1847 / 172 p. 3 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

uns. Ich sage: Menschenz denn es kann sehr viele gebildete Engländer, Franzosen, Deutsche geben, aber die echtmenschliche Bil⸗ dung ist nirgends so verbreiket, so tief begründet, als in Deutschland. Und wem verdanken wir das? Meine Herren! Das verdanken wir unseren Universitäten, das verdanken wir dem Um— stande, daß unsere Universitäten nicht ein so allgemeines Landes⸗In⸗ stitut geworden sind, wie in Frankreich, daß aber auch unsere Univer- sitäten nicht solche beschränlke Corporationen geblieben sind, als in England, sondern daß die Universität bei uns wirklich die universt= tas litterarum, geworden ist. Das ist unser Stolz, und namentlich wir Preußen können eben darauf fehr stolz sein; benn unsere Könige haben diefe Universität als das schönste Kleinod ihrer Krone erkannt. Darum haben sie sich eben dieses gebildete Volk erzogen; Se. Maje⸗ stät Selbst hat die Freube und, den Stolz, der Beherischer dieses ge⸗ bildeten Volkes zu fein, in echt Königlichen Worten anerkannt. Wir aber sind einig, daß wir in jeder Minute gern die Pflicht erfüllen werden, unseren Herrschern zu zeigen, daß sie nicht umsonst Jahr hunderte lang diese schönen Universitäten erhalten haben. Ich muß nun gestehen, ich sehe nicht ein, wie man irgend Jemand von dieser Universitãt ausschließen will, und das Gesetz selbst thut dies auch keinesweges, sondern verschließt ihnen allein die höchsten Aemter der Unibersität. Kommt es nun aber auf das Lehren, auf das Bil⸗ den auf der Universität, wie gesagt worden ist, besonders an, so, glaube ich, kann ein Privat- Dozent eben so viel wirken oder, wenn Sie lieber wollen, eben so viel schaden, als ein Prosessor ordinarius. Ich habe in meiner vierjährigen Studienzeit hier zu Berlin den Saal manches Professoris ordinarii leer gesehen, und ich habe den Saal des eben zum Christenthum übergetretenen Privat⸗Dozenten Ganz nie leer, sondern gewöhnlich so voll gesehen, daß ein Theil der Zu⸗ hörer zum Fenster hineinsehen mußte, wenn es die Witterung erlaubte. Was nun den Ausspruch Sr. Excellenz anbetrifft, daß es eine Klau⸗ sel sein würde, wenn man ihnen die Aemter des Rektorats und De⸗ kanats verschlösse und er sie darum gar nicht erst zu ordentlichen Professoren ernennen wolle, so scheint mir das so viel zu sein, daß man eine strengere Klausel will, um eine laxere Klausel auszuschlie⸗ ßen. Nach meiner Ansicht braucht die Ausschließung vom Rektorat and' Dekanat in dem Gesetze nicht ausgesprochen zu werden. So⸗ wohl der Rektor als der Dekan werden von dem Senate gewählt. Wenn wir nun auch den Juden die Berechtigung geben, ordentliche Professoren zu werden, so hängt es noch immer von ihren Kollegen ab, ob sie Dekane, ob sie Rektoren werden können, und wenn uns nun eben gesagt wurde, daß der Senat der Universität Königsberg bei der Reviston der Statuten die Juden ausgeschlossen hatten, so glaube ich, daß wir um so weniger Furcht haben dürfen, daß sie auf irgend einer anderen Universität zu Rektoren oder in den Senat ge⸗ wählt werden dürften, da ich gern eingestehe, daß in Königsberg ge⸗ wiß jede Ansicht auch im Senate vertreten ist. Die Rektoren haben übrigens exekutive Gewalt, also würden wir nach der gestrigen Ab— stimmung ihnen dieses Amt heute nicht mehr zusprechen können; ich sehe aber nicht ein, warum ihnen dadurch die ordentlichen Lehrstühle verschlossen sein sollen.

Fürst TLynar: Der Gesetz-Entwurf hat ohne Zweifel die wohl- wollende Absicht, die Juden auf eine höhere Bildungsstufe zu stellen, und in der That sind viele dieser Abkömmlinge Abraham's bereits auf die höchste Bildungsstufe getreten. Mein verehrter Freund und Kol— lege aus der Mark hat auf eine große Anzahl ausgezeichneter Per⸗ sönlichkeiten aus diesem Volksstamm aufmerksam gemacht, Namen, denen auch ich die höchste Anerkennung und Achtung zolle, und welchen ich noch viele andere hinzufügen könnte. Ja, es hat gewiß schon in früherer Zeit unter den Juden so ausgezeichnete Männer gegeben, es giebt deren noch gegenwärtig viele, und es werden sich auch in Zukunft unter diesem geistvollen Volksstamme dergleichen finden, welche die Zierde einer je⸗ den Hochschule gewesen oder noch sein würden, und ich wünschte da⸗ her, dergleichen hervorragende Kapazitäten für die Wissenschaft zu gewinnen.

Ich halte es ferner für eine gewisse Inkonsequenz und Härte, wenn man einerseits Alles anwendet, um die Juden auf eine höhere Bildungsstufe zu stellen, wenn man sich überzeugt, daß dieser Zweck zum Theil erreicht ist, und man andererseits den Juden die Mittel abschneldet, das so mühsam geistig Erworbene in Anwendung zu brin⸗ gen, wenn man sie zwingt, den zusammengebrachten Schatz ihrer Wis⸗ senschaft in steriler Abgeschlossenheit zu bewahren, und ihnen nicht mit ber den Christen gebotenen Freiheit die Wege eröffnet, jene Schätze zum Gemeingut zu machen.

Ich schließe mich daher der Majorität der ständig an.

