1848 / 41 p. 5 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

dürfe. Es sei festzuhalten, daß nur Verbrechen, welche auf ehrloser Gestnnung beruhen, den Verlust der bürgerlichen Ehre nach sich zie⸗ hen. Ehrlose Gesinnung werde absolut in den hier vorausgesetzten Fällen nicht anzunehmen sein, und es werde, wenn dem Richter die Beurtheilung in dieser Beziehung überlassen bleibe, der Richter nach seinem individuellen Gefühle entscheiden müssen, was um so gefähr⸗ licher sei, als in politisch getrübter Zeit auch die Richter nicht unbe⸗ fangen blieben.

Da, wenn auf Zuchthausstrafe erkannt wird, der Verlust der bürgerlichen Ehre nicht besonders auszusprechen ist (§. 21), so bedarf es einer besonderen Bestimmung durch §. 104 für die im §. 99 vorgesehenen Fälle nicht, und die Abtheilung hat sich mit 8 gegen 6 Stimmen für den Vorschlag entschieden,

daß angetragen werde, die Bestimmung des §. 101 wegzulassen.“

Marschall: Wenn keine Bemerkung erfolgt, so ist anzunehmen, daß dem Antrage der Abtheilung beigetreten wird.

die hel von Rochow: Es soll so angesehen werden, als würde der Abtheilung dahin beigestimmt, den Paragraphen weg⸗ zulassen?

Marschall: Ja.

Vice⸗Marschall von Rochow: Dann würde ich dagegen stim⸗ men müssen. Als Hauptgrund für die Weglassung des Paragra⸗ phen ist angeführt worden, daß in den Provinzen, wo die Geschwore⸗ nengerichte nicht eingeführt sind, wegen der nicht vollständig gesicherten Unabhängigkeit der Richter keine hinreichende Garantie für die ange⸗ messene Anwendung der darin ausgesprochenen Strafe vorhanden sei. Hierin liegt eine Beschuldigung gegen unseren Richterstand, die, wie ich glaube, auf Thatsachen nicht beruht, ich glaube vielmehr, daß unsere Richter ihre Unabhängigkeit bei jeder Gelegenheit bewei⸗ sen, und da ich den Grund für die Streichung des Para— graphen nicht als richtig anerkennen kann, so erkläre ich mich für denselben.

Abgeordn. von Werdeck: Ich trete dem geehrten Redner, welcher so eben gesprochen hat, in seiner Motivirung bei, insofern als er unserem Richterstand die völlige Unabhängigkeit vindizirt. Ich muß mich aber im Resultate der Abtheilung anschließen, indem ich glaube, daß die Handlungen, welche hier mit Ehrlosigkeit bedroht sind, mit der Ehrenhaftigkeit bestehen können. Ich würde deshalb für das Streichen des Paragraphen mich erklären.

Marschall: Wir können zur Abstimmung kommen, und ich frage, ob die Versammlung dem Antrage der Abtheilung auf Weg⸗ fall des Paragraphen beistimmt? Diejenigen, welche dem beistim— men, werden es durch Aufstehen zu erkennen geben.

(Mehr als zwei Drittheile haben beigestimmt.) Referent Naumann (liest vor): „S. 105. Verleumdungen und Schmähungen verstorbener Mitglieder des Königlichen Hauses sind mit Gefängnißstrafe oder Strafarbeit bis zu zwei Jahren zu ahnden.“ Das Gutachten der Abtheilung lautet: .

Die Vorschrift dieses Paragraphen ist eine neue und jindet sich im gegenwärtig geltenden Strafrechte nicht vor. Für die Aufnahme derselben in das neue Strafgesetzbuch wird angeführt, daß der Man— gel einer derartigen Vorschrift fühlbar geworden sei, und daß daher das Bedürfniß für dieselbe spreche. Allein in der Allgemeinheit, wie §. 105 diese Bestimmung giebt, verstößt sie gegen den Begriff von Verleumdung und Schmähung; außerdem geht sie über das Bedürf— niß weit hinaus, und endlich wird sie Veranlassung zu Besorgnissen hinsichtlich der Geschichtsforschung und Geschichtsschreibung. Sie verstößt gegen den Begriff von Verleumdung und Schmähung, weil beide Ausdrücke in die Kategorie der Beleidigungen fallen, die Be⸗ leidigung eines Verstorbenen aber nicht denkbar ist, wenn nicht zu— gleich Lebende verletzt werden. Sie geht über das Bedürfniß hin— aus, weil sich dasselbe nicht in Beziehung auf verstorbene Mitglieder des Königlichen Hauses überhaupt herausgestellt hat und daher kein Grund vorliegt, von der Vorschrift des 8. 201 abzuweichen, wonach wegen ehrverletzender Aeußerungen über einen Verstorbenen der Ehegatte, die ehelichen Aeltern, Kinder, Großältern, Enkel und Ge— schwister, so wie die Erben des Verstorbenen, Bestrafung verlangen können. Sie giebt endlich zu Besorgnissen Veranlassung, daß die freie Geschichtsforschung und die unbefangene Geschichtsschreibung be— einträchtigt werden würde, weil die Geschichte der Monarchieen we⸗ sentlich mit die Geschichte der regierenden Häuser ist und der Ge— schichte freies Urtheil über die verstorbenen Regenten und Mitglieder des Regentenhauses zustehen muß. Der Geschichtsforscher würde Anstand nehmen müssen, gute wie böse Thaten aufzudecken und zu erzählen, wenn er befürchten müßte, dem Strafgesetze zu verfallen. Er würde dies aber befürchten müssen, wenn seine Angaben den Ver— storbenen gehässig machen oder herabwürdigen, denn es würde wohl selten gelingen, durch die Quellen, aus welchen er geschöpft, nach §. 189 vor Gericht die Wahrheit zu erweisen.

