1848 / 33 p. 3 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

. möchte mir Aufklärung darüber . Abgeordn. 3 nn . X, des Urtels auch die Ver⸗ erbitten. . . wird, ehe die Verschärfung eintreten büßung de 22 baß gerade durch die Verbüßung der Strafe der ann. Es schein Alständig von den Folgen seiner That unterrichtet Verbrecher erst vollständig don . . Einkl Enrerge würde dann S. 75 mit dem §. 77 in besserem Einklange fein ker so lautet: Die Schärfung der Strafe wegen des Rück= i . 75) soll nicht eintreten, wenn seit dem Zeitpunkte, in welchem die Strafe des zuletzt begangenen früheren Verbrechens abgebüßt oder erlaffen worden war, bereits zehn Jahre verflossen sind. .

Regierungs Kommissarius Bischoff: Wenn man dieses Prinzip annehmen wollte, so würde man zu dem Resultate gelangen, daß der Verbrecher, welcher nicht die volle Strafe abgebüßt hat, und hiernächst ein Verbrechen begeht, auch nicht wegen Rückfalls bestraft werden könnte. Es würde also gegen einen Verbrecher, welcher aus der Strafanstalt ausgebrochen ist, und ein neues Verbrechen begeht, pie Strafe des Rückfalles nicht eintreten. Ueberdies hat die An- nahme des Prinzips, daß zur Begründung der Rückfallsstrafe die Strafe des früheren Verbrechens vollstreckl sein müsse, den Uebel⸗ stand, daß man dann immer erst recherchiren muß, ob wirklich die Strafe vollstreckt worden ist, und dies veranlaßt große Weitläuf- tigkeiten.

Abgeordn. von Saucken-Tarputschen: Ich wollte hier blos etwas zuů prüfen hingeben, was nicht meine eigene Ansicht ist, was mir aber von einem anerkannt tüchtigen Juristen bemerkt worden ist, daß es nämlich gut wäre, wenn man die Worte „von preußischen Gerichten“ ausstriche und die Strafe des Rückfalls ebenso gut eintreten müsse, wenn die erste Verurtheilung von fremden Gerichten ausgesprochen wäre. Es ist mir aber von ebenso tüchtigen Juristen das Gegentheil als besser erklärt worden; ich will mich daher weder für das eine noch für das andere erklären und nur der hohen Ver- fammlung anheimgeben, ob sie die Frage der ferneren Beachtung werth hält.

Abgeordn. Freiherr von Wolff-⸗Metternich: Was ich sagen wollte, fällt im Wesentlichen mit dem zusammen, was das geehrte Mitglied der Ritterschaft von Preußen gesagt hat. Ich glaube nämlich, daß eine zweckmäßige Vervollständigung des Paragraphen dadurch herbei⸗ geführt würde, wenn er fakultativ gefaßt und gesagt würde: „Der Richter kann wegen eines im Auslande begangenen und bestraften Verbrechens die Strafe des Rückfalls anordnen, wenn die verhängte Strafe orqdinarie zuerkannt war.“ Es scheint mir doch ein gleiches Maß der Immoralität vorzuliegen, und eben dadurch die Abände⸗ rung gerechtfertigt.

. Warschall: Wird verlangt, diesen Vorschlag zum Gegenstand einer Fragstellung zu machen?

Abgeordn. Frhr. von Wolff⸗Metternich: Ich stelle Ew, Durch⸗ laucht anheim, zu fragen, ob die von mir beantragte Vervollständigung die nöthige Unterstützung findet. .

Marschall: Das wird zuerst zu ermitteln sein. Er hat sie nicht gefunden. Verlangt der Abgeordnete von Olfers

Abgeordn. von Olfers: Ich bitte, daß versucht werde, ob mein Antrag Unterstützung findet.

Marschall: Wir wollen ermitteln, ob der Vorschlag die erforder⸗ liche Unterstützung findet, daß die Verbüßung der Strafe stattgehabt haben müsfe, ehe von Bestrafung des Rückfalls die Rede sein könne. Er hat sie nicht gefunden.

Abgeordn. Sperling: Daß bei dem Rückalle eine härtere Strafe gegen den Verbrecher ausgesprochen wird, hat darin seinen Grund, daß man bei ihm eine besonders hartnäckige böse Neigung voraus setzt, weil die Erfahrung, die er in einem früheren Falle schon ge— macht, sei es nun bloße Untersuchung oder Vollstreckung der Strafe, auf seine Moralität keinen Einfluß zu üben im Stande gewesen ist. Wenn wir aber jetzt dabei stehen bleiben wollen, daß die Vollstreckung einer Strafe nicht vorangegangen sein dürfe, so glaube ich, müssen wir wenigstens einen kleinen Schritt weiter gehen, als im Entwurfe geschehen. Ein rechtskräftiges Erkenntniß an und für sich ist für den Verbrecher ein non factum;, wenn es nicht zu seiner Kenntniß ge⸗ kommen ist. Daher würde ich anheimstellen, wenigstens den Zusatz zu machen, daß das Erkenntniß ihm publizirt sein müsse, wenn es seinem Verbrechen den Charakter eines Rückfalls geben soll.

Justiz-Minister Uhden: Das hat kein Bedenken; der Ver⸗ urtheilte muß erfahren, daß er wirklich verurtheilt worden ist.

Candtags⸗Kommissarius: Es ist dies ein ganz unbedenkliches richtiges Monitum.

Marschall: Wir kommen zu . 76. .

Regierungs- Kommissarius Bischoff: Ein rechtskräftiges Erkennt⸗ niß läßt sich ohne Publication schwer denken; nur im schriftlichen Prozeß, wenn das erste Erkenntniß publizirt, gegen dasselbe appellirt, und der Kondemnat vorläufig zur Strafanstalt abgeführt ist, würde sich in Ansehung des zweiten Erkenntnisses dies vielleicht annehmen lassen.

Referent Naumann lliest vor) ö

. Als gleichartige Verbrechen, wodurch die erhöhte Strafe des Rück= falls begründet werden soll (8. 75), sind nur folgende zu betrachten: Diebstahl, Unterschlagung, Raub, Erpressung, Hehlerei, Betrug, Münzfälschung, . ö Urkundenfälschung in betrügerischer Absicht.“ „Zu 8.

