bie einzelnen Anträge, welche der Herren-Kurie in Bezug auf die Ab- änderung des Patentes vom 3. Februar vorliegen und, so viel ich gehört habe, morgen zur , . gelangen werden, dort berathen werden und wir dann ts über die etwaigen Modificatignen, welche in der Herren. Kurie beliebt würden, Beschluß fassen., Fenn wenne wir noch eine Menge Petitionen beralhen würden, so weiß ich nicht, was das für einen Erfolg haben wird. Wir können dann in der Lage sein, hier Beschlüsse zu sassen, 4 daß die Herren · Kurie die ö. hat, darüber beschließen zu können. Die Versammlung wirt aber doch wohl nur zu dem Zwecke beschließen wollen, damit ein Beschluß des Landtags in solchen Angelegenheiten erfolge. Wenn wir unsere Petitionen umd die dazu etwa erfolgenden Modisieationen der Herren⸗Kurie noch alle berathen wollen, dann weiß ich nicht, wo wir anfangen sollen. Soll aber ein bestimmter Beschiuß darüiter gefaßt werden, welche Petitionen die wichtigsten seien, ? wird der Eine die se Pelition, der Andere jene Petition für die wichtigste erklären, und es wird unmöglich sein, darüber zu einen Vereinigung zu gelangen.
Abgeordn. Frhr. von Manteuffel II.:. Es scheint, als ob die Berathung bereits auf den Punkt gediehen wäre, welcher, so viel ich den Herrn Marschall gestern veistanden habe, eigentlich für den Schluß der heutigen Sißüung bestimmt war. Da es aber einmal geschehen ist, fo haite ich es auch für meine Pflicht, auf den allgemeinen Ge⸗ sichts punkt aufmerksam zu machen, der bei denjenigen Petitionen lei⸗ lend fein wird, die in dieser Versammlung während der Zeit, die übrig bleibt, noch zur Berathung kommen können, und in dieser Be⸗ ziehung muß ich zunächst dem geehrten Abgeordneten aus Westfalen ßentreten, welcher darauf aufmerksam machte, daß es kaum möglich sein würde, Petitionen, die hier noch berathen werden, zur Erledigung zu bringen. Ich schließe einen zweiten Gesichtspunkt an, der dahin geht, daß ein Verʒeichniß der Petitionen gefertigt werde, welche von der Herren⸗Kurie herübergekommen sind. Dann haben wir Material genug, aus diesen Petitionen können wir diejenigen herausnehmen, die als die wichtigsten erscheinen, und so wenigstens diese Geschäfte zum Abschluß bringen. Aber auf die Weise, die jetzt beliebt worden ist, wonach Petitionen hier berathen werden sollen, welche der Herren⸗ Kurie niemals jetzt zur Erledigung zugehen werden, können wir zu einem Abschluß der Geschäfte nicht kommen; ich halte deswegen für das Beste, daß der oben bezeichnete Weg eingeschlagen wird.
Marsch all: Darauf erwiedere ich, daß solche Petitionen noch nicht vorliegen; sie befinden sich noch in den Abtheilungen und sind noch nicht zur Berathung reif.
Verschiedene Stimmen geben zu gleicher Zeit derartige Petitio- nen an.)
Ich muß bitten, daß nur Einer auf einmal spreche.
Abgeordn. Hansem ann: Meine Herren! Es versteht sich, wie mir scheint, von selbst, daß diejenigen Petitionen, welche aus der Herren-Kurie an uns gelangt sind, hier zur Berathung lommen müs⸗ sen, sobald sie aus den Abtheilungen hervorgehen. Indessen wird sich, außer diesen Petitionen, bis zu dem vorauszusehenden Schlusse des Landtages gewiß noch Zeit finden, andere hier zu berathen. Es kommt nach meiner Meinung nicht allein darauf an, daß diese Peti⸗ tionen auch in der Herren-Kurie demnächst zur Berathung kommen, sondern es ist, ganz abgesehen davon, schon sehr wichtig, daß die Be= rathung hier stattfinde und das Gouvernement dadurch Kenntniß von der Ansicht unserer Kurie erlange. Hiernach ist es nun nothwendig, vorzugsweise für diesen Zweck nur diejenigen Petitionen zu berathen, die eine große, allgemeine Wichtigkeit haben. Ist es mir erlaubt, in dieser Hinsicht nicht eine lange Reihe, sondern nur ganz wenige zu bezeich⸗ nen, so mache ich auf folgende aufmerksam; ich glaube, daß ich dafür die Zustimmung der hohen Versammlung um so eher finden werde, weil ich nur drei oder vier vorschlage; sollte nachher noch Zeit übrig sein, so kann man weiter berathen, was vorzunehmen ist. Ich würde zuvörderst vorschlagen, daß die Petitionen auf Preßfreiheit und den Erlaß eines Preß-Strafgesetzes berathen werden; sodann würde ich als von besonderer . die Petitionen wegen Feststellung des Haupt⸗Finanz-Etats und ber Kontrolle des Staats-Haushaltes zur Berathung vorschlagen, die deshalb von der höchsten Wichtigkeit sind, weil es sehr n f ankommt, daß das Gouvernement die Stimmung dieser Kurie darüber kennen lernt. Endlich würde ich drittens den Antrag wegen Vorlegung der Gesetze über das Prozeß- und Gerichts- Verfahren an die Stände vorschlagen; dies ist ebenfalls ein Gegen— stand von Wichtigkeit, weil es sich dabei um wesentliche ständische Rechte handelt. Ich schließe meine Vorschläge mit diesen dreien und r wenn diese berathen worden sind, es alsdann an der Zeit sein werde, weiter zu überlegen, was dann noch vorzunehmen sei.
Eine Stimme: Ich habe nur zu bemerken, daß auch der An⸗ trag, der in der Herren⸗-Kurie bereits durchgegangen ist, hinsichtlich der Patrimonial⸗ Gerichtsbarkeit, in dem . bereits berathen ist, und daß heute noch dem Herrn Marschall das Gutachten zugehen wird.
Eine Stimme; Ich habe zu bemerken, daß das anderweite Gutachten der Abtheilung über das Ablösungsrecht in die Plenar⸗ Versammlung so weit wird kommen können.
