1848 / 51 p. 3 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

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Jetzt hat

der Reihenfolge notiren, in welcher er sich gemeldet hat. der Abgeordnete Graf von Schwerin das Wort.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Insofern Ew. Durchlaucht ausdrücklich bestimmt haben, daß die Diskussion sich zunächst auf den zweiten Satz des 1sten Alinen beschränken solle, so hat sich die Dis⸗ kussion, wie es scheint, davon entfernt, da immer wieder der Gesichts⸗ punkt in's Auge gefaßt worden ist, ob gegen Militairpersonen nur auf Freiheitsstrafe zu erkennen sei; ich beschränke mich daher zunächst auf den zweiten Satz des 1sten Alinea. Ich glaube, der Behauptung des Herrn Korreserenten entgegen, daß es nicht in der Konsequenz liege, wenn überhaupt die Geldstrafe zulässig erachtet, man sie bei qualifizirten Injurien ausschließen wolle, doch behaupten zu können, daß es vielmehr ganz konsequent sei, bei einfachen Beleidigungen sie zuzulassen, bei qualifizirten hingegen nicht, und es würde dies um so konsequenter sein, als wir angenommen haben, daß auf Geldbuße da nicht erkannt werden kann, wo es sich um Vermögensunterschied handelt, sondern nur da, wo die Fälle wirklich milder Natur sind. Wenn man also annimmt, daß die qualifizirten Injurien schwerer Natur sind, so folgt daraus, daß bei qualifizirten Injurien die Geldbuße ausgeschlossen werde. Nun wird zwar nicht nothwendig sein, den Paragraphen auch in Bezug auf das Strafmaß beizubehalten und dieses unter allen Umständen bis auf die Hälfte zu erhöhen, sondern ich glaube, es würde auch zulässig sein, daß man sagte: bei quali— sizirten Injurien ist die Geldbuße unter allen Umständen ausgeschlossen und kann das Strafmaß bis zur Hälfte erhöht werden. Dann würde uns noch immer der letzte Satz übrig bleiben; aber erst, wenn wir hierüber einig geworden sind, kann darüber sachgemäß beschlossen werden, erst wenn wir wissen, ob bei qualifizirten Injurien die Geld— strafe überhanpt ausgeschlossen werden solle, können wir weiter fragen: wollen wir die Injurien gegen das Militair in Uniform für qualifizirte halten?

Abgeordn. Graf Renard: Der Herr Director der Abtheilung hat so eben jene Lücken aufgedeckt, welche auch mir in dem übrigens sehr konkluenten Vortrage des Herren Korreferenten aufgefallen waren.

Korreferent Abgeordn. Waumann: Ich habe doch noch Einiges zu bemerken. Der Gegenstand, den ich behandelt habe, betrifft lediglich das Verhältniß zwischen Militair und Civil. Ob ich zugleich der Diskussion vorgegriffen habe, mag dahingestellt sein; es war aber der Ort hier, darüber zu sprechen, weil in dem ersten Alinea zugleich von den Beleidigungen gegen Militairpersonen die Rede ist. Ich habe über die Frage nicht gesprochen, ob bei solchen qualifizirten Injurien niemals auf Geldbuße erkannt werden dürfe; ich bin indeß der Meinung, die auch die Majorität der Abtheilung ausgedrückt hat, daß solche sogenannte qualisizirte Injurien möglicherweise von so geringer Bedeutung sein können, daß dieselbe Strase dafür aus— reichen werde, welche bei den einfachen Injurien eintreten soll.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Das ist eben aber die Frage, ob nach der Meinung der Abtheilung der erste Satz gestrichen wer— den soll. Darüber kann übrigens kein Zweifel sein, daß Militair— personen, wenn sie im Dienste sind, den Beamten gleich stehen.

(Abstimmungh) 5

Abgeordn. Krause: Nachdem der geehrte Vorsitzende der Ab— theilung uns erklärt hat, daß über den letzten Satz debattirt worden sei, von dem ich geglaubt, daß er längst angenommen wäre, daß bei Beleidigungen gegen niedere Beamte nicht auf eine geringere Strafe erkannt werden solle. Ich muß mich den Ansichten der Abtheilung anschließen, weil es mir gerechtfertigt erscheint, daß Civilisten mit Geldbuße belegt werden gegenüber dem Militair, denn es ist ein großer Unterschied, ob ein Civilist acht Wochen eingesperrt wird, seiner Familie gegenüber, oder ob ein Soldat diese Zeit im Arrest sich befindet. Wenn ein Familienvater seinem Gewerbe so lange entzogen werden soll, so scheint mir ein großes Mißverhältniß zwi— schen beiden obzuwalten, und aus dem Grunde werde ich mich der Abtheilung anschließen.

Abgeordn. Zimmermann: Auf die Gefahr hin, die Geduld der hohen Versammlung zu ermüben, bitte ich, mir nur eine Bemerkung zu gestatten. Ich habe nicht gesagt, es habe sich die Praxis gebildet, daß bei Injurien gegen Offiziere auf Gefängnißstrase erkannt werde, ich habe gesagt, und wiederhole es, daß trotzdem, daß der Richter befugt sei, auf Geldstrafe in solchen Fällen zu erkennen, aus der bis⸗— herigen Praxis keine Gefahr für den Militairstand erwachsen sei.

Regierungs-Kommissar von Reyvher: Ich muß ausdrücklich be— merken, daß die Civil⸗Richter bisher nicht befugt waren, auf Geld⸗ strafe zu erkennen, und wenn das hin und wieder geschehen ist, so war es den gesetzlichen Vorschriften entgegen; die Gerichte sind viel—⸗ mehr dahin angewiesen, immer auf Freiheitsstrafe zu erkennen, und des Könige Majestät haben in der Kabinets-Ordre vom 1. März 1844 ausdrücklich zu erklären geruht, AllerhöchstSie hätten wahrge— nommen, daß in solchen Fällen den bestehenden Gesetzen entgegen nicht immer auf Freiheitsstrafe erkannt worden wäre, und befahlen deshalb, daß dies geschehen solle.

