctum juris, um das es sich handelt. Wie dann aber entschieden werden wird, das weiß ich nicht, denn ich bin kein Jurist.

Wird es zu Gunsten der Bleibenden entschieden, so werde ich mich ganz bestimmt dabei beruhigen; wird es zu Gunsten der Aus—⸗ tretenden entschieden, eben so. Ich will nur bei einer solchen Sache, wo es sich um Mein und Dein handelt, nicht eine Verwaltungs⸗ Entscheidung, sondern eben ein Urtheil des Gerichts haben. Wird mir nun gesagt, daß darüber kein Gesetz existirt, daß keine Gesetze da wären, an die sich der erkennende und entscheidende Richter halten könnte, so muß ich eben bitten, daß diese Gesetze gegeben werden. Ich verkenne gar nicht, wie schwierig es sein mag, darüber Gesetze zu geben, aber ich will nur, daß eine Entscheidung über das Ver⸗ mögen, wie die Entscheidung einer Rechtsfrage, nicht auf Verwaltungs⸗ wegen, sondern eben im Rechtswege erlangt werde. Wer dabei ge⸗ winnt, wer dabei verliert, ist, nach meiner Ansicht, hier gleichgültig, aber wir können unsere Vermögens- und Rechts-Verhältnisse nicht auf dem Verwaltungswege entscheiden lassen.

Staats -Minister Eichhorn: Insofern wirklich Fragen vorkom⸗ men, die nach unserer jetzt bestehenden Verfassung auf dem Rechts⸗ wege zu erörtern sind, ist es nicht entfernt die Absicht, sie durch diesen Paragraphen davon auszuschließen. Aber, wie ich schon die Ehre hatte zu bemerken, es ist vorausgesetzt, daß die Trennung in der Regel un— ter Umständen geschieht, wo die anzuordnenden Modalitäten nicht solche Fragen berühren, die Gegenstand richterlicher Entscheidung sein können. Glaubt die hohe Versammlung, daß leicht ein Mißverständ— niß entstehen könnte, so wäre der Zusatz wegzulassen; es wird den⸗ noch dabel bleiben, was der Natur der Sache nach in Anwendung zu bringen ist.

Referent: Ich habe dem geehrten Mitgliede aus Schlesien Einiges zu erwiedern, und um mir gewissermaßen sein Vertrauen zu erwerben, muß ich vorausschicken, daß ich ein Feind von unnöthiger Einmischung der Verwaltungs-Behörden bin; aber es können Ver⸗ hältnisse vorkommen, wo män mit dem Rechtswege nicht zu Stande kommt. Es sind dies namentlich solche Verhältnisse, wo etwas Neues geschaffen werden soll. Es soll z. B. ein Verein getrennt und zwei daraus gemacht werden; der Verein hat Verpflichtungen gehabt, er hat Vermögen, Bedürfnisse, Utensilien gehabt; wie sollen diese ge— theilt werden? Es ist dies ein ähnlicher Fall, als wenn man eine Schule trennen will. Dabei handelt es sich häufig weniger um die Entscheidung des Rechtspunktes, als zugleich um die Entscheidung des Nützlichkeitspunktes. Die Leute sind zufrieden, wenn ihnen die Tren— nung keinen Nachtheil bringt. Soll die Trennung aber durch die Justiz erfolgen, so kommt man damit nie zu Stande. Es hat sich dies in vielen Fällen gezeigt, namentlich auch in solchen Angelegen— heiten, welche die General-Kommission besorgt. Es hat sich früher seit langen Jahren das Kammergericht bemüht, zu separiren; aber fast alle diese Versuche waren vergeblich und sührten nicht zum Ziele. Es war dies natürlich, weil die Gerichtshöfe für den Nätzlichkeits⸗ punkt keinen Anhalt haben. Deshalb hat man, um die Separations— Geschäfte zu Stande zu bringen, eine Behörde stiften müssen, welche zugleich Justiz— und Verwaltungs-Behörde ist, und welche da ein— schreitet, wo es darauf ankommt, neue Einrichtungen zu stiften. Die Actionaire oder Theilnehmer an anderen Unternehmungen schließen oft ausdrücklich die Justiz aus; sie wollen nur Schiedsrichter haben, kurz, wo es auf neue Einrichtungen ankommt, die erst geschaffen und gestaltet werden sollen, ist die Justiz⸗Behörde selten am rechten Ort. Wenn der geehrte Redner gesagt hat, es sollten schleunig die Gesetze gegeben werden, die dem Richter zur Norm dienen könn⸗ ten: so ist dies ein Ding der Unmöglichkeit. Ein Gesetz zu geben, wie sich ein neuer Synagogen-Verein von dem bestehenden trennen soll; wer für den bisherigen Rabbiner die Pension bezahlen, wer einen neuen besolden soll; wie das Vermögen zu theilen ist, die künf⸗ tigen Lasten zu tragen sind, das Alles sind Dinge, die sie in unend⸗ licher Mannigfaltigkeit darstellen, und über welche gleichartige Regeln zu geben unthunlich ist. Sollte die hohe Kurie Bedenken tragen, es bei der Festsetzung durch die Verwaltungs-Behörde zu lassen, so wäre das Aeußerste, was man zugeben könnte, daß die Verwaltungs⸗ Behörde ein Interimistikum festsetzen könne. Aber ich halte es für besser, es bleibt rein bei der Festsetzung durch die Verwaltung, und ich glaube, daß auch die Juden mit dieser Festsetzung sehr zufrieden sein werden; wenn wir aber den Richter hineinbringen, so maß dieser die Sache lediglich nach dem Rechtspunkt entscheiden und kann auf Einigungen, die theilweise auf Nützlichkeits Gründen beruhen, nicht eingehen. Damit kann man aber nicht zu Stande kommen, wo neue Einrichtungen gestaltet werden sollen.