Abgeordn. von Leipziger: Ich habe nur zu bemerken, daß die Petition wegen des unentgeltlichen Schneeräumens schon in der Herren- Kurie berathen, hierüber auch bereits ein Gutachten von der Abtheilung vorliegt, und es wünschenswerth ist, daß diese Vent auch 4 . Drei⸗Staͤnde⸗Kurie noch zur Berathung und Beschlußnahme ommt.
Abgeordn. Diergardt (vom Platze aus): Ich wollte die hohe Versammhlung bitten, die Auswanderungs⸗ Angelegenheit vorzunehmen. (Unruhe in der Versammlung. Auf eine emerkung des Mar⸗ schalls besteigt der Abgeordnete die Rednerbühne.)
Meine Herren! Diese Angelegenheit ist nach meinem Crachten von großer Wichtigkeit. Nach Berichten aus den rheinischen Distrikten und aus Süd⸗Deutschland wenden die Agenten, welche zur Auswan⸗ derung veranlassen, alle möglichen Mittel an. Wir haben noch die= ser Tage hier bas traurige Beispiel gesehen, wie es den Auswande⸗ rern in den Seestäbten geht, wir häben viele Familien aus West= preußen zurückkommen gesehen, die nach Hamburg gegangen waren, bort keine Ueberfahrt bekommen konnten und deshalb auswandern wollten, weil ihnen die Sache viel leichter dargestellt worden war, als wie fin h ist. Diese Angelegenheit ist in mehreren süd⸗ deutschen ständischen Ver sammlungen g,, worden; ich glaube da⸗ her auch wohl, daß sie wichtig genug sst, Gegenstand unserer Bera⸗ thung zu J, aa.
elfa Ruf zur Tagesordnung. Abgeorbn. Han sem ann: ; 8 Der Ruf zur Tagesordnung steigert sich,
Ich erkläre m r. den Antrag des Redners, der zuletzt hier stand, und bleibe dabel, baß wir vor allen Dingen die drei vorher von mir bezeichneten Sachen vornehmen.
(Pochen in der Versammlung.)
Marschall; Es wird nicht mi glig . eine Diskussion über 6. 9 Antrag statkfinben zu lassen. Das einzig Mög⸗ . Ide sein, r Antrag einzeln genannt und auf der
lte gefragt wird, will bie hohe Versammlung, daß dieser Gegen= hie er n. se berathen werde. sage, es ist das einzig = ** fragt sich aber, ob dieset der hohen Versammlung
scheint ¶Mrhrtre Stimmen: Nein h
Abgeordn. von Auers wald: Ich möchte mir den Vorschleg erlauben. daß diesenigen Mitglieder der Versanimlung, welche spezielle Anträge zu stellen haben, diese dem Herrn 23. einreichen, daß der Herr Marschall die Güte hat, nach seiner zu bestimmen, diese Neihefolge mitzutheilen und * estatten, da man für einzelne Fälle, für welche man noch ö. hat, si darüber äußere. Dem Herrn Marschall wird auf diese Weise der Wunsch der Versammlung bekannt, er wird außer Zweisel die An- träge, welche auf diesem Wege eingehen, und die Stimmung der Versammlung darliber erkennen; wir aber, glaube ich, können —ᷓ Unparteilichkeit vollkommen vertrauen.
(Ja! Ja!)
Ich halte dies für den einzig möglichen Weg, ohne ganz enormen Zeitverlust zum Ziele zu kommen.
Marschall: Durch diesen Vorschlag wird sehr viel in meine Hände gelegt. Vorläufig, wenn die hohe Versammlung damit ein⸗ verstanden fein sollte, nehme ich ihn zwar an, aber nur unter der Bebingung, daß ich mir den Rath der hohen Versammlung ganz aus⸗ drücklich nachher erbitten kann. Hat die hohe Versammlung gegen diesen Vorschlag nichts einzuwenden, so bitte ich diejenigen Herren, weiche wünschen, daß der eine oder andere Antrag außer der Reihe der JZeitfolge vorgenommen werde, ihre Wünsche darüber bei mir ein⸗ . ich werde sie sammeln und der hohen Versammlung dann
ortrag darüber halten. Der Abgeordnete Müller bittet, eine persönliche Bemerkung machen zu dürfen.) Zuvor hat der Herr Abgeordnete Diergardt über einen allgemeinen Gegenstand das Wort. Vielfacher Ruf: zur Tagesordnung.)
Abgeordn. Diergardt: In Bezug auf die gestrige Abstim⸗ mung mittelst Namensaufrufs ist mein Votum in den Listen als ein verneinendes bezeichnet worben. Ich habe aber, und meine ver ehrten Kollegen in meiner Nachbarschaft werden es bestätigen, mit * gestimmt. Ich bitte deshalb den Herrn Marschall, daß er die
, ,. haben möge, dies rektifiziren zu lassen.
Marschall: Diese Bemerkung ist in dem heutigen stenogra⸗ lichen Bericht aufgenommen, und wird dadurch die Sache erledigt werden.
Abgeordn. Müller: Wenn ich nicht irre, hat der verehrte Abgeordnete aus Westfalen so eben meiner unbedeutenden Person ge⸗ dacht. Indem ich für die Ehre danke, die mir dadurch geworden ist, fühle ich mich zugleich veranlaßt, Alles das, was ich etwa Ver⸗ letzen des in meiner ehegestrigen Rede gegen die Juden gesagt habe, hier zurückzunehmen und wünsche ihnen alle mögliche Freiheit, wie sie solche sich nur selbst wünschen können.
Marschall: Der Herr Abgeordnete Dorenberg hatte noch das Wort verlangt, um einen Antrag zu empfehlen; die Sache ist jetzt erledigt, wie ich glaube. Wir kommen nun zur Tagesordnung und fahren in unserer Berathung fort.
Referent Sperling (liest den Abschnitt II. des §. 35 vor): „Inwiefern die Juden mittelbare Staats- und Kommunal⸗ Aemter bekleiden können, ist nach den darüber . be⸗ sonderen gesetzlichen Vortheilen zu beurtheilen. Es sindet je⸗ boch deren Eintritt auch in solche Aemter nur dann statt, wenn mit demselben die Ausübung einer obrigkeitlichen Auto⸗ rität nicht verbunden ist.“
Das Gutachten zu diesem Abschnitt lautet: „Absch nitt 2.