Gegen die Bestimmung des 85 gefunden.“ ö

Abgeordn. von Brodowski: Bei diesem Paragraphen hat die Abtheilung keine Bemerkung zu machen gehabt. Dägegen habe ich bei diesem Paragraphen zu bemerken, daß, nachdem wir den vorher⸗ gehenden Paragraphen angenommen haben und hier in diesem Para— . die Verbrechen aufgeführt sind, welche die Strafe des Rück⸗

alls als gleichartig begründen, zu diesen Rückfälligen wenigstens noch die Brandstiftung wird gerechnet werden müssen. Die hohe Ver⸗ sammlung wird gewiß erfahren haben, daß wirklich in dem Menschen das Anlegen von Feuer zur Leidenschaft werden kann. Da nun aber die 86. 358 3064, welche von der Brandstiftung handeln, sich nur * gemeingefährliche Verbrechen beziehen, aber nicht auf solche, die . einem Einzelnen einen erheblichen Schaden verursachen sollen, e, n, . Gefahr vorhanden ist; beibe Verbrechen. aber gleich 6 . einen und demselben Verbrecher auf die eine oder den önnen Vd . seine innewohnende Leidenschaft wiederholt wer⸗ es fur wegn id . oft wiederholt worden sind, so halte ich unter den gleichartigen i n nnn n en en 9 emeingefa 13 2 ällen des Rückfalls auch die Brandstiftung als ö. h 1 es Verbrechen oder als ielles Verb lche eide ganz verschiedenen Strafen unterli l, , ,, ,. Aeg erung. anmise al unterliegen aufgenommen werde. ziell. Lorch e een def: äs. ui iet. ge. rechtokräfti n, wenn Jemand wegen eines Verbrechens ch ftig verurtheilt worden ist und ober ein , . Verbrech mn nager de se ß e Kerbze en en begeht. Wenn Jemand schon früher

6. „Ib hat sich nichts zu erinnern

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eine Branbstiftung verübt hat und nun dies Verbrechen wiederholt begeht, so ist es dasselbe Verbrechen, und dann tritt die Strafe des Ruͤckfalls gegen ihn ein.

Abgeorkn. von Brodowski: Aber in 5. 76 steht „gleich⸗ artige Verbrechen.“ Wenn er zum zweitenmale Feuer anlegt, ist es ein Rückfall. Das eine Mal aber steckt er ein Haus an, in welchem Menschen wohnen, das andere Mal eine abgelegene Scheune, in welcher keine Menschen wohnen, und durch deren Verbrennung ein gemeingefährliches Verbrechen nicht verstanden, auch nicht herbei⸗ geführt werden kann.

Marschall: Es ist schon erwähnt worden, daß in keiner Weise der Ansicht des Abgeordneten entgegengetreten werden kann. Es liegt das schon im 5. 75. Daß der Abgeordnete Recht hat, ist nicht allein nicht bestritten, sondern auch von dem Herrn Regierungs⸗Kom= missarius ausdrücklich anerkannt worden. Wir kommen zu §. 77.

Marschall: §. 77.

Referent Naumann diest vor):

k

Die Schärfung der Strafe wegen des Rückfalls (8. 75) soll nicht eintreten, wenn seit dem Zeitpunkte, in welchem die Strafe des zuletzt begangenen früheren Verbrechens abgebüßt oder erlassen wor— den war, bereits zehn Jahre verflossen sind.“

k.

An die Bestimmung dieses Paragraphen schließt sich die mit

Nr. 9 in der vorgelegten Zusammenstellung aufgeführte Frage an: Soll der Rückfall die Eigenschaft eines Schärfungsͤgrundes verlieren, wenn das neue Verbrechen zehn Jahre nach Ab— büßung oder Erlaß der Strafe des zuletzt begangenen Ver- brechens verübt worden ist? ö

Es wird anzuerkennen sein, daß nach Ablauf einer bestimmten Reihe von Jahren die Gründe nicht mehr entscheidend bleiben, welche für den Rückfall eine Schärfung der Strafe nothwendig machen, und die Abtheilung schlägt vor, z

die vorgelegte Frage bejahend zu beantworten,

Daß der Rückfall als Schärfungsgrund schon nach Ablauf von fünf Jahren wegfallen könne, wurde von der Abtheilung mit 9 gegen 4 Stimmen nicht anerkannt, und es wird vorgeschlagen,

die Bestimmung des §. 77 unverändert anzunehmen.“ Marschall: 5. 78. Referent Naumann (liest vor): „S. 78.

; Durch die für den Rückfall vorgeschriebene Schärfung des höchsten gesetzlichen Strafmaßes darf die Gefängnißstrafe auch auf länger als zwei Jahre, jedoch niemals über vier Jahre ausgedehnt werden.

Es ist nicht gestattet, wegen Rückfalls die für zeitige Freiheits= strafen vorgeschriebene Gränze von zwanzig Jahren (8. 16) zu über⸗ schreiten.“

Die Bestimmung des Paragraphen hat zu keiner Bemerkung Veranlassung gegeben.

Abgeordn. Sperling: Die Worte; „Durch die für den Rückfall vorgeschriebene ö des höchsten gesetzlichen Strafmaßes“ könnten zu der Deutung Veranlassung geben, als sei für den Rück⸗ fall immer das höchste gesetzliche Strafmaß vorgeschrieben, und sol—

es noch durch den Richter zu schärfen, deshalb dürfte es der Deut— lichkeit wegen zweckmäßig sein, den Beisatz „höchsten“ wegzulassen.

Regierungs⸗Kommissarius Bischoff: Das ist Sache der Fassung.

Marschall: §5. 79.

Referent Naumann lliest vor):

. .

Die für den Rückfall gegebenen Vorschriften sind auch dann anzuwenden, wenn der Verbrächer in dem früheren oder in dem spä—= teren Falle, oder auch in beiden Fällen, nur des Versuchs eines Verbrechens, oder nur der Hülfsleistung zu einem Verbrechen sich schuldig gemacht hat.“

. diese Bestimmung hat zu keiner Bemerkung Veranlassung gegeben.

