1847 / 170 p. 8 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

von Krosigk: Es ist nicht von Lehrern christlicher Dissidenten die Rede, sondern von den Privatlehrern christlicher Konfesslonen. Graf Jork: Ich bitte um Entschuldigung; es war die Rede von den der geduldeten Sekten. ; ;

Staats⸗Minister Eichhorn: Allerdings meinte ich die christ= lichen geduldeten Neligions Gesellschaften. So wie die Geistlichen der ) uldeten vas her Religions - Gesellschaften nicht die Vorrechte 656 „wie die der anerkannten Neligions Parte so haben auch die

chullehrer dieser blos geduldeten Selten diese Vorrechte nicht. von Krosigk: ö die Privatlehrer der herrschenden Rirche haben sie auch nicht. ; ku. 5

Referent: Ich habe gegen den Vorschlag des Prinzen Biron nichts zu erinnern, ich bemerke nur, daß, wenn auch hier nicht die Rede von den Schullehrern der Dissidenten Gemeinden oder der nur gebuldeten Religions- Gesellschaften, wie der Herrnhuter oder Mennoniken, doch die Folge davon unbedenklich sein wird, daß diese dieselben Ansprüche machen würden, wogegen ich freilich auch nichts

u erinnern i Danach würde ich mir den Voerschlag erlauben, wenn die Kunrie den Antrag anninimt, derselbe so gestellt würde, daß, bie jüdischen Lehrer die beregten Begünstigungen nur, insoweit und so lange genießen sollen, als die christlichen Lehrer ii Vor⸗ rechte besszen. Denn wie wir aus dem Entwurf zur Einkommen- steuer ersehen haben, geht die Tendenz dahin, auch den christlichen Lehrern 96. Vorrechte zu entziehen. 4

von Massenbach: Ich wollte mir die Bemerkung erlauben, daß die Mennoniten und Herrnhuter nicht zu den geduldeten, sondern anerkannten Sekten gehören.

Referent: Ich beziehe mich auf das Religions-Edikt von 1788.

Marschall: Wir kemmen zur Abstimmung, und zwar zuerst über den Antrag der Abtheilung, welcher dahin geht, den Pa— ragraphen des Gesetz-Entwurfs anzunehmen. Es ist keine ent= ö Bemerkung gemacht, und der Paragraph wird also als angenommen zu betrachten sein. Es wird nun die Abstimmung er— folgen über den Vorschag, der von dem Prinzen Biron gemacht ist, und diejenigen, die diesem Vorschlage beitreten wollen, würden dies durch Aufstehen zu erkennen geben.

(Es erhebt sich keine Majorität dafür.) (Ein Mitglied bittet ums Wort.) .

Wir sind in der Abstimmung begriffen, und der Vorschlag ist nicht angenommen worden. Wir kommen nun zum nächsten Paragraphen.

Referent (iest vor): ö

„S.˖ .

Nach vollendeter Schulbildung der jüdischen Knaben haben die Vorsteher der Judenschaft unter eigener Verantwortlichkeit dafür zu sorgen, daß jeder Knabe ein nützliches Gewerbe erlerne oder sich auf fn che siih. Lehranstalten einem höheren Berufe widme, und daß keiner derselben zum Handel oder Gewerbebetriebe im Umherziehen gebraucht werde. Sie haben sich deshalb zunächst mit den Vätern oder Vormündern zu vernehmen; wenn aber auf diesem Wege der Zweck nicht erreicht wird, so haben sie ihre Anträge an den betref— . Magistrat, resp. an den Kreis-Landrath zu richten, welcher die

äter oder Vormünder, Letztere unter Vernehmung mit der oberen vormundschaftlichen Behörde, anzuhalten hat, daß den Knaben die erforderliche Vorbereitung für einen wissenschaftlichen oder künstleri⸗ schen , oder für den Betrieb des Landbaues oder eines anderen stehenden Gewerbes zu Theil werde. Gegen die nach dem Gesetz⸗Entwurf beabsichtigte Fassung des §. 314. haben sich wiederum vielfache Bedenken erhoben. Man sindet darin wieder eine Heranziehung des Vorstandes der Vereine zu bür— gerlichen, fast polizeilichen Geschäften und eine Verletzung der Rechte der Aeltern, über die Zukunft ihrer Kinder zu bestimmen. Man glaubt, daß die Vorstände diese Verpflichtung doch ohne Liebe erfüllen wer den, und daß dann ein erheblicher Erfolg nicht zu hoffen sei.

Diese Gründe haben auch die Mindrität der Abtheilung veran— laßt, auf Weglassung dieses ganzen Paragraphen anzutragen—

Die Masorität von 5 gegen 2 Stimmen hat sich jedoch diesem Antrage nicht angeschlossen; sie hat erwogen, daß das Gesetz von 1833 für das Großherzogthum Posen, §. 13, eine ähnliche Bestim— mung enthält, und Gelegenheit gefunden, sich darüber zu informiren, daß diese Bestimmung dort günstige Erfolge gehabt hat; sie hat ferner erwogen, daß dieser Paragraph von dem Vorstande des Ver— eins doch eigentlich nichts als Rath und moralische Einwirkung ver— lange, welcher von einer Stelle, welche religiöse und Schul⸗Interessen verwalte, wohl begehrt werden könne; sie hat sich aber freilich auch nicht verhehlt, daß die beabsichtigte Fassung dieses Paragraphen keine ganz glückliche sei, und theilweis zu den Erinnerungen Veranlassung gegeben habe, welche diese Gesetz-Stelle hervorgerusen hat.

