1848 / 50 p. 4 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

ĩ Bersammlungen sitzen könnten, für die sie jetzt wenigstens 3 * e. Wahlrechts in Anspruch nehmen. Das ist durchaus nicht der Fall, wir sind nicht weniger subtil in den Erfor— dernissen der Ehrenhaftigkeit, wie alle anderen Mitglieder, die hohe Versammlung hat aber durch einen früheren Beschluß das Prinzip der Aberkennung der bürgerlichen Ehre auf Zeit und somit auch an⸗ genommen, daß nach einem gewissen Zeitpunkt die durch Verbrechen bewirkte und dokumentirte Unehrenhaftigkeit abolirt sei. Ob dieses Prinzip ein richtiges ist, darüber zu urtheilen glaube ich, steht dem Einzelnen nicht mehr zu, die Regierung hat diesen Vorschlag ge⸗ macht, die hohe Versammlung hat ihn fast einstimmig angenommen, sie hat den Vorschlag angenommen, daß nur zeitweise die bürgerliche Ehre aberkannt werden könne, also damit auch die Konsequenz, daß mit dem Ablauf dieser Zeit die bürgerliche Ehre wiederhergestellt sei. Es hat sich nun die Diskussion nur um den Begriff von Vorrecht und Bürgerrecht gedreht, und da ging die Ansicht der Minorität und Majorität darin aus einander, daß die Majorität der Meinung war, das ganze Recht der Standschaft gehöre zu den Vorrechten, während wir, die wir uns in der Minorität befanden, der Meinung waren, es gehöre zu den Bürgerrechten.

Wir sind mit dieser Meinung in der Minorität geblieben, wie ich schon bemerkt habe, haben aber geglaubt, daß man allerdings noch zwischen dem aktiven und passiven Wahlrechte einen Unterschied machen könne, daß es wohl möglich sei, das Sitzen in der ständischen Ver— sammlung, die Mitgliedschaft an der ständischen Versammlung oder der Bürger⸗Versammlung zu unterscheiden von dem Rechte, zu solchen Versammlungen zu wählen, während man das erstere zu den Vor— rechten, das letztere zu den Rechten zähle. Meine Meinung ist die, daß ich das erstere für ein Ehrenrecht, das letztere für ein allgemei⸗ nes Bürgerrecht halte. Weil aber die Majorität der Versammlung der Meinung war, daß die Mitgliedschaft zur ständischen Versamm⸗— lung ein Vorrecht sei, so ist doch daraus nicht zu folgern, daß sie auch das Wahlrecht nicht für ein Bürgerrecht halte. Aus dieser Er— wägung sind die Vorschläge hervorgegangen.

Abgeordn. Frhr. von Lilien⸗Echthausen: Ich muß zunächst der Ansicht des Herrn Vorsitzenden der Abtheilung widersprechen, daß in formeller Beziehung der Zulassung des Vorschlages nichts im Wege stehe. Von dem Herrn Marschall ist der Antrag des Abgeordneten der Stadt Köln der Abtheilung zwar zur Berathung überwiesen, da— bei aber keinesweges zugleich entschieden worden, daß die formelle Frage beseitigt sei. Nach dem stenographischen Berichte über die Sitzung vom Zten d. Mts. haben des Herrn Marschalls Durchlaucht den Vorschlag der Abtheilung mit folgenden Worten überwiesen: „Ich sehe nun kein Bedenken, daß dieser Vorschlag an die Abtheilung zurückgewiesen werde, was von der Entscheidung der Versammlung abhängt; insofern also kein Widerspruch gegen diesen Vorschlag, den Antrag an die Abtheilung zu verweisen, erfolgt, so wird er als an die Abtheilung verwiesen zu betrachten sein. Es ist also so anzu— nehmen, daß der Antrag an die Abtheilung zur Begutachtung ver— wiesen ist.“ Hiernach war der Antrag nur überhaupt zur Begutach— tung an die Abtheilung verwiesen, ohne daß dadurch gleichzeitig seine Zulässigkeit in formeller Beziehung entschieden worden wäre. Diese Seite der Frage ist vielmehr vor Allem auch noch jetzt zu prüfen und danach zu entscheiden. Wenn ich dies aber als richtig anneh— men darf, so bin ich weiter der Ansicht, daß wir auf den materiellen Inhalt des Vorschlags nicht zurückkommen dürfen, weil derselbe in Bezug auf das Stimmrecht und die Ehrenrechte in Gemeinden und

Corporationen völlig zusammenfällt mit dem, worüber die hohe Ver⸗ sammlung bereits am 29sten v. Mts. Beschluß gefaßt hat; damals ist nämlich schon beschlossen, daß die Befähigung zur Theilnahme an Stimm⸗ und Ehrenrechten in Gemeinden und Corporationen zu den⸗— jenigen Ehrenrechten gehören solle, welche für immer erlöschen, wenn auch nur auf zeitweisen Verlust der Ehrenrechte erkannt worden ist. Und wenn bei der damaligen Abstimmung in Beziehung auf die Stand— schaft nicht ausdrücklich zwischen aktivem und passivem ständischen Wahl— rechte unterschieden worden ist, so folgt daraus schon, daß, dem Vor⸗ schlage des Abgeordneten der Stadt Köln entgegen, bereits damals auch über das aktive ständische Wahlrecht entschieden worden ist. Ich halte die vorliegende Frage: ob die Versammlung auf einmal rechts⸗ gültig gefaßte Beschlüsse zurückkommen will, um dieselben ganz oder theilweise wieder aufzuheben, von der äußersten Wichtigkeit, da ihre Entscheidung für die Folge als eine präßjudizielle erscheint. Ich trage darauf an, die Frage zuerst darauf zu richten, ob die Versammlung auf den früheren Beschluß vom 29sten v. Mis. überhaupt zurückkom— men will.

Abgeordn. Camphausen: mir das Wort erbitten.