Marschall. Wir kommen nun zur Berathung des Gutachtens der Abtheilung über die Vorschläge wegen der dreigliedrigen Einthei- lung der strafbaren Handlungen. Ich bitte den Referenten, das Gutachten zu verlesen. .

Referent Naumann lliest vor):

w

der zur Vorberathung des Strafrechts-Entwurfs ernannten Abtheilung des Vereinigten ständischen Ausschusses, betreffend die Dreitheilung.

In Veranlassung der Diskussion über den Vorschlag der Abthei⸗ lung, die Dreitheilung der strafbaren Handlungen, wie sie nach rhei⸗ nischem Rechte besteht, allgemein in das Strafgesetzbuch aufzunehmen, und ihrem Erbielen in der Plenar-Sitzung vom 20. d. M. gemäß hat die hohe Staats-Regierung der Abtheilung durch den Königlichen Regierungs Kommissarius, Herrn Geheimen Justizrath Bischoff diesenigen Propositionen mittheilen lassen, welche sie für geeignet hält, um den diesfälligen Wünschen der Stände zu entsprechen.

Diese Propositionen sind .

In den Entwurf des Strafgesetzbuches ist wie im rheinischen Straftechte die dreigliedrige Eintheilung der strafbaren Hand⸗ lungen aufzunehmen. Danach sollen die strafbaren Handlungen sein:

1. Polizei⸗Uebertretungen,

2. Verbrechen oder Vergehen,

3. Schwere Verbrechen.

Die nähere Bestimmung, so wie die Abgränzung dieser drei Kategorieen muß bis zum Schlusse der Berathung ausgesetzt werden; es ist jedoch festzuhalten: ͤ

daß alle strafbaren Handlungen, welche mit der Todesstrafe, der Zuchthausstrafe oder einer Freiheitsstrafe von mehr als fünfjähriger Dauer bedroht sind, zu den schweren Ver— brechen gehören.

II.

Was den Verlust der Ehrenrechte betrifft, so werden, vorbehalt⸗ lich der näheren Ausführung im Einzelnen folgende Bestimmungen aufzunehmen sein: ;

1. Hinter den 5. 20, welcher eventuell nach den Vorschlägen der Abtheilung zu ändern ist, wird ein neuer Paragraph gesetzt des Inhalts:

daß der Verlust der Ehrenrechte (bürgerlichen Ehre) ent;

weder für immer oder die Entziehung auf bestimmte Zeit

ctwa drei bis zehn Jahren auszusprechen sei. Der Verlust der bürgerlichen Ehre für immer soll nur bei schweren Verbrechen angeordnet werden; bei anderen Ver= brechen und Vergehen soll nur Entziehung auf bestimmte Zeit angeordnet werden. In der Rheinprovinz werden dem⸗ nach die Zuchtpolizeigerichte nur auf zeitweise Entziehung der Ehrenrechte erkennen dürfen. Die Entziehung der bürgerlichen Ehre auf eine bestimmte Zeit hat die Folge, daß der Verurtheilte innerhalb dieser Zeit die National⸗Fokarde, als das Kennzeichen der allgemeinen Bürger- ehre nicht tragen, und diejenigen Rechte nicht ausüben darf, welche daran gesetzlich gebunden sind. In der Rheinprovinz

ist er innerhalb dieser Zeit nicht fähig, die im 8. XV. des Einführungs⸗Gesetzes erwähnten Handlungen und Rechte aus⸗ zuüben. Nach Ablauf der bestimmten Zeit tritt der Ver- urtheilte ohne Weiteres und, von Nechtswegen wiederum in den Besitz der bürgerlichen Ehre und der damit verbundenen vorstehend erwähnten Rechte.

Wenn die Entziehung der bürgerlichen Ehre auf bestimmte Zeit ausge sprochen wird, so soll stets als Folge dieses Aus⸗ spruchs der Verlust der besonderen Ehrenvorzüge (8. 20) für immer eintreten. Der Verurtheilte verliert also: den Adel, die öffentlichen Aemter, Würden und Titel, so wie die inlän⸗ dischen und ausländischen Orden und Ehrenzeichen; ingleichen verliert er auf lebenslang die Fähigkeit zur Ausübung des Patronats, der Gerichtsbarkeit und Polizeiverwaltung, so wie die Standschaft und die Befähigung zur Theilnahme an Stimm- und Ehrenrechten in Gemeinden und Corporationen.

Zul.

Die Abtheilung findet nichts dagegen zu erinnern, daß die drei verschiedenen Arten der strafbaren Handlungen: Polizei ⸗Ueber⸗ tretungen, Verbrechen oder Bergehen und schwere Ver⸗ brechen bezeichnet werden. Sie erkennt für richtig an, daß diese Bezeichnung schon deshalb angemessener ist, als die früher vorgeschla⸗ gene, weil der Sprachgebrauch nicht bestimmt genug zwischen Ver⸗ brechen und Vergehen unterscheidet, und es daher vorzuziehen ist, „sschwere Verbrechen“ als diejenigen zu bezeichnen, welche nach rheini⸗ schem Rechte einfach „Verbrechen“ genannt werden.

Es wird angetragen:

sich mit dem Vorschlage unter No. J. einverstanden zu erklären.

Zu ll. Eben so haben die Vorschläge sub No. II. Anerkennung erhalten. Zunächst erscheint es erforderlich, festzusetzen, . daß eine nur zeitweise Entziehung der bürgerlichen Ehre zulässig sein soll. Denn unte? den Begriff der Verbrechen oder Vergehen im Gegensatze zu den schweren Verbrechen werden strafbare Hand— lungen fallen, mit deren Verübung die bürgerliche Ehre zwar unver— träglich ist, bei deren Bestrafung aber es zu hart sein würde, den Verlust der bürgerlichen Ehre für immer eintreten zu lassen. In dergleichen Fällen wird es ganz angemessen sein, die bürgerliche Ehre als Bedingung der Fähigkeit, besondere Ehrenvorzüge auszuüben oder zu erwerben, eine bestimmte Zeit hindurch zu suspendiren, nach deren Ablauf aber sie ohne weitere Förmlichkeiten der Rehabilitation wieder eintreten zu lassen. . Was den Zeitraum betrifft, für welchen eine zeitweise Entziehung der bürgerlichen Ehre statthaft sein dürfe, so ist die Abtheilung der Ansicht:

im Allgemeinen

durch eine neue Bestimmung

daß die Dauer von fünf Jahren nach Beendigung der Frei— heitsstrafe nicht zu überschreiten sein würde, und daß anderer⸗ seits auch auf die Dauer von Einem Jahre die Entziehung ausgesprochen werden könne.