Die Masjorität der Abtheilung schlägt daher vor, diesen Para— graphen zwar beizubehalten, dessen ersten Satz aber möglicherweise dahin zu fassen:

„Nach vollendeter Schulbildung der jüdischen Knaben haben die Vorsteher des Vereins durch Rath und Zuspruch dahin zu wirken, daß jeder Knabe ein nützliches Gewerbe erlerne oder sich auf wissenschaftlichen Lehranstalten einem höheren Berufe widme, und ban keiner derselben zum Gewerbe -Betrieb im Umherziehen ge— braucht werde.“

Sie haben sich (u. s. w.)“

Fürst Wilhelm Radziwill: Ich fühle mich verpflichtet, die Ansicht der Minorität zu vertreten, da aber auch mein Kollege aus Schlesien in dieser Angelegenheit sprechen will, so will ich ihm das Wort überlassen. ;

(Graf Jork verzichtet auf das Wort zu seinen Gunsten.) Wir haben Beide gegen den Paragraphen gestimmt, weil wir eine beden 6. Ausdehnung des Bevormundungs-Prinzips in demsel— ben erkannt haben, gegen welche wir das Junere der Familien jeden⸗ falls geschützl wissen wollten. Ich glaube auch nicht, daß die Be⸗ stimmungen deg Paragraphen von praktischer Bedeutung sein würden, wenn sie beibehalten würden. Denn wenn der Vorstand der Syna⸗ 9 zen- Vereine dazu verpflichtet wird, fo läßt sich erwarten, daß er en Paragraphen gar nicht oder nur mit üblen Willen. zur Ausfüh⸗ rung bringen werde ,, l

Graf von Jork: wollte do f auf die 1 beg L sees un! d nd m daß, wenn 3.

e * ĩ auf die Juden im Groß herz sthum Pesen Bezug 9. wird, dies insofern für die Juden in den anderen I, . er Monarchie etwas vielleicht Verletzendes doch gewiß Zurücksetzendes hat, da es anerkannt worden ist, daß bie rößere Zahl der Juden im Posenschen noch auf einer sehr niedrigen

tufe der Kultur steht. Man hat daher geglaubt, hier zu Hilfe

kommen . müssen, und einer Geringschätzung der weiteren Erziehung . abstellen wollen. Ich glaube, daß dies bei den anderen Juden nicht nöthig scheint, denn so viel mir bekannt ist, sind sie in der Er= zie if inder sehr sorgfältig.

af von Dyhrn: 9 kann mich auch nur der Minorität anschließen und würde glauben, daß eine solche Betormundung zu weit in die nf eindringt, wenn die Kinder durch die Polizei⸗Ve=

e ihrem Veruf zugewie sen werden sollen. Denn es ist in dem s ei nicht nur der Vorstand der Judbengemeinde

eint, ö. einschrgiten soll, sondern ihin die Macht gegeben, die

olizei⸗ Behörde zum Einschreit . ie rr. ; 6 3 * . der Ansicht der Mi=

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nerität an, weil ich in Neligionsfragen dem Prinzipe der Parität

allerwärts Geltung zu verschaffen wünsche und ich nicht einzusehen vermag, weshalb die Juden hier anders gestellt werden, sollen, als ihre christlichen Mitbürger. Jedt Brvormündunglselbstständiger Men⸗ schen ist Verletzung. 6 6 Referent: Da die Mitglieder der Majerität in, der Abthei— lung nicht das Wort ergreifen, so sehe ich mich genöthigt, die An sicht der Majorität zu vertheidigen. Es handelt sich um einen wich⸗ tigen Gegenstand und nicht blos darum, daß die Judenkinder sorgsam eizogen werden, denn in dieser Beziehung würde den. Juden kein Vorwurf zu machen sein, sondern darum: Dahin zu wirken, daß die Juden mehr vom Handel ablassen und Gewerbe betreiben, Grund stücke erwerben oder eine Kunst erlernen, und in dieser Beziehung ist eine Einwirkung auch außerhalb des Großherzogthums Posen nicht überflüssig, namentlich in' den Landestheilen, wo lich bisher guch au— ßer dem Großherzogthume Posen die Juden bis auf den heutigen Tag in gedrückten Verhältnissen befanden, und da glaube ich, daß es nothwendig und praktisch ist, auch dort darauf hinzuwirken, daß sie Gewerbe treiben und Grundstücke erwerben. Nun begehrt der Vor⸗ schlag, das dieß von dem Vorstande der Synagogen⸗Vereine geschehen soll, weiter nichts als eine rathende und gütliche Einwirkung, und wenn dieser Rath keine Einwirkung hat, so soll, der Polizei⸗Behörde Anzeige gemacht werden, damit sie weiter dasür sorgen kann. Wie dies geschieht, das ergiebt der Paragraph. Giest die betreffende Stelle vor.) Ich glaube, daß eine solche Einwirkung, die sich in Posen praktisch nützlich erwiesen hat (denn der Gewerbe-Betrieb hat, dort unter den Juden sehr zugenommen, wenn auch nicht noch in gleichem Maße der Ackerbau), wohl allgemein zu empfehlen ist, 6. Graf zu Solms-Barudh: Der größte Theil der jüdischen Bevölkerung beschäftigt sich mit dem Handel, und es hat der Majo⸗ rität vorgeschwebt, daß es nur erfreulich und ersprießlich für die Bildung der Juden sein würde, wenn sie mehr und mehr von diesem Hange abge- zogen und zu den übrigen Beschäftigun gen hinübergezogen würden,. Ta aber die Aeltern selbst sich mehrentheils mit diesem Gewerbe beschäf⸗ tigen, so liegt es sehr nahe, daß sie auch die Kinder demselben zu⸗ wenden. Ich glaube aber, daß es nur wohlthätig sein kann, wenn, wie gesagt, die jüdische Jugend sich einem anderen Berufe zuwendet und namentlich vom Handel im Umherziehen abgeleitet werde, und es ist die Majorität von dem Gesichtspunkte ausgegangen, daß eine Ermahnung der Aeltern durch den Vorstand der Synagogen Vereine sehr wohlthnend und ganz an seinem Orte sein wird, damit die Kinder zu anderen Beschästigungen angehalten werden. Von diesem Gesichts⸗ punkte ausgehend, glaubte man, daß ein wohlmeinender Rath vor⸗ theilhaft und überzeugend für die Acltern sein wird, weil in neuerer Jeit hier und da die Kinder der Juden angefangen haben, sich an deren Gewerben zuzuwenden, dies sich aber nur vortheilhaft zeigen wird; man glaubte der künftigen jüdischen Bevölkerung einen größe⸗ ren Sporn zit geben, wenn man sie auf diese Weise zu anzeren Ge⸗ werben veranlaßte. Dies ist der Gesichtspunkt, aus welchem wir diese scheinbare Beschränkung befürwortet haben., . Geh. Regierungs-Rath Schröner: Es wird zu beachten sein, daß in einzelnen Landestheilen noch ähnliche Verhältnisse obwalten, wie im Großherzogthum Posen, z. B. in Westpreußen, in Westfalen, wo die Juden sich theilweise noch in einem Zustande besinden, Ter es dringend wünschenswerth macht, sie vom Handel im Umher iehen abzuziehen, wie der Gesetz- Entwurf, beabsichtigt. Die dem Gesetz⸗ Eutwurse beigefügte Anlage B. ergiebt aber auch im Allgemeinen, daß sich unter den Juden bereits der s8ste dem Handel im Umher⸗ ziehen hingiebt, während unter den übrigen Einwohnern nur etwa der 1006ste sich dieser Beschäftigung widmet. Daß der Handel im Umher— ziehen der sozialen Verbesserung der Juden entgegensteht, nehmen die Lan⸗ des- Justiz Kollegien in ihren Aeußerungen, welche in der Beilage B. der Denkschrift mitgetheilt sind, übereinstimmend an. Auch die Ne— gierungen haben dies in ihren Berichten bemerkt. Selbst in dem be⸗ reits früher vom Herrn Grafen Aork in Bezug genommenen, in der hiesigen Vossischen Zeitung Nr. 106 8. J. abgedruckten Aufsatze zur

