i der Ansicht bei, daß wir sie als Gymnasiallehrer nicht an— ellen.
Graf von Sierstorpff: Das Wissenschaftliche wird auf der Universität um der Wissenschaft willen gelehrt, auf den Gymna⸗ sien aber um der Erziehung willen, und ich erlaube mir zu bemerken, 36 9 ein großer Unterschied zwischen Wissenschaft und Erzie⸗ ung ist. J ;
Marschall: Der Vorschlag, welcher von dem Fürsten Radzi⸗ will ausgegangen ist, und dem der Referent sich angeschlossen hat, ändert die Frage. Die Frage ist, nachdem der Referent dem Vor schlage des Fürsten Radziwill beigetreten ist, nicht mehr allein auf den Vorschlag der Abtheilung zu richten, sondern sie würde folgende Jassung erhalten können:
„Trstt ble Versammlung dem Antrage der Abtheilung mit der Be— schränkung dei, daß die' Ainstellung siidischer Lehrer auf Gyẽmnasien, mit Ausnahme der Stelle eines Direktors und Qrdinarius, ür die mathematischen und naturwissenschaftlichen Lehrfächer und für die neueren Sprachen zuzulassen sei?“ Darin ist Alles enthalten. .
Se. Königl. Hoheit der Prinz von Preußen: Wenn das nicht angenomnien wird, so würde wohl die Frage zu stellen sein, ob sie als Lehrer auf Gymnasien gar nicht zuzulassen seien?
Marschall: Wenn diese Frage verneint wird, ist zu einer weiteren Fragstellung keine Veranlassung vorhanden. Daun würde eintreten, daß der Ansicht der Minorität der Abtheilung Folge gege ben wird, wonach es bei der Fassung des Gesetzes sein Bewenden hat. Also die Frage wird hinreichend verstanden sein:
„Tritt die Versammlung dem Antrage der Abtheilung mit der Beschränkung bei, daß die Anstellung jüdischer Lehrer auf Gynnasien, mit Ausnahme der Stelle eines Direktors und Ordinarius, für die mathematischen und naturwissen schaftlichen Lehrfächer und für die neueren Sprachen zuzu lassen sei?“
Diejenigen, welche die Frage bejahen, würden das durch Aufste— hen zu erkennen geben.
(Es erheben sich 9 Mitglieder.)
Die Versammlung hat sich dahin entschieden, daß dem Antrage nicht beizutreten sei. Es hat also bei der Fassung des Gesetzes sein Bewenden.
Graf Nork: Da würde ich mir noch eine Frage erlauben. Bis jetzt ist aiso abgelehnt, daß bei den Gymnasien, Progymnasien, Bür gerschulen, überhaupt bei allen Schulen, wo das erziehende Moment der hohen Kurie wichtig erschienen ist, jüdische Lehrer angestellt wer— den. Ganz anders scheint es sich mir bei den Gewerbschulen zu ver— halten, und ich würde darauf antragen, daß die hohe Kurie sich dar⸗ über ausspräche, ob nicht jüdische Lehrer bei Gewerbe-Schulen anzu— stellen seien.
Referent Graf von Itzenplitz: Zur Aufklärung dieses Punk— tes erlaube ich mir Folgendes anzuführen: Die Gewerbeschulen sind keine Erziehungeschulen, sondern reine Fachschulen. Sie stehen auch nicht unter dem Ressort des Herrn Ministers der geistlichen und Un— terrichts Angelegenheiten, sondern unter dem Ressort des Herrn Fi nanz⸗Ministers, und in denselben werden technische Fe tigkeiten, so wie mathematische und naturwissenschaftliche Gegenstände, gelehrt. Die Frage dürfte also allerdings eine andere insofern sein, als sie nicht Schulen betrifft, welche den Zweck der Erziehung haben.
Graf Dohrn: Ich muß dem noch hinzusetzen, daß auf den Gewerbeschulen alle die Disziplinen, von denen man die Juden so fern halten will, nicht gelehrt werden, und ich glaube wicht, daß der Fall eintreten wird, den mein verehrter Herr Kollege aus Sachsen erwähnt hat, daß man zu einem Lehrer in der französischen Sprache einen Juden mit jüdischemn Dialekt wählt.
Graf von Landsberg-Gehmen: Ist nicht schon darüber abgestimmt? In dem Gesetze stehen die Ausdrücke: „höhere Bürger und Gewerbeschulen“ verzeichnet, und so habe ich geglaubt, daß die Abstimmung erfolgt sei.
Graf Jork: Es sind nur die Gymnasien genannt worden. Ich habe aber geglaubt, daß die Progymnasien und höheren Bür⸗ gerschulen, welche einen ähnlichen Charakter tragen, wie die Gymna⸗ sien, mit darunter begriffen seien, und ich habe die hohe Kurie nicht mit unnützen Abstimmungen ermüden wollen, sonst hätte ich noch die Abstimmung beantragen können, daß auch über die Progymnasien und Bürgerschulen abgestimmt werde; ich habe mich aber dessen beschie ben, weil ich glaubte, daß die Abstimmung hierbei in gleicher Weise ausfallen würde; ich glaube mich hierbei eines mir zustehenden Rech tes freiwillig begeben zu haben, wohl aber kann ich mir erlauben, die Gewerbeschulen besonders herauszuheben, weil hierbei ein ganz ande res Verhältniß obwaltet.
Marschall: Der Vorschlag hat die gesetzliche Unterstützung gefunden, und obgleich ich nicht, verkenne, daß gewissermaßen dies in der Abstimmung, die schon vorhin vorgenommen wurde, enthalten war, indem wenigstens so viel richtig ist, daß das Wort „Gewerbeschulen“ mit in der Frage sich befand, über welche abgestimmt worden ist, so ist doch dem nichts entgegen, da der Vorschlag unterstützt worden jst, daß eine besondere Frage darauf gestellt werde. Die Frage wäre also die: „ob alles das, was in der vorigen Frage enthalten war, nämlich die Anstellung der Juden als Lehrer in den Fächern, die er— wähnt worden sind
Graf York: Es giebt viele mechanische Fächer
Marschall: Es würde die Frage dahin gehen: „ob die Ver— sammlung die Zulassung von jüdischen Lehrern an den Gewerbeschu—
len überhaupt befürworten wolle.“
Referent Graf von Itzenplitz: rektoren!
