1848 / 36 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

vorhanden sein, wo gesagt wird: Jemand, der durch die zweite Strafe getroffen ist, soll nicht mehr Besitzer von Aemtern und Wür⸗ den sein, weil hier ein von dem Staate zu gewährendes Recht vor⸗ liegt; sie liegen ferner vor in dem Falle, den der Abgeordnete von Schlesien angeführt hat, wo es sich um die Ausübung der Patrimo⸗ nialgerichtsbarkeit und ähnliche Dinge handelt. Liegen solche äußere Gründe vor, so ist es gerechtfertigt, daß man sagt, es sollen solche Rechte nicht mehr geübt werden, weil die zweite Ehrenstrafe ihrer Frist nach abgelaufen ist. Wo aber solche äußere Gründe keines⸗ weges vorliegen, glaube ich, daß aus dem Wesen der beiden Ehren⸗ strafen, das ich jetzt entwickelt habe, aus ihrer inneren Nothwendig— keit, wie sie aus der Auffassung der politischen Ehre solgt und aus dem Verhältniß, in welchem sie zu einander stehen, mit Nothwendig⸗ keit geschlossen werden muß, daß das Recht der Standschaft durch die zweite Ehrenstrafe nicht ausgeschlossen wird, eben so wenig wie das

Staatsbürgerrecht und die allgemeine Rechtsfähigkeit, daß das er⸗ wähnte Recht vielmehr, eben so wie der äußere Ausdruck dieser Rechts⸗ fähigkeit, aus den in dem Wesen der Strafe liegenden Gründen auf die im Gesetz bestimmte Zeit suspendirt bleiben, dann aber wieder aufleben muß. ; Abgeordn. von Arnim: Auch ich kann nur die Ansicht theilen, daß die Standschaft zu den besonderen Ehrenrechten gehört, wie sie uns gestern von dem Herrn Minister der Gesetzgebung auseinander⸗ gesetzt worden sind; in dieser Hinsicht theile ich ganz die Ansichten des geehrten Mitgliedes der Ritterschaft aus Schlesien und habe zur Mothvirung nichts mehr hinzuzusetzen. Der Herr Minister der Ge⸗ setzgebung hat uns aber auch gestern auf den Widerspruch aufmerk⸗ sam gemacht, der mit der bestehenden Gesetzgebung eintreten würde, insofern es stattfinden soll, die Standschaft auch zeitweise abzuspre—⸗ chen. Ich trete dem überall aus voller Ueberzeugung bei, füge aber auch noch hinzu: zur Ausübung der Standschaft ist die Grundbe— dingung ein unbescholtener Ruf; das steht überall fest. Ich frage nun, welcher Richter kann sagen, der Ruf, den er für bescholten er⸗ kannt hat, solle in dieser oder jener Zeit nicht mehr bescholten sein? Das werden wir Alle für unmöglich halten; ist der Ruf einmal be⸗ scholten, so kann kein Richterspruch, namentlich wo ihm keine Gründe vorliegen, die Zeit bestinimen, wo der Ruf wieder unbescholten sein soll. Nur die Machtvollkommenheit unseres Königs und Landesherrn kann allerdings unter Umständen, die §. 12 des Gesetzes von 1847 angiebt, auf den Weg führen, auf welche Art die Standschaft wieder erlangt werden kann, und das ist der Weg, der hier schon angeführt ist, nämlich auf den Vorschlag der Genossenschaft. Ich würde also ganz dieser Bestimmung hier folgen und nicht für nöthig halten, daß wir im Gesetze nochmals Bestimmungen darüber aussprechen, auf welche Art die Standschaft, die nur für immer aberkannt werden kann, wiedererlangt wird. Dafür giebt eben §. 12 des Gesetzes von 1847 einen vollkommenen Anhalt. Marschall: Wir wollen nun entnehmen, ob der Antrag des Abgeordneten von Gaffron, nach welchem die Wiederauflebung des Rechtes der Standschaft nach Ablauf der Zeit von dem Urtheile der

Genossenschaft abhängen soll, die nöthige Unterstützung von 8 Mit— gliedern findet? (Es geschieht.)

Der Vorschlag wird zur Fragestellung kommen.

Abgeordn. Frhr. von Gaffron: Ich wollte nur bemerken, daß in den Vorschlag noch die Worte Aufnahme finden müssen: „unter Vorbehalt der landesherrlichen Bestätigung“.

Abgeordn. Krause: Blos über die Fragestellung wollte ich mir das Wort erlauben. .

Marschall: Wir sind noch nicht so weit, es muß der Diskus⸗— sion Fortgang gegeben werden. .

Abgeordn. Dittrich: Indem ich mich der Ansicht der Majori-= tät der Abtheilung aus den von dem Herrn Vorsitzenden angegebe⸗ nen Gründen anschließe, will ich zur Widerlegung dessen sprechen, was der Herr Minister der Gesetzgebung gestern zur Vertheidigung der entgegenstehenden Ansicht angeführt hat. Es wurde Bezug ge⸗ nommen auf die §S§. 1 und 12 des Gesetzes vom 23. Juli 1847 und auf den Sitz der Materie, den §. 11 des Gesetzes vom 8. Mai 1837. Ich glaube aber, daß dieser Paragraph der Ansicht der Abtheilung durchaus nicht entgegensteht, denn er sagt: „Nur eine ausdrücklich von Uns Allerhöchstselbst ausgesprochene Wiedereinsetzung in die ver⸗— loren gegangenen Rechte macht zu deren Wiederausübung fähig.“

Ich lege auf die Worte „verloren gegangene Rechte“ das meiste Gewicht. Nach dem Beschlnsse, welchen die hohe Versamm⸗ lung gestern angenommen hat, wird das Recht der Standschaft durch zeitweise Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehre nicht ver— loren, so lange nicht ein besonderer Beschluß solches will. Der ge⸗ strige Beschluß lautet: „Stimmt die Versammlung dem Antrage bei, daß die Gerichte befugt sein sollen, die Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte auf Zeit zu untersagen?“ Der Beschluß lautet also nicht auf Entziehung, wie der Herr Minister der Gesetzgebung äußerte, sondern auf zeitweilige Untersagung. Nach diesem Beschlusse können nur diejenigen Rechte entzogen werden, deren Untersagung aue drück= lich ausgesprochen wird; es ist hier aber nur von Untersagung und nicht von Entziehung die Rede. Ich halte das Recht der Stand- schaft gleichfalls für ein so hohes, wie nicht bald ein anderes, ich glaube aber besonders aus dem Gründe, den der Herr Direktor der Abtheilung angeführt hat, daß es nämlich ein ursprüngliches, nicht ein n e. ist, daß es deswegen nach beendeter Zeit der Unter⸗ sagung wieder aufleben muß. Ich unterscheide das aktive und pas⸗— sivo Wahlrecht. Was das Recht, zu wählen, anlangt, so ist es sehr wichtig, aber noch nicht so wichtig, wie das Recht, gewählt zu wer⸗ den. Wenn die Standesgenossen das Urtheil sprechen, daß der Be⸗ strafte nicht würdig ist, wieder gewählt zu werden, indem sie ihn nicht wählen, wenn die Zeit der Untersagung vorüber ist, so ist da⸗

durch gewiß jedem Bedenken abgeholfen, und aus diesen Gründen

stimme ich für die Majorität der Abtheilung. Abgeordn. Frhr. von Lilien⸗Echthausen:

belegt worden ist.

