1847 / 171 p. 5 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

handelt sich 1 von Elementar- Lehrämtern, und man kann wohl keinen Zweifel haben, ob, wenn ein Lehramt zum christlichen Religions- unterricht verpflichtet, wie es bei fast allen Elementarlehrern, nament- lich auf dem Lande, der Fall ist, die Jaden davon ausgeschlossen sein sollen. Ich bin zwar der Meinung, daß diese Zweifel nicht stattha⸗ ben können; um aber jedes Mißverständniß zu vermeiden, schlage ich vor, daß die Elementarlehrer von dem Autrage ausgeschlossen werden, und bitte den Herrn Referenten der Abtheilung, diesem Verschlag bei⸗ zutreten. Was übrigens die Erklärung des Herrn Referenten auf das, was das geehrte Mitglied aus der Niederlausitz gegen ihn be⸗ merkte, betrifft, fo muß ich doch auch gestehen, daß mich die betref. fende Aeußerung des Gutachtens, wenn ich sie auch nicht vollständig so aufgefaßt habe, wie das letzterwähnte Mitglied, ebenfalls ver⸗ letzt hat. ö

Es steht in dem Gutachten: „Weil zahlreiche Beispiele vor⸗ liegen, daß Juden, welche sich taufen ließen, ohne daß man die Ucherzeugung gewinnen konnte, daß sie mit der Taufe zugleich die christlichen Glaubens- Wahrheiten in sich aufgenommen, an Schul⸗ Anstalten beschäftigt worden.!“ Ich kann zwar hierin nicht finden, daß man entschieden daran zweifle, daß sie die christlichen Glaubens⸗ Wahrheiten in sich aufgenommen hätten; aber ich muß diese Aeuße⸗ rung und ich bitte um Entschuldigung, wenn ich diesen harten Ausdruck gebrauche, er gilt nicht der Person, sondern der Sache als eine verletzende Anmaßung insofern bezeichnen, als hier über den Glauben und die Gesinnung eines Anderen ein Urtheil gefällt wird, ein Urtheil, zu welchem nur der berechtigt ist, der die Herzen. und Nieren prüft, ein Urtheil, welches wir auch hier nach dem Sinne aller von uns gefaßten Beschlüsse jederzeit als unstatthaft zurück⸗ gewiesen haben und für immer zurückweisen müssen.

(Bravo!)

Referent Sperling: Nach meiner Ansicht sollte gerade das

Gegentheil ausgedrückt werden (Großer Lärm.) Weil wir nicht die Gesinnung eines Anderen erkennen können (Abermals großer Lärm und gewaltiges Fußstampfen.) J darum wissen wir nicht in überzeugender Weise, ob ein Jude, der sich taufen läßt, das Christenthum ganz in sich aufgenommen hat (Derselbe Lärm wiederholt sich.)

Es wird von den Juden selbst nicht in Abrede gestellt, daß der Fall vorkommen kann, wo Jemand des Vortheils wegen, auch um zu einem Amte zu gelangen, sich taufen lasse. ö

Eine Stimme: Ich bitte um das Wort in Betreff dieser Stelle. j

Abgeordn. Naumann; Ich habe im Wesentlichen denselben Zweck, den das geehrte Mitglied hatte, welches vor mir auf dieser Stelle stand, nämlich den Abgeordneten aus der Rhein-Provinz dar⸗ auf aufmerksam zu machen, daß in der Befugniß, Jemanden als Leh— rer anzustellen, noch nicht die Verpflichtung liege, ihn unter allen Umständen anzustellen

(Großer Lärm) . und daß am allerwenigsten daraus die Nothwendigkeit für diejenigen Herren folge, welche so glücklich sind, einen Hauslehrer halten zu können, auch einen Juden annehmen zu müssen.

(Der Abgeordnete Freiherr von Gudenau widerspricht, daß er dies

behauptet habe.)

Habe ich falsch verstanden, so erledigt sich das Gesagte. Der ge⸗ ehrte Abgeordnete hat aber das ausdrücklich gesagt, daß mit der An⸗ nahme dieser Bestimmung die ärmeren Einwohner verpflichtet sein würden, ihre Kinder in eine Schule zu schicken, an welcher jüdische Lehrer angestellt seien, weil es nicht in der Befugniß liegen würde, Juden nicht anzustellen. Diese Befugniß bleibt bestehen, daß da, wo es nicht angemessen erscheint, Juden anzustellen, sie auch nicht anzu⸗ stellen sind; aber dagegen stimme ich, den Juden durch das Gesetz ar nicht für fähig zur Bekleidung des Lehramtes zu erk ären. Die

estimmung, wie sie von der Abtheilung vorgeschlagen worden ist, hat nur den Sinn: die Juden nicht auszuschließen, woraus aber nicht folgt, daß sie von Schulen, wo das christliche Glaubens⸗ bekenntniß als wünschenswerthes Requisit des Lehrers erscheint, nicht ausgeschlossen werden könnten.

Abgeordn. von Gudenau: Ich muß dem verehrten Mitgliede, das vor mir gesprochen hat, und namentlich dem verehrten Mitgliede aus Preußen, bemerken, daß ich, bevor ich meinen Vortrag hielt, an den Herrn Referenten die Frage gerichtet habe, ob ich recht verstan— den hätte, daß der Antrag des einen Theiles der Abtheilung dahin ginge: Den Juden Elementar-Lehrerstellen bei solchen Schulen, welche christliche Kinder besuchen, zu übertragen. Der Herr Referent antwortéte mir mit Ja, wenn ich ihn nicht etwa wieder mißverstanden

habe. (Gelächter. )

Wenn der letzte verehrte Redner sagt, ich hätte von einer Ver— pflichung der Armen gesprochen, ihre Kinder in eine Schule zu schicken, der ein jüdischer Lehrer vorstehe, so habe ich das allerdings gesagt; und wenn man den Wortlaut so scharf nimmt, so muß ich gestehen, daß es nach den Verhältnissen der Rheinprovinz nicht ganz richtig ist; allein wenn an einem Orte ein jüdischer Lehrer fungirt und auch die Aeltern in diesem Falle berechtigt sind, ihre Kinder eine Stunde weiter in die Nachbar-Schule zu schicken, so ist doch das so schwer, daß es fast einem Verbote gleichkonimt, und ich glaube, daß dadurch meine früheren Aeußerungen gerechtfertigt sind, und daß sie, wenn ich nicht irre, zu meiner großen Freude Anklang in der Ver⸗= sammlung gefunden haben.