Fürst W, Radziwill: Es scheint doch, als ob dieser, Punkt schon in der früheren Abstimmung gelegen hätte; denn es scheint mir dasselbe Verhältniß obzuwalten.
Referent Giaf Itzenplitz: Ich glaube, daß der Abstimmung nichts entgegenstehen dürfte, weil der Antrag der Abtheilung viel weiter ging und sich auf die Gymnasien, Progymnasien und Bürger schulen mit erstreckte. Dieser ist in seiner weiteren Ausdehnung ver worfen worden. Den Mitgliedern wird aber auch erinnerlich sein, daß die ganze Debatte sich auf die Gywmasien erstreckt hat, daß alle Gründe, bie dagegen geltend gemacht worden sind, von der Erziehung hergeleitet wurden. Die Gewerbeschulen lind aber keine Erziehungs⸗ schulen, sie sind reine Fachschulen, deren Schäler den Erzichüngs lin= terricht, den sie bekommen sollen, schon erhalten haben, und wo sie nur hingehen, um Zeichnen, Physi?, Chemie und solche Gegenstände zu lernen, deren sie zu ihrem künftigen Fache bedürfen. Die Pirck— toren Stellen würde ich aber auch hier ausnehmen.
Ich möchte mir den Vorschlag erlauben, die Frage so zu stellen, ob die Juden als Lehrer (nicht als Direftoren) bei den Gewerbe— schulen zuzulassen seien.
Fürst Wilhelm Radziwill: Se. Durchlaucht der Herr Mar— schall hatten gleichzeitig bei der Fragestellung gesagt, daß, wenn über das Amendement, was vorhin gestellt worden . abgestimmt und dasselbe verworfen sein würde, es dann bei dem Gesetzes ⸗Vorschlage verbleibe. Der Gesetzes- Vorschlag sagt aber ausdrücklich: „Außer—= dem bleibt die Anstellung der Juden als Lehrer auf jüdische Unter⸗ richts Anstalten beschränkt.“ Nun ist gesagt worben, daß die An⸗
Aber auch nicht als Di
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stalten, von welchen jetzt die Rede ist, und für welche das Amende⸗ ment gestellt worden ist, nicht zum Ressort Sr. Excellenz des Herrn Kultus- Ministers gehören, sondern zum Ressort Sr. Excellenz des Herrn Finanz -Ministers. Se. Excellenz der Herr Finanz ⸗Minister sind aber wahrscheinlich bei dem Entwurfe des Gesetzes mit zu Rathe gezogen worden. Sie befinden sich derniglen nicht in dem Kreise die⸗ ser Versammlung und würden nicht die Gelegenheit haben, sich über die Gründe auszusprechen, die Sie vermocht haben, den Gesetz-Ent⸗ wurf anzuerkennen. Es fragt sich also, ob die Versammlung gegen— wärtig darüber abstimmen könne.
Staats -Minister Eichhorn: Das Verhältniß der Gewerbe⸗ schulen ist bei Berathung dieses Gesetz Entwurfs nicht besonders in Erwä gung gekommen; denn hier hatte man nur die Schulen vor Augen, deren Zweck ist, die allgemeine Erziehung zu fördern, also die Ele⸗ mentar= oder Volksschulen, Gymnasien, Progymnasien und allerdings auch die Bürgerschulen, weil ein großes Streben sich kundgegeben hat, statt der Gymnasien Bürgerschulen zu errichten, diese. Bürger schulen aber in Absicht der Erziehung im Allgemeinen dieselbe Auf⸗ gabe haben, wie die Gymnasien. Was die Gewerbeschulen an— langt, so ist ihre Bestimmung, wie schon der Herr Referent erwähnt hat, nur die für gewerbliche, technische Ausbildung; so auch die Han⸗ delsschulen. Aus diesem Grunde sind sie dem Ministerium des Un⸗ terrichts nicht untergeordnet. Wenn ich nicht irre, so sind auch jetzt schon bei Handels und Gewerbeschulen Juden als Lehrer angestellt. Es schwebt mir so vor, ich will es jedoch nicht mit Bestimmtheit be⸗ haupten.
Man hat aber noch nicht daran gedacht, Juden zu Direkto⸗ ren einer öffentlichen Gewerbeschule zu machen. Wenn aber ein gebildeter Jude die Absicht hätte, eine Gewerbeschule zu errichten, wenn er sich selbst an die Spitze der Anstalt stellte und Juden und Christen als Lehrer für die Anstalt annehmen wollte, so glaube ich kaum, daß von Seiten des Staates irgend Schwierigkeiten entgegengesetzt werden würden.
Fürst Wilhelm Radziwill: Ich hatte mir zur Antwort auf die Interpellation, die ich mir erlaubt, das Wort erbeten und sinde mich durch die geneigte Erklärung des Herrn, Ministers des Kultus vollkommen beruhigt. Es kommt nur auf die Beziehung an, die unser Votum auf die Realschulen haben könnte. Diese steigen in der öffentlichen Meinung immer mehr, es ist also vorherzusehen, daß die Realschulen mit der Zeit sich vermehren werden, und ich würde in Folge meiner bei der Gymnasial Erziehung ausgesprochenen Ueber= zeugung gegen die Zulassung jüdischer Lehrer auf Nealschulen stimmen müssen, da nun nach der Erklärung des Herrn Ministers die Neal⸗ schulen mit den Gewerbeschulen in keinerlei Beziehung stehen, noch stehen werden, da sie unmittelbar unter dem Kultus⸗Ministerium stehen, sich also unter der Obhut, die das Kultus-Ministerium über bie christliche Erziehung ausübt, befinden und bleiben sollen, sind meine Bedenken vollständig erledigt. Wenn die Schulen, auf, welche das Amendement sich bezieht, rein technische Anstalten sind, bei denen das Erziehungs- Prinzip auf keine Weise konkurrirt, so stimme ich aus diesen Gründen dem Antrage der Majorität bei, auf diesen ge⸗ werblichen Anstalten Juden als Lehrer zuzulassen.
Graf Mork: Ich erlaube mir dem geehrten fürstlichen Redner in Erinnerung zu bringen, daß in der Abtheilung, deren Vorsitzender er war, der Königliche Kommissar, der an den Berathungen theil⸗ nahm, und an dessen christlicher und streng kirchlicher Gesinnung gewiß Niemand zweifeln kann, sich vollkommen einverstanden mit mir erklärte, als ich den Vorschlag machte, die Gewerbschulen als un verfänglich mit aufzunehmen. .