1837 über die persönliche Fähigk Staudschaft vorschreibt, eine oel. loren gegangenen Rechte durch

ten zes die Wiederverleihun

Üür die Revision der Geseßgebung hervorgehoben worden.

das Gesetz vom 23.

6,

Auch ich halte die Standschaft und die Befähigung zur Theilnahme an Stimm⸗ und Ehrenrechten in Gemeinden und Corporationen für die höchsten po⸗ litischen Rechte; aber eben, weil ich sie dafür halte, weil sie die Grundlage bilden für die ersten politischen Corporationen, für die Stände⸗Versammlungen, für unsere Versammlung, kann ich ihre Aus⸗ übung nur einem Manne von unbefleckter Ehrenhaftigkeit zugestehen. Als einen solchen kann ich aber nicht den anerkennen, der ein Ver⸗ brechen begangen hat, das von ehrloser Gesinnung zeugt, und der in Folge dessen mit einer, wenn auch nur zeitweise infamirenden Strafe Ich kann einem solchen die Ausübung der Rechte der Standschaft und des Gemeinderechtes erst dann wieder einräu— men, wenn er vorab auf dem Wege, den das Gesetz vom 8. Mai eit und Ausübung der Rechte der ändige Wiedereinsetzung in die ver⸗

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pension ständischer Rechte und die Städte⸗ und Gemeinde⸗Ordnungen ausreichende Mittel gewähren, um unwürdige Personen von der Standschaft und der Theilnahme an Stimm- und Ehrenrechten in Gemeinden und Corporationen ausschließen zu können. Allein ich verlange in dem vorliegenden Falle einen direkten Schutz von der Ge⸗ setzgebung gegen die Theilnahme unwürdiger Personen an den Rech- len'der Standschaft, während das Gesetz vom 23. Juli 1847 und die Gemeinde- Ordnungen nur den Weg nachweisen, auf welchem die betreffenden Corporationen bei unwürdigen Per sonen die Sus⸗ pension ständischer Rechte und des Gemeinde⸗Rechts möglicherweise rlan jnnen.

erlan X 2 es der Würde der ständischen Corporationen und der Gemeinden überhaupt für viel entsprechender, den einmal ehrlos ge⸗ wesenen Verbrecher zur Wiedererlangung der verlorenen Rechte an das Gesetz vom 8. Mai 1837, als umgekehrt die betheiligten Cor⸗ porationen an das Gesetz vom 23. Juli 1847 zu verweisen, um zu versuchen, ob sie den einmal ehrlos Gewesenen von sich ausschließen können. Es ist ferner von der Majorität der Abtheilung geltend gemacht worden: „daß, so lange die in Frage stehenden Rechte nicht zugestanden werden, die bürgerliche Ehre selbst in ihren wesentlichsten Attributionen geschmälert bleibe.“ Dies mag vollkommen richtig sein; darauf kommt es indessen meines Erachtens hier nicht weiter an. Im Interesse des Verbrechers von ehrloser Gesinnung ist vollständig genug geschehen durch die Annahme einer bisher de jure wenigstens nicht gekannten nur zeitweisen Entziehung der Ehrenrechte. Seine Lage ist dadurch wesentlich verbessert, daß er künftig mit dem Ab— laufe einer bestimmten Frist ohne Weiteres und von Rechts wegen wiederum in den Besitz der allgemeinen bürgerlichen Ehre tritt. Noch weiter zu gehen, neben der allgemeinen bürgerlichen Ehre auch die besonderen Ehrenvorzüge von selbst wieder aufleben zu lassen, dazu fehlt es an jeder zureichenden Veranlassung. Hiernach trete ich dem Vorschlage der hohen Staats⸗ Regierung auch rücksicht⸗ lich des zur Diskussion stehenden Punktes dahin bei: daß, so oft auch nur auf zeitweisen Verlust der allgemeinen bürgerlichen Ehre erkannt worden ist, die Standschaft und das Gemeinderecht auf im⸗ mer verloren gehen müssen.

Abgeordn. Graf von Zech-Burkersrode: Auch ich kann mich nicht mit der Majorität der geehrten Abtheilung einverstanden er⸗ klären in der Ansicht, daß bei Suspension der bürgerlichen Ehren- rechte auf Zeit nach Ablauf dieser Zeit der verurtheilt Gewesene in den Genuß der Rechte der Standschaft, des Patronats, der Juris- diction und der Polizei⸗Verwaltung wieder eintreten solle.

Meine Herren! Uns Allen stehen diese Rechte, obenan das Recht der Standschaft, so hoch, daß wir für deren Ausübung die vollkommenste Ehrenhaftigkeit, die makelloseste Unbescholtenheit in An⸗ spruch nehmen. Daß aber eine solche makellose Unbescholtenheit un⸗ angehaucht fortbestehe nach auch nur zeitweiser Syspension, wird ge⸗ wiß Niemand behaupten wollen. Wir dürfen uns darüber keine Illusionen machen, daß auch bei einer nur zeitweisen Suspension, der Ehrenrechte mehr oder minder ein Makel bleiben wird, der nur sel ten verschwindet. Wenn man darauf erwiedert, daß nach dem vor— liegenden Entwurfe bei vielen anscheinend nicht sehr schweren Ver⸗ brechen schon zeitweise Entziehung der bürgerlichen Ehrenrechte ein⸗ treten soll, wie das sehr geehrte Mitglied für die Stadt Köln in seinem so beredten Vortrage uns gestern solche Fälle vorgeführt hat, so entgegne ich darauf, daß es uns unbenommen bleibt, bei Durch⸗ gehung des Entwurfs sie möglichst zu beschränken, worin ich mit dem sehr verehrten Vorstand der Abtheilung vollkommen einverstanden bin.