Vertheidigung der Juden gegen etwa nachtheilige Folgerungen aus

den Prozeß⸗-Tabellen ist hervorgehoben, daß die verschiedenartigen Berufsarten auch einen ungleichartigen Reiz zum Verbrechen bedingten, daß die christliche Bevölferung zu drei Viertheilen aus Landbauern bestehe, die Juden dagegen fast sämmtlich den gewerbtreibenden Klassen angehörten,

woran die Frage geknüpft wird: . welchem Stande die Versuchung näher liege, als dem Kaufmann, dem Krämer, dem Handwerker, deren Existenz von ihrem Witz, von ih⸗ rer Erfindungsgabe abhänge, die das Veränderliche, Flüchtige zu besorgen hätten, während der Landmann auf das Bleibende, Un— veränderliche gestellt sei. 9.

Dem Geseßz-Entwurfe liegt eine so weit gehende Voraussetzung nicht zum Grunde; derselbe beabsichtigt hauptsächlich nur, die Juden vom Handel im ÜUmhersiehen abzulenken. Jene Gründe möchten es aber jedenfalls räthlich machen, daß den Juden selbst die Mittel dar= geboten werden, auf die jüngere Generation einzuwirken und solche von dem überwiegenden Hange zum Hausirhandel abzuleiten, wie dies in der Provinz Posen erzielt ist, woselbst Lie Juden unter dem Ein⸗ flusse der Verordnung vom 1. Juni 1833 sich bereits zahlreich ande— ren Gewerben zugewendet haben. ; ö

Graf von Fork: Ich wünsche sehr lebhaft, daß die Juden sich einem anderen Gewerbe als dem Handel im Umherziehen widmen, ich habe auch nichts dagegen, daß sie davon möglichst abgelenkt wer⸗ den, sondern ich habe mich nur gegen das Mittel, welches dazu an⸗ gewendet werden soll, nämlich das Einmischen der Polizei in die in— nersten Familien-Verhältnisse, ausgesprochen. Wenn aber den Juden größere Freiheit zugestanden wird, alsdann wird es sich auch von selbst verstehen, daß sie sich mehr und mehr dem Gewerbe und dem Ackerbau zuwenden werden, was jetzt freilich nur in geringem Maße der Fall ist, indessen wer da weiß, in welcher schwierigen Lage ein Jude sich befindet, der jetzt ein Ackerstück anfauft und bewirthschaftet, der wird es begreifen, warum sie sich zur Zeit von dieser Beschäfti⸗ gung noch zurückziehen. In zu geivährender größerer Freiheit und Anerkennung ist die beste Abhilfe zu finden. , .

Graf don Zieten: Wenn durch den 8. 34 die Kinder armer und ungebildeter Juden, denn von diesen kann natürlich nur die Rede sein, von dem Lieblings gewerbe ihrer Väter, vom Handel oder vom fogenannten Schacher, abgeleitet werden sollen, um sie den christlichen Goschäften zuzuführen, so würde dieser Paragraph gerade die ent= gegengesetzte Wirkung haben, indem man im Allgemeinen immer mit Widerwillen das thut, wozu man durch Zwang angehalten, vorzüglich wenn dieser von der Polizei⸗Behörde ausgeübt wird, und ich würde demnach ben Wegfall dieses ganzen Paragraphen beantragen.

Referent: Die Acht des letzten Redners hat die Erfahrung im Posenschen gegen sich. Ich kann auch nicht zugeben, daß, wie der Redner sagke, die Anordnung des Gesetz-Vorschlages kein Ge— winn sein würde. Dieselbe 2 der Behörde ober dem Amtmann doch immer Veranlassung geben können, den Vorstand des Vereins kommen zu lassen und ihn zu fragen: „Wie kommt es, dast eure Kinder fi alle noch Schacher treiben, ihr werdet mir Bericht dar= über erstatten“; ist e ,,, wie das Gesetz vorschlägt, nicht vorhanden; so lann der Votstand antworten: daß dies nicht zu den Geschäften des Vereins gehöre; ist aber eine solche Bestimmung

vorhanben, so kann eine dergleichen Antwort nicht erfolgen, und der Vorstand ist gehalten, darüber Auskunft zu geben und Bericht zu er— atten. f Marschall: Wir kommen zur Abstimmung. Diejenigen, welche dem Antrage der Abtheilung beitreten, würden dies durch Aufstehen zu erkennen geben.

(Eine Majorität entscheidet sich für die Annahme.)

Referent: Der nächste Paragraph führt uns auf ein weites Feld, welches wir heute kaum zu Ende bringen werden. Er betrifft die Julassung der Inden zu öffentlichen Aemtern.«

§. 35.

