1848 / 51 p. 6 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

Italien. Rom. Antrag der Staats-Consulta auf Bewaffnung des Lan- des. Diplomatischer Agent der Bereinigten Staaten. = der Linientruppen. Vermischtes. Florenz. Die Verfassungs-stom⸗= mission. Neapel. Beruhigung wegen eines Pöbel-Aufstandes. Livorno. Herstellung der Ruhe. Genua. Vermischtes. Ita— lienische Grän ze. Forderungen der Sicilianer. Der König von Neapel sucht die Intervention Frankreichs und Englands nach.

Handels⸗ und Börsen⸗Nachrichten.

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Berlin, 19. Febr. Die gestern in unserem Blatte gegebene Vorrespondenz aus Weimar sehen wir uns veranlaßt, dahin zu berich— tigen, daß zwar Se. Königl. Hoheit der Prinz von Preußen, Höchst- dessen Abreise und Rückkehr von uns auch allein amtlich gemeldet worden, in Weimar anwesend waren, dagegen Ihre Königl. Hoheit die Prinzessin von Preußen durch ein von einem Anfall der Grippe veranlaßtes Unwohlsein verhindert waren, an der Reise Sr. Königl. Hoheit Theil zu nehmen. .

Berlin, 18. Febr. Der vormalige schwedische Lieutenant von Lühmann hat in einem von ihm eingesandten, dem I0sten Stücke der hiesigen Vossischen Zeitun g einverleibten Artikel darüber öffent⸗ liche Klage geführt, daß er ohne das allergeringste Verschulden, ja ohne eine gegen ihn erhobene Anklage hier verhaftet und eine Reihe von Jahren hindurch gefangen gehalten worden sei. Zur Widerle— gung dieser an sich unglaublichen Behauptung sind wir ermächtigt, das wahre Sachverhältniß in Nachstehendem mitzutheilen. ;

Der im Jahre 18160 aus dem schwedischen Militairdienste ver— abschiedete Lieutenant von Lühmann wurde im Jahre 1828, nachdem er schon früher wegen Verdachts der Brandstistung in Untersuchung gewesen war, in Folge eines rechtskräftigen, wegen Kalumnie ergan⸗

genen Straferkenntnisses des Ober⸗Appellationsgerichts zu Greifswald, de puhl. den 22. Oktober 1827, dessen Vollstreckung er sich durch die Reise nach Berlin entzogen hatte, hier verhaftet uͤnd nachdem sein Begnadigungsgesuch von Sr. Majenät dem Könige abgelehnt wor— den war, zur Abbüßung der Strafe nach Stralsund transportirt. Bevor noch die gegen ihn erkannte Gefängnißstrafe verbüßt war, wurden Anschuldigungen schwerer Verbrechen gegen ihn erhoben, und dieserhalb eine neue Kriminal-Untersuchung durch das Hofgericht zu Greifswald gegen ihn eingeleitet. . . Diese Untersuchung, während haftet blieb, dauerte 7 Jahre, indem er zen Verlaufs derselben nicht zu bewegen war, sich über dieo ihm vorgehaltenen Anschuldigungen auch nur auszulassen. Allen Versuchen, ihn zu einer gerichtlichen Erklärung zu ver— mögen, setzte er einen beispiellosen Widerstand entgegen und verübte in dem Gefängnisse, Gewaltthätigkeiten an Perfonen und Sachen. So legte er sich beispielsweise, wenn er in das Verhörzim⸗ mer gerufen war, nackt zu Bette, verrammelte die Gefängnißthür warf mit den Kacheln des von ihm zertrümmerten Dfens uin ich u. s. w.

Im Jahre 1835 ward endlich die Untersuchung, mit deren Füh— rung hinter einander fünf verschiedene Gerichte von dem vorgesetzten Landes Justiz- Kollegium beauftragt worden waren, die aber nich zu einer einzigen vollständigen Auslassung des Angeklagten geführt hat— ten, abgeschlossen. Durch ein rechtskräftiges Erkennkniß des Kriminal— Senats des Ober-Landesgerichts zu Stettin ward von Lühmann von dem Verdachte der sieben Verbrechen, deren er angeschuldigt war, und von denen nur die ;

I) der beabsichtigten Ermordung des Rittmeisters von S.,

2) der Tödtung des Einliegers Hoffstedt,

3) der betrügerischen Anfertigung falscher gerichtlicher Dokumente genannt werden mögen, vorläufig freigesproöchen.

Der Thatbestand dieser Verbrechen war nicht mehr festzustellen,

Lühmann ver⸗ während des gan—

welcher von

und es konnte insbesondere wegen des bereits im Jahre 1823 er— folgten Todes des Hoffstedt der Kausalnexus zwischen den ihm durch von Lühmann zugefügten, durch Zeugen bekundeten Mißhandlungen und den an dem Körper des Verstorbenen wahrgenommenen Ver— letzungen nicht nachgewiesen werden. .

Doch ward von Lühmann durch jenes Erkenntniß wegen vorsätz⸗ licher, schwerer körperlicher Beschädigung von Abgeordneten der Obrig— keit mit einjähriger Zuchthausstrafe belegt.

Der gedachte Gerichtshof erachtete es im Interesse der öffent— lichen Sicherheit für bedenklich, daß dem von Lühmann, dessen Ge— müthszustand mehrmals ärztlich untersucht, welcher aber für zurech— nungsfähig erklärt worden war, nach verbüßter Strafe die völlige Freiheit wiedergegeben werde, und stellte daher der Verwaltungs— Behörde unter Mittheilung der Akten anheim: „dieses sehr gefähr⸗ liche Individuum, in polizeiliche Gewahrsam nehmen oder unker ge— naue Alufsicht stellen zu lassen. Auch die Verwaltung der Straf- uͤnd Besserungs- Anstalt zu Naugardt sprach die Ueberzeugung aus, daß die öffentliche Sicherheit durch die Freilassung des von Lühmann in einem hohen Grade gefährdet sein würde, und es ward daher mit Rücksicht auf die Vorschrift des 5. 5 Tit. 20 Theil II. des Allg. Landrechts die Aufnahme desselben in das Landarmenhaus zu Uckers münde von dem damaligen Minister des Innern und der Polizei an⸗ geordnet. Diese Aufnahme erfolgte zwar anfangs nur auf 6 Monate es mußte aber nach Ablauf dieser Frist die Deiention in der Anstali nach den Anträgen der Behörden verlängert werden, da das Beneh— men des von Lühmann unverändert blieb und er ohne den Besitz eines seinen Lebensunterhalt sichernden Vermögens war sich auch nicht entschließen wollte, von seinen Arbeitskräften Gebrauch zu ma? chen. Späterhin ist seine Entlassung aus dem Hause mehrmals von der Abgabe einer genügenden Erklärung darüber abhängig gemacht worden, wohin er sich, zu begeben und, wovon er? zu leben gedenke. Er verweigerte jedoch hartnäckig je de Erklärung und wurde deshalb selbst das Hinderniß seiner Entlassung; bis er in neuester Zeit in Folge eines Berichts des Ministers des Innern über eine Immediat-Vorstellung jüngerer Verwandten, welche sich seiner anzu⸗ nehmen bereit waren, nach Allerhöchster Bestimmung Sr. Masestät des Königs entlassen und der Fürsorge dieser Verwandten überant⸗ wortet worden ist.

