1848 / 51 p. 5 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

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vertreten, was durchweg unmöglich sein dürfte. Deswegen wird, meines Ermessens, das Wort „Corporationen“ hier gestrichen werden müssen.

fe, irma. enmissor Bischoff: Das Allg. Landrecht enthält im §. 564 die Bestimmung:

„Beleidigungen, welche einer ganzen Gemeinde, Corporation oder

Familie zugefügt worden, können von deren einzelnen Mitgliedern,

so weit auch sie die Injurie trifft, gerügt werden.“

Was hiernächst die Bemerkung in Ansehung der Corporationen be⸗ trifft, so ist es richtig, daß die Corporationen im Civil⸗Prozeß immer nur durch die Vorsteher vertreten werden können; allein man hat im Kriminalrecht in Ansehung des Antrages auf Bestrafung andere Prin- zipien bereits im allgemeinen Theile des Entwurfs angenommen, in⸗ dem im §. 70 auch solchen Personen das Antragsrecht beigelegt ist, welchen dasselbe nach den Grundsätzen des Civilrechts nicht zustehen würde. Auch glaube ich nicht, daß ein Uebelstand aus dieser Be—⸗ stimmung, wie sie in Ansehung der Corporationen getroffen ist, ent⸗ stehen koͤnne. Dem Verstande wird man das Recht, auf Bestrafung anzutragen, hier, wo es sich um Beleidigungen handelt, nicht aus⸗ schließlich zugestehen können, sondern man wird dies auch dem Er⸗ messen der übrigen Mitglieder anheimgeben müssen. Nun ist bemerkt worden, es könnten Tifferenzen dadurch entstehen, indem einzelne Mitglieder auf Untersuchung antragen könnten. Allein da sind nur zwei Fälle denkbar: entweder es erfährt der Vorstand, daß eine Be⸗ leidigung stattgefunden und bereits ein Mitglied Klage erhoben hat, dann steht es ihm frei, zu adhäriren, sich gleichfalls der Klage anzu—⸗ schließen, und dann wird dies dem Richter ein Bestimmungsgrund sein, die Strafe höher zu bemessen; oder der Vorstand erhält von der Sache keine Kenntnißt, dann wird doch immer erreicht werden, daß die Injurie nicht straflos bleibt. .

Abgeordn. von Auerswald: Nur eine Bemerkung dagegen. Es ist einmal gesagt worden, man halte es nicht für angemeffen, dem Vorstande das Recht der Klage allein zu geben und die übrigen Mitglieder der Corporation davon auszuschließen; dies selbst zugege⸗ ben, wird man doch viel weniger noch einem einzelnen Mit— gliede zugestehen können, das Necht der Klage mit Ausschluß der Üebrigen und der Corporation selbst zu üben. Wenn ferner gesagt ist, daß, falls eine Klage nicht zur Kenntniß der Corporation, son⸗ dern des Einzelnen komme, immer der Vortheil vorhanden sei, daß doch eine Klage erfolge, so ist dem wiederholt entgegen zu stellen, daß die Klage in einem ganz falschen Sinne, auf eine für die Cor⸗ poration nicht geeignete Weise, ohne den Willen der Corporation ge- stellt und die Corporation durch einen Einzelnen beeinträchtigt würde, und zwar auf eine Weise von einem Einzelnen beeinträchtigt würde, wie sie, nach der eigenen Aeußerung des Herrn Kommissars, nicht einmal durch den Vorstand beeinträchtigt werden darf. Außerdem bemerke ich noch beiläufig, daß ich keinesweges gemeint habe, daß immer und allein nur dem Vorstande das Recht beigemessen werden darf; es versteht sich von selbst, daß dies sich nach den Gesetzen der Corporation richten muß.

Marschall: Es ist zuvörderst zu ermitteln, ob der Vorschlag, das Wort: „Corporationen“, ausfallen zu lassen, die erforderliche Unterstützung findet. ;

(Wird hinreichend unterstützt.)

Abgeordn. Graf von Schwerin; Ob die Bestimmungen an sich, die in diesem Paragraphen gegeben sind, daß jedes einzelne Mitglied zur Klage berechtigt sei, bei solchen Beleidigungen sich rechtfertigen und angemessen sind, lasse ich dahingestellt sein. Ich will nur auf die Frage zurückkommen, vorausgesetzt, daß sie angenommen wird, ob denn Gründe vorhanden sind, den Ausdruck Stände wegzulassen, einen Grund kann ich aber in keiner Weise auffinden, jetzt so wenig, wie damals in der Abtheilung. Wir müssen zugeben, Stand ist ein gesetzlicher Begriff, und es ist für den Richter die Möglichkeit vor⸗ handen, zu erkennen, ob eine Beleidigung eines Standes stattgefun— den hat oder nicht. Unter dieser Voraussetzung ist kein Grund vor— handen, die Stände anders zu behandeln, als die Corporationen und Familien, um so mehr, weil die verehrte Versammlung bereits den Grundsatz angenommen hat, daß Beleidigungen von Stände Ver⸗ sammlungen unter Strafe gestellt werden können. Wenn also der Begriff von Stände⸗Versammlungen klar zu machen ist, so muß auch der Begriff von einzelnen Ständen, aus denen die Stände⸗Versamm⸗ lung besteht, klar gemacht und auch die Beleidigungen gegen einzelne Stände eben so, wie die Beleidigung gegen eine Stände Versamm⸗ lung, unter Strafe gestellt werden können. Ueberhaupt scheint es mir darauf nicht ankommen zu können, daß wir uns auf Definitionen der einzelnen Begriffe einlgssen, denn es möchte möglicherweise viel schwieriger sein den Begriff von Gesellschaft, von Familie ganz klar zu definiren. Darauf kann es überall auch nicht ankommen, sondern nur darauf, die Strafbarkeit zu bestimmen, und es hat der Richter in dem einzelnen Falle zu bestimmen, ob die Beleidigung einem Stande zugefügt worden ist oder nicht.