Marschall: Die Frage würde heißen; „Beschließt die Ver sammlung die Zulassung von Juden als Lehrer an den Gewerb⸗ schulen, mit Ausnahme der Stelle von Tirektoren, zu befürworten?“ und diejenigen Mitglieder, welche diese Frage bejahen, würden dies durch Aufstehen zu erkennen geben. Dem Vorschlage ist beigetreten. Wir kommen nun zum nächsten Paragraph, 5§. 36.
Referent Graf Itzenplitz (liest vor):
„S. 306.
In Betreff der ständischen Rechte verbleibt es bei der bestehen den Verfassung, und so weit deren Ausübung mit dem Grundbesitz, zu dessen Erwerbung die Juden nach 5. überall berechtigt sind, ver bunden ist, ruhen dieselben während ihrer Besitzzeit. Die Verwal- tung der Gerichtsbarkeit, wie des Patronats, desgleichen die Aufsicht über bie Kommunal-Verwaltung ünd über das Kirchen-Vermögen wird, wo eine solche Aufsicht der Gutsherrschaft zusteht, von der be treffenden Staats- und kirchlichen Behörde ausgelibt. Die Staats Behörde hat den Gerichtshalter und den Verwalter der Polizei⸗Ge richtsbarkeit zu ernennen. Der Besitzer bleibt zur Tragung der da mit verbundenen Kosten und sonstigen Lasten verpflichtet. .
Wo das Patronat einer Kommune zusteht, können die jüdischen Mitglieder derfelben an dessen Ausübung keinen Theil nehmen; sie müssen aber die damit verlnüpften Real Lasten von ihren Besitzungen gleich anderen Mitgliedern der Kommune tragen, auch sind sie als ansässige DTorfs⸗ oder Stadtgemeinde Mitglieder verpflichtet, von ihren Grundstücken sowohl die darauf haftenden kirchlichen Abgaben als auch die nach Maßgabe des Grundbesitzes zu entrichtenden Bei träge zur Erhaltung der Kirchen Systeme zu tragen.“
Das Gutachten zu §. 36 lautet:
„Der §. 36 handelt zunächst von den ständischen Rechten der Juden.
Es könnte diese Frage auch zu den zweifelhaften gerechnet wer⸗ den. Wenn den Juden die Rechte anderer Unterthanen zugestanden werden, sie Gewerbe treiben, Grundstücke besitzen, im Heere dienen, Abgaben zahlen und Kommunal-Aemter bekleiden, so könnte man sa gen, daß folgerecht ihnen auch gestattet werden könne und müsse, ihre Rechte in den Kreis= und Landtagen so gut, wie in der Stadtverord neten-Versammlung zu vertreten. Aus diesen Gründen verlangt auch bie Minorität der Abtheilung, daß ihnen diese Rechte zugestanten werden. Der Gesetz Entwurf verweist hier wiebßer auf die beste hende Versassung. Das ist der Weg, der zur Unhestimmtheit, Un⸗ klarheit und Kasuistik führt. Die Abtheilung hat sich hiergegen ein stimmig ausgesprochen und wünscht eine bestimnite Anordnung, durch bies Gesetz. Die Majorität acceptirt aber sonst mit A gegen 3 Stimmen die Ansicht des Gesetzes dahin, daß die Juden von Land- und Kreis tagen ausgeschlossen bleiben müssen. Es rechtfertigt sich dies dadurch, daß die Stände in Preußen nunmehr, einen wesentlichen Einfluß auf die Gesetzgebung ausüben. Diese wirkt aber unmittelbar auf die Staats Negierung zurück, und da die Juden nicht einen Staat re— gieren können, der in dem Verhältniß von 2 15) überwiegend von Christen bewohnt wird, so können sie auch an ständischen Rechten nicht Theil nehmen. ; t
Daß die Juden von der Wahrnehmung des Patronats über chrissliche Kirchen ausgeschlossen bleiben müssen, versteht sich von selbst und wird, dem Gesetz entsptechend, won der Abtheilung, befürwortet; eben so kann ein Jude auch als Gutsherr nicht Poli ei-⸗Nichter sein. Dagegegen ist die Abtheilung mit 5 gegen 2 Stimmen, der Ansicht, daß die Präsentation des Gerichtshalters und Polizei⸗Verwal⸗ ters dem jüdischen Gutsherrn zugestanden werden kann und keine Nachtheile befürchten läßt, da der Gerichtshalter ohnehin ein geprüf⸗ ter, zum Richter-Amt geeigneter Mann sein muß und die Königliche
Regierung und der Landrath auch jeden ungeeigneten Polizei Ver⸗
walter zurückweisen kann. Es wird daher die Aufnahme einer hier= auf bezüglichen Vorschrift in das Gesetz beantragt.
Mit dem übrigen Inhalt dieses Paragraphen ist die Abtheilung einverstanden und empfiehlt dessen Annahme.