Große ufregung in der Versammlung und Zeichen des Einverständ— nisses. Der Ruf nach Abstimmung immer lauter.)

Marschall: Lassen Sie nicht so viele Zeit unbenutzt vorüber= gehen! ö

(Ruhe in der Versammlung.) Referent Sperling: Es kann keinem in der Abtheilung ein— e, ,. J,, . zu wollen, wo es sich um den 9 ö 8 ai en. . schon das Edift von 1812 . J (Neue Aufregung.)

Abgeordn. Graf don Schwerin: Ich trete hier in dieser Frage denjenigen fünf Mitgliedern bei, welche das Abtheilungs-Gut— achten nur unter dem ausdrücklichen Hinzufügen angenommen wissen wollen, daß die Juden von den Vorstands - Aemtein und den für christliche Kinder bestimmten Elementarschulen unbedingt ausgeschlossen bleiben, und zwar in vollständiger Uebereinstimmung mit dem Prinzip was ich bisher vertheidigt habe, und was nach meiner Meinung der Abgeordnete aus der Rheinprovinz bestimmt hervorgehoben hat. Bei den Elementarschulen kommt es nicht auf den wissenschaftlichen Un⸗ terricht an, sondern auf die Legung der Grundlage des Lebens, und diese Grundlage ist in unserem Staate dem größten Theile der Be⸗ wohner nach die christliche. Daher muß die Minderheit sich der 1 fügen, und es können diese Stellen nur Christen anvertraut werden.

Regierungs- Kommissar Brüggemann: Es ist keinesweges meine Absicht, die hohe Versammlung noch länger von der Beschluß= nahme abzuhalten, die in der Sache zu fassen ist, obwohl ich noch reichen Sto 3. erörtern hätte. Ich kann eg e isn. was in Be⸗ zug auf die

mentarschulen gesat worden ist, nur meinen vollen Beifall zollen; ich muß mir aber erlauben, die hohe Versammlung auch darauf auf- merksam zu machen, daß die Erhaltung dieses Prinzips von gleicher Wichtigkeit für die Gymnasien, für die Progymnasien und für alle in ähnlicher Kategorie mit ihnen stehenden Schulen ist. Auch diese Anstalten empfangen den Knaben . von dem zehnten Jahre sei⸗ nes Lebens an, und Niemand wird glauben, daß schon in diesem Al⸗ ter die Erziehung, die in der Familie auf der christlichen Grundlage begonnen hat, vollendet sei. Der Jüngling fängt nur allmälig an, sich fester und selbstständiger zu entwickeln und auszubilden in Gesin= nung und den Wissenschaften, welche diesen Anstalten als Unterrichts Gegenstände zugewiesen sind; aber bis zur höchsten Klasse dieser Aun= stalken ist die Aufgabe nicht blos dahin gerichtet, Keuntnisse mitzu= theilen, fondern der ganze Unterrichtsstoff ist zugleich als Erziehungs-, als Bildungsmittel zu betrachten, um sowohl auf, die geistige, als auf die Gemüths-Entwickelung des Menschen hinzuwirken. Aeltern sind gezwungen, ihre Kinder diesen Anstalten anzuvertrauen, und haben wohl ein Recht darauf, daß ihre im Schoße des Christenthunis gebo⸗ renen und in seinem Geiste treu von ihnen bewahrten Kinder auch in den öffentlichen Schulen in demselben Geiste weiter erzogen und gebildet werden. Wer wollte ihnen dieses Recht schmälern oder ent⸗ ziehen? Es würde meines Erachtens ein eben so großes Unrecht sein, dieses erziehende Prinzip durch fremde Elemente an den gedachten Anstalten zu trüben, als wenn dies in den Elementarschulen geschähe. Ich muß wiederholen, was ich bei anderer Veranlassung aus gespro⸗ chen habe, obwohl ich zu meinem Bedauern mißverstanden worden bin, in⸗ dem man die von mir angedeutete christliche Lebensgemeinschaft auf etwas bezogen hat, wovon ich in meinen Gedanken am weitesten entfernt gewesen bin. Ich habe nicht an den gemeinschaftlichen Speise isch gedacht, sondern an ein höheres Leben, an die christliche Gemeinschaft im Gebete, in der Erbauung, im Gesange, überhaupt in der Erhe⸗ bung des Gemüthes zu Gott; nur dieses Leben habe ich unter der christlichen Lebensgemeinschaft verstanden, die ich erhalten zu sehen wünsche in den bezeichneten Anstalten, die zu erhalten ich Sie drin⸗ gend bitte, damit die Jugend, erzogen und gebildet auf christlicher Grundlage, gestärkt und genährt in jener christlichen Lebensgemein⸗ schaft, den Versuchungen, denen sie in ihrem Leben und vielleicht nach den hier über die Lehr-Anstalten gefaßten Beschlüssen in höherem Grade entgegengehen werden, um so gerüsteter und befestigter ent⸗ gegengehen können.

(Großer Beifall; zugleich aber auch wiederholter Ruf nach

Abstimmung.) Marschall: Es haben sich noch einige Rebner gemeldet. (Von allen Seiten: Abstimmung, Abstimmung!)

Der Antrag der Masorität der Abtheilung geht dahin: „Juden können Schul-Aemter, zu welchen sie sich geschickt gemacht haben, ver⸗ walten, insofern solche nicht ihrer Natur nach das christliche Glau⸗ bensbekenntniß in sich schließen, jedoch mit Ausnahme der für christ⸗ liche Kinder bestimmten Elementaischulen und der Vorstands⸗Aemter.“

Das ist der Vorschlag der Majorität. Ver andere Antrag, daß die Elementarschulen und Vorstands-Aemter mit eingeschlossen werden sollen, hat keine Majorität für sich. ; ö

Referent Sperling: Die Ansicht ist getheilt, es hat sich überhaupt keine Majoritaͤt herausgestellt.

Marschall: Wie ich die Abtheilung verstehe, so haben 9 ge⸗ gen, 5 für den erst angegebenen Antrag gestimmt, für den letzteren nur 4 Stimmen. Es ssragt sich also, ob der am weitesten gehende Antrag hier Unterstützung findet?

(Es ergiebt sich kein Resultat.)

Abgeordn. Graf von Merveldt: Ich trage auf Namens Aufruf an.

(Ein anderes Mitglied, ihm zur Seite, verlangt gleichfalls den

Namens⸗Aufruf.)

Marschall. Ob der Namens-Aufruf verlangt wird? (Von allen Seiten: Nein, nein!)