Justiz-Minister Uhden: Ich muß dem entgegen; ich habe den Standpunkt der Gesetzgebung entwickelt und bie Ansichten der Ge⸗ richtshöfe angeführt und meine richtliche Ansicht ausgesprochen. Ich habe ausdrücklich hinzugefügt, daß Zweifel darüber obgewaltet, daß diese Zweifel verschiedene Erkenntnisse zur Folge gehabt haben, und daß zuletzt diese Zweisel durch die Srdre von 1844 beseitigt u. J, ö r

geordn. von Auerswald: Ich muß auf ein Mißverständni aufmerksam machen, welches ich in den Worten . . g den der Abtheilung gefunden zu haben glaube. Er sagte, wenn wir über den ersten Theil des Paragraphen weg sind, und festgesetzt haben, daß qualisizirte Injurien nur mit Freiheitstrase geahnbet'wer= den sollen, so komme die zweite Frage, ob Injurien gegen Militair— personen in Uniform, immer als qualistzirte Insurien zu achten seien. Das ist aber nicht die Frage, sondern die Frage ist die: „Soll eine Beleidigung gegen Militairpersonen in Uniform, wenn auch nicht als qualifizirte Injurie, so doch nach dem einfachen Verhältnisfe der Re= ziprozität, oder wie der Herr General-Lieutenant von Reyher be merkte, nach der Gleichheit vor dem Gesetze mit Freiheitsstrafe belegt werden? Denn, sollten die Injurien gegen Militairpersonen in Uniform als qualifizirte Injurien betrachtet werden, so müßten immer zugleich erhöhte Strafen, und zwar die Verschärfung, welche für die qualisi= zirten Injurien im ersten Satze angedroht ist, eintreten.

Fürst Wilhelnt Radziwill: Dem geehrten Abgeordneten aus Spandau gegenüber wollte ich darauf aufmerksam machen, daß durch aus die Freiheitsstrafe beibehalten werden muß, wenn nicht eine Un— gleichheit vor dem Gesetze eintreten soll.

Abgeordn. Fabricius: Auch ich habe die Bestimmung Sr. Durchlaucht so verstanden, daß zunächst über den letzten Satz des ersten Alinea zu beschließen sein werde. ;

In dieser Hinsicht nun scheint es mir zu einer Ausgleichung der verschiedenen Ansichten führen zu können, wenn dieser Satz so beschränkt würde: „Jedoch soll der Richter in den Fällen des F. 1235 den Beleidiger jeder Zeit mit Freiheitsstrafe belegen,“ das Gesetz würde damit dem Richter für einfache Ehrenkfränkungen freie Hand lassen, was mir gerade sehr zweckmäßig scheint, da für die dabei in Betracht kommenden häufigen Fälle an sich unerheblicher Beleidigungen niederer Beamten unzweifelhaft gerathen ist, den

436 Richter nicht zu sehr zu binden, indem bei dergleichen Fällen am mehrsten darauf ankommt, daß kein Fall ungerügt bleibt, was am sichersten erreicht wird, wenn die unmsttelbaren Vorgesetzten des be⸗ leidigten Beamten nicht etwa durch die Betrachtung bestimmt wer— den, den gegebenen Fall zu übersehen, das auf eine Denunciation nur Freiheitestrafe erkannt werden kann.

Abgeordn. Steinbeck: Der Anfang dieses Paragraphen behan⸗ delt exceptionelle Verhältnisse; in diesen erceptionellen Verhältnissen befindet sich, wie wir doch in den Worten sehr deutlich sehen, nicht blos der Soldatenstand. Der Soldatenstand ist derjenige Theil des Volkes, der unter den Waffen steht, es bedarf dieser Theil des Volkes, wegen seiner besonderen Verhältnisse, auch besonderer Be⸗ rücksichtigung. Ein gleiches gilt auch von den dort bemerkten anderen exceptionellen Zuständen, nun ist die Uniform ein Zeichen, eine äußere Andeutung

Marschall: Ueber diesen Gegenstand werden wir erst später berathen.

Abgeordn. Steinbeck: dahin vor.

Marschall: Wir können jetzt zur Abstimmung kommen. Die Frage heißt: Soll beantragt werden, daß die Worte in dem ersten Alinea des §. 196: „und nur ausnahmsweise berechtigt sein“ weg⸗ fallen, daß also der Satz „jedoch soll der Richter in allen diesen Fällen den Beleidiger mit Freiheitsstrafe belegen“ hier stehen bleibe?

Abgeordn. Graf von Schwerin: Es ist im Laufe der Dis— lussion darauf hingewiesen worden, daß es zweckmäßig sein möchte, die Erhöhung des Strafmaßes nur fakultativ zu stellen. Es steht hier: „so ist die Strafe immer um die Hälste zu erhöhen.“ Wenn nun der Fall eintritt, daß immer nur auf Freiheitsstrafe erkannt werden soll, so würde es zweckmäßig sein, die Höhe des Strafmaßes fakultativ zu stellen, und vielleicht würde der Antrag so zu fassen sein: „Bei Beleidigungen gegen öffentliche Behörden u. s. w. soll Freiheitsstrafe erkannt und kann das Strafmaß um die Hälfte erhöht werden“; „bei Beleidigungen des Militairs in Uniform ist ebenfalls immer auf Freiheitsstrafe zu erkennen.“

Justiz-Minister von Savigny: Von Seiten der Regierung . gegen die zuerst erwähnte Abänderung nichts einzuwenden ein.

Dann behalte ich mir mein Votum bis

Abgeordn. Camphausen: Das wäre eine Veränderung, die nachträglich noch erfolgen könnte. Für jetzt möchte ich wünschen, daß der Antrag der Abtheilung zur Abstimmung gebracht werde.

Marschall: Der Referent hat sich damit einverstanden erklärt, daß die Frage so gestellt werde, wie sie aus dem Vorschlage des Grafen von Schwerin hervorgeht, und da der Referent diese Erklä— rung abgab, so habe ich meines Orts keine Ursache, sie nicht so zu stellen, und ich glaube, daß das auch füglich geschehen kann.

Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius: Ich setze voraus, daß durch diese Fragestellung Niemand kaptivirt wird, indem jeder, der diesem Antrage nicht beitritt, wie es hinsichtlich meiner der Fall ist, gegen den Antrag des Abgeordneten Grafen von Schwerin stimmen wird.