In Erwägung dieser gegen die Bestimmung des §. 105 ange— führten Gründe ist einerseits vorgeschlagen worden, die ganze Bestim⸗ mung wegfallen zu lassen, weil dies im Interesse freier Geschichts⸗ Forschung und unbefangener Geschichtsschrelbung erforderlich sei, weil ein derartiges Gesetz in politisch erregter Zeit zu unnöthigen Verfol—

ungen Veranlassung werden könne, und weil es dieses besonderen

chutzes verstorbenert Regenten und Mitglieder der Regenten-Familie nicht bedürfe, zumal die Verunglimpfungen, welche die nächste Ver— anlassung zu der Bestimmung des 8. 105 gegeben haben, mit Ver— achtung von der Welt und namentlich vom preußischen Volke aufge— nommen worden seien. Andererseits wurde vorgeschlagen, die Be— stimmung des §. 105 an dieser Stelle des Gesetzbuches zu streichen, weil n ern run, des §. 201 auch für die hier in Rede stehenden Ver— gehen Anwendung sinde und allenfalls entsprechend erweitert werden könne. Ferner wurde vorgeschlagen, das Wort „Verleumdung“ im 8. 105 zu streichen und zugleich durch einen Zusatz zum Paragraphen zu er— klären, daß einfache historische Angaben nicht strafbar sein sollen. Diesen Vorschlägen wurde ,,, daß, wenn die Bestimmung des Paragraphen wegfalle, die Anwendung des S8. 201 nicht zulssig erscheine, weil darin nur von Injurien gegen Privatpersonen die Rede sei, daß schon deshalb eine besondere gesetzliche Vorschrift ersorderlich werde, daß aber das Wort „Verleumdung“ nicht gestrichen werden könne, weil dadurch die Bestimmung zu sehr restringirt werden würde. Andererseits wurde der Zusatz, daß einfache historische Angaben nicht strafbar sein sollen, nicht für geeignet gehalten, um freie Geschichts⸗ forschung und unbefangene Geschichtsschreibung, ausreichend zu sichern.

Die Abtheilung hat mit 11 gegen 3 Stimmen beschlossen, den Vorschlag zu machen: 6

daß angetragen werde, den 8. 105 wegfallen zu lassen.

Ich bemerke, daß die Abtheilung allerdings auf 6 des §. 165 anträgt, daß sie aber bei §. 201 besonders dem Strafmaß und der Strafart nach Aenderungen vorschlagen wird, die mir in de,. Augenblick nicht so gegenwärtig sind, daß ich sie vortragen önnte.

Abgeordn. Frhr. von Gaffron: So viel ich mich erinnere, sind die r e ,. ziemlich dieselben geblieben, und will ich zur Er⸗

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wendung fivden, mich für den Wegfall am hiesigen Orte er- klärt habe.

(Von vielen Seiten: Abstimmen! Abstimmen.) Regierungs- Kommissar Bischoff: Zur Erläuterung ist zu be—= merken, daß in der vorberathenden Abtheilung eine Bestimmung dieser Art bei 58. 201 aufgenommen und dort dieselbe Strafe adoptirt worden ist, wie bei 8. 105. Es ist aber dadurch der Cha⸗ rakter des Verbrechens geändert und dasselbe lediglich als eine Pri⸗ vat-Injurie bezeichnet worden, während es hier eine Art der Ma⸗ jestäts Beleidigung, also eine injuria puhlica ist. Schon im Ent⸗ wurf von 1843 war eine Bestimmung dieser Art aufgenommen, sie fand sich damals im 8. 172, wo es hieß: „Angriffe auf die Ehre verstorbener Mitglieder des Königlichen Hauses sind mit Gefängniß⸗ strafe oder Ein nf ee bis zu zwei Jahren zu ahnden.“ x

Diese Fassung ging sehr weit, indem man allgemein gesagt hatte: „Angriffe auf die Ehre 2c.“ Es wurden gegen diesen Para⸗ graphen von den Provinzialständen mannigfache Bedenken erhoben und namentlich bemerkt, daß das Recht der Geschichtsschreibung durch denselben beeinträchtigt werde. Bei der späteren Revision hat man daher in diese Bestimmung eine Beschränkung dadurch zu legen ge— sucht, daß nur von Verleumdungen und Schmähungen ver⸗ storbener Mitglieder des Königlichen Hauses die Rede ist. Dadurch aber, daß gegenwärtig nur noch unter Strase gestellt sind Verleum⸗ dungen, also offenbar unrichtige, ehrverletzende Aeußerungen und Schmähungen, also Aeußerungen, die in der offenbaren Absicht, die Ehre zu verletzen, begangen sind, hat meines Erachtens die Bestim mung das richtige Maß erhalten, und ich glaube, daß in dieser Be⸗ schränkung nichts dagegen einzuwenden ist.

Justiz-Minister von Savigny: Ich muß das, was der Herr Kommissar erwähnt hat, noch mehr unterstützen. Zunächst erscheint dieser Punkt zwar blos als eine Fassungsfrage, ob man an dieser Stelle oder im Titel von Ehrverletzungen eine solche Strafbestim⸗ mung anbringen will, um so mehr, als das Strafmaß ungefähr das⸗ selbe ist: allein hier gerade verliert dies die formelle Natur, indem der Charakter der Handlung und der Grund der Strafbarkeit ganz anders hervortritt, wenn sie im Zusammenhang mit der Beleidigung lebender Mitglieder des Königlichen Hauses erwähnt wird. Ferner ist zu bedenken, daß im §. 201 das Recht, die Verletzungen des Na= mens verstorbener Personen zu rügen, ziemlich beschränkt ist. Dar⸗ aus würde unter Anderem folgen, daß jetzt die allerunwürdigsten Schmähungen gegen Friedrich II. vorgenommen werden könnten, ohne daß irgend eine Rüge stattfinden dürfte. Ich glaube, daß der Be⸗ fürchtung, es könne die Freiheit der Geschichtsschreibung gefährdet werden, durch den Ausdruck „Verleumdungen und Schmähungen“ vorgebeugt ist. Ich habe nicht die Besorgniß, daß der Richter hierin zu weit gehen und eine Aeußerung, die nur als strenger Tadel eines früheren Regenten erscheint, für Schmähung oder Verleumdung hal ten werde. Diese Handlungen sind so charakteristischer Art, daß ich eine ungehörige Anwendung dieser Strafbestimmung nicht befürchten kann.