Ich werde also die Frage auf den Antrag der Masorität der Abtheilung stellen, und die Frage lautet hiernach so:

„Sollen Juden Schul-Aemter, zu welchen sie sich geschickt gemacht

haben, verwalten können, insofern solche nicht ihrer Natur nach das

christliche Glaubensbekenntniß in sich schließen, jedoch von den Vor— stands⸗Aemtern und den für christliche Kinder bestimmten Elemen— tarschulen unbedingt ausgeschlossen bleiben?“ sil Diejenigen, die für diesen Antrag stimmen, bitte ich, aufzu⸗ tehen.

(Ein großer Theil der Versammlung erhebt sich; ein anderer bleibt sitzen.)

Ich bitte die Herren Ordner, zu zählen.

Das Ergebniß der Abstimmung ist folgendes: ;

Die Frage ist mit 236 gegen 180 Stimmen verneint.

Da diese Frage verneint ist, so folgt hieraus, daß der Ab⸗ schnitt 5 des 8. 35 stehen bleibt.

Referent Sperling (liest . „8. 36. ö. 4

In Betreff der ständischen Rechte verbleibt es bei der bestehen⸗ den Verfassung, und so weit deren Ausübung mit dem, Grundbesitz, zu dessen Erwerbung die Juden nach 8. 1 überall berechtigt sind, ver⸗= bunden ist, ruhen dieselben während ihrer Besitzzeit. Die Verwal⸗ tung der Gerichtsbarkeit, wie des Patronats, desgleichen die Aussicht über die Kommunal-Verwaltung und über das Kirchen-Vermögen wird, wo eine solche Aufsicht der Gutsherrschaft zusteht, von der be⸗ treffenden Staats- und kirchlichen Behörde ausgeübt. Die Staals⸗ Behörde hat den Gerichtshalter und den Verwalter der Polizei⸗Ge⸗ richtsbarkeit zu ernennen. Der Besitzer bleibt zur Tragung der da— mit verbundenen Kosten und sonstigen Lasten verpflichtet..

Wo das Patronat einer Kommune zusteht, können die jüdischen Mitglieder dersfelben an dessen Ausübung keinen Theil nehmen; sie müssen aber die damit verknüpften Real-Lasten von ihren Besitzungen gleich anderen Mitgliedern der Kommune tragen, auch sind sie als änsässige Dorfs öder Stadtgemeinde Mitglieden verpflichtet, von ihren Grundstücken sowohl die darauf haftenden firchlichen Abgaben als auch die nach Maßgabe des Grundbesitzes zu entrichtenden Bei träge zur Erhaltung der Kirchen⸗Systeme zu tragen.“

Das Gutachten zu 8. 36. Abschnitt J. lautet:

§. 36 des Gutachtens. .

Abschnitt J. In Betreff der ständischen Rechte wird hier auf die bestehende Verfassung verwiesen. Nach dieser sind die Juden von den Kreistagen, der aktiven und passiven Wahl der Land= tags-Abgeordneten und sogar von der allgemeinen Befugniß, die ständische Uniform zu tragen, ausgeschlossen. Abgesehen davon, daß diese Ausschließung mehrerer Mitglieder dem all= gemeinen Grundsatze „gleiche Pflichten, gleiche Rechte“, nicht entsprechend erscheinen konnte, so mußte sich auch bei ihnen folgende Betrachtung geltend machen. Da der Jude seit län⸗ ger als dreißig Jahren über das Wohl seiner Stadt mitbe⸗ rathen hat, 6g daß daraus irgend ein Nachtheil für seine christlichen Mitbürger hervorgegangen ist, so ist auch kein Grund

vorhanden, an seine Mitberathung über Angelegenheiten seines

Kreises irgend eine Besorgniß zu knüpfen. Auf den Kreistagen sowohl, als auch auf den Landtagen, werden

othwendigkeit des christlichen Elementes in den Ele⸗

nicht die Interessen irgend einer Kirche, sondern nur allgemeine bür=

gerliche Angelegenheiten verhandelt, welche die Juden eben so, wie die Christen, nahe angehen. Um hierüber Rath zu pie en, wie es dem allgemeinen Besten frommt, ist nicht die Angehörigkeit zu einer bestimmken Religions- Gesellschaft, sondern die allgemeine Bürger⸗Tu⸗ gend erforderlich, für welche der Jude eben so, wie der Christ, em⸗ pfänglich ist. Wenn der Jude in der Stadtverordneten⸗Versammlung der größten Städte der Monarchie an der Berathung über deren sonstige Interessen Theil nimmt, welcher Grund ist dann vorhanden, ihn von der Theilnahme an der Wahl eines Landtags- Abgeordneten auszuschließen? Wird er endlich selbst von seinen christlichen Mitbür—= gern und Mitständen zu einem Landtags-Abgeordneten gewählt, so läßt sich auch mit voller Sicherheit annehmen, daß er dazu tüchtig sein werde. Diese Betrachtung führte dahin, daß die Abtheilung mit zehn Stimmen gegen drei sich dafür erklärte,

daß den Juden alle ständischen Rechte gleich den Christen beizule⸗

gen seien.

