Mittel sein wird, dieselben dem Staate nützlicher zu machen, sie von dem verrufenen Schacherhandel abzuziehen; so muß auch in der Fassung des Gesetzes Alles vermieden werden, was jene Absicht nur im Leisesten wieder verdächtigen könnte, und fühlt sich die Ab⸗ theilung zu dem einstimmigen Wunsche veranlaßt, daß der in Rede stehende Paragraph folgende Fassung erhielte: . 4 „In Betreff des Gewerbebetriebes unterliegen die Juden keinen anderen Beschränkungen, als die Christen,“ Marschall: Verlangt Jemand das Wort darüber? (Nein!)
Da es nicht geschieht, frage ich, ob der Antrag der Abtheilung angenommen werden soll? ⸗
Die für die Annahme sind, bitte ich aufzustehen. .
(Wird von der Majorität der Versammlung angenommen.)
Referent (liest vor): . ; 6. 3 Die Juden sind zur Führung fest bestimmter, und erblicher Fa—⸗ milien Namen verpflichtet. Sie haben sich bei Führung ihrer Han—⸗ delsbücher entweder der deutschen oder der sonstigen, unter der Be⸗ völkerung ihres Wohnorts üblichen Landessprache und deutscher oder lateinischer Schriftzüge zu bedienen. Handlungsbücher, in welchen
gegen diese Vorschrift verstoßen ist, haben für den Juden keine Be—
weiskraft. Bei Abfassung von Verträgen und rechtlichen Willens⸗ Erklärungen, wie bei allen vorkommenden schriftlichen Verhandlungen, ist ihnen nur der Gebrauch der deutschen oder einer anderen lebenden Sprache und deutscher oder lateinischer Schriftzüge gestattet. Im llebertretungsfalle trifft sie eine siskalische Geldstrafe von 50 Rthlrn. oder sechswöchentliches Gefängniß.“
§. 38 des Gutachtens.
„Hier war nur auf die Verschiedenheit aufmerksam zu machen, welche zwischen diesem Paragraphen und dem 8. 10 in Betreff der in ubridium eintretenden Geldstrafe stattfindet. Da in den Ge⸗ setzen allgemein eine Geldstrafe von 50 Rthlr. einer Gefängniß⸗ strafe von sechs Wochen gleich erachtet wird, so dürfte dieser Grundsatz auch hier beizubehalten sein.“ ;
Marschall: Wenn Niemand das Wort verlangt, so frage ich, ob der Antrag angenommen werden soll! (Es erhebt sich die Majoritat.) Der Antrag ist angenommen. Eine Stimme: Ich wollte mu lauben. Marschall:
noch eine Bemerkung er⸗—
Es ist bereits abgestimmt.
Referent (liest vor): 8. 539
Was die Verpflichtung zur Ablegung eidlicher Zeugnisse und die diesen Zeugnissen beizulegende Glaubwürdigkeit betrifft, so findet so⸗ wohl in Civil als Kriminal-Sachen zwischen den Juden und Unseren übrigen Unterthanen kein Unterschied statt.“
§. 39 des Gutachtens „unterlag keiner Erinnerung.“
Marfchall: Wenn nichts dagegen erinnert wird, so ist dieser Paragraph als angenommen zu erachten.
Referent (liest vor):
„S. 8 10. So lange ein Anderes nicht verordnet wird, vertritt unter Ju—
den die Zusammenkunft unter dem Trauhimmel und das feierliche An⸗ stecken des Ringes die Stelle der Trauung; das Aufgebot erfolgt durch Bekanntmachung in der Synagoge.
Der die Trauung vollziehende Jude ist verpflichtet, zu prüfen, ob derselben ein gesetzliches Hinderniß entgegensteht und, insoweit von ihm hierbei den bestehenden Vorschriften zuwidergehandelt wird, ver⸗ fällt derselbe in 560 Rthlr. fiskalische Geld- oder 6hHwöchentliche Ge fangnißstrafe. Für den Fall, daß vorhandene Ehe -Hindernisse ihm vor“ der Trauung bekannt gewesen sind, wird diese Strafe verdoppelt.
In den zum Bezirk des Ober Appellationsgerichts zu Köln ge⸗ hörigen Landestheilen bewendet es bei den über das Aufgebot und die Vollziehung der Ehe gesetzlich vorgeschriebenen Förmlichkeiten.“
§8. 10 des Gnutachtens. Wenn es auch, die Sache von Seiten der Juden betrachtet, ganz angemessen erscheinen möchte, denselben in Beziehung auf die Förm⸗ lichkeiten der Ehe volle Freiheit zu lassen, so interessirt doch an— dererseits der Staat in Betracht der civilrechtlichen Wirkungen der
Ehe sehr wesentlich dabei, daß die Formen von der Art sind, daß
sie keinen Zweifel in Beziehung auf den Zeitpunkt ihrer Wirksam keit und ihre Gültigkeit überhaupt zulassen. Dies scheint die Re⸗ gierung selbst empfünden zu haben, indem sie den in Rede stehenden Paragraphen mit den Worten einleitete: „So lange ein Anderes nicht verordnet wird.“ Die Abtheilung erachtete es daher für wünschenswerth, daß der in diesen Worten ausgedrückte Vorbehalt gleich im vorliegenden Gesetze erledigt würde, und stimmte dieselbe einstimmig dafür, daß auch für die Juden die Civil-Ehe eingeführt, insbesondere die für die christlichen Dissidenten erlassene Verordnung vom 30. März d. J. für geltend erklärt werde.