Ein längerer Zeitraum als fünf Jahre würde sich schon aus dem Grunde nicht rechtfertigen lassen, weil die zeitweise Entziehung der bürgerlichen Ehre auch für strafbare Handlungen eintreten wird, über welche Gerichte in der Rheinprovinz die Zuchtpolizeikammern der Landgerichte zu erkennen haben werden, welche weder durch ihre Verfassung, noch die Formen des bei denselben stattfindenden Straf⸗ prozeß · Verfahrens ausreichende Garantieen bieten, um den Ange—

schuldigten in seinem höchsten Gute, der bürgerlichen Ehre, zu sichern.«

Außerdem aber wird in Fällen, in welchen es nicht erforderlich ist, den' lebenslänglichen Verlust der bürgerlichen Ehre zu verhängen, ein fünfjähriger Zeitraum als ausreichend zu erachten sein, um die bei nur zeitweiser Entziehung leitende Voraussetzung, daß der Verurtheilte nach Ablauf der Zeit sich in ehrenhafter Gesinnung wieder befestigt haben werde, als zutreffend anzunehmen. Andererseits wird bei min⸗ der schweren Vergehen schon ein Zeitraum von einem Jahre genügen, um diese Annahme zu rechtfertigen, und es würde in vielen Fällen zu hart sein, wenn immer mindestens eine dreijährige Entziehung der bürgerlichen Ehre verhängt werden müßte.

Eine Folge der zeitweisen Entziehung der bürgerlichen Ehre muß der unbedingte Verlust aller derjenigen Ehrenvorzüge sein, welche im Vertrauen auf unausgesetztes ehrenhaftes Verhalten verliehen oder zugestanden werden. Hierher gehören unbestritten die öffentlichen Aemter, Würden und Titel, sowie Orden und Ehrenzeichen. Rück⸗ sichtlich des Adels ist erinnert worden, daß zwar aus dem angeführ⸗ len Grunde der dem Verurtheilten selbst persönlich verliehene Adel verloren gehen müsse, daß aber der ererbte Adel nicht verloren ge⸗ hen könne, weil sonst dem ererbten Adel die Bedeutung einer beson⸗ deren Ehre neben der bürgerlichen Ehre gegeben werden würde, während vielmehr nach den gegenwärtig bestehenden Verhältnissen die Ehre des Adels in der allgemeinen bürgerlichen Ehre aufgehe. Gegen diese Ansicht wurde indeß bemerklich gemacht, daß auch der ererbte Adel noch gegenwärtig ein Ehrenvorzug sei, der bei strafba⸗ rer unehrenhafter Handlungsweise nicht bestehen bleiben könne, und die Abtheilung hat sich mit 11 gegen 4 Stimmen dafür entschieden:

daß der Adel denjenigen Ehrenvorzügen zuzuzählen sei, welche für immer verloren gehen miüssen.

Was die Standschaft und die Befähigung zur Theilnahme an Stimm- und Ehren-Rechten in Gemeinden und Corporationen be⸗ trifft, so wurde zwar die Meinung geltend gemacht: .

daß dies ebenfalls Ehrenvorzüge seien, welche auch bei zeit⸗ weiser Entziehung der bürgerlichen Ehre für immer verloren gehen müßten; allein in Betracht, daß so lange diese Rechte nicht zugestanden werden die' bürgerliche Ehre felbst in ihren wesentlichsten Attributionen geschmaͤlert bleiben, und damit die zeitweise Entziehung dem Verlu ste derselben fast ganz gleichgestellt werden würde, sowie in Betracht, daß andererseits Entziehung oder

das Gesetz vom 23. Juli 1847 über die Suspension ständischer Rechte und die Stchtee nd Gemelnde-Srdnungen ausreichende Mittel ge⸗ währen, um unwürdige Personen Hon der Standschaft und der Theilnahme an Stimm- und Ehrenrechten in Gemeinden und Corporationen ausschließen zu können, . hat sich die Abtheilung mit 13 gegen 2 Stimmen für die Ansicht entschieden, . daß die Standschaft und die, Befähigung zur Theilnahme an Stimm- und Ehrenrechten in Gemeinden und Corporationen nach Ablauf der Zeit, für welche die Entziehung der bürger⸗ lichen Ehre erkannt wird, von selbst wieder eintreten müssen. Ferner ist die Abtheilung einstimmig der Ansicht, daß, wenn die eben erwähnten Rechte von selbst wieder ein- treten, die Befugniß zur Ausübung des Patronats, der Ge⸗ richtsbarkeit und der Polizei Verwaltung eben so wenig, als für immer verloren erklärt werden dürfen.

Erste Beilage

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Erste Beilage zur Allgem

Die Abtheilung schlägt hiernach vor: die Propositlon unter No. II. dahin zu modifiziren: Hinter dem nach den Vorschlägen der Abtheilung zu ändern⸗ den 5. 20 des Entwurfs wird ein neuer Paragraph gesetzt, des Inhalts: daß der Verlust der bürgerlichen Ehre entweder für immer oder die Entziehung auf die Dauer von einem bis zu fünf Jahren nach Beendigung der Freiheitsstrafe auszusprechen sei. Der Verlust der bürgerlichen Ehre für immer soll nur bei schweren Verbrechen angeordnet werden; bei anderen Verbrechen oder Vergehen soll nur Entziehung auf bestimmte Zeit an⸗ geordnet werden. Die Entziehung der bürgerlichen Ehre auf bestimmte Zeit hat die Folge, daß der Verurtheilte innerhalb dieser Zeit die National -Kokarde, als das Kennzeichen der allgemeinen bür⸗ gerlichen Ehre, nicht tragen und diejenigen Rechte nicht aus⸗ üben darf, welche daran gesetzlich gebunden sind. In der Rheinprovinz ist er innerhalb dieser Zeit nicht fähig, die im S. XV. des Einführungs-Gesetzes erwähnten Handlungen und Rechte auszuüben. ; Wenn die Entziehung der bürgerlichen Ehre auf bestimmte Zeit ausgesprochen wird, so verliert der Verurtheilte für immer den Adel, die öffentlichen Aemter, Würden und Titel, so wie die inländischen und ausländischen Orden und Ehren— zeichen. Dagegen tritt der Verurtheilte nach Ablauf der be— stimmten Zeit öoͤhne Weiteres und von Rechts wegen wiederum in den Besitz der bürgerlichen Ehre und mit Ausnahme der vorstehend bezeichneten in den Besitz aller durch die bürgerliche Ehre bedingten Rechte. Berlin, den 26. Januar 1818. Graf von Siegfried. Kuschke. Naumann. Sperling. Dansmann. von

