1848 / 56 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

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Abgeordn. Grabow: Das Allg. Landrecht hat in S5. 202 bis 207 ganz spezielle Vorschriften für den vorliegenden Fall aufgestellt. Daraus ist in den Entwurf nur eine ganz allgemeine Bestimmung

sbergegangen. Das Allg. Landrecht enthält den Grundsatz, daß nur = 26. eintreten 6 falls Jemand nicht approbirt sei. Wenn nun im §. 250 des Entwurfs der Zusatz gemacht wird: ; „oder wer einem besonderen obrigkeitlichen Verbote zuwider andelt/, so 23 ich, daß dieser Zusatz unbedingt und unter allen Umstän⸗ den gestrichen werden muß, weil er, wenngleich der Herr Kommissar ihn nur auf den ersten Satz: pxwer, ohne vorschriftsmäßig approbirt zu sein, gegen Belohnung eine solche Kur vornimmt“, . . beziehen will, alsdann doch ganz überflüssig sein würde. Ein „obrig⸗ keitliches Verbot“ kann unter allen Umständen gar nicht mehr statt— haben, weil das Gesetz im Allgemeinen schon ausgesprochen hat, daß

derjenige, welcher, ohne approbirt zu sein, kurirt, in Strafe ver⸗ fallen soll. Ich halte also jenen Zusatz für überflüssig und trete, weil möglicherweise es der Fall sein kann, daß ein Arzt auch einem solchen „obrigkeitlichen Verbote“ unterworfen werden kann, dem An⸗ trage auf Streichung bei.

J Juliz nr nns Ubzen: Dem muß ich widersprechen. Es steht nicht in dem Paragraphen: „unter allen Umständen“, sondern „wenn Jemand unbefugt gegen Belohnung Kuren unternimmt.

Abgeordn. Grabow: Wie das geehrte Mitglied aus der Mark schon bemerkt hat, sind nach der vorgelegten Fassung des 5. 250 un⸗ bedingt zwei Fälle vorhanden. Gegen nicht approbirte Personen, die gegen Belohnung kuriren, soll Strafe eintreten, und gegen appro⸗ birke Personen denn das Wort wer kann sich auf Aerzte und Nichtärzte beziehen möglicherweise ebenfalls. In dem Ausdrucke liegt der Zweifel, der hier gehoben werden muß. Ich glaube, daß des „obrigkeitlichen Verbots“ zu erwähnen nicht weiter nothwendig ist, denn dies liegt schon in dem ersten Theile des Satzes, und etwas Ueberflüssiges braucht nicht aufgenommen zu werden.

Regierungs-Kommissar Bischoff: Es würde der Saß nicht er⸗ forderlich sein, wenn man die Worte; „gegen Belohnung“ streicht. Wenn man aber diese Worte beibehält, so würden alle diejenigen unbestraft ausgehen, welche ohne Konzession Kuren vornehmen und sich nicht dafür bezahlen lassen. .

Abgeordn., von Auerswald: Und Niemanden schaden. ;

Abgeordn. Dittrich: Ich habe die Bestimmung in Beziehung auf §. 194 dahin ausgelegt, daß ein richterliches Erkenntniß voran⸗ gegangen sein müsse. Deshalb hielt ich dieselbe für nothwendig; nachdem der Herr Ministerial⸗-Konimissar dieselbe aber weiter ausge⸗ legt hat, halte ich sie für überflüssig und bin für Streichung des Paragraphen. = .

Abgeordn. Fabricius: Wenn von mehreren Seiten eine ander⸗ weitige Fassung des §. 250 beantragt ist, so schließe ich mich dem, indeß in einer anderen Tendenz, als der bisher hervorgehobenen, an. Ich kann nämlich die Streichung der Worte: „oder wer einem