Marschall: Es fragt sich, was unter formeller und materieller Be⸗ gründung zu verstehen sei. Wenn gesagt werden könnte, daß es wahr sei, die Absicht liege vor, die Versammlung zu einem Beschlusse zu veran⸗ lassen, der mit einem srüher gefaßten Beschlusse im Widerspruch stände, so müßte auch ich meines Orts das für einen ungünstigen Vorgang halten. Hätte ich diese Meinung gehabt an dem Tage, wo der Vorschlag gemacht worden ist, so hätte ich nicht versäumt, das gleich anfangs zu erklären; ich würde vielleicht nicht einmal so weit gegangen sein, zu sageu, es häuge von der Versammlung ab, den Vorschlag an die Abtheilung zurück zu verweisen. Wenigstens würde ich nicht versäumt haben, die Versammlung aufmerksam zu machen, daß etwas beantragt werde, was uns in Widerspruch mit einem früheren Beschlusse verwickeln würde. Ich habe es nicht so angesehen, son— dern ich bin davon ausgegangen, daß eine Mobification eines frühe— ren Beschlusses beantragt werde, und glaube auch jetzt noch, daß über die formelle Scite der Frage an dem Tage schon entschieden worden ist, wo der Vorschlag von der Versammlung an die Abtheilung zu— rück verwiesen wurde, daß wir also über die formelle Seite der Frage hinweggehen können und uns nur daran zu halten haben, ob dem Antrage beizustimmen sei oder nicht.

Abgeordn. Camphausen: Ich will mir über die formelle Seite der Frage einige Bemerkungen hinzuzufügen erlauben. Der Herr Landtags- Marschall hat Ihnen bereits dargelegt, inwiefern die for— melle Frage als erledigt anzusehen sei; außerdem ist wiederholt an— geführt worden, daß es sich nicht von einem Widerspruche gegen die gefaßten Beschlüsse, sondern von einer Modisication derselben han— dese, und zwar, wenn ich die Gründe, die geltend gemacht worden sind, in Berücksichtigung ziehe, von einer sehr leisen Modification. Wäte aber auch in Frage, ob von der Versammlung, die über so vielseitige, umfangreiche Materien berathet und beschließt, auf frühere Beschlüsse zurückgekommen werden dürfe, so würde ich bemerken, daß es gefährlich sei, den Satz aufzustellen, daß niemals zurückgegangen werden könne auf einen früher gefaßten Beschluß. Es kann die Ver⸗ sammlung in den Fall gerathen, unbewußterweise Beschlüsse zu fas⸗ seu, die einander widersprechen. Daß solche Inkongruitäten eintreten können, geht aus Beschlüssen hervor, wobei eben die Ehrenrechte eine BVerwickelung herbeiführten. Es ist zu §. 88 beschlossen worden, die Todesstrafe ohne fakultative Aberkennung der Ehrenrechte, und zu S. 89 die Todesstrafe mit fakultativer Aberkennung der Ehrenrechte; das möchte ein Fall sein, ber eine spätere Ausgleichung nothwendig macht. Zu S. 87 ist Strafarbeit oder Festungshaft mit fakultativer Aberkennung der Ehrenrechte beschlossen worden; zu 8§. sh Zuchthaus, Strafarbeit oder Festungshaft; zu 5. 90 nur Zuchthaus, so daß bei

Wenn das geschieht, so würde ich

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§. 90 das Fakultative völlig wegfällt, obwohl die drei Fälle dieselben Strafarten zu bedingen scheinen. Ich brauche mich aber nicht zu beschränken auf Beispiele von Inkongruitäten, sondern werde an einen Fall absoluten Widerspruches erinnern, in welchen nicht nur die Versammlung, sondern auch die Regierung ver⸗ fallen ist. Sie haben beschlossen, in einzelnen Paragraphen anstatt Zuchthaus und Strafarbeit Strafarbeit und Festungshaft mit der Wahl für den Richter, die Ehrenrechte zugleich abzuerkennen, vorzu— schlagen. Die Regierung hat dem nicht widerspröchen, sondern bei= gestimmt. Sie haben hingegen bei 8. 15 beschlossen, daß Festungs⸗ haft niemals mit dem Verluste der Ehrenrechte verbunden sein soll. Es ist zwar der erste Satz des 8§. 15 gestrichen worden, der zweite Satz aber stehen geblieben, wie auf Seite 80 der Protokolle nachzu—⸗ sehen. Es liegt also der Fall vor, daß einer dieser Beschlüsse zu— rückgenommen werden muß. Das sind die Gründe, welche ich dafür an⸗ führen wollte, daß die Versammlung sich nicht möge abhalten lassen, wegen einer leisen Modification und aus einer nicht richtig ange⸗ wandten Konsequenz den Antrag zu verwerfen, wenn er an sich an— nehmenswerth erscheint. ö

Candtags⸗Kommissar: In Beziehung auf das Formelle, der Frage bin ich der Ansicht, daß die hohe Versammlung über diejeni= gen Punkte, die hier abermals zur Frage gestellt worden sind, be⸗ reits ein definitives Votum abgegeben habe. Was zunächst das Ge— meinde-Ehrenrecht betrifft, so unterliegt dies, wenn wir die Verhand- lungen durchsehen, keinem Zweifel. Ein geehrtes Mitglied der westfälischen Städte hat austrücklich erklärt, daß, seiner Ansicht nach, Alles, was von dem ständischen Ehrenrechte gelte, in weitestem Um⸗ fange auch von dem Gemeinde-Ehrenrechte gelten müsse. Dem hat die hohe Versammlung beigestimmt, und ist demgemäß auch bei Stel— lung der Frage dieser Punkt ausdrücklich mit aufgenommen. Da— gegen ist zwar der Unterschied zwischen aktivem und passivem ständi⸗ schen Wahlrechte bei der Fragestellung nicht besonders hervorgehoben, vielmehr hier nur der ständischen Rechte im Allgemeinen erwähnt worden: diese allgemeine Stellung aber umfaßt unbedenklich auch das aktive Wahlrecht, indem unsere Gesetzgebung, in Beziehung auf das Erforderniß der Unbescholtenheit und Ehrenhaftigkeit, zwischen akti⸗ vem und passivem Wahlrechte keinen Unterschied macht. Sie erfor⸗ dert, in Beziehung auf beide Rechte, völlige Unbescholtenheit, und es kann daher wohl keinem Zweifel unterliegen, daß der Beschluß der hohen Versammlung, wonach derjenige, dem nur auf Zeit die Ehren— rechte aberkannt worden, nicht ohne Weiteres rehabilitirt werden sollte, auch auf das aktive Wahlrecht ausgedehnt werden mußte. Uebrigens soll diese meine Erklärung nur meine subjektive Ansicht aussprechen.