Für den Fall, daß dies geschähe, entstand die Frage, ob nicht auch die Ehe zwischen Christen und Inden freizugeben wäre? Dar— über, daß solches zweckmäßig sein möchte, waren sämmtliche Abthei⸗ lungs-Mitglieder einig, indem ihnen die Ehe zwischen Juden und Christen als das geeignetste Mittel erschien, eine Vermischung dersel⸗ ben herbeizuführen und die Stammes-Sonderung, welche so oft noch Gegenstand der Klage ist, zu beseitigen. Ja, es konnte die Zweck⸗ mäßigkfeit dieser Mischehe um so weniger einem Bedenken unterliegen, als sich auch schon in der Denkschrift S. 7 die Ansicht ausgesprochen sindet, daß in der bisherigen Unzulässigkeit der Ehe ein Grund der Absonderung der Juden von den Christen zu finden sei. Aber eben so erschien der, Abtheilung diese Ehe auch vom religiösen Standpunkte aus unbedenklich zulässiiß. Denn in der christlichen Religion ist kein Glaubenssatz enthalten, welcher die Ehe zwischen Christen und Be—⸗ kennern einer anderen Religion verbietet. Schon das Allg. Landrecht besagt solches, indem es in 8. 36 Tit. 1 Th. II. dieponirt:
Ein Christ kann mit solchen Personen keine Heirath schließen, welche
nach den Grundsätzen ihrer Religion sich den christlichen Ehegesetzeu
zu unterwerfen verhindert werden, ö es also lediglich darauf ankommen läßt, eb auf Seiten des anderen, nichtchristlichen Theiles religiöse Hindernisse der Ehe entgegenstehen und daß Letzteres bei der jüdischen Religion nicht der Fall ist ergicbi das S. 7 der Denkschrift mitgetheilte Gutachten des von Rapolcon berufenen Sanhedrins, welches dahin lautet:
Das jüdische Gesetz verbiete unbedingt nur die Ehe der Juden mit
den sieben kananitischen Völkerschaften, mit den Amaritern, Moabi—
tern und Aegvyptern. Dieses Verbot sei daher nur auf abgöttische
Völker anwendbar, und der Talmud erkläre ausdrücklich, daß als
solche die Christen nicht zu betrachten seien, weil sie den wahren
Gott anbeteten.
Nur vom kirchlichen Standpunkte aus stellen sich einer solchen Mischehe Hindernisse entgegen. Denn so wie nach christlichen Neli⸗ gions-Gebräuchen es nicht leicht angänglich sein würde, daß ein Jude von einem Diener der christlichen Kirche getraut werde, so würde andererseits auch von den Schriftgelehrten der Juden in dieser Be—
1230
ziehung der Mischehe Bedenken entgegengesetzt werden, indem in dieser Beziehung obiges Gutachten des Sanhedrins ferner lautet: Tie Meinung der Rabbiner sei indessen allerdings a fer da zur Eingehung der Ehe nach dem Talmud gewisse religiöse Cere⸗ monien erforderlich seien, welche nur die Glaubensgenossen verbin⸗ den können. Die Heirath sei sonach bürgerlich zwar gültig, werde jedoch von den Rabbinern nicht anerkannt, und es werden die Ehe⸗ leute sich ohne eine feierliche Ehescheidung trennen dürfen.“ Aber wie schon in der christlichen Kirche Bedenken gegen die Ehe von Personen verschiedener Konfessionen bestehen und der Staat darüber hinweggeht, eben so gut kann er Letzteres bei einer Ehe zwi schen Christen und Juden thun, indem er unbekümmert um solche kirch⸗ liche Hindernisse die Form der Ehe und deren Wirkungen civilrechtlich bestimmt. Aus diesen Gründen erklärte sich die Abtheilung, mit 12 Stimmen gegen 3, dafür:
3. c
daß es dem Vereinigten Landtage gefallen möge, bei Sr. Majestät dem Könige die Zulassung der Civil-Ehe zwischen Christen und Juden zu befürworten.
Marschall: Es liegen zwei Anträge vor, die von einander zu unterscheiden sind: ob bei Ehen zwischen Juden und Jüdinnen die Civil Ehe, und ob sie auch bei Verheirathungen zwischen Juden und Christen gestattet sein soll.
Regierungs-Kommissar Brüggemann: Ich hatte mir bei dem Herrn Marschall die Bitte erlaubt, es möge über den ersten Theil des Gutachtens der Abtheilung zuvörderst der Beschluß einer hohen Versammlung herbeigeführt werden, nämlich über die formale Gültig
Wenn daran die Frage geknüpft
porationen, die es zu thun haben sollen.
Christen gestattet sein soll.
gende Gesetz- Entwurf sich gar nicht aussprechen wollen, mme er hat konsequent nur jüdische Verhältnisse behandelt und aus diesem Grunde die setzt angeregte Frage ganz ausgeschieden. Sie ist auch nicht mit in die Diskussion und Berathung von Seiten des Gouver⸗ nements hineingezogen worden, und eben so wenig bin ich für eine solche Diskussion vorbereitet; ich würde daher kaum in der Lage sein, als Vertreter des Ministeriums der geistlichen Angelegenheiten in eine solche Diskussion einzugehen oder erforderlichen Falls Auskunft zu ertheilen. Ich muß daher die Bitte an die hohe Versammlung rich ten, zu erwägen, ob die Frage, was den Christen gestattet sein soll, Gegenstand der Diekussion werden könne, und ob nicht dieser Gegen⸗ stand in Form einer besonderen Petition an des Königs Majestät gebracht werden müsse. Die Frage über die Zulässigkeit der Ehe zwischen Juden und Christen gehört in Beziehung auf die Christen in das Eherecht, welches in dieser Bestimmung Bestimmungen für sämmtliche Unterthanen der Monarchie zu geben hat und wo auch diese Frage weiterer Entscheidung entgegengeführt werden wird.
Referent Sperling: Hierauf erlaube ich mir, zu erwiedern, daß der Gesetz-Entwurf zunächst nur die Bestimmung hat, die Ver hältnisse der Juden zu reguliren, aber offenbar doch auch sehr viele Bestimmungen enthält, welche die Christen sehr nahe angehen. Ich mache nur aufmerksam auf §. 35, der von der Zulassung der Juden zu Aemtern spricht. Ich glaube, in derselben Weise, wenigstens in ähnlicher Weise, sollen die Rechte der Juden in Beziehung auf die Ehe erweitert werden.
Zeichen der Nichtübereinstimmung.)
Außerdem ist erinnert worden, daß der Herr Regierungs Kom missar nicht im Stande sein würde, sich über die vorliegende Frage zu erklären. Ich glaube aber, daß dieser Umstand uns nicht verhin— dern kann, uns über das, was wir für zweckmäßig halten, in Form einer Bitte auszusprechen. Es bleibt ja dem Gouvernement immer noch vorbehalten, die Sache zu prüfen und zu erwägen, ob darauf einzugehen sei oder nicht.