Fürst zu Salm-Reyfferscheidt⸗Dyck: Zur Unterstützung der Ansicht des Referenten will ich bemerklich machen, daß gerade in der katholischen Kirche solche Fälle oft vorkommen, daß eine Pfarre getrennt wirb und zu gleicher Zeit das Vermögen und die Kultus- Gegenstände getrennt werden. Darüber entscheidet der Bischof mit Genehmigung der Regierung; die Entscheidung erfolgt aber nicht im Wege Rechtens.

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Fürst LichnowZsky:; Ich will mir erlauben, eine Frage an den Königlichen Kommissar über den letzten Satz des 8. 18 zu richten, in dein es heißt: „Welcher Theil, im Besitz der vorhandenen Kultus⸗ Einrichtungen bleiben wird.“ Mir scheint, daß dieser letzte Satz ein Prinzip in sich enthält, und es würde mir lieb sein, zu erfahren, ob es von der Regierung als allgemeines Prinzip angesehen wird, daß, wenn in irgend einer Konfession sich ein dissentirender Theil bildet, diesem Thell irgend ein Recht anf das Eigenthum der betreffenden Kirche, von der er sich losgerissen, verbleibt.

Staats-Minister Eichhorn: Ich hatte schon die Ehre ...

Fürst Lichnowsky: Ich weiß es wohl, wünsche aber, es für mich nochmals zu hören.

Staats-Minister Eichhorn: Wenn von einer anerkannten Kir—⸗ chen-Gesellschaft ein Theil sich absondern will, so kann er dies thun, er darf nicht daran verhindert werden; aber diejenigen, welche sich absondern, haben als Einzelne dann kein Recht. Sie können also von den Kultus -Einrichtungen der anerkannten Kirche gemeinschaftlüh nichts fordern. .

Fürst Lichnowsky: Ich kann nun resumiren, was mein ge⸗ ehrter Kollege aus der Rhein⸗Provinz bemerkt hat. Der Fall ist ganz klar, ob es sich von Juden oder Katholiken handelt. Wer aus- scheidet, hat auf das Gut der Bleibenden kein Recht.

Fürst Wilhelm von Radziwill: Ich fühle mich gedrungen, die Abtheilung gegen die Bemerkungen meines Bruders und des geehr⸗ ten Redners vor mir, die ganz gegründet sind, dahin zu vertreten, daß ich den bezüglichen Passus aus der Denkschrift, welche dem Ent⸗m wurf zum Grunde liegt, vorlesen werde. Dieser Passus hat auch die Bedenken beseitigt, die sich in der Abtheilung gerade über diesen Punkt erhoben hatten. Dieser Passus lautet:

„Das vorhandene Vermögen gehört unzweifelhaft der fortdauernd bestehenden juristischen Person; es kommt also nur darauf an, diese zu ermitteln und als solche zu bezeichnen. Ist hierüber Bestimmung erfolgt, so ist mit derselben auch der Besitzstand festgestellt. Dem sich abtrennenden Theile muß es überlassen bleiben, neue Kultus—⸗ Einrichtungen zu treffen, wenn dazu die Erlaubniß der Staats— Behörde ertheilt worden ist.“