Abgeordn. von Auerswald: Ich glaube doch, daß nach dem, was von dem Herrn Justiz⸗-Minister gesagt und anerkannt worden ist, daß nämlich die beabsichtigte Uebertragung des Inhalts dieses Paragra⸗ Phen in den §. 201 eine Sache der Form sei, um so weniger dem Antrage der Abtheilung etwas entgegenzustellen sein möchte. Allein es muß doch zugestanden werden, daß es nicht ganz richtig ist, wenn unter den Majestäts⸗-Beleidigungen auch Beleidigungen verstorbener Personen begriffen werden, und daß das Bedenken wegen der ver— schiedenen Verwandtschaftsgrade beseitigt werden kann, wenn man bei §. 201 noch einige Verwandtschaftsgrade hinzufügt, falls eine solche Kasuistik nothwendig erscheinen sollte, daß man aber deshalb eine so wichtige Aenderung sich nicht ersparen dürfe, da es meines Ermessens nicht richtig ist, daß keine Besorgniß in Betreff dieser Bestimmung im Lande stattfindet, wie der Herr Minister gemeint hat. Man wird mir zugeben, daß kaum eine Bestimmung des Gesetz-Entwurfes so allgemeine Besorgniß und Mißstimmung gerade bei dem literarisch gebildeten Theile des Volkes hervorgerufen hat, als diese. Wenn man nun solchen Umständen gegenüber, ja, man kann sagen, einer all⸗ gemeinen Aufregung gegenüber, keine größeren Bedenken hat, als die hier aufgestellten sind, so glaube ich, wird man sich wohl entschließen können, dem Vorschlage der Abtheilung beizutreten, den Paragraphen fallen zu lassen und die Vorschläge, welche von dem Herrn Referen⸗— ten angeführt worden sind, anzunehmen.

CLandtags-Kkommissar: Sofern sich die Debatte darauf be— zieht, ob die Bestimmungen des vorliegenden Paragraphen hier oder im Kapitel von Verletzung der Ehre aufzunehmen seien, so würde dies nur eine Fassungsfrage sein; dennoch glaube ich, die hohe Versamm⸗ lung darauf aufmerksam machen zu müssen, welche Rücksicht vorwal⸗ tet, den Paragraphen an dieser Stelle aufzunehmen.

Es ist mit Recht angeführt worden, daß Verstorbene nicht ge— schmäht und nicht verleumdet werden können; eben so gewiß aber ist es, daß die Hinterbliebenen der Verstorbenen durch dergleichen Ver— leumdungen und Schmähungen beleidigt werden können. Ich frage Sie, meine Herren, ob es nicht eine Beleidigung des Königs ist, wenn Sein Vater oder Großvater oder Sein Vorgänger auf dem Throne auf niederträchtige Weise geschmäht oder verleumdet wird? Keiner ist unter uns, der es nicht als eine Beleidigung ausehen würde, wenn ihm, in Beziehung auf seine Verwandten, etwas Aehnliches begegnete. Darum ist es eine Majestäts⸗-Beleidigung im eigentlichen Sinne des Wortes, wenn eine Verleumdung oder Schmähung gegen die Ange⸗ hörigen des Königs, auch nach ihrem Tode, ausgesprochen wird; ist dies aber richtig, dann gehört eine solche Handlung nicht in das Ka— pitel von den Privat⸗Beleidigungen. . .

Wenn es sich aber darum handelt, die Bestimmung zu reduziren auf das Maß, welches auf Privat-Beleidigungen im 8. 201 des Ent wurfs angenommen ist, so muß ich mich der Ansicht meines Kollegen anschließen, daß dieses Maß nicht genüge, daß die Beschränkung auf die Aeltern und Großältern des Königs nicht zulässig sei, da ja der unmittelbare Vorgänger des Königs sein Oheim oder Großoheim oder ein anderer Verwandter sein kann, und da deren Schmähungen gewiß eben so streng geahndet werden müssen, als wenn sie den Va— ker oder den Großvater des Königs betreffen. .

Außerdem glaube ich im Allgemeinen hinzufügen zu müssen, daß nach der Fassung, in der der Paragraph jetzt vorliegt, die Aufregung im Lande darüber für diejenigen, die den Sinn des Paragraphen auf— zufassen vermögen, unmöglich so groß sein kann, als der geehrte De— putirte aus Preußen solche geschildert hat. Die Freiheit der Ge⸗ schichtsforschung braucht darum nicht um ein Haar geschmälert zu wer⸗ den, es braucht der Geschichtsschreiber die Züge des schärfsten Ta— dels nicht zu scheuen, aber er darf weder verleumden noch schm

hen; beides sind Begriffe, die in der deutschen Sprache hinlängliche Geltung gewonnen haben, um zu verhindern, daß der Richter unge⸗ rechte Ürtheile spreche. Ich glaube, daß die Worte, die hier gewählt sind, so weit es überhaupt möglich ist, absolut gültige Garantien gegen ungerechte Urtheile zu geben, hier eine solche Garantie wirklich gewähren. Deshalb wünsche ich, was die Fassung betrifft, daß die hohe

läuterung bemerken, daß ich in der Voraussetzung, es werde der Pa⸗ ragraph wie §. 201 dort in Beziehung auf das Königliche Haus An⸗