Zu unmittelbaren Staats Aemtern sollen die Juden insoweit zugelassen werden, als sie sich durch den Dienst im stehenden Heere verfassungsmäßig Civil-Versorgungs-Ansprüche erworben haben und mit den ihnen zu übertragenden Civil und Militairdiensten nicht die Ausübung einer obrigkeitlichen Autorität verbunden ist.

§. 35 des Gutachtens.

„Der 5§. 335 des Gesetzes ist wohl der wichtigste, aber auch zu— gleich bestrittenste und vielleicht schwierigste des vorliegenden Gesetzes. Derselbe spricht aber von mehreren Gegenständen, welche besonders abgehandelt werden müssen.

1) Von der Zulassung der Juden zum Staatsdieust (abgesehen von Lehr und Schul-Aemtern); . von deren Zulassung zu mittelbaren Staats- und Kommunal- Aemtern; von deren Bestellung zu Schiedsmännern und Justiz-Kommis— sarien; von deren Zulassung zu akademischen Lehr-Aemtern

und endlich ;

von deren Ernennung oder Wahl zu Lehrern bei Gymnasien und Schul-Anstalten. ; .

Es wird nothwendig sein, bei der Erörterung dieser Gegen— stände die Bestimmungen des Edikts vom 11. März 1812 zu verge- genwärtigen.

Die §S§. 8 und 9 dieses Gesetzes lauten:

§. 8. Sie (die Juden) können daher akademische Lehr- und Schul- auch Gemeinde-Aemter, zu welchen sie sich geschickt gemacht haben, verwalteu,

Inwiefern die Juden zu anderen öffentlichen Bedienungen und Staats-Aemtern zugelassen werden können, behalten wir uns vor, in der Folge der Zeit gesetzlich zu be— stimmen.

Hieraus ergiebt sich zunächst: . a 1. Nücksichtlich der unmittelbaren Staats Aemter, daß in Beziehung auf diese das Weitere vorbehalten und den Juden bestimmte Zusagen nicht gemacht worden sind. Der Gesetzgeber hat hier freie Hand. Der Gesetz⸗ Vorschlag sichert den Juden die Anstellungen zu, für welche der Anspruch durch Militair - Dienst und Civil— Versorgungs - Ansprüche. verfassungsmäßig erworben wird, insofern mit diesen Aemtern nicht „Dobrigkeitliche Autorität“ verbunden ist. Ein Reskript der NKönig— lichen Ministerien des Innern und der Finanzen vom 21. März 1816 hat hierüber auch schon die Behörden mit Anweisung versehen und näher und wohl bestimm ter und besser gesagt, daß die Juden in Folge von Militair-Versorgungs Ansprüchen zu solchen Aemtern zugelassen werden könnten, mit welchen keine richterliche, polizeiliche oder exekutive Gewalt verbunden ist. Diese Bestimmung ist wohl ein Korrelat der Anordnung, daß die Juden jetzt allgemein zum, Militairdienst verpflichtet worden sind. Da nian ihnen die Heerespflicht auferlegte, wollte man auch den invalide gewordenen oder soust durch langen und treuen Militairdienst verdienten Inden, nicht die Aemter vorenthalten, welche in der Regel verdienten Soldaten als Civil Versorgung gegeben werden. Welche Aemter dies sind, ist im Allgemeinen bekannt, es sind dies Secretair,, Schreiber-, Schirrmeister, Boten und ähnliche Stellen, sie alle aufzuzählen, würde in die Ka⸗ suistif verfallen; dem preußischen Staatsbeaniten und auch dem Publikum sind solche genugsam bekannt, und diese den Juden nicht vorzuenthalten, erscheint schon als Korrelat der Heerespflicht billig, auch sind davon Mißstände nicht zu befürchten, und die Abtheilung theilt insoweit ganz

die Ansicht und den Inhalt des Gesetz Entwurfs. Wenn dabei Aemter mit richterlicher, polizeilicher und exekutiver Gewalt ausgeschlossen worden sind, so führt dies auf die Erörterung über, in wie weit über— haupt Juden zum höheren Staatsdienst zugelassen und ihnen Aemter gegeben werden können, durch welche sie

zur Obrigkeit über Christen bestellt werden. ;

Die Ansichten sind hierüber in der Abtheilung getheilt, gewesen; die Minorität ist der Ansicht, daß die Juden zu allen Militair- und Civil Aemtern zugelassen werden könnten und sollten, insofern solche nicht die christliche Rirche tangiren; sie begründet dies dadurch, daß im letzten Freiheitekriege bekanntlich einige Juden zu Ofsizieren be⸗ fördert worden sind und theilweise noch jetzt als solcht in Ter. Armee bienen. Die Minorität folgert hieraus, daß, wer zum Ofsizier im Kriege tauglich sei, auch zu allen Aemtern befähigt erscheinen misse; sie behauptet serner, daß es vom sittlichen Standpunkte aus nicht gerechtfertigt erscheine, einen Staatebürger von der Ausübung seiner Rechte, seines Glaubens wegen, auszuschließen.

Im Gegensatz dieser Ansicht hält es die Majorität der Abthei⸗ lung nicht für thunlich, den Juden, abgesehen von den Militair— Versorgungs-Posten, Staats Aemter, und namentlich solche mit rich— terlicher, polizeilicher oder exekutiver Gewalt, zu übertragen.

Der ganze preußische Staat und dessen Verwaltung beruht auf Grundsätzen, welche unverkennbar aus dem Christenthum hergeleitet sind; an dieser Regierung Männer Theil nehmen zu lassen, welche einer Religions Partei angehören, deren Grundsätze der Mehrzahl der Einwohner des preußischen Staates fremd sind, erscheint nicht thunlich; die christliche Bevöllerung möchte sich auch ungern eine jü— dische Obrigkeit gefallen lassen, Alle Handhabung der brigkeit muß wohl in unserem Lande, welches neben 206,000 Juden von circa 156, 000, 9090 Ehristen bewohnt ird, auf der Grundlage der christlichen Lehre und Moral beruhen, auf der Lehre; daß man auch dem Feinde vergeben und ihm wohlthun soll. Db die Juden sich auch zu die⸗ ser Lehre bekennen, ist Manchen zweiselhaft, noch Mehreren unbekannt.