Deutsche BSundesstaaten. ĩ

Königreich Bayern. Der Allg. Ztg. schreibt man aus z München vom 14. Februar: „In der Barrerstraße wurden Lestern/

Wachen und Patrouillen verstärkt. Das Gerücht lief durch die Stadt, es werde ein zweiter Versuch gemacht werden, das bekannte Haus ganz zu demoliren, und die Bewohner der Vorstadt Au wollten bei diesem Werk der Zerstörung mit thätig sein. Daß bei der gereizten Stimmung und dem Andenken, das sich an jenes Gebäude knüpft, ein solcher Wunsch

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sonnene Sinn unserer wackeren Bürgerschaft sichert uns aber, wie wir hoffen, jedenfalls gegen den Ausbruch von Gewaltscenen, die immer etwas Betrübendes haben. Einen wohlthuenden Eindruck macht da⸗ bei das Benehmen der Truppen, welche einen Konflikt mit dem Volke möglichst zu vermeiden suchen, und sich auch da, wo es ihnen befoh— len ist, aufgeregte oder neugierige Haufen zurückzutreiben, zwar pflicht⸗ getreu, aber schonend benehmen. Von diesem trefflichen Benehmen, dieser ruhigen Haltung der Truppen, die leider von den Gendarmen nicht eben so zu rühmen ist, sprechen alle Augenzeugen der letzten Ereignisse mit einmüthiger Anerkennung. Erst gestern überzeugte man sich wiederholt davon in der Barrerstraße, wo nach 5 Uhr die Patrouillen den Befehl erhielten, die dort ruhig auf⸗ und abwogen⸗ den Neugierigen zu entfernen. Offiziere und Soldaten gehorchten dem Befehl, zeigten aber gegen das Publikum eine Schonung und Höflichkeit, die wirklich erfreüte. Ehre diesen wackeren Kriegsmän— nern, die so gern eingedenk bleiben, daß sie mit den Bürgern Kin— der eines und desselben Vaterlandes sind, und die nichts mehr wün— schen, als in friedlicher Eintracht mit einem Stande zu leben, wel⸗ chem sie früher selbst angehörten, und in den die meisten doch wieder einmal zurücktreten werden.“

Der Nürnb. Korr. meldet aus München vom 15. Februar: „Wie wir hören, beabsichtigen unsere Studirenden die Landwehr im Patrouillendienst abzulösen oder zu unterstützen; ein sehr lobenswer⸗ thes Vorhaben, dessen Ausführung aber kanm mehr nöthig sein wird. Wenn nämlich keine neue Verfügung erfolgt, so wird, da weitere außergewöhnliche Maßregeln nicht mehr nöthig erscheinen, der Pa⸗ trouillendienst der Landwehr mit dem heutigen Abend aufhören. Ein Fackelzug der Studirenden, der gestern Abends nach dem Grabe ihres verstorbenen Kommilitonen Röhrig stattfand, und an welchem nebst den Mitgliedern der fünf Verbindungen auch viele Obskuranten Theil nahmen, ging in schönster Ordnung und Ruhe vor sich. Der erste Bürgermeister unserer Stadt, Dr. Bauer, liegt seit mehreren Wochen bedenklich krank danieder; wir halten diese Bemerkung um so mehr für nöthig, da es nach einer Notiz in einem augsburger Blatte schei— nen könnte, Dr. Bauer hätte sich, durch eine angebliche Krankheit, der Theilnahme an den letzten Ereignissen zu entziehen gesucht.“

Der Eigenthümer und Verfasser des Münchener Tagblattes hat, der Deutsch. Konst. Ztg. zufolge, wegen eines im gestrigen Tagblatte vom 11ten erschienenen, die Studirenden auf eine un⸗ edle Weise beleidigenden Artikels am folgenden Tage vor dem Uni versitäts⸗Gebände mündliche Abbitte leisten müssen, unbeschadet der Aufnahme der Erklärungen, deren Veröffentlichung noch bevorsteht.

Die fünf Corps tragen nun wieder ihre Auszeichnungen.

Großherzogthum Baden. (Bad. Bl.) Der von dem Abgeordneten Bassermann gestellte Antrag: „Die Regierung in einer Adresse zu bitten, auf geeignete Weise dahin zu wirken, daß durch die Vertretung der deutschen Kammern bei dem Bundestag eine ge— meinschaftliche Gesetzgebung und andere die Einheit Deutschlands fördernde Einrichtung erzielt werden“, wurde von ihm in der Sitzung am 12ten näher begründet und der Antrag des Abgeordneten Schef⸗ felt, die Motion drucken zu lassen und an die Abtheilung zu verwei— sen, von der Kammer angenommen.

Weimar, 17. Febr. Die gestrige Feier des Geburtsfestes unserer allverehrten Frau Großherzogin, Kaiserl. Hoheit, war nicht minder glanzvoll, als diejenige des Großherzogs am Aten, denn wir erfreuten uns der Gegenwart des Prinzen von Preußen, des Fürsten von Schwarzburg-Sondershausen, Les Fürsten und Prinzen von Neuß-⸗-Schleitz, des Herrn Erbgroßherzogs von Oldenburg, der Frau Herzogin von Sagan, des Prinzen von Schönburg-⸗Waldenburg, des Grafen von Medem aus St. Petersburg, der Königl. preußischen Generale von Müffling, Grafen Henkel, von Hedemann, von Bayer, Grafen von Herzberg, so wie eines glänzenden preußischen Offizier Corps. Auch Aquasso Boachi, Prince d'Aschantée, ein schwarzer Prinz, der in Freiberg studirt, war mit dem Prof. Cotta von dort anwesend.

Abends im Theater war die Oper: „Martha, oder der Markt von Richmond“, unter der Direction unseres Hof-Kapellmeisters Liszt neu in Scene gesetzt, und das übervolle Haus, welches unserer milden Fürstin den herzlichsten Empfang bei ihrem Erscheinen bereitete, er⸗ freute sich dieser trefflichen Oper, welche sich gewiß lange auf dem Repertoir erhalten wird.

Auch hier werden für den Nothstand der armen Schlesier Bei⸗ träge gesammelt.

Oesterreichische Monarchie.