Meine Herren! Die sehr geehrten Mitglieder der Masorität der Abtheilung und der sehr verehrte Vorstand derselben stellen das Recht der Standschaft gewiß so hoch, nehmen zur Ausübung dieses Rechtes gewiß eine eben so vollkommene Ehrenhaftigkeit und Unbescholtenheit in Anspruch, wie nur irgend Jemand. Das bin ich weit entfernt, auch nur im geringsten in Zweifel zu ziehen. Aber ich kann doch nicht umhin, auf den Widerspruch, aufmerksam zu machen, der darin zu liegen scheint, daß die zeitweise Entziehung der Ehrenrechte un⸗ fähig machen soll zu Bekleidung auch des geringsten Staats Amtes, nicht aber zur Ausübung der Rechte der Standschaft. Wenn wir diesen Grundsatz annehmen, so könnte es den Anschein haben, als wenn wir für die Ausübung unserer eigenen Rechte eine geringere Ehrenhaftigkeit, eine geringere Unbescholtenheit in An⸗ spruch nähmen, als selbst für das unterste Staats⸗-Amt. Wir, die Stände, die Vertreter des Landes, dürfen das von uns, dem Beam— tenstande gegenüber, nicht glauben lassen. Wir önnen uns und un= sere Ehrenhaftigkeit nicht hoch genug stellen. Die Abtheilung hat bie Ansicht ausgesprochen, daß einem durch zeitweise Entziehung der bürgerlichen Ehrenrechte Bescholtenen noch immer die Standschaft entzogen werden könne auf dem Wege des aus der Berathung des Vereinigten Landtages hervorgegangenen Gesetzes vom 23. Juli v. J. Aber da muß ich mir erlauben, zu bemerken, daß das unbedingte Auf⸗ hören des Rechtes der Standschaft im S. 1 des Gesetzes nur bei gänzlichem Verluste der Ehrenrechte ausgesprochen wird. Bei zeitwei⸗ ser Entziehung würde das weitläuftige Verfahren eintreten, das im §. 3 des Gesetzes vorgeschrieben und von dem Antrage der Stand⸗ schafts - Genossen abhängig ist. Nun, frage ich aber, warum wollen wir den Standesgenossen das Odium, eines solchen Antrages aufbürden und nicht im Strafgesetze selbst hier das gänzliche Aufhö—⸗ ren der Standschaft aussprechen, wobei natürlich das Wiederaufleben derselben auf Antrag der Standesgenossen und durch Königliche Be⸗ gnadigung vorbehalten bleibt, worin ich mit dem verehrten Mitgliede der schlesischen Ritterschaft vollkommen übereinstinme. Dasselbe gilt von dem mir eben so hochwichtigen Rechte des Patronats, der Juris= diction und der Polizei-Verwaltüng. In dieser Beziehung trete ich vollkommen dem bei, was gestern das geehrte Mitglied der schlesi= schen Landgemeinden und heute das geehrte Mitglied der Ritterschaft derselben Provinz ausgesprochen haben. ;

Aus diesem Grunde, und weil ich nicht entfernt den Lnschein ha⸗ ben will, als ob ich für die Ausübung der Rechte der Standschaft eine mindere Unbescholtenheit und Ehrenhaftigkeit in Anspruch nehme, als für die Bekleidung der Staatsämter erfordert wird, stimme ich gegen den Antrag der Abtheilung und erkläre mich dafür, daß bei auch nur zeitweiser Entziehung der bürgerlichen Ehrenrechte das Recht der Standschaft, des Patronats, der Jurisdiction und der Polizei⸗ Verwaltung nur auf Antrag der Standesgenossen durch Königliche Begnadigung wieder aufleben könne.

Abgeordn. von Donimierski: Der Vortrag des Herrn Mini⸗ sters der Gesetzgebung und der so eben gehörte haben mich nicht überzeugen können, daß durch den Vorschlag der Abtheilung die Rechte der Standschaft heruntergesetzt werden, vielmehr läßt sich das Gegen⸗ theil folgern. Nämlich nach diesem Vorschlage können jetzt die Zucht. polizeigerichte in der Rhein⸗Provinz, so wie die Untergerichte bei uns, nicht diese Ehrenrechte absprechen, sondern dort nur die Assisen

e n r n, die Gnade Sr. , ,. en, 2 8 erlangt hat. nach ausdrücklicher Bestimmung des eben gedach⸗ 86. r, . 2 National⸗Kokarde allein nicht genügt, die Unfähigkeit zur Ausübung der Rechte der 8. aufzuheben, ist bereits gestern von dem Herrn Miß on der

Majorität der , * diesem entgegen zwar angeführt worden: Juli 1817 über die Entziehung oder Sus⸗

und bei uns die Bbergerichte. Ich glaube, dadurch hat die Abthei⸗ 9 . Beweis . daß sse diesen Rechten einen hohen Werth eilegt.

en.“ Hätte

; Die Abtheilung hat etwas unerwähnt gelassen, was in der Ministerial- Proposstion unter Nr. 2 angeführt steht, nämlich die Worte: „In der Rhein-Provinz werden demnach die Zuchtpolizei⸗

serichte nur 9 zeitweise Entziehung der Ehrenrechte erkennen dür⸗

den Verlust der Ehrenrechte abzusprechen, die Zuchtpolizeigerichte ba— gegen nur die zeitweise Ausübung derselben untersagen dürfen, so wäre dies sehr klar hervorgetreten. Es drängt sich natürlich bei die⸗ sem 1 die Frage auf, durch welche Gerichte die Ehrenrechte abgesprochen werden? Der Abgeordnete der Rhein⸗-Provinz hat gestern durch seinen Vortrag klar gemacht, daß eigentlich nur die Geschwor— nen die Ehrenrechte absprechen sollten. Die Wahrheit dieser Ansicht ist vielfach unterstützt worden durch die Vorschläge auf Einrichtung von Genossenschaftsgerichten. Die ganze gestrige Debatte hat uns wohl überzeugt, daß die Einrichtung der Geschwornengerichte eben so wie die altgermanische Einrichtung der Schöffen - Gerichte nicht etwas Zufälliges, nicht dazu da ist, den Richter in seinen Functionen zu beschränken, sondern daß diese Einrichtung in der Natur des Strafrechts tief begründet liegt. Für die Rhein⸗Provinz ist die An— gelegenheit klar. Es fragt sich aber, durch welche Gerichte bei uns die Ehrenrechte abgesprochen werden; dies bleibt noch unbestimmt, es ist nur in Aussicht gestellt, daß es durch Richter geschehen wird, die auf Grund des ganz mangelhaften Indizien⸗Beweises die Ehrenrechte werden absprechen können, und diese Aussicht ist gewiß nicht eine sehr erfreuliche.

Justiz⸗Minister Uhden: Man muß sich hüten, die rechtlichen Folgen, die aus dem Verbrechen hervorgehen, mit der Frage über die Konstatirung der Schuld zu verwechseln. Die Geschworenen⸗ Gerichte haben über die Frage der Schuld, der That zu erkennen, die Folgen, die daraus hervorgehen, festzusetzen, ist Sache der Rich—⸗ ter. In den altländischen Provinzen erkennen nach dem alten Ver⸗ fahren kollegialisch- formirte Gerichte, in zweiter Instanz immer die Obergerichte, so wie diese schon in erster Instanz wider Eximirte und außerdem in der Regel bei sehr schweren Verbrechen. Nach der Verordnung vom 17. Juli 1846 werden, wenn auf zeitweise Entzie⸗ hung der Ehrenrechte zu erkennen ist, sobald man die Richter zu⸗ sammenzählt, die in erster und zweiter Instanz zu entscheiden haben, acht Richter über die Sache urtheilen. Wenn auf den Indizien⸗ Beweis großes Gewicht gelegt wird, so muß ich bemerken, daß die Geschworenen gar keine Gründe zu geben haben, sondern ganz nach ihrer subjeftiven Ueberzeugung urtheilen, während unsere Richter Gründe geben müssen, wodurch sie ihre Ueberzeugung motiviren. Ich will mich nicht auf die Frage einlassen, ob die eine oder die andere Einrichtung besser ist, das dürfte nicht zum Gegenstand der gegenwär⸗ tigen Diskussion gehören, ich wollte nur nachweisen, daß auch in den alten Provinzen hinreichende Garantieen gegeben sind.