Frhr. von Lilien. Wodiczka. Frhr. von Gaffron. Brodowski. Camphausen. Schulze-Dellwig. Auerswald. Grabow.“

Schwerin.

Referent Uaumgann: Es sind zwei wesentlich verschiedene Vor⸗ schläge in der Proposition enthalten, einmal die Dreitheilung, sich bewegend in der Terminologie und Abgränzung einzelner Kategorieen, und zweitens die Einführung einer doppelten Weise, die Ehrenrechte zu entziehen, erstens nämlich des Verlustes derselben für immer, und zweitens der Entziehung auf Zeit. Beide Vorschläge hängen freilich wesentlich zusammen, und es ist der letztere bedingt durch jene Einthei⸗ lung; sie stehen aber nicht in einem solchen Zusammenhange, daß nicht über den einen oder den anderen besonders berathen und be⸗ schlossen werden könnte. Daher stelle ich dem Herrn Marschall an— heim, zuvörderst über die erste Proposition die Berathung stattfinden zu lassen. Marschall: Es ist das durchaus zweckmäßig. Wir kommen in der Berathung zuerst auf den Vorschlag unter Nr.. Rorreferent Freiherr von Mylius; Ehe in die Debatte einge— gangen wird, möchte ich mir eine allgemeine Bemerkung erlauben zur Feststellung des Gesichtspunktes, von dem ich bei der Behand⸗ lung der Sache ausgegangen bin und der in der Abtheilung auch bercits Anklang gefunden und namentlich dadurch eine Aeußerung erhalten hat, daß, wie auch seitens des Gouvernements nicht bean⸗ standet worden, statt des Ausdrucks „Ehrenrecht“, der im Entwurf enthalten ist, allgemein der Ausdruck „staatsbürgerliche Ehre“ gesetzt wirb. Bürgerliche Ehren und Rechte stehen in einer sehr engen, nahe verwandten Verbindung, und es wird bie Debatte wesentlich erleich⸗ tern und darauf ankommen, wenn man namentlich über den Begriff von Ehre und Recht vollkommen klar ist. Ich kann den Standpunkt, auf dem ich stehe, nicht besser bezeichnen, als wenn mir gestattet sei, mich auf die Autoritét des hochverehrten Juristen zu beziehen, der jetzt an der Spitze, des Gesetz Ministeriums teht, indem ich die Auffassung habe, die selbst von ihm in einem Werke von ö Ruf, ich nenne die Geschichte des römischen Nechts im Mittelalter, aufgestellt worden ist, wo es sich gerade um Auffassung und in lung des Begriffs von Ehre und Recht in der altgermanischen Volks-= verfassung im Stande der Freien handelt. Es war wenn ich nicht genau bin, so stelle ich anheim, mich zu berichtigen es war die Ehre, das positive Element in der dortigen Gemeindeverfassung, das Element der Rechtsgenossenschaft und Rechtsgemeinschaft, von welchem alle Mitglieder des Standes durchdrungen waren, und wel⸗ ches in dem Bewußtsein jedes Einzelnen über die Existenz dieser Rechtsgenossenschaft seinen Ausdruck fand. Es fragt sich, oder ⸗viel= mehr es ist die jetzige Aufgabe der Gesetzgebung, vom politischen Stande beurtheilt, dieses positive Element der Rechtsgenosseuschaft und Rechtsgemeinschaft auch in unserem Staate kräftig und lebendig werden zu lassen. Deshalb glaube ich, daß gerade der Begriff der staatsbürgerlichen Ehre, als das Bewußtsein des Staats bürgerrechts repräsentirend, wohl zu unterscheiden ist von den Rechten, die als Chrenrechte und Ehrenvorzüge in einer anderen Auffassung gedeutet werden können. Es ist der Boden dieses Rechts die Grundlage, auf welchem die besonderen Ehrenvorzüge wurzeln und wachsen; sie nnen auf ihm, niemals aber außer ihm bestehen, haben aber für . Be gründung der staatlichen Ordnung selbst hier einen Werth. Cs. mag des besonderen Ehrenvorzuges derjenige, der im Besitze desselben ist⸗ sich erfreuen, wie des Besitzthums eines Hauses, oder , für die politische Bedeutung und für die Construction der E rundlage bes Staats sind sie unerheblich, während die bürgerliche Ehre in meiner Auffassung der Ausdruck der rechtlichen Ordnung im Staate im Bewußtsein des Einzelnen ist. Das sind die Momente, von denen ausgehend ich zuerst Anträge deshalb bei der Abtheilung ge⸗ stellt habe, das Wort „Staatsbürgerehre“ überall da zu substituiren, wo es sich um besondere Ehrenrechte handelt, und ich glaube, daß, wenn die Auffassungsweise, von der ich ausgehe) getheilt wird, eine wesentlich verschiedene Beurtheilung der jetzt in Vorschlag gebrachten Bestimmungen nicht existiren i, . . Abgeordn. Camphausen; Meine Herren, ich will reden für den Vorschlag der Abtheilung, insosern derselbe die zeitliche Aberkennung der Ehrenrechte bevorwortet. J Marschall: Das würde sich auf Nr. II. beziehen. Abgeordn. Camphausen: Ich muß um die Vergünstigung bit⸗ ten, über eine so wichtige Frage im Allgemeinen reden zu dürfen, bevbr auf das Einzelne eingegangen wird, Ich will reden gegen den Vorschlag der Regierung, welcher zwar einzelne Rechte auf Zeit ab⸗ erkennen lassen will, aber die wichtigsten derselben, nämlich das Ge⸗ meinderecht und das Staatsbürgerrecht, nur auf Lebenszeit. Insofern der Vorschlag der Regierung von dem Entwurfe nicht wesentlich ab⸗ weicht, werde ich den Entwurf in's Auge fassen müssen, und das um so mehr, als der Strafgesetzentwurf angeblich den Stand der ÿffent⸗ lichen Meinung in hiesigen Landen, im Gegensatze zu demjenigen der Rheinprovinz, repräsentiren soll und ich innigst wünsche, über diesen Punkt ein Verständniß mit der Verfammlüng vorzubereiten.