Daß in einem Gesetze, welches die Verhältnisse der Juden neu zu regullren bestimmt ist, eine Verweisung auf Bestimmungen statt-· sinde, welche außer demselben bestehen, kann nicht als zweckmäßig er⸗ achtet werben, und würde deshalb eine ergänzende Umarbeitung des vorllegenden Abschnitts zu wünschen sein. Aber auch außerdem dürfte wohl solche nothwendig werden.
Das Ebikt' vom 11. März 1812 sprach es im 8. 8 allgemein aus; „Sie können Gemeinde⸗Aemter, zu welchen sie sich ge⸗ schickt gemacht haben, verwalten.“ Diese Bestimmung hat im Laufe der Zelt manche Einschränkung erfahren. Zuvörderst stellte die Ver⸗ waltung den Grundsatz auf, daß die Juden, so lange nicht dem §. 9 des Edilts gemäß gesetzlich bestimmt worden, zu welchen Staats m⸗ tern sie zuzuͤlassen feien, von solchen Gemeinde⸗Aemtern ausgeschlossen werden müßten, mit welchen ein Staatsamt, die persönliche und di⸗ rekte Ausübung der Polizei verbunden ist, also beispielsweise dem Amte eines mit der Polizei-Verwaltung beauftragten Bürgermeisters in der Stadt und dem Schulzenamte auf dem platten Lande.
Einen zweiten Schritt auf dem Wege der Einschränkun that sodann die Gesetzgebung unmittelbar selbst. Da in manchen Städten die Polizei⸗Verwaltung von der Konimunal⸗Verwaltun getrennt ist, aus der ersteren also keine Veranlassung zur ze rn uüß der Ju⸗ ben vom Bürgermeister⸗ oder Ober- Bürgermeister- Amte entnommen werden konnte, so bestimmte die revidirke Städteordnung vom 17. März 1831, daß zu den eben genannten Stellen das Bekenntniß der christlichen Religion erforderlich sei; und dieser Grundsatz, wird nun auch für diejenigen Städte geltend gemacht, in welchen die Städte⸗ Ordnung von 18608 gilt, die eine Ünterscheidung der Bürger nach ihrer Religion nicht kennt. Es sind also die Juden zur Zeit nach den Vorschriften, auf welche der Gesetz Entwurf hinweist, von dem Amte eines Bürgermeisters und Ober⸗Bürgermeisters, außerdem von allen Kommunal Aemtern ausgeschlossen, mit welchen die Verwaltung der Polizei verbunden ist.
Der Entwurf geht nun noch weiter, indem er dieselben ferner von allen Aemtern ausgeschlossen wissen will, mit welchen eine obrig⸗ keitliche Autorität verknüpft ist. Denn welche Aemter darunter zu verstehen sind, ist bei dem ersten Abschnitte schon auseinandergesetzt, und daß diese Bestimmung des Entwurfs sie noch zu verschiedenen anderen? gemeindeamtlichen? Functionen unfähig machen würde, die ihnen bisher übertragen werben kounten, darf nicht näher dargelegt werden.
Wenn schon dort ausgeführt ist, daß dies Kriterium des Ent⸗ wurfs bei der Zulassung der Juden zu Staatsämtern aller Begrün- dung ermangelt und ohne Noth beengend ist, so muß hier, wo es sich um Kommunal -Aemter handelt, noch geradehin ausgesprochen werden, daß dasselbe zu einer Verkürzung der Juden in den Rechten führt, die sie nach der bisherigen Gesetzgebung, dem Edikte vom 11. März 1812, schon gehabt haben.
An den Orten, wo die Aommunal-Aemter auf der Wahl der Gemeinde- Mitglieder beruhen, läßt es sich mit Sicherheit annehmen, daß nur ein Jude, welcher des Vertrauens würdig ist, zu dem Amte berufen werden wird, und wenn solches geschieht, die Letzteren seiner Autorität sich gern und willig fügen werden. Da aber, wo den Staats⸗-Behörden die Besetzung der Kommunal -Aemter zusteht, würde es immer in deren Hand llegen, dieselben einen Juden, wenn sie es , finden, nicht anzuvertrauen. Deshalb dürfte auch nicht der leifeste Grund vorhanden sein, die Beschränkungen, welche die neuere Zeit den Juden in Beziehung auf Kommunal -Alemter auferlegt hat, destehen oder gar die Bestimmung des Entwurfs ins Leben treten zu lassenʒ vue! stimmt bie Abtheilung unter Anerkennung des von den Juden bereits erworbenen Nechts einmüthig dna in, daß die Dis- posttion des §. 8 des Edilts vom 11. März 1812 in ihrem vollen
cht die Reihefolge
Umfange wiederhergestellt und in das vorliegende Gesetz aufgenom⸗ men werde.“
Ich muß hier die Bemerkung machen, daß es nur auf einem Drudfehler beruht, wenn nicht im Gutachten zugleich auch der mittel- baren Staatgämter namentlich gedacht ist, da sie denselben Grund- sätzen unterliegen, die in Dahn auf Kommunal⸗Aemter geltend gemacht werden können.