Bevor die Berathung weiter vorschreiten kann, muß ich bemer⸗ ken, daß nach der langen Debatte über §. 35 im Augenblicke des Schlusses derselben vergessen worden ist, noch eines Zusatzes zu §. 35 zu gebenken, der in der Abtheilung zur Sprache gekommen ist, und auf den ich jetzt aufmerksam machen muß. Er lautet so:
„Endlich ist bei diesem Paragraphen noch bei der Abtheilung der Antrag formirt worden, daß bei einer der preußischen Staats⸗ Universitäten ein besonderer Lehrstuhl der jüdischen Theologie auf Kosten der Juden errichtet werden möchte, und die Majorität hat diefen Antrag mit 4 gegen 3 Stimmen zu dem ihrigen gemacht. Es wird für denselben angeführt, daß es im Interesse des Staats liege, die Religions Ansichten der Juden öffentlich zur Sprache zu bringen, damit solche dem Staate bekannt und den Juden selbst mehr bewußt würden. Die Minorität glaubt, daß es den Ju⸗ den, wie anderen geduldeten Religions-Gesellschaften, zwar über— lassen bleiben könne, sich einen solchen jüdisch-theologischen Lehr⸗ stüuhl zu begründen, daß ein solcher aber nicht zu den Staats⸗Uni⸗ versitäten gehören könne. Geschieht dies, so werden die Menno— niten, die Herrenhuther und die katholischen Dissidenten mit dem- selben und noch mehrerem Rechte Lehrstühle für ihre Glaubens lehren in Anspruch nehmen können. — Außerdem würde durch eine so exceptionelle Maßregel zu Gunsten der jüdischen Theologie diese gewissermaßen vom Staate besonders in Schutz genommen und dadurch unfehlbar wieder indirekt das Absonderungs- Prinzip der Juden genährt und gepflegt werden.“
Ich erlaube mir noch die Bemerkung, die sich schon vielleicht aus dem Inhalte des Gutachtens ergeben wird, daß diesmal die Ma⸗ sorität der Abtheilung aus anderen Personen bestand, als bei den früheren und späteren Paragraphen. . . —
Minister Eichhorn: Wenn die Juden wünschen, einen eigenen Lehrstuhl zu gründen, um gelehrte Juden zu bilden, so wird dem kein Bedenken entgegenstehen, die, Gründung, mag dann auch an einem Universitäts Srte, z. B. Berlin und Königsberg, geschehen. Ist es ihnen darum zu thun, auch einen Titel für einen solchen Lehrer jüdischer Theologie zu erhalten, so glaube ich nicht, daß derselbe von Sr. Majestät werde versagt werden. Wenn aber, ich will diesen Lehrer einmal Professor der jüdischen Theologie für jüdi⸗ sche Theologen nennen, wenn dieser, sage ich, in Verbindung mit der Universität gebracht und in dieses organische Ganze aufgenommen werden soll, dann treten allerdings große Schwierigkeiten entgegen. Welcher Fakultät soll er angeschlossen werden, der philosophischen oder theologischen? und mit welchen Rechten? Die Minorität der verehr— lichen Abtheilung hat noch ein anderes Bedenken in Anregung ge— bracht, daß nämlich dann auch die geduldeten christlichen Religions⸗ Gesellschaften ein ähnliches Verlangen stellen und einen Lehrstuhl für ihre besondere Theologie auf unseren Universitäten fordern könnten. Dieser Fall ist wirklich schon vorgekommen; man hat jedoch das Ver⸗ langen abgelehnt, weil eine geduldete Religions Gesellschaft, wenn sie auch in ihrem Bekenntniß mit einer der öffentlich anerkannten Reli⸗ gions Parteien wesentlich übereinstimmt, zwar vollkommene Freiheit hat, ein Institut zur Bildung besonderer Religionslehrer für sich zu errichten, aber keinen Lehrstuhl für ihre, beson dere Theologie auf einer der bestehenden Landes- Universitäten in Anspruch nehmen ann. . Graf Nork: Ich wollte nur bemerken, daß es gerade demjeni⸗ gen Theile der Abtheilung, der den Wunsch aussprach, daß ein be⸗ sonderer Lehrstuhl errichtet würde, darum zu thun war, daß nicht eine abgesonderte Bildungs Anstalt der Juden bestände, sondern daß sie sich an die bestehenden anschließen müßten, damit nicht eine gewisse Einseitigkeit sich dieser ihrer Bildungs Anstalt bemächtigte, sondern sie sich der allgemeinen Bildung anschließen müßte. Ich habe zu derje⸗ nigen Minorität gehört, die geglaubt hat, daß der Staat auf seine Koͤsten eine solche Anstalt für die Juden begründen möchte. Ich bin aber ganz der Meinung, daß, wenn überhaupt für geduldete Sek⸗ ten dergleichen nicht zulässig ist, ich von diesem Antrage zurücktrete. Hingegen halte ich es für außerordentlich wichtig, und zwar nicht blos für die Juden, insofern sie Juden bleiben sollen, sondern inso⸗ fern sie Christen werden sollen, daß sie mit ihrer vielgerühmten Weis⸗ heit und Wissenschaft an das Tageslicht kommen müssen, daß irgendwo Gelegenheit ist, wodurch man erführe, was sie eigentlich wissen, was sie so zähe, fo übermüthig und stolz auf ihren Geist und Wissen macht.
Es ist dabei bemerkt worden, es sei nicht die Meinung, daß sie der theologischen Fakultät zugetheilt werden sollen, obgleich ich von meinem Standpunkte aus, wenn man von einer südischen Theologie sprechen muß, auch von einer jüdisch-theologischen Fakultät sprechen könnte, so ist dies nicht relevant, denn der jüdische Dozent jüdischer Theologie soll ja der Universität nicht inkorporirt werden, sondern die⸗ ser Lehrstuhl soll nur an dem Orte, wo eine Universität ist und in äußerer Verbindung mit ihr errichtet werden, damit sie mit der Uni versität, mit der allgemeinen Geistesbildung in nothwendiger Verbin⸗ dung bleibe. Nur don diesem Gesichtspunkte aus hat man es an— gesehen.
Fürst Wilhelm R adziwill: Ich habe noch kurz zu erklären, daß ich wirklich in der Abtheilung dafür votirt habe, daß die Gründung eines solchen Lehrstuhles den- Juden erlaubt werden möchte. Ich glaube, es ist das ganz in dem Sinne gewesen, den Se. Excel⸗ lenz der Herr Minister des Kultus jetzt eben entwickelt hat. Von Hause aus ist mir die Unmöglichkeit ganz klar gewesen, nicht sie in eine Fakultät mit aufzunehmen, sondern ihnen nur zu gestatten, an einem von der den Wissenschaften obliegenden Jugend sehr frequen— tirten Orte eine Lehranstalt für ihre Theologie auf ihre eigenen Ko— sten, ohne Zuhülfenahme des Staats und ohne eine Inlorporirung in die Universität, zu errichten.
Graf Dyhrn: Ich schließe mich dem Antrage um so mehr an, da ich für ihn eine alte preußische historische Begründung in Auspruch nehmen kann. Es ist ein alter Gedanke des großen Kurfürsten ge wesen, in Tangermünde eine Universal = Universität zu stiften, auf der eben Lehrstühle aller Wissenschaften und Religionen errichtet würden, und wenn daher der Herr Minister mich vielleicht belehren wollte, zu welcher Fakultät dieser jüdische Professor gehören soll, so glaube ich, daß er darüber in em ausgearbeiteten Patent zu Errichtung dieser Universität vielleicht Auskunft finden dürfte. . ö :
Staats Minister Eichhorn: Ich muß meine Unwissenheit bekennen. l
Heiterkeit.)