Abgeordn. Frhrr. von Gaffron: Ich habe in einer der frü— heren Debatten erklärt, daß ich zu der Ueberzeugung gelangt sei, daß die Erweiterung der bürgerlichen Rechte der Juden in einem größe—= ren Grade mit dem Wohle des Staates vereinbar sei, als ich nach früheren Ansichten selbst geglaubt habe, ja ich habe zugleich die Ueber⸗ zeugung ausgesprochen, daß diese Ausdehnung der bürgerlichen Rechte nach meiner Ansicht nicht in dem Maße stattfinden möchte, als sie bereits in der hohen Versammlung beschlossen worden ist, daß sie fer ner sich nicht auf die vollen Befugnisse der Ausübung ständischer Rechte erstrecken möchte. Ich habe keine Veranlassung gefunden, von dieser letzten Ueberzeugung abzuweichen, und ich bitte um die Erlaub⸗ niß, meine Gründe der hohen Versammlung mittheilen zu dürfen. Den ersten Grund habe ich bereits vor einigen Tagen hervorgeho⸗ ben, es ist nämlich der, daß ich, nachdem die Juden bis jetzt bedeu⸗ tenden Beschränlungen in der Ausübung der bürgerlichen Befugnisse unterworfen waren, in der Ertheilung des höchsten bürgerlichen Rech tes, der Ausübung ständischer Vertretung, allerdings einen Sprung in der Gesetzgebung erblicke, indem mehrere Stadien einer, wie mir scheint, nothwendigen Vorbildung dadurch überschritten würden. Es ist mir von dem sehr geehrten Mitgliede für Krefeld hierauf entgegnet worden, daß ein solcher Sprung in der Gesetzge⸗ bung hier nicht obwalte, indem die vollständige Emancipation sich als nothwendiger Anknüpfungspunkt an die gegenwärtige Bildungs⸗ stufe der Juden im Allgemeinen anschließe. Ich verkenne keines weges, daß zum Theil die Bekenner des jüdischen Glaubens guf einer hohen Bildungsstufe stehen, ich habe selbst mehrere ausgezeichnete Männer unter ihnen kennen und verehren gelernt; ich muß aber doch be⸗ merkbar machen, daß, wie mir scheint, nicht in allen Theilen unseres Vaterlandes diese Bildung auf gleicher Stufe steht, daß in der All⸗ gemeinheit hier noch große Unterschiede obwalten. Ich mache ferner einen Ünterschied zwischen einer mehr einseitigen Fachbildung, auch selbst Gelehrtenbildung und einer Bildung für das öffentliche prakti⸗ sche Leben. Ich glaube, daß die letztere nur durch das Leben selbst, durch die Bewegung in öffentlichen Beziehungen vorbereitet und er⸗ reicht werden kann. Ob nun die Juden, die sich bisher fast aus- schließlich nur merkantilischen Zwecken hingaben, von vielen öffentli⸗ hen Beziehungen aber ausgeschlossen waren, schon jetzt zur Ausübung dieses höchsten bürgerlichen Befugnisses befähigt sind, muß ich dahin= gestellt sein lassen. Ich glaube, daß wir selbst erst dadurch, daß wir daß wir durch die provinzialständischen und andere bürgerlichen Beziehungen durchgegangen sind, zu dem Slandpunkte gelangt sind, auf dem wir gegenwärtig stehen, und ich weiß nicht, ob bhne diese Vorbildung der gegenwärtige, Vereinigte Landtag dieje⸗ nige Sicherheit oder den Takt sich angeeignet haben würde, welcher von dem Inlande, wie von dem Auslande, ihm, so viel mir bean nt zugesprochen worden ist. Als zweiten Grund führe ich solgenden an. Ls ist bereits, wenn ich nicht irre, in der Restrigen Tibattz in Erwã⸗ gung gezogen worden, daß bedeutende Reichthümer sich in den Häu— den der jüdischen Bevölkerung in Folge ihres Scharfsinnes und glück— licher Operationen in kommerzieller Richtung angehäuft haben.

Es haben Konzentrirungen dieser Reichthümer in einzelnen Hän⸗ den stattgefunden, die ein bedeutendes Gewicht in die Wagschale der politischen Zustände von Europa, gelegt haben. Wenn die Emanci⸗ pation vollständig erfolgt, auf, die ständischen Rechte ausgedehnt wird, so wird die nächste Folge sein, daß ein großer Theil dieser Reich⸗ hümer auf den Erwerb von Grund- Eigenthum gewendet wird, weil kas Grund-Eigenthum in unserem Staate die Basis der Stand— schaft ist. . .

Wir Grund-Besitzer könnten in materieller Beziehung uns damit ganz einverstanden erklären, indem dann die Preise der Güter steigen würden, es lässen sich aber nicht alle Dinge mit dem materiellen Maß⸗ stabe bemessen. Es ist ferner erwähnt worden, und mit Recht, daß in manchen Landestheilen der Kredit sich größtentheils in den Händen von Juden besindet und die kleineren Grund-Besitzer ihnen gewisser⸗ maßen tributär, von ihnen abhängig sind. Wenn nun in diesen Landestheilen die Juden auch noch bedeutendes Grund-⸗Eigenthum erwer— ben, so gestehe ich, daß ich besorge, daß dann bei den Wahlen zur Stand- schaft nicht bles die Würdigkeit, sondern auch andere Rücksichten obwalten können. Wir haben bisher wenig von Wahl-Umtrieben gewußt. Unsere provirzialständischen Institute fanden noch nicht den allgemeinen Anklang in der Ration, der unferen gegenwärtigen centralständischen Institutionen zu Theil wird. Die Stellung eines Abgeordneten des Vereinigten Land⸗ tages ist eine so ehrenvolle, so begehrenswerthe, daß der Ehrgeiz gewiß vielfach nach ihr streben wird, und so werden wir auch bei uns Wahl⸗ Umtriebe naturgemäß entstehen sehen, und wenn auch nicht in der Ausdehnung, die sie in England erreichen, so werden sie dennoch einen Einfluß auf die Wahlen ausüben. Ich weiß, daß dieser Zustand eintreten wird, wenn man auch die Cmancipation nicht bis auf diesen Punkt ausdehnt; aber ich gestehe, daß ich nicht möchte, daß die Macht der Geld-Aristokratie einen zu bedeutenden Einfluß auf die Ergänzung unserer Reihen ausübte. J

Der drilte Grund, der mich veranlaßt, mich gegen die Erthei⸗ lung der ständischen Rechte an Juden zu erklären, ist der der Theil⸗ nahine an der Gesetzgebung. Ich habe es bereits anerkannt, daß der Jüde auf seinem Glaäubenswege eben sowohl zur Stufe der höchsten sittlichen Bildung emporsteigen kann, als der Christ, ich glaube aber, daß die Lehrsätze der christlichen Moral der klarste und sicherste Weg sei, um diesen Standpunkt zu erreichen, namentlich in Bezug auf Zwecke der Volkserziehung. Welche Ansichten über Kirche und Staat man auch hegen mag, so wird mir doch, glaube ich, zugestan⸗ den werden müssen, daß auf die Entwickelung unserer sozialen Zu⸗ stände und der Gesetzgebung der Geist des Christenthums großen Ein⸗ fluß geübt, daß die Gesetzgebung theilweise aus ihm hervorgegangen ist, und daß es daher bedenklich ist, Andersglaubenden und Anders⸗ denkenden eine Theilnahme an der Gesetzgebung einzuräumen, so lange ihr Glaube zu einer schroffen Absonderung und Abgränzung von dem unsrigen führt. Man wird mir vielleicht den Vorwurf der Inkonse⸗ quenz machen, daß ich den Juden einen Theil an der Staats verwal⸗ tung, wenn auch nicht in dem umfassenden Grade der gestrigen Ab⸗ stimmung, zuerkennen wollte, während ich die ständischen Rechte ihnen absprechen will; es ist aber ein Unterschied zwischen der Handhabung der Gefetze und zwischen der Gesetzgebung selbst, und ich betrachte es

Zweite Beilage

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Zweite Beilage zur Allgemeinen Preußischen Zeitung.