. Fürst Wilhelm Vadziwill: Im Allgemeinen würde ich mich dem anschließen, was eben von dem Vorsitzenden der Abtheilung gesagt worden ist. Ich kann durchaus nicht zugeben, daß der Begriff Stand so unverständlich sei, wie er von vielen Seiten dargestellt ist. Wir haben den Begriff Stand in der alten Gesetzgebung, er ist das Fundament unserer ständischen politischen Gesetzgebung, namentlich wird dieser Ausdruch sogar gebraucht in den beiden großen politischen Abtheilungen unserer NRieprůsentation, wir haben die Kurie der drei Stände, die Kurie des Herren-Standes, der Begriff Stand ist dem Offizier ⸗-Stande, dem Beamten Stande beizulegen, ich sehe also nicht ein, worin die, behauptete Dunkelheit liegen soll. Der Begriff ist in unferen rechtlichen, pelitischen und sozialen Zuständen volllommen praktisch und klar. Allerdings ist wohl anzuerkennen, was der geehrte Abgeordnete aus Preußen sagte, daß Anmaßungen bei der Anwen— dung des Paragraphen vorkommen können, ich glaube aber, die wer—⸗ den sich schon selbst strafen. Wenn ein einzelnes Mitglied im Namen seines Standes unberechtigterweise auftritt, Jo wird er sich vor seinem Stande kompromittiren, und solche Beispiele werden einzelne Mitglie- der am wirkfamsten davon abhalten, unbefugterweise im Namen des Standes ihrer Corporation auftreten zu wollen.

Ich stimme daher in jeder Beziehung für die im Regierungs— Entwurfe vorgeschlagene Fassung. ;

Abgeordn. Dittrich; Wenn das geehrte Mitglied der Ritter— schaft Preußens auf Streichung des Wortes Corporationen an— trägt, so muß ich dem entgegentreten, Ich halte den Begriff Cor— porationen gerade hier für wesentlich und im Gegensate zu dem, ganze Stände“, den die geehrte Abtheilung weggestrichen wünscht, welchem Antrage ich beitrete. Die Corporation ist eine Rechtseinheit, und wenn sie als solche dasteht, so müssen auch ihre Rechte in der Gesammtheit gewahrt werden. Anders ist es mit dem Stande, der mit! der? Stände - Versammlung durchaus nicht gleich, steht. Die Stände ⸗Versammlung bildet eine Gesammtheit, die ein⸗ zelnen Stände aber nicht, und wenn ein ganzer Stand beleidigt wird, fo könnte Einer, der persönlich am wenigsten beleidigt ist, als Kläger auftreten, es würde dann für denjenigen, der gerade am em⸗ pfindlichsten persönlich beleidigt ist, wenn der Paragraph stehen bleibt, tine Rechtsverletzung entstehen, und ich stelle diese Rechtsverletzung der Behauptung entgegen, nach welcher, wenn die Worte „ganze Stände“ gestrichen würden, in Bezug auf den letzten Satz eine Ver⸗

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schärfung entstehen würde, denn wenn Viele beleidigt sind, so muß

ihnen auch ihr Recht werden, und eine solche Rechtsverletzung würde schlimmer sein, als eine Verschärfung. . *

Marschall: Ich will nur bemerken, daß eigentlich das Wort Stände nicht mehr als festgehalten anzusehen ist, nachdem von Sei⸗ ten der Regierung erklärt worden ist, daß statt dieses Wortes eben sowohl ein anderes gleichbedeutendes, etwa das Wort Klassen, gebraucht werden könne.

Justiz⸗Minister von Savigny: Ich habe es nicht so bestimmt ausgesprochen, sondern nur gesagt, daß bei der letzten Revision der Fassung erwogen werden könne, ob diesem Worte, worauf man nicht einen besonderen Werth legen möge, ein anderes, zweckmäßigeres, wie z. B. das Wort Klassen, substituirt werden könne.

. Marschall: Ich sage auch nicht, daß es so verstanden worden wäre, sondern ich sage nur, dieses Wort ist als nicht mehr festge⸗ halten anzusehen nach der Erklärung, die wir denn doch erhalten haben, daß bei Gelegenheit der letzten Fassung in Betracht zu zie⸗ hen sei, ob etwa ein aͤnderes dem entsprechendes zu wählen sei. In dieser Beziehung scheint also die Diskussion wohl zur Abstimmung reif, und es fragt sich nur noch, was über den Vorschlag des Abge⸗ ordneten von Auerswald zu sagen ist, welcher sich wahrscheinlich über seinen eigenen Vorschlag noch das Wort vorbehalten hat, und den ich jetzt aufrufe.

Abgeordn. von Auerswald: Ich habe nur im Gegensatze zu dem geehrten Abgeordneten der schlesischen Städte zu bemerken, wie ich vollkommen einverstanden bin, daß das Wort Corporationen gar keinen Zweifel im gesetzlichen Sinne zuläßt und einen ganz bestimm⸗ ten Begriff enthält, und wie ich auch seiner Meinung bin, daß eine Corporation sich in der Gesammtheit müsse vertreten lassen können; daß ich aber eben aus diesem alleinigen Grunde nicht wünsche und zweckmäßig halte, daß die Gesammtheit von jedem einzelnen Mit⸗ gliede der Corporation, welches sich dadurch verletzt glaubt, einseitig, ja selbst ausschließlich vertreten werden könne. j Marschall: Der Antrag wird also auf Streichung des Wortes Corporationen gehen. Zuͤerst ist die Frage zu stellen, ob die Worte „ganze Stände“ in Wegfall zu bringen, beantragt wird, und, diejeni- gen, welche diesem Antrage beitreten, würden das durch Aufstehen zu erkennen geben. Dem Antrage ist nicht beigestimmt.

(Mehrere Stimmen: Es ist ihm beigestimmt.)

Ist das zweifelhaft?

(Mehrere Stimmen: Ja wohl!)

Dann bitte ich die Zählung vorzunehmen.

Dies geschieht.)

. Mit Ja haben gestimmt 35, mit Nein 55. Die nächste Frage ist: Soll beantragt werden, das Wort „Corporationen“ wegzulassen? (Es erheben sich nicht viele Mitglieder.)

Es ist nicht beigestimmt. Wir kommen nun zur weiteren Be— rathung der Vorschläge der Abtheilung.