Außerdem steht jetzt bei uns die Staats Verwaltung noch im vielfacher unmittelbarer Beziehung zur evangelischen oder katholischen Kirche, und die Verhältnisse der konfessionellen Elementarschulen stehen mit der Kirche in enger Verbindung. An den Functionen dieser Art kann doch wohl ein Jude nicht Theil nehmen; ein jüdischer Landrath würde bei allen Aufträgen in Kirchen- und Schulsachen eines Ver⸗ tretera bedürfen, ein jüdischer Regierungsrath fast in jeder Sitzung wegen des Vorkommens von Vorträgen dieser Art das Zimmer ver⸗ f oder sich des Stimmens enthalten müssen. Noch höhere jüdi⸗ sche Beamte könnten möglicherweise ihr Ansehen dazu brauchen, die

Interessen des a , Glaubens zu fördern, und damit möchten die 15 Millionen christlicher Unterthanen schwerlich zufrieden sein.

Ferner bleibt zu beachten, daß in der n preußischen Mo⸗ narchie keine Büren Herrschaft mit absetzbaren Beamten besteht, die unbedingt den Befehlen der Vorgesetzten gehorchen müssen. In un⸗ seren richterlichen und administrativen Kollegien eutscheidet das Vo⸗ anl. was sich kaum immer von persnlichen Ansichten frei erhalten läßt.

In Nord-Amerika ist die Verwaltung des Staats gänzlich von den kirchlichen und Schul-Verhältnissen gesondert, im preußischen Staate verhält sich dies anders, und kann so leicht nicht geändert werden.

Unter den obwaltenben Verhältnissen muß es daher unthunlich. erscheinen, hier bei uns die Christen durch Juden regieren zu lassen.

Zieht man die Verhältnisse des Heeres in Erwägung, so sind alle Beförderungen in diesem lediglich Sache des Landesherrn. Hat dieser in einzelnen Fällen tapfere oder verdiente Juden zu Offizieren befördert, so steht es ihm selbstredend frei, dies auch künftig wieder zu thun, ein Zusatz zu vorliegendem Gesetz kaun hierüber nichts be⸗ stimmen, weder Ansprüche geben, noch nehmen. * ö

Aus diesem Grunde scheint es nach der Ansicht der Majorität der Abtheilung an besten, wenn das Gesetz über die Beförderung von Juben zu Militair Chargen weder positiv noch negativ etwas enthält. Es erscheint der Abtheilung außerdem der Ausdruck:

„Ausübung einer obrigkeitlichen Autorität“,

zu unbestimmt und zu weitgreifend, und es schlägt dieselbe daher

vor, den Satz wegen Zulassung von Juden zum Staatsdienste so zu

fassen: „Ju unmittelbaren Staats-Aemtern sollen die Juden nur insoweit zugelassen werden, als sie sich durch den Dienst im stehenden Heere verfassungsmäßig Civil Versorgungs⸗-An— sprüche erworben haben, und mit den ihnen hiernach zu sibertragenden Aemtern, nicht die Ausübung einet rich— terlichen, polizeilichen oder exekutiven Gewalt veibunden ist. 6.

Marschall: Die Berathung wird sich zunächst auf diesen er— sten Satz zu beschränken haben.

Referent: Ich habe etwas hinzuzufügen: Es ist öfter gesagt worden: Wenn man den Juden auch Anstellungs-Fähigkeit zugesteht, so ist es darum noch nicht nothwendig, daß er auch wirkliche Anstel—= lungen erlange, die anstellende Behörde behält ja die Sache in der Hand. Darauf ist meine Antwort die: wenn die Bestimmung des Gesetzes so gemeint wäre, daß man sie nicht anstellen will, und ihnen durch das Gesetz nur Hoffnungen erwecken, die man nicht erfüllen will, so würde ich diesen Grundsätzen nicht beitreten und es für besser halten, auch solche Hoffnungen nicht zu geben. Wenn das Gesetz den An— spruch auf Anstellungen enthält; so glaube ich, daß man sie auch wirk⸗ lich anstellen muß, und bin auch der Meinung, daß jene Vertröstung praktisch und wirksam sein wird. Ist den Juden die Anstellungs— Fähigkeit zugestanden, so werden sie auch Mittel und Wege finden, um dergleichen wirklich zu erlangen.

Fürst Lonar: Indem ich mich auf den leitenden Grundsatz des Gesetz- Entwurfs berufe, nämlich auf den: „gleiche Pflichten, gleiche Rechte“ kann ich mich nur zu der Ansicht bekennen, daß da mein Antrag auf vollkommene Emanespation zurückgewiesen worden ist wir den Juden, vorläufig wenigstens, einen Theil der politischen Rechte zu gewähren haben und wir uns damit einverstanden erklären müssen, daß sie auch zu Aemtern, mit welchen eine obrigkeitliche Ge⸗ walt verbunden ist, befähigt sein sollen. Ich weiß, daß die Zusam- menstellung der Worte: „Juden und politische Rechte“, vielen Wider— spruch finden werde, daß man bei Nennung derselben die Juden im Geiste schon vor sich sieht als Magistrats⸗Mitglieder, Richter, Land⸗ räthe, ja sogar als Landtags- Deputirte, oder als die höchsten Staats—⸗ beamten, welche ihren Sitz auf der hoöchverehrten Ministerbank, mir gegenüber, einnehmen; allein ich gebe zu bedenken und wiederhole, was der verehrte Herr Referent bereits gesagt hat: wie dadurch, daß wir den Juden politische Rechte einräumen, solche noch nicht zu Rich— tern, zu Landräthen, zu Deputirten oder sogar zu Ministern gemacht werden, daß hierzu eine Wahl, aus dem Vertrauen ihrer Mitbürger hervorgehend, eine ganz besondere Befähigung oder der Allerhöchste Wille des Monarchen erforderlich sei. . .

Unter solchen Voraussetzungen aber kann ich nicht einsehen, wie selbst die höchste Stellung, welche ein Jude einnehmen könnte, dem Lande nachtheilig werden dürfte; ja ein Jude, der sich zu diestt Höhe emporschwänge, wäre gewiß ein so ausgezeichneter Mensch, daß selbst das Vorurtheil ihm Anerkennung nicht versagen würde.

