1847 / 176 p. 3 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

Majestät der König auf ihre das Staatsschuldenwesen und die stän⸗ dischen Ausschüsse . Anträge entschieden haben werden.

n ö. hrn: BVies wäre Inkonsequenz, denn dann würden eben die Ausschüsse nicht gewählt, werden dürfen, denn sie sind die⸗

selben Ausschülffe, die die Provinzial⸗Angelegenheiten zu berathen ha⸗ ben. Bie Ausschüsse, von denen wir gebeten haben, ihnen alle die angeregten Functionen nicht weiter beizulegen, bestehen zwar aus den- selben Perfonen als diefe; aber nur von der Wahl der Ausschisse für jene Function ist hier die Rede. Von den Ausschüssen, wie ö 2 werden müssen, um die Provinzial - Angelegenheiten währen er Richt⸗Existenz der Provinzial⸗= Landtage weiter zu e, nn. denen ist nicht die Rede; und wenn der Herr Kommissar zorsc agt, daß gebeten werden möge, die Wahl insefern auszusetzen als . eilen Tine weich butch die Gugte Sir. Jajesti ga mf, würde, so würde dann durch diese Gewährung ein anderer Aus chuß daraus gemacht, es wäre dann ein bloßer Provinzial · Ausschuß.

Landtag s-⸗Kom mis sar: Ich erlaube mir zu bemerken, daß ich keinen Vorschlag gemacht, sondern nur angedeutet habe, 26. Antrag mit den heute gefaßten Beschlüssen in Einklang zu bringen sein würde. Als solchen kann ich . nur denjenigen bezeichnen, welcher die Vutd enthält, die Wahl so lange auszusetzen, bis Se. Majestät we⸗ en der hierauf bezüglichen Anträge die Allerhöchste Entscheidung krtheilt haben werden. Was die Wahl, der Deputation für das Staatsschuldenwesen betrifft, so würde diejenige Function derselben, welche allein ein Bedenken erregt hat, ganz wegfallen, sobald der Antrag, den die hohe Kurie heute gestellt hat, in der anderen Rurie durchginge und dann, wie nicht zu bezweifeln ist, die Genehmigung des Königs erhielte. Es würden aber dann noch andere, völlig un⸗ bedenkliche und doch nothwendige Functionen dieser Deputation beste⸗

hen bleiben, nämlich die vorberathende Abnahme der alljährlich zu legenden Staatsschulden Rechnung, die jährliche Deposition der ein⸗ gelösten Staatsschulden⸗ Dokumente, dann die ihnen nun überwiesene 2 außerordentlicher Revisionen der Staatsschulden⸗Tilgungs⸗ asse. 6.

Diese drei ganz unbedenklichen und doch für den Fall, daß Se. Majestät die alljährliche Einberufung des Landtags nicht befehlen möchten, nöthigen Functionen würden bestehen bleiben und es bleibt daher auch in dieser Rücksicht eine Wahl jedenfalls nöthig. Es würde aber in dieser Beziehung auch der Antrag gerechtfertigt sein, diese Wahl so lange auszusetzen, bis Se. Majestät über diesen Punkt Entscheidung getroffen hätten.

Graf Arnim: Es scheint mir, daß der Antrag der Abtheilung, der sich dem Antrage der Kurie der drei Stände anschließt, eben in Beziehung auf den heute gefaßten Beschluß eine Aenderung wird er— leiden müssen, und zwar ganz in dem Sinne, wie wir von dem Kö⸗ niglichen Herrn Kommissar bereits vernommen haben. Ich glaube, er würde dahin zu sormuliren sein: ö. . .

„Dem Antrage der Kurie der drei Stände, dahin beizutreten, daß Se. Majestät, mit Rückicht auf die bereits formirten allerunter⸗ thänigsten Anträge und namentlich auf die dug ichen Wiederein⸗ berufung des Vereinigten Landtags innerhalb 4 Jahren, bis zur Allerhöchsten Entscheidung über jene Anträge, die Wahlen zu den ständischen Ausschüssen und zu der ständischen Deputation für das Staatsschuldenwesen für jetzt aussetzen zu lassen Allergnädigst ge⸗ ruhen mögen.“ . Darin liegt die Bitte, die Wahl so lange aussetzen zu assen, bis Se. Mar gn darüber entschieden haben, inwiefern Sie auf un— sere Bitten eingehen oder nicht.

Marschall: Es ist zunächst erforderlich, zu ermitteln, ob der

Vorschlag die gesetzliche Unterstützung findet, (Wird ausreichend unterstützt.)

Referent von Keltsch: Als Referent halte ich es für ganz un. bedenklich, daß der Vorschlag der Abtheilung, mit diesem Amendement zusammengezogen, zur Abstimmung gebracht werde.

Se. Königl. Hoheit der Prinz von Preußen: daß dies vollkommen richtig ist.

Fürst von Lichnowsky: ment noch einmal zu verlesen.

Referent von Keltsch verliest das Amendement des von Arnim nochmals.

Marschall: Von dem Referenten ist erklärt worden, daß er sich dem Antrage anschließt, und insofern von den übrigen Mitgliedern der Abtheilung kein Widerspruch erhoben wird, so steht dem nichts entgegen, daß der Antrag der Abtheilung diese Aenderung erfahre und' in dieser abgeänderten Fassung zuerst zur Abstimmung gebracht werde.

Da keine entgegenstehende Bemerkung erfolgt, so kommen wir zur Abstimmung, und diejenigen, welche dem so gefaßten Antrage der Abtheilung beistimmen, würden dies durch Aufstehen zu erkennen eben.

z Der Antrag wird von mehr als zwei Dritteln der Stimmen an⸗ genommen.

Wir kommen nun zur Berathung über eine Mittheilung, die von

der anderen Kurie in Bezug auf einen Antrag auf Vertagung des Landtages herübergekommen ist; ich bitte den Grafen Eberhard zu Stolberg, den Bericht zu erstatten.