Wenn es sich um ein Votum der hohen Versammlung handelte, welches für die Regierung bindende Kraft und die Regierung ein Interesse dabei hätte, den einmal gefaßten Beschluß fest zu halten, so würde ich der Wiederholung der Diskussion und Beschlußnahme widersprechen müssen; da es sich aber nur um ein Votum conzul— lativum handelt, so finde ich keine Veranlassung, einer nochmaligen Berathung darüber zu widersprechen, ob die hohe Versammlung den früheren Beschluß modifiziren oder sich etwa in Widerspruch stellen will mit dem, was sie vor 14 Tagen beschlossen hat. Vielmehr muß ich in dieser Beziehung der von einem Abgeordneten aus der Rhein-Provinz ausgesprochenen Ansicht beitreten, daß bei einem langen Gesetze wohl der Fall eintreten kann, wo die Versammlung sich überzeugt, daß ihre früher gefaßten Beschlüsse einer Modification bedürfen. Hier ist zwar ein solcher Fall meines Erachtens nicht eingetreten, es handelt sich um keinen Widerspruch, um keine Inkonsequenz, die zu berichtigen wäre; dem Prinzip nach aber glaube ich, weil es sich nur um ein Votum consultalivum handelt, von Seiten der Regierung einer neuen Debatte und Beschlußnahme nicht entgegentreten zu dürfen.

Abgeordn. Dittrich: Declarationen kommen in unserer Gesetz⸗ gebung nicht selten vor; mindestens ist durch die Debatte schon fest⸗ gestellt, daß der Beschluß, den wir in dieser Angelegenheit gefaßt haben, ein zweifelhafter ist. Ich erkläre mich unbedingt für den An⸗ trag und erlaube mir zu dessen Unterstützung noch Folgendes anzu— führen. Es fragt sich, ob überhaupt die Aberkennung der Ehre eine zweckmäßige Strafe ist. Sie ist beschlossen, ich glaube aber, daß, je länger man sie dalern läßt, man desto Mehrere in das Proletariat hinausstößt. Den, dem die Ehre aberkannt ist, wird man nur um so leichter zu ferneren schlechten Thaten veranlassen; er glaubt, daß er durch neue schlechte That sich nicht erneuert entehrt, wogegen ihn das Gefühl, für ehrenhaft zu gelten, davon abhalten wird. Um so mehr kann ich mich nur für den Antrag erklären, weil ich glaube, daß da— durch die Ehrenhaftigkeit geweckt wird. Dieses ist auch das Haupt— Motiv gewesen, warum die Aberkennung auf Zeit angenommen wor— den ist.

Wenn der geehrte. Abgeordnete der Städte Schlesiens, der zuerst sprach, gesagt hat: „wer einmal lügt, dem

glaubt man selten wieder“, dann verschwindet alles Recht der Ver— zeihung, dann muß Jeder, der einmal eine Strafe verbüßt hat, für sein ganzes Leben unehrenhaft sein, das würde aber den Beschluß der zeitweisen Entziehung der Ehrenrechte gänzlich elidiren. Es ist auch schon von einem geehrten Redner aus der Mark Brandenburg gesagt worden, daß den Ansichten der beiden ersten Redner unrichtige Präsumtionen zu Grunde liegen, indem der Abgeordnete aus Schle— sien gesagt hat: „die eben Entlassenen“; davon ist aber nicht die Rede, denn die bürgerliche Ehre tritt ja nicht unmittelbar nach der Entlassung aus der Strafanstalt wieder ein und erst nach dem Ver— laufe von Jahren.

Marschall: Wenn es darauf ankäme, auf den formellen Punkt noch einmal zurückzukommen, so könnte angeführt werden, daß ich ge— rade damals, ehe es zur Abstimmung kam, zu erwägen gab, ob man wünsche, daß eine Unterscheidung in der Fragestellung, in Bezug auf das Wahlrecht und die Wählbarkeit gemacht werde, Wenn also jetzt dieser Antrag blos sich beschränkte darauf, diese Unterscheidung noch nachträglich vorzunehmen, so könnte man sagen, es sei über eine Sache, worüber die Abstimmung bereits geschehen sei, auf eine an die frühere sich anschließende Abstimmung angetragen worden, nämlich auf die Unterscheidung dieser beiden Fälle, und dann würde es ganz konsequent sein, wenn im Antrage diese Unterscheidung durchgängig sestgehalten würde, daß nämlich beantragt würde, nicht allein das Wahlrecht zu ständischen Versammlungen, sondern auch das Wahlrecht in den Gemeinden, oder wie es hier heißt, das Stimmrecht in den Gemeinden revivisciren zu lassen, nicht aber die Wählbarkeit zu Ge— meindeversammlungen, daß also dieselbe Unterscheidung eintrete in Bezug auf Gemeindeversammlungen, welche in dem Antrage in Be— zug auf ständische Versammlungen gemacht worden sst.

(Der Abgeordn. Prüfer bittet ums Wort zu einer persönlichen Be⸗ . merkung.) .

Wir wollen darüber den Abgeordn. Camphausen, weil er der Antragsteller ist, hören.

Abgeordn. Camphausen! Ich glaube, daß das formelle Be⸗ denken nicht so sehr in der Versammlung getheilt wird, daß es uns hindern könnte, mit vollkommener Freiheit über den heute vorliegen— den Antrag uns zu erklären. Was die erwähnte Modification be—⸗ trifft, so hat die Versammlung die Ehre, auch ihren durchlauchtigen Vorsitzenden zu ihren Mitgliedern zu zählen, und wenn ich gleich darauf beharren muß, daß über den Antrag, wie er vorliegt, das

Votum der Versammlung eingeholt werde, so würde doch nichts ent— gegenstehen, daß, insofern er verworfen würde, dann dieses Amen⸗ dement gestellt würde, welchem ich freilich nicht beistimme. . Marschall: Ich habe nur ermitteln wollen, ob es in der Ab⸗ sicht des Antragstellers lag, diese Modification seines Antrages ein treten zu lassen. Zunächst hat der Graf Renard das Wort. Abgeordn. Prüfer: Ich habe ums Wort gebeten wegen einer persönlichen Bemerkung. MWarschall: Ich habe den Abgeordneten als fünften Redner no— tirt, doch würde er zu einer wirklich persönlichen Bemerkung auch so⸗ fort das Wort erhalten können. ; Abgeordn. Prüfer: In Bezug auf die Aeußerung des geehr⸗ ten Redners aus Schlesien wollte ich bemerken, daß das Sprüchwort; „Wer einmal lügt, dem glaubt man selten wieder“, nicht so durch“ schnittlich von mir als eine bestimmte Erklärung angegeben wurde daß man gar Niemanden mehr trauen dürfe, der einmal eine Un“ wahrheit gesagt habe, sondern ich habe es nur bildlich ausgedrückt,

um zu erkennen zu geben, daß die äußerste Vorsicht gegen einen sol⸗

chen Maun, nämlich gegen einen Bestraften, nothwendig sei. Ich wiederhole das auch jetzt und bemerke noch dazu, daß man keinen Grund hat, den gerade als einen ehrlichen Mann anzuerkennen, welcher als dreijähriger Arrestant im Zuchthause in diesen 3 Jahren nicht gestohlen hat.

