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schlag im zweiten betrifft die Fassung, also geht der Antrag der Ab⸗ theilung eigentlich dahin, den Paragraphen pure anzunehmen.
Graf Botho zu Stolberg: Mag es auch mit den jetzigen allgemeinen Humanitäts⸗Ansichten übereinstimmen, daß der Para- raph so gefaßt und die Beschränkung der Juden aufgehoben werde, 9 muß ich doch sehr bezweifeln, ob es in der Praxis ein gute Wir kung haben wird, und ich glaube namentlich, daß eine Beschränkung in einer gewissen Art, die ich hier nicht näher angeben will, zu der Besserung des sittlichen Zustandes der Juden wesentlich beitragen würde. — J
Referent: Ich erlaube mir nur, darauf aufmerksam zu machen, daß der Gewerbebetrieb im Umherziehen im Allgemeinen in der ganzen Monarchie ein sehr kontrollirter ist, mag er nun von Christen oder Juden ausgeübl werden, und daß es sich nur Lago handelt 3e schränkungen aufzuheben, welche bis jetzt in einzelnen and ger len bei diesem Gewerbebetrieb gegen die Juden nn,, Es folgt also dieser Paragraph schon aus dem allgemeinen Grundsatze, daß die Juden in bürgerlicher Beziehung mit den übrigen Unterthanen gleichgestellt werden sollen. 3um Gewerbebetrieb gehort der Nach⸗ weis eines unbescholtenen Wandels, eines gewissen, Lebens Alters, Zahlungen der Kommunal- Abgaben an irgend einem bestimmten Drö u. s. w., und wenn alle diese Erfordernisse nachgewiesen sind, bann wird der Gewerbeschein ausgestellt. .
Marschall: Wenn weiter keine Bemerkung erfolgt, ist der Paragraph nach dem Antrage des Ausschusses angenommen. Referent Graf von Itzenplitz (liest vor):
„§. 38.
Die Juden sind zur Führung fest bestimmter und erblicher Fa⸗ milien⸗Namen verpflichtet. Sie haben sich bei Führung ihrer Han⸗ delsbücher entweder der deutschen oder der sonstigen, unter der Be⸗ völkerung ihres Wohnorts üblichen Landessprache und deutscher oder lateinischer Schriftzüge zu bedienen. Handlungsbücher, in welchen gegen diese Vorschrift verstoßen ist, haben für den Juden keine Be⸗ weiskraft. Bei Abfassung von Verträgen und rechtlichen Willens Erklärungen, wie bei allen vorkommenden schriftlichen Verhandlungen, ist ihnen nur der Gebrauch der deutschen oder einer anderen lebenden Sprache und deutscher oder lateinischer Schriftzüge gestattet. Im Uebertretungsfalle trifft sie eine fiskalische Geldstrafe von 50 Rthlrn. oder sechswöchentliches Gefängniß.“
Der §. 338 wird unbedingt zur Annahme empfohlen.
Eben so der §. 39, welcher lautet:
„§. 39.
Was die Verpflichtung zur Ablegung eidlicher Zeugnisse und die diesen Zeugnissen beizulegende Glaubwürdigkeit betrifft, so findet so⸗ wohl in Civil! als Kriminal-Sachen zwischen den Juden und Unseren übrigen Unterthanen kein Unterschied statt.“
von Raben au: Zu §. 39 wollte ich eine Bemerkung vom
praktischen Standpunkte aus vortragen. Nach der Kriminal⸗Ordnung von 1895 ist in wichtigen Fällen den jüdischen Zeugen allerdings nicht die volle Glaubwürdigkeit gegeben, weil man angenommen hat, daß die Juden nicht hinreichende Liebe zur Wahrheit hätten, sich durch Menschenfurcht und andere Rücksichten verleiten lassen würden, die Unwahrheit zu sagen und unrichtige Aussagen dennoch mit einem Eide bekräftigen würden. Es fragt sich, ob die Zeit schon da sei, daß man dem Jeugnisse eines Juden die gleiche Glaubwürdigkeit wie dem christ. lichen Zeugen beilegen könne? Auf vielfältige Erfahrungen gestützt, glaube ich die Frage mit Ja beantworten zu können. Als Justiz⸗ Beamter habe ich schon sehr viele jüdische Zeugen vereidigt, und bei hig er Vereidung habe ich, nie Grund gehabt, die Richtigkeit ihrer Aussagen in Zweifel zu ziehen. Auf den Juden wirken sehr mäch— tig die Ceremonien, die dem Eide vorangehen, es wirken auf ihn mächtig die Ermahnungen seines Rabbiners. So vorbereitet, leistet er den Eid, und in seinem ganzen Benehmen spiegelt sich ein hohes Gefühl für Wahrheit und Achtung vor dem Eide ab. Dessenunge— achtet soll der jlidische Zenge nach der Kriminal-Ordnung nicht die⸗ selbe Beweiskraft erhalten, wie der christliche Zeuge. Dies scheint mir ein Unrecht gegen die Juden zu sein, welches bald zu beseitigen sein dürfte. Es würde noch ein praktischer Vortheil daraus entstehen, wenn die christlichen und jüdischen Zeugen gleiche Beweiskraft hätten; denn oft finden sich Kriminalfälle wichtiger Art, wo keine anderen Zeugen da sind, als jüdische. In solchen Fällen hat der Richter bis jetzt keinen Anhaltpunkt gehabt, die Schuld oder Unschuld herauszu— finden, und aus diesem Grunde glaube ich, daß die Bestimmung des F§. 39 eben so zeitgemäß als nothwendig sei.
Referent Graf Itzenplitz: Da der Redner auch für die Be— stimmung des Gesetzes und den Antrag der Abtheilung gesprochen hat, so wird es nicht nothwendig sein, weitere Motide anzuführen.
Marschall: Wenn keine weitere Bemerkung erfolgt, so ist der Antrag der Abtheilung angenommen. Es wird nothwendig sein, die Berathung bis zur morgenden Sitzung auszusetzen. Ich habe der Versammlung noch eine Königliche Botschaft be⸗ kannt zu machen, welche mir im Laufe der heutigen Sitzung zuge— gangen ist. Sie lautet folgendermaßen: J
(Bei dem Verlesen dieser Botschaft, welche die Verlänge⸗ rung des Landtags betrifft, erheben sich sämmtliche Mit- glieder von ihren Plätzen.)
„Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von . Preußen ꝛc. ꝛc. entbieten Unseren zum Ersten Vereinigten Landtage versammelten ge— treuen Ständen Unseren genädigen Gruß. Da schon jetzt mit Sicherheit vorauszusehen ist, daß die von der Kurie der drei Stände in Bezug auf Unser Patent und die Ver— en dom 3. Februar d. J. beschlossenen, gegenwärtig der ,, Berathung vorliegenden Anträge bis zum 19ten d;: M. ihre Erledigung nicht finden werden, so wollen Wir für diese Verhandlungen Les Ersten Vereinigten Landtages hierdurch noch auf so lange Frist ertheilen, bis die Berathungen Ünserer getreuen Stände über sene Anträge beendigt und die Befehle, zu denen Wir Uns durch das Resultat dieser Berathungen bewogen finden möchten, von Un seren getreuen Ständen erledigt sein werden. Wir haben Unseren Landtags ⸗ Kommissarius beauftragt, Uns anzuzeigen, an welchem 3 8 (S8 E . x. , n 8 6. . Schließung des Ersien Vereinigten Landtags wird Uebrigens bleiben Wir Unseren getreuen Ständen in Gnaden gewogen. Gegeben Sanssouci, den 16. Juni 1847.
ö (gez) Friedrich Wilhelm. An
die zum Vereinigten Landtage ver⸗ sammelten Stände.“
Auf die Verhandlungen der Abtheilung, welcher die Mittheilung der anderen Kurie über die Anträge auf Abänderung der Verord= nungen vom 3. Februar überwiesen worden ist, hat es Bezug, wenn ich bemerke, daß die Sitzung morgen um 11 Uhr stattfinden wird, damit die Abtheilung wahrscheinlich die letzte Sitzung über den Ge— genstand vorher zu lan im Stande sei.
Also die nächste ö. ist morgen Vormittag 11 Uhr, und sie
wird sich, außer der Berathung über den heute abgebrochenen Ge⸗
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genstand, der fortgesetzt und zu Ende geführt werden wird, mit der Berathung derjenigen Bericht Erstattungen zu beschäftigen haben, welche die Mitglieder der Versammlung schon gedruckt erhalten haben. Es sind dies unter Anderem: Bericht über die Interpretation der Son⸗ derung in Theile, Bericht über die Abänderung der gesetzlichen Be⸗ stimmüng über die Wahlfähigkeit von Mitgliedern aus Landgemein⸗ den zu Kreistagen, über die Ertheilung ständischer Rechte an Alle, welche sich zur christlichen Religion bekennen, über die Oeffentlichkeit der Sitzungen der Stadtverordneten u. s. w. über die Aufhebung der Bezahlung von Gebühren für Aufenthaltskarten, über Ausdeh⸗ nung des neuen Strafverfahrens auf alle Theile der Monarchie, in welchen die allgemeine Kriminal-Ordnung gilt.
Ich habe zu bemerken, daß blos der letzte Bericht noch nicht zur Vertheilung gekommen, die übrigen sind sämmtlich vertheilt und wer⸗ den Gegenstand der nächsten Berathung sein.
(Schluß der Sitzung nach 1 Uhr.)
Sitzung der Kurie der drei Stände am 18ten Juni.
Die Sitzung beginnt um 19 Uhr, unter Vorsitz des Landtags⸗ Marschall von Rochow, mit Verlesung des Protokolls über die ge⸗ strige Sitzung, welches nach einigen kleinen Bemerkungen über die Wortfassung von dem Marschall, da man sich gegenseitig über die erhobenen Zweifel verständigt hat und nichts weiter bemerkt wird, für genehmigt erklärt wird.
Marschall: Es sind bei mir verschiedene Anträge eingegan— gen auf Bevorzugungen von Gutachten bei der Tagesordnung. Zu⸗ erst ist das Gutachten über verschiedene Gnadengesuche vielfach un⸗ terstützt worden. Da es schon auf der Tagesordnung steht, so wird wohl kein Bedenken sein, es darauf zu lassen und zuerst mit vorzu⸗ bringen. Ein Gutachten serner, welches auch vielsache Unterstützung gefunden hat, ist dasjenige über die Errichtung eines Kredit⸗ Instituts für Ackerbesitzer; dieses ist jedoch noch nicht aus der Druckerei zurück; sobald es von dorther an mich kommt, wozu ich eine Aufforderung erlassen habe, wird wohl nichts dagegen zu erin⸗ nern sein, daß ich auch dieses vorzugsweise zum Vortrage bringe. Außerdem ist noch die Bevorzugung des Antrages auf Preßfreiheit mehrfach unterstützt worden. Bei, anderen Gutachten sind nur ein⸗ zelne Wünsche geäußert worden; ich werde daher erwarten, ob diese noch von mehreren Seiten unterstützt werden. Diese drei erwähnten Gut⸗ achten werden, wenn die hohe Versammlung nichts dagegen hat, den Vorzug in der Tagesordnung erhalten, Noch eine kleine Bemer— kung habe ich zu machen in Beziehung auf den stenographischen Bericht, der in der gestrigen Zeitung stand. Als nämlich der Herr Abgeordnete Schumann anfing, eine Rede zu verlesen, und man ihn daran zu ver hindern versuchte, bemerkte ich, daß Se. Majestät der König unter⸗ thänigst gebeten worden sei, zu gestatten, daß künftig diejenigen Mit⸗ glieder, welche der deutschen Sprache nicht mächtig seien, ihre Reden vorlesen dürften, und daß die hohe Versammlung wohl nichts dage⸗ gen einzuwenden haben werde, diese Bestimmung schon vorläufig in Ausführung zu bringen. Es steht aber in der Zeitung statt des⸗ sen: Die hohe Versammlung würde wohl einstimmig dafür sein. Eine solche Voraussetzung würde von meiner Seite anmaßend gewe⸗ sen sein. Ich habe sie nicht ausgesprochen,
Wir können nun in der gestern abgebrochenen Berathung fort⸗ fahren, und in Beziehung auf den gestern zuletzt gefaßten Beschluß hat der Abgeordnete Hansemann das Wort.