Mailand, 9. Febr. (A. 3.) Vorgestern, am 7. d. M. ist es zu Pavia zwischen Militair und Civil zu einem sehr ernsten Konflikt gekommen. Nachmittag fand ein Leichenbegängniß statt, und die Studenten der Universität fanden sich in großer Zahl dabei ein; sie trugen meistens Cabrera- Hüte mit Straußfedern, wie dies im Piemontesischen Mode geworden ist. Ein Offizier des daselbst gar⸗ nisonirenden Regiments, Graf Gyulay, ging rauchend auf der Gasse und als der Leichenzug sich bei ihm vorbeibewegte, blieb er stehen und nahm die Mütze vom Kopf und die Cigarre aus dem Munde. In einem Nu war er von einem Schwarm Studenten umgeben, die ihm alle möglichen Schmähungen, Schändlichkeiten und Drohungen ins Gesicht sagten. Der Offizier rettete seine Ehre, indem er sich mit gezogenem Säbel aus dem immer größer gewordenen Haufen durchschlug. Er wurde mit Steinwürfen verfolgt, und ein anderer Offizier, Lieutenant Schulz, welcher eben seinem Kameraden zur Hülfe gekommen war, wurde auf der Stirne dermaßen verwundet, daß er fast besinnungslos zu Boden fiel. Das brüllende Geschrei der er— bitterten Menge zog auch Soldaten herbei, welche, als sie einen ihrer Offiziere verwundet sahen, mit wahrer Wuth von der blanken Waffe Gebrauch machten und den Volkshaufen zersprengten. Als Abends der Hauptmann Ferentzi auf der Gasse ging, wurde er durch einen Flintenschuß aus einem Hause in der unteren Brust schwer verwun⸗— det. Dies hatte gräßliche Scenen zur Folge, deren Details noch nicht bekannt sind. Heute Nachts sind hier drei wichtige Verhaftun— gen vorgenommen worden, nämlich jene der in der öffentlichen Mei⸗ nung als Rädelsführer hiesiger Agitationen geltenden Männer: Si— monetta, Besang und Prinetti. Sie wurden auch bereits von hier weggeschafft, um nach Linz gebracht zu werden. Die seit 25 Jahren in Mailand ansässige römische Fürsten-Familie Pio wurde heute aus dem Lande gewiesen.

In Padua fanden an demselben Tage, in derselben Stunde, wie zu Pavia, Unruhen statt. Die Zeitung von Venedig spricht von fünf Verwundeten Studenten wovon einer seitdem ge— storben sei.

. Ni ailand, 11. Febr. (Oesterr. Beob.) Die Gazzetta di Mi llano vom 11. Februar enthält folgenden Artikel: „Das turiner Journal il Risorgimento giebt aus einem anderen

in den Massen vielfach laut geworden, ist allerdings wahr, aber der ruhige, gemäßigte Theil der Bürgerschaft wünscht dringend die Vermei⸗ dung aller Erzesse, und sein entschiedener Wille, Ruhe und Ordnung zu erhalten, so wie die letzten, höchst erfreulichen Beschlüsse unseres Königs, beschwichtigten bereits entschieden die heftige Gährung, die sich nur noch gegen einzelne Individuen, welche man zu den gewöhnlichen Besuchern des Hauses in der Barrerstraße zählt, ziemlich lebhaft äußert. Der be⸗

italienischen Blatte solgenden Artikel: „Durch die neuesten uns zugekomme— nen Nachrichten aus Mailand erfahren wir, daß sich am Sonntage 17090 Personen im Dome in der Absicht versammelten, ein Te Deum zur Feier der glücklichen Ereignisse in Neapel zu singen. Die Polizei er— hielt hiervon Kenniniß und ger ihrerseits ihre Vorkehrungen; sie ließ ein paar hundert Raufbolde als Stutzer verkleiden, be—

waffnete sie mit Dolchen und beauftragte sie, sich untet die Menge zu drän-

gen, um durch aufrührerisches Geschrei Tumult zu erregen; i ir⸗ rung sollten sie dann die Dolche zücken und das de rn e, i, Man fügt hinzu, einer der gedungenen Naufbolde habe aus Nenschlichteiĩ den Plan enthüllt, und solchergestalt habe die Klugheit den armen Mailän= dern gerathen, sich dieses hochherzigen Aktes der Danksagung an ihre ge= treuesten Brüder in Neapel zu enthalten. Ferner wird versichert, ein Kaufmann in Santa Margharita habe der Polizei die Verkleidung geliefert, die 7009 Lire gekostet habe. Wir nehmen, aus Achtung für die Menschheit, Anstand einer so gräulichen Erzählung Glauben beizumessen.“ Wir enthalten unz (fügt die Gazz. di Milano hinzu) jeder Bemerkung über Diesen unsinni= gen Artikel, und überlassen es unseren Lesern, über den Grad von politi= scher Redlichkeit jener Redactionen zu urtheilen, welche, obgleich sie selbst erklären, daß sie Anstand nehmen, dergleichen schamlosen Erdichtungen Glau⸗— ben zu schenken, sich dennoch nicht entblöden, sie in ihren Journalen zu wiederholen und zu verbreiten. Die Lüge ist wahrhaftig ein erbärmliches, hnmächtiges Mittel, den Fortschritt zu befördern.“

Wien, 15. Febr. Am 12. Februar Nachmittags traf Se. Kaiserl. Hoheit der Erzherzog Palatin hier ein, besuchte am folgen— den Tage die Wohlthätigkeits Redoute und wird vor Ablauf der Woche nicht nach Preßburg zurückehren. Seine Anwesenheit hat immer die Berathung über Gegenstände, die in den beiden Stände⸗ tafeln verhandelt werden, zum Zwecke.

August von Schwind, Regierungs⸗Rath und Central-Inspektor der Finanzwache, wurde zum Hofrath der allgemeinen Hof⸗ Kammer befördert und übernimmt das Departement in Verzehrungsstener-An⸗ gelegenheiten. Die Allerhöchste Resolution wegen Systemisirung eines selbststän⸗ digen pölitischen Senats mit erweitertem Wirkungskreise zur Seite des Vicekönigs für die lombardisch⸗venetignischen Provinzen ist erfolgt und wird bei den bestehenden Verhältnissen mit allgemeinem Jubel begrüßt werden. Der Senat besteht aus 6 Hofräthen mit 3 Hof⸗ secretairen und dem anderweitigen Personale. Statt des bereits pen sionirten Hofraths Grimm, Freiherrn von Süden, ist der General⸗ Polizei-Direktor zu Venedig, Ritter von Call-Rosenburg, ernannt, die Ernennung der noch übrigen 5 Hofräthe, wie man vermuthet, nach der Mehrzahl aus den Delegaten wird gewärtigt. ö.