besonde ren obrigkeitlichen Verbote zuwider“, freilich nicht gerathen finden, weil ich unter der Bezeichnung obrigkeitliche nicht blos polizeiliche, sondern auch gerichtliche Verbote verstehe, und deren Ausschluß offenbar viel zu weit gehen würde. Dagegen halte ich höchst bedenklich, daß in dem zweiten Alinea unter Umständen sogar das Zutreten von Pfuschern oder selbst von einem Verbote betroffe= nen Personen zugelassen zu werden scheint, indem damit dem Unfuge ein freier Spielraum eröffnet würde, wie mir z. B. dergleichen Fälle von Weibspersonen, die sich mit Abtreiben der Leibesfrucht befaßten, vorgekommen sind. Personen solchen Gelichters würde mit so einer Bestimmung schon die Gelegenheit zu nicht so ganz leicht zu beseiti⸗ genden Ausflüchten gegeben werden. Mir scheint es also zweckmäßig, diesen zweiten Satz in einer zu unterstellenden Weise dahin zu re⸗ stringiren, daß unter allen Umständen solche Personen von so einer Hülfsleistung ausgeschlossen werden, deren Treiben klar mit gemeiner Gefahr verbunden ist. ;

Marschall: Würde aus dieser Bemerkung ein Antrag auf Streichung bes letzten Satzes zu folgern sein, oder ist es eine bloße gr ft , rng. ö ;

Abgeordn. Fabricius: Nein, ich wünsche gerade den zweiten Satz n rh wer keine Konzession hat, darf nie straflos bleiben können.

Abgeordn. Camphausen: Ich kehre zu dem ersten Absatze zu— rück und zu dem Bedenken, welches von zwei Mitgliedern darin ge— funden worden ist, daß die Bestimmung anwendbar erscheine auf die vorschriftsmäßig approbirten Aerzte, und zwar deshalb, weil am Ende der ersten Linie das Wort „wer“ wiederholt wird. Es würde die⸗— ses Bedenken schwinden, wenn das Wort „wer“ augsgestrichen würde und es dann also hieße: „wer, ohne vorschriftsmäßig appro⸗ birt zu sein, gegen Belohnung oder einem besonderen obrigkeitlichen Verbote zuwider“; dann würde gar kein Zweifel mehr darüber be— stehen. Was nun die Sache an sich betrifft, so bin ich ebenfalls da⸗ für, daß der Zwischensatz: „einem besonderen obrigkeitlichen Verbot zuwider“ gestrichen werde. Der hier ins Auge gefaßte Fall ist ein⸗ zig der der Wunderärzte, der Wunderkuren; wenn diese gegen eine Belohnung verrichtet werden, so verfallen sie unter den Paragraphen, denn die Wunder-Doktoren sind keine approbirten Aerzte; wenn sie aber unentgeltlich verrichtet werden, so würde die Bestimmung eine Bevormundung darstellen, die ich für überflüssig halte. Daß dadurch ein Uebel entstehen kann, ein nachtheiliger Zustand, das will ich nicht bestreiten, daß es aber zweckmäßiger sei, die Heilung des Zustandes von dem Uebel selbst zu erwarten, als der . das Recht zu ge⸗ ben, in allen Fällen, wo sie es angemessen sindet, ein Verbot eintre⸗ ten zu lassen, ist der Grund, der mich bestimmt, für Streichung der Worte zu stimmen.

Abgeordn. Frhr. von Gudenau: Ich muß mich für Beibehaltung dieser Worte aussprechen, und zwar aus den Gründen, welche der Referent angeführt hat. Ich darf mir wohl auch ein Urtheil darüber zutrauen, weil ich das Glück oder das Unglück gehabt habe, in mei⸗ nem Kreise einen Wunderdoktor zu besitzen, der einen Zulauf hatte, ber ins Unglaubliche ging. Allerdings wurde zuletzt die Heilung durch das Uebel felbst herbeigeführt, weil man sich überzeugte, daß die Kuren nichts fruchteten. Das geschah aber erst nach 6 Monaten, nachdem Tausende von Menschen gekommen waren, vergebliche Anstren⸗ gungen und Geldopfer gebracht ünd bei der nassen Jahreszeit, statt geheilt zu werden, sich andere Krankheiten geholt hatten. Der Wun⸗ berdoktor hat Belohnungen angenommen, aber auf eine so pfifsige Art, daß es ihm nicht zu her ff war. Die Verwaltung und die Behörden n n. zusehen, eben weil ihm nichts zu beweisen war. Die Sache ist übrigens noch gut gegangen. Es sind keine Unord⸗ nungen vorgekommen. Mir hat die Sache viel Mühe gemacht. Es ist aber nicht zu leugnen, daß bei einen solchen Zusammenfluß von Menschen bedeutende Unordnungen möglich sind. Deshalb muß die Verwaltung Mittel haben, im äußersten Falle, wenn es durchaus nöthig wird, allzu argem Unfug zu steuern, ohne Rücksicht darauf, ob die Annahme einer Belohnung bewiesen werden kann oder nicht.