Abgeordn. Hansemann: Meine Herren! Der Antrag der Abtheilung, den Juden alle ständischen Rechte gleich den Christen beizulegen, hat nicht die Zustimmung der Majorität erhalten. Einer der Hauptgründe, welche die Majorität für ihr Votum in der Dis⸗ kussion anführte, bestand darin, daß der Sprung von dem jetzigen Nechte der Juden bis zu dem Rechte, in den Provinzial ⸗Landtags⸗ Versammlungen und in dieser hohen Versammlung zu sitzen, zu groß sei, daß Uebergänge stattsinden müßten. Ich werde nun beantragen, daß ein solcher Uebergang eintrete. Was die Juden besonders kränkt, was den edlen Ehrgeiz bei ihnen unterdrücken muß, ist der Umstand, daß sie, — obgleich übrigens zur Theilnahme an den Stadtverord⸗ neten-Versammlungen berechtigt, — sich zu entfernen haben, wenn die Wahl von Landtags- Abgeordneten stattsindet. Eben so können sie nicht Theil nehmen an den Berathungen der Kreisstände, können also nicht ihre Meinung abgeben, nicht votiren, wenn Wege angelegt oder sonst andere Kreis-Anstalten errichtet werden sollen. Das We⸗ nigste nun, was ihnen von ständischen Rechte bewilligt werden möge, scheint mir zu sein, daß sie das Recht, an den Wahlen, so wie an den Kreistagen, Theil zu nehmen, erlangen. Dieser Vorschlag wird, ich hoffe es, den‘ Ansichten aller derjenigen verehrlichen Mitglieder ent sprechen, die ihren Hauptgrund gegen die Zustimmung zu dem An— trage der Abtheilung darin gefunden haben, daß es noch nicht an der Zeit sei, die Juden in diese Versammlung zu bringen. Mein Antrag geht also dahin, daß, mit Ausnahme der Wählbarkeit zu den Stellen als Provinzial-Landtags⸗Abgeordnete, den Juden die übrigen ständi⸗ schen Rechte gleich den Christen bewilligt werden mögen. Bei dieser Frage versteht es sich von selbst, daß, so wie bei der früheren, auch die Frage über die Patronatsrechte vorbehalten bleibe, weil nach dem Gutachten darüber noch besonders zu berathen ist.
Marschall: Das ist ein neues Amendement, und ich muß fragen, ob es Unterstützung findet?
(Viele Stimmen: Darüber ist bereits abgestimmt.)
Abgeordn. von Byla: Nachdem gestern bereits ganz allgemein darüber, ob den Juden ständische Rechte bewilligt werden sollen, al⸗ gestimmt worden, diese Rechte auch in den Motiven des Gutachtens genau bezeichnet sind, glaube ich, daß heute ein solches Amendement, welches den Juden wiederum einen Theil dieser Rechte zuwenden will, nicht mehr zulässig ist. Es würde dadurch unser gestriger Beschluß theilweise umgestoßen werden. Ich erkläre mich also dagegen.
Abgeordn. Han semann: Das Amendement hat die Unter⸗ stützung gefunden, wegen welcher der Herr Marschall, die Versamm⸗ lung befragt hat, und es steht deshalb reglementsmäßig zur Verhand⸗ lung; ich bin also in meinem vollen Rechte, wenn ich dem verehrten Abgeordüeten, der das Wort nahm, auf, die gemachte Einwendung antworte. Die gestern verneinte Frage war?. Ob den Juden alle ständischen Rechte' bewilligt werden sollen? Diese Frage schließt kei⸗ nesweges aus, daß ihnen ein Theil bewilligt werde. Wenn die Frage gelautet hätte: Sollen den Juden ständische Rechte gewährt werden? und wenn darauf die Majorität Nein geantwortet hätte, dann wäre das Amendement nicht zulässig gewesen. Da aber die Frage ausdrücklich darauf gerichtet war, ob den Juden alle ständi⸗ schen Rechte gewährt werden sollen, so ist mein Amendement voll⸗ koömmen gerechtfertigt. Es steht der Versammlung frei, darüber zu stimmen, wie sie will, — daß es aber gestellt werden kann, leidet, nach meiner Meinung, keinen Zweifel.
Marschall: Meine Meinung geht dahin, daß durch die Be⸗ antwortung der gestrigen Frage selbst das Amendement nicht ausge⸗ schloffen sei, weil es ein Minas desfen ist, was in der Frage lag. Der Beschluß geht nur dahin, daß ihnen nicht sämm liche stän⸗ dische Rechte zugestanden werden sollen. Es würde dies nicht aus⸗
schließen, daß ihnen ein Theil gewährt wird. Eingewendet könnte werden, daß das Amendement nicht vor der gestrigen Frage einge⸗ bracht worden ist. Ob die hohe Bersammlung diesem Umstande Gewicht beilegen will, wird bei der Abstimmung von ihr abhängen.
Abgeordn. Dittrich: Ich halte das Amendement für zulässig. Es ist gestern nicht gefragt worden: sollen den Juden keine ständi⸗ schen Rechte gewährt werden? sondern nur: sollen ihnen alle er⸗ theilt werden? Sodann würden auch diejenigen, welche Juden in der Stadtverordneten Versammlung wählen, hier nicht vertreten sein, wenn diese nicht das Recht hätten, an den Wahlen der Landtags⸗ Abgeordneten Theil zu nehmen. .
Abgeorbn. von Tschocke: Ich wollte mir erlauben, nur kurz einen Irrthum zu berichtigen. Der Abgeordnete von Aachen sagte, daß die jüdischen Stadtverordneten, wenn die Wahl der Deputirten unkernommen wird, sich entfernen müssen. Ich muß erklären, daß in Breslau dem nicht so ist. Bei jeder Deputirtenwahl sind die Juden zugegen und geben ihre Stimmen. Wir haben 5 jüdische Stadt⸗ zerorbneten, aber es hat sich noch niemals einer entfernen dürfen.
Abgeordn. Frhr. von Sch orlemer: Ich muß bemerken, daß gestern nicht blos durch Namensaufruf darÜüber abgestimmt worden ist, ob den Juden alle ständischen Rechte zukommen sollen, sondern es wurde noch hinzugefügt, daß demnach s. 36 beibehalten werde. Dies ist ausdrücklich gesagt worden. . . ö
Marschall: Bei dem 8. 35 habe ich gesagt; also bliebe der fünfte Abschnitt stehen; bei s. 36 habe ich eine solche Aeußerung nicht gemacht. .
Abgeordn. von Bisma rl: Ich glaube, daß wir un erg ge⸗ strigen Abstimmung Gewalt anthun, wenn wir sie nach dem Wort⸗ laut der Buchstaben und nicht nach ihrer Bedeutung, dem Sinne nach, beurtheilen. Wir müssen auf die Diskussion und auf das, was die Versammlung dabei im Sinne gehabt und gesprochen hat, zurück
Wenn unsere Abstimmung so aufgefaßt wird, wie (8 von Aachen geschehen ist, so würde es auch noch Aahin zu stellen, daß die Juden auch ja, es würde zulässig sobald man daß sie nicht oder daß Se.
ihnen nicht den Marschall zu wählen. n ein mum dabei ausnähme, würden alle anderen Anträge noch freistehen; was ich nach der Bedeutung unserer gestrigen Abstimmung nicht glau⸗
ben kann. .