Abgeordn. Camphausen: Nachdem die Regierung erklärt hat, auf den letzten Satz zu verzichten, so bleibt im Entwurfe nichts mehr stehen, als der erste Satz, und auf den Wegfall dieses Satzes muß die Frage gestellt werden.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Das ist ganz richtig, und ich glaube, wenn von dem Mitgliede darauf bestanden wird, muß das Abtheilungsgutachten zur Abstimmung gebracht werden, meiner Mei— nung nach kann sich nur so die Sache ins Gleiche stellen. Es würde, wie der Abgeordnete von Köln erklärt hat, die Frage sein, soll der Satz: „jedoch soll der Richter u. s. w.“ gestrichen werden.

Marschall: Wenn Werth darauf gelegt wird, so würde das keine andere Folge haben, als blos die Umwandlung derselben Frage aus dem Positiven in das Negatioe. Sie würde dahin gerichtet werden, ob der erste Theil des letzten Satzes im ersten Alinen nicht, wie der Vorsitzende der Abtheilung beantragt hat, anzunehmen, son⸗ dern, ob sein Wegfall zu beantragen sei. Die Frage heißt: Soll beantragt werden, die Worte „jedoch soll der Richter in allen diesen Fällen den Beleidiger mit Freiheitsstrafe belegen,“ wegfallen zu lassen? und diejenigen, welche auf den Wegfall dieser Worte antra— gen, würden das durch Ausstehen zu erkennen geben.

Die Versammlung hat sich nicht dafür ausgesprochen.

Es ist nun die Frage, ob noch eine Bemerkung in Beziehung

auf den letzten Theil des Paragraphen zu machen ist.

(Mehrere Stimmen: fakultativ?)

Ja, das bleibt vorbehalten. Da die fakultative Fassung, welche vorgeschlagen worden ist, von keinem anderen Mitgliede der Ver— sammlung bestritten und von der Regierung zugegeben worden ist, so wird sie als angenommen angesehen werden können. Vorhin hat noch zum letzten Theile des Gutachtens der Abgeordnete Steinbeck sich gemeldet.

Abgeordn. Steinbeck: Ich fahre also fort. Die Uniform ist ein äußeres Zeichen des exceptionellen Zustandes, dieses äußere Zei—⸗ chen ist nicht dem Soldatenstande allein eigen, wohl aber bei diesem Stande von besonderer Bedeutung. Deshalb bin ich der Meinung, daß hier vielleicht irgend ein Mißverständniß oder etwas ähnliches untergelaufen ist, wenn man den Schutz, den der zweite Satz des Paragraphen für den Soldaten in Uniform in Anspruch nimmt, des⸗ halb bestritten hat, weil man den einzelnen Stand einem anderen Stande oder dem ganzen übrigen Volke entgegengesetzt hat. Ich befürworte, diesen zweiten Satz auf eine Art zu bilden, daß er einer⸗ seits erweitert und andererseits den Schein, die Bedenken entferne, welches hier von verschiedenen Seiten hervorgehoben worden. Ich meine nämlich, daß, so wie der Soldat in Uniform, so auch nament— lich der Geistliche in seinem Ornate, den hier in Rede stehenden be— sonderen Schutz erhalten muß, und wünsche, daß von Seiten der hohen Versammlung dieser Gegenstand einiger Aufmerksamkeit gewür— digt werden möge. Auch hier ist die Geldstrafe, durchaus übel an— gebracht, und sie wird auch hier alle die nachtheiligen Folgen haben, die sie haben würde, wenn wir nur den Soldatenstaud ihr unter— werfen wollten. Ich stelle mein Amendement also dahin, daß der zweite Satz dieses Paragraphen, was im Uebrigen als Fassungsfrage zu behandeln sein würde, auch ausgedehnt werde auf den Geistlichen im Ornate. -

Marschall: Wir wollen ermitteln, ob dieser Vorschlag die Un— terstützung von 8 Mitgliedern findet.

(Wird nicht unterstützt.) Er hat sie nicht gefunden.

Regierungs⸗-Kommissar von Reyher: Ju Bezug auf die Mili⸗ tairpersonen muß ich doch wünschen, daß der Schlußsatz des 5. 196 dahin angenommen wird: „die Freiheitsstrafe dann eintreten zu lassen, wenn dem Beleidiger die persönlichen Verhältnisse des Beleidigten bekannt gewesen sind.“ Denken Sie, meine Herren, wenn ich z. B. von einer Person, die früher in meinen Diensten stand, in meinem Zimmer beleidigt werde, einer Person, der also mein Verhältniß voll⸗ kommen bekannt ist; kann es in diesem Falle darauf ankommen, ob ich in Uniform war oder nicht? Mir scheint, daß der Paragraph in der vorgeschlagenen Fassung anzunehmen ist.

Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius: Ich glaube doch, daß hiergegen angeführt werden muß, daß es unzusässig ist, in den

lediglich dem Innern des

Kir kommen zu 8. 15.

Begriff eines Vergehens irgend ein Kriterium aufzunehmen, welches

ensche 5 * des Vergehens zu machen, 4 . n Tr e gef = gerade eine genaue Kenntniß von diesen persönlichen Der n f. gehabt hat oder nicht. Ich glaube aber auch, daß diese Bestimmun keinesweges deshalb nöthig, indem das Strafmaß hier so weit 6 daß dem Richter immer gestattet ist, eine härtere Strase in 21 gen Fällen zu erkennen, in welchen eine haͤrtere Strafe durch beso

dere Umstände nothwendig gemacht wird. Es ist nicht erk . daß Fälle vorkommen können, wie sie von dem . 9 2 wähnt worden sind, in denen die Injurie oder 1 härteren Charakter annimmt, und ein? härtere Eircht 1 en glaube aber, daß durch den Spielraum, den das Geset . Hi 66 laßt. bihrrichenz Hemähr geiesiet it, zef Ni enn h lich gleiche Strafen erkannt werden. Was nun die Suh aon c tn so glaube ich, daß, nachdem durch das Votum der hohen er 2 lung festgestellt worden ist, daß eine qualifizirte Insurie . sonen im Dienst angenommen werden soll, diese Bestimmung 1 herübergenommen werden kann auf das Verhältniß, wo der Bech nicht im Dienst ist, indem er da jedem anderen Bürger gleichsteht.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Dem letzten Äintrage' des Vertreters des Kriegsministeriums würde ich mich entschieden wider setzen. Es muß bei der Bestimmung bleiben, daß, wenn ein Mili tair sich in Uniform befindet, die qualisizirte Strafe eintreten kann aus dem Grunde, weil der Militair, wenn er sich in Uniform befin⸗ det, innner so anzusehen ist, als wenn er sich im Amte befände. Wir würden eine große Unsicherheit in das Gesetz bringen, wenn wir be antragen wollten: „insofern sein Charakter erkennbar gewesen.“ Uebri— gens fönmt noch dazu, daß es in der Macht der Militair verwaltung liegt, zu bestimmen, daß das Militair immer und überall in Uniform zu erscheinen habe. Eine solche Omission durch eine Strafbestim= mung zu ergänzen, würde nicht angemessen sein.