Abgeordn. Graf Renard: Die Frage: „Soll auf zeitweise Ab⸗ erkennung der Ehre erkannt werden?“ ist erledigt; nun stellt sich die Frage: Soll diese zeitweise Aberkennung der Ehre eben diese Zeit aussprechen, oder setzt sie einen bestimmten Rehabilitirungs⸗-Alt voraus, ehe die verlorenen Ehrenrechte wieder erlangt und geübt werden kön nen? Diese Frage scheint blos erledigt, ist es aber nicht. So scheint auch blos die Frage erledigt: Soll die Ehrenhaftigkeit im Ganzen eintreten oder in Bruchtheilen in einzelnen Ehrenrechten? Dann die Frage: Soll die Wiedererlangung einzelner Ehrenrechte einen be—⸗ sonderen Rehabilitirungs-A kt erfordern? blieb unerledigt. Das liegt uns aber auch gegenwärtig nicht vor. Uns fehlt noch ein Prinzip. Gegenwärtig handelt es sich einzig und allein um die prinzipielle Frage: Soll in Beziehung auf die Wiedereintretung der Ehrenrechte zwischen aktivem und passiwwem Wahlrechte unterschieden werden? Ich glaube, wenn wir die Abstimmung darauf richten, können wir noch unmittelbar auf den Antrag des Abgeordneten der Rhein-Provinz übergehen.

Abgeordn. Freiherr von Lilien-Echthausen: Ich antworte zu— nächst dem Abgeordneten der Stadt Köln, daß, wenn früher Wider— sprüche vorgekommen sind, dies natürlich keine Veranlassung sein kann, uns in neue Widersprüche zu verwickeln, vielmehr uns auffordern muß, alle Sorgfalt anzuwenden, sie zu vermeiden. Wenn Se. Durch laucht der Herr Marschall gesagt haben, es handle sich hier nur um eine Modification dessen, was früher beschlossen worden ist, so muß ich mir die Bemerkung erlauben, daß jede Modification eines Be— schlusses zugleich eine theilweise, größere oder geringere, Aufhebung desselben ist. In Beziehung auf die Theilnahme, an Stimm- und Ehrenrechten in Gemeinden und Corporationen würde indessen durch Annahme des Vorschlages ganz unzweifelhaft eine vollständige Auf hebung des Beschlusses vom 29sten v. M. erfolgen; in Beziehung auf das aktive und passive ständische Wahlrecht könnte solches vielleicht noch zweifelhaft sein, wenn es in dem Protokolle vom 29sten v. M. nicht wörtlich hieße, wie folgt:

„Der Marschall stellte hiernach anheim, ob der angedeutete Antrag in Betreff des Unterschledes zwischen aktiver und passiver Stand— schaft, d. h. zwischen Wahlrecht und Wählbarkeit, noch aufgenom— men werden wolle? Als solches auch jetzt nicht geschah, so re— sumirte er die Debatte und stellte die von der Versammlung unter stützten nachfolgenden Fragen zur Abstimmung.“

Ich muß hiernach bei der Ansicht verbleiben, daß über den vor— liegenden Antrag bereits in der Verhandlung vom 29sten v. M. voll⸗ ständig Beschluß gefaßt worden ist. Ich weiß nun freilich nicht, ob Ew. Durchlaucht die formelle Frage zunächst ausschließlich zur Dis⸗ kussion stellen wollen, oder ob zugleich auch über den materiellen In halt des Vorschlages diekutirt werden soll.

Marschall: Allerdings.

Abgeordn. Frhr. von Lilien⸗Echthausen: Was das Materielle des Antrages betrifft, so bleiben alle Argumente, die ich in der Ver— handlung vom 29sten v. M. gegen das Wiederaufleben der Rechte der Standschaft und des Gemeinderechtes bei auch nur zeitweisem Verluste der Ehrenrechte vorgebracht habe, auch hier geltend. Ich kann keine Konsequenz darin finden, daß man das Wahl- Kollegium, aus dem die Stände ⸗Versammlung hervorgegangen ist, schlechter stellen soll, als diese selbst, daß man das Wahl-Rollegium weniger schützen soll gegen das Eindringen unehrenhafter Elemente, als dies nach dem Beschlusse vom 29sten v. M. in Beziehung auf die Stände⸗ Versammlung selbst geschehen ist. Ich habe bereits in der Abthei— lung geltend gemacht, daß es Egoismus sein würde, unseren Kom⸗ mittenten gegenüber, wenn wir ihre Versammlungen in Beziehung auf die Ehrenhaftigkeit nicht mit derselben Rücksicht behandelten, wie uns selbst; ich habe ferner darauf aufmerksam gemacht, daß in den⸗ jenigen Gemeinden der Rhein-Provinz und Westfalen wenigstens, wo die Gemeinde-Versammlungen (Gemeinde⸗-Rath) nicht aus gewählten Verordneten, sondern aus sämmtlichen Höchstbesteuerten resp. Meist⸗ beerbten bestehen, das aktive und passive Wahlrecht zusammenfalle, mithin hier von einer Trennung desselben im Sinne des Vorschlages nicht die Rede sein könne; ich will diesem noch hinzufügen, daß in Westfalen die Rittergutsbesitzer in den Gemeinde-Versammlungen eine Virilstimme führen, gleichwie auf den Kreistagen. Nach allem die sem muß ich mich gegen den Antrag des Abgeordneten der Stakt Köln erklären, und zwar um so mehr, als ich nicht mit ihm darüber einverstanden bin, daß nur nach Annahme seines Vorschlages der große unlösbare Widerspruch, den er in der Verhandlung dom Iten d. M, behauptet hatte, verschwinde, daß nämlich nach dem Beschlusse vom 29sten v. Mæein Mann Ehre genug haben könne, um über das Leben seiner Mitmenschen als Geschworener zu richten, aber nicht Ehre genug, um Bürger der Gemeinde zu sein. Ich glaube, . Problem läßt sich einfach durch die Bestimmung lösen, daß auch die Befähigung, Geschworener zu sein, für immer verloren ht, wienm= gleich nur auf zeitweisen Verlust der Ehrenrechte erkannt mne 7

Es ist ein dahin zielender Vorschlag bereits 6 theilung von mir gemacht worden. Der Abgeordnete der Sta ö slöln hat sich aber nicht veranlaßt gesehen, darauf an e . erwiedern; ich stelle anheim, ob es ihm beliebt, sich jetzt darüber weiter auszu⸗ lassen. 3.