Vorläufig ist die Einberufung der niederösterreichischen Landstände auf den 10. März bestimmt. Unter den wichtigen Fragen, die am diesjährigen Landtage zur Sprache gebracht werden, gehört die Ein— führung und Vertretung des vierten Standes mit allen demselben zustehenden Prärogativen und die Petition um Regelung der Cen—= fur oder vielmehr um Aufhebung derselben. Beide Anträge sollen auch von den böhmischen Ständen gestellt werden, die Majorität in Böhmen spricht sich für die Vertretung der funfzig Königlichen Städte beim Landtage durch eben so viele Deputirte aus. Aller— höchsten Orts zeigt sich eine große Geneigtheit den billigen Bitten der Stände Gehör zu geben und die Rechte der ständischen BVerfassungen nicht weiter zu beschränken, alle Kenflikte uach Möglich= keit zu beseitigen. Bei den ernstlichen, aufrichtigen und patriotischen Gesinnungen der ausgezeichnetsten ständischen Mitglieder, bei der un⸗ erschütterlichen Anhänglichkeit der Gesammtbevölkerung an das ange⸗ stammte Herrscherhaus werden derlei Zugeständnisse dankbarst ange⸗ nommen und nur beitragen, diese Anhänglichkeit noch mehr zu befesti⸗ gen. Dem zeitgemäßen vernünftigen Fortschritte vertrauen, ist ja dit beste Bürgschaft für den andauernden Frieden.

X Wien, 16. Febr. Der Erzherzog Palatin hat heute Vor⸗ mittag Wien wieder verlassen, um in den ersten Tagen der nächsten Woche wieder hierher zurückzukehren. Ihm zu Ehren sindet am 5. März im Sophienbad-Saale ein Jestball statt, bei welchem das Amt der Hausfrau die Frau Fürstin Esterhazy übernommen hat. Ungeach⸗ tet der angestrengten und überhäuften Geschäfte ist die Gesundheit des allgemein verehrten Erzherzogs die erwünschte, sein Aussehen ein sehr gutes. . ;

In der vergangenen Nacht 2 Uhr ist der Hofs⸗Kriegsraths Präsident, Graf von Hardegg⸗Glatz, im Alter von 76 Jahren ge⸗ storben. Wer sein Nachfolger sein wird, darüber verlauret bis jetzt nichts Bestimmtes. Die beiden Kommandirenden von Nieder-Oester reich und Böhmen bezeichnet man zunächst; jedoch dürfte dem Ver— nehmen nach kaum einer der Beiden berufen werden. Auch General Graf Ficquelmont soll zu den Kandidaten gehören.

Die letzten sehr beunruhigenden Nachrichten aus den italienischen Provinzen sollen Allerhöchsten Orts den Beschluß veranlaßt haben, in denselben das Standrecht zu publiziren, und es ist deshalb an den Erzherzog Vice⸗-König der Auftrag bereits abgegangen. Wegen die⸗ ser strengen und nothwendig gebotenen Maßregel konnte eine Eini⸗ gung unter den Mitgliedern der Staats-Konferenz lange nicht erzielt werden, allein die Ereignisse der jüngsten Zeit haben das längere Ver⸗ tagen derselben unmöglich gemacht. Alles sieht mit Spannung dem Ausgang dieser italienischen Unruhen entgegen, und Jeder gewinnt täglich mehr Ueberzeugung, daß die Conspiration eine sehr verzweigte und weit ausgedehnte sein müsse, wo diese jedoch ihren Hauptsitz habe und Unterstützung und Vorschub findet, darüber waltet ein Ge⸗ heimniß, welches auf den Entschluß, mit aller Energie gegen die Auf⸗ wiegler vorzugehen, mehr als hemmend einwirkt.

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Paris, 15. Febr. Gestern Abend wurde die große Deputa— tion der Depntirten-Kammer, welche dem Könige die Antwort-Adresse auf die Thronrede zu überreichen beauftragt war, von Sr, Maj stãt empfangen. Eine große Anzahl von Deputirten hatte sich der De—⸗ putation angeschlossen. Der Herzog von Nemours und der Herzog von Montpensier standen rechts und links vom Throne, Als der Kammer-Präsident Herr Sauzet die Adresse verlesen hatte, antwor—⸗ tete der König: „Meine Herrn, Deputirten! Die alljährlich erneuerte Versicherung der loyalen Mitwirkung und Unsterstützung, welche Sie Mir unaufhörlich gewährt haben, seitdem der, Wunsch, der Nation Mich auf ben Thron berufen, gereicht Mir stets zu gleicher Genug⸗ thuung. Vermöge des gegenseitigen Vertrauens und der innigen Eintracht unter allen Staatsgewalten sehen wir das große Gebäude unserer constitutionellen Institutionen sich immer mehr befestigen. Frankreich findet darin die Gewähr für seine Ruhe iin für seine Zukunft und Ich das Glück, daß Ich zur, . Meines theuersten Wunsches habe beitragen können, des . . in Frieden die Freiheiten genießen zu sehen, die es ö. ru n, . obert hat, und alle Vortheile, welche die orse hung in . Ich bin sehr gerührt worden von den Beweisen der 4 hme, mit denen die Deputirten- Kammer Mich umgeben . iz 8 sie . dem Schlage erfuhr, der mich in einer Meines , . In eigen gen be⸗ troffen. Von ganzem Herzen danke Ich , . so ö. für die Gefühle, welche sie Mir in der Adr ese aus ö die Sie Mir in ihrem Namen überreichen.“ Diesen , folgte der lange anhal⸗ tende Ruf: „Es lebe der König! Seine Majestät stieg dann vom Throne herab, näherte sich den Der tir tem und sagte: Ich bin in⸗ nig gerührt davon, Meine Herren. Sie so zahlreich um Mich zu sehen, und dieser Zuruf thut Meinem Herzen sehr wohl.“ Darauf ertönte von neuem das Lebehoch und wiederholte sich mehrere Male.

Die Ankündigung des Entschlusses von Seiten der Majorität der Oppositions-Deputirten, dem im zwölften Stadtbezirk von Pa⸗ ris beabsichtigten Reform ⸗Bankett beiwohnen zu wollen und den et— wanigen Gegenmaßregeln der Re ierung sich zu widersetzen, hat