Abgeordn. Siegfried: Ich muß mich gegen das erklären, was mein ga g aus dem Rheinlande ausgesprochen hat, weil dadurch

eradezu abgeschnitten wird, . . Jemand der Anwendung einfa⸗ * sogenannter Hausmittel befleißige, die doch anerkannt häufig mit

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gutem Erfolg angewendet werden. Ich bin kein so großer Verehrer der sogenannten Wunderdoktoren; es giebt aber doch viele Fälle, in denen sie Nutzen geschafft und gleichsam als Praxis der Wissenschaft gesagt haben; siehe, du bist auf einem Irrwege! Wir sehen auch in einzelnen Fällen, daß sogenannte Wunderdoktoren von der Wissen⸗ schaft die Anerfennung und die Bewilligung zur Praxis erhalten ha⸗ ben. Ich darf hier auch die Homöopathie, die Priesnitzsche Heil⸗ methode nennen, die doch so vielt Anhänger gefunden haben und schwerlich zu der Stufe der Ausbildung hätten kommen können, wenn ihnen von Hause aus so kategorisch feindlich entgegengetreten wäre; ich bin darum nicht dafür, daß die Wissenschaft ein solches Pri- vilegium erhalte, welches sich auch nicht einmal mit ihrer Würde verträgt.

Abgeordn. von Byla: Die Gründe, welche der Abgeordnete aus Preußen so eben angeführt, scheinen mehr für als gegen die Bei⸗ behaltung der Worte: „wer einem besonderen obrigkeitlichen Verbote

zuwider“, zu sprechen. Auch ich bin für Beibehaltung dieser Worte, jedoch aus einem anderen Grunde; es kann leicht der Fall vorkom⸗ men, daß ein nicht vorschriftsmäßig approbirtes Individuum scheinbar oder wirklich ohne Belohnung die Heilung äußerer und innerer Krankheiten unternimmt und dadurch den größten Unfug anrichtet, wie uns bereits ein Abgeordneter der Rhein⸗Provinz einen Fall mit⸗ getheilt. In einem solchen Falle muß im allgemeinen Interesse und namentlich auch im Interesse der approbirten Medizinal-Personen der Obrigkeit das Recht zugestanden werden, ausnahmsweise einem solchen Individuum, auch wenn es ohne Belohnung Heilungen unternommen, die Praxis bei Vermeidung der im §. 250 angedrohten Strafe zu untersagen. Die Abgeordneten, welche sich für Streichung der mehr erwähnten Worte ausgesprochen, haben dem Prinzip nach ganz recht, indem sie hierdurch jede Willkür der Behörden ausschließen wollen, allein in der Praxis stellt sich, wie schon gesagt, die Sache anders heraus, weshalb in dem vorliegenden Falle eine Ausnahme von der allgemeinen Regel wohl zu billigen.

Unter diesen Umständen dürfte §. 250 unverändert anzuneh⸗ men sein.

Marschall: Wir können abstimmen. Soll auf Wegfall der Worte „oder, wer einem besonderen obrigkeitlichen Verbote zuwider“, angetra⸗— gen werden? Diejenigen, welche für den Wegfall stimmen, würden es durch Aufstehen zu erkennen geben.

(Erfolgt ziemlich zahlreich.) Ich bitte, die Zählung vorzunehmen. (Dies geschieht.) . Das Resultat der Abstimmung ist folgendes: Mit Ja haben gestimmt 42, mit Nein 51.