Dienstag den Tien Juni.

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als eine Thatsache, daß gegenwärtig noch eine scharfe Sonderung zwischen Judenthum und Chwuͤstenthum existirt. Wir haben die Ju⸗ den allerdings zum Theil in diese Sonderung hineingedräugt, aber theilweise liegt sie auch in den Dogmen des jüdischen Glaubens. Wir dürfen nicht vergessen, daß von Alters her die Juden sich als ein auserwähltes Volk betrachten und stets die Richtung gehabt ha⸗ ben, von anderen Nationen sich abzusondern. Wenn die Emancipation auch nicht die äußerste Stufe bürgerlicher Gleichstellung erreicht, wenn sie eine bedingte bleibt, so ist doch der Fortschritt, der dadurch ins Leben treten wird, bereits ein so bedeutender, daß die Abneigung zwischen Juden und Christen sich ausgleichen wird, daß die schroffe Absonderung sich mildern, die Vorurtheile aufbören werden. Ist dieser Zeitpunkt eingetreten, dann wird die Zeit ihr Recht eben⸗ falls in Anspruch nehmen, und die Frage wird nochmals zur Entschei⸗ dung kommen, ob den Juden alle Befugnisse, auch die höchsten im Staate, ertheilt werden sollen. Ich würde es bedauern, wenn ich durch den Inhalt meines heutigen Vortrages der günstigen Meinung, die sich in einigen wohlwollenden Aeußerungen gegen mich ausgespro⸗ chen hat, verlustig gehen sollte; ich glaube indessen nicht, daß irgend eine Inkonsequenz zwischen meiner heutigen und meiner neulichen Aeußerung liegt, und daß sie vielmehr in folgerechtem Zusammen⸗ hange stehen; ich glaube, die hohe, Versammlung wird es wenigstens anerkennen, daß ich mit dieser Erklärung offen und gewissenhaft meine Meinung ausgesprochen habe, selbst wenn ich das Bewußtsein habe, in der Minorität zu sein, und zweitens dadurch zu erkennen gegeben habe, daß ich den Stand eines Abgeordneten, eines Vertreters unse— rer Mitbürger, wodurch auch mir die Ehre zu Theil wird, in Ihren Reihen zu sitzen, so hoch anschlage, daß ich nur dann die Ausübung dieses Rechtes zugestehen möchte, wenn nach meiner gewissenhaftesten Ueberzeugung Alles vorhanden ist, was zu dieser Stellung befähigt. (Bravo)

Abgeordn. Graf von Schwerin: Ich setze zunächst voraus, daß, wenn hier von ständischen Rechten gesprochen wird, das Patro⸗ nat nicht mit einbegriffen ist, weil davon später die Rede sein wird. Dies vorausgeschickt, bin ich allerdings der Meinung, daß kein Grund vorhanden ist, die ständischen Rechte den Juden nicht einzuräumen; ich bin aber weit entfernt, dem verehrten Abgeordneten, der eben die gegentheilige Meinung aussprach, Inkonsequenz in dieser Beziehung vorzuwerfen, sondern ich freue mich aufrichtig, daß er das Prinzip, von dem ich und eine große Anzahl anderer Mitglieder bisher uns haben leiten lassen, bis zu diesem Punkte bereits anerkannt hat, es ist etwas nicht ganz Leichtes, ein Prinzip bis in die äußersten Konse— quenzen zu verfolgen, es mag auch nicht überall ganz richtig sein, das will ich zugeben. Und wenn ich mich freue, daß er so weit un— serem Prinzipe sich angeschlossen hat, so erlaube ich mir aber auch, zur Widerlegung dessen, was er gesagt hat, auf einige Momente auf⸗ merksam zu machen. Zunächst ist es das der Geld⸗Aristokratie, die er fürchtet in Bezug auf Gewährung ständischer Rechte an Juden. Da muß ich gestehen, daß er in dieser Beziehung nicht den Juden, sondern den Christen einen Vorwurf macht, nicht diejenigen, die bestechen, sondern diejenigen, die sich bestechen lassen, sind verwerflich. Da aber die große Mehrzahl derer, auf die dieser Geldeinfluß eine Gewalt ausüben könnte, immer aus Christen besteht, so würde die⸗ ser Vorwurf die Christen und nicht die Juden treffen.

(Aufregung.)

Dann ist etwas, was von ihm gesagt worden ist, mit Rücksicht auf den Einfluß der Juden auf die Gesetzgebung mir nicht ganz richtig erschienen. Ich bitte doch immer zu bedenken, meine Herren, daß sich das Verhaͤltniß bekanntlich wie 16 Millionen zu 200,000 gestaltet, und daß, wenn wir das Recht anerkennen, daß Juden auch Stände-Mitglieder werden können, weil wir ihnen das Recht nicht vorenthalten können, Staatsbürger zu sein, daraus nicht felgt, daß überhaupt welche Juden, am wenigsten aber ein großer Theil Juden in der Stände-Versammlung sitzen wird, daß also durchaus kein Grund vorhanden ist, anzunehmen, daß der Einfluß der Juden den Einfluß des christlichen Elements auf die Gesetzgebung paralysiren könnte, wenn man auch wirklich nicht annehmen wollte, daß das christliche Bewußtsein bei der großen Mehrzahl der Mitglieder eine solche Kraft hätte, daß es sich auch einer Mehrzahl von Juden gegenüber aufrecht erhalten könnte. Ich glaube, daß eben so wenig aus der Macht des Geldes wie aus der Macht des Geistes irgendwie Gefahr für die ständische Versammlung durch die Theilnahme der Juden erwachsen kann, und stimme daher dafür, daß ihnen auch die Theilnahme an solchen Versammlungen, wie das Recht der Kommunal- oder Gerichts⸗ Verwaltung zugestanden werden möge.