, den Paragraphen an dieser Stelle beibehalte, und daß sie ihn in keinem Falle auf die enge Gränze des §. 201 reduzire, wenngleich allerdings noch darüber verhandelt werden kann, ob vielleicht

einige Beschränkung rücksichtlich der sehr weiten Fassung d ö genden Paragraphen stattfinden möge. g des vorlie- Justiz⸗Minister Uhden: Ich muß dem noch hinzufügen, d sich hier von Verleumdungen und Schmähungen handelt 3 2 öffentliche Injurien, als Verbrechen, welche von Amts wegen . folgen sind, aufzufassen sind. Im §. 201 ist dagegen von n. Privat-Vergehen die Rede, das einen Antrag auf Bestrafung““ fordert. 1 Die 4 des Strafgesetzes hat also die Bedeutun dadurch die Verfolgung von Amts wegen gesichert ist. Abgeordn. Steinbeck: Der Herr Justiz-Minister hat eben an geführt, weshalb der Paragraph hier stehen bleiben muß und nicht ö. die Kategorie der Privat- Injurien hinübergetragen werden kann. Wenn dieser Paragraph materiell das Urtheil des Geschichtsschreibers in mindesten beschränken könnte, so wäre er im höchsten Grade derwerflich und eben deshalb ist seine frühere Fassung von den Provinzial. Land? tagen lebhaft bestritten worden. In seiner jetzigen Fassung führt er nun auch noch das Unbequeme mit sich, daß der Begriff der Ver— leumdung und Schmähung mißdeutet werden könnte; allein diese Mißdeutung läßt sich von den Richtern in' der Regel nicht voraus- setzen, und bei der Regel müssen wir doch stehen bleiben, und zweitens ist es, wenn von Verleumdungen und Schmähungen die

g, daß

Rede ist, das Interesse des ganzen Volkes, daß die früheren Regen—

ten nicht an den Pranger gestellt werden. Die Geschichte will und soll über sie urtheilen, aber soll sie nicht verleumdend und schmähend entwürdigen, denn mit solcher Entwürdigung der Regenten ist die Entwürdigung der Nation mit verbunden.

Abgeordn. von Auerswald: Darüber, ob die Fassung des jetzi gen Paragraphen bei Personen, welche die Sache aufzufassen verstehen, wie der Herr Landtags- Kommissar sich ausdrückte, zu Zweifeln nicht Veranlassung geben kann, kann ich ihm ein kompetentes Urtheil nicht zugestehen. Ich habe darüber eine andere Ansicht, und wir haben so eben von dem Abgeordneten der schlesischen Ritterschaft gehört, daß selbst die Worte „Schmähung und Verleumdung“ nach deut— schem Sprachgebrauche hier leicht zu mißverstehen sind und mißgedeu— tet werden können. Zur Sache will ich nur noch hinzufügen, daß, als in der Abtheilung der Umstand in Frage kam, daß man die Verpflich— tung habe, des Königs Majestät vor solchen Verletzungen zu schützen, die Ihm durch die Beleidigung Seines hochseligen Herrn Vaters zu Theil werden können, und daß, als ausdrücklich angedeutet wurde, daß gerade Schmähungen des hochseligen Königs zu diesem Para— graphen Veranlassung gegeben haben, sich in der Versammlung fast einstimmig die Ansicht kundgab, wie gerade dieser Umstand und die Eutrüstung, mit der das preußische Volk diese Schmähungen aufge nommen und jedes andere Urtheil unnöthig gemacht hat, die Abthei— lung zu dem einstimmigen Beschlusse bringen müsse, den Paragraphen fallen zu lassen. . .

Abgeordn. von Wodiczka: Ich war in der Abtheilung schon der Ansicht, daß der Paragraph stehen bleiben möge, wo ihn der Entwurf hingesetzt hat; was aber die Strafe betrifft, so muß ich be merken, daß diese sich nicht nach 8. 201 richten wird nach dem Be schlusse der Abtheilung, sondern daß die Strafe so wird beibehalten werden müssen, wie sie der Paragraph jetzt angiebt. Das wollte ich nur anführen, wenn etwa über die Höhe der Strafe diskutirt wer— den sollte. . .

Abgeordn. Dittrich: Ich erkläre mich gegen den Paragraphen wie er hier steht. Insbesondere aber ist derselbe von dem Herrn Landtags -Kommissar immer nur auf verstorbene Regenten bezogen worden; der Paragraph spricht sich aber deutlich ganz anders aus, er sagt: „Mitglieder des Königlichen Hauses.“ Im Entwurfe von 1845 war auch nur bestimmt: „verstorbene Regenten des preußischen Staats.“ Das würde eine größere Beschränkung sein, als die Fassung des Paragraphen solche jetzt enthält. Eventuell, d. h. wenn der Paragraph stehen bleiben sollte, würde ich daher darauf antragen, diese Bestimmung hiernach zu ändern.

Landtags-Kommissar: Ich kann nur mißverstanden worden sein, wenn man annimmt, ich habe behauptet, der Paragraph rede nur von Regenten; ich habe nur Regenten als Beispiele angeführt, um zu zeigen, daß diese nicht nothwendig unter die Bestimmuͤng des §. 201 fielen, wo es heißt: „Eheliche Aeltern, Kinder, Großäͤltern, Enkel und Geschwister.“ Deshalb habe ich hervorgehoben, daß §. 201 die Beleidigung des unmittelbaren Vorgängers nicht aus— schließe. Ich habe aber ausdrücklich hinzugefügt, daß über die Aus— dehnung, welche der Vorschlag im §. 95 dadurch enthalte, daß er alle Mitglieder des Königlichen Hauses bezeichne, allerdings eine Diskussion zulässig sei. Ich glaube nicht, daß man den Paragraphen auf Regenten beschränken dürfe, aber ich glaube wohl, daß man ihm eine Beschränkung geben kann, welche verhütet, daß er auf die ent— ferntesten Verzweigungen des Stammbaums unseres Königs- Hauses ausgedehnt werden könne.

Wenn daher überhaupt eine Diskussion über diesen Punkt be— liebt werden sollte, würde ich mich dem Antrage, den Paragraphen in dieser Beziehung einigermaßen zu modifiziren, keinesweges ent- gegensetzen. . Referent Uaumann: Ich habe in der Abtheilung für den Weg-— fall des Paragraphen gestimmt, glaube auch, daß der Antrag gerecht⸗ fertigt ist. Im Wesentlichen sind die Gründe im Gutachten enthal⸗ ten; ich könnte nichts weiter thun, als verlesen, was ich bereits ver— lesen habe, um die Gründe anzuführen, die dafür anzuführen sind. Es ist gesagt worden, man könne Se. Majestät den König und die Mitglieder des Königlichen Hauses nicht ungeschützt lassen vor An⸗ griffen, die ihren Vorfahren oder verstorbenen Angehörigen zugefügt werden. .