Regierungs-Kommissar Brüggemann: Ich muß mir zu be merken erlauben, daß in Betreff der Zulassung zu Aemtern nirgends die Frage vorliegt, zu welchen Aemtern Ch risten zugelassen werden sollen, sondern nur die Frage, zu welchen Aemtern Juden zugelas⸗ sen werden sollen, und das trifft eben den Unterschied, den ich her vorzuheben mir erlaubt habe. Im Uebrigen will ich dem Beschlusse nicht vorgreifen, sondern habe nur die Ansicht des Gouvernements über seine Stellung zu der Frage andeuten wollen.
Beifallsbezeigung.)
Abgeordn. Graf Renard: Was der geehrte Rath, der Krone uns hier gesagt hat, bezieht sich nach meiner Ansicht lediglich auf die Frage: soll ein Antrag auf die Zulässigkeit einer Civil-Ehe zwischen Juden und Christen die Form und die Abstimmungsregel einer Peti flon oder eines Amendements zu einer Proposition annehmen? In sofern muß ich dem geehrten Rath der Krone vollkommen beipflich⸗ ten, daß es eine Petition ist, die wir hier bei Gelegenheit, der Be rathung über die Proposition anknüpfen. Ehe ich aber näher mich auf die Sache einlasse, muß ich fragen, ob die Versammlung geneigt ist, mich anzuhören und darauf einzugehen, wenn nicht, so werde ich mich des Wortes enthalten. . . .
Marschall: Es ist ein Vorschlag, den die Abtheilung in ihrer Majorität] gemacht hat, also muß er zur Berathung kommen.
Abgeordn. Graf Renard: Ich habe schon im Allgemeinen den Antrag auf vollkommene unbeschränkte Emancipation der Juden formirt und bleibe bei diesem allgemeinen Antrage stehen; ich bin aber mit der Ansicht, sowohl des Herrn Marschalls als der Ver⸗ sammlung in der Art nicht einverstanden, daß wir uns überhaupt auf bestimmte Fragen über einzelne Momente eingelassen haben, über einzelne Rechte, einzelne Pflichten und einzelne Maßnahmen. Ich bin' mit mir seibst dadurch in Zwiespalt gerathen, da ich mehrmals nicht genau wußte, ob ich meiner Ansicht getreu bleibe, wenn. ich mich in solche Spezialitäten einließ, oder ob ich von meinem Pfade abweiche. Da nun aber der Gegenstand einmal, augeregt ist, so müssen wir uns auch weiter darauf einlassen, ich wünsche nur zuvör⸗ derst, daß der religiöbse Standpunkt eines einzelnen Juden und ein— zelnen Christen hier ganz verlassen werde. Ich hätte überhaupt ge— wünscht, daß die Frage den zeligiösen Standpunkt gar nicht be⸗ rührt? und sich blos auf den Nechtspunkt eingelassen hätte. Wenn nun aber einmal! der religiöse Standpunkt in Frage gezogen worden, so muß ich noch etwas darüber zu äußern mir erlauben. Ich hätte gern Hebräisch lernen mögen, um den Talmud in der Ur sprache zu lesen, um mich mit seinen Lehren gründlich vertraut zu machen und diese Lehren bei der Versammlung vertreten zu können; allein mein Kopf ist zu alt und zu grau, um noch zu lernen, und ich muß daher um Vergebung bitten, wenn es nicht geschehen ist. Einer Ueberzeugung bin ich mir aber doch bewußt, eine Wahrheit ist mir klar, nämlich daß im mosaischen Gesetz nichts enthalten sein kann, was dem Gesetz der Liebe und der Gerechtigkeit widerspreche, denn wäre so etwas darin enthalten, so wäre das ein großer Irrthum, aber ein Dogma, auf einem großen Irrthum basirt, hätte nicht Jahr⸗
tausende bestehen können. Nehme ich nun an, daß auch der mosai⸗ sche Glaube das Gesetz der Liebe und Gerechtigkeit anerkennt, so sehe ich nicht ein, warum nicht eine civilrechtliche Ehe zwischen Juden und Christen stattfinden soll, als Sühnemittel nationalen Hasses. Ich glaube nicht, daß die Gesetzgebung von der unbedeutenden Majorität, die mitunter sogar in eine Minorität überging, Veranlassung nehmen werde, den von uns gestellten Anträgen Folge zu geben, ich wünschte aber, daß sich eine so große Majorität für die civilrechtliche Ehe zwischen Juden und Christen ausspräche, daß das Gouvernement be— wogen werden könnte, darauf einzugehen. Im Allgemeinen muß ich auf meine früheren Aeußerungen zurückkommen und erklären, daß es gar nicht meine Meinung ist, das Judenthum zu privilegiren, sondern die Juden zu emanzipiren. Abg. Tschocke: Wenn ich mich bei der bereits vier Tage lang dauernden Diskussion nicht weiter betheiligt habe, als durch Abgebung meiner Stimme, so sehe ich mich doch jetzt gedrungen, meine Ansicht in Bezug auf den vorliegenden Paragraphen auszusprechen, nament⸗ lich in Bezug auf die von der geehrten Abtheilung gemachten beiden Vorschläge, die dahin gehen: daß für die Juden ebenfalls die Ge setze der Civil-Ehe erlassen werden, wie für die christlichen Dissiden⸗ ten, und in Bezug auf den zweiten Vorschlag, daß nämlich eine Ver heirathung zwischen Juden und Christen stattsinden möge. Meine Ansicht will ich mit Folgendem motiviren: Nichts, meine Herren ist wohl natürlicher, als die Verschiedenheit und der Wechsel der Mei— nungen und Neigungen der Menschen; beide sind entweder momentan und spurlos vorübergehend oder bleibend und in diesem Falle für das menschliche Geschick, oft für das gauze Leben des Menschen iutschei dend. Unter diese letzteren darf wohl gerechnet werden die Neigung eines jungen Mannes zu einem Wesen des anderen Geschlechts, cine Neigung, mit der Absicht verbun en, sich mit ihm 1 verehe⸗ sichen und dadurch sein Lebensglück zu gründen. Nun sollte man glauben, einer solchen Neigung, verbunden mit einer sol⸗ chen Absicht, könne nach göttlichen und menschlichen Rechten nichts entgegensehen; dem ist aber nicht so. Die Landesgesetze behindern eine solche Verbindung, sie behindern sie aber nicht darum, weil der eine oder andere Theil Grundsätze sich angeeignet hat, die mit der Moral, den guten Sitten und bürgerlichen Pflichten, oder aber mit der Verehrung eines alleinigen wahren Gottes in Widerspruch stehen, sondern lediglich deshalb, weil der Jude eine andere Form der Got⸗ tesverehrung hat, weil er des Glaubens lebt, in welchem er erwach sen und erzogen ist, und bei diesem Glauben sein zeitliches, ewiges Glück zu finden hofft. Ich glaube daher, daß demnach 333 . wendiger sei, als ein Antrag auf Beseitigung eines solchen a. und die Erlassung eines besseren, humaneren an dessen Stelle. Es ist vielseitig schon angeführt worden im Laufe der Woche, daß . schroffe Sonderung der Juden die Ursache dessen ist, worüber sie ich beklagen, und daß sie sich durch ihre Eigenthümlichkeiten allzu sehr vom Christen unterscheiden. Sie sind ferner der Arbeitsschen, des Wuchers und Betruges beschuldigt worden, ich habe hierüber nicht zu entscheiden. Insofern aber dies Alles gegründet ißt, halte ich es für ein Motiv mehr für die von mir ausgesprochene Ansicht, d. h., für die Annahme der beiden gestellten Anträge. Ich erkläre mich sonach mit beiden Vorschlägen einverstanden, weil ich die vnn Ueberzeugung habe, daß die schroffe Absonderung der Juden, die Abweichung ihrer Sitten und Gebräuche von denen der Christen durch gegenseitige Verehelichung mit diesen am schnellsten und sichersten beseitigt werden würden, sicherer als durch die besten Missionsprediger. . .