Reserent Graf Botho zu Stolberg: Es ist eine allerunter⸗ thänigste Bitte der Kurie der drei Stände wegen Vertagung des Landtags an die vierte Abtheilung der Herren-Kurie abgegeben wor— den; es ist aber darüber kein besonderes Referat ausgearbeitet wor⸗ den, sondern es liegt nur das Protokoll der Abtheilung der Sache bei, indem die Abtheilung nicht Flaubte, diese Bitte um Vertagung des Landtags bei der hohen Kurte befürworten zu können. Die Bitte lautet folgendermaßen:

Allerunterthänigste Bitte der Kurie der drei Stände, wegen Vertagung des Ver— einigten Landtags.

Wenn die durch Se. Königliche Majestät zum ersten Vereinigten ing, zusammenberufenen Abgeordneten der drei Stände mit regem Eifer sich den Geschäften gewidmet haben, welche ihnen zur Erledi— gung vorgelegt waren, so ist es ihnen tro der Allerhöchst befohlenen

erlängerung der bereits abgelaufenen Frist nicht gelungen, ihre Auf⸗ gabe 2 zu lösen.

Es ist nicht füglich abzusehen, daß über die Allerhöchsten Pro⸗ positionen bis zum anberanmten Schlusse des 3 in Rücsicht

Ich glaube, Ich würde bitten, dieses Amende—

Grafen

ber Mitbetheiligung der Herren⸗Kurte, wird beschlossen werden kön— nen, noch weniger wird es möglich werden, die so zahlreich eingegan— genen, alle Verhältnisse des Landes berührenden Bitten und Anträge einer erschöpfenden Berathung zu e .

Vertrauensvoll erwartet aber das Land, erwarten unsere Kom⸗ mittenten, daß der Landtag die in den Petitionen ausgesprochenen Wünsche reiflich prüfen und, wenn sie dazu geeignet befunden, St. Königlichen Majestät zur Allerhöchsten Entscheidung vorlegen werde.

on den 453 übergebenen Petitionen sind erst wenige erledigt worden; um sie alle zu prüfen, würde annoch eine geraume Frist er= forderlich sein. Benn nun aber nicht allein die Privat- und heimatlichen Ver⸗ . sondern auch amtliche Pflichten einem 1* Theile der geordneten, die nicht darauf gerechnet haben, 5 ange Zeit aus

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ihren Wirkungekreisen entfernt zu bleiben, die Rückkehr zur Heimat wichtig und dringend erscheinen lassen, so dürfte eine abermalige un- mittelbare Verlängerung des Landtags nicht allein aus diesen Grün- den von nachtheilltgen Folgen, sondern überhaupt mit Rüdhblick auf die vorher angedeuteten Verhältnisse zur Förderung der Geschäfte mit Schwierigkeiten verbunden sein. . ;

Die Kurie der drei Stände hat es s ihre Pflicht gehalten, diese Lage der Sache ehrfurchtsvoll zum Allerhöchsten Ermeffen vor⸗ utragen.

J * Vermeidung der Nachtheile, welche gegenwärtig durch eine Verlängerung des Landtags entstehen würden, und andererseits in Erwägung des dringenden Wunsches, daß die eingebrachten Petitio⸗ nen nicht unberücksichtigt liegen bleiben, sondern so bald als möglich und mit der , Gründlichkeit erledigt werden, beschließt die Kurie der drei Stände, Sr. Königlichen Majestät die unterthãänigste Bitte vorzutragen; Allerhöchstderselbe wolle, behufs Erledigung der vielen dem Land⸗ tage noch vorliegenden Geschäfte, nach Verlauf der für die Dauer bestimmten Frist denselben zu vertagen und zur geeigneten Zeit wieder einzuberufen Allergnädigst geruhen.

Berlin, den 14. Juni 1847.

Die Kurie der drei Stände des Vereinigten Landtags. (gez) von Rochow. von Platen. von Leipziger. J Dittrich.

Diese Bittschrift ist gerade an dem Tage in die Abtheilung ge⸗ kommen, als hier die Allerhöchste Verordnung wegen nochmaliger Verlängerung des Landtags eingegangen war. Deswegen ist, nach- dem die vierte Abtheilung beschlossen hatte, diese Bitte nicht zu be⸗ fürworten, wohl in diesem Augenblick ein noch größerer Grund vor⸗ handen, der die Abtheilung in dem Beschlusse nur noch befestigen kann. Ich werde, wenn die hohe Kurie es verlangt, das Protokoll verlesen.

Marschall:

ferenten überlassen.

Die mündliche Berichterstattung bleibt dem Re⸗ Das Wesentliche ist schon der hohen Versamm⸗

lung von dem Referenten vorgetragen, und es würde nur darauf an—

kommen, ob eine Bemerkung über den Gegenstand zu machen oder ob man' gemeint ist, dem Antrage der Abtheilung beizutreten?

Da keine Bemerkung gemacht wird, so kommen wir zur Ab⸗ stimmung. Es würden also diejenigen, die dem Antrage der Abthei⸗ lung beitreten wollen, dies durch Aufstehen zu erkennen geben.

(Es erhebt sich eine Majorität dafür.) l

Es ist also der Bitte der Kurie der drei Stände nicht beige⸗ treten. Es ist nicht erforderlich, noch weitere Gegenstände zur Be—⸗ rathung zu bringen, da nur wenig vorliegt, was schon angezeigt ist, und ind der Sitzung am Montage wird erledigt werden können.

Die nächste Sitzung wird also am Montag um 19 Uhr statt⸗ finden. .

Die heutige Sitzung ist geschlossen.

(Schluß der Sitzung 3 Uhr.)

Sitzung der Kurie der drei Stände am 21. Juni.

Die Sitzung beginnt um 19 Uhr 20 Minuten unter dem Vor— sitz des Herrn Marschalls von Rochom.

Verlesung des Protokolls durch den Herrn Bockum⸗Dolffs.

Marschall: merken?

Secretair von Findet sich gegen das Protokoll etwas zu be—

(Pause.)