Abgeordn. Frhr. von Gaffron: Ich kann mich nur dem an— schließen, was der Vorsitzende der Abtheilung gesagt hat, und er— laube mir, das, was ich srüher anführen wollte, hier zu ergänzen. Ich glaube allerdings, daß nach unserer Wehrverfassung sehr viele Soldaten, welche die Uniform nicht tragen, in rine Menge ge⸗ selliger Konflikte mit anderen Personen kommen können, wo, wenn jene Bestimmung Anwendung fände, eine zu große Ausdehnung dessel— ben eintreten könnte. Ich halte die Uniform für das Kriterium, welches maßgebend sein wird.

(Ruf nach Abstimmung.)

Marschall: Es ist die Frage zu richten auf den Antrag der Abtheilung, wonach das ganze letzte Alinea wegfallen würde. Die— senigen, welche beantragen, den letzten Satz des §. 196 wegfallen zu lassen, würden es durch Aufstehen zu erkennen geben.

(Es erheben sich viele Mitglieder.) Ich bitte, zu zählen. (Dies geschieht.) Das Resultat ist folgendes: Mit Ja haben gestimmt 44, mit Nein 44, und da ich mit nein gestimmt habe, so würde in diesem Falle die Frage verneint sein.

Wir kommen zu §. 197.

Regierungs⸗Kommissar Bischoff: Wenn ich richtig verstanden habe, so ist darüber abgestimmt worden, ob das ganze letzte Alinea wegfallen soll.

(Mehrere: Ja! Ja!) Nun ist aber die Unterfrage noch übrig, ob diese Bestimmung nur dann eintreten soll, wenn der Beleidigte sich in Uniform befunden habe. Dies war der ursprüngliche Vorschlag der Regierung, allein derselbe ist später von der Reglerung amendirt worden, wie sich aus dem Gutachten der Abtheilung ergiebt, und es ist von derselben vorgeschlagen worden, daß statt dessen gesagt werden soll: „wenn dem Beleidiger das persönliche Verhältniß des Beleidigten bekannt war.“

Abgeordn. Graf von Schwerin: Ich möchte mir erlauben, dagegen zu bemerken, daß es ausdrücklich heißt: Die Regierung hat ihrerseits nichts dagegen zu erinnern, wenn die Fassung so geändert würde; die Regierung hat aber den Wunsch nicht ausgesprochen, daß die Fassung geändert werde. Nun hat aber der Vertreter des Kriegsministeriums heute gesagt, er würde dringend wünschen, daß diese Aenderung ge⸗ macht werde. Soll sie also gemacht werden, so muß sie von der Versammlung ausdrücklich angenommen werden.

Marschall: Es ist dies vollkommen richtig, und ich muß noch hinzusetzen, daß der Antrag, der nech gar nicht gemacht ist, erst von einem Mitgliede der Versammlung gemacht werden müßte. Geschieht dieses, so steht nichts entgegen, daß jetzt noch die Abstim- mung vorgenommen werde.

Neferent Abgeordn. Freiherr von Mylius: Es scheint also die Sache so zu liegen, daß durch die Erläuterung jetzt eine Erweite—⸗ rung des zweiten Satzes des §. 196 zum Antrage gebracht werden wird.

Abgeordn. von Auerswald: Die Sache scheint ganz einfach zu stehen; es hat Niemand einen Antrag gestellt.

Regierungs⸗Kommissar von Reyher: Als Vertreter des Kriegs⸗ ministeriums habe ich allerdings den Antrag gestellt, und überlasse es der geehrten Versammlung, ob eine Abstimmuug darüber statt— sinden soll.

Regierungs⸗Kommissar Bischoff: Es ist von mir als Kommissar der Regierung in der Abtheilung formell und ausdrücklich erklärt worden, daß die Regierung die Bestimmung in der erwähnten Art amendire, wie sich dies aus dem Protokolle der Abtheilung ergeben wird.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Wir können sehr leicht zum Ziele kommen. Es wird zugestanden werden müssen, daß nur die Fassung angenommen ist, wie sie im Entwurf steht. Durch die Ab— stimmung wird die Versammlung zu erkennen geben, ob sie den nenen Vorschlag annimmt.

Marschall: Der Abgeordnete Zimmermann stellt den Antrag.

Abgeordn. Zimmermann: Nein, das ist nicht meine Meinung. Ich bin vollständig dagegen.

Heiterkeit.)

Marschall: Haben Sie nicht die Worte gesagt: Ich beantrage

es? Ich konnte wenigstens so viel entnehmen, daß Sie beantragen,

durch Abstimmung ein Resultat herbeizuführen.

Abgeordn. Zimmermann: Ja.

Marschall: Das ist allerdings der kürzeste Weg.

Abgeordn. von Auerswald: SDbgleich ich vollkommen die An⸗ sicht des Herrn Marschalls theile, daß der Vorschlag, wie er von der Regierung gestellt worden, ein ganz neuer ist, und er daher, streng ge⸗ nommen, eben weil es ein neuer Vorschlag ist, in der von dem Hei n Marschall angedenteten Form behandelt werden müßte, so würde ich

aber auch nichts dagegen haben, wenn wir uns auf den Wunsch des

Herrn Kommissars sofort darüber erklärten. ; . , heißt also: Soll beantragt werden, daß

die Wort „wenn der Beleidigte bei der Beleidigung in Uniform

; , m. i : „Wenn dem Beleidi⸗ wesen ist“ in die Worte verwandelt werden: „Wenn dem Belei

. Een leren . Verhältniß des Beleidigten bekannt war“, und biejenigen, die diefe Abänderung beantragen, würden das durch Auf⸗

kennen geben. stehen zu erte (Es erhebt sich Niemand)

Erste Beilage

MM 51.