e, , von Byla: In der gestrigen Sißung, und zwar am Schlusse derselben, hat die hohe Versammlung n g ii der un⸗ mittesbaren Staats- Aemter das Amendement der geehrten Abgeord⸗ neten aus Pommern und aus Aachen mit einer Majorität von 5 Stimmen
(Eine Stimme: Von 7 Stimmen) angenommen. Wenngleich ich nun gewünscht, daß in dieser Hinsicht der zweite Vorschlag der Abtheilung angenommen worden wäre, weil derselbe den Juden bestimm te Aemter zuweist, wozu sie bisher noch nicht berechtigt waren, dagegen aber auch nur bestimmte Aemter aus⸗ nimmt, so muß ich doch im vorliegenden Falle, wo es sich von un= mittelbarcn Staats- und Kommunal⸗Aemtern handelt, von diesem Antrage abstehen, weil ich gesehen, daß die Majorität der Versamm⸗ lung sh gegen einen solchen bestimmten Vorschlag bei den unmittel⸗ baren Staats- Aemtern entschieden; ich glaube vielmehr, daß nunmehr schon der Konsequenz wegen wir auch bei dem zweiten Abschnitte des Gutachtens dem Amendement der beiden gedachten Abgeordneten Folge geben müssen, und ich stehe deshalb davon ab, meinen Antrag oder 9 den zweiten Antrag der Abtheilung weiter zu versolgen. Abgeordn. von Bockum-Dolff s: Ich muß mich den nsicht der Abtheilung dahin anschließen, daß dieser Abschnitt des Paragra⸗ phen zu' streichen und dagegen die betreffende Bestimmung des Ge setzes dom 11. März 182 wieder einzuschalten sei. Das Aufruhrs Edikt enthält die eigenthüniliche Bestimmung, daß wenn die Orts- Obrig- keit zur Stillung eines Aufruhrs sich der Militair⸗Macht bedienen muß, alsdann der Befehlshaber dieses Truppentheils sofort nach sei= nem Einschreiten alle weiteren Maßregeln zu tresfen hat. Wenn also beispielsweise die Polizei⸗Obrigkeit der größten Stadt einen Auflauf gewahrt und in ihrem Bestreben, denselben sofort in der Wurzel zu ersticken, sich an die nächste Militair⸗Station wendet und ihr von dort aus auch ein Detachement zugesendet wird und zufällig der Führer desselben ein Jude sein sollte, so ist es sofort nach dem Erscheinen des Detaschements auf dem Platze, nachdem es zum Einschreiten auf⸗ gefordert worden ist, dieser Jude, der alle weiteren Maßnahmen zu kreffen hat; es geht sogar so weit, daß die Berichte nach der Stil lung des Auflaufs von diesem Militair⸗ Befehlshaber zu erstatten sind und die Polizei- Obrigkeit ihre Berichte nur als Anlage beizufügen hat. Auf diese Weise wird also in die Hände eines Juden in dem vorliegenden Falle eine ungemein große obrigkeitliche Gewalt elegt. Tritt derselbe am folgenden Tage aus dem Rilitair⸗Verhältnisse her⸗ aus, so kann er nach den Bestimmungen des Paragraphen, wie er im Eniwurfe steht, nicht einmal Orteschulze werden. Dieses Miß⸗ verhältniß zeigt sich in noch größerem Maße in den älteren Provin-⸗ zen, wenn irgend ein Jude ein Rittergut an sich gebracht haben follte und alsdann die Polizei⸗ 2 einem Anderen übertragen muß. Aus diesen Gründen und mit Bezug auf die gestrige Abstim⸗ mung zum Abschnitt 1 des Paragraphen kann ich mich somit nur dem Gutachten der Abtheilung anschließen. ͤ J Abgeordn. Krause: Wenn meine Ansichten mit S8. 35 und 36 nicht ganz übereinstimmen, so bestimmt mich dazu leinesweges das große Lob, welches ein geehrter Deputirter der Stadt Berlin den Juden gezollt hat, insofern, als sie sehr viele Armen⸗Anstalten errich⸗ fen, und namentltch, daß sie zum ombau in Köln viel Geld her⸗ geben. Es bestimmt mich aber eben so wenig, da für zu stimmen, daß mehrere geehrte Mitglieder aus Sachsen so viel gegen die Ju⸗ den gesagt haben, namentlich, daß sie Alles an sich rissen, und na⸗ mentlich den armen Bauern, für welch; man sich, wie es scheint, besonders interessirt, ohne ihnen doch zu helfen, Alles suchten vor der Zeit abzunehmen, das Getraide abzukaufen u. s. w. Mir scheint, daß es darauf nicht ankommen kann, und wenn Juden vielleicht das Alles thun, so hoffe ich nicht, daß sie in dem preußischen Staate in dieser Beziehung, Betrüger sein können, sondern sie müssen es auf legalem und rechtlichem Wege thun, da alle ihre Handlungen der Aufsicht der Behörden unterliegen. Wenn ein geehrtes Mitglied aus Sach- sen uns mit sehr mitkelalterlichen Tendenzen unterhalten hat, so glaube ich, daß die Juden eben so dieses Mittelalterliche mit der Muttermilch eingesogen haben und eben so heute noch zur Durch⸗— führung bringen, und wenn wir die Juden immer nur auf einen Fleck hindrängen und sagen, du kannst das und jenes nicht werden, so werden sie sich stets dem Handel widmen, dadurch natürlich zur Be— vortheilung mancher Christen. Insofern glaube ich, daß es nur ge⸗ rechtfertigt ist, daß sie anerkannt werden. Es giebt immer Menschen, die bei jedem Fortschritt sagen: es ist noch nicht an der Zeit. Das Gesetz von 1807, als es erschien, wurde angefochten, denn es sagt: Allen Staatsbürgern steht es frei, Rittergüter zu kaufen, allen Staats⸗ bürgern steht es frei, in der Civil- und Militair⸗ Verwaltung die höchsten Stufen zu ersteigen; da sagte man; wo soll das hinaus? Es wurde die Aufhebung der Erbunterthänigkeit und die Ablösung der Frohnden deklarirt; da sagte man: das ö unmöglich, die deute gehen zu Grunde, sie sind dazu nicht reif. Man baute später eine große Chaussee von Berlin nach Breslau, sie wurde getadelt; ein sehr gescheidtes Mitglied aus Schlesien schrieb damals viel dagegen und sagte, es ist noch nicht an der Zeit, so viel Geld daran zu wen⸗ den, der Handel . erst da sein, dann kann man bauen. Nun hat sich aber erwiesen, daß alle diese unzeitigen Tadler sämmtlich sich geirrt haben. Es sind in den ersteren Fällen 40 Jahre ins Feld ge⸗ gangen, in dem letzteren einige, und wir haben segensreiche Folgen gesehen. Werden wir also jetzt das Judenthum enianzipiren, so wol— len wir in 40 Jahren sehen, wie es mit den Juden ier. wird! (Heiterkeit. ) Es mag vielleicht sein, daß wir es nicht Alle sehen werden, Heiterkeit.) darüber bin ich auch im Reinen mit mir; aber hoffentlich werden es künftige Zeiten sehen, und die Zeitgeschichte wird über die Herren richten, die vor mir sitzen. Bravo
Marschall: Der Herr Abgeordnete von Bismark wünscht eine persönliche Bemerkung zu machen.
Abgeordn. von Bismark⸗Schönhausen: Ich habe aus dem Ümstande, daß der verehrte Redner, der eben die Tribüne ver⸗ ließ, einige von mir gebrauchte Worte anführte und namentlich wie⸗ der auf das Mittelalter anspielte, geschlossen, daß er etwas Persön⸗ liches gegen mich vorgebracht hatte.