Es ist nichts bemerkt worden, das Protokoll ist daher ange⸗ nommen. Es ist seitens der Herren-Kurie der Beschluß über deren Petitions Antrag eingegangen, betreffend die Befreiung der Landge⸗ meinden von dem unentgeltlichen Schneeschaufeln auf Chausseen. Ich verweise denselben zur Vorberathung an die 8. Abtheilung.

Einige Gegenstände sind mir wieder zur Bevorzugung bei der Berathung empfohlen worden, namentlich das Gutachten über die Ablösbarkeit der Jagdgerechtigkeit und die Abschätzung der Wild⸗ schäden und das Gutachten über die Landespferdezucht. Sofern die hohe Versammlung nichts dagegen hat, werde ich diese Gegenstände vorzugsweise auf die Tagesordnung bringen.

Abgeordn. Siegfried: Ich wollte mir den Antrag erlau⸗ ben, das Gutachten über die Versetzbarkeit der Richter vorzugsweise bei den vorzunehmenden Berathungen zu berücksichtigen. .

Marschall: Ich muß bitten, mir dergleichen Anträge schrift⸗ lich zu machen, und wenn sie dann von mehreren Mitgliedern unter⸗ stützt sind, so sollen sie zum Vortrag gebracht werden. Es sind mir in dieser Beziehung beceits mehrere Gegenstände namhaft gemacht worden, aber gewöhnlich nur von den Antragstellern selbst; wenn also keine Zustimmung von anderen Seiten erfolgt, so habe ich mich nicht veranlaßt gesehen, darauf einzugehen. K

Abgeordn. Hansem ann: Ich möchte bitten, die Tages⸗Ord⸗ nung, so wie sie angeschlagen worden, bis zu dem Bericht über den Staatshaushalts-⸗Etat einschließlich unverändert zu lassen, um nachher, wenn noch Zeit übrig bleibt, weiter zu berathen, was noch vorzugs⸗ weise vorgenommen werden soll. .

Marschall: Der Herr Abgeordnete Heinrich hat mir ange⸗ zeigt, daß eine Dank Adresse an, den Vereinigten Landtag von der frelen evangelischen Kirchen-Gemeinde zu Königsberg eingegangen sei. Diese If n e kann der Landtag als solcher nicht annehmen, da nach §. 19 des Gesetzes vom 3. Februar d. J. den Abgeordneten keine Aufträge an denfelben ertheilt werden dürfen. Ich habe jedoch in Uebereinstimmung mit dem genannten Herrn Abgeordneten veran laßt, daß die Adresse im Sekretariat niedergelegt ist, und daß alle Mitglieder, welche ein Interesse daran nehmen, sie dort einsehen können. :

Ich ersuche den Herrn Abgeordneten von Mylius, die abgefaßte Bitte, betreffend den baldigen Erlaß einer Nilitair Kirchen Urdnung und Anstellung von katholischen Militair-Geistlichen . r zutragen.

Abgeordn. Frhr. von Molins (liest den berreffenden Ent⸗ wurf vor):

„Unterthänige Bitte der Kurie der „ei Stände des Vereinigten Landtages.

Schon längst und vielfach ist der Wunsch ausgesprochen, daß in der preußischen Militair⸗Verfassung für *r religiösen Bedürfnisse der katholischen, in gleicher Weise wie fär ziejenigen der evangelischen Glaubensgenossen, Sorge getragen ***. und daß namentlich die Bestellung' von besonderen fathes schen Militair⸗Geistlichen mit einer den evangelischen gleichen Berechtigung als Militair-Pfarr⸗Beamte erfolgen möge. ⸗. ö

Da die strengste und konsequenteste Durchführung des Grund- satzes der Parität zwischen den katholischen und evan elischen Unter⸗ thanen von Sr. Majestät dem Könige Allerhöchstselbst gewollt wird, und mit Bezug hierauf auch bereits die gus rb t ung e ne; neuen Militair⸗Kirchen⸗Srbnung befohlen worden ist, so hat die Kurie der drei Stände, in Erwäghng, baß die baldmögliche e hun einer solchen Einrichtung einen Wunsch befriedigen werde, welcher eben so⸗

wohl durch sich gerechtfertigt, als bereits längst erkannt und ausge⸗ sprochen worden, den Beschluß gefaßt; e An Se. Majestät die unterthänige Bitte zu richten, Se, Königliche Majestät wollen geruhen, den baldigen Erlaß der in Aussicht ge⸗ stellten nn n Ge n rden Allerhöchst zu verordnen.“ Marschall: Ist gegen diesen Entwurf etwas zu bemerken?

Hause ) ö Da dies nicht geschieht, so nehme ich an, daß derselbe acceptirt ist. Wir kommen nünmehr zur Tagesordnung, und zwar zunächst zu dem Vortrage des Gutachtens, betreffend die Aufhebung des Geleitʒolles auf fremde Juden. Ich ersuche den Herrn Abgeordneten Wodiczka, als Referenten, das Gutachten vorzutragen.

Vorher hat noch der Herr Abgeordnete von Waldow gebeten, ihm das Wort in einer allgemeinen Angelegenheit zu gestatten.