Graf Mork: Nicht allein die Könige aus dem Hause Hohen⸗ zollern, sondern alle Fürsten dieses Hauses haben von jeher mit hohem Sinne die geistige Büdung als das unschätzbarste Kleinod ihres Vol kes angesehen. Es ist dies kaum nöthig, zu erwähnen, denn es ist Ihnen Allen wohl bekannt. Diese Fürsten haben es aber auf die geistige, nicht allein geistliche Bildung abgesehen; je höher sie den Werth der den Geist bildenden Anstalten len. desto geistig freier wurden sie hingestellt. Wenn nun der Herr Kultus-Minister uns Eng⸗ land als Beispiel angeführt hat, so möchte ich nicht wünschen, daß man diesem Beispiele folge; denn es herrscht in England in dieser Beziehung eine geistige Knechtschaft, von der wir uns frei gehalten haben. Das liegt, meines Erachtens, darin, daß man die Universitä⸗ ten von der hohen Stufe, die sie einnehmen sollen, herabgesetzt und sie in England zu Dienerinnen bestimmter konfessioneller Ansichten ge⸗ macht hat. Je mehr wir diesen Boden einnehmen, desto mehr wird der Wirkungskreis der Universität als einer allgemein alle Konfessio⸗ nen erziehenden Anstalt verloren gehen. Wir müssen auch anerken⸗ nen, daß gerade in Preußen im entgegengesetzten Sinne gehandelt worden ist. Ich erlaube mir das Beispiel anzuführen, dessen ich bei * Berathung dieses Gegenstandes in der Kommission schon gedachte.

36 e . wurde als Irrlehrer, als Gefährlicher, da war gerade unser . König derjenige, der ihn an die neubegründete Universität Berlin berief und ihm das Recht verlieh, zu lehren, was, er wollte. Welche Folgen diese Lehren gehabt haben, welch' eine Wirkung, davon ist der Beweis die . Bildung, deren wir uns in Preußen erfreuen, und auf die wir stolz sein können. Alle, die nachher an der hiesigen Universität lehrten, alle berühmte Namen, Hegel und ich e r, den noch hier leben⸗ den und lehrenden Schelling nicht aus, sondern ausdrücklich mit ein sind Nachfolger und weitere Entwickeler Fichtescher Lehre und in ge⸗ wissen geistigem Sinne Universitätslehrer gewesen, aber nicht in dem Sinne, wie in England, wo die Universität nur einer bestimmten Richtung einer Kirche gedient hat. Ich bin überzeugt, daß auch nur in dem Sinne die Universität ben Zweck erfüllen kann, den sie zu er⸗ reichen sich zur Aufgabe stellen muß. Wenn nun in Preußen die Statuten der meisten Universitäten, troßz der von mir für sie vindi⸗ zirten geistigen Freiheit, dem entgegenstehen, so hat dies seinen wah= ren Grund darin, daß sie zu einer Zeit begründet wurden, in der die Menschen noch nicht zu einer volllommenen Geistesfreiheit gelangt waren. Als aber des hochseligen Königs Majestät hier in Berlin eine neue Universität gründete, ,. er, ohne ö . auf die Re⸗ ligion, einem Jeden, der geistig ebenbürtig ist, das echt zu, an ihr zu lehren, und ich muß im Gegensatz gegen die Meinung des König⸗ lichen Herrn Kommissars behaupten, daß die Worte, welche im Ge⸗

Abtheilung voll—

täten, Bonn und Breslau,

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setze stehen, „sich geschictt machen“, nichts Anderes heißen, als den Be⸗ weis seiner geistigen Tüchtigkeit und Fähigkeit darzuthun, daß der Ausdruck überhaupt nicht nur für die Juden berechnet war, sondern eine ganz allgemeine Bedeutung hat, nämlich daß jeder Jude wie jeder Christ zu einem solchen Amte sich geschickt gemacht haben, d. h. seine ö. anda prästirt haben muß. Damit ist also nichts Anderes ausgesprochen, als daß er diese Verpflichtung erfüllen soll und er frei ist von jedem konfessionellen Zwange, Wenn angeführt worden ist, daß die Universitäͤt ein organisches Ganze sein soll, so gebe ich dies gern und vollständig zu; aber wenn sie es sein soll,, so muß sie die Fähigkeit haben, alle geistigen Notabilitä—⸗ ten in sich aufnehmen zu können. Oder waͤre es Tenkbar, um den ausgezeichneten Namen, die ein verehrtes Mitglied an meiner Linken genanut hat, noch einen und den hellleuchtendsten anzuschließen, oder wäre es denkbar, daß Spinoza nicht an einer preußischen Universitat Philosophie lehren könnte, weil er ein Jude wäre? Ich glaube, daß ich diesen Namen nug, zu nennen brauche, um der hohen Kurie und des Herrn Kultus-Ministers Zustimmung selbst gewiß zu sein, daß dies geradehin undenkbar wäre. Diese Universität, die nach der Ansicht des Gouvernements und nach meiner eigenen ein organisches Ganze sein soll, muß auch die Fähigkeit haben, in sich ein Leben zu entwickeln, und damit sie diese habe, muß sie nicht äußerlich beschränkt sein in der Aufnahme ihrer Mitglieder durch ir⸗ gend konfessionelle Gründe. Daß auch auf preußischen Universitäten man es so angesehen hat, davon liegt mir der Beweis vor, weil ohne Aufhebung der Statuten, nachdem das Gesetz von 1812 erschienen war, an kniversitäten, die nicht von dem christlichen Bekenntnisse ab⸗ strahiren, wie die hiesige, Juden akademische Lehrer geworden sind. Es ist in Breslau, einer paritätischen Universität, der Fall zweimal, wenn ich nicht irre, sogar dreimal vorgekommen. Zwei dieser Lehrer sind, wenn ich nicht irre, später zum Christenthum übergetreten. Der britte, ein noch in Breslau lebender angesehener Arzt, hat sich von der akademischen Wirksamkeit zurückgezogen, als nachher das Gesetz erschien, welches es ihm unmöglich machte, höhere akademische Wür⸗ den zu erlangen. Wenn nach dem bereits gefaßten Beschlusse der hohen Kurie die Juden von den höchsten akademischen Würden, wie das Rektorat, ausgeschlofsen sind und ausgeschlossen bleiben müssen, so ist dies, nachdem . Beschluß feststeht, nicht zu ändern, und ich muß dies anerkennen, so sehr ich es bedaure.