Meine Herren, ich habe allerdings auch die Ansicht, daß es traurig ist, in dieser Weise angegriffen werden zu können, aber ich sehe es in der That für ein trauriges Geschick der ö Häuser an, daß sie dem ausgesetzt sind; sie werden neben dem ohen Ruhme, den sie erwerben können, sich unterwerfen mijssen daß die Welt über sie zu Gericht sitzt. Möglich wäre es, dem entgegen zu treten, möglich, durch eine Strafbestimmung dem entgegen 6 ich muß aber bekennen, daß mich die Bestimmung des R. ö. nicht befriedigt, und sie wird mich auch in keiner ankeren un ns efrie⸗ digen, die gewählt werden könnte. Was die . e, . 6 betrifft, so muß ich erklären, daß ich sie durchaus unzureichend halte.

Das Wort „Verleumdung“ kann unmöglich stehen bleiben. Ich bitte

. . sich 8. 189 anzusehen und dann sich zu fra— er, g mr n en, ein Geschichte schr iiber noch eine böse hät Lines Derstogbenktg Riigenten oder , des Königl. Hauses, daß er noch irgend eine That, die nicht zu Ehren des Ver- storbenen sprechen könnte, anführen dürfte, ohne der Gefahr zu unterliegen, vor Gericht gezogen zu werden. Es heißt in jenem

, in Beziehung auf einen Anderen solche Thatsachen behaltet oder verbreitet, welche denselben gehässig zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet sind, macht sich Unck k Velleumdung schuldig, wenn nicht die behaupteten oder ver= breiteten Thatsachen erweislich wahr sind.“

Nun frage ich an, wie soll es der Geschichtsforscher machen, um dem Richter zu beweisen, die Thatsache, die er angeführt, sei wahr? Welches sind die Quellen, die dem Geschichtsforscher zu Gebote

Zweite Beilage

Zweite Beilage zur Allgemeinen Preußischen Zeitung.

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Donnerstag den 10. Febr.

stehen? und werden die Quellen, die der Geschichtsforscher für glaub⸗ würdig hält, von dem Richter als beweisende Quellen angesehen werden? Unmöglich kann man sich darauf einlassen, den Geschichts⸗ forscher in dieselbe Lage zu bringen, wie den gewöhnlichen gemeinen Verleumder. . m ñ

Ich sinde den Ausdruck „Verleumdung“ nicht zweckmäßig, ich sinde aber auch den Ausdruck, Schmähung“ nicht angemessen. Ich kann nicht zugeben, daß der Begriff „Schmähung“ ein bestimmter sei. Er hängt so sehr von der individuellen Auffassung ab, daß ich es fär unzulässig halte, die Begriffsbestimmung über Schmähung als eine feststehende anzunehmen. Aber könnte auch eine Begriffs= bestimmung der Schmähung gegeben werden, so würde immer noch die Frage sein, wie der Richter eine bestimmte Aeußerung unter den zu gebenden Begriff subsumiren wird, und darin liegt die Gefahr. Denn der Richter kann sich nicht freihalten von seiner persönlichen Ansicht, von feinem persönlichen Gefühle. Was dem einen Richter als Schmähung erscheint, das hält der andere nicht dafür, und ich kann es nicht für gut halten, daß man die Justiz selbst solcher Willkür ich kann es nicht anders nennen solcher Willkür in der Beziehung preisgiebt, daß der Richter zwar nach seinem besten Wissen und Gewissen handeln könnte, und doch nach individueller und häufig einer unrichtigen Ansicht. Ich stimme gegen den Paragraphen.

(Viele Stimmen tragen auf Abstimmung an.)

Abgeordn. Abegg: Der Herr Landtags-Kommissar hat vorhin eine Aeußerung des Herrn von Auerswald in Beziehung auf die Auffassung der öffentlichen Meinung in Zweifel gezogen. Ich kann nicht zugeben, daß in dieser Hinsicht mein Kollege allein steht. Ich bekenne mich zu derselben Auffassung; ich habe dieselbe Erfahrung gemacht und wünsche, daß andere Mitglieder, die eben so kompetent sind, sich darüber auszusprechen, sich dem anschließen, daß jene Aeuße— rung, die in Zweifel gezogen ist, eine gegründete sei.

(Von mehreren Seiten: Ganz gewiß! Ja wohl! Allgemein!)

Abgeordn. Freiherr von Gaffron: Ich wollte mir die Bemer— kung erlauben, daß, wenn in dem Kreise, in welchem ich mich bewege, die Fassung des Paragraphen in dem früheren Entwurfe allerdings einige Aufregung veranlaßt hat, dies bei der gegenwärtigen Fassung des Paragraphen in weit minderem Grade der Fall ist. Korreferent Freiherr von Mylius nebst anderen Mitgliedern: Aber doch Aufregung! ö

Abgeordn. Freiherr von Gaffron: Aber in viel kleinerem Rreise, nicht in solchem Umfange, daß sie als eine allgemeine ge⸗ schildert werden dürfte, und ich muß meine vorige Aeußerung dahin berichtigen, daß sie nur vereinzelt stattfindet und daher als uner⸗ hebliche zu betrachten ist.

(Unruhe in der Versammlung.)

Candtags-Kommissar: Der Herr Referent hat die Anfüh⸗ rung, die ich für das Gesetz zu machen mir erlaubt habe, mit

scharfen Zügen widerlegt. Er hat die Unabhängigkeit des Geschichts- schreibers in Anspruch genommen und behauptet, daß die Unabhängig⸗ keit desselben auf das Wesentlichste gefährdet werde, weil der Begriff der Verleumdung ein so allgemeiner sei, daß Niemand künftig werde wagen dürfen, über einen verstorbenen preußischen Regenten eine tadelnde Bemerkung zu machen. Er hat sich dabei auf die Definition der Verleumdung berufen, wie sie §. 189 gegeben ist. Diese lautet:

„Wer in Beziehung auf einen Anderen solche Thatsachen behauptet oder verbreitet, welche denselben gehässig zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet sind, macht sich einer Verleumdung schuldig, wenn nicht die behaupteten oder ver- breiteten Thatsachen erweislich wahr sind.“

Nun frage ich: Wollen wir überhaupt begünstigen, daß ein preußischer Geschichtsforscher auftrete und Thatsachen gegen einen preußischen Regenten oder die Angehörigen des preußischen Regenten—⸗ hauses aufführt, wie sie hier bezeichnet sind, wenn er keine Beweis mittel für deren Wahrheit hat?