Abgeordn. von Saucken-Julienfelde: Da über den Gegen⸗ stand fast Alles gesagt ist, was ich anführen wollte, so erlaube ich mir nur, hinzuzufügen, daß, wenn der geehrte Minister der Gesetz⸗ gebung äußerte, daß er die Standschast zu hoch schätze, als daß er die Aberkennung eines solchen Ehrenrechtes auf kurze Zeit befürwor⸗ ten könnte, er dabei übersehen hat, daß die hohe Versammlung aus demselben Grunde, wenn sie auch vielleicht etwas tiefer in ihn ein⸗ gegangen ist, sich dahin erklärte, daß die Ehrenrechte nie. auf Zeit abgeurtheilt werden sollten, sondern nur ihre Ausübung auf eine ge— wisse Zeit zu untersagen, diese Untersagung aber allenfalls niederen Gerichten zu übertragen sei, niemals aber die wirkliche Aberkennung der Ehrenrechte. Der Herr Minister will aber die Ehre der Stand⸗ schaft durch Untergerichte absprechen lassen, und unter dem Vorwande, bas Kleinod der Standschaft im Ganzen rein zu bewahren, trägt er kein Bedenken, es dem Einzelnen auf das leichteste zu nehmen. Alles Andere, was ich noch anführen wollte, haben zwei geehrte Redner vor mir es sei mir der Deutlichkeit wegen erlaubt, sie zu nennen: Herr Dittrich und Herr von Donimierski ausführlich und genü— gend behandelt. . . Vice ⸗Marschall von Rochow: Nach meiner Meinung ist die vorliegende Frage viel mehr theoretischer als praktischer Natur, und ich vermag daher nicht einzusehen, wie diejenigen, welche für Rehabi= litirung der Standschaft stimmen, einen besonderen Werth darauf legen können. Von mehreren Seiten ist bereits ausgeführt worden, daß Jemand, der auch nur auf eine gewisse Zeit die Ehrenrechte ver— loren hat, immer einen Makel auf sich sitzen hat, er hat, wenn ich mich hier eines trivialen Ausdrucks bedienen darf, er hat einen Fnacks weg. .

(Heiterkeit in der Versammlung,

Ich kann mir nun gar nicht denken, daß irgend eine Corporation von Wählern, sei es Ritterschaft, seien es Städte oder Landgemeinden, so arm an vollständig ehrenhaften Mitgliedern sein werde, an sol- chen, denen auch nicht ein Hauch von Unehrenhaftigkeit anklebt, daß ste die Neigung haben würde, ein irgend bescholtenes Mitglied zu wählen. Das wird nie vorkommen. Dessen kann man von dem Werthe, der in der preußischen Nation verbreitet ist, und von der Meinung, welche über diesen Werth herrscht, vollkommen überzeugt sein. Wenn aber der Fall nicht vorkommen kann und wird, warum will man ihn in Schutz nehmen? Der Grund, mich dagegen zu er— klären, ist für mich ein Grund des Anstandes. Der Anstand ver⸗ langt, daß wir hier aussprechen, ein solches Subjekt könne nich in unserer Mitte sitzen, und in dieser Beziehung halte ich die Pflichten eines Abgeordneten für so hochstehend, daß man auch seine äußere Würde nicht hoch genug stellen kann. Daher stimme ich dafür, daß die Rechte der verlorenen Standschast nie wieder aufleben dürfen.

Abgeordn. von Saucken⸗Tarputschen: Ich will die hohe Versammlung nicht mit Wiederholung des bereits Gesagten ermüden und deshalb nur kurz erklären, daß ich mich entschieden gegen die Meinung' des Herrn Ministers der Gesetzgebung erklären muß und mich nur für die Majorität der Abtheilung aussprechen kann.

Abgeordn. Sperling; Ich folge den geehrten Rednern, r die Standschaft und die in derselben enthaltenen Ehrenvorzüge hoch auschlagen, und ehre auch das Gefühl, welches sich in einem 1. Widerwillen offenbart, mit Jemand, der mit einer ,, e⸗ legt ist, auf einer Bank zu sitzen, mit ihm die wichtigsten, ö heiten des Landes zu berathen. Aber ich glaube, daß wir ö. . nicht blos subjektiv aufzufassen haben. Je höher wir n. Recht . Standschaft in Beziehung auf, uns anschlagen, esto . müssen wir sein, anzunehmen, daß es auch unter denen, e. . Strafgesetze verfallen, Leute geben werde, welchen , . steht, und daß es in einzelnen Fällen eine groß Härte uk ; bei gewissen Vergehen sie für immer dieser Rechte . ö. Hic erklaren. Lassen Sie uns nicht unbeachtet lassen, daß, . ; ter nur auf Zeit Einen der Ehrenrechte e rn, 1 . daran sich nicht immer nothwendig die Folge t ; .

davon Betroffene nach Verlauf dieser Frist in, 63 ö . 6

wieder einträte, denn nach Verlauf dieser Frist un noh . ö. die Standesgenossenschaft das Necht haben, ihm auf längere Zeit un

für immer diese Rechte zu entziehen. Wir haben auf dem Vereinig⸗ ten Landtage mit Freuden die Bestimmung des Bescholtenheitsgesetzes begrüßt, welche den Standesgenossen das Recht beilegt, über die Ehre ihr Glieder zu wachen und zu entscheiden. Dieses Recht würden e. u' ehre preisgeben, wenn wir dem Nichter es überlassen wollten, 9 ganz geringfügigen Fällen Jemanden der Standesehre für mmer verlustig zu erklären, und ich glaube, daß wir hier gerade Ge⸗ legenheit haben, durch die That zu zeigen, wie hoch wir dieses Recht anschlagen. Allerdings sindet sich in dem Bescholtenheitsgesetze auch die Bestimmung, daß derjenige für immer der Rechte verlustig

gestellt, daß nur die Assisen

*.

ie Abtheilung hier am Schlusse die Folgerung auf- 14 Recht * in der Rhein⸗Provinz

sein soll, der rechtskräftig zu einer Kriminalstrafe verurtheilt worden

ist, und der Vereinigte Landtag hat diese Bestimmung gebilligt. In⸗ deß geschah dies nach dem damaligen Stande der Gesetzgebung. Heute befinden wir uns in einer anderen Lage. Es kommt auf Be⸗ rathung eines neuen Gesetzes an, eines Gesetzes, in dessen Ausfüh⸗ rungs⸗-Verordnung bereits von dem Gesetzgeber an den Fall gedacht ist, daß ein bestehendes Gesetz aufgehoben werden möchte, und der Aufhebung jener Bestimmung des Bescholtenheitsgesetzes steht nichts entgegen. Ich bin überzeugt, daß sie in dem vorliegenden Falle all- gemeine Billigung finden würde. Ich schließe mich dem Gutachten der Majorität der Abtheilung an, stimme also dafür, daß bei den Rechten der Standschaft auch Suspension auf eine gewisse Zeit ein⸗ treten könne.