Fürst Wilhelm von Radziwill; Als dasjenige Mitglied der Abtheilung, welches sich allein in der Minorität befunden hat, liegt mir die Verpflichtung ob, meine Ansicht zu vertreten. Um diese voll⸗ ständig zu begründen, muß ich die Geduld der hohen Versammlung noch auf kurze Zeit in Anspruch nehmen und kurz auf die gestrige Debatte zurückkommen, insoweit sie sich auf den Begriff des christlichen Staates und auf die Verhältnisse zwischen Staat, und Kirche, die gestern berührt worden sind, bezieht. Ich will mich nicht auf eine sheoretische Entwickelung dieser Idee einlassen, man würde sich im Kreise der hohen Versammlung darüber nicht verständigen können. Ich will diefe Idee nur insofern berühren, als sie sich auf die hier jetzt vorliegende Frage und auf die gesetzlichen, faktischen Zustände in unserem Lande bezieht. Der preußische Staat wie alle anderen mo⸗ narchischen Staaten in Deutschland beruht noch auf die alte aus dem deutschen Reiche herübergenommene Idee des christlichen Staa⸗ tes. Der Kaiser war erstens Schirmvogt der Kirche, und zweitens halte er das dominium mundi, die oberste weltlich Gewalt. Die⸗ 6 Begriff der Souverainetät liegt noch in allen deutschen Verfas⸗ sungen? fo wie er in den Grundgesetzen unsexer Staats ⸗Verfassung noch besteht. Der westfälische Friede hat ihn anerkannt, und der westfälische Friede ist noch für den Wiener Kongreß maßgebend ge⸗ wesen, da, wo es sich von dem Verhältniß zwischen Staat und Kirche gehandelt hat. Aus diesem Begriffe, so sehr er auch in den neueren Gesetzen modifizirt worden, hat sich das ganze Verhältniß zwischen Staat und Kirche entwickelt. Kommt nun in unserem Staat noch die Organisation unserer bekannten kollegialischen Form, der roße Einfluß hinzu, den mit dieser Form die individuelle Meinung haben wirb, so liegt darin und in der Schutzpflicht, die der Staat gegen die Kirche übernommen hat, schon für denselben die Unzulässig⸗ keit, Juden in höhere Staats- Aemter aufzunehmen. Dieses Faktum ist gestern durch das Votum der hohen Kurie anerkannt worden, es müßte eine völlige Trennung von Kirche und Staat erfolgen, wenn dem entgegen gehandelt werden könnte, neben dieser Trennung müßte der ganze Geist unseres Beamtenthums, seine ganze Organisation in Bezug auf Pflichten und Rechte verändert werden, es müßte nächst der Trennung von Staat und Kirche die französische Ministerial⸗ und Präfekten-Einrichtung, eine strenge Hierarchie und Unterordnung des Beamtenthums eingeführt werden, um den bestehenden Rechten der Kirche, die durch die Beamten des Staates vertreten wird, nicht zu nahe zu treten. Nur nach einer solchen Trennung könnte eine völlige Emancipation der Juden eintreten. Ich glaube nicht, daß es die Absicht sein könnte, ihr zu Liebe eine solche durchgreifende Aen⸗ derung in den bestehenden Zuständen einzuführen, ich zweifle sehr, daß die Stände darin willigen würden, eine Anleihe oder eine Ab⸗ zweigung von Domainen zu votiren, die doch nöthig sein würde, um alle in dem preußischem Staate anerkannten Kirchen voliständig zu dotiren, eine Dotatlon, die erfolgen müßte, wenn eine vollständige Trennung zwischen Kirche und Staat stattfinden sollte. In Frankreich, Belgien und Holland ist der Emancipation eine Revolution vorangegangen, welche alle bestehenden Verhältnisse umstürzte, welche alle früheren Verpflichtungen, alle früheren Rechte, die zwischen Staat und Kirche bestanden, auflöste. Auf eine solche tabula rasâ konnte in Frankreich, wie in Belgien und Holland, die Emancipation der jetzt bestehenden Verfassungen und in denselben die vollständige Emancipation der Ju⸗ den eingeführt werden. Bei uns wäre sie nicht durchzuführen, ohne die wesenklichsten Theile des bestehenden Staatsrechtes zu verändern. Dieses Staatsrecht, die in Folge desselben bestehende Schutzpflicht des Staates gegen die anerkannten Kirchen, kommt nun bei der Or⸗ ganisation der Lehranstalten wesentlich zur Sprache. Ich habe mich der Majorität der Abtheilnng dahin angeschlossen, die Juden zu or⸗ dentlichen Professuren in den naturwissenschaftlichen, medizinischen und mathematischen Lehrfächern zuzulassen; ich habe mich aber gleichzeitig dagegen aussprechen müssen, sie zu philosophischen Professuren zuzu⸗ lassen, und ich stelle diesen Antrag aus folgendem Grunde. Der Staat hat eine Universität zu Berlin, durch deren Statut nicht bestimmt ist, welchem Glauben der Professor zugehören, soll. Wir haben drei Universitäten, zu Königsberg, Halle und Greifswalde, in benen, wie aus der Rede des Herrn Kultus- Ministers näher hervor⸗ geht, das evangelische Glaubensbekenntniß eine Bedingung für die 6 zur Pwvofessur ist.

Inwieweit in evangelischen Universitäten der Staat geneigt sein möchte, mit deren Vorständen eine Veränderung, der Statuten dahin zu verhandeln, daß die Juden in den philosophischen Fakultä⸗ ten zugelassen werden könnten, stelle ich anheim. Als Katholik steht mir darüber kein Urtheil zu. Wir haben zwei paritätische Umniversi⸗ t die an bie Stelle von drei aufgehobenen rein katholischen Lehranstalten gegründet sind; diese sind zum Theil mit deren Vermögen dotirt und fundirt worden. An diese Anstalten hat die katholische Kirche wohl begründete bestehende Rechte. Fände an diesen Universitãten eine ul fen der Juden zu philosophischen Pro⸗ feffuren statt, so würden unguebielbliche Konflikte zwischen den Staats⸗

Entwickelung, daß die durch

und den bischöfllichen Behörden stattfinden. Die bischöflichen Behörden haben anerkannte Rechte an diesen Universitäten und würden, wenn philosophische n, . an denselben den Juden geöffnet werden möchten, den Besuch der paritätischen Universitäten den katholischen Studiosen der Theologie untersagen. Die nächste Folge davon würde sein, daß sie rechtlich an den Staat die Forderung würden stellen können, rein katholische Lehranstalten dafür zu organisiren. Es wäre also besonders der Erwägung der hohen Kurie anheimzustellen, daß sie durch ein Votum, im Sinne der Abtheilung, wenn es so allge⸗ mein hingestellt würde, dem Staate in Folge dessen eine Verpflichtung auferlegen würde, die sehr bedeutende Ausgaben nach sich ziehen und eine Ursache von Reibungen wieder hervorrufen würde, die durch die gerechte Berücksichtigung der bestehenden Rechte der katholischen Kirche so glücklich beseitigt worden.