Ich glaube nicht, daß es im Sinne der Nation liegt, hierfür einen Freibrief zu geben. Wer entehrende Thatsachen von preußischen Regenten, die er nicht beweisen kann, der Oeffentlichkeit übergeben will, der mag sich der Strafe unterwerfen. Dasselbe gilt von der Schmähung. Es kann der Geschichtsschreiber Fakta, die wahr sind, anführen, daran hindert ihn Niemand, aber schmähen, schimpfen darf er nicht, und auch dafür bedarf es keines Freibriefes.

Ich bleibe bei der Ansicht stehen, daß unbeschadet einer freien Geschschtsforschung der Paragraph stehen bleiben kann, und daß er stehen bleiben muß, wenn nicht durch die Verwerfung desselben ein sehr nachtheiliges Präjudiz zu Gunsten der Zügellosigkeit herbeige⸗ führt werden soll. . . Abgeordn. Freiherr von Lilien-Echthausen: Ich weiß nicht, inwiefern es an der Zeit ist, zu konstatiren, in welchen Provinzen der §. 105 des Entwurfes eine allgemeine Aufregung hervorgerufen hat. Sollte es an der Zeit hierfür sein, so müßte ich in Bezug auf die Provinz Westfalen erklären, daß, so weit mir bekannt geworden, eine solche Aufregung nicht stattgefunden hat; ich bezweifele auch nicht, daß meine Landsleute in Beziehung auf die übrigen Theile der Provinz nöthigenfalls eine gleiche Erklärung werden abgeben können. Was die Sache selbst betrifft, so bin ich für die Beibehal⸗ tung des §. 105, indem ich allem demjenigen beitrete, was wir bereits von dem Ministertische aus gehört haben. Insbesondere kann ich aber nicht zugeben, daß die Geschichtsforschung unter der Annahme des 5. 105 leiden würde. Ich glaube, daß die Annahme desselben im Gegentheil eine sehr wohlthätige Einwirkung auf die Geschichts— sorschung ausüben würde, indem die Geschichtsschreiber dann bei Er— forschung der wichtigsten geschichtlichen Momente mit mehr Sorgfalt als bisher zu Werke gehen und uns nicht ferner so leicht Lüge statt Wahrheit vortragen würden.

Abgeordn. von Auerswald: In Bezug auf das, was der Herr Landtags⸗-Kommissar zuletzt äußerte, muß ich bemerken, daß in der Aeußerung, der Geschichtsschreiber solle über die nachtheiligen That- sachen, die er nicht beweisen könne, schweigen, vollständig liegt, daß der Geschichtsschreiber überhaupt sich nicht herausnehmen soll, nach theilige Dinge über einen verstorbenen Regenten zu schreiben. Dies bleibt so lange richtig, als man mir nicht beweisen kann, daß histo—⸗ rische Beweise Beweise sind, die vor Gericht gelten. Ich möchte wissen, wie ein Geschichtsschreiber einen juristischen Beweis darüber führen foll, daß die und die Quelle, aus der er geschöpft hat, authentisch ist?

Justiz⸗Minister von Savigny: Die Nothwendigkeit des Be⸗ weises der Wahrheit ist im Entwurfe behauptet und von der Abthei⸗ lung gleichfalls nicht bestritten worden. Der Begriff der Verleum⸗ dung ist auch dort als ausführbar in Privatverhältnissen anerkannt worden. Ich gebe zwar zu, daß in vielen Fällen Demjenigen, der eine gehässige Thatsache über einen Anderen angeführt hat, schwer werden kann, diese Thatsache zu beweisen; das führt aber nur darauf,

daß Linige Vorsicht sowöhl in Privatperhälltnissen als in öffentlichen Angelegenheiten räthlich fein wird. Allein weun man sagt, es werde ein juristischer Beweis nicht geführt werden können, so wesß ich nicht,

warum dies in Bezug auf einen verstorbenen Regenten schwieriger

sein soll? Im Gegentheil, Handlungen der verstorbenen Regenten liegen weit mehr der Welt vor Augen, als Handlungen von Privat⸗ personen, und es ist nicht zu zweifeln, daß in Bezug auf diese Hand- lungen ein strenger Beweis selbst durch Urkunden, welche nicht blos im Archive aufbewahrt werden, sondern häufig abgedruckt vorliegen, geführt werden kann. Also die Unmöglichkeit der Beweisführung kann ich nicht zugeben. ö

Abgeordn. von Saucken-Tarputschen: Ich wollte die hohe Versammilung nur darauf aufmerksam machen, daß dieser Paragraph, daß dieser Vorschlag ein ganz neuer ist den die frühere Gesetzgebung bisher nicht gekannt hat, und ich weiß nicht, daß Preußens hohe Herrscher in der jüngst vergangenen Zeit auf eine Weise angegriffen worden wären, die einen neuen Schutz nothwendig machte. Ich frage, ob wir nicht der hohen Ehrfurcht entgegen treten, welche wir vor unseren Herrschern haben, indem wir durch Annahme des Paragra⸗ phen den Glauben bekunden, ein neues schützendes Bollwerk für sie schaffen zu müssen. Sie stehen höher, als daß Schmähungen sie treffen könnten, und wer sie schmäht, den trifft die öffentliche Verachtung, und das ist die höchste Strafe, die den Menschen treffen kann.

(Von vielen Seiten: Bravo!)