Abgeordn. Graf von Schwerin Meine Herren! Ich muß mich in dieser Frage entschieden auf die Seite des Herrn Ri ern g. Kommissars stellen. Ich glaube, die Frage, welche die Abt ö. 9 uns hier zur Entscheidung vorgelegt hat, gehört nicht zur En 1 6 dung bei Gelegenheit dieses Gesetzes. Sie ist herbeigezogen . wir haben so viele wichtige Fragen zu entschciden innerhalb der Gränzen des Gesetzes, so daß wir keine Veranlassung haben, uns zu beschäftigen mit Fragen, die außerhalb desselben ö Ich theile die Auffassung des Herrn Regierungs Kommissars. Es handelt sich in dem Gesetze nur um Anerkennung derjenigen Form der Gheschlie ßung, die der Staat verlangen will, und da trete ich dem ersten Au- trage der Abtheilung bei, daß es dem Staate vollständig genügen kann, wie es bei christlichen Dissidenten genügt, wenn die Form de Civil Ehe stattfindet. Was dagegen den zweiten Antrag betrifft, daß die Bitte gestellt werden soll, Se. Majestät der König möge die Ehe zwischen Juden und, Christen gestatten, so gestehe ich, die Frage ist so tiefgehend, daß ich sie weder affirmativ, noch negativ heute ent— scheiden möchte, und ich möchte die hohe Versammlung davor ver wahren, sich durch Entscheidung auf, die eine, oder die andere Weise zu präjudiziren. Ich bitte zu beschließen, diese Frage jetzt von der Hand zu weisen. ö
Abgeordn. von Saucken: Es thut mir leid, diesmal gegen den von mir sehr geehrten Redner der Provinz Pommern mich aussprechen zu müssen. Ich glaube, wir haben in Berathung — wie es mit Aus⸗ bung des Patronatrechtes gehalten werden soll, gerade gezeigt, daß wir Uns nicht blos mit den Rechten der Juden beschäftigen, indem wir die Verhältnisse der christlichen Gemeinden den Königlichen Kon⸗ sistorien gegenüber regulirt haben. Wir haben bestimmte Beschlüsse darüber gefaßt und sind also darauf eingegangen, welche Rechte Chri sten auszuilben haben. Wir haben nicht Anstand genommen, de l ber abzustimmen, weil das Erste, das Verhältniß des Patrons, das Zweite, das Verhältniß der christlichen Gemeinde, daraus folgt. In dieser Beziehung kann ich nicht glauben, daß diese Bestimmung fern davon liegt. Es ist hier zu bestimmen, wie die Ehe unter den Juden die jenige Gültigkeit haben soll, die der Staat ihnen beizulegen wünscht oder nicht. Babei die Regulirung der Ehen zwischen Juden und Chris sten zu berühren, gehört wohl hlerher, ünd es kommt nur darauf au, ob die hohe Versammlung ihre Ansicht dahin aussprechen will, daß, wenn das Heiligste, was in dem Menschen lebt — die Liebe, die zwei Menschen für das ganze Leben, verbindet, — wenn diese zwischen Ehristen und Juden besteht, ob ihr Folge gegeben werden soll, oder ob Einer dann gezwungen sein soll, sein Glaubensbekenntniß erst ab zuschwören. Darum handelt es sich hier, und ich glaube, win sind nicht blos im Recht, sondern wir handeln auch nach unserer Pflicht, wenn wir sagen, ob ein dergleichen Verhältniß stattsinden möge, näm- lich, daß der Staat die Civil-Ehe insosern gestatte, daß die Rinder, die aus einer solchen Mischehe hervorgehen, ganz die Rechte haben, wie die übrigen, wo ein verschiedenes Glaubensbekenntniß stattfindet. Ich würde bitten, diesen Antrag also nicht als . betrachten, der nicht hierher gehört, sondern ihn als , naheliegenden . sehen. Ich muß ihn entschieden der hohen BVersammlunß en ft hlen.