Wenn Sie meinem guten Willen mit einiger Nachsicht und Zunei⸗ gung entgegenkommen, so darf ich in die Verhandlung mit der kühnen Hoffnung eingehen, Sie zu überzeugen, daß auch in dieser Beziehung das Rheinland mit den übrigen Theilen der Monarchie harmonire. Es ist bereits zu wiederholten Malen von der Organi⸗ fation der rheinischen Gerichte die Rede gewesen und das klar ge⸗ worden, was eigentlich auch durch den hente vorliegenden Vorschlag wegen der Dreitheilung besonders hervortritt, daß nach einer drei⸗ fachen Eintheilung die Untergerichte, die Mittelgerichte und die höch⸗ sten Gerichte über strafbare Handlungen von verschiedenartiger Schwere zu entscheiden haben. Diese Einrichtung wird auch hier eintreten; sie ist zugleich die, natürliche und in der Hauptsache die allgemeine. Das charakteristische Merkmal des rheinischen Verfah⸗ rens aber ist das, daß unter allen Umständen der Verlust der staatsbürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit nur von dem höchsten Gerichtshofe, nur von den Geschwornen ausgesprochen werden kann. Es besteht hinsichtlich dieses Grundsatzes zwar eine Ausnahme nicht in dem rheinischen Rechte, sondern in Folge einer späteren Aller⸗ höchsten Kabinets-rdre, betreffend die Aberkennung der National⸗ Kokarde. Ich muß jedoch anheimgeben, ob überhaupt die Ab⸗ erkennung der National- Kokarde, wie Nie sich prattisch gestaltet hat, als ein lebenslänglicher Verlust anzusehen ijt. Die Praris hat sofort ergeben, daß die Strafe keine lebenslängliche sein kann, daß, indem die National-Kokarde für kleine Vergehen aberkannt wurde, Gnadengesuche in großer Zahl eingereicht wurden auf ihre Wieder⸗ verleihung. Diese Wiederverleihung sindet in der Regel bei kleinen Vergehen statt, und es ist gesetzlich festgestellt, daß schon sechs Mo⸗ nate nach abgestandener Strafe darauf angetragen werden dar]. Es läßt sich behaupten, daß in der Praxis in Beziehung auf nicht schwere Vergehen die Aberkennung der National-Kokarde nicht eine Stra]? auf Lebenszeit, sondern auf Zeit sei. Uebrigens wird, daß eine solche Ausnahme bestehe, nicht als Grund gegen uns angewendet werden dürfen. Aus der Ausnahme darf nicht geschlossen werden, daß, weil sie vorhanden ist, die Ausnahme selbst zur Regel gemacht werden müsse; man muß immer den bekannten Satz gelten lassen, daß eine Regel eiwa mit einer Ausnahme bestehen kann, daß aber nichtsdesto⸗ weniger die Regel bestehen bleibe. Es hat nun in dem Allerhöchsten Landtagsabschied an die rheinischen Provinzialstände von 1843 Se Majestäit der König huldreich geäußert, daß die Besorgniß, daß das Bestehen des rheinischen Gerichtsverfahrens gefährdet werde, bei dem von Sr. Majestät wiederholt ausgesprochenen Willen, dieses Ver⸗ fahren ungefährdet zu erhalten, nicht Platz greisen dürfe. Eine solche Besorgniß würde jedoch allerdings gegründet sein, wenn der. Ent⸗ wurf, wie er vorliegt, oder mit der Modification, welche jetzt seitens der Regierung vorgeschlagen ist, angenommen würde, indem alsdann im Wesentlichsten das so eben genannte Prinzip des vheinischen Ge⸗ richte verfahrens, daß der Verlust der Ehrenrechte auf Lebenszeit nur von dem höchsten Gerichtshof erkannt werden könne, aufgehoben wäre. Es sind aber diese Bedenken nicht ausschließlich der Rhein⸗ provinz angehörig, in der ganzen Monarchie halte ich es. nicht minder, als in der Rheinprovinz, sür erforderlich, daß für die schwerste Strafe auch mit schützenden Formen umgebene Gerichte vorhanden seien. Ss ist hier durch das Gesetz vom 17. Juli 13847 bereits dem Einzelrichter das Recht eingeräumt, auf Ehren⸗ strafen zu erkennen, jedoch vorbehalten, daß es nicht geschehen dürfe, sobald die Ehrenrechte im Allgemeinen abzuerkennen seien. Ich bin überzeugt, wenn etwa in Vorschlag sein sollte, diesem . zelrichter künftig auch die Aburtheilung der kleinen Diebstähle und anderen kleinen Vergehen, woran der Entwurf den Verlust der Ehren⸗ rechte knüpft, zuzuweisen, dies sämmtliche Provinzen nicht befriedigen würde. Es kömmt zunächst wohl auf die Frage an: Ist der lebens⸗ längliche Verlust der Ehrenrechte wirklich eine schwere, Strafe; Ein wichtiger Punkt für einen Theil der Staatsbürger ist der Verlust des Adels. Ich untersuche die Frage nicht, inwiefern überhaupt empfehlenswerth sei, den Adel aberkennen zu lassen, allein, wenn ein⸗ mal feststeht, daß der Adel aberkannt werden soll, so ist es für die⸗ jenigen adeligen Familien, die hinsichtlich ihrer Angehörigen in diesen Fall kommen können, von hohem Interesse, daß nicht ein Unter⸗ gericht, sondern ein den Stand schützendes Gericht, diese schwere Strafe ausspreche. Nehmen Sie an, meine, Herren, dem letzten Sprossen eines alten adeligen Geschlechtes sei auf der Universität von einem Freunde ein reiches Kleinod anvertraut worden; der junge Mann hat sich, wie es häufig zu geschehen pflegt, durch zu rasche Ausgaben in Geldverlegenheit gestürzt; er verpfändet das Kleinod; der Freund kömmt zurück, und er kann ihm das Pfand nicht ausliefern. Eine Klage wird erhoben, und das nächste Zucht⸗ polizeigericht verurtheilt ihn zum Verluste des Adels; es erklärt den? Namen jenes alten Geschlechtes erloschen. Es ist hinsicht⸗ lich anderer Punkte der Artikel 20 des Entwurfs von besonderer Wichtigkeit, daß beabsichtigt war, nicht, nur für immer das Recht aufzuheben, sondern zugleich die Fähigkeit, es jemals wieder zu erwerben. Den Unterschied zwischen dem Verlust eines Rechtes, und zwischen dem Verlust der Fähigkeit, es wieder zu erwerben, möge die Versammlung sesthalten, wenn sie die Höhe der Strafe des Verlustes der Ehrenrechte ermißt, Welcher Unterschied besteht nicht darin, ob ich blos mein Vermögen verlieren soll, oder ob ich auch das Recht verlieren soll, künftig wieder Vermögen zu er⸗ werben. Unter den Ehrenrechten giebt es ferner solche, die ererbt sind, und solche, die am Besitze haften. Vor allen Dingen aber ist barunter das Recht der Gemeindeb ürgerschaft und der Staats- bürgerschaft begriffen. Wenn wir aber Alle den Verlust der Ehrenrechte auf Lebenszeit für eine sehr schwere Strafe halten, so besteht auch für die ganze Monarchie das Erforderniß, daß die sie erkennenden Gerichte mit schützenden Formen umgeben seien. Dem stellt sich nun das System des Entwurfs entgegen; zuerst die Ansicht, daß nicht die Schwere der That, sondern die Natur der That ent⸗ scheide, diejenige Natur nämlich, welche von ehrloser, verworfener Gesinnung Zeugniß giebt. Es soll doppelt gestraft werden, die That selbst und die Gesinnung des Thäters, insoweit sie sich in der That ab⸗ spiegelt. Es stellt sich ferner, und dies ist die Hauptsache, die Ansicht ent gegen, daß, wer einmal durch eine ehrlose Handlung die Verachtung seiner Mitbürger sich zugezagen habe, dieser auf immer und unwie⸗ derbringlich verfallen sei. Daraus folgt, daß der Verlust der Ehren⸗ rechte auch an geringe Vergehen geknüpft werden muß, und daß der Verlust ausgesprochen werden mutz durch die Untergerichte, weil es unausführbar, wi der Herr Gesetzgebungs⸗Minister solut unmöglich sein würde, nur