Abgeordn. Winzler: Ich muß dem gestellten Amendement des geehrten Abgeordneten der Stadt Aachen ebenfalls beitreten, d. h. in seinem Sinne, aber nicht in seiner Begründung. Der verehrte Herr Redner aus Aachen hat es als ständisches Recht in Anspruch genom⸗ men, bei den Wahlen innerhalb der Stadtverordneten⸗ Versammlung theilnehmen zu dürfen. Dies ist, so viel ich davon verstehe — und ich habe schon lange die Ehre, Stadtverordneter zu sein — ein Recht der Stadtverordneten-Versammlung, und als ein Recht der Stadt⸗ verordneten-Versammlung nehme ich es auch für den Juden in An⸗ spruch, sobald er Stadtverordneter ist. . .
Referent Sperling: Ich muß dies berichtigen. Die Juden sind nicht berechtigt, in den Stadtverordneten⸗Versammlungen u den Wahlen der Landtags⸗-Abgeordneten Theil zu nehmen. Vor kurzem hat noch darüber zwischen der Königlichen Behörde und dem Ma⸗ gistrate zu Königsberg eine Verhandlung stattgefunden, und dies ge. reicht selbst den Bürgern christlicher Konfession, welche die Juden für die Stadtverordneten⸗-Versammlung wählen, zum Nachtheile, indem sie bei der Wahl der Landtags-Abgeordneten unvertreten bleiben.
Abgeordn. Han semann: Um die Bedenken zu beseitigen, die von einigen Seiten gegen den Vorschlag gemacht worden sind, und, um meinem Antrage eine noch größere Zuͤstimmung zu bereiten, be—⸗ schränke ich denselben darauf, daß den Juden wenigstens das aktive Wahlrecht bewilligt werden möge. Fanach würden sie wohl mit wählen, aber nicht Mitglieder weder von Kreistags = Versammlungen noch von Provinzial⸗Landtagen werden können. Dies ist ein so klei⸗ nes Recht, daß ich hoffe, Sie werden es ihnen bewilligen.
Abgeordn. Naumann; Ich habe nur zu bemerken, daß, wie schon der Herr Referent bemerkte, das aktive Wahlrecht in den Stadtverordneten Versammlungen für die Juden allerdings nicht existirt, und daß gerade für die Stadt, von der. ich hierher gesendet worden bin, erst in neuester Zeit eine dies bestätigende Allerhöchste Entscheidung ergangen ist, die auch in den Gesetzen ihre Begründung sindet, weil dort gesagt ist, daß in Beziehung auf ständische Rechte das Wahlrecht, sowohl das aktive, als das passive, an das christliche Glaubensbekenntniß gebunden sein soll. Daher würde es, meines Erachtens, wohl darauf ankommen, das Amendement des Abgeordneten von Aachen zu unterstützen. Ich glaube nicht, daß es im Widerspruch steht mit dem gestrigen Beschluß. Denn ich stimme dem geehrten Abgeordneten aus der Provinz Sachsen ganz bei, daß man nach der Intention der Berathung den Beschluß von gestern beurtheilen müsse. Tie Intention des gestrigen Beschlusses ging dahin, daß man die Juden ausschließen wolle, von dem Rechte, in den ständischen Ver⸗ sammlungen Sitz und Stimme zu haben; es ist aber dabei die Frage nicht zur Erörterung gezogen worden, ob ein Jude das Wahlrecht mil ausüben könne.“ Ich erlläre mich für den Antrag des verehr⸗ ten Abgeordneten aus der Stadt Aachen. .
Abgeordn. Graf Los: Ich wollte mir nur die Frage erlau⸗ ben, ob, wenn den Juden das aktive Wahlrecht zugestanden wird, sie dann auch konsequent Mitglieder der kreisständischen Versammlungen sein müssen. .
Abgeordn. von Beckerath: Meine Herren! Sowohl von Sei⸗ ten des Gouvernements als von Seiten der Versammlung ist bei unseren Verhandlungen stets Rücksicht genommen worden auf die Lage der früheren Gesetzgebung; namentlich aber hat die hohe Versamm— lung die Städte⸗Ordnung vom Jahre 1831 und noch mehr diejenige vom Jahre 1808 stets in Schutz genommen und nicht die mindeste Neigung ' gezeigt, sie zu alteriren. Diese Städte⸗Ordnung würde aber allerdings alterirt sein, wenn jüdische Mitglieder der Stadtverordne⸗ ten-Verfammlung — wie wir gehört haben, daß es geschehen sei — an den Wahlen der Landtags-AUbgeordneten Theil zu nehmen verhin⸗ dert werden. Dies ist ein bestehendes Recht. Es freut mich, daß mein Kollege aus der Rhein Provinz sein Amendement nunmehr ledig⸗ lich dahin gerichtet hat, daß den Juden das aktive Wahlrecht zuer⸗ kannt werden möge. Dann bleibt jenes von mir als bestehend be⸗ zeichnete Recht unangetastet, und es wird den Juden, ohne daß den Beschlüssen von gestern Abbruch geschieht, wenigstens ein Minimum dessen zugetheilt, was sie nach meiner Meinung in weiterem Umfange mit Recht in Anspruch nehmen dürfen. Ich erkläre mich für das dahin gerichtete Amendement, daß den Juden das aktive Wahlrecht zu 'ständischen Versammlungen zuerkannt werden möge.
Abgeordn. von Meding: Ich erlaube mir zunächst eine Er⸗ wiederung auf dasjenige, was der geehrte Herr Redner gesagt hat, der so eben die Tribüne verlassen hat. Er hat, wenn ich richtig auf⸗ gefaßt habe, angeführt, daß es ein Recht der Stadtverordneten sei, welches ihnen durch die Städte⸗-Ordnung verliehen sei, die Landtags- Abgeordneten mit zu wählen. Hier 2. ich darauf aufmerksam ma⸗ chen, daß das Recht, die Landtags-Abgeordneten zu wählen, den Stadtverordneten erst durch die neuere rr fh. Gesetzgebung ver⸗
liehen ist, daß wir zu der Zeit des Erlasses der Städte- Ordnung von 1868 die gegenwärtige ständische Organisation nicht hatten, daß also die Stadtverordneten damals auch keine Landtags-Abgeordneten wählen konnten, wogegen die ständischen Gesetze von 1823 bei den Wahlen städtischer Abgeordneten bestimmien, daß solche von denen voll— zogen werden sollen, welche die Magistrats Mitglieder wählen.