; Abgeordn. Camphausen;: Ich werde so srei sein, wenn Durch⸗ laucht es erlauben. Ich wünschte das Wort zu einer persönlichen Bemerkung.

Er Marschall ertheilt dem Abgeordneten das Wort.;

Wenn der Abgeordnete die Versammlung davor zu schüßzen wünscht, daß sie nicht in weitere Widersprüche mit sich verfallen möchte, so möchte vorerst der Abgeorbnete wohl thun, sich selbst zu schützen, daß er nicht in Widerspruch mit sich verfalle. Denn, was ist sein Vorschlag anders, als ein Widerspruch mit einem förmlichen Beschlusse der Versammlung? Hat die Versammlung nicht auch beschlossen, daß

vas Recht, Geschworner zu sein, wieder aufleben solle, während deß

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Abgeordnete jetzt vorschlägt, daß es für immer aberkannt werde? Das, glaube ich, wird als Antwort auf die Anfrage des geehrten Abgeordneten genügen.

Refser. Abgeordn. Irhr. von Mylius: Der Abgeordnete aus Westfalen hat gesagt, daß die Argumente, die in der Sitzung vom 2hsten v. M. von ihm vorgebracht worden, stehen bleiben; ich glaube aber, daß er zugeben wird, daß auch die gegenseitigen Argumente ebenfalls stehen geblieben, und daß es einer weitläufigen Wiederho—⸗ lung der von allen Seiten besprochenen Frage und ihrer Gründe nicht mehr bedarf, um zur Abstimmung über den Antrag des Ab⸗ geordneten der Stadt Köln zu kommen. Daß davon aber keine Rede sein könne, die Lage desjenigen, gegen den die Aberkennung der Eh⸗ renrechte erfolgt ist, noch schlimmer zu machen, als durch die frühe⸗ ren Bestimmungen bereits geschehen ist, das ist bereits mit genügen⸗ den Gründen ausgeführt worden. ;

Abgeordn. Frhr. von CLilien⸗Echthausen: Was den mir zum Vorwurfe gemachten Widerspruch betrifft, so kaun ich denselben nicht anerkennen, indem der in Rede stehende Beschluß vom 29sten v. M. der Geschworenen nicht erwähnt, mithin rücksichtlich dieser noch gar kein Beschluß gefaßt worden ist. 3 ;

Abgtordn? Graf von Schwerin: In dem Resultat meiner Er⸗ wägung treffe ich mit dem zusammen, was auch bereits von dem Herrn Landtags-Kommissarius anerkannt worden ist, daß es nicht nur zulässig, sondern sogar zweckmäßig sei, die Frage von der mate⸗ riellen Seite zu beleuchten; die Voraussetzungen aber, die den Herrn Landtags-Kommissar zu diesem Resultate geführt haben, kann ich jedoch nicht vollständig anerkennen, namentlich darin nicht, daß der Herr Landtags- Kommissar die Meinung aussprach, es würde sich die Regierung einem solchen Beschlusse widersetzen müssen in einem von ihm bezeichneten Falle. Ich kann dem Herrn Landtags- Kommissar niemals das Recht zuerkennen, sich einem Beschlusse der Versammlung widersetzen zu können, sondern die Beschlüsse der Versammlung wer⸗ den immer ganz frei gefaßt. Dies nur beiläufig. Noch muß ich aber die Abtheilung dagegen vertheidigen, als sei sie sich nicht be wußt gewesen, was die Versammlung früher beschlossen hat, daß das Gemeinderecht und das ständische Recht auf derselben Stufe stehen und ganz gleich behandelt werden müssen; ich glaube, daß in ihrem ferneren Vorschlage dieser Beschluß vollständig anerkannt ist. Ja, meine Herren, das ständische Recht und das Gemeinderecht stehen auf ganz gleicher Höhe, bei beiden kann aber aktives und passives Wahlrecht unterschieden werden, und bei beiden will es die Abthei⸗ lung geschieden wissen, und nur da, wo es sich um die Ausübung des aktiven Wahlrechts handelt, soll nach den neuen Vorschlägen es sich um das allgemeine Bürgerrecht handeln und der Fall vorhanden sein, wo das Recht von selbst wieder auflebt, nicht aber da, wo es sich handelt um das Recht, gewählt zu werden zu einer ständischen oder Gemeinde-Versammlung. Daraus folgt, daß, wo eine Wahl vorgenommen wird in einer Versammlung, die an sich schon eine ständische oder eine Gemeinde⸗Versammlung ist, da auch das Wahl⸗ recht nicht ausgeübt werden kann, sondern nur, wo es sich blos um eine Wahl⸗Versammlung handelt. Daß auch das zu Anomalieen führt, hat die Abtheilung nicht verkannt, diese Anomalieen liegen aber nicht in der Sache, sondern in der Verfassung.

Marschall: Nach dem Gesagten würde die Fassung eine Ab— änderung erleiden; denn der Abgeordnete Graf von Schwerin hat sich dem angeschlossen, daß auch in Bezug auf die Gemeinde-Ver= sammlungen nur von dem Wahlrechte die Rede sein möge und nach der Absicht der Abtheilung die Rede sein solle, nicht von der Wähl barkeit, eben so wenig wie von der Wählbarkeit zu ständischen Ver⸗ sammlungen. Und wenn das wirklich die Ansicht der Abihrilung ist, so würde das auch ausgedrückt werden müssen in der zu stellenden Frage, ja es würde sogar im Widerspruch mit dem von dem Abge⸗ ordneten Camphausen gestellten Antrage in der Fragestellung ausge- drückt werden müssen, weil es Antrag der Abtheilung ist.

Tardtags-Kommissar: Der geehrte Deputirte aus Pommern scheint angensmmen zu haben, daß ich durch meine Aeußerung in die Freiheit der ständischen Versammlungen irgendwie habe eingreifen wol— len; das ist aber nicht meine Absicht gewesen, und ich muß mich dar⸗ über deutlicher erklären. Ich habe gesagt, daß, wenn es sich um ein „tum decisivumà der Stände-Versammlung handle und dieses durch einen Beschluß wieder aufgehoben oder wesentlich modisizirt werden sollte, ich mich demselben widersetzen müßte. Ich unterstelle den Fall: bie Staats- Regierung hätte dem Vereinigten Landtage den Antrag auf Bewilligung einer Staatsschuld vorgelegt, die Versammlung hatte ihre Zustimmung gegeben, wollte sie aber am anderen Tage zurück⸗ nehmen, so würde ich das thun, was ich vorhin bezeichnet habe. Wenn aber der geehrte Deputirte unter dem Ausdruck „wid ersetzen“ irgend ein faktisches Einschreiten versteht, so ist das meine Meinung nicht gewesen, sondern ich habe nichts weiter darunter verstanden, als eine Verwahrung der Regierung, dahin, daß ein solcher aufhebender Beschluß ungültig und für sie völlig unverbindlich sei, Ich hoffe, daß diefe Erklärung jedes Nißverst ind niß beseiligen wird.