Abgeordn. Steinbeck: Herr Wand tags Marschall. Wäre der Staat nichts als ein Aggregat von Individuen, so würde die Gesetz⸗ gebung sehr übel thun, wenn sie überhaupt sich in die Verhältnisse der Ehe der Staatsbürger mischte. Es möchten dann Alle thun und lassen in dieser Beziehung, was sie wollten, und sehr schnell würde ber Staat auf den Zustand zurückgelangen, auf dem wir ihn etwa im Innern von Afrika oder bei den Wilden von Nord-Amerika und auch da kaum unter den rohesten Völkern erblichen. Der Staat aber ist gebildet aus Familien. Die Familienbande sind es, die den Staats- bürger befähigen, in den Staalsverband fest und so sich einzuschlingen, daß die Verknüpfung mit diesem Verbande fortdauere für ihn und
alle seine Nachkommien. Darum ist es stets die Heiligkeit dieser
Bande gewesen, welche es bewirkt hatten, daß man auch bei Völker⸗ schasten, die sich eines geringeren Grades von Civilisation erfreuten, die Ehe nicht als etwas Unbedeutendes, sondern als das Wichtigste be⸗ trachtete, was durch die Gesetzgebung berührt werden konnte. Dies anerkennend, sind die Ehen zwischen Christen und Juden auch da, wo sie erlaubt sind, weder von dem einen, noch dem anderen Theile als etwas Wünschenwerthes aufgefaßt. Sie sind mehr als nur etwas ausnahmsweise betrachtet worden. — Dies ist etwas, was man nicht hinüberziehen darf auf die Verhältnisse christlicher Kirchen. Es kann sein, daß eine oder die andere Konfession es nicht wünscht, daß die Familienglieder ihrer mit Familiengliedern anderer Konfession eheliche Verbindungen eingehen. Aber es steht dabei nichts im Wege, was aus innerer Nothwendigkeit hervorgeht, sondern es ist nur etwas, was sich auf dogmatischen Begriffen, auf gesetzlicher Organisation der Kirche gründet. Der Unterschied aber der Ehe zwischen Christen und Juden ist ein unendlich weiter. Die Heiligkeit der Ehe der Christen, ja diese Heiligkeit, sie ist das Größte, Erhabenste im Leben des Christen. Die Kirche hat die Ehe zum Sinnbilde für etwas so Ho hes gemacht, als der Nichtchrist nicht sich aneignen laun. Sie ver⸗ bindet den' Christen durch ihre kirchliche Bedeutung mit dem Erlöser. Anders ist es mit der Ehe der Juden, sie ist stets echte und wahr— hafte Civil Ehe, sie trägt aber auch ganz den Charakter jener orientalischen Verhältnisse in denen der Mann das Weib kauft. Die noch heutige judische Trauungsformel ist' diese: „Ich traue Dich mir an.“ Mit diesem Wort hat der Mann das Weib, die Sklavin, sich zu eigen ge⸗ macht. — Daher kommt es, daß sich sogar mehrere sehr bedeutende neuere Rabbiner doch nur bedingt für eine kirchliche Ehe zwischen Juden und Christen aussprechen. Ich habe einige solche Vota zur Hand und will sie ganz kurz erwähnen. Das Eine ist das Votum des pariser Sanhedrin, welches lautet:
„Das jüdische Gesetz verbietet unbedingt nur die Ehe der Juden mit den 7 kananitischen Völkerschaften, mit den Ammonitern, Moabi⸗ tern und Aegyptern. Dieses Verbot ist daher nur auf abgöttische Völ— ker anwendbar, und der Talmud erklärt ausdrücklich, daß als solche die Christen nicht zu betrachten seien, weil sie den wahren Gott an— beteten. Die Meinung der Rabbiner ist indessen allerdings dagegen, da zur Eingehung der Ehe gewisse religiöse Ceremonien erforderlich sind, welche nur die Glaubensgenossen verbinden können. Die Ehe würde daher von den Rabbinern nicht eingesegnet und nur als bür— gerliche Ehe bestehen. Die Kirche, welche in diesem Falle ein kirch— liches Band gar nicht anerkennt, würde daher auch bei einer willkür lichen Auflösung der Verbindung nichts zu erinnern haben. Doch würde der jüdische Theil durch Eingehung einer solchen Ehe nicht von der kirchlichen Gemeinschaft ausgeschlossen werden.“ Zweitens das Votum der 1844 in Braunschweig abge—
. HHoölten'nkn Ra bbinerversammlung.
Die Ehe eines Juden mit einer Christin, so wie mit Anhängern monotheistischer Religionen überhaupt, ist nicht verboten, wenn den Aeltern von den Staatsgesetzen gestattet ist, die aus solcher Ehe er— zielten Kinder auch in der jüdischen Religion zu erziehen.
Drittens das Votum des meklenburger Landesrabbiner
ö. ö Dr. Holdheim.
1) Die Ehe ist im Judenthum wesentlich Civilehe; in der Form der Eingehung, sie sei was immer für eine, erkennt der Jude nur eine gültige Rechtsform, die die gegenseitige Einwilligung, welche das allein bindende Moment ist, sichtbar werden läßt. Die Ehe mit Nichtjuden ist gestattet, da die verschiedene Reli— gion kein Hinderniß des ehelichen Zusammenlebens und der Er— füllung aller Pflichten der Ehe sein kaun; ein Volksunterschied, wie eine besondere Heiligkeit des jüdischen Volksstammes, wird vom gegenwärtigen Religionsbewußtsein der Juden in Deutsch— land entschieden geleugnet.
Der Jude kann, wenn er eine Christin heirathet, sich nach den
Grundsätzen seiner Religion der Trauung durch einen christli—⸗
chen Geistlichen nach dem Ritual der preußischen und jeder an
deren evangelischen Agende ohne den mindesten Skrupel unter— werfen.
Ich verliere über diese Vota nicht ein Wort, sie sprechen für sich selbst. Wenn wir aber den inneren Unterschied des Charakters bei- ber Ehen anerkennen, so wird es uns bedenklich erscheinen, einer Ehe das Wort zu sprechen, über die keine christliche Kirche den Segen des Himmels herabwünschen kann. Keine, sage ich, laute es inhu man, wie es wolle. Es ist der Gesichtspunkt aller, und diese Ver sammlung besteht bis zu diesem Augenblicke noch nur aus Christen.
Abgeordn. von Byla: Was den ersten Punkt anlangt, nämlich die Ehe unter Juden, so haben sich bis jetzt darüber in der Ver— sammlung noch keine Bedenken erhoben, und die im Gutachten dafür angeführten Gründe sind wohl so genügend, daß es nicht nöthig, sich hierüber noch weiter auszusprechen. Was aber den zweiten Punkt anlangt, nämlich die Zulassung der Ehe zwischen Juden und Christen, so habe ich mich in der Abtheilung ebenfalls dafür erklärt, und zwar aus dem Grunde, welchen ich schon bei Gelegenheit der allgemeinen Berathung dieses Gesetz-Entwurfs näher ausgeführt.