große Aufregung in der Presse verursacht. Das heutige Journal des Deébats bestreitet es, daß in dem Verhalten der Regierung irgend etwas Willkürliches liege, und setzt aus einander, daß der Dis⸗ kussion alle mit der öffentlichen Sicherheit irgend verträgliche Freiheit eingeräumt sei. Schließlich ruft es der Opposition zu, sie möge sich an das Compte-redu erinnern und nicht eine Verantwortlichkeit auf sich laden, die eine sehr schwere sein würde. Die Presse mißbilligt das Verfahren der Opposition, als sie es entweder für erfolglos oder für ge⸗ fährlich hält: entweder es laufe auf eine unwirlsame Manifestation hinaus, oder es komme zu gewaltsamem Widerstande, und Beides würde sie für gleich beklagenswerth halten, denn im ersteren Falle beächte sich die Opposstion um allen Kredit, im letzteren könnten die schlimmsten Folgen für die öffentliche Ruhe und Ordnung entstehen; nach der Meinung der Presse wäre für die Opposition nur ein Weg der richtige ge⸗ wesen: sie hätte gegen die ihr von der Majorität durch die Adresse zugefügte „Brandmarkung“ an das Land appelliren, d. h., so wie Herr Emil von Girardin es gethan, ihr Deputirten⸗Mandat nieder— legen sollen; dann hätte, davon hält das Organ des Herrn Girar— din sich überzeugt, das Ministerium sich entweder zurückziehen oder die Kammer auflösen müssen; im ersteren Falle wäre der Opposition sogleich Genugtuung geschehen, im letzteren würde sie diese Genug— thuung der Entscheidung von 150 Wahl-Kollegien haben anheimstel— len können. Aus dem Constitutionnel, dem Organ des Herrn Thiers, ersieht man, daß dieser und sein Anhang daran festhalten, auf „gesetzlichem Wege“ den Absichten des Ministeriums hinsichtlich der Bankette sich widersetzen zu wollen, indem sie dem Begriff der Gesetzlichkeit in diesem Falle eine andere Auslegung geben als Herr Guizot und nichts davon wissen wollen, daß die Regierung be rechtigt sei, politische Versammlungen der Bürger zu untersagen. Auch sind sie nicht geneigt, jetzt noch auf das Versprechen einzugehen, wel— ches das Journal des Débats, wie es scheint im Namen des Ministeriums, gegeben, daß nämlich die Parlaments- und die Wahl— Reform noch während der Dauer der jetzigen Kammer und mit Ein— willigung, ja Unterstützung der Minister, aber nur nicht im Lauf der diessährigen Session, in Berathnug gebracht werden solle. Dieses Versprechen betrachtet der Constitutionnel als zu spät kommend und daher kein Vertrauen mehr verdienend. Dies Blatt dringt da— her auf Fortsetzung der Agitation. Galignani's Messenger kann nicht umhin, sein Bedauern darüber auszusprechen, daß jene minisse

rielle Versicherung nicht ertheilt worden sei, ehe diese Sache ihren gegen— wärtigen Charakter angenommen. Der Constitutionnel und an— dere Blätter der Opposttion enthalten auch die Listen der Majoritäts⸗ glieder, welche für die bekannte Bezeichnung der Bankett⸗Demonstra

tionen in der Adresse gestimmt. Danach befanden sich unter den 228 Deputirten, welche gegen Desmousseauxr de Givré's Amendement stinmten, 136 Beamte, und unter den 185, welche für dasselbe ge⸗ stimmt, 37 Beamte. Das erstere Blatt fügt hinzu, es werde ihre Namen von Zeit zu Zeit wiederholen und hoffe, die Blätter in Pa

ris und den Departements würden nicht ermangeln, dasselbe zu thun, Herr Dupin der Aeltere, der unpäßlich ist, soll, dem Sirele zufolge, erklärt haben, daß auch er für jenes Amendement gestimmt ha⸗ ken würde, wenn er in der Kammer anwesend gewesen wäre. Derr Isambert hat es abgelehnt, Theil an dem beabsichtigten Neform-Bankett zu nehmen, weil er als Magistratsperson vielleicht berufen wäre, sich darüber amtlich auszusprechen. Man will zu Prä— sidenten und Commissairen dieses Banketts nur Pairs und Deputirte wählen, weil die Regierung beschlossen haben soll, die Vorstände des Banketts verhaften zu lassen. Für den Fall, daß an die Thüren des Bankett Saales Siegel angelegt würden, sollten nach einem in der vorgestrigen Oppositions-Versammlung gemachten Vorschlage die in dieser Versammlung anwesenden Pairs, nämlich der Fürst von der Moskwa, Graf d'Alton Shee, von Boissy und Andere, beauftragt werden, diese Siegel abzureißen, um dadurch einen Prozeß vor der Pairs⸗— Kammer zu veranlassen. Auch wurde vorgeschlagen, daß in der Kammer ein Antrag auf Versetzung der Minister in Anklagestand ge— stellt werden solle.

In der Vorstadt St. Antoine kam es an einem der letzten Abende zu einem Tumult. Mehrere Gruppen durchzogen unter Ab— singung der Marseillaise die Straßen, ohne daß jedoch Erzesse verübt wurden oder die Ruhe ernstlich gestört ward. Die Behörde hat übrigens, wie man versichert, außerordentliche Vorsichtsmaßregeln ge⸗— troffen, um für alle etwa eintretende Fälle gerüstet zu sein.

Nach dem Commerce denken die Herren Guizot und Duchatel ernstlich daran, das Kabinet neu zu kräftigen, um den etwa eintreten den Ereignissen Stand halten zu können. Im Konferenzsaale der Deputirtenkammer hieß es, daß die Minister Jayr, Cunin-Gridaine, Trezel und Montebello in kurzem zurücktreten würden. Die Pa— zrie spricht vom Austritt der Minister Dumon und Hebert.

Am Schluß der gestrigen Deputirten-Sitzung wurde von dem Gesetz-Entwurf über den Rechnungsabschluß für 1815 derjenige Theil, der das Budget des Departements der auswärtigen Angelegenheiten umfaßt, ohne weitere erhebliche Diskussionen angenommen.

Das Schreiben, mittelst dessen Emil von Girardin gestern der Deputirten-Kammer seine Entlassung eingereicht hat, lautet folgender maßen: „Herr Präsident! Zwischen der intoleranten Majorität und der inkonsequenten Minorität giebt es keinen Platz für den, der sich keine Regierungsgewalt ohne Initiative und Fortschritt, keine Oppo— sition ohne Kraft und Logik denken kann. Ich reiche daher meine Entlassung ein und werde die allgemeinen Wahlen abwarten. Ich habe die Ehre u. s. w. E. von Girardin.“

(Telegraph. Depesche.) Das große Festmahl in Paris soll am 20sten stattfinden.