Abgeordn. Camphausen: Die Berathung wird sich nun auf den zweiten Absatz dieses Paragraphen erstrecken, und diesen Absatz halte ich für schädlich, weil er, das Klagerecht zu weit ausdehnt. Die Kinder sind nicht die Repräsentanten des Vaters, sondern nur die Erben seines Vermögens; sie treten nicht an seine Stelle. Der Verstorbene würde vielleicht verziehen haben, woher soll das Recht der Erben entspringen, in der Seele des Verstorbenen zu handeln? Seine Intention, wäre er noch am Leben, ist unbekannt, viel mehr seine Intention nach dem Tode. Wollen wir annehmen, daß die Seele des Verstorbenen in der Verfassung sei, um wegen einer Beleidigung Rache zu üben oder Strafe zu fordern? Wenn man die Rechts⸗ Ansicht der Römer und Griechen citirt, so muß man auch neben das Strafrecht die religiösen Anschauungen der Römer und Griechen über das Leben nach dem Tode stellen. Mit den Lehren des Christen⸗ thums ist der zweite Absatz des Paragraphen nicht vereinbar. Ein Hauptgrund dagegen ist aber der, daß er unnöthig ist. Das rhei— nische Recht hat die Bestimmung nicht; es spricht nicht von Ver⸗ leumbungen gegen Verstorbene. Nichtsdestoweniger ist unter bestimm⸗ ten Fällen auch die Klage und die Verurtheilung wegen einer der⸗ artigen Verleumdung zulässig, wenn die Schmähung des Todten den Erben in der Achtung der Mitbürger herabsetzt. Es kann der Erbe mit Gewißheit des Erfolges klagen, wenn die Verleumdung die Quelle seines Vermögens verdächtig macht oder Zweifel auf seine legitime Abkunft wirft, oder wenn sie den Namen beschimpft, den er trägt. Ein höherer Gerichtshof hat entschieden, das Strafgesetz begründe nicht die Klage wegen der gegen das Gedächtniß eines Todten gerich⸗ teten Schmähung, allein sie könne zu Gunsten des Dritten stattfin⸗ den, auf dessen Ehre der Angriff in der Art zurückfalle, daß er sich dadurch der Verachtung und dem Hasse seiner Mitbürger ausgesetzt sehe und demnach als persönlich angegriffen zu betrachten sei. Das ist in einem der Urtheile ausgesprochen, die in dieser Sache von einem der höheren Gerichtshöfe ergangen sind, und welches die Jurisprudenz enthält, wie sie sich gestaltet hat, so wie auch z. B. eine Schmähung des verstorbenen Herzogs von Berry, von welcher das Gericht der Ansicht war, daß sie auf die Kinder zurückfalle, als eine Beleidigung der Königlichen Familie bestraft worden ist. Wenn man von der Ansicht ausgeht, daß man nicht die Todten, sondern die Lebenden zu schützen habe, so wird auch das Bedenken vollständig schwinden, welches wegen des §. 105 bestand. Handelt es sich um Beleidigung eines verstorbenen Privatmannes, die den Lebenden in seiner Ehre angreift, so wird sie wie eine gewöhnliche Beleidigung bestraft, handelt es sich um ein verstorbenes Mitglied des Königlichen Hauses, so ist eine Majestäts-Beleidigung vorhanden, und es wird eine höhere Strafe eintreten. Besonders aber ist und das muß wiederholt werden zu wünschen, daß diese Ansicht, die keine In⸗ fonvenienzen mit sich geführt hat, auch hier überwiege, weil eine so weite Ausdehnung, wie sie der §. 105 gestattet, der Geschichtsschrei⸗ bung schadet, wobei ich nur des Einzigen noch gedenken will, daß eine unserer bekanntesten und berühmtesten Autoritäten, einer unserer gelesensten und belesensten Geschichtsschreiber, dessen Namen ich nicht nennen will, wie ich fürchte, seine Laufbahn einstellen müßte, wenigstens die Werke, die er jetzt noch fortfährt zu schreiben, und die sich auf das vorige und jetzige Jahrhundert beziehen, wenn er nach diesem Paragraphen beurtheilt werden sollte.

Abgeordn. Frhr. von Gaffron: Wenn der geehrte Redner vor mir äußerte, der Sohn werde der Erbe des Vermögens seines Va⸗ ters, aber, wenn ich ihn richtig verstanden habe, nicht zugleich der Erbe seiner Ehre . ..

Abgeordn. Camphausen: Er trete nicht an seine Stelle.

Abgeordn. von Gaffron: So muß ich doch bemerken, daß es Verhältnisse giebt, die sich nicht nach einem materiellen Maßstabe bemessen lassen, sondern tiefer in der menschlichen Brust liegen. Es sst ein schönes altes Wort: Der Väter Ehre ist der Kinder Segen, und die Kinder haben Ursache, die Ehre ihrer Väter zu wahren. Daher glaube ich, daß der Sohn, wenn die Ehre des verstorbenen Vaters angegriffen wird, wenn die Ehre eines nahen verstorbenen Verwandten verletzt wird, verpflichtet ist, es zu rügen. Schützt ihn das Gesetz nicht, so wird er zur Selbsthülfe . Das Gesetz muß daher vorhanden sein.

Abgeordn. Krause: Ich wollte über 8. 105 sprechen. Ich glaube, daß er wieder aufgensmmen werden soll. Ich würde dafür stimmen, daß der Paragraph da stehen bleibe, wo wir ihn am 20sten

v. Mts. bereits diskutirt haben, wenn die Worte: . und Strafarbeit gestrichen werden. Ich halte K nicht für möglich, weil dabei vorausgesetzt werden muß, daß zwei Personen dadurch veruneinigt werden. Bei einem Verstorbenen einem Lebenden kann dies aber nicht vorkommen. Eine Schmähung halte ich dagegen für möglich bei einem Verstorbenen, nämlich die Ideale in dessen Schriften. Wenn ein Schriftsteller oder orthodoxer Theologe sich erlaubt, die Werke Friedrich's des Großen, unseres Gro— ßen Königs, dadurch zu schmähen, daß er dessen freisinnige Reli⸗ gions⸗Ansichten bemängelt, so halte ich dafür, daß er gestraft werden muß, und deshalb meine ich, daß der Paragraph stehen bleibe. Ich beantrage, daß die Worte: „Verleumdung“ und „Strafarbeit“ ge⸗ strichen würden.