Ich habe nämlich damals gesagt, wenn es uns wahrhaft Ernst ist, eine nachhaltige Gleichstellung der Juden mit den Christen her beizusühren, so sei es durchaus nöthig, daß wir zuvörderst die Haupt schranken, welche gegenwärtig noch zwischen Juden und Christen be— stehen, niederreißen und dann auf dem hierdurch erlangten freien Terrain die neue Verfassung der Juden gründen. Als eine solche Hauptschranke betrachte ich aber auch das Verbot der Ehe zwischen Juden und Christen. Es ist gar keine Frage und von einem der letzten Nedner schon angeführt, daß das Familienleben der Grund pfeiler ist, worauf das Staats Gebäude ruht. So lange daher in dieser Hinsicht noch eine vollständige Trennung zwischen Juden und Christen besteht, wie ist es dann möglich, in irgend einer anderen Hinsicht eine nachhaltige Gleichstellung zwischen beiden in bürgerlicher Beziehung herbeizuführen. Aus diesem Grunde stimme ich für das Abtheilungs- Gutachten Seite 34.
Abgeordn. Haxpthausen: Ich erlaube mir eine allgemeine Bemerkung. Die Ehe zwischen Katholiken und Juden ist nach dem Gesetz der katholischen Kirche verboten und daher ungültig; da im Verlaufe der Diskussion schon mehreremale Meinungen geäußert und Vorschläge gemacht sind, welche die Rechte der katholischen Kirche verletzen, namentlich bei der Diskussion über die Besetzung der Schul— stellen durch jüdische Lehrer bei christlichen Schulen, also inkl. katho⸗ lische Schulen, Gymnasien, Seminarien und Universitäten, so sehe ich mich bei dieser Gelegenheit veranlaßt, hiermit einen Protest ein— zulegen, welcher die garantirten Rechte der katholischen Kirche sichern soll, und ich ersuche diejenigen katholischen Mitglieder der Versamm lung, welche mir hierin beistimmen, dies durch Aufstehen Marschall: Eine solche Aufforderung können Sie nicht stellen; sie könnte nur vom Marschall ausgehen. —
(Der Redner verläßt die Tribüne.) 2 , n r eitreten, welche von dem hochgeehrten Herrn Abgeordneten, der, Ritterschaft aus Pommern hier bereits vorgetragen sind und dahin gingen, den Gegenstand aus der Berathung des vor— liegenden Gesetzes überhaupt fallen zu lassen. Wenn mir nun gleichwohl ein derartiger Gegenstand zur Beschluß nahme vorgelegt wird,
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bedarf es nicht allein dieses Gesichtspunktes, sondern mich bestimmen auch einige andere Momente, mich gegen das zur Berathung stehende Amendement zu erklären. Die Gesichtspunkte, insofern sie auf den Begriff der christlichen Ehe basirt sind, sind bereits von mehreren Rednern ausgeführt worden; doch möchte ich ein Verhältniß noch genauer hinstellen, nämlich, daß es sich nicht blos darum handelt, ein neues Familienrecht für die Ehegatten zu schaffen, sondern daß die Versammlung auch daran denken möge, daß durch diesen Beschluß ein neues Familienrecht für die Kinder entsteht, die aus diesen Ehen zweifelsohne hervorgehen möchten. Ich habe bemerkt, daß früher don Mehreren geäußert wurde, daß in dergleichen Ehen ein sichereres Mittel gefunden werde, um das Judenthum aufzulösen. Man scheint von der Voraussetzung ausgegangen zu sein, daß sämmtliche Kinder, welche aus einer solchen Ehe entstehen, in der christlichen Religion erzogen werden würden. Ich muß mich meinerseits entschieden gegen eine solche Bekehrungsweise aussprechen. Die Juden, welche auf derartige Weise uns für das Christenthum gewonnen werden, deren Bekehrung ist wahrlich nicht sehr hoch anzuschlagen, und bei dieser Gelegenheit besinde ich mich mit den Herren ganz auf demselben Standpunkte, die immer für eine freie Bewegung stimmen. Ich würde nimmermehr das Familienrecht dahin ausdehnen können, daß sämmtliche Kinder in der christlichen Religion erzogen werden müssen. Nun frage ich Sie aber, meine Herren, welche Verhältnisse würden herbeigeführt werden, wenn solche Mischehen durch das Gesetz sanctio
nirt werden? Das Gesetz würde Familien als rechtlich begründete erklären, von denen ein Theil dem christlichen, ein anderer Theil dem jüdischen Glauben anhängen würde. Es ist früher gesagt worden, bei der Ehe selbst würde die Liebe, die zwischen den Gatten besteht, diese Meinungsverschiedenheit beseitigen; in welcher Weise aber wür
den die Kinder, die mit dem Eintritt in das Leben noch nicht zum Bewußtsein dieser Liebe gelangt sind, diese Religionsverschiedenheit beseitigen? Ich muß mich daher entschieden gegen jede gesetzliche Anordnung aussprechen, welche ein Familienleben herbeiführen würde, worin ein Theil dem christlichen Glauben, ein anderer Theil dem jü— dischen Glauben folgen müßte, und daß die Fortsetzung einer solchen Glaͤubensverschiedenheit gesetzlich sanctionirt werde, dadurch, daß die Mischehen ein gesetzliches Fundament erhalten.
Abgeordn. Aldenhoven: Ich komme hierher, um mich dem Piotest, welchen ein Mitglied der katholischen Kirche provozirt hat, nicht anzuschließen; ich selbst bin Katholik, und ich wünsche, daß die ehrenwerthe Versammlung fortfahren möge, die Kirche vom Staat zu emanzipiren.
(Bravo von einigen Seiten.)
Was bei der katholischen Kirche Rechtens ist, daran haben wir uns hier nicht zu kehren. Die katholische Kirche erlaubt die Ehe— scheidung nicht. Hier werden wir uns aber nicht einfallen lassen, gegen eine Civil-Ehescheidung zu sprechen; die katholische Kirche ver bietet Manches, was mit den staatlichen Verhältnissen nicht im Zu— sammenhange steht. Wer sich darum kümmern will, der mag es thun; er mag es mit seinem Gewissen vereinbaren, wir haben uns hier aber nur auf den staatlichen Standpunkt zu stellen, und von diesem müssen wir die Gesetze, die wir berathen, betrachten.
(Bravo.)