Graf Botho zu Stolberg: Wir haben vorhin von einem verehrten Mitgliede aus Schlesien sehr überzeugend darstellen hören. auf welchem hohen Standpunkte die preußischen Universitäten stehen. Ich stimme ihm vom ganzen Herzen bei und freue mich sehr über diesen Zustand der Universitäten; ich frage aber, auf welcher Grund⸗ lage beruht eben der blühende Zustand der Universitäten? Nach meiner Ansicht beruht er nur auf der christlichen Bildung und Ge⸗ sittung, die alles dies hervorgebracht hat. Ich glaube auch, es ist unter uns Niemand, der wiffenschaftliche Disziplinen kennt, die auf einem anderen Grunde in jetziger Zeit beruhten und zu bebauen wä⸗ ren, als auf dem der christlichen Gesittung. Nun scheint mir, daß hier viel im Sinne des Fortschritts geredet worden ist, ich sehe aber nicht ein, wie wir auf diesem Wege Fortschritte machen, wenn noch andere Disziplinen hinzugezogen werden, und aus diesem Grunde weiß ich nicht, warum man hier noch besonders die judischen Beken⸗ ner hinzuziehen soll. Ich glaube deswegen, daß wir uns darauf be⸗ schränken können, daß wir sie zu außerordentlichen Professoren zulassen. Da aber die Juden, die sich auszeichnen, meiner Meinung nach, sich immer auch dann auszeichnen, wenn sie sich dem christlichen Stand⸗ punkte zu nähern suchen, so glaube ich, daß ihnen dann immer noch ein freies Feld ihrer Wirksamkeit bleibt, daß wir aber nicht weiter zu gehen brauchen,

Graf zu Solms ⸗-Baruth: Auch ich stimme vollständig dem bei, was ein geehrter Redner aus Schlesien zum Lobe unserer preu— ßischen Universitäten gesagt hat; aber ich mache gerade darauf auf⸗ merksam, daß diese Universitäten christliche Bildungs- Anstalten sind, und daß sie als solche diesen großen Ruhm sich erworben haben und ihn sich erhalten müssen. Wenn man den Juden Rechte geben will, wie wir sie durch das vorliegende Gesetz zu ertheilen im Begriff sind, und wenn wir die Voten, die gestern in diesem Saale erfolgt sind, berücksichtigen, so glaube ich, daß man sie ganz füglich in Ueber—⸗ einstimmung mit diesem christlichen Fundamente, welches unsere Uni⸗ versitäten haben, in bedingter, beschränkter Weise zu Lehrerstellen an denselben zulassen kann, welche ihnen eine Theilnahme an der all- gemeinen Bildung erlaubt. Eine Theilnahme aber über diesen Grad hinaus, die, glaube ich, kann man ihnen nicht einräumen, wenn man nicht gerade das Fundament des christlichen Prinzips auf den Univer- sitäten vollständig, verändern will. Dem stehen mehrfache, sehr be⸗ gründete Schwierigkeiten entgegen, 3. B. in den Statuten der Uni⸗ versitäten selbst. In diesen? Statuten hat man nach sorgfältiger Prüfung in der Abtheilung, geglaubt, durchaus nicht rütteln zu dür⸗ fen. Eben so hat der Erfolg den bisher die Universitäten gehabt haben, die Abtheilung dahin geführt, gerade bei den vorgeschlagenen FakultätsVerhältnissen stehen zu bleiben.

Aus diesem Grunde möchte ich der hohen Versammlung anra⸗ then, sich den Vorschlägen der Abtheilung geneigtest anzuschließen, nach welchen den jüdischen Glaubensgenossen das Recht gegeben wird, an denjenigen Fakultäten Theil zu nehmen, welche mit dem christlichen Glauben in keinem Widerspruch treten können; das ist die philoso⸗ phische und die medizinische Fakultät. Rücksichtlich der beiden ande⸗ ren Fakultäten aber glaube ich entschieden mich widersetzen zu müssen und will ihnen eine Theilnahme an den Fakultätsrechten nicht ein⸗ räumen. Eben so folgt aus den Beschlüssen, die gestern hier gefaßt worden sind, daß wir den Juden ein Anrecht an das Rektorat, Pro— rektorat, Dekanat und an die Mitgliedschaft des Senats nicht zuge⸗ stehen dürfen, weil diesen Functionen gewisse Gewalten anhängen, welche mit den gefaßten Beschlüssen unverträglich sind.

Graf zu Bohna-Lauck; Auch, ich bin schon lange der Mei⸗ nung gewesen, daß kein wesentliches Hinderniß entgegenstehe, um die Juden auch zu den ordentlichen Professuren in der medizinischen und zhilosophischen Fakultät an den Universitäten zulassen zu können. Ich stimme in dieser Hinsicht ganz, dem Antrage der Abtheilung bei. Dies wird den verehrten Herren, die in der vorigen Sitzung meine Ansicht der Intoleranz haben zeihen wollen, den Beweis geben, daß ich den christlich religiösen Prinzipien im Staatsleben keine weiter gehende Rücksicht angedeihen lasse, als die ihnen nothwendig und mit Recht zukommt. Auch im Uebrigen muß ich mich ganz für den Antrag der Abtheilung erklären, namentlich bin ich auch der Meinung, daß im Gesetze ganz genau bestimmt werde, daß die jüdischen Professoren von dem Ame cines Rektors und Prorektors ausgeschlossen bleiben. Ich möchte nicht wie mein geehrter Freund aus Schlesien sagen, daß hier eine Klausel in das Gesetz käme, die nicht hinein gehört, sondern ich glaube, es sei nothwendig, daß in dieser Hinsicht das Gesetz sich ganz bestimmt ausspreche. Auch erkläre ich mich dahin, daß die Spezial⸗ Statuten der Unersitäten von diesem allgemeinen Gesetze in keiner Hinsicht alterirt werden dürfen und es diefen wissenschaftlichen Kör= perschaften zu überlassen sei, ob sie es angemessen und zweckmäßig sinden werden, für den großen Entwickelungsgang der Wissenschaft diese Statuten auf dem gesetzmäßigen Wege zu ändern. In dieser Hinsicht schließe ich mich auch ganz der Abtheilung an.