Denken wir uns den Fall, daß ein Nathan der Weise in die—⸗ ser Zeit erstände, das Vertrauen unseres Königs ihm einen Platz auf der hohen Ministerbank anwiese, und er uns in einer Ilm , von dieser Stelle aus die schöne Fabel von den drei Ringen erzählte, würden wir ihm nicht mit begeistertem Wohlgefallen zuhören, würde es dem Lande Gefahr bringen, wenn dieser Weise den Rathgebern der Krone zugesellt würde?

Geh. Regierungs-Rath Schröner: Ich wollte mir die Be— merkung erlauben, daß nach dem Vorschlage des geehrten Herrn, welcher so eben gesprochen hat, es den Anschein gewinnt, als wenn davon auszugehen sei, daß bei der Anstellung im Staatsdienst immer noch ein besonderes Vertrauen hinzukommen müsse. Ein Vertrauen wird allerdings vorausgesetzt. Nach der Verfassnng aber, welcher gemäß die Beamten bei uns zu Aemtern gelangen, geht ein Jeder, der unbescholten ist, dessen Führung keine Veranlassung zu Tadel ge— geben hat, nach genügender Vorbereitung und festgestellter Befähi gung ohne Weiteres in eine amtliche Stellung über, ohne daß an— noch ein besonderes Vertrauen hinzukommen müßte. Sonach würde beispielsweise ein Jude, welcher sein Referendariats- und sein Asses⸗ soriats Eramen bestanden hat, bei untadelhafter Führung in ein Richter-Nollegium eintreten, ohne daß es eines obwaltenden beson— deren Vertrauens bedürfte.

Fürst zu Lynar: Sollte ein Jude zum weiteren Fortschritt im Staatsdienste zugelassen werden, so müßte er sich (was als all— gemeine Bedingung gelten muß) in seiner bisherigen Stellung als durchaus tüchtig bewiesen haben, und nur ein hierauf gegründetes Vertrauen würde ihn zu einer höheren Stellung berufen oder doch seine Zulassung zu derselben bedingen.

Graf Dyhrn: Ich glaube, wenn ich den verehrten vorletzten Redner verstanden habe, daß er hier schon vorgegriffen hat. Es ist hier blos von Staats-Aemtern die Rede. Von den Aemtern, welche sie durch das Vertrauen ihrer Mitbürger bekommen haben, wird erst weiter unten die Rede sein. Ich frage, ob diese Trennung nicht ge⸗ macht worden ist. .

Marschall: So ist es. Der erste Satz des Paragraphen ist zur Berathung gestellt. h Graf Dyhrn: Ich habe Alles vernommen, was gegen die Zulassung der Juden zu Staats-Aemtern gesagt werden kann, schließe mich aber doch der Minorität vollkommen an, und ganz kinz' blos darum, weil ich nicht zugeben kann, daß, wie selbst im Gutachten der Abtheilung, wenn auch noch so leise, doch angedeutet wird, sich 15,000,000 vor 2b, 0 0 je zu fürchten haben sollten. Ich glaube, daß der Jude, welcher in den Staatsdienst eintritt und ordentlicher Staatsdiener desselben sein will und sein muß, worauf schon gehalten

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werden wird, ich sage, daß ein solcher wenigstens insoweit nicht mehr Jude bleiben kann, als eben die jüdi che Religion ihn daran hindern wird. Es ist aber seine Sache, und ich habe nichts darüber zu ent⸗ scheiden, ob er äußerlich noch Jude bleiben will. Der Staat steht so hoch, daß sich die Privat- Ansicht jedes einzelnen Beamten unter. ordnen muß. Eine Einwirkung auf dieses Staats- Prinzip räume ich kaum den Allerhöchsten Stellen ein, und die Besetzung dieser Stellen geschieht durch das Vertrauen Sr. Majestät. Hat lun Se. Maje⸗ stät das Vertrauen zu einem Juden, ihm eine solche Stelle zu übergeben, so bin ich fest überzeugt, daß dann für den christlichen Staat gar, nichts zu fürchten ist. Was die untergeordneten Stellen anlangt, so sind sie in unserem Staate so fest in die büreaukratische Hierarchie eingereiht und ihre Wirksamkeit so genau bestinunt, daß ich als Christ nicht in Sorge bin, dem Ju= den ein Amt zu übergeben, sondern daß es, nach meiner Ansicht, viel—= mehr die Frage ist, ob der Jude nicht vielleicht mit seinem Gewissen in Kollision komme, das Amt zu übernehmen. Dies ist aber seine Sache, über die ich nicht zu entscheiden habe. Dann ist im Gutach— ten gesagt: Es sollen den Juden alle Aemter, welche keine exekuti— vische Gewalt hätten, übergeben werden. Sehr viele der Aemter, welchen alten Militairs übergeben werden, haben aber exekutive Ge— walt, und wird dieser Grundsatz festgehalten, so fragt es sich sogar, ob der Jude Unteroffizier werden kann? Tenn ein solcher hat oft auch exekutive Gewalt, z. B. wenn er eine Wache kommandirt, wobei er keine kleine exekutive Gewalt gegen allerhand Christen hat. Also auch diese Stellen müßten ihm genommen wenden. Es wäre aber eine sehr große Unbilligkeit, wenn sie zum Militairdienste zugezogen würden und ihnen dabei alle Aussicht auf Avancement genommen werden sollte, namentlich, da sie jetzt schon im Besitz weit höherer Militair-Stellen sind. Ich selbst kenne einen Stabs-Ofsizier in Berlin, der heute noch Jude ist. Diese Frage also scheint mir abgemacht zu sein. Können nun die Juden im Militair so hohe Chargen erreichen, so muß ich gestehen, weiß ich mir nicht zu erklären, warum sie im Civil nicht die gleiche Stellung bekommen sollen. Die Stellungen, welche mit un⸗ serer kirchlichen Verfassung zusammenhängen, werden die Juden selbst nicht übernehmen; obgleich ich gar nicht einsehe, warum diejenigen, welche es nur mit den ganz äußeren Verhältnissen selbst in dieser Verwaltung zu thun haben, nicht eben so gut von Juden als von Christen verwaltet werden können. Denn wenn wir auf diese Son⸗ derung kommen, wenn wir bei Ertheilung eines Amtes auf die Motive, aus denen es übernommen worden, auf die Einwirkung, die es gewähren kann, Rücksicht nehmen, wenn win überhaupt gelten lassen wollen, daß der Jude seine Gewalt als Staägts-Obrigkeit zu Gunsten der Juben und zum Schaden der Christen anwenden wird, nun, meine Herten, dann öffnen wir jeder konfessionellen Feindschaft Thor und Thür, dann würde auch bei uns ein Partei-Kampf beginnen, vor dem wir uns . nicht zu fürchten hätten, dann aber nicht mehr gesagt werden könnte, daß es die Aufgabe unseres Staates ist, daß alle Konfessionen und Parteien gleichen Zutritt zum Staatsdienst haben. Ich kann mich also nur der Ansicht der Minorität der Abtheilung anschließen, und ich sehe weder eine Gefahr, noch irgend einen anderen Grund, wenn wir die Juden zu allen Staatsdiensten zulassen. Zu⸗ letzt stimme ich für eine vollständige Gleichstellung der Juden mit uns auch aus Toleranz! Dieses oft verhöhnte Wort wurde vorhin in je⸗ ner Bedeutung ausgesprochen, in der es jetzt oft für Indifferentis⸗ mus, Gleichgültigkeit gebraucht wird. Aber diese Toleranz ist nicht die meinige. Nach meiner Erklärung des Wortes besteht sie über— haupt nicht darin, daß man alle möglichen Meinungen in sich auf nehme, weil man eigentlich gar keine dat, alle Meinungen friedlich um sich herum gelten läßt und sie anerkennt, weil man eben keine eigene Meinung zu vertreten, mit Wort und Schwert zu vertheid⸗ gen hat. Ueber die Zeit dieser Toleranz sind wir, Gott sei Dank, weg. Die Toleranz, der ich opfere, ist ihr gerades Gegentheil, sie ist das Zeichen der Siegesgewißheit, der Wahrheit. Wenn ich innerlich überzeugt bin, daß die Wahrheit siegen wird, stets siegen muß, dann kann ich, ohne meine eigene, innerlichste feste Ueberzeugung aufzugeben, eben tolerant sein; dann kann ich die anderen Meinun— gen nicht nur gewähren lassen, sondern in ihrer Berechtigung aner⸗ kennen, denn ich weiß, daß die Wahrheit zuletzt doch siegen muß, und dies um so eher, je mehr, je freier und ungestörter sich die entgegen