Graf Nork: Ich wollte mir ein Bedenken erlauben. Wenn von der katholis ken Kirche gesprochen wird, so hat diese ein sehr festste⸗ hendes Bekenntniß, und Jeder, der sich nicht zu dem lridentinum be— kennt, hört auf, Katholik zu sein. So hat die lutherische Kirche in ihren symbolischen Büchern ein feststehendes Bekenntniß, und wer sich nicht mehr zu diesen symbolischen Büchern bekennt, gehört nicht mehr zur lutherischen Kirche. Ganz anders ist es bei den Juden. Bei einer Trennung, wie sie jetzt stattfindet, behaupten beide Theile, sie seien rechte, wahre Juden, und es ist also in dem Sinne von einem Ausscheiden cus der Kirche bei den Inden nicht die Rede, wie dies bei den christlichen Konfessionen der Fall sein kann. In einer christ— lichen Konfession steht fest, wer die moralische Person dieser Kirche ist; dem ist aber in dem vorliegenden Falle nicht so.

Referent: Ich wollte mir nur de Bemerkung erlauben, daß das, was der geehrte Redner über die Trennung der jüdischen Ge⸗ meinden gesagt hat, auf die christlichen Kirchen jedenfalls ohne alle Beziehung ist. Wir haben es hier mit einer geduldeten Reli⸗ gionsgesellschaft zu thun; die katholische und evangelische Kirche sind aber anerkannte Kirchen.

Graf York: Ich habe es auch nur der Analogie wegen ansüh⸗ ren wollen.

Minister Eichhorn: Ich wollte nur dem geehrten Mitgliede aus Schlesien Einiges erwiedern:

Die Juden sind eine geduldete Gesellschaft und haben einen bestimmten Schutz von Seiten des Staates; als geduldete Gesell⸗ schaft sollen sie auch Corporationen bilden können, und es finden auf diese Corporationen dieselben Grundsätze Anwendung, als auf gedul— dete christliche Kirchengenossenschaften. Bildet sich unter den Christen auch eine Trennung, so kann die Frage zur Erörterung kommen, welche Partei ist als diejenige anzusehen, der man als die bisher eigentlich geduldete oder orthodore Partei den Besitz als ihr Recht zuerkennen muß? Soll die Prüfung, ob etwas das orthodoxe Ju— denthum sei oder nicht, vor das Gericht gewiesen werden? In welcher Lage würden sich die Gerichte befinden? Der Richter würde außer Stande sein, zu entscheiden. Die Behandlung der Sache muß der Verwaltungs-Behörde überlassen bleiben.

Fürst Lichnowsky: Ich habe nicht daran gedacht, die Streite im Judenthum mit denen christlicher Konfessionen zu vergleichen.

Die Geheimnisse des Talmud und der Tora will ich unerörtert lassen; ich habe aber, wenn ich nicht irre, von dem geehrten Mit⸗ gliede aus Schlesien gehört, daß die einen und die anderen Juden, die Alten wie die Resormers, glauben, sie seien die Echten. Da muß ich nun bekennen, so sehr ich es bedaure, daß es sich ebenfalls stets gezeigt hat, wie die einen oder anderen christlichen Sekten sich auch stets im Rechte glaubten, für allein orthodor hielten. Ich habe nie gehört, daß die Alt- Lutheraner nicht für die echten Lutheraner und die katholischen Dissidenten sich nicht für echte Katholiken gehal⸗ ten hätten; wir allerdings halten sie nicht dafür. Aber ich habe nicht theologische Erörterungen über die verschiedenen Sekten vor— zutragen; ich wollte nur aus dem Munde des Königlichen Kommis⸗ sars hören, ob das, was hier über das Verhältniß der Güter jüdi— scher Gemeinden ihren Dissidenten gegenüber gesagt ist, als allge⸗— meines Prinzip angesehen wird, oder ob es nür ausschließlich für diesen Fall, d. i. für die Juden Anwendung findet.

Marschall: Wenn weiter keine Bemerkung gemacht wird, so kommen wir zur Abstimmung. Die Frage ist gerichtet auf den An⸗ trag der Abtheilung, daß der Paragraph, wie er vorliegt, beizubehal⸗ ten sei; und diejenigen, welche diesem Antrage beistimmen, würden dies durch Aufstehen zu erkennen geben.

(Die Masorität erhebt sich dafür.)

Der Paragraph ist angenommen.

Referent: Der §. 18, den die hohe Kurie eben angehört hat, steht im genauen Zusammenhange mit den folgenden §§. 19, 26, 21, 22, und die Abtheilung hat daher dieselben bei ihrer Beurthei⸗ lung zusammengefaßt. Wir werden sie daher jetzt hinter einander hören, und dann wird die Beurtheilung der Abtheilung folgen.