Fürst zu Loönar: Ein durchlauchtiger Redner, mir gegenüber, hat, wenn ich ihn recht verstanden habe, geäußert, daß große soziale Veränderungen welthistorisch immer nur in Folge von Revolutionen eintreten. Dem muß ich widersprechen. Es ist gerade das Eigen⸗ thümliche, das Große und Bewundernswerthe in unserer staatlichen die Zeit gebotenen Veränderungen bei uns nicht auf dem sturmpollen Wege der Revolution eintreten, son⸗ dern auf dem ruhigen Wege einer besonnenen und vernunftgemäßen Fortbildung. U

Feind aller Erschütterungen, wollen wir für alle Zeiten durch diese vernunftgemäße Umbildung das erreichen, was bei anderen Nationen nur“ unter Strömen von Blut und Thränen gewonnen wird, und auch bei der vorliegenden Veranlassung werden wir an= erkannte Uebelstände durch eine vernunftgemäße Reform beseitigen.

Fürst Wilhelm Radziwill: Ich muß mir eine Berichtigung erlauben. Ich habe hier nur die Ursache anführen wollen, aus der es hervorgegangen ist, daß in Frankreich soiche Verhältnisse haben eingeführt werden können, wie sse bei uns praktisch noch nicht mög= lich sind, weil eben bei uns noch Rechte bestehen, Pflichten des Staates gegen die Kirche, Rechte der Kirche im Staate, die tangirt werden würden, wenn wir den Juden die ausgedehnten Rechte zuer⸗ fennen wollten, die ihnen nach der französischen, holländischen und belgischen Verfassung gegeben worden sind.

Erste Beilage

Graf York: Ich wollte nur erklären, daß ich mich dem an— schließe, was ein geehrter Nedner aus Preußen gesagt hat, daß ein allgemeines Gesetz allerdings nicht die Statuten der einzelnen Univer— sitaͤten aufheben kann, und daß man von diesen Bildungs ⸗Instituten erwarten muß, wozu man wohl berechtigt ist, daß die nöthigen Anträge ihrerseits geschehen. Ich muß aber auch von hier aus wei⸗ ter gehen und sagen, daß, wenn von einer preußischen Universitãt ein solcher Antrag geschieht und die Staats-Regierung darauf einzu⸗ gehen für gut erachtet, mir es dann völlig richtig erscheint, daß die paritätischen Universitäten keinen besonderen Anspruch machen könnten, weil die katholische Theologie an diesen Universitäten auch gelehrt wird. Es ist dann nur die Forderung zu stellen, die auch im reichen Maße schon erfüllt worden ist, daß gewisse Disziplinen nur von ka⸗ tholischen Lehrern besetzt werden können. Man ist in diesen Forderun⸗ gen so viel ich weiß, ziemlich weit gegangen, man hat eine. katholische Philosophie, eine katholische Geschichte verlangt, und, so viel mir be⸗ fannt, ist das Gouvernement auf alle diese Forderungen eingegangen und hat besondere Lehrer dieser Konfession für diese Disziplinen an⸗ gestellt. In Breslau, wie ich genau weiß, ist dies der Fall. Einen noch weiteren Anspruch, den des Rechts der Ausschließung für die ka⸗ tholische Theologie studirende Jugend von gewissen Universitäten, kann ich aber nie und Niemanden zugestehen. Dies wollte ich mir noch anschließend an das, was der durchlauchtige Redner aus Posen ge⸗ sagt hat, auszusprechen erlauben. Andererseits muß ich noch das berühren, was ein erlauchter Redner vor mir bemerkte, daß man die Disziplinen namhaft machen möchte, die nicht auf christlicher Bildung, so war, glaube ich, der Ausdruck, beruhen, und darauf erlaube ich mir Einiges anzuführen.

Ich habe früher schon die Haupt-Disziplin aller philosophischen

Disziplinen die Philosophie selbst genannt, und ich glaube, wenn über⸗ haupt eine Disziplin philosophisch sein soll, sie unabhängig von einem Bekenntniß, sich selbst bestimmend sein muß. Ich könnte mich darauf einlassen, diefes historisch nachzuweisen aus der Geschichte der Philo⸗ sophie, ich verzichte aber darauf. Ich muß ferner gestehen, daß ich wirklich nicht begreife, wie die christliche Bildung in dem griechischen und römischen klassischen Alterthum zu finden und zu entwickeln sein und wie die Philosophie des Aristoteles nach christlichen Prinzipien vorgetragen werden soll. Ich könnte noch weitere Beispiele anfüh⸗ ren; ich beschränke mich aber auf das Gesagte. Ich will nun über den' Antrag der Minorität noch Einiges in wenig Worten bemerken. Es ist angeführt worden, daß man die Juden von der juristischen Fa⸗ kultät ausfchließen müsse, weil das jus civile von dem jus canoni- cum nicht getreunt werden könne, und weil das Katheder nur an Dr. juris utriusque zu übertragen sei. Es sind indessen bereits mehrere Fälle vorgekommen, daß Juden zu Doktoren nur des bürger⸗ lichen Rechtes kreirt worden sind, und wenn ich erwäge, wie außer⸗ ordentlich wenig Einfluß auf das Leben jetzt das kanonische Recht ausübt, so sehe ich nicht ein, warum es nicht möglich sein sollte, diese beiden Fächer zu trennen, da man, abgesehen von dieser einzelnen Disziplin, alle anderen juristischen vortragen kann, ohne Christ zu sein. Is ist mir sogar bekannt, daß es sehr bedeutende Rechtslehrer gege⸗ ben hat, die, wenn man auf den Inhalt ihres christlichen Glaubens hätte ein großes Gewicht legen wollen, und diesen für unumgäng— lich nothwendig erachtet hätte, nicht wohl die Erlaubniß hätten er⸗— halten können, an Universitäten zu lehren. Graf von Dohrn: Obgleich ich selbst nicht den Glaubens⸗ stand der erwähnten großen juristischen Lehrer untersuchen will und ihm dessen Vertretung selbst überlassen muß, so schließe ich mich voll⸗ fommen dem Antrage meines Freundes an. Auch ich stimme dafür, daß den Juden die juristische Fakultät geöffnet werde und sie Dok toren des bürgerlichen Rechtes werden können, ohne Lehrer des ka⸗ nonischen Rechts zu sein.

Auf einen früheren Ausspruch nun zurückgeh end, erlaube ich mir, an Se. Excellenz den Herrn Minister des Kultus die Frage: ob preußische Bischöfe das Recht haben, Vorlesungen auf preußischen Universitäten zu verbieten? Es ist nämlich vorhin von einem ehren werthen Mitgliede geäußert worden, daß, wenn auf paritätischen Uni⸗= versitäten Juden als Lehrer in der philosophischen Fakultät angestellt würden, die Bischöfe den jungen katholischen Theologen dann die Vor⸗ lesungen dieser Lehrer verbieten würden. Zur philosophischen Fakul⸗ tät gehören aber die mathematische Wissenschaft, Physik, Aesthetik.