Ich würde es aufs dankbarste annehmen, über die Sache näher belehrt zu werden. ̃ / .
Marschall: Es liegt kein Antrag weiter vor; die Majorität von 4 Stimmen, welche den Antrag gestellt hatte, hat darauf wenig⸗ stens in dreien ihrer Mitglieder zu verzichten erklärt, wenn also dieser Antrag nicht weiter unterstützt wird, so würde es zur Abstimmung darüber nicht kommen.
Zweite Beilage
Zweite Beilag
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Referent Graf Itzenplitz: Ich muß um Entschuldigung bitten, unterstützt ist er, glaube ich, schon.
Marschall: Die Mitglieder, die ihn gestellt hatten, haben ihn zurückgezogen; allerdings bliebe er noch gestellt von zwei Mitgliedern der Abthellung, und es ist in kurzer Weise zu entnehmen, ob diesel— ben auf der Fragestellung darüber beharren.
(Die Unterstützung erfolgt.)
Also würde es zur Fragestellung kommen. Diejenigen, die dem Antrage, wie er gestellt ist, beitreten, werden das durch Aufstehen zu erkennen geben.
(Die Masorität erklärt sich gegen den Antrag.)
Wir kommen also zur Berathung des §. 36.
Referent Graf Itzenplitz: Da nun eine kleine Pause entstanden ist, so erlaube ich init zu erinnern, daß. S. 36 von den ständischen Rechten handelt, und es würden dabei zwei Gegenstände, so viel ich mir unmaßgeblich zu bemerken erlaube, zu verhandeln sein, erstlich, ob überhaupt Juden zu Land- und Kreistagen zuzulassen sind, und der zweite Gegenstand würde sich auf die Patronats- und gutsherr lichen Rechte beziehen.
Prinz Biron von Ku rland: Das Gesetz vom 11. März 1812 hat bereits in seinem Eingange den Juden den Namen der preußischen Staatsbürger beigelegt; die deutsche Bundesakte vom 3. Juni 1815 hat dies in ihrem 16. Paragraphen bestätigt. Gleiche Pflichten bedingen gleiche Rechte und Freiheiten in unserem staatlichen Leben. Ich habe nun einen so hohen Begriff von dem Rechte, das aus dem Besitze hervorgeht, daß ich es als eine Abnormität bis jetzt betrachtet habe, daß die Juden, die das Recht haben, Rittergüter zu erwerben, nicht das Recht haben sollten, auch in unseren kreisstädti schen Versammlungen Sitz und Stimme zu haben. Ich glaube, daß es wesentlich zu dem allgemeinen Besten beitragen würde, daß es das Interesse der kreisständischen Versammlungen auch wesentlich heben würde, wenn andere Elemente mit in die kreisständische Versammlung eintreten dürften. Wenn von dem Eintritte in die kreisständische Versammlung der Eintritt in die landtäglichen Versammlungen die Folge sein würde, so erlaube ich mir die Frage, ob, wenn ein Jude die Befähigung hätte und das Vertrauen genösse, von den sämmtlichen Ständen des Kreises zum Landtage gewählt zu werden, bb ein so begabter und talentvoller Mann dann nicht wesent— lich auch mit zu einer segensreichen Berathung über die uns dann vorliegenden Fragen beitragen würde? Von diesem Gesichtspunkte aus habe ich mich im Ausschusse in der Minorität befunden, und wenn ich auch leider erwarten muß, auch in dieser hohen Versammlung mich in der Minorität zu befinden, so habe ich es doch für meine Pflicht erachtet, meiner Ansicht und meinem Gerechtigkeitsgefühl hier von dieser Stelle, wenn auch nur in wenigen Worten, einen Aus— druck zu verleihen.
Fürst Lichnowsky: Ich bedaure mit meinem verehrten Kolle gen in Allem, was er eben angeführt hat, mich durchaus nicht einver— standen erklären zu können. Gewisse Emancipations-Punkte der Ju den habe ich als eine nothwendige Folge der fortschreitenden Zeit an— gesehen. Ich begreife, daß die Juden die Stelle in ihrem Glauben, wonach sie sich nach einem irdischen Reiche zurücksehnen, nach Zion zurück wollen, in unseren gesegneten Fluren einer Veränderung unter— worfen und dieses Reich in ein rein geistiges verwandelt haben. Ich begreife, daß die schlesischen, märkischen, polnischen u. s. w. Juden nicht die geringste Lust fühlen, nach Jerusalem zurück zu xeisen, son⸗ dern hier verbleiben wollen. Ich glaube also auch, daß wir es in dieser Beziehung mit jenem Punkte ihres Glaubens nicht strenger zu halten brauchen, als sie selbst; daß wir sie nicht mehr als Fremdlinge, sondern als Eingebürgerte, namentlich in Verfolg des Allerhöchsten Erlasses von 1812 ansehen können und müssen. Ich, frage aber, ob aus den theilweisen Emancipationen, wenn ich mich so ausdrük— ken darf, die bereits stattgefunden haben, oder setzt hier beschlossen worden, die Verleihung des allervornehmsten Rechts augenblicklich fol⸗ gegerecht heute schon gefolgert werden muß. Ich stelle das ständische Riecht, das Wahlrecht, — ich meine nicht so sehr das Recht gewählt zu werden, als das Recht zu wählen — außerordentlich hoch, ich stelle es als das höchste Recht; nächst eiesem halte ich das Recht hoch, das von dem alten Unterthanen,-Verband' zwischen Grund-Obrigkeit und Einsassen, welcher durch ein Gesetz unseres hochseeligen Königs gelößt wurde, noch übrig blieb, es ist das Recht der Jurisdiction. Diese beiden Rechte trifft dieser Paragraph. Es sei mir erlaubt, von dem ersten auf das zweite überzugehen. Es heißt noch der, dem ein Rittergut gehört, Rittergutsbesitzer, und die Folge dieses Rittergutsbesitzes ist in vielen Provinzen die Gerichtsbarkeit. Der Rittergutsbesitzer ist Gerichts herr. Nun frage ich, ob es möglich ist, daß ein Jude, der Gerichts herr über christliche Hintersassen, oder Unterthanen, oder wie sie hei⸗ ßen mögen, sein kann? Das halte ich für so unmöglich, daß ich Überzeugt bin, daß mein verehrter Landsmann, dem ich hier erwie⸗ dere, dieses nicht hat behaupten wollen. Ich komme auf den zwei ten Fall und folgre ihn aus dem ersten. Wenn nach diesem irgend ein ständisches Recht dem Juden noch abgeht, so sehe ich nicht ein, warum man das allerhöchste ständische Recht ihm geben soll. Wen vertreten wir hier? Wir vertreten das Land. Das Land besteht in ungeheurer Majorität aus Christen. Wenn Se. Majestät einmal be fehlen wird, daß die zweimal Hundert Tausend Juden, die innerhalb des preußischen Staats sich aufhalten, eigene Vertreter haben sollen, so werde ich diese Vertreter hier begrüßen wenn auch nicht in dieser Versammlung, —
Heiterkeit.) aber ich werde sie doch begrüßen.