Marschall: Wenn weiter keine Bemerkung erfolgt, so ist zuerst zu ermitteln, ob der Vorschlag des Abgeordneten Camphausen, welcher dahin ging, daß die Strafe nur dann eintreten möge, wenn eine Ver⸗ letzung des Hinterbliebenen, so kann man es ausdrücken ....

Abgeordn. Camphausen: Daß der zweite Satz gestrichen werde; dann tritt das gewöhnliche Recht ein, und ich habe behauptet, daß das gewöhnliche Recht ausreiche.

Marschall: Es ist also der Antrag gestellt worden, daß das zweite Alinea wegfalle. Von dem Abgeordneten ist beantragt worden, daß das mittlere Alinea dahin verändert werde, daß ehr verletzende Aeußerungen gegen Ascendenten nur dann ein Recht zur Klage be⸗ gründen sollen, wenn die Hinterbliebenen sich als persönlich derletzt ansehen könnten. Da er aber das durch den Wegfall des zweiten Alina erreicht findet, so kann die Frage so gestellt werden.

Abgeordn. Camphausen: Es ist ganz derselbe Sinn. Deshalb , n. auf Wegfall angetragen. Der Zweck wird durch das Gesetz erreicht.

Abgeordn. von Auerswald: Dem Abgeordneten aus der Rhein⸗ Provinz muß ich doch bemerken, daß Viele seiner Ansicht sein können, ohne gerade zu glauben, daß der Zweck durch die Streichung des Pa⸗ ragraphen erreicht werde. Daher würde ich den geehrten Abgeord⸗ nelen bitten, seinen Antrag nicht auf Wegfall, sondern auf veränderte Fassung zu stellen.

Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius: Ich glaube, daß es ausreichen wird, wenn die Frage auf Wegfall des zweiten Alinea ge⸗— stellt wird, weil für die Strafe dieser Gattung von Injurien die ge⸗ wöhnliche Gesetzgebung ausreichend ist. ;

Marschall: Es wäre noch kürzer, wenn die Frage gestellt wird: ob die Veisammlung beantragen will, daß die Strafe des Paragra⸗ phen nur in dem Falle eintrete, wenn die Hinterbliebenen sich durch die ehrverletzende Aeußerung als persönlich beleidigt ansehen können. Es ist zuerst zu ermitteln, ob dieser Vorschlag die erforderliche Unter- stützung sindet.

Justiz-Minister von Savigny: Wenn ich den geehrten Abge⸗ ordneten aus Köln richtig verstanden habe, so war er der Meinung, daß, wenn das zweite Alinea gestrichen würde, nicht jedes Recht eines Hinterbliebenen abgeschnitten wäre, zu klagen wegen einer Schmä⸗ hung oder Verleumdung, die gegen einen Verstorbenen vorgebracht worden ist, sondern daß er auch noch klagen könne, wenn er ein be— sonderes Interesse darthue. Tiese scheint mir die bedenklichste und gefährlichste Seite des Antrags. Ich erlaube mir zu erinnern an die frühere Tiskussion über die Verletzung der Religions Gesellschaften, Und namentlich über die Frage, ob dabei als eine strasbgre Handlung sollte bezeichnet werden die Gotteslästerung. Niemand in der hohen

Versammlung hat geglaubt, daß Gott dadurch gekränkt werden könne, daß zur Aufrechthaltung seiner Ehre der Mensch sich anmaßen könne, durch Anordnung von Strafmitteln sorgen zu können. Wir haben aber dennoch anerkannt, daß durch die Gotteslästerung das religiöse Gefühl der Menschen sich aufs tiefste im Innern des Gemüths ver⸗ letzt fühlen müßte, so daß die dem Menschen innewohnende Pietät Gegenstand der Verletzung sei, wofür die Strafgerechtigkeit thätig eintreten müsse. Das war der Sinn des damals gefaßten Beschlusses. Hieran möchte ich nun anknüpfen, daß einem Kinde gegen seine Ael— tern, einem Ehegatten gegen Ehegatten doch auch im hohen Grade das Gefühl der Pietät innewohnen kann, und daß dieses ehrwürdige Gefühl der Pietdt durch eine Schmähung des Verstorbenen auf eine Weise verletzt werden kann, die es wohl verdient, durch das Gesetz berücksichtigt zu werden. Hier handelt es sich nicht blos um mate⸗ rielle Interessen, die wir nachweisen können, aber das tief verletzte Gefühl macht Anspruch auf unseren Rechtsschutz, und dieses begrün⸗ det in einem anderen und ausgedehnten Sinne die Beibehaltung des zweiten Alinea.

Abgeordn. Camphausen: Es hat sich nicht blos bei meiner Ansicht in Bezug auf diesen Paragraphen um Verletzung materieller Interessen, sondern auch um die Verletzung der Ehre gehandelt. Es sst also ein Unterschied in der Art, wie ihn der Herr Minister der Ge⸗ setzgebung dargelegt hat, nicht vorhanden.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Ich wollte mir für den Fall, daß der zweite Satz nicht gestrichen würde, den Antrag vorbehalten, daß gesetzt werde: „Schmähungen und Verleumdungen“, statt der Worke: „ehrverletzende Aeußerungen“, und ich glaube, daß der Herr Gesetzgebungs⸗Minister nach der Aeußerung, die er gethan hat, zu⸗ stimmen wird; denn es handelt sich, wie derselbe selbst angeführt hat, nur um die Verletzung des Gefühls der Hinterbliebenen, welche aber nicht eintritt bei jeder ehrverletzenden Aeußerung über den Verstor— benen, sie wird aber dann eintreten, wenn man den Verstorbenen schmäht oder verleumdet. 2

Abgeordn. Graf Galen: Der Herr Minister der Gesetzgebung ist so eben auf die vor einigen Tagen stattbefundene Verhandlung siber die Gotteslästerung zurückgegangen. Habe ich ihn recht ver= standen, so setzt er voraus, es habe hierbei nur das Gefühl bestraft werden sollen, was durch die Gotteslästerung bei Anderen verletzt werde, ja er setzt sogar voraus, daß alle Mitglieder in diesem Sinne sür die Bestrafung der Gotteslästerung gestimmt hätten,; Dies muß ich für meine Person bestreiten. Ich halte die, Gottes lästerung. für eine Lästerung des lebendigen Gottes. Um möglichst zu vermeiden, daß nicht immer noch Mehrere lästern, um mglichst zu vermeiden, daß durch die Menge der Lästerungen nicht jenes Naß der Strafe über uns herabgezogen werde, wie es eit über Jerusalem herab⸗ gekommen ist. Darum habe ich für die Bestrafung der Gottesläste—⸗ 21 ger ru. Wenn weiter keine Bemerkung erfolgt, so könnten wir zur Abstimmung über den Vorschlag des Abgeordneten Camp⸗ hausen übergehen. Die Frage kann heißen:

Soll beantragt werden, daß die Strafe des Paragraphen nur dann Anwendung finde, wenn der Hinterbliebene durch ehrverletzende Aeußerungen über einen Verstorbenen sich in seinen Rechten per⸗ sönlich beeinträchtigt sindet. .