Abgeordn. von Waldow: In der letzten Sitzung am ver⸗ gangenen Sonnabend wurde der Herr Marschall durch den Herrn Regierungs Kommissar für das Ministeri:m des Innern in einer ge= stellten Frage, die zur Abstimmung kommen sollte, unterbrochen. erlaube mir keine Bemerkung darüber, ob dies Verfahren in der Ord⸗ nung und schicklich war. Jeder Abgeordnete wird seine Ansicht hier⸗ über festgestellt haben. Ich glaube aber, daß es allein dem Herrn Marschall zustand, darüber zu urtheilen. Er that dies, indem er dem Herrn Regierungs⸗-Kommissar das Wort erlaubte. Ich, glaube nicht, daß, bevor die Frage gestellt und über dieselbe abgestimmt worden, es einem Abgeordneten zustand, das Wort zu verlangen, um über den Gegenstand zu sprechen. Der Herr Marschall hat dessenungeachtet dent Abgeordneten von Aachen das Wort gestattet, und derselbe hat darüber gesprochen; dies konnte er weil er das Recht dazu vollkom⸗ men hatte, da der Marschall ihm das Wort gestattete. Wenn dies aber auch war, so glaube ich doch aus zwej Gründen gegen dies Ver⸗ fahren protestiren zu müssen, einmal, weil über die gestellte Frage noch nicht abgestimmt war und der Deputirte erst nach der Abstim⸗ mung hätte sprechen müssen, anderentheils, weil ich nicht glaube, daß einzelnen Deputirten das Recht zusteht, die hohe Versammlung zu bevormunden, sondern nur der Marschall zu bestimmen hat, ob, ewas gegen die Bestimmungen und gegen die Srdnung geschehen sei. Ich für mein Theil glaube, daß in einem solchen Falle den einzelnen De⸗ putirten nichts übrig bleibt, als den Saal zu verlassen, wie ich es gethan habe. Noch muß ich, was meine Wenigkeit anbetrifft, da ich doch ein Glied der Verfammlung bin, gegen die geschehene Bevor⸗ mundung der Versammlung durch den genannten Abgeordneten pro—

iren. 64 ö Marschall: Ich muß glauben, daß diese Angelegenheit in der letzten Sitzung vollkommen abgemacht war, und. daß jedes Zurück⸗ kommen auf denselben durchaus nicht an ihrem Orte ist. Mehrere Stimmen: Ja wohl!) Ich kann also auch fernere Eren en darüber nicht gestatten. (Bravo!)

Referent Wodiez la, (Ciast das Gutachten der ersten glb theilung, betreffend die Petition des Abgeordneten Hirsch wegen Auf⸗ hebung des Geleitszolles auf russische und polnische Juden, vor):

Gutachten der ; ersten Abtheilung der Kurie der drei Stände des ersten Vereinigten Landtages, betreffend . die Petition des Abgeordneten Hirsch wegen Aufhebung des Geleitszolles auf russische und polnische Juden.

Diejenigen Juden, welche aus Russisch⸗ Polen nach . und dem Großherzogthum Posen kommen, müssen einen Gele oh von 2 Rthlr. 15 Sgr. an die preußische Regierung entrichten . empfangen dafür einen Paß; sie erhalten aber diese ö ö. wenn sie innerhalb 24 Stunden nach ihrer Heimat zurückkehren. de gen Erlegung von 5. Rthlrn. können russische Juden sich ein ganzes Jahr in preußischen Ländern aufhalten und Geschäfte betreiben. ;

Rußland erhebt dagegen einen größeren Zoll von den nach Ruß⸗ land oder Russisch-Polen eingehenden Juden. Diese müssen an g sobald sie die russische Gränze überschreiten und wenn sie ich * ; nur einige Stunden auf russischem Boden aufhalten, einen 6 eleitszol von 2 Rthlr. 15 Sgr. zahlen. Gegen Erlegung einer Summe von 30 Rthlrn. n sudeß hiesige Juden sich ein ganzes Jahr in Russisch-Polen aufhalten. . . . des Petenten ist diese Abgabe weder zeitgemäß für die Menschheit. Sein Antrag

ö

noch gerecht und eine Schmach

geht daher dahin: . ö. Se. Majestät allerunterthänigst zu bitten: .

1) mit der russischen Regierung wegen Aufhebung dieses Zolles

in Verbindung zu treten; 26

2) im Falle der Vereinbarung den hiesigen Geleitszoll aufzuheben;

3) sonst aber im Wege der, Reciprozität alle russische und russisch⸗

polnische Juden beim Eintreten über die preußische Gränze mit einem glesch hohen Zolle belegen zu wollen.

Den letzten Antrag begründet der Petent. auf folgende Weise: Den preußischen Juden ist bei dem jetzigen Zustande der Eintritt nach Rußland so gut wie untersagt. Dagegen überfluthen die polnischen und russischen Juden mehr als wünschenswerth unser Tand. Ein natürliches und angemessenes Neciprocum erhalten wir blos dadurch, daß unsere Juden eben so frei nach Rußland eingehen und dort Geschäfte machen dürfen, als die dortigen hier. Sonst scheint ihm ein altes Sprüchwort hier allein an⸗

; . wendbar: „Wenn Du meinen Juden haust, so haue ich Deinen Juden.“

Der bei der Berathung dieser Petition zugegen gewesene Kom⸗ missarius des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten hat die amtliche Auskunft gegeben, daß die preußische Regierung die Absicht

ehabt habe, den oben erwähnten Geleits zoll aufhören zu lassen, und daß dieselbe bemüht gewesen sei, die russische Regierung zu vermögen, die Abgabe, welche auswärtige Juden an die russische diegierun ge zahlen müssen, aufzugeben; daß dies aber nicht gelungen sei, weshalb Preußen bis jetzt noch jene Abgabe beibehalten habe. ü Deshalb ist die , . der Ansicht, daß es nicht an der Zei i, Se. Majestät zu bitten: seir der if hen Regierung wegen Aufhebung dieses Zolles in ĩ n se e e hn n, wir zu unserem Gouvernement das Ver⸗ trauen haben können, es werde bei ö. darbietender Gelegenheit die russische Regierung, zu veranlassen suchen, den Geleitszoll, welchen auswärtige Juden in Rußland. zahlen müssen, aufzuheben.

Wenn aber auch die russische Regierung einen größeren Geleits⸗ Zoll von deutschen Juden erhebt, so glaubt die Abtheilung doch nicht, daß das von dem Antragsteller angeführte Sprüchwort berücksichtigt werden müsse; sie ist vielmehr der Ansicht, daß die Gründe der Hu⸗ manität, welche die preußische Regierung bewogen haben, gegen rus⸗ sische Juden keine Reciprozität zu üben, volle Anerkennung erhalten müßsen. Die Abtheilung findet sich daher nicht veranlaßt, dem Land⸗=

tage vorzuschlagen:

Erste Beilage

M I76.

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Erste Beilage zur Allgemeinen Preußischen Zeitung.

Sonntag den Nn Juni.