437, Erste Beilage zur Allgemeinen Preußischen Zeitung.

Sonntag den 20. Febr.

Referent Abgeordn. Freiherr 3 Mylius (est vor): 6. 197.

Wenn Verletzungen der Ehre auf der Stelle erwiedert werden, so soll der Richter ermächtigt sein, für beide Beleidiger oder für einen derselben eine, der Art oder dem Maße nach, mildere Strafe oder gar keine Strafe eintreten zu lassen.“

Die Abtheilung hat zu diesem Paragraphen nichts erinnert.

Abgeordn. Freiherr von Rothkirch⸗Trach: Das hohe Mi— nisterium der Gesetzgebung hat zu diesem Paragraphen keine Motive gegeben, die Abtheilung hat auch nichts zu erinnern gefunden. Ich gestehe, daß ich den schweren Standpunkt sehr wohl erkenne, den ich einnehme, wenn ich mich theilweise gegen die Bestimmungen des Paragraphen erkläre. Insofern der Paragraph bestimmt, daß der Richter ermächtigt sein solle, für beide Beleidiger oder für einen der⸗ selben eine mildere Strafe eintreten zu lassen, würde ich mich ein⸗ verstanden erklären; mir scheint es aber sehr bedenklich, wenn dem Richter zugleich die Befugniß beigelegt werden soll, gar keine Strafe eintreten zu lassen. Ich bitte die Versammlung, sich zu vergegen— wärtigen, weiche Folgen dadurch im praktischen Leben eintreten können. Es wird nicht ausbleiben, daß auf eine wörtliche Belei⸗ digung eine wörtliche Erwiderung, daß auf eine thätliche Beleidigung ebenfalls eine thätliche Erwiderung eintreten wird, und es läßt sich voraussehen, daß auf diese Weise nur die größere Zungenfertigkeit oder die größere physische Kraft den Sieg erreichen wird. Mir scheint nun aber, daß es die Aufgabe der gegenwärtigen Gesetzgebung ist, daß das Gefühl für Sittlichkeit im Volke geweckt, erhalten und geschützt werde; wenn aber in dieser Bestimmung des Entwurfes, ich will nicht sagen gerade gerechtfertigt wird, aber doch im Volke leicht der Glaube erweckt werden könnte, daß dadurch das Recht des Stärkeren Geltung erhalten solle, so werden wir dadurch in die Zeiten des Faustrechts zurückgeführt. Wir wollen aber nicht zurück, wir wollen vorwärtsschreiten auf dem Wege der Gesittung, der allein zu einem heilsamen Ziele für Gegenwart und Zukunft führen kann. Es kann mir darauf entgegnet werden, daß ich vielleicht zu schwarz sehe, und daß eine Garantie gegen die von mir ausgesprochenen Voraussetzungen in der Bestimmung liege, daß die Straflosigkeit von dem Richter abhängen soil; allein zunächst dürfte doch meine Annahme durch die Fassung des Gesetzes gerecht⸗ fertigt sein. Ferner halte ich auch die Bestimmung für unzulässig und unpraftisch, weil dem Richter förmlich das Recht der Abolition, ja sogar das Recht der Begnadigung dadurch zugesprochen würde. Von dem Ermessen des Richters ist es abhängig, ob die Untersuchung auf Antrag des Beleidigten eingeleitet werden soll, ist aber die Unter= suchung oder überhaupt das Verfahren einmal eingeleitet, dann be— schränlt sich die Befugniß des Richters blos darauf, zu erkennen, ob die Strafe eintreten solle und in welchem Maße. Ein Erlassen der Strafe nimmt, wenn das Verfahren richtig im Gange ist, den Charakter der Begnadigung an, die Begnadigung ist aber das schönste Vorrecht der Krone und das kann dem Richter nicht zuge⸗ wiesen werden. Es hat vorher mein sehr geehrter Freund, der vor mir sitzt, sich seiner Jugend erinnert, wo er dem Kriegerstande an⸗ gehörte; meine Herren, ich bin lange Jahre Diener der Themis ge⸗ wesen, ich erinnere mich dieser Zeit mit Stolz und Freude und es wird Niemand in dieser Versammlung sein, der für die Aufrechthal⸗ ung der Integrität des Richterstandes mehr bedacht sein wird, als ich, aber so weit kann ich nicht gehen, ihm das Recht der Begnadigung bei⸗ zulegen. Ich erlaube mir serner, daran zu erinnern, daß in Fällen, wie die vorliegenden, sich auch eine Verletzung von Privatrechten in Auesicht stellt; es kann sich der Fall ereignen, daß, wenn bei Retorsionen der Inju⸗ rien der eine Theil sich schuldig fühlt, die Verhältnisse es doch ihm wünschenswerth machen, daß auch der andere Theil bestrast wirt; es würde jener in seinem Rechte in hohem Grade beeinträchtigt sein, wenn es in der Willkür des Richters stände, dem Anderen die Strafe zu erlassen. Es bestimmt 8. 661 des Allgemeinen Landrechts:

„Wenn Injurien, die noch nicht erloschen waren, erwiedert werden, so kann keiner von beiden Theilen Privatgenugthuung fordern.“ und §. 666:

„Ueberhaupt darf Niemand sich für vermeintlich erlittene Belei⸗=

digungen eigenmächtig Genugthuung nehmen.““ Ich gestehe, ich bin ein großer Verehrer des Allgemeinen Landrechts, dessenungeachtet werde ich jederzeit Abänderungen meine Zustimmung nicht versagen, wenn es die gegenwärtige Zeit erfordert, ich werde es aber nicht eher thun, als bis die Nothwendigkeit auf überzeugende Weise dargethan ist, außerdem werde ich stets auf die Bestimmung des Landrechts zurückkommen. Nun bitte ich aber, meine Herren, zu erwägen, auf welchem Wege die Sittlichkeit und der Anstand mehr erhoben und befördert wird, auf dem, welchen das Landrecht vor— schreibt, oder auf dem, welcher im Gesetzentwurfe nicht ausgeschlossen wird, wo die Licenz freigegeben ist, um mir diesen Ausdruck zu er⸗ lauben, eine Thätlichkeit auf solche Weise sofort straflos zu erwie⸗ dern. Daß das Letztere dem Standpunkte der Gesittung angemessen sei, kann ich nicht zugeben. Ich trage daher darauf an, daß die Worte „oder gar keine Strafe“ wegfallen, und würde meinen Antrag sogar dahin ausdehnen, daß die beiden von mir angeführten Para—⸗ graphen des Landrechts in den Gesetzentwurf mit aufgenommen werden.