(Halblautes O!) Ich würde sehr gern darauf erwiedern, ich hatte auch die Absicht dazu, bedaure aber, außer Stande zu sein, es zu thun, weil mir das, was der geehrte Redner gegen mich gesagt haben mag, nicht voll⸗ kommen klar geworden ist aus den Worten, die er gebraucht hat.
Abgeordn. Hansem ann: Ich gehe nicht in die Sache ein; sie ist klar genug. Ich will nur einzig und allein ein Mißverständ⸗ niß berichtigen, veranlaßt durch eine Aeußerung des ersten Redners, ber Über bie Angelegenheit das Wort nahm, eines ritterschaftlichen
Abgeordneten aus Sachsen. Er hat den gestern angenommenen Be⸗
schluß ein Amendement von mir genannt. In den stenographischen Berichten wird man nicht finden, daß ich das Wort genommen habe, um dag, was er bemerkte, vorzuschlagen, sendern die Sache verhält sich einfach , g. Es wurde die Fassung, wie sie im Gut⸗ achten vorgeschlagen ist, von einigen Seiten nicht deutlich genug ge⸗ funden, und von der anderen Seite wurde vorgeschlagen, die Fassung bes zweiten Antrags des Gutachtens anzunehmen mit Weglassung der Rich́erstellen und der Chefs der Verwaltung. Darauf ist blos den Herren, die in einer Meinungsverschiedenheit waren, von mir auf ei⸗ nem Zettel der Vorschlag zu der adoptirten Fassung mitgetheilt wor- den; von beiden Seiten war man damit einverstanden, und sie ward darauf von dem Herrn Referenten vorgeschlagen. Uebrigens war alle Welt darüber einig, daß der Sinn des Amendements die weiteste Bedeutung haben sollte.
Abgeorbn. Don Manteuffel II.: Ich habe eine Bemerkung vorzutragen zu dem Gutachten der Abtheilung, die nach dem Be⸗ schlusse von gestern zwar wenig mehr helfen wird. Ich würde ganz schweigen, wenn mir dies nicht zum Vorwurf gereichen könnte. Ich möchtè verhüten, daß man sagt, ich hätte eines faktischen Verhält. nisses nicht gedacht, das mir bekannt sein mußte. Zu den bereits im Gutachten angeführten Verhältnissen rücksichtlich der Uebertragung der Kommunalämter und Staatsämter uf ich noch eine dritte Gattung, Win drittes Verhältniß hinzufügen. Auf dem platten Lande derjenigen 32 welcher ich angehöre, besteht noch ein drittes Verhältniß.
as sind die Dorfschulzengüiter. Wir haben in den niederlausitzer Dör⸗ fern Güter, auf denen das Schulzenamt als Realrecht ruht. Es kann daher in einem von Christen bewohnten Dorfe die Stelle eines Dorfrichlers in die Hände eines Juden kommen, sobald er ein solches Gut kauft. Es versteht sich von selbst, als Dorfrichter steht er als dann der ganzen christlichen Gemeinde vor. Ich wollte bemerken, daß ich dieses Verhältnisses habe gedenken müssen. Uebrigens verkenne ich nicht, daß das Amendement auch dahin führt, diese schöne Aus⸗ sicht für ein großes Glück zu erachten.
Referent Sperling: Die Dorfschulzen-Güter sind so verein⸗ zelt, daß keine Gefahr daraus hervorgehen kann.
(Widerspruch von mehreren Seiten.) Ich glaube, mich an die letzten Worte des Redners anschließen zu können, daß, nachdem der frlihere Beschluß gefaßt ist, konsequenter= weise nicht mehr zurückgegangen werden könne.
Abgeordn. Hansemann: Die Angelegenheit ist erledigt, wie ich glaube, wenn man den Zusatz annimmt:
„mit Ausnahme derjenigen Erbstellen, die durch Besitz von Grund—
stücken erworben werden.“
(Von einer großen Zahl wird: Nein! Nein! gerufen, und der
Marschall giebt dem Abgeordneten von haft das Wort.)
Abgeerdn. von Massow: Meine, Herren! Der gestern ge⸗ faßte Beschluß steht unbedingt und unabänderlich fest; ich wollte mir aber erlauben auszusprechen, daß er darum nicht maßgebend sein müsse für die heute zu elende? wohl ähnliche, aber nicht gleiche Gegenstände betreffenden Beschlüsse. Eine solche Konformität ist unter Umständen sehr wünschenswerth, aber geboten ist sie nicht, und zwar um so weniger, wo eine so geringe Majorität stattgefunden hat, wie gestern. Es haben in dieser Versammlung immer verschiedene Meinungen vorgewaltet, nichts hat mich aber mehr gefreut, als der Sinn, das sichtbare Streben der Gerechtigkeit, die sich kundgegeben haben, daß Jeder die Meinung des Anderen achte. Darauf fuße ich meine Bemerkung, daß der gestrige Beschluß uns nicht binden könne bei der heutigen Berathung. Auf den Gegenstand derselben, der schon so viel erörtert worden ist, komme ich nicht zurück und schließe mit den schönen Worten, die, wenn ich nicht irre, der geehrte Abgeordnete der pömmerschen Ritterschaft gestern gebraucht hat: Die Basis des Staates ist Gesetz und Recht. Die Wahrheit dieses Saßes erkenne ich an; ich füge aber hinzu, die Basis von Gesetz und Recht ist die Religion.
Abgeordn. Schumann; Ich trete der Ansicht des Abgeord⸗ neten vollkommen bei, der die Tribüne so eben verlassen hat, daß die Konsequenz nicht so weit getrieben werden kann, daß darin ein zwingendes Moment gefunden werden müßte, die heutige Abstimmung konform mit der gestrigen zu machen. Das hat der Herr Abgeordnete von Berlin auch nicht gemeint. Das versteht sich wohl von selber. Ich habe anzuführen zu der Bemerkung, die der Abgeordnete der Ritter— schaft aus der Lausitz gemacht hat, daß nicht weiter darauf einzu— gehen nöthig scheinen möchte; es scheint mir aber, daß viele Ab⸗ geordnete der Ritterschaft ein Moment in dem angezogenen Verhält⸗ niß zu finden glauben, um in Beziehung auf die Kommunal⸗Aemter eine andere Form eintreten zu lassen, als hinsichtlich der Staats⸗Aem⸗ ter. Allerdings ist richtig, daß die Schulzen-Aemter als Realbe⸗ rechtigungen verliehen werden können. Es wird aber darqus nicht folgen, daß die Qualification eines Beamten hinzutreten m 6. sehe den Unterschied zwischen Jude, und Christ in dieser Beziehung nicht ein. Erbt ein unfähiger Christ das Gut, so wird ihm ein An= derer substituirt werden müssen, und derselbe Fall tritt auch in Be⸗ ziehung auf den Juden ein. Ist der Jude vermöge seines Eharak⸗ kers nicht geeignet, das Amt zu verwalten, so wird er entfernt wer⸗ den müssen. Man braucht also keinen Unterschied zu machen zwischen Jude und Christ in dieser Beziehung. Darum glaube ich nicht, daß das, was der Abgeordnete aus der Riederlausitz bemerkt hat, irgend eine Konsequenz nach sich ziehen kann.