Abgeordn. Graf von Schwerin; Das Amendement des Ab- geordneten der Stadt Köln geht dahin, das zweite Alineag zu strei⸗ chen, und mein Amendemenk will für den Fall, wenn dieses zweite Alinea nicht gestrichen wird, daß gesagt werde: „Schmähungen und Verleumdungen.“

(Einige Mitglieder machen auf 8. 105 aufmerksam.)

Zweite Beilage

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Zweite Beilage zur Allge

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meinen Preußischen Zeitung.

Sonntag den 20. Febr.

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Marschall: Was §. 105 betrifft, so ist dieser noch nicht be⸗ hrt. Mag die jetzige Abstimmung ausfallen, wie sie will, so wird inmer noch auf 5§. 105 zurückgekommen werden müssen. Es fragt sich, ob der Antragsteller sich einverstanden erklärt, daß es nicht heiße: „ehrverletzende Aeußerungen“, sondern daß gesagt werde: „Schmähungen und Verleumdungen.“ .

Abgeordn. Camphausen: Das entspricht dem Sinne des An⸗ trages nicht, den ich gestellt habe. Für meinen Antrag ist es gleich gültig, ob die Worte: „Schmähungen und Verleumdungen“, oder die Worte: „sehrverletzende Aeußerungen“, dastehen. Der Sinn mei⸗ nes Antrages ist der, daß eine Injurie gegen einen Todten nur dann bestraft werden soll, wenn sie sich als eine Injurie gegen den Erben, gegen den Lebenden herausstellt, und das würde erfolgen, wenn der zweite Satz des Paragraphen gestrichen würde.

Marschall: Ich habe nichts gegen die Stellung dieser Frage, obgleich das noch stehrn bleibt, was in Bezug auf die Verschieden⸗ heit des Rechtes in dieser Beziehung erwähnt worden ist. Die Frage kann also heißen:

„Soll auf Wegfall des zweiten Alinea des 8. 201 angetragen werden?“ ind diejenigen, welche darauf antragen, würden dies durch Aufstehen u erkennen geben? (Ein Theil der Versammlung erhebt sich.) Dem Antrage ist nicht beigestimmt.

Abgeordn. von Auerswald: Nun bitte ich, den Antrag wieder aufnehmen zu dürfen, daß ehrverletzende Aeußerungen über einen Todten nur dann bestraft werden sollen, wenn sie sich als Injurien gegen Lebende darstellen.

(Mehrere Stimmen: abgestimmt!)

Abgeordn. von Auerswald: Ich glaubte, der Abgeordnete der Stadt Köln habe zuerst den Antrag gestellt, daß ehrverletzende Aeu— ßerungen über einen Todten nur dann bestraft werden sollen, wenn sie sich als Injarien gegen Lebende herausstellen, und später habe er biesen Antrag zurückgensmmen und darauf angetragen, den zweiten Satz zu stteichen. Meines Erachtens ist es zulässig, nun, da der Antrag auf Streichung diesez zweiten Satzes nicht angenommen wor⸗ den ist, den früheren Antrag aufzunehmen. Ich erlaube mir daher meinerseits den Antrag zu stellen, den der Abgeordnete aus Köln frü⸗ her gestellt hatte, und frage, ob derselbe sich mit ihm einverstanden erklärt.

Abgeorbn. Camphausen:

Das geht nicht mehr, darüber ist schon

Ja, ich unterstütze ihn.

Schwerin: Nun bitte ich Ew. Durch zur Unterstützung komme und, wenn er un— terstützt wird, bstimmung darüber erfolge, ob statt der Worte: „ehrverletzende ußerungen“ gesetzt werden soll: „Schmähungen und Verleumdungen.“ Dann muß ich mir die Bemerkung erlauben, daß das, was das Mitglied aus Preußen will, gerade in dem Para— graphen liegt; dinn danach können Ehegatten, Aeltern, Kinder, Groß- altern, Enkel, Geschwister, Vormünder u. s. w. auf Bestrafung des Beleidigers eines Verstorbenen antragen, und darin liegt eben, daß die Hinterlassenen solche Aeußerungen als Beleidigungen gegen sich selbst ansehen müssen.

Abgeordn. von Auerswald: Wenn ich überzeugt wäre, daß jeder Richter, der über die Anwendung des Paragraphen zu sprechen hat, dieselbe Ansicht hätte, wie der geehrte Abgeordnete aus Pom⸗ nern, so würde ich ihm beistimmen; aber ich glaube, daß nicht Je⸗ der diese Ansicht haben wird, und muß bemerken, daß gerade in dem

ihm gebrauchten Worte „fühlt“ das Ungewisse liegt. Etwas Anderes ist es, wie der Richter sich die Sache in aller Form darzu⸗ sfellen bat, wonach es dabei auf sein Gefühl nicht ankömmt, das ist ein wesentlicher Unterschied. Mir ist es übrigens gleichgültig, ob zuetst über den Antrag des geehrten Abgeordneten aus Pommern oder über nen Antrag abgestimmt wird.

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Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius: Was den Antrag des Abgeordneten aus Pommern betrifft, so glaube ich, daß er schon deshalb zur Abstimmung gestellt werden müsse, da er ziemlich der Antrag der Majorität der Abtheilung ist. ö .