Wie will ein Jude aber, der von ein paar Juden und von einer außerordentlich großen Anzahl Christen gewählt sein kann, die Chri⸗— sten vertreten? Ich habe selbst die Ehre gewählt zu sein, bin also ganz überzeugt, daß überall die Würdigsten gewählt werden
Heiterkeit.)
ich muß schon aus Selbstliebe davon überzeugt sein; ich kann mich aber auch von der Idee nicht trennen, die schon die natürliche Be scheidenheit gebietet, daß in einzelnen Fällen auch ein minder Wür biger gewält werden könnte, und zu diesen Fällen kann auch einmal eine jüdische Wahl gehören. Ich habe allerdings die Ueberzeugung, baß bei einem Wahltage, wo sich mehrere christliche und ein jüdischer Kandidat melden, wohl auch der letztere und mit gleicher Würdigkeit gewählt werden könnte. Doch, was soll denn der jüdische Kandidat Hier vertreten, namenttich in den vielen Fällen, wo es nothwendig ist, Christ zu sein? Soll er da hinausgehen? Ich würde es für ein undollkommenes Gesetz halten, welches möglich machte, daß in einer Versammlung wo 16 Millionen Christen und 209,000 Juden ver treten sind, ein Jude sitzt und Christen vertritt.
Prinz Biron von Kurland: Da mir nicht die Gabe der Sprache in dem Maße zu Theil geworden ist, wie dem verehrten Mitgliede, welches vor mir sprach, so sei es mir gestattet, nur mit wenigen Worten zu erwiedern. Den Juden ist der Titel Ritterguts besitzer sogar durch Befehl Sr. Majestät des Königs zuerkannt wor— den, und eben selbst in der Verleihung des Titels sinde ich einen
neuen Beweisgrund für meine Ansicht, daß den Juden die Ausübung der ständischen Rechte vom Gesichtspunkt der Billigkeit schon zusteht. Was die Ausübung des Patronatsrechts und der Patrimonial-Gerichts⸗ barkeit betrifft, daß ich derer nicht erwähnt habe, hat seinen Grund darin, daß“ für die Versagung der Ausiibung dieser Rechte die Abtheilung gestimmt hat und im Gutachten ausdrücklich dies er— wähnt ist. ;
Graf von Nork: Mir scheint die Wahl das wichtigste Mo⸗ ment zu sein, und ich glaube allerdings, wenn ein Jude Hen einer großen Anzahl von Christen gewählt würde, daß er dann nicht allein für gleich würdig mit Anderen, sondern für den Befähigtsten und Ta— lentvollsten müßte gehalten werden und zugleich für einen Mann, dessen sittliche Würdigkeit in hohem Grade anerkannt sein muß. „ Ich kann mir nicht denken, Laß sonst eine Wahl vorzugweise auf einen Juden fallen würde. Es sind die Gründe nicht angegeben, warum ein sol ches Verhältniß nicht denkbar sei, da es möglich ist, daß in einem großen von Christen bewohnten Staate ein Jude nicht allein an ei ner berathenden Stände⸗Versammlung, sondern sogar an einer gesetz— gebenden theilnimmt. Dafür sprechen die Erfahrungen in Ländern, wo die große Zahl der Einwohner die christliche Religion nicht allein, sondern die katholische Konfession als die herrschende Kirche anerkannt hat, wie dies dem fürstlichen Herrn Redner aus Schlesien sehr wohl bekannt sein wird. Ich beziehe mich ungern auf Beispiele anderer Länder, denn wir haben gewiß das Recht, unsere Verhältnisse nach dem Ermessen unserer Bedürfnisse zu beurtheilen.
Fürst Lichnowsky: Ich kenne die Beispiele, die der verehrte Redner angeführt hat, recht wohl. Er bezieht sich ohne Zweifel auf Frankreich und Belgien, und ich werde in diesen Beispielen fortfahren, nachdem sie einmal angeführt sind. Es ist allerdings wahr, daß in Frankreich und Belgien die Deputation auch an Juden übertragen werden kann. Ich halte dieses bei uns für unzulässig; nicht aber, weil ich befürchte, daß Juden weder in diese, noch in die andere Ver— sammlung eintreten und unter uns Platz nehmen werden. Gerade die Beispiele, die der geehrte Redner angeführt hat, sind der schla⸗ gendste Beweis, daß, wenn es auch in jure angenommen würde, es in praxi doch nicht besteht. Denn obwohl in den beiden gedachten Ländern die Juden den christlichen Einwohnern vollkommen gleichge stellt sind, so ist in Belgien kein Jude in der Kammer, in Frankreich aber sitzen deren nur zwei in derselben. Von diesen Zweien ist der Eine ein sehr berühmter Advokat und der Andere einer jener excep— tionellen Juden, wie wir sie häufig auf den Höhen des finanziellen Horizontes treffen. Ich will mich aber auch nicht vor der Praxis bewahren; ich glaube nicht, daß, wenn wir Juden in die Versamm— lung bekämen, sie uns etwas Antichristliches vorschlagen würden; aber vor der Theorie will ich mich verwahren. Beide Kurien sind die höchsten Versammlungen im ganzen Lande, und es ist natürlich, daß in diesen Versammlungen die wichtigsten Interessen eines christlichen Staates zur Verhandlung kommen, und sollen, wo alle diese christli⸗ chen Fragen zur Frage kommen, in solchen Versammlungen sich Ju den befinden? Es hat dieses weder mit der Tüchtigkeit, noch mit der Würdigkeit, welche die Juden haben mögen, gar nichts zu thun. Die Vereinigte Kurie ist eine Versammlung, die im Namen von 16 Mill. Christen und 200,000 Juden die Interessen zu vertreten hat. Nun frage ich, meine Herren, wer sollen die Vertreter sein, die Christen oder die Juden?