Referent Naumann: Die Frage, ob die Standschast nach Ab⸗ lauf der Zeit wieder aufleben soll, für welche die Ehrenrechte aber⸗ kannt worden sind, führt auf die Frage, welches die Bedingungen der Standschaft sind, und zwar auf eine hauptsächliche Bedingung, das ist die der Unbescholtenheit. Rach nunseren ständischen und Verfas⸗ sungs-Gesetzen soll derjenige, welcher die ständischen Rechte ausüben darf, unbescholtenen Rufes sein. Bei der Eintheilung der Entziehung der bürgerlichen Ehre für immer und für Zeit ist das wesentlichste Moment, welches ich bereits gestern zu erwähnen die Ehre hatte, daß in dem letzteren Falle, bei der zeitweisen Entziehung, angenommen wird, der Verbrecher werde nach Ablauf der bestimmten Zeit sich wieder in seiner ehrenhaften Gesinnung von selbst rehabilitirt haben. Hält man diese Annahme, hält man diese Voraussetzung nicht fest, so fällt in meinen Augen aller Grund dieser vorgeschlagenen Einthei⸗= lung. Es ist in meinen Augen ein Widerspruch, zu sagen: du sollst nach Ablauf einer bestimmten Zeit deine bürgerliche Ehre wieder haben, aber du sollst dessenungeachtet bescholten sein. Das, meine Herren, würde doch das Resultat sein, welches wir aussprechen, wenn wir die Standschaft nicht wieder aufleben lassen. Schon dieses Wi—⸗ derspruches allein wegen bin ich der Ansicht, daß es unmöglich sein wird, zu sagen: es soll die Standschaft nicht wieder aufleben. Das verehrte Mitglied aus der Provinz Brandenburg hat sehr richtig an— geführt, daß wir Niemand unter uns dulden werden, von dem wir wissen, er sei bescholten, von dem wir wissen, seine Ehrenhaftigkeit sei irgendwie getrübt; ich glaube aber nicht, daß ich zu demselben Schlusse genöthigt bin, den das verehrte Mitglied ausgesprochen hat, nämlich durch das Gesetz zu bestimmen, eine solche Person solle die Standschaft nicht wieder erhalten, solle also bescholten sein. Ich sinde eine Garantie gerade in den einzelnen Genossenschaften dafür, daß dergleichen bescholtene Personen ausgemerzt werden; ich finde eine Garantie in dem Vescholtenheits⸗Gesetz vom vorigen Jahre; ich sinde sie endlich ganz vollständig und ausreichend in den Gemeinde⸗— und Kommunal-Ordnungen. Ich werde mich für den Vorschlag der Abtheilung erklären. J

Abgeordn. von Weiher: Ein Verbrechen, welches begangen worden ist, scheint für den Verbrecher zweierlei Folgen haben zu müssen, die eine ist die auf das Verbrechen gesetzte Strafe, die andere der Einfluß, den es auf die Beurtheilung seines Werthes bei seinen Standesgenossen hat. Mit der Strafe haben wir es allein zun thun und kann es auch nur der Richter zu thun haben. Der Richter hat darüber zu wachen, daß diese Strafe mit dem vom Ver⸗— brecher begangenen Verstoße gegen die öffentliche Ordnung im Ein— klange und im richtigen Verhältniß stehe. Ueber die Qualification oder über den Werth des Verbrechers urtheilt er gar nicht. Dar— über urtheilt nach dem Bescholtenheits-Gesetze, welches wir im ver— gangenen Jahre bekommen haben, ein anderer Richter. Daß dieser aber auch in jedem einzelnen Falle wird richten müssen, dafür sorgt dasselbe Gesetz; denn es schreibt vor, wo sich Jemand eine ehren— widrige Handlung hat zu Schulden kommen lassen oder, wie sich Je— mand ausdrückte, ich weiß die Worte nicht genau, ich glaube aber, es war, einen Knacks bekommen hat, da ist dem Vorstand der Standes⸗ Genossenschaft zur Pflicht gemacht, die Genossen über den Werth oder Unwerth des Verbrechers urtheilen zu lassen, und ich glaube nicht, daß man dieses Zugeständniß, welches man den Genossen ge— geben hat, in die Hände des Richters übertragen könne. ö

Abgeordn. Graf Renard: Ich habe von sehr scharfsinnigen Rednern Definitionen gehört über gemeine, besondere und allgemeine Ehre, über staatsbürgerliche und politische Ehre und über Privat⸗ Ehre; ich gestehe, ich habe nicht Scharfsinn genug, allen diesen sub— tilen Definitionen zu folgen. Mir scheint die vorliegende Frage ein— facher. Ich trenne nur zwei Begriffe: Ehre und Ehrenrechte. Die Ehre unterliegt keinem Richterspruch. Ich habe es also nur mit den Ehrenrechten zu thun. Hier können nun zwei Grundsätze festgehalten werden. Die Versammlung kann sich dafür entscheiden, daß Ehren— rechte auch zeitweise entzogen werden können, oder dafür, daß Ehren⸗= rechte für immer entzogen werden müssen. Wir haben, sowohl die Mehrzahl der Versammlung, als die Abtheilung, keinen Grundsatz festgehalten, sondern wir haben einen Mittelweg eingeschlagen. Wir trennen die Ehrenrechte in gewisse Kategorieen und wollen, daß die einen auch zeitweise aberkannt werden können, die anderen aber für immer aberkannt werden sollen. Sind wir einmal prinziplos, so sehe ich keinen Grund ein, warum wir den Adel, die Titel, die Orden, das Patronats-, das Polizei⸗Verwaltungs⸗, das Jurisdictions-Recht für immer, die Standschaft aber auf zeitweise aberkannt wissen wol⸗ len. Da ich hier grundsatzlos bin, so kann ich nur meinen Gefühlen folgen, und so werde ich für das Amendement des Mitgliedes der schlesischen Ritterschaft stimmen, weil es eine beschränkende, erschwe⸗ rende Modification enthält, eben so wie ich, wenn die Beibehaltung des Entwurfs zur Frage gestellt wird, für diesen stimmen werde.