Ich glaube, daß daraus klar hervorgeht, daß von einer Beschrän— kung, von einer Zurücknahme der Rechte, welche durch die Städte⸗ Ordnung von 1868 verliehen worden, nicht die Rede sein kann. Das ist die spezielle Bemerkung, die ich zu machen habe. Im Generellen aber kann ich nicht umhin, ebenfalls auszusprechen, daß es mir sehr bedenklich erscheint, wenn wir durch dieses Amendement des Deputir⸗ ten der Stadt Aachen wiederum auf den gestrigen Beschluß zurückge⸗ hen. Ich befinde mich leider dabei nicht im Einklauge mit dem, was der Herr Marschall gesagt hat. Der Marschall hat aber jedenfalls über die Leitung der Debatte zu entscheiden. Es scheint mir aber höchst bedenklich, wenn wir auf diese Weise mit einzelnen Bestimmun⸗ gen dasjenige alteriren wollen, was nach einer weitläufigen Diskus⸗ sion, und ich möchte sagen, nach so viel Mühen und Anstrengungen und nachdem fast ein Jeder Gelegenheit gehabt hat, sich auszuspre⸗ chen, gestern beschlossen worden ist. Es ist vollkommen richtig, was das Mitglied der sächsischen Ritterschaft gesagt hat, daß wir auf diese Weife alle einzelnen Bestimmungen, über die wir gestern generell ab⸗ gestimmt haben, einzeln wieder durchgehen können. Wenn endlich der Abgeordnete der Stadt Aachen seinen Antrag dadurch unterstützt hat, daß die Versammlung von dem Motive ausgegangen sei, sie wolle zwar den Fortschritt, aber keine Sprünge, und deshalb habe sie es noch nicht an der Zeit gehalten, den Juden die ständischen Rechte in der ganzen Ausdehnung zu übertragen, so muß ich erklären, daß auch ich vollkommen von diesem Prinzip ausgegangen bin, und, es ist diese Ansicht, wie ich glaube, von einer nicht geringen Zahl Mitglieder ge theilt worden. . ̃ .
Ich kann aber dies Prinzip nur so verstehen, daß die Absicht dahin gegangen ist, im Einverständnisse mit der Proposition des Gouverne⸗ ments den Juden eine bedeutende Ausdehnung ihrer jetzigen Rechte zuzugestehen und namentlich die Wohlthat, welche ein Theil der Ju⸗ den durch das Edilt vom Jahre 1812 besaß, auch auf die übrigen Theile der Monarchie, die dieser Wohlthat nicht theilhaftig sind, aus⸗ zudehnen. Ich glaube, daß ein großer Theil der Versammlung diesen Beschluß so verstanden hat, daß der Fortschritt nicht dahin gehen solle, daß den Juden jetzt die ständischen Rechte verliehen werden, daß dies einer künftigen Zeit vorbehalten werden solle, und bei diesem Beschluß, glaube ich, müssen wir stehen bleiben.
Aageordn. Frhr. von Waldbott; Mich ganz der Meinung des vorigen Redners auschließend, erlaube ich mir ganz besonders darauf aufmerksam zu machen, daß der Marschall bei dem Schluß⸗Passus des §. 35 die Meinung der Versammlung dahin erklärt hat, wie er selbst sagte, daß, da der Beschluß der Abtheilung, der entgegengesetzt war dem Gesetz-Entwurf, nicht angenommen wurde, nun also der Ge⸗ setz Entwurf als angenommen von der Versammlung zu betrachten sei.
Ihm 8. 3h steht eben so der Gesetz-Entwurf dem Abtheilungs Gutachten gerade entgegen. Da nun das Amendement, das heute ein— gebracht ist, der Versammlung vor der Berathung noch gar nicht be—⸗ kannt war, so kann ich nur annehmen, daß die Versammlung, indem sie den Vorschlag der Abtheilung verwarf, sich mit dem Gesetz-Ent⸗ wurf hat einverstanden erklären wollen. Mir scheint das Amendement, was heute eingebracht wird und dahin geht, theilweise das, was die Versammlung gestern gewollt hat, zu aunülliren, nur von der gestri⸗ gen Minorität aufgestellt zu seiu, um heute wenigstens theilweise zu erlangen, was gestern verneint wurde.
Abgeordn. von Beckerath: Ich muß dem geehrten Redner, der eben die Tribüne verlassen hat, widersprechen. So lange über 8. 36 kein Beschluß gefaßt ist, ist es allerdings ganz an der eit, ein Amendement einzubringen, welches den Inhalt des Paragraphen oder einen Theil desselben betrifft. Wir haben aber gestern nicht über den Inhalt des Paragraphen Beschluß gefaßt, sondern über ein Amendement, welches über den Inhalt des Paragraphen weit hinaus⸗ ging. Wir sind also vollkommen in unserem Rechte, wenn wir uns jetzt mit denjenigen Fragen beschäftigten, die auf den Inhalt näher ein⸗ gehen. Ueber die Zulässigkeit des Amendements hat der Marschall bereits entschieden, und ich verliere darüber kein Wort. Ich wende mich nun zu der Behauptung, welche das geehrte Mitglied der bran= denburgischen Ritterschaft aussrach, daß die Städte-Ordnung durch den Ausschluß der jüdischen Mitglieder aus der Stadtverordneten—⸗ Versammlung, wenn es sich um die ständischen Wahlen handelt, nicht alterirt werde. Es ist dies allerdings der Fall. Die Stadtverord⸗ neten-Versammlung hat zwar das Recht, den Laudtags-Abgeordneten zu wählen, erst durch spätere Gesetze erhalten, sie hat es aber eben erhalten, und sie ist berechtigt, es in ihrer vollen Integrität guszu— üben, eine Integrität, die jeboch aufgehoben wird, sobald einzelne Mitglieder in Bezug auf diese Handlungen entfernt werden. Ge⸗ schähe dies, so würde derjenige Theil der Bürgerschaft, der den jüdi⸗ schen Abgeordneten in die Stadtverordneten-Versammlung gewählt hat, bei der wichtigen Handlung der Wahl eines Abgeordneten für die Landtage nicht vertreten sein, und es liegt darin allerdings eine Alterirung der Städte-Ordnung. Damit sie nicht stattfinde, wieder—⸗ hole ich den Antrag, daß den Juden das aktive Wahlrecht zugestan den werde.