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auf den Antrag des Petenten einzugehen . . 961 . . Dagegen ist die Abtheilung der Meinung, daß, wenn au = land für jetzt aus finanziellen Gründen . . 9. Geleitszolls erklärt, derselbe von unserer Regierung aufgegeben wer⸗ den könnte, weil schon früher Se. Majestät geneigt gewesen seien, diese Abgabe fallen zu lassen, und weil Rußland veranlaßt werden dürfte, dem Beispiele Preußens zu folgen. Die Abtheilung hat daher einstimmig beschlossen, dem Landtage vorzuschlagen: ;

an Se. Majestät die allerunterthänigste Bitte zu richten, jede Ab—⸗

gabe, welche russische Juden beim Eintritt in die preußischen Staa⸗

ten zahlen müssen, aufheben zu wollen. Berlin, den 29. Mai 1847. Die erste Abtheilung der Kurie der drei Stände.

Baron von Hiller. von Rohr. Freiherr von Landsberg⸗ Steinfurt. Staegemann. Coqui. Krohn. Caspers. Uellenberg. Sperling. Wodiezka. von Saucken⸗

. Julienfelde. von Raven.

Abgeordn. von Peguilhen: Ich habe mir über den Inhalt des Gutachtens einige Bemerkungen erlauben wollen. Es ist in dem Gutachten gesagt worden, daß russische Juden, sobald sie in West— preußen und Posen. die Gränze überschreiten, einen Geleitszoll zu ent⸗ richten haben. Diese Angabe ist nicht ganz genau, nicht russische Ju⸗ den, sondern die im Königreiche Polen wohnenden Juden haben einen solchen Geleitszoll zu zahlen, russische Juden zahlen denselben nicht. Auch haben dieselben nicht nur in Westpreußen und Posen, sondern auch in Ostpreußen den Geleitszoll zu entrichten. Es ist ferner ge⸗ sagt worden, daß der Geleitszoll als Paß diene; das ist ebenfalls nicht genau. Abgesehen von dem Geleit, muß jeder polnische Jude der die Gränze überschreitet, wenn er sich länger als 48 Stunden in Preußen aufhalten will, einen vollständigen Paß lösen. Das Geleit bildet nur einen Eingangszoll, dient aber nicht zur Legitimation.

Ich will nicht philanthropische Ideen anregen und nicht die Ge— fühle der Versammlung für eine unterdrückte Menschenklasse in An— spruch nehmen; ich glaube aber, daß es für den preußischen Staat nicht angemessen ist, auf irgend eine Weise einen Menschenzoll zu er— heben; ein solcher wird weder durch finanzielle Rücksichten gerechtfer— tigt, noch als Repressiv⸗Maßregel, wie sie hier stattfinden soll. Der finanzielle Punkt zerfällt in sich. Ich habe mich nicht genau infor— miren können, wie viel durch diesen Juden Zoll in die Staats kasse fließt, ich glaube aber, daß die Summe unbedeutend ist, und daß es vielleicht nur wenige Tausend Thaler sind. Als Repressiv-Maßregel ist die Erhebung dieses Zolles auch nicht zu rechtfertigen. Der von polnischer Seite erhobene Geleitszoll für von Preußen nach Polen eingehende Juden bildet einen Theil des russischen Prohibitiv-Systems. Ich glaubes daß wir dem entgegentreten, nicht wenn wir den Ein— gang der Juden nach Preußen erschweren, als vielmehr, wenn wir den Eintritt der polnischen Juden erleichtern, nur haben wir dann die polizeilichen Maßregeln aufrecht zu erhalten und dafür Sorge zu tra⸗ gen, daß nicht Juden, welche nicht die nöthigen Geldmittel besitzen,

Ich schließe mich dem Antrage der Ab⸗

Reciprozität gegen

die Gränze überschreiten. theilung an mit der Modification, daß die Befreiung nicht der russi⸗ schen, sondern der polnischen Juden erbeten werde.

Referent Wo diczka: Aus dem Anfange des Gutachtens er⸗ giebt sich, daß die Petition nur russisch⸗polnische Juden gemeint hat, und wenn das Wort „russische Juden? vorkommt, so sind darunter ö russisch⸗polnische zu verstehen. Von Ostpreußen war nicht die Rede, und es dürfte nicht anzunehmen sein, daß dort dieser Geleits—⸗ zoll erhoben würde.

Abgeordn. Hansemann: Nach den von dem vorigen Herrn Redner gegebenen Erläuterungen schlage ich vor, daß in der Petition statt der Worte „russische Juden ꝛc,“ gesetzt werde: „Juden als solche“; dann ist das Petitum allgemein, und es kommt nicht mehr darauf an, von welchem Punkte der Gränze aus die Juden in das Land kommen.

Marschall: Wird dies Amendement unterstützt?

(Wird hinreichend unterstützt.)

Abgeordn. von Pe guilhen; Dies würde nicht ganz richtig sein, denn nur die in dem Königreich Polen wohnenden Inden haben die Geleitszölle zu zahlen, die russischen Juden aber zahlen keinen Zoll.