Fürst Wilhelm Radziwill: Ich könnte allerdings indirekt bei der Diskussion, die jetzt im Gange ist, auf einen Vorschlag zurück⸗ kommen, den ich gestern gemacht, mit dem ich mich aber in der Mi— norität befunden habe, ich könnte auf seine Grundbedenken, die ich in den Aeußerungen so vieler der geehrten Redner, die seitdem ge⸗ sprochen, wiedersinde, zurückkommen, will aber eine Abstimmung, die einmal geschehen ist, nicht wieder in Frage stellen. Bei der Frage, welche uns jetzt beschäftigt, schließe ich mich dem, was von zwei geehrten Mitgliedern der Ritterschaft aus Schlesien und Sachsen ge⸗ sagt worden, vollständig an, nur wollte ich noch auf einen Ümstand aufmerksam machen, der, so weit mein Gedächtniß reicht, noch von keinem der Redner, die das Wort gehabt, scharf herausgehoben wor— den ist. Setzen wir den Richter in den Fall, die Standschaft nur zeitweise abzuerkennen, so setzen wir ihn in entschiedene Kollisionen mit den Genossenschaftsgerichten, die durch das Bescholtenheitsgesetz vom vorigen Jahre eingeführt sind. Es könnte der Fall eintreten, daß ein Richter ausspräche, auf 5 Jahre bist du der Standesrechte verlustig, und die Genossenschaft träte auf und sagte: Du, Richter, hast falsch, hast ungerecht geurtheilt; wir heben dein Urtheil auf. Das ist eine Kollision, in welche der Richter nicht gesetzt wer⸗ den darf.

Abgeordn. Steinbeck: Zwar bin ich im Allgemeinen vollkom— men mit dem Mitgliede aus der Provinz Brandenburg, welches vor— hin das Wort ergriff, einverstanden darüber: daß die Frage, um welche es sich handelt, mehr theoretischer als praftischer Natur ist. Dessenungeachtet scheint die Erörterung und Lösung' dieser Frage nicht überflüssig, wenn auch die Fälle nur selten vorkommen, welche don dieser Frage berührt werden, der Gegenstand aber in meinen Augen sehr wichtig ist. Es ist von dem Herrn Minister der Gesetz=

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gebung gestern klar vor Augen gelegt worden, daß bei bem Entwurf eine doppelte Kategorie der Ehre getrennt festgehalten worden ist; die Kategorie der Ehre nämlich, welche jeder Staatebürger besitzen muß, wenn er nicht in die Klasse ehrloser Menschen zurückfallen soll, und die eine engere Kategorie, nämlich die Ehre, welche sich auf be⸗ sondere Bedingungen gründet, wie heute der Herr Korreferent letztere umständlich entwickelt hat. Die Ehre der letzten Art, die beson⸗ dere Ehre, ist jedenfalls das Minderumfassende, jene aber das Mehr⸗ umfassende. Wird das Mehrumfassende wieder erworben, so wird das Minderumfassende, das Bedingte, auf keine Weise von selbst da— von miteingeschlossen. Wer die allgemeine Ehre wiedererlangt hat, hat die Basis wiedererlangt, auf welcher er die besondere Ehre zu erwerben befähigt wird, keinesweges aber kann aus dem Erwerbe der Basis gleichzeitig gefolgert werden, daß mit ihr auch die verlorenen oder suspendirten besonderen Rechte wieder erworben werden. Unter diesen Rechten nimmt die Standschaft den ersten Platz ein; denn so hoch auch auf einer Seite alle diejenigen Vorzüge noch angeschlagen werden mögen und angeschlagen werden müssen, welche von dem Staate und dem Staats-Oberhaupte ausgehen und auf das Indivi⸗ duum übertragen werden, so können sie doch den Vorzügen nicht nachgesetzt werden, die durch Standschaft dem Staatsbürger beiwohnen, indem er durch sie in die Lage gesetzt wird, Organ des Volkes aus des Vol— fes freier Wahl zu werden. Darum ist die Standschaft so hoch an⸗ zuschlagen, daß sie bei Erörterung der in Rede stehenden Kategorie zuerst aufgefaßt werden mußte. Ueber die Erwerbung der Stand— schaftsrechte sind die bestimmtesten Gesetze vorhanden, und das Ge⸗ setz von diesem Jahr über die Bescholtenheit scheint auch in Bezug auf den vorliegenden Fall, nämlich den Verlust der Standschaft in Folge von Verbrechen, den richtigen Leitfaden darzubieten. Es geht nämlich in dieser Beziehung und zwar in seinem zwölften Paragraphen, davon aus, daß die Wiedererlangung der Ausübung der ständischen Rechte nur auf Antrag einer ständischen Versammlung, zu welcher der Angeschuldigte gehört hat oder seinen Verhältnissen nach gehö⸗ ren könnte, von Sr. Majestät dem König genehmigt werde. Wenden wir uns nun zuerst dahin: welches die Natur sei, welche der Aus⸗ spruch des Richters an sich trage, wenn er von der Ausübung der ständischen Rechte einen Verbrecher auf eine Zeit lang suspendirt, so finden wir, daß nicht von einer selbstständigen Strafe, sondern von einem Additament der Strafe die Rede sei. Dieses Additament ist keinesweges etwas, wobei der Richter der Zukunft vorgreift, son⸗ dern der Richter spricht aus: er halte diesen oder jenen Zeitraum für nothwendig, damit geprüft werde, ob der Verbrecher sich so gebessert habe, daß er würdig sei, in die Ehrenrechte zurückzutreten. Es ist nun allerdings, und aus voller Seele stimme ich bei, gemeint worden: daß, wer einmal seine Ehrenrechte auf eine Zeit lang ver— loren hat, wohl schwerlich von der Standschaft, zu welcher er gehört, zu ihrem Organ wieder gewählt werden wird. Es ist dies aber zwar vorauszusetzen, jedoch Besserung und Sühne ist nicht undenkbar. Wir haben manche solche Fälle namentlich im großen Befreiungs⸗ kriege erlebt. Personen, deren Ehre verletzt war, haben sie mit ihrem Blute gesühnt und würdig gesühnt, und ihre Standesgenossen haben ihnen vergeben. Wir wollen daher diesen Weg nicht verschließen. Nur die Standes-Genossenschaft allein darf, unter Genehmigung Sr. Majestät, die Ehre wiedergeben, aber der Weg dazu soll nicht verschlossen werden. Eine geringe Amplisication des §. 12 des Bescholtenheits Gesetzes scheint hinreichend, um die Rechte, welche die Genossenschaft haben muß, sicher zu stellen. Ich stimme hiernach mit dem Mitgliede der schlesischen Ritterschaft überein, welches über diesen Gegenstand zuerst gesprochen.