Abgeordn. Hansemann: Der verehrte Abgeordnete Schlesiens, welcher vorhin sprach, hat einen Grund gegen die Zulassung der Juden zu ständischen Rechten darin gefunden, daß sie vorzugsweise mit merkantilen Geschäften sich abgeben; er hat außerdem einen Grund zu dem guten Takt dieser Versammlung darin gefunden, daß ihre Mitglieder jene Geschäfte meistens nicht betreiben. Ich muß nun bemerken, daß ich meinerseits glaube, man könne in merkantiler Beschäftigung eben so wohl wie auch in anderen sich eine gute prak⸗ tische Bildung erwerben; diese Beschäftigung schließt keinesweges aus, daß man ein guter und nützlicher Deputirter sein könne. Eben so gut wie dies auf Christen paßt, eben so gut wird es auch auf die Juden anzuwenden sein. Die anderen Gründe, welche das geehrte Mitglied anführte, veranlassen mich, gerade im entgegengesetzten Sinne zu stimmen. Wenn die Juden dadurch, daß sie ständische Rechte erlangen, sich veranlaßt finden, so viel mehr Grundeigenthum zu kaufen, sich also auch der Landwirthschaft zu widmen, so erreichen wir ja gerade das, was so vielseitig gewünscht worden ist. Man hat überall gewünscht und mit Recht, die Juden möchten sich mehr dem Handel entziehen, und vielseitigere Beschäftigungen trei⸗ ben; gerade das würde also nach der Ansicht des geehrten Abgeord— neten befördert werden, und insofern ist also die Theilnahme an den ständischen Rechten ein wesentliches Mittel, um die Juden von dem Han—⸗ del zu edleren Beschäftigungen hinzuleiten. Auch der Grund, daß ihr Ehrgeiz sie antreiben würde, Mitglieder des Landtags zu werden, ist einer derjenigen, der auch bestimmt, ihnen ständische Rechte zuzu⸗ sprechen. Gerade das ist ja die Absicht, daß wir in ihnen einen edleren Ehrgeiz erwecken, daß wir in ihnen das Gefühl beleben wol— len, den Mammon nicht als das höchste Ziel zu betrachten, sondern daß ein edlerer Ehrgeiz, als blos reich zu sein, ihren Charalter durchdringe. Auch ich halte, wie der geehrte Abgeordnete, die ständi⸗ sche Stellung für eine sehr hohe, aber ich habe die Ueberzeugung, daß, indem wir sie auch den Juden eröffnen, diese Stellung dadurch keinesweges herabgesetzt werden wird. Diejenigen Juden, die in diesem Saale dann Zutritt finden werden ihre Zahl wird gewiß sehr klein sein J werden durch ihre Fähigkeiten und Eigenschaften sich so auszeichnen, daß wir uns ihrer nicht zu schämen an. Ich stimme deshalb für den Antrag der Majoritüt ver Abtheilung.

. Abgeordn. Frhr. von Gäffron: Darf ich um das Wort behufs einer persönlichen Bemerkung bitten. Ich glaube von dem geehrten Redner, der eben gesprochen hat, in einigen Beziehungen ganz miß⸗

verstanden worden zu sein. Wenn ich nämlich gesagt habe, daß sich die Juden bisher vorzugsweise in kommerziellen Richtungen bewegt und darum mindere Befähigung für öffentliche Aemter gehabt hätten, so üunß ich mich unbedingt dagegen verwahren, dies im Allgemeinen auf diejenigen angewendet zu haben, die sich in kommerzieller Rich⸗ tung überhaupt bewegen. Ich achte den faufmännischen Stand sehr hoch und habe neulich geäußert, daß auch ländliche Grund-Eigen⸗ thümer stolz darauf sind, industrielle Landwirthe zu sein, wodurch annähernde Beziehungen zwischen beiden Ständen entstehen; ich glaube aber, daß diejenigen unter uns, die sich bis jetzt der kommerziellen Richtung hingegeben haben, schon eine engere Theilnahme an den allgemeinen öffentlichen Zuständen ausgeübt haben, als bis jetzt die Juden, welchen die Gelegenheit zu einem öffentlichen Wirken fehlte, und dies ist der einzige Grund, warum ich jene Bemerkung aus⸗ gesprochen habe. Ein zweiter Grund des Mißverständnisses scheint aus meiner Aeußerung wegen Erwerb von Grund-Eigenthum her— vorgegangen zu fein. Ich habe in materieller Hinsicht nichts dagegen einzuwenden, ich sinde es auch wünschenswerth, daß die Juden sich in anderen als kommerziellen Richtungen bewegen, aber ich habe aus⸗ gesprochen, daß, wenn sie in solchen Gegenden auch durch Grund— befitz das Uebergewicht bekämen, wo sie schoön einen bedeutenden Ein⸗ fluß durch die Kredit-Verhältnisse üben, auch auf die Wahlen dieses Uebergewicht influiren könne, wozu nicht eben Bestechung, sondern das Verhältniß der Abhängigkeit derer führen könnte, welche durch eine drückende Veruögens-Lage in solche gebracht worden sind. (Ruf zur Abstimmung.)