Minister von Canitz: Es ist keinesweges meine Absicht, gegen diese Petition zu reden und ihre Zulässigkeit zu bestreiten, sondern ich erlaube mir nur eine Bemerkung, die, wie mir scheint, in dem Bericht der Abtheilung nicht mit dem Gewicht berücksichtigt ist, die sie mir zu verdienen scheint. Der Gegenstand, um den es sich handelt, ist eine Frage der Reciprozität, und so hat es auch die Petition verstan⸗ den, indem sie auf ein sehr scharfes gegenseitiges Verfahren hinweist. Die Abtheilung ist nach der entgegengesetzten Richtung gegangen, sie hat diesen Zöllen eine zu große Härte untergelegt und verlangt, daß von unserer Seite mit einer milderen und liberaleren Behandlung vorausgegangen werden müsse. Hier handelt es sich aber nicht blos um eine Abgabe, die von einer, bestimmten Menschenklasse erhoben wird, sondern die Frage bildet einen nicht unwichtigen Paragraphen in dem Kapitel des Gränzverkehrs. Ich weiß nicht, ob die Einwoh—⸗ ner der preußischen Gränzlande es daukbar empfinden würden, wenn das Herüberkommen für Fremde erleichtert würde, während das Hin⸗ überkommen der Juden von unserer Seite erschwert bleibt und die Schwierigkeiten fortbestehen, die ihnen in den Weg gelegt werden, um ihr Gewerbe im Nachbarlande zu betreiben. Es ist also eine Frage der Reciprozität, und es ist bereits von Seiten des Ministe⸗ riums der auswärtigen Angelegenheiten erklärt worden, daß es an Be⸗ reitwilligkeit unsererseits nicht fehlt, diesen Zoll aufzuheben, zumal das Ob⸗ jelt für die Finanz⸗Verwaltung nicht so groß sein würde, daß darin ein Hin⸗ berniß zu finden wäre; es unterblieb aus anderen Gründen, die hier nicht zur Erörterung hergehören, und ich glaube nicht, daß man annehmen dürfe, daß es von unserer Seite nur des Vorangehens bedürfte. Ich glaubte diese Bemerkung machen zu müssen, und ich kann es nur der Versammlung anheimstellen, ob die Petition oder die Erfüllung der⸗ selben gewünscht wird oder nicht.

Abgeordn. Schauß: Es will mir scheinen, daß das, was der Herr Minister so eben gesagt hat, nicht eigentlich durchgreifend sein fönne. Wenn wirklich die Maßregel nur als eine aus den Paragraphen wegen der Gränzsperre herzuleitende in Betracht kommen soll, so halte ich doch dafür, daß sie als eine ganze getroffen werden müsse. Entwe⸗ der man erhebt gar keinen Geleitszoll, oder es wird das erhoben, was die gegenseitlge Regierung auch erheben läßt, denn nur in setzterm Fall kann es eine Repressivmaßregel sein. Nehmen wir aber die Hälfte von dem, was von der russischen Regierung genommen wird, so ist dies eine Halbheit, wodurch der Verkehr nicht erleichtert, noch erschwert, also gar kein Zweck erreicht wird. Ich halte dafür, daß man den Geleitszoll ganz aufheben müsse, das scheint mir die Menschlichkeit zu erfordern. Wird es aber, und soll es einmal für nöthig erachtet werden, daß etwas gezahlt wird, so nehme man denn

das Ganze, was von russischer Seite gesordert wird, denn nur da⸗ durch haben wir Schutz. Besser aber ist und bleibt es, wir zeigen uns civilisirter, als die gegenseitige Nation, und nehmen gar nichts.

Abgeordn. Hansem ann: Ich will nur darauf aufmerksam ma⸗ chen, wie bereits von einem früheren Redner angedeutet ist, daß es zur Erleichterung des Handels Verkehrs mit Rußland nützlich fein mag, wenn derselbe mehr von russischen Unterthanen als von preußischen betrieben wird, und daß also. abgesehen von der Menschlichkeit auch eine Nützlichkeit zu berücksichtigen ist.

Eine Stimme (vom Platz): Ich erlaube mir zu bemerken, daß es heißen müßte: „persönliche Abgabe.“

Marschall: Vielleicht würde das erledigt werden durch das Amendement, welches vors lägt: „als solche.“ Ich werde also, wenn die Versammlung nichts dagegen hat, die Frage sogleich mit dem Amendement stellen; Soll an Se. Masestät den König die Bitte gerichtet werden, daß die Abgaben, welche die Juden als solche zah— len, aufgehoben werden?

Diejenigen, welche die Frage bejahen, bitte ich aufzustehen.

(Dies geschieht.) .

Es ist mit Sicherheit zu übersehen, daß zwei Drittel der Stim⸗ men vorhanden sind. Wenn die Zählung nicht verlangt wird, so braucht dieselbe nicht vorgenommen zu werden.

Marschall: Daz zweite Gutachten betrifft mehrere Gnaden— gesuche. Der Herr Abgeordnete von Nordeck ist Referent.

Referent Freiherr von Nordeck (liest vor):

Gutachten . der fünften Abtheilung der Kurie der drei Stände des Vereinigten Landtags, betreffend die Petitionen,

1) des Abgeordneten Reichard aus Neuwied auf Befürwortung

eines Gnadengesuches für die politisch Irregewordenen in un⸗

serem Staate,

2) der Abgeordneten Milde und Germershausen um Begnadigung derjenigen politischen Verbrecher, welche durch Rede oder Schrift gefehlt haben, .

3) des Abgeordneten Flemming aus Geilenkirchen auf Amnestie derjenigen preußischen Unterthanen, welche sich an den letzten 6 in den ehemaligen polnischen Provinzen betheiligt zaben.

Die vorliegenden drei Petitionen, obwohl in der Ausdehnung dessen, was sie begehren, sehr verschieden, haben doch das mit einan⸗ der gemein, daß sie sämmtlich ein Gnadengesuch für politische Ver⸗ gehen und Verbrechen beabsichtigen. Es wurde daher zweckmäßig befunden, alle drei mit einer Berichterstattung zu umfassen. Gleich⸗ wohl erschien es angemessen, wegen, der Verschiedenheit des Umfanges sowohl, als auch wegen der verschiedenen Kategorien politischer Ver⸗ gehen und Verbrechen, für welche die Königliche Gnade erbeten wer⸗ den soll, jede Petition einzeln zu behandeln.

Ad 1. Es wurde daher zuerst als die umfassendste die Petition des Herrn Reichard zum Vortrage gebracht, da, im Fall der Befürwortung derselben, die Berathung der beiden anderen Anträge überflüssig erscheinen würde, indem das, was diese bezwecken, in dem ersten, weitumfassenderen Antrage bereits enthalten ist.