Graf von Königsmark (iest vor):

„S. 19.

Diese Kommission soll, so oft das Bedürfniß es erfordert, unter der Aufsicht eines . Abgeordneten in Berlin zusammentre⸗ ten und aus neun Kultusbeamten oder anderen Männern jüdischen Glaubens bestehen, die das Vertrauen der Judenschaft, welcher sie angehören, besitzen. .

S. 20.

Die Mitglieder der Kommission mit einer angemessenen Zahl von Stellvertretern werden von den Ministern der geistlichen 2c. Angele⸗ genheiten und des Innern auf den Vorschlag der Qber⸗Präsidenten, welche dabei die Anträge der Judenschaften ihres Verwaltungs⸗Be⸗ zirkes besonders zu berücksichtigen haben, auf die Dauer von sechs Jahren ernannt. .

S. 21.

Die durch den Zusammentritt der Kommission erwachsenden Ko⸗ sten werden von den sämmtlichen Judenschaften des Staats nach Ver⸗

y des Kostenbetrages ihrer gesammten Bedürfnisse (6. 23) auf . .

§. 22.

Die Kommission beschließt über die ihr zu 4 gelegten Gegenstände nach absoluter ger e e n, , ,. . zu erstattenden, Gutachten unter Beifügung von Gründen vollständig auszuarbeiten.

Referent (liest aus dem Abtheilungs Gutachten ad 58. 19 bis 22 eg c vies e

„Abgesehen von diesen mehr die Form betreffend P kungen 6 sich die Abtheilung mit dem Inhalt ö den . (einfchließlich im Allgemeinen nur einverstanden erklären. Die re⸗ ligiösen Angelegenheiten der Juden will der Staat diesen selbst an⸗ heimgeben, und er thut als weltliche Obrigkeit Alles, was die ge⸗ buldete Religions- Gesellschaft begehren kann, wenn er zuerst die religiöse Corporation von außen her zu Recht beständig konstituirt, und dann auch wieder den gesetzlichen Weg eröffnet, auf welchem eine Trennung der religiösen Corporation eintreten kann, wenn diefe von den jüdischen Vereinsgenossen gewünscht wird oder sonst erforderlich erscheint. Dieser Weg ist durch die ss. 18 —22 ange⸗ bahnt, und es ist der Inhalt derselben auch so viel bekannt von den Juden nicht ungünstig aufgenommen worden. Nur das schien der Abtheilung wünschenswerth, daß die Mitglieder der gut⸗ achtenden Kommission zum Theil aus der Wahl der Synagogen Vereine hervorgehen möchten. Da der §. 20 schon anordnet. daß die Ober Präsibenten bei ihren Vorschlägen die Anträge der Juden beachten sollen, so scheint es noch besser, daß ein Theil der Mit⸗ glieder aus der Wahl der Juden und ein anderer Theil frei aus den Voischlägen des Ober -Präsidenten hervorgehe. Die Abthei⸗ lung beantragte daher einstimmig:

daß die Ober Präsidenten verpflichtet werden möchten, zwei Drittel der Mitglieder der Kommission aus den vonden Sy⸗ nagogen- Vereinen bezeichneten Personen in Vorschlag zu bringen und die betreffenden Ministerien gehalten sein möchten, zwei Drittel der Mitglieder der Kommission aus den Personen zu wählen, welche die Vereine genannt ha⸗ ben. Diese Absicht wird durch einen kurzen Zusatz zum §. 20 zu erreichen sein.“

§§8. 19 22 werden angenommen.

Graf von Königsmark (iest vor):

§. 23.

„Die Kosten des Kultus und der übrigen, die Judenschaft betref⸗ fenden Bedürfnisse, zu welchen auch die Einrichtung und Unterhaltung der Begräbnißplätze gehört, werden nach den durch das Statut einer jeden Judenschaft näher zu bestimmenden Grundsätzen auf die einzel= nen Beitragspflichtigen umgelegt und, nachdem die Heberollen von der Regierung für vollstreckbar erklärt worden sind, im Verwaltungs wege eingezogen. Der Rechtsweg ist wegen solcher Abgaben und Leistungen nur insoweit zulässig, als Jemand aus besonderen Rechts⸗ titeln die gänzliche Befreiung von Beiträgen geltend machen will oder in der Bestimmung seines Antheils über die Gebühr belastet zu sein behauptet.

Ob und inwieweit einzelne, zerstreut und von dem Mittelpunkte der Judenschaft entfernt wohnende Juden zu den von der Judenschaft aufzubringenden Kosten, insbesondere zu den Kultus⸗Bedürfnissen, bei⸗ zutragen haben, ist von den Regierungen nach Maßgabe der Vor⸗ theile festzusetzen, welche jenen Juden durch die Verbindung mit der Judenschaft zu Theil werden.