Graf von Burghaus: Ich wollte mir erlauben, zu dem, was der Herr Fürst Lichnowsky angeführt hat, noch zu bemerken, daß ein Landtags-Deputirter nach meiner Ansicht mit den Ehren ausgestattet sein muß, die der Jude nicht hat. Er muß Inhaber der Gerichts barkeit sein, er muß das Pattonatsrecht ausüben können u. dgl. m. Ich kann nicht glauben, daß es Absicht sein kann, diese Auszeichnung den Juden auch mitzuverleihen. Aus diesem Grunde stimme ich ge— gen die Aufnahme der Juden.
Graf Solms-Baruth: Ich kann nicht glauben, daß die hohe Verfammlung geneigt sein möchte, darauf anzutragen, daß die hohe Stellung, welche der Landstandschaft in unserem Vaterlande ein— geräumt ist, einer blos geduldeten Religionssekte eingeräumt werde. Die Juden haben die Landstandes-Rechte noch nicht genossen, und ich glaube nicht, daß es die Absicht ist, ihnen mit anderen Rechten auch die Landstandsrechte zu geben; aber die anderen ihnen noch nicht er theilten Rechte von der Standschaft zu trennen, halte ich für un möglich. Das Patronats-Recht, das Jurisdictions Recht, das Recht der Polizeigewalt sind Rechte, die den Juden nicht zustehen, und wahrlich höher noch sind die ständischen Rechte anzuschlagen, und kann ich daher nicht dafür sein, den Juden das Standschaftsrecht zu verleihen.
Fürst W. Radziwill: Wenn von einem der geehrten Herren Redner die Ertheilung der Standschaft an die Juden aus dem Ge setze von 1812 und der wiener Schluß-Akte als ein gesetzlicher An spruch vindizirt worden ist, so will ich einfach dagegen erwiedern, daß das Gesetz von 1823 die Rechte, die man aus beiden anderen Rech- ten herzuleiten sucht, vorbehalten hat. Das Gesetz von 1823 spricht den Juden das Recht ab; von wohlerworbenen Nechten kann also nicht die Rede sein; höchstens könnten sie, aus theoretischen oder hu manistischen Gründen, für sie befürwortet werden. Auf die Beispiele anderer Länder können wir uns nicht berufen. Ich muß wiederholen, was ich bereits bemerlt habe, unser ganzes praktisches Staatsrecht beruht auf dem Verhältnisse zwischen Kirche und Staat. Diese Ver⸗ hältnisse bestehen, und aus diesen Verhältnissen sind anerkannte Rechte hergeleitet. So lange also das Verhältniß zwischen Kirche und Staat in Preußen so wie jetzt besteht, so lange es nicht aufgelöst ist, wird, meines Erachtens, von einer Zulassung der Juden zu den höch sten Corporationen des Landes, die einen so wesentlichen Einfluß auf die Gesetzgebung erhalten, nicht die Rede sein können. Die ange führten Beispiele sind daher auf unsere Verhältnisse nicht anwendbar; denn sie sind aus Ländern hergenommen, in denen durch Revolution die Verhältnisse, die bei uns noch bestehen, aufgehoben worden sind. Ich wiederhole, daß die Verhältnisse dieser Länder bei uns nicht exem plisiziren können.
von Hochberg: Nur eine Bemerkung will ich mir erlauben. Ich trete der vorher ausgesprochenen Ansicht bei, daß die Juden in den Vereinigten Landtag nicht zuzulassen seien; es will mir aber schei⸗ nen, als wäre es der Gerechtigkeit angemessen, daß es den jüdischen Gutsbesitzern gestattet werde, daß, wenn auch sie selbst nicht zu der Standschaft zugelassen werden, ihnen doch in der Eigenschaft als Gutsbesitzer gestattet werden möchte, wenigstens ihr Votum abzuge⸗ ben. Auf ihren Gütern lastet die Schuld der Landschaft, und es scheint mir in der Gerechtigkeit zu liegen, daß der jüdische Gutsbe= sitzer bei landschaftlichen Versammlungen ein Wort mitzusprechen habe. Eben so finde ich es gerecht, in Beziehung auf den Punkt den Land— rath zu wählen. Ich will kein Amendement stellen, sondern ich will nur das, was mir so eben einfällt, der Beurtheilung der hohen Ver— sammlung anheimstellen.
Marschall: Wir kommen zur Abstimmung.
Die Abtheilung schlägt vor, daß im Wesentlichen der Zustand
e zur Allgemeinen Preußischen Zeitung.
Mittwoch den Win Juni.
erhalten werde, welcher jetzt besteht; ere Fassung des Paragraphen vor. Annahme des ,, an.
Diejenigen Mitglieder also, welche dem Ant 64 t
beitreten, 323 dieses durch Aufstehen zu K (Niemand will sich erheben.
Die Fragestellung scheint mißverstanden worden zu sein. Die Frage ist gerichtet auf den Beitritt zum Antrage der Abtheilun welcher Antrag dahin geht, daß dem Gesetz-Entwurfe 8 men sei.
Referent: dahin:
„Daß die Juden von den Land- und Kreistagen auszuschließen seien. Wer also für die Majorität der Abtheilung stimmt, schließt sie aus.“
Marschall: Dem Antrage der Abtheilung, Paragraphen des Gesetz-Entwurfes, ist beigestimmt.