Regierungs⸗Kommissar Bischoff: Wenn über diesen Paragraphen keine besonderen Motive gegeben worden sind, so hat dies lediglich darin seinen Grund, daß sich diese Bestimmung schon im 5§. 270 des Entwurfs von 1843 sindet. Gegen diese Bestimmung des Entwurfs von 1843 ist von keinem Provinzial⸗-Landtage Etwas erinnert worden, und da diese Bestimmung im Prinzipe unverändert überging in den neuen Entwurf, so ist auch nicht erforderlich erachtet worden, darüber besondere Motive zu geben. Was die Sache selbst anlangt, so glaube ich, muß man es als einen Fortschritt betrachten, wenn sich in dieser Hinsicht der Entwurf von dem Allgemeinen Landrechte entfernt. Das Allgemeine Landrecht hatte abweichende Bestimmungen, aber nur in gewisser Beziehung; das Landrecht erkannte das Prinzip, wie es im Entwurfe enthalten ist, an, insoweit es sich auf die Privatgenug⸗ thuung bezieht. Das Allgemeine Landrecht hatte nämlich außer den öffentlichen Strafen der Injurien, welche in Gefängniß ober Geld⸗ buße besteht, auch noch eine Privatstrafe, welche bis zum Edikte von 1811 in Abbitte, Widerruf und Ehreneiklärung bestand. In An⸗ sehung dieser Privatgenugthuung ist im §. 661 bestimmt, daß, wenn Jnjurien erwiedert worden seien, keiner von beiden Theilen die Pri- vatgenugthuung fordern könne. Nur hinsichtlich der öffentlichen Strafe war in den von dem geehrten Redner allegirten Paragraphen gesagt, daß sie eintreten solle, auch wenn eine Erwiederung stattge⸗ funden habe. Allein ich glaube, es ist dem Recht und der Billigkeit entsprechend, wenn man annimmt, daß in solchen Fällen, wo die Er⸗ wiederung stattgefunden hat, der Richter befugt sein soll, die Strafe zu ermäßigen oder unter Umständen ganz und gar nicht eintreten zu lassen. Es erscheint diese Bestimmung gerechtfertigt, wenn man sich die möglichen Fälle näher vor Augen stellt. Wenn beispielsweise Jemand eine einfache symbolische oder Verbalinjurie begangen hat

und der Andere sie in der Art erwiedert, daß er eine schwerere Realinsurie zufügt, so glaube ich, daß der Richter im Recht ist, wenn er wegen der einfachen Verbal- oder symbolischen Injurie keine Strase festsetzt, sondern davon ausgeht, daß der Beleidigte sich bereits selbst Recht verschafft hat. Im Uebrigen ist das Prinzip auch in den auderen neueren deutschen Gesetzgebungen im Wesentlichen aner— kannt worden.

(Einige Mitglieder bitten um's Wort, mehrfacher Ruf zur

Abstimmung.)

Marschall: Wir wollen ermitteln, ob der Vorschlag die ersor⸗

derliche Unterstützung von 8 Mitgliedern findet. Wird unterstützt.) Er hat sie gefunden.

Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius: Aus Gründen der Theorie würde ich dem Antrage, der von dem Antragsteller gestellt worden ist, unbedenklich beipflichten, aber ich glaube wirklich, daß man die Prinzipien, die von ihm entwickelt worden sind, als wahr und unbestreitbar hinnehmen kann und doch die Strafbestimmung des §. 197 aufrecht erhalte. Es ist meines Erachtens in §. 19; nichts enthalten, was irgendwie zu der Vermuthung veranlassen könnte, als sei dem Richter die Befugniß gegeben, zu begnadigen oder die Abolition auszusprechen. Ich glaube, daß das prakftische Bed ürfniß es vielleicht überflüssig macht, eine solche Bestimmung eintreten zu lassen, daß sie aber auch, wenn sie gegeben ist, in keinem Falle schadet; denn die Bestimmung sagt eigentlich weiter nichts, als: Es können gewisse Fälle vorkommen, die so unbedeutend sind, daß der Richter gar keine Strafe erkennen, d. h. auf die erhobene Klage freisprechen wird, er wird denn erwägen, daß eigentlich gar keine Rechtsverletzung vorliege, daß die Beleidigung so geringfügiger Natur ist, daß sie namentlich dem Beleidigten gegenüber als solche nicht zu berücksich= tigen, daß also auch keine Strafe auszusprechen sei. 58. 193 bestimmt die Strafen der Injurien, und bestimmt sie so gering, daß dem Rich- ter noch möglicherweise die Befugniß gegeben wird, auf ein sehr niedriges Strafmaß zu erkennen, so daß die Strafe doch schon illu⸗ sorisch ist; in solchen Fällen halte ich es für zweckmäßiger, wenn der Richter lieber gar keine Strafe ausspricht. Wenn also zu dieser Prozedur der §. 197 Veranlassung giebt, so würde nichts zu erinnern sein. Es können Fälle vorkommen, namentlich da für §. 193 ein Strafminimum nicht existirt, daß eine Strafe von so geringem Maße ausgesprochen werden, die mit der Würde des Gesetzes nicht verein⸗ bar ist. Für solche Fälle wird darin, daß hier gesagt ist, der Rich ter könne auch ganz freisprechen, ein angemessenes Auskunstsmittel gegeben. Ich finde daher keine Veranlassung, den Antrag, den der Abgeordnete gestellt hat, zu unterstützen.