Abgeordn. Naumann: Was ich sagen wollte, erledigt sich durch das, was der Abgeordnete der Ritterschaft aus Pommern bemerkt hat. Ich erkenne keinen Grund darin, daß, weil diese Aemter Realrechte sind, die Juden davon ausgeschlossen sein sollen. Wo Hindernisse vorkommen, wird es gleichgültig sein, ob die betreffenden Personen Juden oder Christen sind. Ich halte ein solches Amt, wenn es eine Realberechtigung ist, für etwas Gefährliches, ich halte es für etwas, was in unsere Gesetzgebung nicht mehr hineinpaßt. Ich habe nicht geglaubt, daß, wie hier bi fc, worden ist, dergleichen Realberechti⸗ gungen noch häufig vorkommen.
(Doch! Doch!)
Ist das der Fall, so kann ich nur bedauern, daß von den Abge⸗ ordneten aus jenen Provinzen nicht Petitionen eingebracht worden sind um Aufhebung dieses Verhältnisses. Ich glaube, wenn sich Uebel⸗ stände dadurch herausstellen, daß Juden in solche Verhältnisse eintre⸗ 5 noch ein Grund hinzutreten wird, um Aufhebung derselben zu bitten. .
Abgeordn. von Manteuffel II.: Ich habe meine Bemerkungen an das Gutachten der Abtheilung geknüpft. und habe den dort ange⸗ führten zwei Momenten noch ein drittes Moment zugefügt. Wenn übrigens der Herr Abgeordnete aus Pommern erwähnt hat, daß die Here reif nicht so seien, wie ich sie angeführt habe, so bitte ich ihn, ins Auge zu fafen, daß es sich nicht allein um Rechte handelt, son⸗ dern um Lasten. Bei einem erkauften realberechtigten Schulzengute kann ich den jüdischen Besitzer jetzt nicht mehr zwingen, die Kosten der Last durch baares Geld abzutragen. Es ist nicht . des Besitzes,
daß das Amt persönlich 36 t werden muß, weil die Rechte auch
übergehen auf Minorenne. Es wird dann ein Vicerichter bestellt, und dieset muß aus Mitten des Richtergutes remunerirt werden. Wenn der Jude ein solches Gut kauft, wird er eo ipso Dorfrichter und kann * Bestellung eines Vicerichters nicht gezwungen werden. bgeordn. von Beckerath: Der Abgeordnete aus Posen hat
120
im Wesentlichen bereits gesagt, was ich 2 wollte. Ich glaube, daß, wenn irgend ein irgend ein Anspruch besteht, die Voll- iehung desselben nicht darum unterbleiben kann, weil irgend ein that⸗ ᷣ licher Umstand entgegensteht. Die hohe Versammlung hat gestern den Anspruch der Juden anerkannt, sie wird also, wenn ein Hinder⸗ niß, daß diesen Ansprüchen en t werde, vorhanden ist, zweckmäßig sinden, auf Beseitigung dieses indernisses hinzuwirken, nicht aber sich dadurch widersprechen, daß sie das gestern Anerkannte heute fal⸗ len läßt. . ⸗ —
Abgeordn. Hansem ann: Ich habe bereits erklärt, daß ich mein Amendement nach der von dem =, . Abgeordneten der Provinz Pommern gegebenen Erläuterung zurücknehme. Es ist mir nämlich daraus klar geworden, daß — was ich vorher nicht ent⸗ nehmen konnte — immer auch noch die Staats⸗Behörde insofern hin- zutritt, als sie die Qualification ermittelt. Damit bin ich vollkom⸗ men zufriedengestellt, und es scheint mir nun die nach meiner An— sicht nicht gute Einrichtung von Erbschulzen⸗Stellen kein Hinderniß zu sein, das Prinzip in vollem Maß anzunehmen.
Marschall: Das Amendement ist zurückgenommen worden, es fragt sich, ob es anderweitige Unterstützung findet?
Abgeordn. Krause: Ich wollte vorhin blos erklären, daß am Ende zu einem guten Schulzen die Christlichkeit nicht allein genügen fann. Religion muß am Ende Jeder haben, wenn es auch nicht die christliche waͤre, und die Wünsche, die gestellt worden sind, sind so allgemein, daß sie sich in der Kommungl-Ordnung, die in Aussicht auch für die Landgemeinden steht, erledigen werden.
Eine Sim me: Ich erlaube mir nur schließlich zu bemerken, daß es Thatsache ist, daß in der Provinz die sehr häufig gefunden werden, daß sogar in einigen Orten zwei sind. Es ist aller⸗ dings ein Uebelstand, und wenn der verehrte Abgeordnete der Pro⸗ vinz bemerkt hat, daß es Sache der Abgeordneten der Previnzen sei, wo dergleichen Uebelstände stattfinden, auf Abstellung derselben anzu⸗ tragen, so stimme ich dem vollkommen bei, bemerke aber, daß das vor die Provinzial-Landtage gehört und nicht vor den Vereinigten Landtag.
Abgeordn. von Leipziger; Ich erlaube mir, zu bemerken, daß im Herzogthum Sachsen diese Erbrichtergüter und Erbschulzen⸗ Güter sehr häufig vorkommen, und dürfte deshalb eine Bestimmung nothwendig sein, daß Juden, die solche Erbrichtergüter erkaufen, nicht Schulzen werden können, denn sonst könnte es ja vorkommen, daß ein Jube als Besitzer eines solchen Erbguts das Erbschulzen⸗Amt ver⸗ walten würde, während alle übrigen Einwohner Christen sind. Ich glaube nicht, daß dies für die christlichen Einwohner erwünscht sein möchte. Es ist zwar gesagt worden, daß es ven der Qualification abhänge, allein bei der Beurtheilung der Qualification handelt es sich doch mehr davon, ob er der Feder gehörig gewachsen ist, ob er rechnen kann, und ob er einen unbescholtenen Ruf hat, auf den son⸗ stigen Charakter des betreffenden Besitzers kommt es, wie ein früherer Redner annahm, dabei nicht an.