Abgeordn. Graf von Schwerin: Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich hierin dem Herrn Referenten entgegentrete, Vie Abtheilung hat die Veränderung der Worte im 8. 105 „Schmähungen und Ver⸗ leumdungen“ in „ehrverletzende Aeußerungen“ bei Beleidigungen über einen Verstorbenen des Königlichen Hauses beantragt, ich aber soinnsche daß statt der Worte „ehrverletzende Aeußerungen“ im §. 201 Ali⸗ nen 2 und demnach auch bei den hier zuschaltenden Bestimmungen über Beleidigung verstorbener Mitalieder des Königlichen Hauses wie⸗ der die Worte „Schmähungen und Verleumdu gen“ gesetzt werden.

Abgeordn. von Auerswald: Ich bin damit einverstanden, daß. diese Worte gewählt werden, aber ich glaube t, daß dadurch mein Amendement erledigt wird .

Marschall: Der Antrag des Abgeordneten von Auerswald, da er zuerst gestellt worden ist, kann zuerst zur ung gebracht wer⸗ den, die Frage heißt: .

Soll beantragt werden, daß ehrverletzende Aeußerungen über einen Verstorbenen nur dann strafbar werden sollen, wenn die Hinter⸗ bliebenen dadurch für beleidigt erachtet werden?

Diejenigen, welche die Frage bejahen, würden das durch Aus⸗ stehen zu erkennen geben. ö

(Es erheben sich nur wenige Mitglieder.! .

Dem Antrage ist nicht beigestimmt. Es wird nun erforderlich sein, ganz dieselbe Frage mit der Abäuderung zu stellen, die der Ab— geordnete Graf von Schwerin vorgeschlagen hat. . ge Abgeordn. Graf von Schwerin: Ich bitte um Entschuldigung, ev sind ganz verschiedene Fragen, und ich würde bitten, daß Ew. Durchlaucht die Güte haben wollten, zu fragen, ob statt der Worte: „ehrverletzende Aeußerungen“, gesetzt werden soll: „Schmähungen und Verleumdungen.“ .

Marschall: Der Antrag ging dahin, daß das zweite Aline stehen bleibe, wie es steht, jedoch mit Abänderung der Worte: ehr⸗ verletzende Aeußerungen“, in die Worte: „Schmähungen und Ver⸗ leumdungen“, und diejenigen, welche dem beistimmen, daß das zweite Alinea stehen bleibe, wie es steht, jedoch mit Umänderung der Worte:

ehrverletzende Aeußerungen“ in „Schmähungen und Verleumdungen“, würden das durch Aufstehen zu erkennen geben. Die bei weitem überwiegende Mehrzahl, der Mitglieder erhebt sich.)

Dem Antrage ist mit großer Majorität beigestimmt.

Es fragt sich nun, welche Bemerkungen noch in Bezug auf die Einschaltung der Bestimmung in §. 105 zu machen sind. Ich muß erinnern, daß der Abgeordnete Graf von Schwerin den Antrag ge⸗ stellt hat, daß S. 165 in seinem Strafmaße beibehalten und zugleich anerkannt werde, daß die Strafe auf Antrag der Staats ⸗-Behörde eintrete.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Ich habe bei der früheren Erörterung dieses Gegenstandes ten Standpunkt entwickelt, von dem ich ausgegangen bin. Es würde sich aber an die Reihenfolge zu

halten sein, welche die Abtheilung beobachtet hat. Es würde, nach⸗ Lem die hohe Versammlung die Worte: „Schmähung und Ver⸗ leumd ung“, aufgenommen hat, dieser Punkt sich von selbst erledigen. Zunächst würde also über den Grundsatz, ob ein solcher Para graph eintreten soll, dann darüber, welches Strasmaß stattsinden soll, und endlich über die Frage zu berathen sein, auf wessen Antrag die Un⸗ tersuchung und Vestrafung zu erfolgen habe. .

Marschall: Sie haben darauf angetragen, daß die Unter⸗ suchung und Bestrafung auf Antrag der Staats⸗-Behörde stattfinden möge. r

Abgeordn. Graf von Schwerin: gelehnt. . . Marschall: Sie haben aber vorhin darauf angetragen. .

Abgeordn. Graf von Schwerin: Ich bin dabei in der Abthei— lung in der Minorität gewesen. .

Marschall: Es steht aber so viel fest, daß der Abgeordnete Graf von Schwerin den Antrag der Minorität der Abtheilung er neuert hat, was deshalb festzustellen ist, weil die weitere Berathung und Abstimmung über diesen Gegenstand hierin ihre Grundlage findet.

Korreferent Abgeordn. Naumann: Wir kommen also nun an die Frage, ob Schmähungen und Verleumdungen verstorbener Mit glieder des Königlichen Hauses adäquat behandelt werden sollen den Bestimmungen, die in Betreff verstorbener Familienmitglieder der Privatpersonen angenommen worden sind. Nachdem die Versammlung sich entschieden hat, den Antrag des Abgeordneten aus Pommern an⸗ zunehmen, also die Worte: „Schmähungen und Verleumdungen“ statt „ehrverletzende Aeußerungen“ zu setzen, so muß ich auf das zurück kommen, was ich in einer früheren Sitzung schon gesagt habe. Ich habe eingewendet, daß gerade der Ausdruch „Verleumdung“ das Gie⸗ fährliche sei, ich habe Aauseinandergesetzt, daß von einer freien Ge⸗ schichtsforschung, nach meiner Ansicht wenigstens, nicht mehr die Rede sein könne, sobald Vestrafung der Verleumdung in der Bedeutung Platz greife, wie vorgeschlagen und von der Versammlung angenom men worden ist. Ich habe auseinandergesetzt, daß sich der Geschichts. schreiber danach nicht mehr unterstehen dürfe, eine That anzuführen, die ein verstorbenes Mitglied des Königlichen Hauses herunterseßzt, weil ich der Ansicht bin, es werde ihm nie gelingen, eine solche An führung zu erweisen. Hat sich die hohe Versammlung dafür erllärt, bie erwähnten Worte aufzunehmen, so muß ich mich auf das entschie denste dagegen verwahren, so leid es mir in anderer Beziehung thut, daß die Ehrverletzung verstorbener Mitglieder des Königlichen Hau— ses unter diese Bestimmung subsumirt werde.