Abgeordn. Camphausen: Ich schließe mich auch der Behaup— tung an, daß man historische Beweise vor dem Gerichte möglicher- 2. nicht liefern kann, und daß dies der Fall sein kann, erhellt schon daraus, daß häufig dieselbe Thatsache von zwei Geschichts⸗ schreibern verschieden konstatirt wird. Das ist auch in Bezug auf die preußische Geschichte geschehen, und es wird nicht nöthig sein, Bei⸗ spiele anzuführen. Der Artikel ist auch deshalb zu beanstanden, weil das, was er bezweckt, nicht sehr erheblich ist, wogegen der Schaden, den er verursachen kann, mir sehr erheblich erscheint. Dazu möchte

ich das Beispiel anführen, daß über das preußische Königshaus aus der neuesten Geschichte uns Bücher vorliegen, die von einem Mitgliede des Königlichen Hauses selbst geschrieben sind, und die unzweifelhaft unter diesen Paragraphen fallen würden.

Abgeordn. Cucanus: Es ist von Seiten der hohen Minister— bank, insbesondere von dem Herrn Minister der Gesetzgebung wieder- holt gesagt worden, daß in solchen Fällen noch immer ausreichende Beweise angeführt werden könnten. Ich verweise aber auf unser Gesetz, das wir gegenwärtig berathen, in welchem wir angenommen haben, daß eine kürzere oder längere Verjährung bei Verbrechen statt— sinden soll, weil die Beweisführung nach Jahren unmöglich ist, und diesen Grund glaube ich auch für den Geschichtsschreiber in Anspruch nehmen zu müssen. Die Geschichte ist das Lehrbuch der Wahrheit, der Vergangenheit, für die Zukunft, und einem Jeden muß man ge—⸗ 6 frei darin zu lesen und mitzutheilen, was er darin gefunden hat.

(Von vielen Seiten wird die Abstimmung verlangt.)

Marschall: Es wird erforderlich sein, eine gewissermaßen vor— läufige Frage vorher zu stellen, nämlich die Frage, ob die Versamm— lung beantrage, den §. 105 an dieser Stelle ausscheiden zu lassen. Würde sie anders gestellt, namentlich in einer Weife, zu welcher der Vorschlag des Abgeordneten Steinbeck Veranlassung geben könnte, so würde noch weiter auf die Diskussion des Paragraphen und auf ein— zelne Abänderungsvorschläge eingegangen werden müssen. Da dies bis jetzt nicht geschehen ist, so ist es am zweckmäßigsten, diese Frage zu stellen, ob der Paragraph an dieser Stelle ausscheiden möge. Die Frage heißt also:

Beschließt die Versammlung, den §. 1065 an dieser Stelle aus⸗ scheiden zu lassen?

Und diejenigen, die diese Frage bejahen, würden das durch Auf⸗ stehen zu erkennen geben.

(Eine Anzahl von Mitgliedern erhebt sich.) Es wird erforderlich sein, die Zählung eintreten zu lassen. die Herren Secretaire, zu zählen.

(Nachdem dies geschehen.)

Das Resultat der Abstimmung ist folgendes: Mit Ja haben gestimmt 49, mit Nein 43. Die Frage ist also bejaht. Candtags⸗Kommissar: Darf ich fragen, ob hiernach die ganze Diskussion geschlossen sein soll? ; (Mehrere Stimmen: Nein, nein!) Es ist also nur der Antrag beschlossen, den Paragraphen an dieser Stelle ausscheiden zu lassen? (Mehrere Stimmen: Jah Dann würde sich später die ganze Diskussion erneuern? Ist das

die Absicht?

(Mehrere Stimmen: Ja!) Korreferent Freiherr von Mylius: Es ist in dem Referate auch darauf Rücksicht genommen worden, und die Gründe werden bei 5. 201 vorgebracht werden. Referent Naumann liest vor): F. 106. Wer ehrverletzende Schriften, Abbildungen oder andere Dar— stellungen gegen den König oder die Mitglieder des Königlichen Hauses wißffentlich anfertigt, verbreitet oder ausstellt, soll mit der—= ö Strafe, wie der Urheber derselben (98. 101, 163, 105), belegt werden. Sämmtliche zur weiteren Verbreitung noch vorräthige Exemplare solcher Schriften, Abbildungen oder anderen Darstellungen, so wie die dazu bestimmten Platten und Formen, sind in Beschlag zu nehmen und zu vernichten.“ .

Ich bitte

„Zu §§. 106 und 107. k die Bestimmungen dieser Paragraphen ist nichts erinnert worden.“ Abgeordn. Camphausen: Ich habe bei diesem Paragraphen das Wort; „ausstellt“ zu beanstanden, welches ein völlig neues ist, und nicht blos deshalb, weil es neu ist, sondern weil ich es auch nicht für nöthig erachte. Mir scheint, daß, wenn man sagte: „feil= bietet“ dies genügend wäre und der Sinn aufgefaßt sein würde, der von mehreren Provinzial-Stänben bevorwortet wurde, während auch dieser Ausdruck mit dem Systeme der bestehenden Preß⸗Ge⸗ setzgebung übereinstimmen würde, welche vorzugsweise ihre Ver— fügungen gegen die gewerbsmäßige Verbreitung richtet. Ich habe dazu nochmals zu ö daß es der Würde des Königs ent spricht, öffentliche Beleidigungen zu bestrafen, daß es aber derselben widerspricht, Beleidigungen aufzusuchen. Friedrich der Große ließ das Pasquill, das an den Mauern gegen ihn angeschlagen war, niedriger hängen. So weit will ich nicht gehen. (Heiterkeit. Daß man aber Beleidigungen nicht aufsuche, halte ich im Interesse der Krone wünschenswerth, und würde auch deshalb vorschlagen, daß hier gesagt werbe: „feilbietet.“ Regierungs⸗Kommissar Bischoff: Das Wort „ausstellt“ bezieht ich hauptsächlich auf die Handeltreibenden, welche Gegenstände dieser

rt an einem Ladenfenster ausstellen. Insofern ist ein großer Unter⸗

schied zwischen dem hier gebrauchten Ausdrucke und dem Vorschlage nicht vorhanden, und man kann die Sache nochmals erwägen.

(Mehrere Stimmen: Das ist eine Fassungsfrageh Abgeordn. Graf Zech⸗Burkersrode: Das scheint mir doch noch ein großer Unterschied zu sein. Es könnte Jemand sagen: Ich will den Gegenstand nicht verkaufen, er könnte aber dessenungeachtet vor jedem Schaufenster ausgestellt werden, und der, welcher dies thut, würde dadurch straflos ausgehen, daß er sagt, er wolle ihn nicht verkaufen.