Von neu anziehenden Juden darf ein sogenanntes Eintrittsgeld von der Judenschaft auch an denjenigen Orten, wo solches bisher üblich gewesen, künftig nicht mehr gefordert werden.“

Referent (liest 8. 23 des Abtheilungs-Gutachtens vor):

„Der §. 23 wird von der Abtheilung zur Annahme empfohlen. Daß die Juden die Kosten ihres Kultus tragen, entspricht dem Recht und der bisherigen Verfassung, und daß die betreffenden Umlagen von der Verwaltungs-Behörde für vollstreckbar erklärt werden, kann für die Ordnung im Haushalt des Vereins, und also für die Juden selbst, nur sehr angemessen und wünschenswerth erscheinen.“

§. 23 wird angenommen.

Referent (iest vor):

§. 24.

„Ueber die der besonderen Armen- und Krankenpflege jüdischer Glaubensgenossen gewidmeten Fonds und Anstalten steht dem Vor—⸗ stande der Judenschaft, sofern ihm nicht die Verwaltung bereits stif⸗ tungsmäßig übertragen ist, die Aufsicht zu, vorbehaltlich jedoch des Ober-⸗Aufsichtsrechts der Regierungen.“

Das Gutachten lautet:

§. 24.

Der §. 24 will dem Verein die Verwaltung aller für Juden be⸗ stimmten Armen =- Fonds übertragen, auch wenn dies nicht durch die Stiftung oder Verordnung des Wohlthäters besonders angeordnet ist. Würde dies beibehalten, so erhält der Verein wieder theilweis die Functionen einer weltlichen jüdischen Obrigkeit, wodurch die Ab⸗ sonderung befördert wird, welche gewiß nachtheilig ist. Wenn ein Testator ein Legat zu Gunsten z. B. der in Münster wohnenden Ar⸗ men katholischer Konfession aussetzt, so wird dies zweifelsohne vom Magistrat und der Armen-Kommission verwaltet werden; wenn aber ein anderer Testator für die in Münster wohnenden armen Juden sorgt, so würde nach §. 24 dies Legat nicht vom Magistrat, sondern von dem jüdischen Verein verwaltet werden. Es ist nicht abzusehen, wozu für die Juden ein solcher Unterschied stipulirt werden soll, und die Abtheilung kann ihren einstimmig beliebten Vorschlag am besten deutlich machen, wenn sie es sich altar ihn in Worte zu fassen, welche möglicherweise statt des s. 24 in das Gesetz eingerückt werden könnten. Diese würden so lauten:

Ueber die der besonderen Armen und Krankenpflege der Juden ge⸗ widmeten Fonds und Anstalten steht dem Vorstande des Vereins die Verwaltung und Aufsicht nur dann zu, wenn der Stifter dies ausdrücklich bestimmt hat. Dieselbe verbleibt ihm jedoch auch in Rücksicht von dergleichen Fonds, welche schon bisher von den jeßzi— gen und früheren Synagogen -— und Juden⸗Vorständen verwaltet und beaufsichtigt worden sind. ;

Staats-Minister Eichhorn: Dieser Vorschlag der Abtheilung weicht allerdings von der Idee des §. 24 ab. Nach S. 24 sollen auch Unterstützungen, Legate, die blos den jüdischen Armen gegeben werden, dem Vorstande oder den jüdischen Corperationen des Orts, wofür sie vom Testator bestinmt sind, überlassen werden. Man würde nicht darauf gekommen sein, wenn sich nicht überall fände, daß, wo jüdische Corporationen existiren, dieselben ganz besonders sich ihrer Armen annehmen. Dies ist ein schöner Sinn, der sich bei ihnen kundgiebt. .

i. sjüdischen Gemeinden zeigen sich für ihre Armen oft be⸗ sorgter als christliche Gemeinden. Nun ist bei der Armenp ege mit Rültsicht auf die Erfahrung, die auch in neuerer Zeit fast überall Anerkennung gefunden hat, nicht bles darauf zu sehen, daß der vor⸗ übergehenden Noth der Armen abgeholfen werde, sondern mehr darauf, ihnen dauernd zu Hülfe zu kommen, einmal dadurch, 3. man ihnen Arbeit und Mittel zum Erwerb af und zweitens, man ihnen mehr und mehr einen solchen moralischen Halt giebt, der sie fähig macht, den vorübergehenden Druck zu ertragen, ohne zu unter