Abgeordn. Wodiczka: Ich muß mich gegen die Ansicht erklä⸗ ren, als ob dem Recht der Geschichtsforschung durch die Bestimmung des §. 105 Eintrag geschehe. Das kann nicht der Fall sein, wenn der Geschichtsforscher nur die Wahrheit sagt, wenn er nur wahre Thatsachen vorbringt und nicht erdichtete. Er braucht keinen Austand zu nehmen, gute wie böse Thaten verstorbener Regenten zu, erzählen, ohne fürchten zu dürfen, dem Strafgesetze zu verfallen. Die Thaten eines verstorbenen Regenten gehören der Vergangenheit an und müs⸗ sen nicht blos dem Geschichtsschreiber, sondern auch anderen Perso⸗ nen bekannt, in Urkunden und Schristen niedergelegt sein. Der Ge⸗ schichtsforscher kann daher zu seder Zeit im Stande sein, scine Be⸗

Die Abtheilung hat das ab⸗

hauptungen zu beweisen. Nur unwahre Behauptungen und unrichtige, ehrverletzende Aeußerungen sollen strafbar sein. Cben so bin ich der Ansicht, daß die Bestrafung ex olsicio erfolgen müsse und nicht auf Antrag des Königlichen Hauses. Denn ich halte der Würde unseres erhabenen Monarchen nicht angemessen, daß erst ein Antrag seitens des Königlichen Hauses abgewartet werden soll.

Abgeordn. von Weiher: Ich glaube, daß, wenn statt „ehrver letzende Aeußerungen“, gesetzt wird „Schmähungen und Verleumdun gen“, darin die Absicht bezeichnet wird, Jemanden in der allgemeinen Achtung herabzusetzen. Dies kann aber nicht der Zweck des Ge— schichtsschreibers sein. Seine Aufgabe ist nur, die Thatsachen wahr hinzustellen, aber nicht die, Jemanden in der allgemeinen Achtung herabzusetzen.

Korreferent Abgeordn. Naumann: Ich werde mir auf diese Bemerkung nur erlauben, den §. 189 zu verlesen:

Wer in Beziehung auf einen Anderen solche Thatsachen be⸗

„W hauptet oder verbreitet, welche denselben gehässig zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet sind, macht sich einer Verleumdung schuldig.“

Es ist hier gar nicht die Rede davon, ob der Verleumder die Absicht

hat, herabzuwürdigen, sondern es kommt lediglich darauf an, ob die

Thatsache der Behauptung oder Verbreitung eingetreten ist. Abgeordn. Graf von Schwerin: Aber ich bitte weiter zu le—

sen, da die excepiio veritatis sich anschließt.

Korreferent Abgeordn. Naumann: „Wenn nicht die behaupte⸗ ten oder verbreiteten Thatsachen erweislich wahr sind.“ Es diente mir übrigens die Verlesung dieses Paragraphen nur dazu, der Ansicht des geehrten Herrn entgegenzutreten, welcher meinte, es käme auf den zuimus in suriandi an. Es kommt nach diesem Paragraphen dar auf nicht au. Wenn ich aber aufmerksam gemacht worden bin, den nächsten Passus mit zu verlesen, so komme ich darauf zurück: Wem sollen die Thatsachen erweislich gemacht werden? Dem Richter; und ich weiß nicht, wie der Richter dazu kommen soll, Thatsachen, die der Geschichtsschreiber als wahr annimmt, auch vor seinem Richter— stuhle als durch die Geschichtequellen zu erweisende und erwiesene Thatsachen anzunehmen.

Marschall: Es könnte die Sachlage so angesehen werden, daß die Frage, welche den Vorschlag des Grafen von Schwerin betrifft, erst später gestellt würde, wenn über die beiden Fragen, bei denen wir uns jetzt befinden, abgestimmt worden ist.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Ich glaube sogar, daß die erste und zweite Frage nothwendig vorausgehen müssen, nämlich er⸗ stens die Frage, ob wegen Ehrverletzung verstorbener Mitglieder des Königlichen Hauses Strafe eintreten soll, und dann die Frage, wel⸗ ches Strafmaß stattzusinden habe, wonach erst mein Antrag zur Abstimmung käme.

Abgeordn. Krause: Ich hatte vorhin mir erlaubt, den Antrag zu stellen, daß die Worte: „Verleumdung“ und „Strafarbeit“ in Wegfall kommen. Ich würde Ew. Durchlaucht fragen, ob dieser mein Antrag zur Abstimmung kommt? Es kann von Annahme des §. 195 noch nicht die Rede sein, da wir erst über §. 201 verhandeln. Ob da schon §. 105 inbegriffen sei oder nicht, stelle ich anheim.

Marschall: Es ist hier zweierlei zusammengestellt, indem nicht nur eine Veränderung des Strafmaßes. sondern auch eine Verände— rung des Begriffs durch Wegfall des Wortes „Verleumdung“ ange⸗ tragen ist. Die Frage müßte also in zwei Theile getrennt werden. Aber der Abgeordnete wird sich beruhigen, wenn zuerst über die An⸗ träge der Abtheilung abgestimmt wird. Würden diese Fragen ver⸗ neint, so kämen dann seine Vorschläge zur Abstimmung. Die Frage

heißt also:

„Soll beantragt werden, die Bestimmung des §. 105 wörtlich hier aufzunehmen?“ 1 Graf von Schwerin: Darf ich mir noch eine Be⸗ merkung erlauben? Dadurch würde die spätere Frage präjudi;rt. Ew. Durchlaucht würden vielleicht zu fragen die Güte haben: „Sol eine Bestimmung über Ehrverletzung verstorbener Mitglieder des Kö⸗ niglichen Hauses hier aufgenommen werden?“ Abgeordn. Graf Zech⸗Burkersrode: Ich werde mir erlauben, nur auf etwas noch aufmerksam zu machen. Wir haben angenommen, daß Schmähungen und Verleumdungen verstorbener Privatpersonen zur Untersuchung gezogen und bestraft werden sollen. Nehmen wir nun dieselbe Bestimmung nicht auch in Bezug auf die verstorbenen Mitglieder der Königlichen Familie an, so würden diese offenbar dete- riori; conditionis sich befinden, als verstorbene Privatpersonen. Wenn man behauptet hat, daß durch eine solche Bestimmung der freien Heschichtsforschung Eintrag geschehe, so würde dasselbe uch durch die Bestimmung stattsinden, daß eine Untersuchung und Bestrafung von Schmähungen und Verleumdungen verstorbener Privatpersonen zu⸗ lässig sein soll, welche eben so gut historische Personen sein können, wie verstorbene Mitglieder des Königlichen Hauses. Abgeordn. von Auerswald: Ich bemerke, daß die nochmalige Frage wegen wörllicher Aufnahme des S. 105 nicht mehr thunlich sst, nachdem wir bereits die Worte „Schmähungen und Verleumdun- gen“ daraus aufgenommen haben. Die Sache steht so, daß die in Rede stehenden Verleumdungen und Schmähungen auf Antrag der Betheiligten bestraft werden können, und, es kann keine Frage, sein, daß der Antrag darauf so gut der Königlichen Familie, wie jedem