Abgeordn. Stämmler: Meine Herren! Ich habe folgerecht meiner früheren Abstimmung gestern die letzte Frage mit „Nein“ be antwortet; ich habe aber auch nicht das geringste Bedenken, das Amendement, welches das Mitglied aus der Rhein-Provinz vorge schlagen hat, mit „Ja“ zu beantworten, denn ich sinde, daß es wirk lich eine Lücke und ein Zerwürfniß in den Stadtverordneten Ver— sammlungen herbeiführen würde, wenn Jemand bei einer solchen Ge legenheit, wo der Inde dasselbe Interesse hat, als der Christ, aus der Thür gewiesen werden darf. Ich werde also das Amendement unterstützen.
Abgeordn. von Manteuffel II.. Meine Herren! Ich ap pellire zunächst an Ihre Gerechtigkeit; ich glaube, daß ich hierzu um so mehr ein Recht habe, als ich im Laufe dieses Landtags fast immer in der Minorität gewesen bin. Ich habe aber, sobald ein Beschluß gefaßt war, diesen Beschluß anerkannt und habe demgemäß konse Juenterweise im Einklange mit diesem Beschlusse meine ferneren Vota abgegeben und der Beräͤthung beigewohnt. Ich muß gestehen, daß von der Versammlung gewiß die Wenigsten gestern nur eine Ah nung von dem Amendement hatten, was uns heute als eine über⸗ raschende Gabe am frühen Morgen dargebracht wird.
ö (Gelächter. ) Ich habe, als ich gestern meine Stimme abgab, geglaubt, damit sei diese Frage beendigt; und so wenig wie ich, wenn ich gegen die An⸗ sicht der Majorität gestimmt hatte, mit einem neuen Amendement aufgetreten bin, so wenig glaube ich, sollte dies von der anderen Seite geschehen. Was indeß die materielle Frage betrifft, so kann ich meine Verwunderung darüber nicht genug, aussprechen, daß wir auf ein Amendement eingehen, welches blos die Juden in Bezug auf die Stadtverordneten-Versammlungen betrifft. Ich möchte mir die Frage erlauben, ob vielleicht späterhin noch andere dergleichen Amen— dements ,, werden dürften. Es würde dies wenigstens die Debatte abkürzen, indem man dann in Summa über alle Amende⸗—
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ments sprechen kö5ernte. Denn mit demselben Rechte, wie man den Juden in den Stadtverordneten-Versammlungen eine nach dem gestri⸗ gen Beschlusse abgewiesene Befugniß vindiziren will, könnte man nach⸗ her ein Amendement anbringen, daß da, wo es sich um ritterschaftliche Wahlen handelt, auch jüdische Besitzer von Rittergütern daran Theil nehmen können. Das ist eine aktive Wahlberechtigung so gut wie in der Stadtverordneten-Versammlung, und bei diesem Rechte würde es ins Auge springen, daß dies durch den gestrigen Beschluß bereits ab⸗ gewiesen ist. So gut dies aber bei den ritteischaftlichen Wahlen der Fall ist, eben so ist es auch der Fall bei den Stadtverordneten-Ver⸗ sammlungen.
Marschall: Der Herr Abgeordnete Hansemann hat das Wort wegen einer persönlichen Bemerlung.
Abgeordn. Han semannz Ich kann dem Abgeordneten aus der Niederlausitz das Recht nicht zuerkennen, in dem von mir gestell⸗ ten Antrage eine Art von Ungerechtigkeit zu finden. Ich glaube, wenn ein Beschluß gefaßt ist, der, wie der vorliegende, nicht Alles abschneidet, es vollkommen gerecht ist, noch ein Minimum von dem Abgeschnittenen in Anspruch zu nehmen.
(Eine Stimme: Nein.)
Die Frage, die der geehrte Abgeordnete übrigens hinsichtlich der ritterschaftlichen, der jüdischen Konfession angehörigen Mitglieder ge— stellt hat, ist schon durch meinen Antrag sehr deutlich beantwortet worden. Mein Antrag geht auf Gewährung des aktiven Wahlrechts ohne Ausschluß von Stadt oder Land, Er ist also durchaus nicht zweideutig gewesen. Es ist zur Begründung angeführt worden, wie es jetzt in der Städte-Ordnung bestehe. Ich führe weiter an, daß in der ganzen Rheinprovinz
(Mehrere Stimmen: Dss ist kein persönliches Faklum.)
Ich bitte, mir Gehör schenken zu wollen, wenn die Herren mir gegenüber die Güte haben wollen daß in der ganzen Rheinprovinz bisher die Wahl den Stadtverord— neten nicht zusteht, sondern daß die Wähler nach einem Census ge— bildet werden, und daß hiernach das Amendement ebenfalls für Stadt und Land Anwendung finden muß. Auf diese Weise ist gewiß der Antrag für Jedermann deutlich, und ich glaube, daß hiernach die Abstimmung wird erfolgen können.
Abgeordn. von Bisma rk: Ich wollte mir die Frage an den Herrn Redner erlauben, ob seine Bemerkung in ihrem ganzen Um fange als eine persönliche zu betrachten sei; lediglich zu meiner In formation frage ich darnach, damit ich in vorkommenden Fällen mir ähnliche persönliche Bemerkungen gestatten könne.
Abgeordn. Graf von Helldorff: Ich, muß mich der Argu mentation widersetzen, welche jetzt aus einzelnen Bestimmungen der Städte- Ordnung versucht wird, um daraus folgerechtlich ein aktives Wahlrecht für die Nicht-Christen, also für die Juden, deduziren zu wollen.
Ich habe schon bei früheren Gelegenheiten ausgesprochen, und es ist auch im Laufe der Verhandlungen wiederholt worden, warum es in jeder Beziehung bedenklich ist, bei unseren Staats-Institutionen nichtchristlichen Einwohnern politische Rechte zuzugestehen.
Die kreisständischen Rechte stehen übrigens auch in einem gewisser⸗ maßen engen Zusammenhange mit den Befugnissen der Provinzial stände und allgemeinen Stände, welche unmittelbar auf die Gesetz gebung einwirken. Die Juden sind feiner — das kann man sagen, ohne ihnen zu nahe zu treten — und können zur Zeit gar nicht sein auf der Stufe der Vorbildung, welche sie zur Theilnahme an un— seren ständischen Rechten befähigen möchte.
Wenn also auch wirklich die Städte- Ordnung bestimmt, daß bei Wahlen zu Landtags-Abgeordneten die zu anderen Geschäften zu gelassenen Stadtverordneten juudischer Religion abzutreten haben und solches als Uebelstand bezeichnet wird, so sehe ich doch nicht ab, wie man daraus die Folgerung deduziren könne, daß das aktive Wahlrecht in allen Ständen den Juden zu verleihen sei; — eine Zugabe, die wahrlich nicht zur Zeit gesucht wird.