Aus diesem Grunde, abgesehen davon, ob der vorliegende Vor schlag in die Diskussion dieses Gesetzes gehört, diesen Gegenstand will ich übergehen, aus diesem Grunde wünsche ich, daß wir Alles herbeiführen, wodurch die Civilakte in Vollzug kommen kann. In Belgien und in Frankreich, diesen beiden ganz katholischen Ländern, ist kein Unterschied gemacht, ob der Christ mit einem Juden eine Ehe eingeht. Die Civilstands- Beamten kümmern sich gar nicht darum. Diesem Beispiele können wir in unserem Lande, wo die Konfessionen so gemischt sind, gewiß folgen. Darum schließe ich mich dem An— trage der Abtheilung an.
Bravo.)
Abgeordn. Fiebig (vom Platz): Eine Bemerkung wollte ich
mir erlauben. Die Ehe bei katholischen Christen ist ein Sakrament, und es scheidet der Katholik, der eine Jüdin heirathet, aus dem ka tholischen Kirchenverbande ganz aus. Abgeordn. von Meding: Ich will auf die Erörterung der formellen Frage nicht eingehen, ob wir überhaupt berechtigt sind, über den vorliegenden Gegenstand, nämlich über die Einführung einer Ehe zwischen Juden und Christen, zu diskutiren.
Ich will für dasjenige, was ich sagen will, voraussetzen, daß wir formell dazu berechtigt wären. Wenn wir aber dazu berechtigt sind, dann glaube ich die Versammlung darauf ausmerksam machen zu müssen und sie zu bitten, daß es reiflich erwogen werde, ob für einen so außerordentlich wichtigen Gegenstand, wie dieser doch ohne allen Zweifel ist, bei uns eine gehörige Vorbereitung stattgefunden hat. Es sind uns Anführungen gemacht worden über die jüdischen Ehegesetze; ich lasse ganz dahingestellt sein, ob diese Anführungen richtig waren, aber ich glaube, daß die Versammlung völlig überzeugt sein kann, daß sie in ganz überwiegender Majorität keine genaue und vollständige Kenntniß von den jüdischen Ehegesetzen hat. Wir werden doch aber nicht wollen, daß die Juden, denen wir die Ehe mit den Christen gestatten wollen, ohne Weiteres von ihren Religionsbegriffen abgehen sollen, wenn sie Ehen mit Christen eingehen. Es ist nicht in Abrede zu stellen, daß die Zulassung der Ehe zwischen Juden und Christen die ganze christliche Bevölkerung des Staates viel mehr be rührt, als die Verleihung eines anderen bürgerlichen Rechtes an die Juden, indem das Erstere in das tiefste und innerste Leben der christ lichen Bevölkerung eingreift. Von eben so großer allgemeiner Be—⸗ deutung ist die Frage, ob die Civil- Ehe allgemein eingeführt werden soll; es lassen sich dafür ebenfalls sehr vele und gute Gründe an führen, aber es stehen auch gewiß eben so gute Gründe entgegen. Eine so wichtige Frage, scheint mir, können wir unmöglich mit der Schnelligkeit, wie es jetzt verlangt wird, und ohne eine sehr gründ- liche Erörterung aburtheilen.
Abgeordn. Graf von Schwerin: Eben weil ich, wie der Ab— geordnete der Landgemeinde aus der Rheinprovinz, glaube, daß man nur den staatsrechtlichen Gesichtspunkt festhalten muß, glaube ich auch, daß die Frage hier ihre Entscheidung nicht erreichen kann. Der Staat hat sich nur darum zu bekümmern, in welcher Form die Eheschlie—
halb Hand weise. (Viele Stimmen: Bravo!) Referent Sperling: Ich würde ganz der Ansicht sein, daß die Frage: Ob die Ehe überhaupt zulässig sei? nicht in Erörterung
so kann ich nichts Anderes thun, als dagegen zu stimmen; 'indessen
richten sei, wenn nicht wirklich der Fall vorgekommen wäre, daß eine solche Ehe geschlossen worden und jeßt aufgelöst werden soll. Insofern scheint es doch von Interesse zu sein, die Erörterung der Frage fort⸗ zusetzen und zum Schlusse zu führen.
, , Ich bin nicht einverstanden mit der don. dem verehrten , neten aus Pommern eben geäußerten Ansicht; nach meiner Ueberzeugung gehört der Hhegenstand aller bings hierher. Wir berathen ein Gesetz, nach welchem die Rechte der Jů⸗ den bestimmt werden sollen. Es handelt sich im Gesetz nicht davon mit einem Worte zu sagen: Die Juden sollen alle Rechte gleich den Christen haben, sondern das ganze Gesetz ist ja weiter nichts, als eine Fest⸗ setzung derjenigen besonderen Rechte, die eingeräumt werden sollen. Nun 'ist aber in den östlichen Provinzen, wo das Landrecht gilt, den Juden untersagt, sich mit Christen zu verheirathen; bei uns am Rhein ist es nach den bestehenden Gesetzen erlaubt. Ich weiß we⸗ nigstens nicht, daß, seitdem unser Land preußisch geworden ist, eine Abänderung in unserer Gesetzgebung in dieser Hinsicht gemacht wor— den wäre. Es frägt sich nun, ob wir, an dem Punkte der Ehe angelangt, ein Amendement annehmen wollen, welches die Abtheilung voischlägt, und wodurch ihr Recht ausgedehnt wird. Es handelt sich hierbei nur um das Civilrecht, das religiöse haben wir nicht zu un⸗ tersuchen, dies ist dem Gewissen überlassen. Es handelt sich also nur vom Civilrechte, und insofern gehört der Gegenstand allerdings zur Berathung hierher.
(Ruf zur Abstimmung.)