Referent Sperling: Es sind Bedenken über die Zulassung der Juden zum Schulzenamt erhoben worden. Nach meiner Ansicht kann aber durchaus diesem Bedenken nicht Folge gegeben werden. Denn warum soll denn ein Jude nicht Schulze werden, selbst in ei⸗ nem Dorfe, wo nur christliche Einwohner sind, da die polizeilichen Functionen der Schulzen nicht so wesentlich und umfangreich sind.
(Lauter Widerspruch.)
Eine Stimme: Ich muß dem geehrten Herrn Referenten er⸗ wiedern, daß das Schulzenamt jetzt eben so wichtig ist, wie das Amt der Bürgermeister.
(Zustimmung von vielen Seiten.) ö
Referent Sperling (versucht, das Wort zu ergreifen, wird aber durch Pochen und Stampfen daran verhindert. Nachdem die Ruhe wiederhergestellt war, bemerkt derselbe):
Ich glaube das Recht zu haben, mich auszusprechen. Ich habe durchaus nicht die Absicht gehabt, der Würde des Schulzenamtes in irgend einer Weise zu nahe zu treten. Ich habe die feste Ueber⸗ zeugung, daß die Juden auch Bürgermeister werden können, und ich würde mich gern einem jüdischen Ober⸗-Bürgermeister unterord⸗ nen, weil ich annehmen kann, daß, wenn ein Jude zu diesem Amte gelangen sollte, er auch ein tüchtiger, ausgezeichneter Mann sein würde.
Abgeordn. Aldenhoven: Ich wollte auch meine Ansicht dahin aussprechen, daß ich das Amt der Schulzen mit dem der Bür⸗ germeister gleichstelle, und wollte mir erlauben, der verehrten Ver⸗ sammlung die Thatsache anzuführen, daß da, wo man in dieser Hin⸗ sicht auf einem richtigen Prinzip steht, man den Juden sehr gern die Stelle als Bürgermeister einräumt. In Lanken, meine Herren, wo der König von Been wohnt, ist der gewählte Dir ge mer tr ein Jude; dieser jüdische Bürgermeister hat den Civilstands⸗Akt vollzogen, wodurch der Kronprinz von Belgien in das Taufregister eingetragen wurde. Meine Herren! Wenn man das in einem katholischen Lande thun kann, dann bin ich überzeugt, daß man auch einen Juden zum Dorfschulzen machen kann.
(Heiterkeit.)
Abgeordn. Graf Helldorff: Ich erlaube mir, meine Herren, eine ganz kurze Bemerkung. Nach der wenigstens in meiner Provinz bestehenden gesetzlichen Einrichtung — welche aber auch meines Wis⸗ sens in anderen Provinzen stattfindet — ist der Polizei⸗Schulze oder Polizeirichter, qua solcher, gewissermaßen geborenes Mitglied des Schul⸗Vorstandes, der unsere christlichen Schulen mit beaufsichtigt. Hiernach können also . niemals zu dem Amte eines Polizei- Schulzen oder Polizeirichters gelangen.
Abgeordn. von Platen? Nur eine Bemerkung; Es ist vorhin
hier gesagt worden, daß es schwierig und nachtheilig sein würde, einem Juden das Schulzen-Amt zu übertragen. In meinem Kreise ist viele Jahre hindurch ein Jude Gendarm gewesen, der seine Pflich⸗ ten bei der Kontrolle der Orts-Vorstände gewissenhaft und mit Um⸗ sicht ausgeübt hat. Man ist mit diesem jüdischen Gendarmen in aller Beziehung zufrieden gewesen, die Behörden, so wie die Orts⸗ Vorstände, haben niemals über ihn Klage geführt. Ich glaube also, daß kein Ort sich wird scheuen dürfen, einen Juden als Schulzen zu erwählen.
Abgeordn. von Winzingerode⸗Knorr: Ich habe noch nicht gewußt, daß der Schulze unter dem Gendarmen steht. .
Landtags-Kommissar: Das Gutachten, der Abtheilung nimmt an, a es nicht zweckmäßig erscheine, in einem Gesetze über die bürgerlichen Verhältnisse der Juden auf Spezial⸗Gesetze zu ver⸗ weisen, in denen in dieser Beziehung etwas vorgeschrieben sei. Es ist bies eine Ansicht, welche bie Regierung bei Äbsassung des vor= liegenden Gesetz-Entwurfs nicht getheilt hat, Diese hat es vielmehr für bedenklich hehre, bahin gehörige Bestimmungen der Spezial⸗ und Provinziak⸗-Gesetze, welche erst kürzlich mit dem Beirath der Stände erlassen worben sind, durch das neuere allgemeine Gesetz ohne Weiteres n , . So sind namentlich in der rheinischen und westfälischen Kommunal⸗Ordnung bestimmte Vor riften darüber enthalten, von welchen Aemtern die Hul ausgeschlossen sein sollen, und wenngleich bei den Deputirten der Rheinprovinz der Wunsch vorzuherrschen scheint, diese Bestimmungen 6 zu sehen, so bin ich doch sehr zweifelhaft darüber, ob in den änken der Provinz West⸗ falen ein ähnlicher Wunsch laut weiden möchte. Das Gonvernement
hat es, wie gesagt, im Wider spruch mi . ü , , . iehun mm Theæi fan ee, Dee. . . e Thelen der dehen Bar
Außerdem glaube ich darauf aufmerksam mache wenn der gestern in Beziehung auf —— e g e auf Kommunal ⸗Aemter analoge Anwendung finden soll, dann der §. 8 des Edikts vom Jahre Sl nicht pure aufgenommen , e. kann, weil die Vorstände der Gemeinden, die Bärgermeister oder wie sie sonst titulirt sind, zur Mitaufsicht der christlichen Schulen be⸗ rufen sind und also nach jenem Beschluß diese Stellen nicht durch Juden besetzt werden können. Der Paragraph wird daher nothwen=
dig einer Modifie ation unterliegen müssen. Endlich erlaube ich mir zu bemerken, daß, wenn im 8. 11 des Edilts vom Jahre 1812 vor= behalten ist, daß in Beziehung auf Staats- Aemter nähere Bestim= mungen getroffen werden sollten, in Beziehung auf Kommunal⸗Aem⸗ ter aber keine spezielle . gemacht wird, daraus keinesweges gefolgert werden durfte, daß auch diejenigen Kommunal ⸗Aemter, welche zugleich Staats- Aemter sind, unbedingt von Juden besetzt werden könnten. Es enthalten demnach die betreffenden Vorschriften der revidirten Städteordnung keine eigentliche Aenderung, sondern nur eine nähere Declaration des Gesetzes von 1812.