stehenden Meinungen, sei es in der Religion, sei es in der Politik, entwickeln dürfen. Denn nur im Kampfe kommt die Wahrheit zur Erscheinung. Lasse ich aber die eine Meinung gar nicht zur Erschei

nung, zu ihrer Entwickelung kommen, dann zeige ich, daß ich die Sie—⸗ gesgewißheit noch nicht habe, daß ich jene Meinung fürchte und ei⸗ nen Kampf mit ihr vermeide. Es giebt eben zweierlei Fanatiker: die nicht tö⸗ lerant sein können, weil sie dieser Siegesgewißheit entbehren. Die einen, die etwas begehren, was noch nicht an der Zeit ist, uns weil sie fühlen, daß sie noch keine Unterstützung der Gegenwart finden, sich andere Bundesgenossen holen müssen; die anderen, die etwas vertheidigen, was die Zeit bereits erübrigt hat, und diese müssen sich andere Bun

desgenossen holen, müssen die Idee durch die Materie unterstützen und stützen wollen, weil sie fühlen, daß derselben das innerste Leben entflossen ist. Wenn ich aber die Ueberzeugung habe, daß es der alleinige Gang der Weltgeschichte ist, die Wahrheit zur Erscheinung zu bringen, dann kann ich, ohne meine Meinung im geringsten auf— zugeben, wahrhaft tolerant sein, dann kaun ich aber allen Mei

nungen um mich herum Raum geben, damit in ihrem Kampfe die Wahrheit erstehe und zur Erscheinung komme. Darum glaube ich, meine Herren, können wir ganz ohne Furcht gegen die Inden in diesem höheren Sinne des Wortes tolerant sein; wir können ihnen Raum geben, daß sie mit uns auf gleichem Felde, mit gleichen Waf— fen den Kampf bestehen, und ich wenigstens, meine Herren, bin gar nicht zweifelhaft, wem der Sieg gehören wird!

(Mehrere Stimmen: Schön! Schön!)

General-Lieutenant von Cosel: Ich habe mir die gehorsame Bemerkung erlauben wollen, daß den in der Armee dienenden Juden schon gegenwärtig das Recht gegeben worden ist, zu Unteroffizieren ernannt werden zu können; zu Offizieren dürfen sie nicht befördert werden, da ihnen das Recht zu Staats- Aemtern im Civildienst bis—⸗ jetzt auch nicht zusteht. Sollte diese Schranke fallen, dann dürfte allerdings kein triftiger Grund obwalten, sie von der Offizier-Lauf— bahn auszuschließen.

Graf von Burghaus: Ich kann mich nur gegen die Zu⸗ lassung der Juden zu Staats-Aemtern erklären, und zwar nicht, weil ich glaube, daß die 15,000,909 christlichen Einwohner die 206,000 Juden zu fürchten hätten, sondern weil ich glaube, daß wir, die wir berufen sind, ein gewissenhaftes Gutachten abzugeben, wohl die Mei— nungen und Ansichten dieser 15,000, 009 Einwohner zu berückhsichtigen und zu ehren haben werden. Ich glaube aber, daß es in diesem Augenblicke noch einen sehr ungünstigen Eindruck machen würde, wenn,

nachdem so viel für Emancipation der Juden geschieht, wir sie auch!

noch zu Staats⸗-Aemtern zulassen wollten.