ener assen.

echselung der Ehre mit Rechten, eine Verwechselung dessenigen, worüber das Strafgesetz verfügen kann, mit demjenigen, worüber es nicht verfügen kann. Die innere Ehre ist jedem Urtheilspruche außer dem eigenen entrückt; auch über

Ehrenrechte auf Zeit Hierin erblicke ich nun eine

die äußere Ehre, über die Achtung und Verachtung der Mitbürger

einen Preußischen Zeitung.

Mittwoch den 2. Febr.

kann der Richter nicht entscheiden, darüber entscheidet die öffentliche Meinung. Der Richter kann nur eine Thatsache bekunden, nur die Vermuthung aussprechen, daß der Bestrafte die öffentliche Verach⸗ tung sich zugezogen habe, und deshalb entzieht er ihm gewisse Rechte und Vorzüge, die der mit der offentlichen Verachtung Behaf⸗ tete nicht ausüben und besitzen soll. Das Urtheil kann nur suchen, den Stand der öffentlahen Meinung mit Wahrheit zu bezeichnen, es kann sie nicht Fch affen. Bekannt ist, daß häufig die schimpf⸗ lichsten Urtheile und Strafen nicht vermocht haben, die öffent⸗ lich‘ Meinung zu erzeugen. Um nur eines Falles zu gedenken, erwähne ich, daß im siebzehnten Jahrhundert Männer in England zu der schimpflichen Strafe des Ohrabschneidens verurtheilt wurden, die bald nachher von der öffentlichen Achtung zu Richtern derjenigen emporgehoben wurden, die sie verurtheilt hatten. Diese Verwechse⸗ lung der Rechte mit der Ehre wird befördert durch den in dem Ent- wurfe angenommenen Ausdruck „Ehrenrechte.“ Allerdings sind die Rechte, die der Art. 20 aufzählt, solche, welche auszuüben eine Ehre ist; aber keinesweges schließt der Art. 20 alle Rechte ein, die auszuüben eine Ehre ist oder als eine Ehre angesehen werden kann. Es Fann als eine Ehre angesehen werden das Recht, vor dem Priester oder Magistrat durch feierliches Gelöbniß eine eheliche Verbindung zu schließen; das Recht, eine Familie zu begründen; das Necht, durch Testament über sein Vermögen zu verfügen; das Recht, Grundeigen⸗ thum, Rittergüter zu besitzen oder zu erwerben; das Recht, zu dem Gewerbe-, Fabrikanten⸗ oder Handels stande zu gehören; das Recht, in Actiengesellschaften, beispielsweise in den General⸗Versammlungen der Betheiligten an der preußischen Bank zu berathen und zu stimmen; das Recht, auf Dampfschiffen zur Seite der Besten der Gesellschaft sich zu bewegen, auf Eisenbahnwagen neben ihnen zu sitzen, in dem⸗ selben Tempel mit den Hohen und Höchsten gemeinschaftlich zu Gott zu beten. Wenn aber der Entwurf die Ehrenrechte ihrer Summe nach be⸗ schränken muß, so ist es unrichtig, zu behaupten, daß er sie der Zeit nach nicht beschränken dürfe. Von der höchsten Ehrenhaftig= feit bis zur gänzlichen Ehrlosigkeit besteht eben so eine leise allmãlige Abstufung, wie bei manchen Eigenschaften des Menschen, die, viel⸗ leicht aus derselben Wurzel entspringend, von der höchsten Tugend bis zum verworfensten Laster herabsinken; wie wir z B. die Neigung zum Erwerbe in dem redlichen Fleiß und in der Sparsamkeit, aber auch im Eigennutze und im Geize und tiefer herabfallend im Wucher, in der Prellerei im Betruge, im Diebstahle und im Raubmorde wiederfinden. Gefährlich ist es, aus dieser Gradation von der vollen Ehrenhaftigkeit bis zur tiefsten Ehrlosigkeit den Punkt heraussuchen zu wollen, wo das Ehrgefühl völlig abgestorben und in einem Maße abgestorben sein soll, deß dessen Wiederbelebung als unmöglich anzu⸗ sehen wäre. Doppelt gefährlich erachte ich es aber, wenn dieser Punkt in einem Gebiete gefunden wird, wo die Gränzen zwischen dem Vorhandensein einiger Ehrliebe und dem Mangel derselben in einander fließen. Die Achtung und Verachtung wendet sich nicht noth⸗ wendig und nicht immer auf das ganze Individuum, sondern auch auf einzelne Eigenschaften und Handlungen. Haben wir nicht Männer gehabt, deren Ruhm und Größe Jahrhunderte durchlebt und die dennoch mit Schattenseiten behaftet waren oder sich verwerflichen oder verächtlichen Leidenschaften hingaben, vielleicht solchen, die der Entwurf mit dem Verluste der Ehrenrechte bedroht? Und schwanken nicht an der im Entwurfe gefundenen Gränze Handlungen herüber und hinüber, von denen es zweifelhaft sein muß, ob sie zu solchen gehören werden, welche den Verlust der Ehrenrechte bedingen. Rach §. 