Abgeorbn. Hansemann: Der Sinn der gestern emachten Abstimmung ist nicht, daß ein Jude kein Amt bekleiden könne, wo⸗ durch er gend eine Aufsicht über Schulen erlange, sondern der Sinn ist, 4 er nicht die Leitung und Beaufsichtigung des christlichen Religionsunterrichtes haben sollte.
Marschall: Der Antrag der Abtheilung geht dahin, an die Stelle des Abschnittes II. die Dispensation des §. 8 des Edikts vom 11. März 1812 in seinem ganzen Umfange aufzunehmen. Es wird nöthig sein, den Paragraphen zu verlesen, damit die hohe Ver⸗ sammlung weiß, über was sie stimmt.
Secretair lliest):
„Sle (die Juden) können daher akademische Lehr- und Schul⸗, auch Gemeinde-Aemter, zu welchen sie sich geschickt gemacht haben, verwalten.“
Marschall: Der Antrag geht also dahin, diese Bestimmung aufzunehmen.
4 Sperling: Es lautet schon das Gesetz von 1812 dahin.
Abgeordn. von Platen: Eine Frage würde wohl noch Berück- sichtigung finden, nämlich die, ob nicht nach unserem gestrigen Be⸗ schlusse der Zusatz zu machen sei: „Mit Ausnahme der Leitung von r,. Angelegenheiten“, wie der Herr Landtags- Kommissar ge⸗ sagt hat.
Referent Sperling: In dieser Beziehung ist aber ein Unter⸗ schied zwischen den beiden Abschnitten. Der erste Abschnitt handelt von den unmittelbaren Staats⸗Aemtern. Dabei konnte die Frage ent⸗ stehen, wie weit wir in Beziehung auf die Einräumung solcher Aem⸗ ter zu gehen haben, da die Juden in Beziehung auf sie noch keine Rechte hatten. Hier aber bei dem zweiten Abschnitt ist die Frage eine andere. Nach dem Edikte von 1812 hatten sie bereits unbe⸗ schränkten Anspruch auf alle Gemeinde -Aemter. Hier müßten wir also hinter das Gesetz von 1812 zurückgehen, wenn wir irgend eine Beschränkung eintreten lassen wollten, und ich frage, ob sich die hohe BVersammlung dazu verstehen will?
Marschall: Die Frage lautet also;
Soll die Position des §. 8 des Ediktes vom Jahre 1812 in
das vorliegende Gesetz aufgenommen werden?
Diejenigen, welche dem Antrage beitreten, bitte ich, aufzustehen. (Es erheben sich mehr als die Hälfte der Mitglieder.)
Die Majorität ist vorhanden, es sind aber zwei Drittheile nöthig, wenn nicht die Gründe der Minorität aufgeführt werden sollen, Ich bitte also, daß diejenigen, welche aufgestanden sind, stehen bleiben, und ich bitte die Herren Ordner, zu gin.
(Nachdem die Zählung stattgefunden hatte.)
Das Ergebniß der Abstimmung ist folgendes: Die Frage ist mit 251 gegen 212 Stimmen bejaht. Die Gründe der Minorität sind also mit aufzunehmen. .
Referent Sperling (liest den Abschnitt 3 des s. 35 vor): „Behufs Schlichtung streitiger Angelegenheiten unter ihren Glaubensgenossen können Juden zu Schiedsmännern gewählt werden.“
Das Gutachten zu diesem Abschnitt lautet:
„Was eben von der Kraft und Wirksamkeit des Vertrauens seiner Mitbürger, welches ken Juden zu einem Kommunal⸗ Amte beruft, gesagt ist, gilt auch von seiner Berufung zu einem Schiebsmanns-Amte. So wie bei den Kommunal- Aemtern, welche aus der freien Wahl der Gemeinde⸗Mitglie⸗ der hervorgehen, würde es auch bei dem Amte eines Schieds⸗ mannes, welches auf freier Wahl beruht, indirekt zu einer Be⸗ schränkung der christlichen Staatsbürger führen, wenn es ihnen nicht gestattet sein sollte, auch einen Juden, wenn sie zu ihm Vertrauen haben, zu ihrem Schiedsmanne zu wählen. Daher entscheidet sich auch hier die Abtheilung einstimmig gegen den Entwurf und für den Wegfall der in Rede stehenden Be⸗ stimmung.“
Marschall:; Verlangt Niemand das Wort?
Abgeordn. Giesler: Ich bin der Meinung, daß es gerade dem Schiedsmanne obliege, die Parteien vielmals auf den Stifter unserer Religion, welcher nur Duldung und Feindesliebe vorschreibt, hinzuweisen. Wird aber den Christen ein Jude zum Schiedsmanne gegeben, wie soll er das anstellen? Ich bin daher der Ansicht, daß ju einem christlichen Staate nur Christen das Schiedsamt versehen
können.
folgt die allgemeine Zu Als im Jahre 1834 in
männer sein könnten.
. vorliegenden Gesetz⸗ Entwurfe hat man zwar den Juden das Richteramt nicht geben wollen dennoch aber ihnen das Amt eines Schieds mannes zugetheilt, insofern die Privat ⸗ Streitigkeiten, deren Schlichtung ihnen übertragen wird, unter Juden stattfinden. Es scheint mir alfo das Gouvernement selbst von diesem in der Allerhöchsten Kabinets Ordre vom Jahre 1835 festgestellten Prinzip ie. en zu sein, und in der That ist das Amt eines Schiebsmannes auch nicht gls ein richterliches zu betrachten und nicht abzusehen, warum den