Abgeordn. Prüfer: Ich würde mich auch dagegen erklären, zumal es gewöhnlich der Fall ist, daß derjenige, welcher etwas aus- stellt, diest Sache zugleich auch feilbietet.

Marschall: Ich habe auch nicht entnommen, daß der Vorschlag gemacht worden wäre, die vorgeschlagene Abänderung zur Abstim⸗ mung zu bringen. Also würden wir zum nächsten Paragraphen kommen.

Referent Naumann lliest vor):

„S. 107.

Gegen denjenigen, welcher sein Gewerbe zur Anfertigung oder Verbreitung solcher Schriften, Abbildungen oder anderen Darstel⸗ lungen (8. 106) mißbraucht, kann zugleich auf zeitige oder immer⸗ währende Entziehung der Befugniß zum selbstständigen Betriebe des gemißbrauchten Gewerbes erkannt werden. Beim Rückfalle ist diese zusätzliche Strafe nothwendig auszusprechen.“

Marschall:; Wenn keine Bemerkung erfolgt, so ist dem An— trage der Abtheilung auf Annahme des Paragraphen beigestimmt.

Die nächste Sitzung wird Montag 10 Uhr stattsinden.

(Schluß der Sitzung um 3 Uhr.)

Berichtigung. Im gestrigen Blatte ist S. 320, Sp. 3, 3. 49 und 18 v. u, statt: „nach meinem Antrage mit den entfern⸗ ten Truppen“ zu lesen: nach einem Antrage der entfernten Truppen.

Uichtamtlicher Theil.

.

Inland. Berlin. Aufforderung des General⸗-Post⸗Amts.

Deutsche Bundesstaaten. Königreich Württemberg. tags. Verhandlungen.

Frankreich. Deputirten⸗ Kammer. Annahme der Adreß - Para- graphen über Polen und die La Plata - Angelegenheiten und Erö nung der Diskussion über Algier Paris. Befinden des Königs. Die päpstliche Nuntiatur in der Schweiz. Ernennung. Algierssche Stadt- , Marschall Bugeaud. Die Studenten- Pelition. Ver= mischtes.

Großbritanien und Irland. London. Hofnachricht. Wieder⸗ eröffnung des Parlaments. Anträge und Petitionen. Schifffahrts⸗ Gesetze. Verhandlung über Wiedereinführung des Schutzzolles für Zucker. Theezölle. Vermischtes.

Belgien. Brüßsel. Fragen über Eisenbahn⸗ Verwaltung und Dampf⸗ schifffahrt. Die Zucker-Frage und Tarif⸗Modificationen. Schreiben aus Brüssel. (Jur Finanz- und Handels-Statistik; Eisenbahnen.)

Dänemark. Kopenhagen. Das Amnestie⸗Restript. Parole - Be-

6 2 6 Vermischles.

weiz. Tagsatzung. Verhandlungen und Abstimmung über ei Antrag in Betreff der Urheber des Sonderbundes . n, 2

Kanton Freiburg. Vorschlag in Betreff der ehemaligen Regierung

und der Verfassung. Kanton Glarus. Urlaub des zweiten Tag-

satzungs-Gesandten. Der Große Rath über Auswanderung. Ka n= ton Wallis. Das Säcularisationa-Dekret.

Italien. Neapel. Dekrete des Königs. Die neuen Minister. , Unordnungen. Modena. Beschwerde gegen die toskanische

resse.

Handels⸗ und Börsen⸗Nachrichten.

Land⸗

nian n

Berlin, 9. Febr. Das Amtsblatt des Königlichen Post⸗ Departements enthält eine Aufforderung zur angemessenen, den Ge⸗ schäftsbetrieb nicht benachtheiligenden Sparsamkeit bei Verwaltung des Fonds zu Büreau⸗Ausgaben.

Deutsche Bundesstaaten.

Königreich Württemberg. (Schwäb. Merk) In der Sitzung der Kammer der Abgeordneten am 4. Februar entwickelte der Abgeordnete Redwitz seine Motion auf Ablösung aller Jagd⸗ rechte des Staats, der Hofdomainen-Kammer, der Standes- und Gutsherren und Privaten durch die Gemeinden. Die Kammer be⸗ schloß den Druck dieser Motion mit 55 gegen 24 Stimmen und die Verweisung derselben an eine besondere erst zu wählende Feudal⸗ Kommission. Freiherr von Wöllwarth beantragt in einer Motion: „die hohe Staatsregierung zu bitten, noch auf diesem Landtage einen Gesetz⸗Entwurf einzubringen, wonach an die Stelle des Loskaufs⸗ Systems die allgemeine e,, n. eingeführt, werde; desgleichen bei dem hohen deutschen Bunde äuf die Befestigung der Schwarzwald ⸗Pässe zur Vervollständigung des Vertheidigungs⸗ Systems Süddeutschlands, so wie auf die im Artikel 18 der deutschen Bundesakte zugesicherte Einführung möglichst gleichförmigen Grundsätze über die Verpflichtung zum Kriegsdienste in allen Bundes⸗ staaten, hinwirken zu wollen.“ Die Kammer entschied sich mit 70 ge⸗ gen 16 Stimmen für den Druck und die Verweisung an die künstig zu wählende Rekrutirungs Kommission. Der Prã dent macht der Fammer die vertrauliche Mittheilung, daß die Regierung beabsichtige, am Schlusse der künftigen Woche eine Vertagung der Stände auf einige Zeit eintreten zu lassen, um den Kommissionen Zeit zur För— derung ihrer Arbeiten zu lassen. Die . welche in dieser Zeit, etwa während sechs Wochen, hier zurückbleiben werden, sind die Finanze und die Wahlgesetz⸗Kommission und die für innere Verwal= tung, so wie unter Umständen auch wenigstens die Referenten ande—⸗ rer Kommissionen zurückbleiben, wie 2 Letztere selbst etwa einige

Zeit vor dem neuen Zusammentritt sich vereinigen dürften.