Paris, 15. Febr. Die Opposition der Linken hat sich in eine Sackgasse verrannt, aus der sie jetzt nicht mehr weiß, wie her⸗ auskommen; sie ist mehr oder weniger der Spielball der Radikalen geworden, welche Alles aufbieten, das Feuer zu schüren und die ganze Linke zum Werkzeug für ihre Zwecke zu machen. Die Thätigkeit der Radikalen ist groß. Auf der einen Seite wirken sie in anscheinend legaler Form, suchen den Munizipal-⸗Rath von Paris, in welchem bekanntlich die Opposition das Uebergewicht und selbst die radikale Meinung eine ziemlich große Anzahl von Vertretern hat, zu offiziellem

Auftreten gegen das vom Ministerium ergangene Verbot der Ban— kette zu gewinnen, und verbreiten das Gerücht, die Mitglieder des Munizipal⸗Rathes hätten bereits einen Kolleftiv-Schritt bei dem Seine-Präfekten Grafen von Rambuteau im oppoösitionellen Sinne gethan. Auf der anderen Seite bearbeiten sie die National— garde auf alle Weise, um deren Widerstand gegen die Maßregeln der Regierung hervorzurufen; ja, sie gehen so weit, der Nationalgarde überhaupt Mißtrauen gegen ihre eigene Uniform einzuflößen durch die abgeschmackte Fabel, als habe die Regierung in aller Eil eine be⸗ trächtliche Anzahl falscher Nationalgardisten, so zu sagen, fabrizirt,

indem sie eine Masse von Leuten, denen die gesetzliche Befähigung

und Berechtigung zum Eintritt in dieselbe abginge, die aber in einem kritischen Augenblicke auf den ersten Ruf bereit wären, für die Re— gierung unter die Waffen zu treten, um durch ihr Beispiel die ande—⸗ ren etwa schwankenden nach sich zu ziehen, in die verschiedenen Legio . 1 zu bringen gewußt, hätte. Dergleichen abgeschmackte Er⸗ H. erinnern an ähnliche Manöver aus der Zeit der Re⸗ ö ution, aber es giebt freilich immer Leute, die in

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rem vorgefaßten Mißtrauen auch den ungereimtesten Dingen Glauben beizumessen geneigt sind. Die Radikalen haben besonders sehr thätige Agenten bei den Studenten und Arbeitern, die man auf alle Weise bearbeitet. Es ist hier der Ort, an einige Werte zu er⸗ innern, die der Redacteur eines radikalen Blattes neulich an die Sta— denten richtete, als sie vor das Bürcau desselben gezogen kamen, nachdem sie der Deputirten⸗Kammer durch Herrn Cremitur die be— kannte Petition wegen Wiedereröffnung der Lehrvorträge der Herren Michelet, Quinet uns Mizkjewitsch hatte übergeben lassen. Dieser Nedacteur kam damals zu den jungen Leuten auf die Straße herab, hielt eine Dankrede für die dem Blatte erwiesene Aus eichnung und sagte darin unter Anderem auch, um den politischen Eifer derselben noch mehr aufzustacheln, sie sollten nicht vergessen, daß man wahr— scheinlich bald ihrer thätigen Mitwirkung bedürfen werde. Indessen ist noch zu hoffen, daß die ruhige Ueberlegung der Einen über die schlimmen Absichten der Anderen das Uebergewicht erlangen werde.

Heute vor der öffentlichen Sitzung der Deputirten-Kammer ver—

sammelten sich die Bürcaus derselben zur Prüfung der zwei Gesetz⸗ Entwürfe in Betreff der Auflage auf das Salz und der Herabsetzung der Briefposttaxe. Der erste der beiden genannten Gesetz- Entwürfe stieß fast in allen Büreaus auf einmüthigen Widerstand, der zweite hat viel bessere Aufnahme gefunden, jedoch will die Mehrheit auch in diesem nur einen Uebergang erblicken zur Annahme des Systems der gleichförmigen Taxe, wie es in England bereits besteht. Zu bemer⸗ ken ist, daß viele Deputirte, die sich gegen den Entwurf der Regie⸗ rung in Betreff der Salz⸗Auflage erklärten, zugleich auch den Plan des Herin Demesmay stark kritisirte!i. Im dritten Büreau hatte Herr Achille Fould über die Frage der Salz -Auflage sich für eine vorgängige parlamentarische Unterstützung ausgesprochen, indem er den gegenwärtigen Entwurf entschieden zurückwies. Er ist einer der zwei von diesem Büreau ernannten Commissaire. Mehrere Minister waren nicht, in ihren betreffenden Büreaus anwesend. Nur der Finanz Minister nahm in dem seinigen das Wort. Bevor dann die öffentliche Sitzung der Kammer begann, be— schäftigte man sich fast ausschließlich mit dem Empfang der großen Deputation, welche gestern in den Tuilericen dem Könige die Adresse der Deputirten-Kammer überreicht. Man glaubte allgemein, die Ant⸗ worts-Rede des Königs sei im Minister-Rathe vorher berathen wor— den, und es sei dies der Grund, warum dieselbe sich jeder Anspielung auf die herrschende Krise enthält. Drei Mitglieder der Opposition waren mit in die Tuilerieen gegangen, nämlich die Herren Abraham Dubois, St. Marc Girardin und Herzog von Reggio. Herr La— crosse, obgleich er einer der Secretaire der Kammer ist, war nicht erschienen.

Inzwischen scheint es gewiß, daß die Deputirten der Opposition, welche an der vorgestrigen Versammlung Theil genommen haben, in großer Angst sind und unn durch irgend eine Ausflucht sich der Ver— antwortlichkeit zu entziehen suchen, die sie durch Unterstützung eines Volksauflaufes in den Straßen von Paris auf sich laden würden. Man will sogar schon wissen, die vorgestern ernannte Kommission habe bereits die Idee zur Abhaltung des Bankettes aufgegeben, inso— fern wenigstens, als es im zwölften Stadtbezirk von Paris stattsin⸗ den sollte. Man sagt, es sei jetzt Absicht, das Bankett zu Corbeil oder zu St. Denis abzuhalten.

Die Deputirten- Kammer setzte nun heute in ihrer öffentlichen Sitzung die Verhandlung über den die definitive Regelung der Nechnungen des Budgets von 1845 betreffenden Gesetz-Entwurf fort. Herr Beaumont (von der Somme) macht einige Bemerkungen über Anweisungen von Gra⸗ tificgtionen an Beamten des Ministeriums des öffentlichen Unterrichts. Graf Salvandy weist dem interpellirenden Mitgliede seinen Irrthum nach, die fragliche Summe habe nicht die vorausgesetzte Verwendung erhalten, und Herr von Bussieres, der Berichterstatter, bekräftigt die Aussage des Mi— nisters. Herr von St. Albin behauptet dessenungeachtet, diese Gratifica= tionen seien aus den Geldern des öffentlichen Unterrichts genommen wor— den. Herr Isambert: Das wäre um so befremdlicher, als der Minister sich stets über das Unzureichende der ihm bewilligten Fonds beklage. Der Minister: Die Kammer wisse, daß der Minister alle drei Jahre einen umfassenden Bericht über die Lage des Elementar ⸗— Unter richts zu erstatten habe. Diese Maßregel erheische außerordentliche Arbeiten und veranlasse die Gratificationen für die dabei verwen— deten Beamten. Der Minister könne nur aus dem Fonds des öffent— lichen Unterrichts die nöthigen Gelder dazu entnehmen. Herr Darnaud tadelt die den Schulen der christlichen Brüder gewährten Unterstützungen. Der Minister: Diese Unterstützungen seien durch Königliche Verordnungen erlaubt worden. Herr Benoist drückt sein Erstaunen darüber aus, daß man etwas gegen die so geringen Unterstützungen zu Gunsten so nützlicher Schulen einwende, die größere Dienste leisteten, als die Laienschulen. Herr Beaumont: Der Mißstand liege nicht in der Unterstützung selbst, sondern in dem Streit, der so zwischen der sich ausschließenden Schule unterhalten werde. Das Kapitel wird übrigens votirt. Dasselbe ist dann auch mit allen übrigen Kapiteln des Ministeriums des öffentlichen Unterrichts der Fall, und die Kammer geht auf das Budget des Ministeriums der Justiz und der Kulte über. Herr Lestibondois beschwert sich über ein Rundschreiben dieses Ministeriums, wodurch die religiöbsen Versammlungen unter dem Vor⸗— wande von Polizei- Rücksichten verboten würden. Es liege darin eine Verletzung der Freiheit der Gewissen. Der Großsiegelbewah— rer, Herr Hebert: Es gebe Gesellschaften, die unter dem Vor— wande der Religion sich zu ganz anderen Zwecken versammelten, als zu Gebeten. Das fragliche Rundschreiben habe zum Zweck, diese Mißbräuche zu unterdrücken. Es sei vom 28. Februar vorigen Jahres, also nicht von ihm, aber er könne dasselbe nicht tadeln. Man müsse zwischen wirklichen religiösen Versammlungen und solchen, welche die Religion nur zum Vor— wand nehme, einen Unterschied machen.