Ich kann also im Gegenbetracht nur die Bitte an die Versamm lung richten, daß sie das gestrige Votum der Majorität, nämlich: Die Ausschließung der Juden von allen politischen Rechten, durch⸗ gängig festhalte.
Äbgeordn. Prüfer: Im Allgemeinen kann ich mich nur der Ansicht derjenigen Redner anschließen, welche das gestellte Amende⸗ ment deshalb für unzulässig halten, weil gestern die Masorität der Versammlung bereits über diesen Gegenstand abgestimmt und ent— schieden hat, und weil auch ich glaube, daß, wenn solche Amendements oder Abänderungen angenommen werden sollten, unser Beschluß von gestern, wenn nicht geradezu umgerissen, doch bedeutend alterirt wer⸗ den müßte. Was nun das Amendement selbst betrifft, so hat solches der geehrte Antragsteller aus Aachen zuerst dahin formirt, daß den Stadtverordneten ein aktives Wahlrecht für die Stände⸗Versammlun gen eingeräumt werden solle; ich muß aber bemerken, daß derselbe Redner dieses Amendement später dahin erweitert hat, daß dieses Wahlrecht auch auf die Rittergutsbesitzer ausgedehnt werden möchte; wenn aber solche Abänderungen nun gar noch weiter beliebt werden sollten, so sehe ich nicht ein, wann wir die Diskussion über diesen Gegenstand beendigen wollen. Wenn ich aber dabei stehen bleiben will, daß den Stadtverordneten, und zwar den jüdischen, ein Wahl⸗ recht eingeräumt werden soll, so ist dieses schon vorhanden, denn die Städte-Srdnungen, die von 1808, wie die von 1832, schließen die ses Recht nicht aus, und das neue Gesetz, welches jetzt eben berathen wird, spricht in seinem 5. 15 aus, daß diejenigen Stadtverordneten, welche einmal als solche gewählt sind, Sitz und Stimme in den Stadtverordneten Versammlungen haben, also ohne alle Beschränkung. Nun hat zwar der geehrte Referent erwähnt, daß Reskripte vorhan den seien, nach welchen den jüdischen Stadtverordneten seither die Ausübung ihrer Rechte beschränkt worden; wäre dies aber der Fall,
und zwar, daß dergleichen Reskripte vorhauden wären und Geltung erlangt hätten, so geht doch aus diesem Gesetz Entwurf die Befug— niß dahin klar hervor, daß jüdische Stadtverordnete mit Ausnahme von christlichen Kirchen- und Schul-Angelegenheiten, in allen Sitz und Stimme haben sollen. Man könnte zwar einwenden, daß der §. 15 von der Versammlung abgelehnt worden sei. Ich habe aber anden ten wollen, daß die Regierung ihrerseits von dem Prinzipe, die jüdi⸗ schen Stadtverordneten von solchem Wahlrechte auszuschließen, abge⸗ gangen ist, weshalb wir uns um Dinge streiten, die gar nicht vor⸗ handen sind. (Bravo!)
Abgeordn. Hausemann (tritt unter großer Aufregung der Versammlung auf die Rednerbühne): Ich müß dem verehrten Red⸗ ner, der eben die Tribüne verlassen hat, antworten, daß er etwas sehr Persönliches gegen mich vorgebracht hat, welches ich aufs ern⸗ steste zurückweisen muß. Er hat behauptet, daß ich später etwas An⸗ deres vorgebracht habe, als in meinem Amendement enthalten war. Mein erster Antrag lautete dahin, daß den Juden ständische Rechte, mit Ausnahme der Wählbarkeit zu den Provinzial⸗Landtagen, ge⸗ währt werden möchten, und später habe ich mein Amendement dahin modisizirt, daß ihnen das altive Wahlrecht gewährt werden sollte. Ich habe nicht gesagt: Für die Städte; sondern ganz allgemein: „Bas aktive Wahlrecht.“ Es ist bei Begründung dieses Antrages
nicht nur von mir, sondern auch von vielen anderen Seiten auf die
Stadtverordneten, von mir insbesondere auch auf die Rhein⸗Provinz
Bezug genommen; aber ich habe gewiß meinen Antrag nicht in dem von dem verehrten Redner angedeuteten Sinne später verändert oder verdreht, — so etwas ist mejue Manier nicht.
Abgeordn. Graf von Renard: Ich habe mich aus innerster Ueberzeugung für die Emancipation der Jud ꝛ
, . a , fn. Juden ausgesprochen; man wird mir also keine Parteilichkeit zumuthen wollen, wenn ich mich jetz gegen das Amendement des Abgeordneten von Aachen aus spreche Ich stimme ganz der Ansicht bei, welche das Mitglied aus der Nie derlausitz entwickelt hat, obgleich ich sonst in Bezug auf die Juden⸗ Emancißation keinesweges mit ihm, in Einklang bin. Wenn hier gestern abgestimmt worden ist, ob die Juden wählbar sind, so habe sch Ja gesagt; dessenungeachtet kann ich heute unmöglich zugeben daß bas Auiendtment umgekehrt und eine andere Fragè zur Abstimmung. gebracht werde. Ich glaube, daß durch die gestrige Abstimmung, sie mag ausgefallen sein, wie sie will, diese Frage erledigt ist.
Abgeordn. Prüfer: Der geehrte Abgeordnete von Aachen, als Amendementsteller, hat mich beschuldigt, als ob ich seine Worte ver⸗ dreht hätte. Eines solchen Vergehens habe ich mich noch nie schuldig gemacht und werde mich auch mit meinem Wissen nicht schuldig ma⸗ chen; daß ich aber sein Amendement so verstanden habe, als ob es sich lediglich um das aktive Wahlrecht der Stadtverordneten handle, und daß dies nicht ein Irrthum von mir war, geht daraus hervor, daß auch das Mitglied der Riederlausitz, wie wir eben gehört haben, diez Amendement eben so verstanden hat. Dies wird klar, wenn wir uns daran erinnern, daß er, der Redner aus der Niederlausitz, nicht ersehen konnte, ob diese aktive Wahl auch auf die Ritterguts⸗Besitzer, und wie der geehrte Antragsteller jetzt hinzugefügt, auch auf die Land⸗ Gemeinde ausgedehnt werde. Ich habe also seine Worte nicht ver⸗ dreht und bemerke, daß bis zu dem Stadium, in welchem sich diese Angelegenheit befunden, bevor das Mitglied aus der Niederlausitz die Bühne betreten hatte, nur über das Wahlrecht der Stadtverordneten diskutirt war. Dies zu meiner Rechtfertigung.