Kultus-Minister: Ich glaube nicht, daß es rathsam sei, tief in diese Materie einzugehen, und will. mich daher nur auf We⸗ niges beschränken. Das Interesse der Bischöfe bei der Besetzung der ei⸗ gentlich philosophischen Lehrstellen in den paritätischen Fakultäten leuch let ein. Ein Studirender, der sich zum Theologen bilden will, kann sich nicht ausschließend auf den Kreis der Disziplinen, welche nur in ber theologischen Fakultät gelehrt werden, beschränken, sondern er muß auch philosophische Kollegien hören, z. B. über spekulative Phi losophie, Psochologie 2c. . . ö .

Graf v. Dohrn: bgleich ich durchaus nicht gebeten habe, eine Belehrung über das Letztere zu erhalten, sondern nur eine ganz kurze Frage über ein Faltum au Se— Ercellenz den Herrn Minister richtete, bie inir aber nicht beantwortet worden ist, so will ich doch auch nicht tiefer in diese Materie eingehen. Ich habe blos eine einfache Frage gestellt, und allerdings Se. Erxcellenz haben das Recht, sie zu beant—

wohnen. n ö.

Fürst W. Radziwill: Ich habe gesagt, daß Se. Majestät der König in Seiner Weisheit und Gerechtigkeit geruht haben, den Bischöfen auf paritätischen Universitäten bestimmte Rechte einzu räumen, die auf die Rechte der katholischen Kirche gegründet sind. Ich habe gesagt, wenn Juden als Lehrer auf solchen paritätischen Universitäten zugelassen werden, würden die Bischöfe, die nach den ihnen eingeräumten Rechten vollständig dazu befugt sind, den Besuch nicht nur der Vorlesungen, sondern der Universität selbst den Studiosen der katholischen Theologie verbieten. Es werden daraus kostbare Verpflichtungen für den Staat hervorgehen. .

Graf Byhrn: Da es sich nicht um die Feststellung der Rechte der Bischöfe handelt, so habe ich die Frage nicht gestellt, um an die⸗ sen Rechten zu zweifeln; allein der geehrte Herr Redner wird mir doch erlauben, zu fragen, ob das Recht, den Besuch von Vorlesungen und von Universitäten zu verbieten, mit zu den Rechten der Bischöfe gehört.

. Kultus -Minister: Diese besondere Frage kann beantwortet werden, ohne die allgemeine Frage zur Erörterung zu bringen, welche Rechte den Bischöfen in Erfüllung der ihnen als solchen nach der unter dem Schutze des Staates sich besindenden Grundverfassung ihrer Kirche obliegenden Verpflichtungen zustehen. Es kann wohl

vorkommen, daß ein Bischof in Ausübung dieser Rechte weiter gehe, als ihm von Staats wegen zugestanden werden kann, und daß dar⸗ über Konflikte entstehen. Eine nähere Auslassung über den Gegen⸗ stand wünschte ich zu vermeiden. Es handelt sich im Allgemeinen darum, welche Pflichten hat der Bischof nach der Grundverfassung seiner Kirche in Beziehung auf die jungen Theologen, die für seine Kirche gebildet werden sollen, und. welche Einwirkung hat ihm der Staat, in Folge dieser dem Bischof obliegenden Pflichten, einerseits vermöge des einer öffentlich aneikannten Kirche gebührenden Schutzes, andererseits in Vertretung staatlicher Interessen, zuzugestehen. Es ist möglich, daß eine Eingreifung versucht, werde, welche über die zuste⸗ hende Gränze geht. Gegenwärtig liegt ein solcher Fall nicht vor. Das Verhältniß zu den jetzigen Bischöfen ist ein durchaus freund— liches.

Marschall: Die Berathung über diesen Punkt halte ich für erschöpft. Graf Dyrhn scheint mir aber nicht blos aufgestanden zu sein, um diese Frage zu stellen, sondern über den eigentlichen Gegen⸗ stand zu sprechen.

Graf Dyrhn: Ich wollte der Ansicht meines Freundes bei— treten, und das ist geschehen.

Graf Botho zu Stolberg: Ich habe eine persönliche Be⸗ merkung zu machen auf das, was mir erwiedert worden ist. Ich muß mißverstanden worden sein rücksichtlich der wissenschaftlichen Diszipli⸗ nen, von welchen ich gesprochen habe, Ich hätte es vielleicht noch richtiger ausgedrückt, wenn ich von einer christlichen Weltanschauung als von etwas Höherem gesprochen hätte. Ich glaube, das wird ausdrücken, was ich im Sinne hatte.

Fürst Boguslaw Radziwill: Ich muß mir noch eine Be⸗ merkung erlauben. Es hat ein geehrter Redner die Aeußerung ge⸗ macht, daß Vorträge über Philosophie auch von Juden gehalten werden können, indem diese Vorträge mit dem christlichen Prinzip in keiner Verbindung ständen. Ich bin der Meinung, daß sie nicht allein mit dem christlichen Prinzip in enger Verbindung stehen, sondern dem⸗ selben sogar offenbar feindselig entgegentreten können. Ich bin der Ueberzeugung, daß gerade die Wirren, die jetzt so vielfach in religiö⸗ sen Verhältnissen stattfinden, größtentheils das Produkt falscher oder falsch verstandener philosophischer Systeme sind, und gerade ein Phi⸗ losoph, dessen von einem Redner vorhin lobend Erwähnung geschah, nämlich Hegel, hat, nach meinen Ansichten, durch seine Vorträge über Philosophie einen sehr bedeutenden Anlaß oder Beitrag zu den jetzt so vielfach herrschenden religiösen Wirren gegeben. Daß aber Hegel auch mißverstanden worden ist, geht aus einer Aeußerung des genann⸗ ten Philosonhen selbst hervor, indem er selbst gesagt hat: „Von meinen' Zuhörern hat mich nur Einer verstanden, und dieser Eine hat mich falsch verstanden.“

Marschall: Wir kommen zur Abstimmung über den Gegen— stand. Es hat die Abtheilung darauf angetragen, daß die Juden auch als ordentliche Professoren der medizinischen und philosophischen Fakultät zugelassen werden möchten. Dabei ist sie davon ausgegangen, daß ihnen das Amt eines Dekans und Rektors, in Folge der früher schon stattgefundenen Abstimmung, nicht wird zuerkannt werden kön— nen. Sie hat dies zum Theil für Fassungssache gehalten und, nach—⸗ dem die Ansicht der Versammlung unzweifelhaft festgestellt sein wird, die spätere Fassung der Redaction des Gesetzes vorbehalten. Sie ist weiter von der Ansicht ausgegangen, daß auch die Statuten der Uni— versitäten unberührt bleiben müssen und es der Regierung zu über⸗ lassen sei, in welcher Weise eine Vereinbarung zwischen diesen Sta— tuken und den Beschlüssen, welche von der Versammlung beantragt und von der Regierung gefaßt werden, zu erreichen sein wird. Wir kommen also zur Abstimmung über den Antrag, welchen die Abthei⸗ lung gestellt hat.