Abgeordn. von Beckerath: Das geehrte Mitglied aus Schle⸗ sien, welches so eben die Tribüne verlassen hat, erkennt an, daß es unter den Juden hochgebildete, sittlich würdige Männer giebt. Wohlan, meine Herren, auf solche Männer würde sich gewiß die Wahl vor⸗ zugsweise richten, und von der Theilnahme solcher Männer an den ständischen Versammlungen wäre gewiß nie eine Gefahr, sondern im— mer nur Gutes für die Sache zu erwarten. Die Beschlüsse, welche bereits in der vorliegenden Angelegenheit gefaßt worden sind, scheinen es mir zu einer unerläßlichen Konsequenz zu machen, daß auch auf diesem Gebiete unserer Verhandlungen den Juden Gerechtigkeit wi⸗ derfahre, und es kann der Umstand, daß möglicherweise hier oder da durch den Einfluß eines wohlhabenden Juden eine Wahl anders ge— leitet werden würde, als sie der Ueberzeugung der Wähler nach aus⸗ fallen müßte; dieser Umstand kann keinen Grund abgeben, den Juden die Berechtigung zu entziehen. Sehe ich auf das Beispiel der Län— der, wo die Juden berests alle Rechte haben, so finde ich, daß von diefer Seite keine Nachtheile zu befürchten sind. Uebrigens bin ich der Ansicht des Herrn Abgeordneten der pommerschen Ritterschaft, daß nach Lage unserer Gesetzgebung von den den Juden einzuräumenden ständischen Rechten das Patronatsrecht auszunehmen sei. Wir wer⸗ den uns, wenn wir dieser Ansicht Folge geben, der kurhessischen Ver— fassung anschließen. Diese Verfassung bestimmt, daß von den Rech⸗ ten, welche den Juden zustehen, allein ausgeschlossen seien, 1) das Patronatsrecht über christliche Kirchen, 2) die Austellung in christ⸗ lichen Kirchen-Aemtern. Das sind die einzigen Ausnahmen. Wir haben also nicht nur in dem so oft genannten Auslande, sondern in Deutschland selbst ein Beispiel, daß in Beziehung auf die Juden ge⸗ recht verfahren wird. Wenn das geehrte Held behauptet hat, daß der Geist des Christenthums eine wesentliche Einwirkung auf die Ge⸗ setzgebung ausübe, ja, daß er die Grundlage unserer Gesetzgebung sei, so stimme ich dem vollkommen bei. Ich möchte aber einen Un— terschied machen zwischen dem Geist der Kirche und dem allgemeinen Geist des Christenthums. Das kirchliche Leben muß sorgfaäͤltig ge— pflegt werden, es ist die individuelle Form des christlichen Geistes, und nur durch die Form kann der Inhalt sich offenbaren. Wenn es sich aber darum handelt, den christlichen Geist in seiner Allgemeinheit zu erfassen, so muß man vom Kirchlichen, vom Konfessionellen abstra—⸗ hiren. Man muß anerkennen, daß der Geist des Christenthums in unserer Zeit das Leben des Volkes, unsere Sitten, unsere Literatur so durchdringt, daß nicht leicht ein gebildeter Mensch sich der Einwir⸗ kung dieses Geistes der Wahrheit und der Liebe entziehen kann. Seine äußeren Erscheinungen sind Humanität und Sittlichkeit, auf diesen Grundlagen ruht unsere Gesetzgebung, auf diese Eigenschaften kommt es an, wo es sich um die Theilnahme an ständischen Verhandlungen handelt. Da aber bei den betreffenden Wahlen die Wähler gerade auf diese Eigenschaften, der Natur der Sache nach, allein Rücksicht zu nehmen haben, so sehe ich keine Nothwendigkeit, irgend einen Un⸗ terschied zu treffen zwischen Juden und Christen, in Beziehung auf die Ausübung ständischer Rechte. Ich sehe darin nicht allein keine Nothwendigkeit, sondern ich würde es als eine Ungerechtigkeit erken⸗ nen, wenn man den Juden diese Rechte nicht zugesteht. Es hat ein geehrtes Mitglied aus Pommern einen Vortrag gehalten, der sehr gemischter Natur war. Er hat theils Erbauung, theils Belustigung hervorgerufen, also zwei sehr heterogene Dinge mit einander verbun⸗ den. Ich will Sie nicht auf diesen Vortrag zurückführen, nur eine Stelle desselben erlaube ich mir hervorzuheben. Der Redner hat Sie aufgefordert, Alle Missionaire zu werden und ihre armen jüdischen Brüder zu sich zu erheben. Auch ich rufe Ihnen zu, meine Herren, seien Sie Missionaire, so viel an Ihnen ist, reißen Sie die Schran⸗ ken, welche die Juden von den Christen trennen, nieder, wirken Sie dahin, daß nicht ferner stattfinde, was in der Denkschrift aus dem Bericht des Ober⸗-Landesgerichts zu Marienwerder angeführt ist. Es heißt darin, daß die niedrige Kulturstufe, auf der sich die Juden in senem Landestheile noch befinden, zum Theil daher rühre, daß sie daran gewöhnt seien, sich ohnehin von den Christen verachtet zu sehen. So lange wir die Juden nicht für würdig halten, hier unter uns zu sitzen, so lange verachten wir sie, und so lange wir sie verachten, handeln wir gegen unsere Christenpflicht, die darin besteht, in Men⸗ schen überall den Menschen zu ehren!

(Bravo!)

Abgeordn. von Manteuffel II.: Ich möchte die hohe Ver⸗ sammlung an den Beschluß erinnern, der vor mehreren Wochen ge⸗ faßt worden ist, wo nach meiner Meinung die Frage entschieden wurde, so daß die Sache als eine abgemachte zu betrachten ist. Dessenungeachtet will ich meine Ansicht kurz aussprechen. Ich er⸗ kläre kurz, daß ich an dem Gedanken des christlichen Staates fest— halte. Ich eikläre, daß ich in einem christlichen Staate mir auch nur einen christlichen König denken kann, der sich nur auf seine christ⸗ lichen Stände stützt. Dies ist in der vorliegenden Frage mein kur⸗ zes politisches Glaubensbekenntniß. Da ich zu meinem Bedauern aus den bisherigen Vorträgen entnehmen zu dürfen geglaubt habe, daß nicht in allen Mitgliedern dieser Begriff über den christlichen Staat feststeht, so wünsche ich, auch meine Ansicht über die hohe Würde der Standschaft auszusprechen. Ich glaube, daß die Stand⸗

schaft das höchste Gut ist, das wir besitzen können, 1 wir bei der

vorliegenden Beschlußnahme nur davon . dürfen, daß wir Stände das Höchste erreicht haben, was im Staate zu erreichen mög⸗ lich ist. So lange wir nun nicht sagen können, daß ein Jude gleich

moralisch hoch stehe, wie ein Christ, so lange wir nicht zugestehen . uf dem Boden des

können, daß die Juden auf demselben Niveau der religisö ĩ

ch befinden, wie die Christen, so lange er, n, die Standschaft, das wichtigste politische Recht, aueschließlich den Chri sten verbleibe. Man mag denken über den er e Staat, wie man will, so lange man die Würde der Standschaft auf der Höhe erhalten will, auf welcher sie jetzt steht, so lange dürfen wir die Ju⸗ den an diesem wichtigen Rechte nicht Theil nehmen lassen.

Landtags-Kommissar: Ich muß vorausschicken, daß ich mich drei Wochen lang in demselben Irrthum befunden habe, zu wel⸗ chem sich der geehrte Redner vor mir so eben bekannt hat, indem auch ich glaubte, daß durch den Beschluß, welchen die hohe Versamm⸗ lung am 20. Mai (. gefaßt, die jetzt vorliegende Frage bereits ent⸗ schieden sei. Die erste damals gestellte Frage lautet:

„Soll die Ausübung der ständischen Rechte an keinerlei Art von religiösen Glaubens⸗-Bekenntnissen gebunden sein?“

Diese Frage wurde mit 319 Stimmen gegen 158 Stimmen verneint.

Die zweite Frage lautete:

„Soll allen denen, die sich zur christlichen Religion beken⸗ kennen, die Ausübung der ständischen Rechte zugestanden werden?“

Diese Frage wurde mit großer Majorität bejaht.