Abgeordn. von Bardeleben: Zuvörderst, meine Herren! will ich mir erlauben, dem Einwande des Herrn Regierungs- Kommissars zu begegnen, daß bei diesem Gesetz-Entwurf die Juden allein bethei⸗ ligt sind. Im 5§. 25 und den folgenden, bei den Schuleinrichtungen ist ausdrücklich bestimmt worden, daß, wenn Juden Schuleinrichtungen vornehmen wollen, dazu ein Theil der christlichen Gemeinde, die Stabt⸗ verordneten ꝛc. ihre Zustimmung dazu geben müßten, also sind offen⸗ bar die Rechte der Ehristen dabei betheiligt. Ich glaube daher nicht, daß man sagen kann, die Christen sind gar nicht dabei betheiligt, sie haben im Gegentheil bei Gelegenheiten, wo die Juden Beschlüsse zu fassen haben, das Recht, diese Beschlüsse aufzuheben, deshalb dürfte nach meinem Dafürhalten die Versammlung unbedenklich berechtigt sein, in der in Rede stehenden Beziehung ein Amendement zu dem Gesetz-Entwurf zu machen und ihr Gutachten Sr. Majestät dem Kö⸗ nige auszusprechen. Was übrigens die Ehe zwischen Juden und Chri⸗ sten anbetrifft, so will ich auf diesen Gegenstand nicht tiefer eingehen und mich überhaupt einer Beurtheilung der Ehe in ihrer großen und heiligen Bedeutung enthalten und will nur anführen, daß in der ersten Zeit der Christenheit die Apostel eine solche Ehe gestattet ha⸗ ben und ich es mir nicht erklären kann, wie wir heute apostolischer sein wollen, als es die Apostel selbst waren, und zwar zu einer Zeit,
in der das Christenthum gewiß reiner und lebendiger dastand, als heute. Außerdem kann nicht in Abrede gestellt werden, daß in dem größten Theile der gebildeten Welt sich entschieden die Meinung für die Ehe zwischen Juden und Christen ausspricht. Ist es aber mög⸗ lich, daß eine Einrichtung, wie die gegenwärtige, auf die Länge der Zeit sich, der öffentlichen Meinung entgegen, ohne große Nachtheile und Konflikte herbeizuführen, halten kann? Wie bereits angeführt, so sind in einigen Ländern, z. B. in Frankreich, England, Kurhessen, Weimar und Belgien, diese gemischten Ehen gestattet. Es ist nun vorgekommen, wie das nicht ausbleiben kann, daß Ehen zwischen Ju⸗ den und Christen in anderen Ländern geschlossen waren und daß die Eheleute zurückgekommen sind und hier auf gerichtlichem Wege ge⸗ trennt werden sollten. Ein solcher Fall hat sich in Königsberg in Preußen ereignet, woselbst eine solche gemischte und vollständig glück⸗ liche Ehe in der ersten richterlichen Instanz auf Veranlassung des Kultus-Ministeriums als ungültig erklärt worden ist. Ich erkläre, daß ein solches Verfahren nur Skandal bereitet, dem man für immer ein Ende machen muß, und kann ich mich daher aus den angeführten Gründen für die gesetzliche Zulassung der Ehen zwischen Juden und Christen nur auf das bestimmteste entscheiden.
Regierungs-Kommissar Brüggemann: Nur wenige Worte zur Berichtigung der vorgekommenen Aecußerungen will ich mir erlauben. Daß die Christen bei den in Rede stehenden Bestimmungen nicht be⸗ theiligt sein sollten, habe ich nicht ausgesprochen, und ich hoffe, man wird mir wohl zutrauen, daß ich eine Betheiligung der Christen an den in dem Gesetz-Entwurfe enthaltenen Bestimmungen wohl erkannt habe. Die angezogenen Paragraphen handeln aber ausschließlich von der Einrichtung öffentlicher jüdischer Schulen, und unter welchen Ver⸗ hältnissen sie zu Staude kommen sollen. Dabei ist die städtische Be⸗ hörde allerdings betheiligt und mutzte berücksichtigt werden. Eine hier zu treffende Analogie würde aber nur dann vorliegen, wenn in dem Gesetze Bestimmungen getroffen wären darüber, unter welchen Verhältnissen christliche Schulen errichtet werden sollen; dann würde ich diese Analogie anerkennen. Die jetzt vorliegende Frage schließt aber eben die Frage in sich, ob den Christen gestattet werden soll, sich mit Juden zu verheirathen.
Abgeordn. Möwes: Nach dem Gange zu urtheilen, den die De⸗ batte jetzt genommen hat, scheint die Voraussetzung Platz gegriffen zu haben, als wären die Ehen zwischen Juden und Christen gesetzlich untersagt. Diese Voraussetzung ist aber so unbedingt nicht richtig. Wenigstens habe ich in unserem Allgemeinen Landrecht keine Bestim⸗ mung gefunden, welche diese Ehen verbietet, vielmehr lautet die auch in dem Gutachten angeführte Gesetzesstelle, (8. 36 Tit. 1 Th. II. A. L. R.), nur dahin:
„Ein Christ kann mit solchen Personen keine Heirath schließen, welche
nach den Grundsätzen ihrer Religion sich den christlichen Ehegesetzen
zu unterwerfen gehindert sind.“
Um nun beurtheilen zu können, ob diese Bestimmung auf die Juden Anwendung findet, würde man zuerst die jüdischen Religions⸗ grundsätze studiren müssen, und nur dann erst würde man eine Ueber zeugung haben können, ob jene den christlichen Ehegesetzen zuwider laufen. Es ist bereits von dem Herrn Referenten erwähnt werden, daß dergleichen Fälle bestehen, in welchen Juden und Christen ⸗ tiger Ehe leben. Wenn aber ein einzelner Fall vorgekemmen ist welchem eine solche Ehe nicht geduldet werden soll, so kann mat denselben nicht eher urtheilen, ehe man nicht bestimmt weiß, chen Gründen diese Ehe aufgelost worden. Diese Gründe die geehrten Redner, welche diesen Fall erwähnt haben, schuldig blieben. Ich erlaube mir auch noch auf den 8. A5 Tit. 1 Th.
A. L. R. hinzuweisen, der es noch klarer macht, daß dergleichen Ehen
geradezu gesetzlich nicht verboten sind. Er lautet: ;
„Insoweit als der Unterschied der Religion von Anfang an ein Edehinderniß ist, insofern giebt ein Ebegatte durch Verän⸗ derung seiner bisherigen Religien dem Anderen einen rechtmäßigen Anlaß, auf Scheidung zu klagen. .
Wenn nun zwei Eheleute jüdischer Religion in der Ehe mit ein⸗ ander gelebt haben, und einer derselben geht zur christlichen Religien über, sos wird die Ehe deshalb nicht obne Weiteres ungültig, was der Fall sein würde, wenn Ehen zwischen Juden und Christen verboten wären. Ja, der andere Ehegatte lann aus einem solchen Uebertritte wobl Veranlassung nehmen, die Trennung der Ehe zu beantragen, er ist aber dazu nicht genöthigt.
Ich glaube hieraus wehl folgern zu können, daß die hohe Ver⸗
sammlung ohne eine vollständige weitere Vorbereitung sich nicht in
zu ziehen und in dieser Beziehnng keine Bitte an den Thron zu