Fürst W. von Radziwill: Ich muß mir über die Fragestellung die Bemerkung erlauben, daß die Minorität sich doch noch das Recht vorbehält, über ihre Ansicht abstimmen zu lassen, die sich der unbe⸗ dingten Zulassung der Juden für den Lehrstuhl der Philosophie ent⸗ schieden widersetzt.

Marschall: Die Abstimmung wird zuerst auf den Antrag ge richtet, der von der Majorität der Abtheilung ausgegangen ist. In der Abstimmung über diese Frage wird die andere schon enthalten sein, denn es wird der Antrag der Minorität der Abtheilung dadurch ent⸗ weder angenommen oder abgelehnt. Eine weitere Frage wird später— hin noch auf den Antrag zu richten sein, der von dem Grafen von Mork gemacht worden ist, daß die Juden auch als ordentliche Pro⸗ fessoren zugelassen werden möchten zu einem Theil des Lehrfachs der ju⸗ ristischen Fakultät, nämlich zu demsenigen, welcher zu dem kanonischen Rechte nicht in Beziehung steht.

Fürst W. von Radziwill: Die Minorität will die Juden zu den Lehrstühlen der Philosophie an den Universitäten nicht zulassen, dagegen stimmt sie mit der Majorität überein in Beziehung auf ihre Zulassung als ordentliche Professoren in der mathematischen, natur⸗ wissenschaftlichen und medizinischen Fakultät. ;

Graf Dyhrn: Aber die Mathematik und Natur⸗Wissenschaft sind philosophische Lehrstühle.

Fürst von Radziwill: Der Herr Redner meint es im allge— meinen Sinn; ich habe es im konkreten Sinne genommen.

Graf Dyhrn: Im amtlichen Sinne, Durchlaucht,

Fürst W. von Radziwill: Sie sind allerdings Lehrstühle der Fakultät, aber nicht der Philosophie an und für sich.

Marschall: Es kann dem nicht widersprochen werden, ist auch, so viel ich vernommen habe, nicht geschehen, daß die erste Frage auf den Antrag gerichtet wird, der von der Majorität der Abtheilung ge⸗ stellt ist und dahin lautet, daß die Juden auch als ordentliche Pro⸗ fessoren der medizinischen und philosophischen Fakultät zuzulassen seien. Wir werden zuerst über diesen Antrag und zwar in der Weise ab stimmen, daß diejenigen, welche dem Antrag der Abtheilung beistim men, das durch Aufstehen zu erkennen geben. .

Dem Antrage der Abtheilung ist nicht zugestimmt, somit ist auch keine weitere Frage auf den Vorschlag des Grafen von Nork zu richten.

Prinz Biron von Kurland: Da gezählt worden ist, so ware es doch erwünscht, das Stimmenverhältniß zu erfahren.

Marschall: 26 haben für Nein und 23 für Ja gestimmt.

Referent: Ich glaube, daß es nun zunächst darauf ankommen wird, durch eine weitere Frage zu ermitteln, was bis jetzt nicht hat geschehen können, ob der abweichende Beschluß sich darauf bezogen hat, daß die Abtheilung darauf angetragen hat, die Juden nicht blos zu außerordentlichen, sondern auch zu ordentlichen Professoren zu er= nennen, oder aber, ob er sich darauf bezogen hat, sie nur in der me⸗ dizinischen Fakultät zuzulassen, oder ob er darauf beruht, daß zwar die Kurie gegen die Ernennung der Juden zu ordentlichen Professo⸗ ren nichts zu erinnern findet, aber den Kreis, in welchem sie ordent⸗ liche e seren werden dürfen, verringern, und sie also neben der medizinischen Fakultät nicht zur ganzen philosophischen Fakultät, son⸗ dern nur zu den mathematischen und naturwissenschaftlichen Lehrstühlen zulassen will. Ich richte deshalb an den Herrn Marschall die Bitte, zunächst die Frage zu stellen, ob die Juden zu ordentlichen Professo—

Mittwoch den 2Zstu Juni.

ren in den Fächern, welche die Kurie zuerkennen will, ernannt werden

können.

Fürst W. von Radziwill: In Beziehun ö lung möchte ich mir doch eine Frage r, . ,,, stimmt, aber nicht angenommen worden, und es kommt jetzt darauf an, über das Amendement zu stimmen, das ich als einziges Mitglied ber Minorität eingebracht habe, und das dahin gerichtet ist, ob die Juden zu ordentlichen Professuren in den mathematischen, naturwis⸗ senschaftlichen und medizinischen Fächern zugelassen werden sollen.

Secrétair Graf Mork: Es sind nur 49 Mitglieder aufgezählt während 57 im Saale anwesend sind, und es würden also dit jenigen mit Recht eine Einsprache gegen die Abstimmer erheben können, de⸗ en Stimmen nicht eingezeichnet sind. Ich glaube daher, daß diese nachgetragen werden müssen.

(Es wird nochmals gezählt.)

Fürst Lichnowsky: Ich glaube, daß nach dem Reglement noch einmal abgestimmt werden muß und nicht blos nachgezählt wer⸗ den darf.

Secretair Graf Jork: Es war ein reiner Irrthum des Zäh⸗ lens; übrigens kann sich das so sehr eifrige fürstliche Mitglied beru⸗ higen, indem an dem Verhältnisse der Abstimmung nichts geändert sst, da von den Nichteingezeichneten eben so viel dafür als dagegen gestimmt haben.