Ich habe, wie gesagt, geglaubt, die jetzt vorliegende Frage sei schon damals entschieden, weil ich voraussetzen mußte, daß sich die hohe Versammlung in einer langen, fast ermüdenden Debatte mit einem praktischen Gegenstande habe beschäftigen wollen. Praktisch war aber die Beschäftigung nur dann, wenn die Frage über die politischen Rechte der nicht christlichen Bevölkerung auf die Juden bezogen wurde, da mit wenigen ganz singulairen Ausnahmen der preußische Staat keine andere nicht christlich Bewohner hat, und ich nicht voraussetzen durfte, die hohe Versammlung habe sich nach den Andeutungen eines geehrten Redners mit den Anbetern der Sonne, des Mondes und der Sterne beschäftigen wollen. Die Debatte der letzten drei Tage hat mich in dieser Beziehung enttäuscht, da ich anerkennen muß, daß eine wört⸗ liche Entscheidung der Frage über die Verleihung der politischen Rechte an die Juden damals nicht erfolgt ist. Da solche jetzt aber⸗ mals aufgeworfen und mit Wärme debattirt ist, so muß ich mir er⸗ lauben, hier mit wenigen Worten die Ansicht der Regierung vor⸗ zutragen.

Als ich die Eröffnung der Diskussion über das Judengesetz ein leitete, habe ich bemerkt, daß die wenigen Beschränkungen, denen die Juden in Beziehung auf ihre bürgerlichen Rechte nach dem Gesetz— Entwurfe noch unterliegen würden, in dem Prinzipe wurzelten, da der preußische Staat ein christlicher sein und bleiben wolle. Nach diesem Prinzip hat die Regierung nicht proponiren können, den Juden die Rechte der Standschaft zu geben. Fürchten Sie nicht, meine Herren, daß ich auf die Definition des christlichen Staates zurückkommen werde. Er ist bereits mit beredten Worten desinirt, man hat mit nicht minder beredten Worten darzuthun versucht, daß dieser Begriff eine Chimäre sei. Für mich aber, für die Regierung hesteht er wirklich, und ich wiederhole unumwunden, es ist der entschiedene Wille der Regierung, den Charakter des christlichen Staats aufrecht zu erhalten. Mit dieser Absicht hat das Gouverne⸗

ment bei Vorlage des Gesetz⸗Entwurfes es für unvereinbar gehalten, Personen, die nicht Christen sind, das den Ständen beigelegte höchst wichtige Recht der Theilnahme an der Gesetzgebung zu verleihen; dies für unvereinbar gehalten, weil der dringende Wunsch hervortrat, daß diese Versammlung stets nur von christlichem Geiste durch⸗ weht sein möge. Sie haben den Einwand vernommen, daß unsere Gesetzgebung dem christlichen Prinzip in vielen Beziehungen wider⸗ streite. Der geehrte Redner, welcher diesen Satz aufstellte, hat seine Behauptung durch eine Reihe von Citaten aus der Bibel zu belegen esucht. Ich folge ihm nicht auf diesem Wege, weil mir die Ehr⸗ feln vor diefem heiligen Buche verbietet, die Widerlegung in der Weise des Angriffs zu versuchen.

Wenn ich ihm aber nicht folge, wenn ich sogar zugestehe, daß in unserer Gesetzgebung Elemente sind, welche als nicht vollkommen christlich bezeichnet werden können, so folgt daraus keinesweges, daß nicht das Bestreben bleiben müsse, die Gesetzgebung dem Christen⸗ thume immer enger anzuschließen und immer mehr dem höchsten Prin⸗ zip, welches es auf der Welt giebt, dem christlichen Prinzip, in ihr Geltung zu verschaffen. Dies ist das Streben des Gouvernements, und in?» diesem Streben liegt ihm die Pflicht ob, dahin zu wirken, daß die an der Gesetzgebung wesentlich theilnehmenden ständischen Versammlungen christliche Versammlungen bleiben. Ob dieses Prin⸗ zip auch dann durchgeführt sein würde, wenn der Ausschluß der Ju⸗ den von den politischen Rechten als eine Ungerechtigkeit gegen sie erkannt wäre, das brauche ich nicht zu untersuchen, weil das Gouver⸗ nement eine solche Ungerechtigkeit nicht anzuerkennen vermag. Die Juden sind Fremdlinge in unserem Lande und werden es so lange bleiben, als sie wirklich Juden sind; sie haben also keinen Rechtsan⸗ spruch, auf die höchsten politischen Ehren. Das Gouvernement kann bie Üeberzeugung von einem solchen Rechtsanspruch nicht gewinnen. Weil dasselbe dahin streben muß, daß die ständische . eine christliche bleibe, und weil den Juden ein Nechtsanspruch, auf politische Emancipation nicht zugestanden werden kann, aus diesem Grunde ist die Aufrechterhaltung des in dem ständischen Gesetze vom Jahre 1823 aufgestellten Grundsatzes auch hier proponirt des Grundsatzes, worüber wir jetzt das Votum der hohen Versammlung vernehmen werden.

(Beifall. Ruf nach Abstimmung.)

Abgeordn. Graf von Helldorff: Meine Herren! Ich werde ganz kurz sein. Ich erkläre mich vollkommen einverstanden mit dem, was der Herr Landtags-Kommissar und vorher der Redner aus der Lausitz gesprochen haben, und kann daher nur wünschen, daß Sie des Volums eingedenk sein mögen, welches Sie am 20. Mai d. J. mit großer Majorität dahin abgegeben haben, daß die Ausübung ständischer Rechte nur denen, die sich zur christlichen Religion beken⸗ nen, zuzugestehen sei.

Abgeordn. Frhr. von Vincke: . 22 (Stürmischer Ruf nach Abstimmung. Trommeln mit den Füßen.)

Ehe ich in die Verhandlung eingehe, muß ich mir doch die Be⸗ merkung gestatten, daß ich eine Widerlegung mit Gründen und nicht mit den Füßen erwarte. Ich glaube nicht, daß es der hohen Ver⸗ sammlung würdig ist, ein solches Prinzip, das wir früher bereits ver⸗ urtheilt haben, jetzt einreißen zu sehen. Dagegen muß ich mich und diejenigen Mitglieder der Versammlung, welche gewöhnlich mit Grün⸗ den zu streiten pflegen, entschieden verwahren.

(Bravo!) habe mir nur eine persönliche Bemerkung zu gestatten in Beziehung auf einen Vorwurf, der mir eben von dem geehrten Herrn Landtags Kommissar gemacht worden ist. Es, ist von dem Herrn Landtags⸗Kommissar ge g. ich hatte durch Citate aus der heiligen Schrift nachzuweisen . t, daß der Staat nicht in jeder Beziehung Lhristenthums stehe; er folge mir nicht auf die=