(Wiederholter Ruf zur Abstimmung.) r

Abgeordn. Freiherr von Wolf-Metternich: Was der Herr Regierungs-Kommissar erläuternd in Beziehung auf diesen Para— graphen gesagt hat, beruhigt mich nicht vollständig. Die Injurien nach den Standesverhältnissen zu bemessen und z. B. mit Gesängniß oder Arbeitsstrafe den Einen zu belegen, weil er zu dieser Schichte der Gesellschast, den Anderen mit Geldbuße zu bestrafen, weil er einer anderen angehört, würde sich in leiner Weise rechtfertigen lassen, weil dies gegen den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetze ver⸗ stoßen würde. Daraus folgt aber noch nicht, daß bei der Straf⸗ zumessung Rang und Stand außer Berücksichtigung bleiben dürfen, wie dies der Paragraph zu bestimmen scheint. Daß die Zumessungs⸗ gründe, welche im §. 272 des Entwurfes von 1843 enthalten, hier nicht aufgenommen worden sind, scheint mir ein Mangel zu sein. Fehlt es an einer solchen Bestimmung, wonach bei den Injurien— strafen auf Rang und Stand, auf das Verhältniß des Beleidigers zu dem Beleidigten, Rücksicht genommen werden muß, so ist zu be⸗— sorgen, daß das Compensationsrecht, welches dem Richter in die Hand gegeben ist, in der Praxis zu erheblichen Mißständen und Rechts⸗ ungleichheiten Veranlassung geben könne, und ich halte das für um so bedenklicher, weil gerade diese Art von Beleidigungen toto die dem Richter vorkommen. Mir scheint deshalb die Wiederaufnahme der Zumessungsgründe aus dem früheren Entwurfe in den gegen— wärtigen Paragraphen durchaus nothwendig. Ich bescheide mich zwar, daß die Fassung des vorliegenden Paragraphen zu der An- nahme wohl berechtigt, als sei dem Richter die Fakultät in die Hand gegeben, die Zumessungsgründe auch in Rücksicht nehmen zu dürfen; ich meine aber, es müsse dies auch imperativ ausgedrückt werden, und trage darauf an, daß aus dem früheren Entwurfe der 8§. 272 hier wieder aufgenommen werde.

(Abstimmung!)

Marschall: Soll dies blos als Fassungsbemerkung gelten?

Abgeordn. Freiherr von Wolf-Metternich: Ich würde auf weiteres Eingehen verzichten, wenn der Herr Regierungs- Kommissar es für angemessen erachten möchte, meine Bedenken zum Gegenstande einer näheren Erläuterung zu machen.

Marschall: Wir wollen ermitteln, ob der Antrag die erforder⸗ liche Unterstützung von 8 Mitgliedern findet.

(Es erhebt sich nicht die gehörige Anzahl Mitglieder.) Er hat sie nicht gefunden. (Immer stürmischerer Ruf: Abstimmung!)

Abg ordn. Sperling: Ich habe einen anderen, etwas modifizirten Antrag zu machen.

(Abstimmung!) Ich bin auch der Ansicht, daß dem richterlichen Ermessen Spielraum zu lassen sei; aber ich finde, daß im vorliegenden Paragraphen ihm ein zu großer Spielraum gegeben ist. Der Richter muß in allen Fällen, auch bei gegenseitigen Injurien auf Milderungsgründe Rück sicht nehmen können. Das durfte hier nicht erst ausgesprochen wer— den, vielmehr solgt es schon aus den allgemeinen Grundsätzen über die Strafzumessung. Ihm ist hier außerdem die Freiheit eingeräumt, den Beleidiger ganz straflos zu lassen, ohne daß Ümstände angegeben sind, unter welchen solches ergänzlich ist, ohne daß dem Richter irgend ein Anhalt für dieses sein Urtheil gewährt werden. Dies scheint mir zu bedenklich. Die unbestimmte Fassung des Paragraphen ist auch in Beziehung auf das Publikum mißlich. Denn jeder aus dem Volke muß wissen, wenn seine Handlung strafbar ist, und daß, wo sie straf⸗ bar ist, die Strafe ihn auch treffe. Sonst verliert das Strafgesetz seine Wirkung. Eine Compensation der Injurien kann zweckmäßig sein, wo es sich um leichte Injurien handelt, und solche auf der Stelle erwiedert werden, wo die Beleidigten mehr ihrem Rachegefühl, als einem Gefühl für Ehre folgen, wenn sie auf gerichtliche Bestrafung provoziren. Doch giebt es Fälle, wo der Staat dabei interessirt ist, daß sie nicht ungerügt bleiben. Dies sind die Fälle der Real⸗Injurie. Hier könnte der Angreifer in dem Bewußtsein, daß durch die Thät⸗ lichleit des Gegners seine That straflos geworden, sich nicht zu wei= teren Angriffen veranlaßt fühlen, und daraus der gröbste Exzeß, Mord oder Todtschlag hervorgehen. Ich stimme demnach dem An trage des geehrten Abgeordneten aus Schlesien in der Art bei, daß ich nur solche Injurien, welche der Entwurf einfache Injurien nennt, wenn sie auf der Stelle erwiedert werden, straflos lassen möchte, und

trage darauf an, den Paragraphen dahin zu fassen: „Bei einfachen Ehienverletzungen, welche auf der Stelle erwiedert werden, kann kein Theil auf Bestrafung antragen.“ Ich bemerke hierbei, daß denselben Grundsatz der Entwurf von 1845 auegesprochen hat, und weiß nicht, aus welchen Gründen man davon wieder abgegangen ist. (Abstimmung!) .

Marschall: Wir wollen sehen, ob dieser Vorschlag die Unter-

stützung von 8 Mitgliedern findet.

(Es erhebt sich diese Anzahl.) Er hat sie gefunden und wird also eventuell zur Abstimmung kom⸗ men. Zunächst wird der Vorschlag des Abgeordneten von Rothkirch zur Abstimmung kommen, der dahin ging, die Worte „oder gar keine Strafe“ wegfallen zu lassen, und diejenigen, welche diesem beistimmen, werden es durch Aufstehen zu erkennen geben.

(Es erhebt sich keine Majorität.) Man ist ihm nicht beigetreten. Die nächste Frage ist auf den Antrag des Abgeordneten Sperling zu richten, der dahin geht, daß der Para- graph nicht auf alle Ehrenverletzungen, sondern nur auf die einfachen Injurien anwendbar sein möge.

Abgeordn. von Weiher: Ich habe die Fragestellung nicht ver⸗ standen gehabt. .

Marschall: Die Abstimmung hat stattgefunden und ist in keinem Falle wieder rückgängig zu machen. 9.