Abgeordn. von Auerswald: 5§. 250 ist gegen ärztliche Pfusche—= rei gerichtet, und ich erkenne dies als zweckmäßig an, glaube aber auch, daß er, abgesehen von dem bestrittenen, aber angenommenen Satze, seinen Zweck erreichen werde. Indessen glaube ich doch, daß der Paragraph in vielen Landestheilen völlig illusorisch werden wird durch den Nachsatz, und trage daher auf Streichung des letzten Satzes an.

Das zweite Alineg heißt:

„Diese Bestimmung findet jedoch keine Anwendung, wenn eine solche Handlung in einem Falle vorgenommen wird, in welchem zu dem dringend nöthigen Beistande eine approbirte Medizinalperson nicht herbeigeschaft werden kann.“

Wenn dieser Satz keinen anderen Sinn enthielte, als den, wenn approbirte Medizinalpersonen nicht herbeigeschafft werden können, Jeder⸗ mann, selbst auf die Gefahr eines Nachtheils, aber ohne Belohnung,

Wenn aber dieser

Er hat sie nicht gefunden. —q . Abgeordn. Graf von Schwerin;: Habe ich jetzt das Wort? Marschall: Ueber denselben Gegenstand? Dann bemerke ich,

daß er keine Unterstützung gefunden hat. / Abgeordn. Graf von Schwerin: Die Absicht ist, glaube ich,

wohl nicht dahin gegangen, die Bestimmung ganz fallen zu lassen, sondern nur sie zu modifiziren. Das scheint auch zweckmäßig zu sein.

Die Absicht ist dahin gegangen, daß durch den Nachsatz nicht die

Bestimmung des vorigen Satzes ganz aufgehoben werde, Man muß die Verhälknisse auf dem Lande ins Auge fassen, wo in schleunigen Fällen die Zuziehung von nicht approbirten Medizinal-Personen oft nöthig ist, namentlich bei den oft vorkommenden chirurgischen Opera⸗ tionen, namentlich Aderlassen. Man muß aber den Satz so stellen, daß nicht dem obrigkeitlichen Verbote zuwider und nicht, wo es ge⸗ werbgmäßig betrieben wird, die Handreichung stattfinden darf. Ich i. also, daß die Absicht des Abgeordneten aus Preußen nur da⸗ in gegangen ist, den Satz so zu modifiziren, daß nicht die ganze Bestimmung des Vordersatzes aufgehoben werd. Abgeordn. von Auerswald: Dies war allerdings meine An⸗ sicht, und ich würde einverstanden sein, wenn bei der Fassung berüd— sichtigt wird, daß ein gewerbsmäßiger Betrieb nicht stattsin=

ben dürfe, 4 Justiz⸗Minister Uhden: Durch die Fassung „gegen vor-

bebungene Belohnung“ könnte vielleicht dem Antrage entsprochen werden.

Marschall: 5. 2511!

Referent Abgeordn. Freiherr * Mylius (liest vor):

„8. Wi.

Medizinal-Personen, welche in Fällen einer dringenden Gefahr ohne hinreichende Ursache ihre Hülfe verweigern, sollen, wenn in Folge der verweigerten Hülfe ein erheblicher Nachtheil für den Kranken entsteht, der Befugniß zur ferneren Praxis für immer oder auf Zeit verlustig erklärt werden. .

In milderen Fällen ist der Richter ermächtigt, auf Geldbuße bis zu fünfhundert Thalern zu erkennen.“

Das Gutachten lautet:

8 *.

Es ward der Antrag gestellt, den Paragraphen zum Wegfall in Vorschlag zu bringen.