Referent: Es wird den geehrten Herren noch erinnerlich sein, daß rücksichtlich der Jurisdiction und Polizei-Gerichtsbarkeit der Ge⸗ setzentwurf dahin ging, daß diese während der Besitzzeit eines Juden ruht. Es ist also schon angenommen, daß während der Besitzzeit eines Juden die Polizei⸗-Gerichtsbarkeit nicht von ihm wahrgenommen werden könne. Der Gesetz⸗Entwurf sagt aber auch, daß der jüdische Gutsbesitzer nicht die Gerichtshalter und die Verwalter der Polizei präsentiren soll, sondern daß dies von den Behörden geschehen soll. Davon abweichend, beantragt die Abtheilung, daß die Präsen⸗ tation des Gerichtshalters und Polizei⸗-Verwalters seitens des jüdischen Gutsherrn geschehen könne, Wenn eine Undeutlichkeit darüber Platz greifen sollte, so wollte ich mir noch die Bemerkung erlauben. Der gewöhnliche Gang ist: der Gerichtshalter muß immer vom Gerichts⸗ herrn vorgeschlagen werden und ein geprüfter Richter also auch ein Christ sein. Rücksichtlich des Polizei-Verwalters verhält es sich ana⸗ log. Es wird also der jüdische Gutsbesitzer einen Polizei⸗-Verwalter dem Landrathe vorschlagen müssen, und dieser wird nothwendig auch ein Christ sein müssen, das folgt aus den allgemeinen Grundsätzen.
von Quast: Ich würde mich in keiner Weise diesem Vor schlage anschließen können, weil dadurch eine zu große Gewalt in die Hand eines Individuums gelegt würde, das keine politischen Rechte besitzt.
Marschall: Wir kommen also zur Abstimmung, und es ist nach dem erfolgten Widerspruch eine formellere Abstimmung nothwendig. Es werden also diejenigen, welche dem Antrage der Abtheilung bei⸗ stimmen, das durch Aufstehen zu erkennen geben.
Dem Antrage der Abtheilung ist beigestimmt.
Graf Dyhrn: Ich erlaube mir nur die Frage, ob somit über den ganzen Paragraphen Z6 schon abgestimmt oder ob noch ein An⸗ trag erlaubt ist, der nicht eher gestellt werden konnte, weil erst das Resultat der Abstimmung erfolgen mußte.
(Marschall: Ich habe nichts dagegen.)
Den Juden sind also alle politischen Rechte, Gerichtebarkeit und Patronatsrechte abgesprochen; ich frage nun, ob es nicht der christ⸗ lichen Liebe und Gerechtigkeit entsprechend wäre, wenn nun auch die letzten zwei Zeilen des Paragraphen gestrichen würden und man ihnen die Kirchen-Abgaben zu tragen erließe.
Domprobst von Krosigk: Dann würde aber die Frage ent⸗ stehen, wem sie zur Last fallen sollen. .
Der Antrag der Majorität der Abtheilung geht
und somit dem
Graf Dyhrn: Da antworte ich, die Beiträge werden auf die Weise bezahlt, wie es jetzt ist. Ich bin Patron einer evangelischen Kirche, es sind drei Dominien in die Kirche eingepfarrt; diese zahlen aber keine Beiträge, weil sie katholisch sind; werden die Dominien morgen verkauft und sind die neuen Besitzer evangelisch, so lebt ihre Verpflichtung, Beiträge zu zahlen, wieder auf.
Referent: Der betreffende Gegenstand ist in der Abtheilung zur Sprache gekommen und namentlich von den geehrten Mitglie dern der Provinz Schlesien, welche der Abtheilung angehören, ange⸗ regt worden. In der Provinz Schlesien besteht allerdings, ab⸗ weichend von der Gesetzgebung in der ganzen übrigen Monarchie, ein provinzielles Gesetz, wonach gewisse Grundabgaben an die Pfarrer (Dekane) nicht gegeben werden, wenn der Patron einer anderen Kon fession angehört. Die Abtheilung aber hat sich dahin geneigt, daß dieses Verhältniß, das allerdings in der Provinz Schlesien besteht, ein so singulaires sei, von welchem keinesweges wünschenswerth sein möchte, daß es weiter für die übrige Monarchie ausgedehnt werde, daß es also auch keinesweges wünschenswerth sein möchte, es auf Verhältnisse auszudehnen, auf welche es auch bisher in Schlesien keinen Bezug gehabt hat. Ich meines Theils habe mich dieser Ansicht aus voller Seele angeschlossen und glaube, daß es zu unend lichen Verwickelungen führen würde, gerade jetzt, wo so viele kon fesslonellen Spaltungen im Lande bestehen, wenn man nicht den Grundsatz festhalten wollte, daß eine jede Abgabe, welche an dem Grundbesitz klebt, gezahlt werden muß, mag nun der Besitzer ein Christ, Jude oder Muhamedaner sein. So ist es in der ganzen Monarchie und der Zustand in Schlesien nicht nur ein exceptioneller, sondern er war auch schon einmal aufgehoben und ist im Jahre 1S3z32 und nur ausschließlich für die Provinz Schlesien und nur für das Verhältniß der christlichen Konfesstonen wieder hergestellt worden. Es dürfe also keine Veranlassung sein, dies Gesetz auf andere Ver hältnisse oder andere Provinzen auszudehnen, und eben so wenig in ein allgemeines Gesetz darüber etwas aufzunehmen, sondern rathsam erscheinen, bei dem Grundsatz stehen zu bleiben, den der Gesetz Entwurf aufgenommen hat.
Secretair Graf Mork: Ich muß meinen geehrten Freund aus Schlesien daran erinnern, daß hier ein kleines Mißverständniß ob— waltet, denn die Lasten an Kirchen bleiben immer bestehen. Ich bin Patron vieler katholischen Kirchen, und es ist mir nicht erinnerlich, daß mir irgend eine Last an diese Kirchen erlassen worden wäre, im Ge genthell habe ich recht reichlich und gern diese Lasten getragen. An ders verhält es sich mit den Leistungen an die Pfarrer, die durch ein späteres Gesetz auf die Konfessionen beschränkt wurden, und es hat dies erklärt, daß ich dem Pfarrer einer anderen Konfession nicht schuldig bin, den Zehnten zu bezahlen, sondern nur dem Pfarrer der eigenen Konfession. Aber dies ist auf eine Reciprozität gegründet, darauf, daß in Schlesien namentlich die Bevölkerung so gemischt ist, daß die beiden Konfessionen beinahe gleich stark sein werden. Mit den Juden ist es ein anderes Verhältniß, da ist eine solche Reciprozität unmöglich, und darum muß ich mich entschieden widersetzen, daß ir⸗ gend eine christliche Kirche dadurch mit Verlusten bedroht werde, daß ein Jude ein belastetes Grundstück erkaufe.
Marschall: Es fragt sich, ob der Vorschlag Unterstützung von 6 Mitgliedern sindet.
Da es nicht geschieht, ,, zum nächsten Paragraphen.
§. 37.
Referent: Dieser Paragraph enthält also zwei Absätze; gegen
den ersten ist von Seiten der Abtheilung nichts zu erinnern, der Vor⸗