Der Abgeordnete Reichart trägt auf Befürwortung eines Gna⸗ dengesuches für die politisch Irregewordenen in unserem Staate an. Wenn! man dieses Rubrum seinem eigentlichen Wortlaute nach nehmen wollte, so würde man wohl etwas ganz Anderes darunter verstehen müssen, als was der Antragsteller eigentlich gemeint hat. Derselbe erklärt aber auf der vorletzten Seite seiner Petition, was er mit dem Ausdrucke „die politisch Irregewordenen“ hat bezeichnen wollen. Er versteht darunter nämlich alle diejenigen, welche wegen Staatsver— brechen in Untersuchung oder bereits verurtheilt sind.

Die Abtheilung, nachdem sie die Motive und Entwickelungen der in Rede stehenden Petition gehörig geprüft hatte, verkannte die gute, haupt sächlich durch philanthropische Bestrebungen unterstützte Absicht des Herrn! Antragstellers nicht, war jedoch der Meinung, den Antrag selbst aus folgenden Gründen nicht zu befürworten.

Man kam nämlich darin überein, daß es ohne Zweifel die Pflicht des Vereinigten Landtages sei, sich des ihm verliehenen Pe⸗ titions Rechtes bei wirklich vorhandenen Uebelständen und wohl be⸗ gründeten Bitten nach seinem ganzen Umfange zu bedienen, daß aber andererseits auch die Würde der hohen Versammlung es erheische, dieses Recht nur mit der größten Vorsicht in Anwendung zu bringen, und daß bei Fällen, wie der vorliegende, wo es sich gar nicht über= sehen lasse, was man eigentlich erbitte, wo in der weit umfassenden Petition kein Unterschied, weder nach verschiedenen Graden der Straf⸗ barkeit, noch nach Verschiedenheit der Kategorieen politischer Ver⸗ brechen gemacht sei. man sich nicht entschließen könne, der hohen Versammlung den Antrag des Herrn Reichard zur Berücksichtigung zu empfehlen. Bei Zählung der Stimmen fand sich, daß die Ab— theilung sich einstimmig für die Ablehnung des Antrages aussprach.

Marschall: Die Abtheilung hat den Antrag nicht befürwor— tet, und es fragt sich, ob er in der hohen Versammlung Unter⸗ stützung findet.

Er wird nicht unterstützt, kann also nicht zur Berathung kommen.

Referent Nordeck:

Ad 2. Die Abtheilung schritt hierauf zur Prüfung des Antrages der Herren Milde und Germershausen, dahin gerichtet, daß es der hohen Versammlung gefallen möge, an Se. Majestät die ehrfurchtsvolle Bitte zu richten:

allen denjenigen, welche durch Rede oder Schrift der Strafe des Gesetzes verfallen, entweder ihre Strafe be— reits in Kerkern abbüßen oder ihrer Bestrafung entge— gensehen, die Allerhöchste Begnadigung zu Theil werden zu lassen.

Nach gehöriger Prüfung dieses Antrages verkannte die Abthei⸗ lung es nicht, daß derselbe, nicht so weit umfassend wie der erstere, sich nur auf eine gewisse Kategorie politischer Verbrechen erstrecke, konnte sich aber doch nicht entschließen, denselben in seiner Ausdeh⸗ nung zu unterstützen, da auch bei dieser Petition es sich nicht über⸗ sehen lasse, was man eigentlich erbitte, und ihre noch immer zu weite Fassung sich auch auf diejenigen erstrecken würde, welche durch Schrift und Wort wirkliche Verbrechen begangen, sich durch die Flucht den über sie verhängten Strafen entzogen haben und jetzt aus entlegenen Schlupfwinkeln des Auslandes noch täglich durch Wort und Schrift ihre Galle über ganz Deutschland ergießen, auf diejenigen, denen weder Thron noch Altar heilig ist, die sich nicht entblöden, zur blu⸗ tigsten Revolution, ja selbst zum Königsmorde durch Wort und Schrif= ten anzuregen. Die Versammlung verkannte es aber auch nicht, daß unter denjenigen, für welche die Gnade erbeten werden sell, sich

Viele befinden mögen, welche nur durch Unbekanntschaft mit den Ver⸗

hältnissen, durch jugendliche Uebereilung oder Verleitung d efehlt haben. Sie hat aber auch die K. 6 sestät der König bei seinem wahrhaft landesväterlichen Herzen in die⸗ sen Fällen aus eigenem Antriebe Gnade üben werde, und glaubt sich auf den Antrag an die hohe Versammlung beschränken zu müssen, diese Ueberzengung in das Protokoll niederzulegen, eine direkte itte aber an des Königs Majestät abzulehnen.

Marschall: Auch diesen Antrag hat die Abtheilung nicht be— färwortet; bevor er daher zur Berathung kommen kann, muß ich fra⸗ gen, ob er in der hohen Versammlung UÜnterstützung sindet?

(Es geschieht nicht.)

Referent Nordeck:

A4 3. Der auf Amnestie für diejenigen preußischen Unterthanen, welche sich bei den letzten Unruhen in den vormals polni= schen Provinzen betheiligt haben, gerichtete Antrag des Herrn Flemming erregte das innigste Mitgefühl, und wenn die Abtheilung allein dem Zuge des Herzens hätte folgen dür⸗ fen, so möchte wohl die Petition einstimmig sich der wärm⸗ sten Unterstützung zu erfreuen gehabt haben. Die Ver=

sammlung bel näherer Ueberlegung konnte es sich auch nicht verhehlen, wie mißlich es sei, schon jetzt, wo die Unter⸗ suchungen' noch schwebten, bevor sich das Maß der Straf⸗ fälligkeit erkennen lasse, schon jetzt eine Bitte um vollstän⸗ dige und allgemeine Begnadigung an den Thron gelangen zu lassen. Gleichwohl konnte die Abtheilung sich aber auch nicht enthalten, so sehr sie die Ereignisse beklagen, und die Tendenzen, durch welche dieselben hervorgerufen, verwerfen muß, ihr inniges, warmes Mitgefühl für ihre polnischen Brüder an den Tag zu legen, die sich bemühen werden, sich der deutschen Nationalität immer en— ger anzuschließen, um als Söhne desselben heiligen Vater⸗ sandes, dem wir Alle vom Niemen bis zur Saar angehö⸗ ren, mit offenen Armen von uns aufgenommen zu werden. Die Abtheilung hielt es außerdem auch noch für ihre Pflicht, Sr. Majestät offen und unzweideutig die Gefühle darzulegen, welche für jene Unglücklichen im ganzen Volke sich regen, und faßte nach reiflicher Erwägung den einstim⸗ migen Beschluß:

in dem an den Vereinigten Landtag über die Petition zu erstattenden Berichte sich dahin auszusprechen, daß der Antrag ihre Theilnahme in hohem Grade erregt, und daß sie sich verpflichtet fühle, denselben dahin zu unterstützen, daß bei der hohen Versammlung beantragt werde, an Se. Majestät die ehrfurchtsvollste Bitte zu richten, bei den nach geschlossener Untersuchung schuldig Befundenen nach Möglichkeit Gnade walten zu lassen.