Ich glaube, daß, wie ich vorhin schon äußerte, es in diesem Augenblicke einen ungünstigen Eindruck machen würde, wenn die Ju⸗ den, nachdem viel für ihre Emancipation geschieht, auch noch zu den bezeichneten Staats - Aemtern zugelassen würden. Ich werde mich freuen, wenn, nach Verlauf einiger Jahre die Wahrnehmung sich uns aufdrängt, daß die Juden so viel Vertraus'n und so viel Achtung be⸗ gründet haben, daß wir ste dann zu diesen Aemtern befördern kön-

nen, aber ic Schritt vor S g belehrt,

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glaubt sie gerade, daß nur dieses Anbahuen . könne. und da rin plötzliches Niederreißen der bestehenden Schranken weder in der allgemeinen Meinung, noch auch im Zustande der Civilisafion ber Ju- den sich réchtsertigen läßt. Ich glaube aber, daß dieser 3h , hier vorgeschlagen worden und der dem ganzen Gesetz grunde liegt, wohl ein geeigneter sein dürfte, biesen Justand allmälig für die Juden vielleicht später vorzubereiten, und aus diesem Grund? würde ich für die Zulassung der Juden nur in bedingter Art zu allen hiet in Rede stehenden Staats- und anderen Aemtern meine Zustimmung geben. Graf von Kielmansegge: Ich wollte nur sagen, daß ich die Beredtsamkeit des geehrten Mitgliebes aus Schlesten zwar be wundere und sein Gefühl höchschätze, mich aber dem, was er ausge⸗ sprochen, doch nicht ganz anschließen kann; im Gegentheil! habe ich sehr häufig die Wahrnehmung Zzemacht, daß allzu große Milde, eine gewisse Lauheit in kirchlichen Grundsätzen für den christlichen Staat nicht erfreulich ist. Ich meine, man soll an ben Lehren des Christen⸗ thüns in ernsten wie in guten Tagen halten, denn ohne dem ist jede Sicherheit im Leben benommen, und ich meijterseits strebe wenigstens danach, daran zu halten und nicht davon abzugeben. Uebrigens sind die Begriffe, die Ansichtin und das Gefühl darüber sehr verschieden, aber ich muß mich denn doch entschiedem für das christliche Element im christlichen Staat aussprechen. Deshalb möchte ich aber niemals intélerant gegen die Jüden sein, im Gegentheil wird es mich sehr freuen, wenn die Juden sosiel als möglich züm Christenthum heran- gezogen und durch Toleranz von Vorurtheilen, wie sie mir erscheinen, zurückgebracht würden. Ich will sie in jeder Weise in Schutz ge⸗ nommen, ich will sie auf keine Weise angefochten wissen; aber wenn ein christlicher Staat von den Lehren abgehen will, die ihm als Stütze und Halt dienen sollen, so sehe 9 nicht ein, warum wit überhaupt irgend einen Glauben haben, dann kann füglich ein Jeder nach seinem inneren Gefüßle gehen, und: was ihm dieses sagt, als genügend erkennen; einen festen Halt aber kann uns nur die christ liche Lehre geben, und daher müssen wir meiner Ueberzeugung nach in vollem Umfange an dem Positiven durch die christliche Lehre ge⸗ gebenen festhalten, welches bei dieser Diskussion freimüthig auszu⸗ sprechen ich mich gedrungen fühlte.

Graf Dohrn: Ich habe auf die gehörte Rede nichts Anderes zu erwiedern, als daß es mein Prinzip ist, die verschiedensten n über diese Sache zu achten. Nur gegen einen einzigen Ausdruck des geehrten Redners wollte ich mich wahren. Ich muß durchaus die Ab⸗ sicht nicht erreicht haben, welche ich durch meinen Vortrag erreichen wollte, ich muß mich sehr undeutlich ausgedrückt haben, wenn in mei⸗— ner Rede auch nur ein Tropfen von Lauheit gelegen hat, ich habe vielmehr in eben dieser Rede gegen diese laue Toleranz proötestirt, habe gegen diese die wahre Toleranz hinstellen wollen. Es scheint mir nicht gelungen zu sein. Ich weiß von dieser Lauheit nichts, ich hänge mit Begeisterung und aller Festigkeit in meinem Prinzip, ich bin be⸗ reit, ubtrall und jrder Zeit für sie zu kämpfen, aber indem ich eben über den Prinzipien nech die Siegesgewißheit der Wahrheit hae; so kann ich die anderen Prinzipien anerkennen, und die meinen, mit bie⸗ sen allen, als vollkommen berechtigten in den Kampf führen. Darum möchte auch ich allen Religions und politischen Parteien mit deni großen Dichter zurufen können: ; „Hier ist der Bogen

„Und hier ist auch zum Kampf der Raum.“

Graf Mork: Ich glaube, daß mein Standpunkt dem verehrten Redner, der früher als mein Freund aus Schlesien sprach, besser zu= sagen wird, denn ich bin nicht tolerant in Glaubenssachen, in religis⸗ sesßn Ansichten. Meiner Ansicht nach, ist aber das Religisse vom Staate sehr zu scheiden. Der Staat ruht, meiner Ueberzeugung nach, auf dem sittlichen Prinzip, aber nicht auf dem religiösen. Er ist ba⸗ sirt auf dem Prinzip der Gerechtigkeit, und darum will ich meinen jüdischen Mitbürgern jedes Recht gewähren, dessen die christlichen Un= terthanen theilhaftig sind. Ich wünsche, daß die heutige Gesetzge⸗ bung sich an das Gesetz von 1812 anschließe, von dem aus ich wie⸗ der weiter gehen will, was auch, nach der Versicherung des Äduigl, Herrn Kommissars, die Absicht der Regierung ist. Jenes Gesetz hat damals schon vollkommene bürgerliche Freiheit ausgesprochen, und die Juden haben sie auch in ziemlicher diusdehnnng bis jetzt genossen. Es handelt sich jetzt darum, daß die S8. 8 und 9 die Paragraphen der 9 waren, durch das neue Gesetz erfüllt werden sollen, und hier muß ich bekennen, daß mir diese Erfüllung eine zu geringe ist. Ich knüpfe hieran eine Bemerkung über einen. Ausspruch des Herrn Referenten, welcher dahin ging, daß, wer ein preußischer Offizier werden könnte, befähigt sei, jedes andere Amt zu bekleiden. Das beißt natürlich, er kann nicht, wenn er auch ein 63 Offizier wäre, zu jedem anderen Amte geschidt sein; aber die Befähigung, der Anspruch an jedes Amt muß in Preußen Jedem bewilligt werden, der Offizier werden