Die Pairs-Kam mer fuhr in der gestern schon begonnenen Bera— thung des Gesetz-Entwurfs in Betreff der Arbeit der Kinder in den Fa— briken, Eisenhütten, Werften und Werkstätten weiter fort. Am Anfange, noch ehe die Kammer in der hinreichenden Anzahl versammelt war, zeigte der Präsident den Tod des Pairs Grafen Philipp von Segur an, der auf seinem Gute im Departement des Tarn verstorben ist. Dann wurden Berichte über Petitionen erstattet. Endlich schritt man zur Tages ordnung, und Graf Beugnot ergriff das Wort. Er betrachtet es als ein großes Beispiel der Weisheit und Gerechtigkeit der Kammer, daß sie bei Feststellung ihrer Tagesordnung das Gesetz in Betreff der Arbeit der Kinder in den Fabriken in erste Reihe zur Verhandlung gestellt habe. Sie habe dadurch den hohen Werth gezeigt, den sie auf diese Art von Verbesserung lege, und einen Akt der Gerechtigkeit vollbracht gegen eine Klasse, die das größte Recht auf all- gemeine Theilnahme habe, und die während der zwei letzten Jahre so viel guten Sinn, Ruhe und Mäßigung gezeigt. Man sagt, es hätten sich ge⸗ fährliche Ideen in deren Schooß entwickelt, aber in diesen Ideen sei doch etwas Gerechtes, das man hervorheben müsse. Inmitten der unbeschränk-— ten Freiheit, welche eine verhängnißvolle Konkurrenz geschaffen, müsse die Regierung durch weise Maßregeln die von der Zeit zerstörten Institutionen ersetzen. Der Redner prüft, was für Vollzug des Gesetzes vom 2 März 1841 desselben Betreffs geschehen ist, und weist die Gründe nach, warum senes Gesetz nicht habe durchgeführt werden lönnen. Diese läge zum Theil im Gesetze selbst. Die alten Gewohnheiten der Chefs der Industrie seien dadurch gestört, den Arbeitern, welche die Kinder relrutiren, seien natürlich Verlegenheiten erwachsen; endlich hätten viele Aeltern, denen wenig an Er— haltung der Gesundheit ihrer Kinder liege und die sie für jeden Preis ver— wenden wollten, selbst zahlreiche Schwierigkeiten verursacht. In ' so kurzer Zeit ließen sich nicht alle Hemmnisse heben. Und wenn das Gesetz schon in den großen Städten schwer zu vollziehen gewesen, so sei dies auf dem Lande fast unmöglich. Auch seien die Grundbestimmungen des Gesetzes nicht den Gebräuchen der Werlstätten angepaßt.

Der Marquis von Lavalette, ehemaliger französischer Minister zu Kassel und Mitglied der Deputirten⸗Kammer, ist zum außerordent⸗ lichen Bo schafter, um dem König Friedrich VII. von Dänemark zu

seiner Thronbesteigung Namens des Königs der Franzosen Glück zu wünschen, ernannt worden. ;

Zu Havre hat das bedeutende Handlungs haus Dubois und Co. sich genöthigt gesehen, seine Zahlungen einzüstellen. Die Börse bot heute großes Leben dar und die Fonds haben sich wieder etwas ge⸗ hoben. (S. die telegraphische Depesche in unserem gestrigen Börsen⸗ Bericht.)

Großbritanien und Irland.

London, 14. Febr. Die Blätter veröffentlichen heute eine zwischen den Kabinetten von Wien und London gepflogene diploma⸗ rische Korrespondenz über die italienischen Angelegenheiten. Dieselbe besteht aus zwei Noten des Fürsten Metternich an den Grafen Die⸗ trichstein zur Mittheilung an das britische Kabinet und aus zwei an⸗ deren Noten des Lord Palmerston an den britischen Gesandten in Wien, Lord Ponsonby, als Erwiederung darauf. Die österreichischen Noten sind beide vom 2. August 1847 datirt, und die erste lautet:

Herr Graf! Der Zustand der Staaten Mittelitaliens zieht ohne Zwei- fel die Aufmertsamteit des Hoses von London auf sich. Diese Staaten werden gegenwärtig von einem Geiste der Zerstörung bewegt, wovon die Folgen leicht eingesehen werden können. Die geogtraphische Lage unseres Neiches legt uns die Pflicht auf, mit verdoppelter Aufmerksamkeit den Gang der Ereignisse in jenem Lande zu beobachten. Der Kaiser wünscht bei dieser Gelegenheit seine Ueberzeugung mit der Offenheit auszusprechen, die er stets in seinen Mittheilungen an die Regierung Großbritaniens ge⸗ wohnt gewesen ist, und wünscht die Entschließung jener Negierung über den Instand der Dinge zu kennen, welchen Se. Kaiserliche Majestät für die geeignete Grundlage der Zukunft hält. Italien ist eine geographische Be—= zeichnung. Die italienische Halbinsel besteht aus souverginen, von einander unabhängigen Staaten. Das Bestehen und die Territoriglgränzen dieser Staaten sind auf Grundsätze des öffentlichen allgemeinen Rechts gegründet und durch politische Akte von unzweifelhafter Autorität garantirt. Ter Ftaiser ist für sein Theil entschlossen, diefe Rechte zu achten und Alles, was in seiner Macht steht, zu ihrer Erhaltung aufzubieten. Sie werden, Herr Graf, diese Depesche dem ersten Staats-Sceretair mittheilen und ihn um die Erklä- rung der Ansichten des londoner Hofes hinsichtlich jener Garantieen er— suchen, unter wesche die Besitzungen der in Italien herrschenden Souveraine gestellt sined. Sie werden zugleich noch bemerken, daß der Kaiser an der vollständigen Uebereinstimmung nicht zweifelt, welche in dieser Angelegenheit zwischen seinen Ansichten und denen Ihrer britischen Majestät bestehen müssen. Genehmigen Sie ꝛc. (gez) Metternich.