Abgeordn. Sperling: Ich will die Bestimmung präziser fassen, und sie soll dahin gehen, daß nur bei einfachen Ehrenverletzungen, welche auf der Stelie erwiedert werden, und bei solchen stets Com- pensation eintrete. .

Marschall: Der Antrag geht also dahin, daß bei einfachen Ehrenverletzungen, die auf der Stelle erwiedert worden sind, der Antrag auf Bestrafung unzulässig sei. Und die, welche diesem An⸗ trage beistimmen, werden dies durch Aufstehen zu erkennen geben.

(Es erhebt sich nicht die gehörige Majori tät.)

Man ist ihm nicht beigetreten und wir kommen zu §. 198.

Referent Abgeordn. Freiherr von Myplius lliest vor): .

Tadelnde Urtheile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerb= liche Leistungen, imgleichen Aeußerungen, welche zur Ausführung oder Vertheidigung von Gerechtsamen gemacht worden sind, so wie Vor⸗ haltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, und dienstliche Anzeigen oder Urtheile von Seiten eines Beamten, sind nur insofern strafbar, als aus der Form der Aeußerung oder aus den Umständen, unter welchen dieselbe erfolgt, eine Ehrenkrankung (8. 193) zu entnehmen ist.“ .

Abgeordn. von Hagen: Ich erlaube mir die ganz ergebene Anfrage: warum die Bestimmung des 8§. 272 aus dem früheren Eniwurfe hier umgangen werden soll- Es scheint mir, als ob die Zumessungsgründe für die fraglichen Verhältnisse wesentlich seien. .

Regierungs⸗-Kommissar Bischoff: In dem Entwurfe von 1845

waren sowohl im allgemeinen Theile, wie auch bei mehreren Mate- rien des speziellen Theils Zumessungsgründe angegeben. Von die⸗ sem Standpunkte aus war auch der damalige 8. 272 abgefaßt, worin einzelne Umstände als Gründe der höheren Strafbarkeit aufgestellt waren. Indessen ist man bei Abfassung des neuesten Entwurfes in Veranlassung vielfacher Bedenken, welche gegen das frühere System angeführt wurden, von letzterem abgegangen, und es sind überhaupt keine Zumessungsgründe mehr angegeben worden, indem man wohl mit Recht gemeint hat, daß der Richter schon von selbst und ohne spezielle Anweisung solche Umstände bei Abmessung der Strafe be⸗ rücksichtigen werde. Aus diesem Grunde ist auch der 8§. 272 und namentlich Nr. 2 desselben fortgefallen. Ich glaube auch nicht, daß dies Bedenken haben kann. Der Richter wird schon von selbst in den Fällen ein höheres Strafmaß arbitriren, wo er findet, daß das Verhältniß des Beleidigten zu dem Beleidiger ein solches ist, welches Ehrerbietung fordert.

Abgeordn. von Hagen: Ich glaube auch, daß dieses Verhältniß von dem Richter in's Auge gefaßt werden wird. Ich habe jedoch, wenn diese Bestimmungen in den vorliegenden neuen Entwurf nicht aufgenommen werden, keine Garantie dafür, daß dies auch immer geschehen wird.

Marschall: Einen Antrag habe ich aus der Bemerkung des Abgeordneten nicht entnommen.

Abgeordn. von Hagen: Mein Antrag besteht darin, die Be⸗ stimmung des §. 272 sub Nr. 2. und 3. des früheren Entwurfes vom Jahre 1843 an der passenden Stelle des vorliegenden neuen Entwurfs wieder aufzunehmen.

Marschall: Dann haben wir zu entnehmen, ob dieser Antrag die ersorderh che Unterstützung von 8 Mitgliedern findet.

(Es geschieht nicht.) Er hat sie nicht gefunden. Wir kommen zum §. 199.

Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius lliest vor):

„§. 199.

Die Bestrafung einer Ehrverletzung erfolgt nur auf den Antrag des Beleidigten. Bis zum Anfange der Vollstreckung des Erkennt— nisses fann der Antrag auf Bestrafung zurückgenommen werden.“

„Gu J. Ihn

Gegen den ersten Satz des §. 199 hat sich ebenfalls nichts zu erinnern gefunden. Wenn das Prinzip, daß die öffentliche Klage immer ein Recht der Staatsgewalt sei, eine Ausnahme zuläßt, so scheint diese gerade bei den Ehrenkränkungen am meisten gerechtfertigt, da sie mehr wie jede anderen Verletzungen vorzugsweise nur gegen die Person gerichtet sind und diese so ausschließlich berühren, wie dies bei keinem anderen Vergehen der Fall ist.

Dagegen hat der zweite Satz des Paragraphen zu vielfachen Bedenken Veranlassung gegeben.

Gegen die Aufnahme desselben wurde angeführt, daß, wenn der Verletzte durch seinen Antrag den Schutz der Strafgewalt des Staates einmal in Anspruch genommen, er damit ausgesprochen, daß zur Wahrung eines persönlichen Rechtes dieser Schutz erforderlich. Sobald der Staat durch Einleitung der gerichtlichen Verfolgung die Rothwendigkest dieses Schutzes anerkennt, vor allem aber, sobald durch ein Ürtheil das Dasein einer Rechtsverletzung konstatict, habe die verübte Verletzung die Eigenschaft einer blos persönlichen ver- loren und sei ein Vergehen gegen vom Staate zu schirmende öffent- liche Ordnung geworden. Es müsse daher die Zurücknahme eines einmal gestellten Antrages überall, wo eine gerichtliche Verfolgung eingeleitet, für unzulässig erachtet werden.

Die Abtheilung zog jedoch in Erwägung, daß von der allge= meinen Regel, daß alle Straferkenntnisse ohne Rücksicht auf Privat- verträge zu vollstrecken, gerade für Injurien eine Ausnahme eintreten zu lassen, aus Gründen der Zweckmäßigkeit wünschenswerth sei.

Die Erfahrung habe es gelehrt, daß es dem Beleidigten mehr darauf ankomme, das Recht durch Urtheil sich zugesprschen zu wissen, als die Strafe an dem Verurtheilten vollstreckt zu sehen, deshalb sei bei Erlaß der Strafe vollständige Versöhnung, bei ihrer Vollstreckung fortgesetzte Erbitterung die Folge. Wenn auch nicht zu bestreiten