Privaten freistehen muß. Es handelt sich also blos um die Fragen:

„Sollen dergleichen Schmähungen, wenn sie ein verstorbenes Mit⸗ glied der Königlichen Familie betressen, anders und zwar härter be⸗ straft werden?“ und: „Soll, die Anklage seitens der verletzten Mit⸗ glieder der Königlichen Familie selbst ersolgen müssen oder durch den Antrag des Staatsanwalts erhoben werden können?“ Vas sind die Fragen, welche vorliegen, und ich glaube, wir könnten sowohl von ben Anträgen der Abtheilung, als von allem Uebrigen abgehen und jetzt einfach die Fragen stellen: „Soll das Strafmaß von S. 105 angenommen werden?“ und: „In welcher Form soll die Anklage erhoben werden?“ (Mehrere Stimmen: Abstimmung!) Marschall: Die Frage heißt: ö. . Sollen die Strafbestimmungen des 3. 105 angenommen werden? Und diejenigen, welche dem beistimmen, würden das durch Auf⸗ stehen zu erkennen geben. Ich bitte die Zählung vorzunehmen. ö (Nachdem dies geschehen.) Das Resultat der Abstimmung ist folgendes: Mit Ja haben 50, mit Nein 39 y,, Die nächste Frage heißt: . Stan en ,, dem Grundsatze bei, daß bei Schmä⸗ hungen und Verleumdungen. verstorbener Mitglieder des Königli⸗ chen ' Hauses die Strafe auf Antrag der Staats⸗Behörde erfolge? Abgeordn. Graf von Schwerin: Es ist nämlich zur Erläute⸗ rung beizufügen, daß hier geschieden ist der Antrag der Staats⸗ Behörde von dem des Staatsanwalts. Der Staatsanwalt soll näm⸗ lich nur auf Antrag des Gouvernements eine solche Anklage erheben. Justiz⸗Minister Uhden: Wer soll die Anklage aber da erheben, wo das Verfahren vom 17. Juli 1846 noch nicht eingeführt ist? doch auch die Regierung? ; Abgeordn. Graf von Schwerin: Ja! Wir haben mehrere derartige Fälle, wo nur auf Antrag des Gouvernements die Unter⸗ suchung eingeleitet werden soll. . . - Marschall: Es bleibt also bei der Fragestellung: Stimmt die Versammlung dem Grundsatze bei, daß die Unter⸗ suchung und Bestrafung, von Verleumdungen und Schmähungen gegen verstorbene Mitglieder des Königlichen Hauses auf Antrag ber Staats-Behörde zu erfolgen habe? Diejenigen, welche beitreten, werden aufstehen. (Ber größte Theil der Versammlung erhebt sich.) ie Frage ist beinahe einstimmig bejaht. zie nächste Sitzung wird morgen um 10 Uhr stattfinden. (Schluß der Sitzung nach 3 Uhr.)

ö . In dem in der Allg. Preuß. Zeitung vom heutigen Tage abgedruckten stenographischen Bericht über die 19te Sitzung des Ver einigten ständischen Ausschusses, erste Beilage, S. 424, erste Spalte, Zeile 28 bis 30 von oben heißt es: „Meine Meinung ist die, daß ich das erstere für ein Ehrenrecht, das letztere für ein allgemerr Bürgerrecht halte.“ Es ist hierfür zu setzen: „Meine Me dahin, daß sowohl das erstere wie das letztere recht ist.“ Berlin, den 19. Februar 1848. Das Sekretariat des Vere

Frhr. von Gudenau.

Uichtamtlicher Theil.

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Inland. Berlin. Die Angelegenheit des Lieutenant von Lühmann.

Dentsche Bundesstaaten. Königreich Bavern. Fortdauernde Nuhe in Munchen. Vermischtes. Großherzogth um Baden. Landtags-Verhandlungen. Schreiben aus Weimar. (Feier des Ge⸗ burtsfestes der Großherzogin.)

Oesterreichische Monarchie. Mailand. Ernstliche Unruhen in Pavia und Padua. Lügenhafter Artikel des Risorgi mento. Schreiben aus Wien. Erzherzog Palatin; Errichtung eines selbststän-⸗ digen politischen Senats für die Lombardei und Venedig; Einberufung der niederösterreichischen Landstände; Graf von Hardegg *; das Stand⸗ recht in den italienischen Provinzen proklamirt; Vermischtes.)

Frankreich. Pais. Antwort des Königs auf die Adresse der Deputir⸗ ten-Kammer. Die Banlett-Agitation. Tumult in der Vorstadt St. Antoine. Das Ministerium. = Deputirten⸗Kammer. Schreiben aus Paris. (Die Umtriebe für die Bankett Demonstratio nen; die Ge⸗ setz . Entwürse über das Salz und das Briefporto; die Adreß ⸗Deputation; Gerücht von Aenderung des Oppositions-Beschlusses hinsichtlich des Re⸗ form⸗Banketts; Interpellationen in der Deputictin-Kammer über Gegen; stände des Unterrichts- und Kultuswesens; Graf Philipp von Segur 4. Pairs-Diskussion über die Arbeit der Kinder in Fabriken; Mission nach Kopenhagen; Fallissement und Börse.)

Großbritanien und Irland. London. Diplomatische Korrespon⸗ denz zweschen England und Oesterreich über die italienischen Angelegen—

heiten. Ein päpstlicher Gesandter in London.