Abgeordn. Frhr. von Gaffron; Ich habe in formeller Bezi e⸗ hung kein Bedenken, auf die Diskussion noch einmal einzugehen, weil ich den Gegenstand von solcher Wichtigkeit halte, daß mir eine Ver⸗ mittelung, wenn irgend möglich, erwünscht sein müßte. Auch durch ben Vorschlag des geehrten Abgeordneten der Rhein- Provinz, wodurch die Befugniß zur freisständischen Theilnahme ebenfalls von den Rech⸗ ten ausgeschlossen bleiben soll, welche von selbst wieder aufleben sollen, würde mein Bedenken größtentheils beseitigt sein. Ich hege nur die Besorgniß, wie sie von mehreren Mitgliedern geltend gemacht worden sst, daß nämlich vielleicht ein Unterschied zwischen den verschiedenen Ständen dadurch hervorgerufen werden würde. Dies allein macht mich bedenklich, jene Modification einzugehen. .

Abgeordn. von Werdeck: Materiell habe ich ebenfalls kein Be beuken, guf die früheren Beschlüsse zurückzugehen, aber die formellen Bedenken haben wir selbst bereitet, und zwar gerade dadurch, daß wir im Allgemeinen beschlossen haben, ohne die speziellen Folgen die- ser Inkongruenz zu übersehen. Wir, mögen nun jeßt beschließen, was wir wollen, so werden wir durch jede neue Beschlußfassung doch in eine neue Inkongruenz gerathen. Daher ersuche ich Se. Durchlaucht den Herrn Marschall, die hohe Versammlung zu fragen, ob sie nicht

beschlleßen wolle, diese Anträge blos a referendum zu nehmen und auszusetzen bis zum Schluß des zweiten Theils des Entwurfes, (Lärm Nein! Nein!)

und wenn man mir darin auch nicht beistimmt, so sehe ich doch vor⸗ aus, daß wir dahin kommen werden, auf dieselben noch einmal zu— rückzukehren. . Marschall: Wir wollen sehen, ob der Antrag die gesetzliche Unterstützung von 8 Mitgliedern sindet. (Es erhebt sich Niemand.) Er hat sie nicht gefunden. —ͤ . Abgeordn. Graf Renard: Ich will mir in Bezug auf die Fragestellung noch ein Wort erlauben, ; a ,. Marschall: Dann will ich erst die Frage stellen. Sie würde eine Veränderung erleiden und lauten: . ; „Stimmt die Versammlung dem Antrage bei, daß nicht die Wähl⸗ barkeit zu ständischen und kreisständischen Versammlungen, wohl gber das Stimmrecht in Gemeinden und Corporationen und das Wahlrecht zu ständischen und kreisständischen Versammlungen nach

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Ablauf der Zeit, in welcher die Ausübung der Ehrenrechte unter- sagt war, wieder aufleben möge?“

Abgeordn. Camphausen: Von den beiden Abgeordneten Gra— fen von Schwerin und von Renard ist empfohlen worden, daß die andere Frage auch gestellt werde, und wenn es geschehen soll, so scheint mir kein Bedenken vorhanden, daß die minder umfassende Frage zuerst gestellt werde, um so mehr, als auf meinen Antrag übergegan— gen werden kann, auch wenn die Antwort auf die erste Frage mit Ja gegeben worden ist.

Marschall: minder umfassende. ö

Abgeordn. Graf Renard: Wir wären in das formelle Bedenken nicht gekommen, wenn die früheren Fragen wirklich erledigt worden wären und nicht blos erledigt schienen. Wir kommen wieder in die⸗ selbe Lage, wie dies der Direktor der Abtheilung scharfsinnig ausein— andergesetzt hat, wenn nicht von vorn herein eine prinzipielle Frage gestellt wird, nämlich: .

„Soll das aktive und passive Wahlrecht überhaupt unterschieden werden?“ . um dann unmittelbar zu dem Antrage des Mitgliedes aus der Rhein⸗ Provinz überzugehen.

Marschall: Ich muß aber bemerken, daß ich nicht schärfer zu unterscheiden vermag zwischen der Wählbarkeit und dem Wahlrechte, als ich es in der vorgelesenen Frage versucht habe; denn das Wort „Ehrenrechte“ ist weggefallen, und die Fage lautet:

Stimmt die Versammlung dem Antrage bei, daß nicht die Wähl⸗

barkeit zu ständischen und kreisständischen Versammlungen, wohl

aber das Stimmrecht in Gemeinden und Corporationen und das

Wahlrecht zu ständischen und kreisständischen Versammlungen nach

Ablauf der Zeit, für welche die Ausübung der Ehrenrechte unter— sagt war, wieder aufleben möge?

Abgeordn. Graf Renard: nicht auf alle Fälle.

Marschall: Es ist das Wort „Ehrenrechte“, was in dem ur— sprünglichen Antrage enthalten war, in Wegfall gekommen, zufolge der Aeußerung des Abgeordneten Grafen von Schwerin, und die Frage lautet, wie ich sie schon zweimal verlesen habe.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Es handelt sich um die Wählbarfeit und um das Wahlrecht; das Wahlrecht soll allseitig wieder aufleben, die Wählbarkeit zu den ständischen Versammlungen und zu den Gemeinde-Aemtern soll hingegen nicht wieder aufleben. Ich bitte, nur noch das Wort „zu Gemeinde-Aemtern“ in die Frage aufzunehmen. ;

Marschall: Dem ist nichts entgegen. noch einmal verlesen: ;

Stimmt die Versammlung dem Antrage bei, daß nicht die Wähl⸗ barkeit zu ständischen und kreisständischen Versammlungen und zu Ge⸗ meinde-Aemtern, wohl aber das Stimmrecht in Gemeinden und Corporativnen und das Wahlrecht zu ständischen und kreisständi⸗ schen Versammlungen nach Ablauf der Zeit, wo die Ausübung der Ehrenrechte untersagt war, wieder aufleben möge?

Und die diese Frage bejahen, werden dies durch Aufstehen zu erkennen geben.