Abgeordn. Graf zu Dohna-Cauck: Aus Allem, was bis setzt gesagt worden ist, möchte genügend hervorgehen, welche schwierige Bewandtniß es mit Aberkennung der Ehrenrechte auf Zeit hat. Diese Aberkennung der Ehrenrechte auf Zeit ist in Folge der Dreitheilung der Verbrechen angenommen worden. Es sind dieserhalb Vorschläge von dem Gouvernement gemacht, die zum Theil von der Abtheilung angenommen, zum Theil von derselben modisizirt worden. Nach allem diesem und nach den in der hohen Versammlung kundgegebenen Mei— nungen würde aber aus der sogenannten Aberkennung der Ehrenrechte auf Zeit die Aberkennung der Ehrenrechte auf immer wer— den, und es würde eigentlich nur noch die Rede von der Aberkennung der National-Kokarde auf Zeit sein können, wel— ches aber mit der eigentlichen Intention des Gesetzes in Widerspruch stehen dürfte. Um auf den Vorschlag der Abtheilung zurückzukommen, so finde ich darin einen Widerspruch, daß diejenigen bürgerlichen Ehrenrechte, welche man als die allgemeinen bezeichnet, und welche der bürgerlichen Ehre überhaupt zur Basis dienen, von selbst wieder aufleben können, und daß die besonderen Ehrenrechte, die, wie er— wähnt ist, einen untergeordneten Rang haben, nicht wieder aufleben, sondern für immer verloren sein sollen. Zugleich muß ich auf eine Rechtsungleichheit aufmerksam machen, welche daraus hervorgehen würde, wenn der Vorschlag der Abtheilung angenommen werden sollte. Angenommen, es würde ein verabschiedeter Offizier von Adel, der einige Orden besitzt, sonst aber keine ständischen Rechte hat, zum Ver— lust der Ehrenrechte auf Zeit verurtheilt, so tritt er, wenn die Strafe aufhört, wieder in seine Rechte ein. Das Wiederaufleben der ständi⸗ schen Rechte, des Patronats, der Jurisdietion würde ihm nicht zu Gute kommen, wie einem mit dieser Strafe belegten Gutsbesitzer, dagegen würde für ihn alles das, was den Haupt⸗Inhalt fesner bürgerlichen Ehre ausgemacht hatte, Adel, Titel und Orden, auf im⸗ mer verloren und er daher weit härter bestraft sein, als ein mit gleicher Strafe belegter Gutsbesitzer. Diese große Rechts⸗Ungleich⸗ heit würde entstehen, wenn der Antrag der Äbtheilung sollte ange- nommen werden. ; Aus diesem Dilemma herauszukommen, sehe ich keinen anderen Ausweg, als entweder die Entziehung der Ehren— rechte auf Zeit so zu fassen, daß nach Verlauf der Strafzeit alle ohne Ausnahme wieder aufleben, oder, wie das Votum der ho— hen Versammlung vorgestern anzudeuten scheint, die Ausübung einzel⸗ ner Ehrenrechte auf gewisse Zeit zu suspendiren, so daß in dem jedesmaligen Erkenntnisse alle einzelnen Ehrenrechte bezeichnet würden, die für eine gewisse Zeit suspendirt werden sollen, wobei die übrigen Ehrenrechte nicht alterirt würden. Ich glaube, die Debatte hat immer mehr bewiesen, wie schwierig es ist, Ehrenrechte auf bestimmte Zeit abzuerkennen, und daß dem Rechts-Gefühl und Ehrgefühl, . in den älteren Provinzen lebt, diese Strafart eigentlich wider⸗ treitet. z Abgeordn. Graf von Schwerin: Nur noch an ein paar Be— merkungen, die von der entgegengesetzten Seite aus gemacht worden sind, möchte ich anknüpfen, um möglicherweise ein Einverständniß her⸗ beizuführen. Zuerst hat der hochverehrte Marschall der Provinz Sachsen gesagt, es würde, wenn wir den Vorschlag der Abtheilung annehmen, damit die Standschaft unter das Beamtenthum gesetzt. Das ist wohl nicht richtig. Er wird das vielleicht zugeben, wenn ker erwägt, daß die Fähigkeit, Beamter zu werden, ebenfalls revivis⸗ cirt, es wird aber der ÜUnterschied bleiben, daß das Beamtersein, daß einen Orden haben, daß eine Würde bekleiden nur durch Königliche Verleihung erfolgen kann und eben darin der spezifische Unterschied zwischen den politischen Rechten der Standschaft und jenen anQ— deren Attributionen liegt. Dann hat ein verehrtes Mitglied aus der

Mark Brandenburg gesagt, es könne die politische Standschaft nicht

wieder aufleben von Rechts wegen, wohl aber im Wege der Gnade; das, muß ich nun gestehen, widerspricht meinen Anschauungen auf das entschiedenste. Ich verkenne den hohen Werth der Königlichen Gnade gewiß nicht und fühle mich glücklich, wenn sie sich auf meine Person herabsenkt, aber ich glaube, man verkennt den Werth dersel-— ben, wenn man sie an die Stelle des Rechts setzt; ihre Aufgabe ist, das Recht zu mildern, aber nicht an die Stelle des Rechts zu treten. Wo also das Gesetz mich befugt, ein Recht wieder aufzunehmen, da kann ich nicht einen Vorzug darin erkennen, daß dies nur im Wege der Gnade geschehen könne. Ferner hat ein Redner, ebenfalls aus der Mark, behauptet, es sei dieses Recht wenig praftischer Natur; das glaube ich eben so wenig anerkennen zu können; ich glaube, daß es gerade recht praktischer Natur ist, gerade das Recht ist, auf wel⸗ ches die Rhein⸗Provinz den höchsten Werth legt, und meiner Mei⸗ nung nach mit Recht, denn wenn die Aberkennung dieses Rechts nicht mit den höchsten Garantieen umgeben werden soll, so würdeich auf die übri⸗ gen unbedeutenderen Rechte einen weit geringeren Werth legen. Was das Patronat und die Jurisdiction betrifft, so lege ich darauf keinen hohen Werth, und ich glaube, es geschieht das auch seitens der Ryeinpro⸗ vinz nicht. Man kann annehmen, daß es mit jenen noch eine andere Bewandtniß habe, als mit dem aktiven und passiven Wahlrecht zu den ständischen Versammlungen, und deshalb hat die Abtheilung beide Punkte wohl auseinandergehalten, und nur, weil die frühere Geseßgebung angenommen hat, es sei das Patronat und die Juris⸗ diction ein nothwendiges Annerxum der Standschaft, hat sie gefol⸗ gert, wenn die Standschaft wieder auflebe, müsse auch die Juris⸗ diction und das Patronat wieder aufleben. Jedoch, wie gesagt, lege ich für meine Person keinen großen Werth darauf; aber das be⸗ haupte ich und habe es schon vorher behauptet, daß die Frage viel mehr politischer als strafrechtlicher Natur ist, und ich scheuc mich nicht, es auszusprechen: Nach meiner Ansicht beruht die Zukunft Preußens darauf, daß das politische Recht der Standschaft als nothwendiger Ausfluß des Staats-Bürgerthums, als mit ihm identisch betrachtet wird. Deshalb wünsche ich dieses Recht eben so behandelt, wie alle anderen staatsbürgerlichen Rechte.