293 des Entwurfes verliert sie, wer in gewinnsüchtiger Ab⸗ sicht zum Schaden eines Anderen einen Irrthum erregt. Werden nicht manche Listen, die, wie man erzählt, beim Pferdehandel vor⸗ kommen, unter diesen Begriff subsumirt werden können? (Heiterkeit. Wird nicht ein Theil der hohen Aristokratie Englands unter diesen Begriff verfallen, wegen ähnlicher Listen, die bei den Pferderennen vorfallen sollen? Aber es ist nicht nöthig, Beispiele zu suchen, von denen zweifelhaft ist, ob sie nach dem Entwurfe strafbar wären oder nicht; denn es werden Handlungen in Menge begangen, die der Gewalt des Richters entrückt sind und die eine weit größere Ehr⸗ losigkeit bekunden, als manchen Handlungen zuzumessen ist, an welche der? Entwurf den Verlust der Ehrenrechte knüpft. Auf, der anderen Seite, finden sich nicht Spuren von Ehrgefühl selbst bei den größten Frevlern und Missethätern? Es wird behauptet, und ich stimme freudig bei, daß das deutsche. Volk vorzugsweise empfänglich sei für bas Gefühl der Ehre; aber ich widerspreche, wenn behauptet wird, daß wegen dieser Eigenschaft das deutsche Volk in demselben Maße, wie der Entwurf, gewisse Handlungen als Merkmal unbedingter und immerwährender Ehrlosigkeit ansehe. Mit dem meisten Grunde wird dies vom Diebstahle behauptet; aber aus welchem Zuge des deut⸗ schen Volks Charakters wollen wir den Anklang erklären, den einst bei der deutschen Nation die poetische Schilderung des Dieb⸗ stahls und Raubes in Schillers Räubern fand; aus welchem Zuge wollen wir es erklären, daß in den Leihbibliotheken die Beschichten großmüthiger Räuber am meisten gelesen werden, daß auch das hochgebildete Publikum zu den Darstellungen solcher Charaktere auf der Bühne sich drängt! Aus welchem Zuge wollen wir es erklären, daß im Volke wie Sagen von Mund zu Munde die Erzähl Thaten bekannter Diebe und Räuber gehen, d Diese Erschei⸗ nungen sind nichts Anderes, als das danke lebt, es des Raubes, daß der letzte sei. Alle diese Anführungen sollen keinesweges die Unzulãässigkeit des Verlustes der Ehrenrechte auf Lebenszeit darthun, sondern nur das halte ich unzulässig, daß der Punkt zu weit vorgerückt werde, wo der lebenslängliche Verlust eintreten soll. Und in dieser Beziehung geht nicht nur der Entwurf, sondern auch das rheinische Recht zu weit. Sie haben vernommen, daß vor einiger Zeit zwei junge Mãnner von Bildung in Köln eine Kassette wegnahmen zu Zwecken, die Ihnen bekannt sind. Einer derselben ist vor die Geschworenen gestellt wor⸗ den, und sie haben erklärt: „er sei nicht schuldig; hanten sie ihn schuldig erklärt, so mußte er zum Zuchthause und zum Verluste der Ehrentechte verurtheilt werden. Ich glaube nicht, daß die öffentliche Meinung ein solches Urtheil bestätigt, daß sie ebenfalls knen Mann für sein ganzes Leben ehrlos erklärt haben würde;. Tie Ansicht, daß ber Verlust der Ehrenrechte nur auf immer aus zusprechen sei, schließt gewissermaßen die Behauptung in sich, daß das Ehrgefühl nicht file aesahig fei; daß es, einmal geschwächt nicht wieder erstarken, einmal abgestorben, nicht wieder belebt werden könne. Dennoch würde Jedermann zurückschrecken, wenn er diese Behaup⸗ tung in allen Konsequenzen. vertreten sollte, Sie ist nicht be⸗ gründet in der Erfahrung, Jie ist nicht begründet in der Natur des Menschen.ů Wer will behaupten, daß der 18 oder, wie der Ent⸗ wurf ursprünglich vorschlug, der . Knabe, der, um ein leichtsinniges Gelüste zu befriedigen, seinem Lehrherrn einige Thaler

wegnahm, sein ganzes Leben nicht wieder ein ehrlicher Mann werden