Die so eben von mir vorgelesene Frage ist die

Diese Frage erstreckt sich wieder

Ich will also die Frage

(Es erhebt sich eine große Anzahl.) Ich bitte die Herren Secretaire, die Zählung vorzunehmen. (Es geschieht.)

Mit Ja haben gestimmt 56, mit Nein haben gestimmt 44, und wir kommen nun .... ;

Abgeordn. Camphausen: Es wird nun wohl die zweite Frage gestellt werden?

Marschall: Es ist beantragt worden, auf den ursprünglichen Antrag zu stellen, entgegen.

Die Frage würde also heißen: „Stimmt die Versammlung dem Antrage bei, daß zu den nach deren Ablauf von Rechts wegen wieder auflebenden Rechten die Theilnahme an Stimm- und Ehrenrechten in Gemeinden und Cor⸗ porationen und die Theilnahme an den Wahlen zu ständischen Ver— sanmmlungen gehören möge, dagegen das Recht, an ständischen und kreisständischen Versammlungen Theil zu nehmen oder als Mitglied einer ständischen und kreisständischen Versammlung gewählt zu wer— den, ohne vorangegangene Rehabilitation, nicht wieser aufleben möge?“

Abgeordn. Graf von Schwerin: Ich glaube, es werde doch jedenfalls, nachdem die erste Frage gestellt worden, diese zweite Frage nicht mehr gestellt werden können, sondern sie würde sich darauf redu⸗ ziren, ob man annehmen will, daß Jemand zwar in der Gemeinde⸗ Versammlung, aber nicht in der ständischen Versammlung sitzen könne. Darauf reduzirt sich die Frage, die noch übrig ist. Daß das Wahl⸗— recht auch in Beziehung auf die Gemeinde⸗Aemter geübt werden soll, haben wir beschlossen; es fragt sich also nun nur noch, ob man in einer ständischen Versammlung nicht sitzen könne, aber in einer Ge— meinde⸗Versammlung, und das dürfte den früheren Beschlüssen gemäß wohl kaum möglich sein. ;

Marschall: Das ist der Gegenstand nicht, um den es sich han— delt, darauf ist von dem Abgeordneten nicht angetragen worden und konnte nicht angetragen werden, sondern ich bin nur auf seinen ur⸗ sprünglichen Antrag zurückgegangen. Es hat sich nämlich im Wesent⸗ lichen nichts geändert, als daß aus seinem ursprünglichen Antrage die Worte 6 ;

„und Ehrenrechte“ weggefallen sind; die nachträgliche Frage, die das Mehr enthalten würde, hätte also nur diese Worte wieder mitaufzunehmen.

Abgeordn. Camphausen: Der Unterschied ist in einem Worte der gewesen, daß wir das passive Wahlrecht ausgeschlossen ha⸗ ben, sowohl für die Stände=, als für die Gemeinde- Versammlungen. Ich glaubte, wenigstens war ich in der Vorstellung, es werde nach dieser Abstimmung die andere Frage folgen, ob nicht auch das pas⸗ sive Wahlrecht in den Gemeinden wieder auflebe. Insofenn aber, wie der geehrte Abgeordnete aus Pommern mich belehrt, die Ver— sammlung diese Frage so ansehen würde, als ob sie durch unser Vo— tum entschieden sei, so ziehe ich vor, auf eine weitere Abstimmung zu verzichten.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Ich habe nur zu meiner In— formation mir die Frage erlaubt, ob nicht jetzt abzustimmen sei dar— über, ob ein Unterschied gemacht werden soll zwischen dem Rechte, in einer Gemeinde-Versammlung zu sitzen, und zwischen dem Rechte, in einer Stände-Versammlung zu sitzen.

Abgeordn. Camphausen: Es handelt sich um das Recht der Wählbarkeit in der Gemeinde, um das passive Wahlrecht.

Marschall: Nicht blos um die Befähigung zu Gemeinde-Aem⸗— tern, sondern auch um die Wählbarkeit zu Gemeinde-Versammlunzen, um die Ausübung von Ehrenrechten in Gemeinden und Corporatio⸗ nen würde es sich in der nachträglichen Frage allein noch handeln können; wenn aber auf die Frage verzichtet wird .....

Abgeordn. Camphausen (unterbrechend): Ja, ich ziehe das vor.

Warschall (forifahrend): So kommen wir zu §. 190.

Referent Abgeordn. Frhr. von Mylius (liest vor):