Abgeordn. von Uechtritz: Es thut mir leid, daß ich die De⸗ batte noch einige Minuten aufhalten muß. Ich schließe mich voll—⸗ kommen den Ansichten an, die der erste der Redner, die heute ge⸗ sprochen haben, ausgesprochen hat. Die Dreitheilung ist Folge der Annahme des Prinzips, daß überhaupt eine zeitweise Entziehung der bürgerlichen Ehre nothwendig sei, eines Prinzips, welches, wie ich nach meiner Erfahrung offen aussprechen kann, zur Zeit nach der volksthümlichen mir bekannten Auffassung in den Landestheilen, die ich kenne, noch keine Anerkennung gefunden hat; die Nothwendigkeit der Anerkennung des Prinzips mag aus der angenommenen Einthei⸗ lung hervorgegangen sein, ich glaube aber, daß es wesentlich darauf ankommt, die Uebereinstimmung der volksthümlichen Auffassung der Rhein-Provinz mit den anderen Provinzen zu vermitteln, und diese Vermittelung finde ich in dem Vorschlage des Gouvernements.

Ich nehme an, nach der Erfahrung, die mir zu Gebote steht, und ich will nur von meinem subjektiven Standpunkte aus sprechen, daß, wenn ich in die ständischen Verhältnisse, wie sie mir aus dem Kreise, dem ich angehöre, lebendig vor Augen stehen, in diese hinein mir ein Verhältniß denken sollte, welches den Ansichten der Majorität der Abtheilung entspräche, dies jedenfalls das Gefühl der Standschaft tief verletzen würde. Dieses Gefühl, ich spreche es offen aus, ist kein anderes als das Sittlichkeits Gefühl nach der subjektiven Auf⸗ fassung derer, die es theilen, und gegen ein solches Sittlichkeits⸗Ge⸗ fühl mit positiven Gesetzen einzuschreiten, würde ich für bedenklich

halten. Wenn ich auch rechtlich die Ausführung der Majorität der Abtheilung anerkenne, so muß ich doch unter den gegenwärtigen Ver- hältnissen für gerathen halten, auf die volksthümliche Auffassung die nöthige Rücksicht zu nehmen, und deshalb kann ich mich nur gegen

die Majorität der Abtheilung erklären.

Abgeordn. Hüffer: Ich habe, indem ich dem Gutachten der Abtheilung und dem vielen Vorzüglichen, was in dieser Beziehung gesagt worden ist, vollständig beistimmen muß, nur das noch berichti— gen wollen, was das geehrte Mitglied aus Sachsen dagegen ausge⸗ sprochen hat; da aber auch der verehrte Herr Vorsitzende der Abthei⸗ lung diese Ansichten so eben bereits widerlegt hat, so verzichte ich auf weitere desfallsige Bemerkungen. 3

Abgeordn. Krause: Ich habe bereits gestern meine Meinung darüber erklärt, aber ich finde, daß die Ausdehnung etwas weit ge— gangen ist. Meines Dafürhaltens liegt der Schwerpunkt wohl darin, ob man die Standschaft, die Theilnahme an den Stimm- und Eh renrechten und die Befugniß zur Ausübung des Patronats, der Ge— richtsbarkeit und der Polizei⸗Verwaltung auszuüben befugt ist. Wenn Jemand an einem Orte wohnt, so wird man ihm wohl kaum anse— hen, ob er von Adel ist oder Titel und Würden bekleidet und Or— den besitzt oder vielmehr besessen hat; ob er aber befugt ist, bürger⸗ liche Rechte zu erwerben, das wird hervortreten, sobald er an einem Orte wohnt und vielleicht das Bürgerrecht zu erlangen sucht. Ich bin nicht gemeint, der Standschaft das Wiedereintretungsrecht abzu— sprechen, weil ich durch die Genossenschaft, wozu derselbe gehört, die Garantie sinde, daß ihm diese nur in dem Falle wieder zu Theil wird, wenn er ein braver Mann ist; ich bin eben so wenig gemeint, die Ehrenrechte und Stimmrechte in Gemeinden und Corporationen für immer abzusprechen, weil die betreffende Person durch ihre Mit⸗ genossen von Aemtern ausgeschlossen werden wird; dagegen halte ich fest daran, wo Rechte Dritter, das Patronatsrecht und die Polizei⸗Ver⸗ waltung, in Frage kommen. Diese sind der Art, daß sie nicht beson⸗ ders verliehen werden, sondern sie kleben an der Scholle, sie sind mit dem Grundstücke innig verwachsen, wo sie ausgeübt werden, und wer⸗ den deshalb, wenn die Standschaft der Person unmittelbar wieder zufällt, nachdem die Zeit der Entziehung der National⸗-Kokarde oder der Ehrenrechte abgelaufen ist, ohne Weiteres der Stanbschaft sogleich wieder hinzutreten. Deshalb wollte ich, ehe die Abstimmung erfolgt, darauf noch aufmerksam machen, weil sich die staatsbürgerliche Ehre von der Standschaft nicht gut trennen läßt, und ich wollte daher nur fragen, wie sich bei der Frägestellung dies vereinigen ließe.

Marschall: Es wird allerdings nöthig sein, drei verschiedene Fragen zu stellen, die erste Frage auf, das Recht der Standschaft, die zweite auf das Patronat und die dritte auf die Gerichtsbarkeit und die Polizei-Verwaltung. Zusammen läßt sich dies in eine Frage nicht bringen. ; . ö ;

Abgeordn. von Saucken-Tarputschen: Ich entsagte früher mei⸗ nem Worte und dem Rechte, auch meine Gründe für meine Ansicht anzuführen, jetzt aber fühle ich mich doch veranlaßt, es in Anspruch zu' nehmen, da ein geehrtes Mitglied der schlesischen Ritterschaft, dem sich noch ein anderes Mitglied derselben angeschlossen hat, auf dessen Meinung ich einen besonderen Werth lege, und mit dem ich zu meiner Freude jetzt häufig schon auf gleichem Standpunkte im Kampfe der Meinung mich befunden habe, einen Antrag gestellt hat, der nicht ohne 6 in der Versammlung geblieben ist, den anzu⸗ nehmen ich aber doch bedenklich finde und daher die Sache von dem rein praktischen Standpunkte aus beleuchten will. Nach unseren stän⸗ dischen Gesetzen kann die Standschaft nur durch Grundbesitz allein erworben werden; nun denken Sie sich, meine Herren, den Fall, Je⸗ mand hat vor langen Jahren ein Vergehen begangen, er hat es ab⸗ gebüßt, und es sind ihm alle bürgerlichen Ehrenrechte wieder zuge⸗