In der zweiten Depesche des Fürsten Metternich von demselben

Tage wird dem Botschafter mitgetheilt, daß die vorstehende Note zu

gleicher Zeit den Höfen von Paris, Berlin und St. Petersburg mit⸗

getheilt worden ist. Sodann folgt eine Schilderung des Zustandes

Italiens. „Mittel-Italien“, heißt es, „ist einer revolutionairen Be⸗

wegung preisgegeben, an deren Spitze die Häupter jener politischen

Sekten stehen, die seit einigen Jahren die Staaten der Halbinsel be⸗ droht haben. Unter dem Banner administrativer Reformen, welche der Souverain von Rom aus unbezweifeltem Wohlwollen gegen sein Volk bewilligt hat, haben die Ruhestörer die Kraft der Sin g melt gelähmt und suchen ein Werk zu vollenden, das, ihren 4 . 6 folge, sich nicht auf den Kirchenstaat oder irgend einen Staat der Haibinsel beschränken kann. Diese Sekten verlangen ein gemein- sames politisches Oberhaupt oder wenigstens einen Staatenbund, ber unter die Kontrolle einer obersten Centralgewalt gestellt werden soll. Eine italienische Monarchie liegt nicht in ihrem Plan. Das, was sie im Auge haben, ist die Abstraction eines utopischen Radika⸗ lismus. Auf keiner Seite der Alpen giebt es einen König, der für eine solche Monarchie möglich wäre. Ihre Hoffnungen sind auf die Bildung einer föderativen Republik nach dem Muster von Nord⸗ Amerika oder der Schweiz gerichtet. Der Kaiser, unser erhabener Herr, macht keinen Anspruch darauf, eine italienische Macht zu sein. Er begnügt sich damit, das Oberhaupt seines eigenen Reiches zu sein. Einige Theile seines Reiches erstrecken sich bis jenscits der Alpen. Er wünscht (desires) sie zu behalten. Außer denselben ver⸗ langt er keine Besitzung; er wird nur seine eigenen vertheidigen. Dies, Herr Botschafter, sind die Ansichten Sr. Kaiserlichen Ma⸗ jestät; sie müssen die Ansichten jeder Regierung sein, die ihre Rechte zu erhalten und ihre Pflichten zu achten gedenkt. Wir stellen eine große Frage des Tages auf die breiteste politische Basis. Wir wün⸗ schen zu wissen, ob die großen Wächter des politischen Friedens un— sere Ansichten theilen; wir wollen keine soziale oder gouvernementale Polemik, sondern wir sprechen nur von dem, was für Könige wle für das Volk gleich schätzbar ist, und was über lang oder kurz den Frie⸗ den Europa's entscheiden muß. Dieser Gegenstand ist zu ernst, um nicht die Berufung an alle Regierungen nöthig zu machen, welche nicht willens sind, die Zukunft den unberechenbaren Folgen allgemei⸗ nen Aufruhrs Preis zu geben. Empfangen Sie ꝛc. ꝛc.“

Die Antworts-Noten Lord Palmerston's sind vom 12. August und 11. September 1847. Die letztere ist die wichtigste und lautet: „Die österreichische Regierung hat neulich die Zustimmung der Re— gierung von Großbritanien zu einem Prinzip nachgesucht und erhal— ten, daß die verschiedenen Staaten, in welche Italien getheilt ist, be⸗ rechtigt sind, ihre Unabhängigkeit zu behaupten und zu vertheidigen, und daß diese Unabhängigkeit von den übrigen Mächten Europa's unverletzlich geachtet werden muß. Indem die Regierung Ihrer Ma⸗ jestät ihre Zustimmung zu diesem unbestrittenen Satze ausdrückte, ver⸗ band sie damit einen anderen, welchen sie ebenfalls für unleugbar hält, nämlich daß jeder unabhängige Souverain ein Recht hat, in seinem eigenen Gebiete solche Reformen und Verbesserungen einzufüh— ren, die er für die Wohlfahrt des Volkes, über welches er herrscht, zuträglich halten mag, und daß keine andere Regierung berechtigt sein kann, eine solche Ausübung eines der nöthigen Attribute unabhängi⸗— ger Souverainetät zu verbieten oder zu hindern. Und die Regie⸗ rung Ihrer Majestät ist überzeugt, daß das Kabinet von Wien be⸗ reit sein muß, eine so einfache politische Wahrheit anzuerkennen. Was für Nachrichten daher auch bei der Regierung Ihrer Majestät eingegangen sein mögen in Bezug auf neuliche Vorgänge und diplo⸗ matische Mittheilungen in Italien, so ist sie doch überzeugt, daß die österreichische Regierung keine Schritte beabsichtigen kann, noch dazu ermächtigt hat, welche mit den oben erwähnten Grundsätzen streiten, und hält sich eben so überzeugt, daß weder in Bezug auf den Kö- nig von Sardinien, noch auf den: Papst die österreichische Re⸗ gierung mit der Absicht umgeht, Maßregeln innerer Gesetzgebung oder Verbesserungen in der Verwaltung, welche diese Souveraine in ihren Staaten vorzunehmen dienlich erachten mögen, zu verwandeln in irgend einen Angriff auf deren Staaten oder Nechte. Die Re⸗ gierung Ihrer Majestät würde in der That sehr bekümmert, sein über das Eintreten von Ereignissen, welche Großbritanien unmöglich mit Gleichgültigkeit ansehen könnte. Die Kronen von Großbrita⸗ nien und Sardinien sind lange durch die Bande eines treuen und engen Bündnisses mit einander verbunden, und Großbritanien kann Ansprüche, welche auf ehrenwerther Grundlage beruhen, niemals ver⸗ gessen oder zurückweisen. Die Unverletzlichkeit des römischen Staa⸗ tes kann als ein wesentlicher Bestandtheil der politischen Unabhän⸗ gigkeit der italienischen Halbinsel betrachtet werden, und kein Angriff auf das Gebiet des Staates kann stattsinden, ohne zu sehr ernstlichen und sehr wichtigen Folgen zu führen. Ew. Excellenz Cord Pon⸗ sonby) werden diese Depesche dem Fürsten Metternich vorlegen und ihm eine Abschrift derselben einhändigen.“

Die Times enthält folgende Mittheilung: „Se. Excellenz