noch eine zweite Frage und es steht dem nichts

6 190. Die Verleumdung ist mit Gefängniß oder Festungshaft bis zu einem Jahre zu bestrafen. Unter mildernden Umständen kann anstatt der Freiheitsstrafe auf Geldbuße bis zu dreihundert Thalern erkannt werden.“ Das Gutachten der Abtheilung lautet: „Zu §. 190. z Ob das in dem §. 190 bestimmte Strafmaß gerechtfertigt, ward zur Frage gebracht; die Abtheilung beschloß jedoch mit 12 gegen 2 Stimmen, den Antrag, dasselbe auf 3 Monat zu ermäßigen, ee. zu befürworten, und verwarf mit gleicher Majorität den An⸗ rag: die im zweiten Alinea bestimmte Geldstrafe von dreihundert Tha⸗ lern auf den Betrag von funszig Thalern zur Ermäßigung zu empfehlen.“ . Abgeordn. von Sgucken-Tarputschen: Wir stehen jetzt auf dem Punkte, über die Strafmaße der Verleumdung zu berathen. Wir haben oft auf die frühere Gesetzgebung Rücksicht genommen, wir sind öfters von der geehrten Ministerbank darauf aufmerksam gemacht wor⸗ den, wo Uebereinstimmung mit diesen oder Abweichungen stattfänden. Dies veranlaßt mich jetzt, an den Herrn Justiz-Minister die Bitte zu richten, uns Aufschluß über den Unterschied der früheren und der uns jetzt vorliegenden Bestimmungen zu geben, und ich fühle mich besonders dazu veranlaßt durch einen Richterspruch in neuerer Zeit, der nicht nur im Lande, sondern ich möchte sagen in ganz Deutsch⸗ land eine große Bewegung hervorgerufen hat. Es ist der Fall mit Krackrügge in Erfurt. So viel aus den öffentlichen Blättern be—⸗ kannt ist, hat der Mann in dem edlen Gefühle, in der ehrenwerthen Absicht, Jemand in seinem Rechte nicht allein zu schützen, sondern vor schwere Unbill zu bewahren, und zwar die Tochter gegen die har⸗ ten Bedrückungen der Aeltern, diese angeschuldigt. Er ist zur Un— tersuchung gezogen, weil er in diesem Falle zu weit gegangen, weil er den Mann, der so Ungewöhnliches an seinem eigenen Kinde that, in seiner Ehre verletzt habe. Derselbe Fall ist in Weimar vor Gericht gezogen, indem dort der Buchhändler der die angebliche Verleumdung öffentlich verbreitet hat angeklagt wurde, und nach dargelegten Beweisen über die Richtigkeit der angegebenen Fakta ist dort der Mann freigesprochen worden. Die Beschuldigung ist aber nicht blos dort, nicht blos in der öffentlichen Meinung, sondern auch von unserem Gerichtshofe als richtig anerkannt und die Strafe nur verhängt, weil Krackrügge zu weit gegangen, den Kläger an seiner Ehre dabei gekränkt habe. Nun steht die Sache, meine Herren, so. Mit Betrübniß lese ich, daß unser hoher Richterstand ich nenne ihn hoch, weil er so lange erhaben über der öffentlichen Anfrindung stand angegriffen worden ist, und ich halle es im Interesse des Richterstandes, damit die Achtung, die er besitzen muß, ihm nicht verloren gehe, im Interesse des Volkes, das in dem Vertrauen zu dem Richterstande nicht erschüttert werden darf, daß nicht allein uns hier, sondern im Allgemeinen Aufklärung gegeben werde, daß * Sache anders sich verhält, als sie durch inländische und ene e Blätter vielfach dargestellt worden ist. Es hat eine der letzten Num⸗ mern der Augsburger Zeitung sich, erlaubt, zu sagen, dieser harte Urtheilsspruch denn Krackrügge ist zum Zuchthause ver—= urtheilt worden und sitzt bereits zu Lichtenberg ein Mann, der Stell- vertreter des Vorstehers der Stadtverordneten ist, der eine Zeitschrift herausgiebt, also wohl zu deu gebildeten und nicht zu den niederen Ständen zu zählen ist, ich wiederhole es, dieser Mann ist zum Zucht⸗ hause verurtheilt worden sei nicht Folge seiner That, sondern weil er ein Liberaler, weil er der Verwaltung unangenehm und miß⸗ liebig sei, deshalb nur habe ihn diese harte Strafe getroffen. Ich gestehe, meine Herren, das zu lesen, ohne Aufklärung, ohne eine richtige Darstellung des Sachverhältnisses zu haben, hat mich tief

gekränkt.

JustizMinister Uhden: Zuvörderst muß ich fragen, was ich für eine Aufklärung geben soll. Soll dies ein Vorwurf sein, als eb die Regierung in irgend einer Weise auf das Erkenntniß eingewirkt habe? Ich erbitte mir die Erklärung des Herrn Deputirten.

Abgeordn. von Saucken⸗-Tarputschen: Ich habe blos gewünscht, zu hören, ob dieses Urtel nur auf einer Ehrenkränkung, die der Be⸗ theiligte sich erlaubt, beruhe, und ob die frühere Gesetzgebung dem Richter einen so weiten Spielraum gestatte, daß er Jemand, der nicht zu den niederen Ständen gehört, wegen Ehrverletzung, die blos zu weit in der Aeußerung ging, aber wo der Thatbestand richtig an⸗ gegeben war, zum Zuchthause verurtheilen konnte, und ich will gern hinzusetzen, daß, wenn die frühere Gesetzgebung eine solche Strafe erlaubte, ich mit großer Freude die neuen Strafbestimmungen, die keinen Unterschied der Stände vor dem Gesetz mehr annehmen, und welche keinen solchen Spielraum mehr gewähren, begrüße.

Justiz-Minister Uhden: Auf diese Verneinung werde ich mir erlauben, wegen der erkannten Zuchthausstrafe die betreffenden Para⸗ graphen vorzulesen. Im 5§. 614 Tit. 20 Thl. II. des Allgemeinen Landrechts lautet es:

„Unter Personen vom Adel oder Militairstande oder die den Charakter Königlicher Räthe sühren, ziehen dergleichen schwere In⸗ jurien Gefängnißstrafe auf vier bis acht Wochen und nach Bewandt⸗ niß der Umstände Festungs⸗Arrest bis auf sechs Monate nach sich.“

Ferner im §. 615:

„Sind dergleichen Injurien von Personen niederen Standes gegen höhere verübt worden, so findet Gefängnißstrase auf vier Wochen bis drei Monate statt.“

Endlich im §. 616:

„Nach Bewandtniß der Umstände und Schwere der Beleidigung kaun diese Strafe durch Einschränkung der Kost im Gefängnisse geschärft oder bis zur Zuchthausstrafe bis auf sechs Monate aus⸗ gedehnt werden.“

Was die Gerichte erkannt haben, steht mir nicht zu, hier weiter zu beurtheilen; die Gerichte haben nach ihrem pflichtmäßigen Ermes⸗ sen gesprochen; ich muß aber nochmals jeden etwanigen Vorwurf zu⸗ rückweisen, als ob die Regierung im entferntesten auf diese Entschei⸗ dung eingewirkt habe. Dieselbe hatte erst Kenntniß von der Strafe erlangt, nachdem das Erkenntniß rechtskräftig gewesen und der Weg der Begnadigung eingeschlagen war. . /

Abgeordn. Sperling: Ich finde eine Ungleichheit zwischen §. 190 und §. 193, in Beziehung auf die Geldstrafe. Im 5§. 190 ist eine Geldstrafe von 300 Rthlr. einer Freiheitsstrafe von einem Jahre gleichgesetzt, während int 8. 193 dieselbe Geldstrafe einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten gleichgestellt ist. Sollte hier nicht eine Berichtigung nothwendig sein? 1

NRegierungs · Komimissar Bischoff: Im 8. 199 ist eine Geldbuße als Regel überhaupt nicht zugelassen, sondern es ist nur gesagt wor⸗ den „unter mildernden Umständen kann, anstatt der Freiheitsstrafe, auf Geldbuße erkannt werden“; also im s. 1960 werden immer mil⸗ dernde Umstände vorausgesetzt, und nur in diesem Falle soll über⸗ haupt Geldstrafe eintreten können. Anders verhält es sich im §. 193 bei der einfachen Ehrenkränkung. Hier ist alternativ Geldbuße oder Gefängniß angeordnet, so daß in allen Fällen, abgesehen von mil- dernden Umständen, Geldbuße als prinzipale Stoß eintreten kann. Hiernach ist zwischen beiden Bestimmungen eine wesentliche innere