Abgeordn. von Wedell: Ich wollte mir nur die Bemerkung erlauben, daß bei den Motiven, welche die Abtheilung bei ihrem Vor⸗ schlage, daß den Juden alle ständischen Rechte, gleich den Christen, beigelegt werden sollen, ausdrücklich angeführt ist, daß die Juden das Wahlrecht haben müßten, und daß es unrecht wäre, sie davon aus⸗ zuschließen. An diese Deduction schließt sich die Frage an, über die wir gestern abgestimmt harten. Es kann also nicht zweifelhaft sein, daß wir über diese Frage bereits gestern abgestimmt haben und die Abstimmung ergeben hat, daß die Juden keine ständischen Rechte aus⸗ üben sollen. Es kann also über das jetzt gestellte Amendement gar nicht abgestimmt werden.
Abgeordn. von Patow: Ich will ganz von dem Materiellen des Amendements absehen und mich lediglich an die Form halten, und in dieser Beziehung bin ich der Meinung, daß wir nicht mehr auf ein Amendement zurückkommen können, welches einen Vorschlag modisizirt, über den bereits abgestimmt ist. Es ist auch auf allen Provinzial-Landtagen der Grundsatz festgehalten worden, daß, wenn das Amendement zu einem Gesetz⸗Entwurf verworfen wird, daun das Gesetz angenommen ist. Dieser Grundsatz muß auch hier in Anwen⸗ dung kommen; wir haben das Amendement verworfen, also das Ge⸗ setz angenommen; wenn das vorgeschlagene Amendement jetzt zur Ab- stimmung kommen sollte, so würden wir eine Abänderung zu einem bereits angenommenen Gesetze beschließen.
(Ruf zur Abstimmung.)
Abgeordn. Dittrich: Seite 5 der Beilage 1. ist gesagt wor⸗ den: „Zur Ausübung der ständischen Rechte sind die Juden nicht zuzulassen, indem die für die einzelnen Provinzen ergangenen Ver⸗ didnungen sämmtlich darin übereinstimmen, daß für die Wählbarkeit zum Deputirten auf den Provinzial- oder Kommunal-Landtagen, wie für die Berechtigung zur aktiven Wa hl und für die persönliche Ausübung des Stimmrechts auf den Kreistagen, die Gemeinschaft mit einer ber christlichen Kirchen Bedingung ist.“
Ich führe dies nur an, weil behauptet worden, daß gesetzliche Bestimmungen nicht entgegenstehen, daß die Juden wählbar sind. Wenn weiter gesagt ist: daß der Paragraph des Gesetz⸗ Entwurfs angenommen ist, so erwiedere ich, daß dies nicht der Fall ist; denn erst nach dem Schlusse der Berathung über den Paragraphen wird über dessen Annahme entschieden.
Abgeordn. Kuhnh eim: Ich glaube, daß der Abgeordnete aus Aachen sein Amendement hat stellen können, jedoch gestern und nicht heute; daher ist es formell unrichtig, wenn wir heute darüber abstim⸗ nen. Bei allen Gelegenheiten hat der Herr Marschall die gestellten Amendements vorher bekannt gemacht und die Reihefolge festgesetzt, n welcher sie zur Abstimmung kommen, und daher glaube ich, daß das vorliegende Amendement gestern hätte zur Abstimmung gebracht werden müssen und heute nicht, mehr zur Sprache gebracht werden kann, und ich richte daher die Bitte an den Herrn Marschall, daß er die Frage an die Versammlung stellen möge, ob über das Amende⸗ ment abgestimmt werden soll oder nicht.
(Bravo!)
Abgeordn. Frhr. von Vincke: Ich glaube, daß hier mehrere verschiedene Formen der Amendements vielfach verwechselt sind. Es ist allerdings immer von dem Herrn Landtags⸗-Marschall der Grund⸗ satz festgehalten worden, und es ist auch in der Natur der Sache begründet, daß, wenn bei demselben Gegenstande verschiedene Vor⸗ schläge über die Fassung gemacht werden, dann ihre Reihefolge für bie Äibstimmung vor derselben festgesetzt wird. Von einer solchen Fassungs-Verschiedenheit handelt es sich jedoch in dem vorliegenden Nntendement nicht, sondern es ist von einer wesentlich anderen Frage, Ils die gestern abgestimmte, darin die Rede. Die gestrige Abstim⸗ mung haͤt das Prinzip betroffen, ob alle ständischen Rechte den Ju⸗ den eingeräumt werden sollen oder nicht. Ich muß nun behaupten, daß unter ständischen Rechten im gesetzlichen Sinne nur passive Rechte zegriffen sind, nämlich das Recht, in ständischen Versammlungen zu sitzen. Von aktivem Wahlrecht ist bisher keine Nede gewesen, ich habe wenigstens die frühere Frage nicht so aufgefaßt, als ob dabei den Juden das aktive Wahlrecht genommen werden solle, was ihnen meines Wissens immer zugestanden hat. Nur im Großherzogthum Posen ist es ihnen bestritten worden, namentlich für die Wahlen zum setzigen Provinzial-Landtage, aus welchen der Vereinigte Landtag hervorgegangen ist, worüber sich bekanntlich ein Zeitungskrieg erhoben hat. Wenn also heute vom aktiven Wahlrecht die Rede ist, so sehe ich nicht ein, wie die gestrige Abstimmung prajudizirlich sollte gewe⸗ sen sein. Aber wenn diese Ansicht auch frrig wäre, daß nämlich auch das aktive Wahlrecht in dem gestrigen Amendement mitbegriffen ge⸗ wesen wäre, so hat dasselbe doch keine spezielle Fassung betroffen, sondern ist ganz allgemein gehalten, so daß eine speziellere Frage noch immer zulässig erscheinen würde.— ᷣ
Abgeordn. Milde: Ich kann mich im Allgemeinen nur dem anschließen, was der geehrte Nedner vor mir ausgesprochen hat; Es handelte sich bei der gestrigen Abstimmung nur darum, ob die Juden zugelassen werden sollten, ständische Rechte auszuüben. Das aktive Wahlrecht scheint ihnen aber durch das Gesetz nicht genommen zu sein. So weit ich das Gesetz verstehe, scheint auch der Gesetzgeber nicht daran gedacht zu haben, und nach dem Inhalt der Städte⸗ Ordnung vom Jahre 1808 würde es sich nicht rechtfertigen lassen,
wenn man ihnen dieses Wahlrecht in den Städten nehmen wollte. In den Landestheilen, wo die alte Städte⸗-Ordnung gilt, sind die