Es wird schließlich noch bemerkt, daß die in der Versammlung anwesenden Abgeordneten aus der Provinz Posen sich von so schmerz⸗ lichen, sie so nahe berührenden Erinnerungen ergriffen fühlten, daß ihr Zartgefühl sie veranlaßte, sich aller Theilnahme an der Diskus⸗ sson sowohl, wie an der Abstimmung, zu enthalten. Dieselben spra⸗ chen jedoch ihren innigsten Dank für die aufrichtigen Beweise der Theilnahme und des wärmsten Mitgefühls, welche sich für die Un⸗ glücklichen aus ihrer Provinz in so hohem Grade ihnen kundgegeben,

gegen alle Mitglieder der Versammlung aus.

Bevor wir in dieser Sache weiter schreiten, sei es mir erlaubt, eine Bitte an die hohe Versammlung zu richten. Die Bitte möchte kühn erscheinen, welche ich der hohen Versammlung vortragen werde, aber das Eigenthümliche des Falles, den wir behandeln, möge mich entschuldigen. Wir haben hier in unserer Versammlung ebenfalls Repräsentanten der Provinz Posen, welche der vorliegende Fall so nahe betrifft, denn es ist wohl keinem Zweifel unterworfen, daß viel⸗ leicht die nächsten Anverwandten der unter uns anwesenden polnischen Brüder unter den in Untersuchung gezogenen Polen sich befinden. Wenn es nun schon in der Abtheilung den anwesenden Gliedern die⸗ ser Provinz aus Zartgefühl nicht moglich erschien, sich in die Dis⸗ kussion mit einzulassen, so glaube ich, daß hier vielleicht noch ein hö⸗ heres Maß desselben Gefühls vorherrschen wird bei den Vertretern der Provinz Posen. Nun nehmen Sie an, meine Herren, wenn sich vielleicht unter uns welche befinden, welche die von der Abtheilung vorgeschlagene Bitte an des Königs Majestät nicht unterstützen wol⸗ len, sondern beabsichtigen, daß die ganze Bitte unterbleiben möge, wie schmerzlich das den Vertretern dieser Provinz sein würde! Es sei mir daher erlaubt, meine Herren, die kühne Bitte an Sie zu richten, wenn es möglich ist, den Vorschlag, wie ihn die Abtheilung die Ehre sich giebt, Ihnen anzurathen, nicht zu diskutiren.

(Lebhafter Bravoruf und vielseitiges Rufen nach Abstimmung.)

Marschall: Ich für meine Person schließe mich dem Vor⸗ schlage vollständig an, und sofern die hohe Versammlung nichts da⸗ gegen hat, werde ich sogleich zur Abstimmung verschreiten.

(Es ertönt von allen Seiten das lebhafteste Ja.)

Ich frage also, ob der Antrag der Abtheilung angenommen werden soll? So viel ich übersehen kann, ist er einstimmig ange⸗ nommen. ö

(Es erschallt der enthusiastische Ruf: Einstimmig! Einstimmig!)

Abgeordn. von Potworowski: Empfangen Sie, meine Herren, den Ausdruck unseres innigsten Dankes für die Theilnahme, welche sie denjenigen unserer Landsleute schenken, die sich seit 16 bis 20 Monaten in Untersuchungshaft befinden und jetzt vor Gericht gestellt werden sollen, wie nicht weniger für die Sympathie, welche Sie im Allgemeinen uns bewiesen haben. Es ist ein wichtiger Mo⸗ ment, in dem das edle deutsche Volk bei seiner nationalen Entwicke⸗ lung seinen polnischen Brüdern diese unzweideutige Zuneigung zu erkennen giebt. Seien Sie fest überzeugt, daß auch wir Polen die offenen biederen Deutschen immer nach ihrem ganzen Werthe ge⸗ schätzt und hochgeachtet haben. Obgleich wir in dieser hohen Ver⸗ sammlung meist nur eine passive Haltung angenommen haben, so wie sie uns durch unseren nationalen Standpunkt angewiesen war, so hoffe ich dennoch, daß Sie, meine Herren, die vollkommene Ueber⸗ zeugung erlangt haben, was für einen hohen Werth wir auf Ihre volksthümliche Entwickelung legen, wie hoch wir denselben auch in Beziehung auf uns anschlagen, denn ein Velk, welches die eigene Rationalität zu würdigen weiß, kann auch die eines anderen Volkes nicht beeinträchtigen wollen. Deshalb wünschen wir Ihnen, meine Herren, und uns Glück zu dem neuen politischen Leben. (Als der Abgeordnete von Thadden die Rednerbühne betreten will

giebt sich in der Versammlung hestiges Lärmen zu erkennen; ale derfelbe indeß die Redneibühne betritt, fängt die Ver⸗ sammlung zu trommeln an, so daß von Seiten des Herrn Marschalls ein starkes Geläute erfolgen muß.)

Marschall: Der Herr Abgeordnete hat eine persönliche Be⸗ merkung zu machen.

Abgtordn. von Thadden: Ich wollte nur sagen: daß ich kei⸗ nem cinzigen Mitgliede dieser hohen Versammlung das Recht zuer- kenne, mehr Sompathie, Theilnahme oder Liebe zu unseren theuren