Marschall: Nit 3 Stimmen ist die Frage verneint; es ha⸗ ben von den' Nichtgezählten 5 mit Ja und 5 mit Nein gestimmt.

Fürst Lichnowsky: Ich würde den verehrten Herrn Secre⸗ tair, der sich eines unparlamentarischen Beiwortes gegen mich bedient hat, nicht weiter beunruhigen und mich, wenn die Versammlung be⸗ schließt, daß dieses Nachzählen reglementsmäßig ist, allerdings zufrie⸗ denstellen. Indessen muß ich doch bemerken, daß ich dieses Verfahren

des Nachzählens noch nie gesehen habe, sondern der Ansicht bin, daß, und dieses Resultat nicht übereinstimmt, nochmals

wenn ein Resultat veröffentlicht worden ist mit der Zahl der gegenwärtigen Mitglieder abgestimmt werden soll.

Secretair Graf Jork: Dagegen habe ich durchaus nichts ein⸗ zuwenden, ich habe in dem gegenwärtigen Falle die Sache nur ab— kürzen wollen.

Fürst Lichnowskvy: zu bringen.

Marschall: Ich halte auch dafür, daß muß, daß das Stimmenverhältniß in diesem Falle ganz vollkommen dasselbe geblieben ist. Es hat sich vorhin ein Unterschied von drei Stimmen gezeigt und es zeigt sich auch jetzt wieder ein Unterschied von drei Stimmen; mit einer Mehrheit von 3 Stimmen ist die Frage verneint worden, und das Ergebniß der Abstimmung bleibt also, wie Jedermann anerkennen wird, gan; dasselbe. Ich glaube also nicht, daß auf dem Antrage, nochmals abstimmen zu lassen, be⸗ harrt werden wird.

Referent: lassen, und mag das Resultat sein, doch wünschenswerth, daß in einer lichkeit eines Zweifels darüber sein kann, Kurie gewesen ist.

Fuürst Lichnowsky: Ich halte das Nachstimmen für eine Ano⸗ malie und gefährlich und muß den Herrn Marschall bitten, zu fra⸗ gen, ob mein Antrag die nöthige Unterstützung von sechs Mitgliedern sindet.

Marschall: Der Antrag hat die nöthige Unterstützung ge⸗ funden, und es ist meines Ortes kein Grund einer abermaligen Ab⸗ stimmung mich entgegenzusetzen; es wird also abermals durch Aufste= hen und Sitzenbleiben gestimmt werden. Der Herr Secretair von Krosigk ist zu ersuchen, die innere Seite und Graf von Aork die äußere Seite zu zählen.

Graf von Zieten: Ich erlaube mir die kurze Frage, ob nach der Abstimmung das Amendement des geehrten Mitgliedes von Posen noch zur Abstimmung kommen wird oder nicht?

WMarschall: Wir sind vorläufig bei der ersten Abstimmung.

Graf von Zieten: Es ist dieser Umstand von großem Ge⸗ wicht für meine Abstimmung.

Marschall: Wir haben jetzt über den Antrag der Abtheilung abgestimmt. Der ist verworfen. Die Abtheilung hat aber nur einen Antrag gestellt. Es kommt also nur auf die weitere Fragestellung über die Vorschläge an, welche in der Versammlung gemacht worden sind, und wenn der Vorschlag des Fürsten Radziwill die gesetzliche Unterstützung findet, die er noch nicht gefunden hat wenigstens ist sie noch nicht provozirt worden so wird er als ein selbststän—⸗ diger Antrag - zur Abstimmung kommen, aber nicht als Vorschlag der Minorstät der Abtheilung, und eben so wird der Vorschlag des Gra⸗ sen von Vork zur Abstimmung kommen. Wir sind also bei der Wie⸗ derholung der Abstimmung, die vorhin stattfand, und ich habe die Mitglieder zu veranlassen, aufzustehen, welche für den Antrag der Abtheilung stimmen.

Referent Graf von Itzenplitz: die Frage nochmals verlesen zu dürfen:

„Die Abtheilung trägt mit 6 gegen 1 Stimme darauf an, daß die Juden auch als ordentliche Professoren der medi⸗ zinischen und philosophischen Fakultät zugelassen werden.“

Marschall: Diejenigen Mitglieder, welche dem Antrage der Abtheilung beitreten, würden das durch Aufstehen zu erkennen geben.

à Nachdem die Zählung stattgefunden hat.) ;

Domprobst von Krosigk: Die Anzahl der Stimmenden auf der inneren Seite ist völlig der früheren Anzahl gleich; aber eine Abweichung ist darin, insofern vorhin 12 für und 12 gegen, jetzt aber aber 11 für und 13 gegen gestimmt haben.

(Nachdem auch die Zählung auf der äußeren Seite statt gefunden hatte.)

Marschall: Das Resultat ist dasselbe haben 31, mit Ja haben 28 gestimmt.

Secretair Tompropst von Krosigk: Mir scheint der Antrag, welcher von dem Fürsten Radziwill gemacht worden ist, in soweit er von der Majorität der Abtheilung abweicht, vollkennmen mit der Ge⸗ setzes Vorlage zusammen zu fallen. Ich bitte, insofern der Antrag nochmals verlesen wird, damit den Gesetz Entwurf zu vergleichen und in Erwägung zu ziehen, in welchen Punkten die Anträge der Majo rität und Mindbrität von einander abweichen. Ich gebe zu, daß der Vorschlag nicht ganz mit dem Gesetz Entwurf übereinstimmt; aber in den Punkten, in denen er von der Majorität der Abtheilung abweicht, ist er in dem Gesetz Entwurfe wörtlich euthalten. . . .

Referent Graf vo n Itzenplitz: Das kann ich nicht bestätigen. Die Ansicht der Minorität war immer die, daß sie nicht dagegen ist, daß die Juden ordentliche Professoren werden sollen, der Gesetz Entwurf will, die Juden auf keinen Fall zu ordentlichen Professoren ernennen. Die Minorität will sie zu ordentlichen Professoren ernen⸗ nen, jedoch nicht in der philosophischen und medizinischen Fakultät,

. .

sondern nur in gewissen Disziplinen, und diese Disziplinen sind die⸗

Ich bitte meinen Antrag zur Unterstütznng

anerkannt werden

Ich möchte doch bitten, nochmals abstimmen zu wie es wolle, so scheint es mir so wichtigen Frage keine Mög⸗ was die Ansicht der hohen

Ich bitte um die Erlaubniß,

geblieben; mit Nein