Denn es sei eine solche Strafbestimmung gegen Aerzte, deren Beruf in der Ausübung eines freien Gewerbes bestehe, keinesweges motivirt, wie denn Andere, namentlich Advokaten und Notarien, deren Beruf eine bestimmte Wissenschast und Kenntniß, in gleicher Weise wie dies bei den Aerzten geschehe, voraussetze, mit keiner ähnlichen Strafbestimmung bedroht worden; dann sei auch die Begriffsbestim— mung desjenigen, was hier eigentlich verboten worden, viel zu unge⸗ nau, indem die Beurtheilung, was „dringende Gefahr“, „ohne Ur— sache verweigerte Hülfe“ und „als Folge derselben entstandener er⸗ heblicher Nachtheil für die Gesundheit sei“, durch Strafrichter nicht füglich erfolgen könne; endlich auch sei die Bestimmung unnütz, in— dein das Publikum sich gegen gewissenlose Aerzte selber, sicherstelle, namentlich wenn die Tisziplinargewalt des Staates die Fälle der Sorglosigkeit oder Pflichtwidrigkeit konstatire, . .

Die Abtheilung ließ sich jedoch hierdurch nicht besimmen. . berücksichtigte, daß der Schutz des Publitums, namentlich der Schutz unvermögender Kranken, Strafbestimmungen wie die vor geschlagene nothwendig mache, daß aber in Gegenden, wo noch, Mangel an Aerzten sei, eine jede Verweigerung eines um seinen Beistand ersuch· ten Arztes, wegen der nicht zu vermeidenden erheblichen Nachtheile, immer als eine Pflichtwidrigkeit erscheine.

Sie hat daher den Antrag,

den §. 251 zu streichen, .

mit 13 gegen ? Stimmen und einen ferneren Antrag, den lebens= länglichen Verlust der Praxis als Strafe wegfallen zu lassen, mit gleicher Majorität abgelehnt, indem sie hier, erwog, daß bei der großen Gefährlichkeit ärztlicher Pflichtwidrigkeit die Untersagung der Ausübung des ärztlichen Berufes das einzige sicher wirksame Mit⸗ l fe. . .

Ich wiederhole hier den Antrag, den Paragraphen in Wegfall zu bringen. Hauptsächlich war gegen denselben angeführt worden, daß sich das Bedürfniß herausgestellt habe, einen solchen Paragra⸗

phen in das Gesetz aufzunehmen; ich glaube aber, daß ein solches

Bedürfniß nicht vorliegt. Ich beziehe mich namentlich darauf, daß, wenn ein solches Bedürfniß vorläge, es auch im Wesen der Sache begründet wäre. Alle übrigen Gesetzgebungen, namentlich die fran⸗ zösische, haben das Bedürfniß nicht anerkannt, und ich glaube, daß es die deutsche ebenfalls nicht anerkennen wird. Ich gebe zu erwa gen, daß an einer anderen Stelle des Gesetzes darauf Bezug genom— men ist, daß gerade die Standesverhältnisse ein besond res Zartge fühl in Anspruch nehmen, und daß gerade die Rücksicht auf die gan— zen Ständen, nämlich zu gemeinschaftlichem Berufe verbundenen Per— sonen schuldige Achtüng, der Grund sei, weshalb, wo diese Achtung verletzt, jedes der Standes ⸗-Mitglieder eine Klage erheben dürfe. Wenn ein solches Zartgefühl in Bezug auf bestimmte Stände existint, soll uns das nicht abhalten, wären auch einzelne Pflichtwidrigkeiten vorgekommen, auch den ganzen Stand der Aerzte mit einer solchen Strafe zu bedrohen? Ich bitte zu erwägen, daß der Stand der Aerzte auf wissenschaftlichem Boden steht, und, abgesehen von der Achtung vor dem Stande, auch die Achtung vor der Wissenschaft uns abhalten möge, die deutsche Wissenschaft in Teutschland geringer zu stellen, als es das Ausland gethan hat. . Abgeordn. Neumann: Ich trete zunächst. allem demjenigen bei, was der Herr Referent so eben ausgeführt hat, und erlläre mich für sten gänzlichen Wegfall des 8. 251, weil ich glaube, der Humanität unserer Äerzte vertrauen zu können, daß es einer solchen Strafbe⸗— dimmung, welche seither nicht existirt hat, für sie nicht bedürfe. Wenn gessenungeachtet dieser Antrag auf gänzliche Entfernung des Para— braphen nicht zur Geltung gelangen sollte, so würde ich mir erlau den, auf das wieder zurückzugehen, was schon früher in einer der Sitzungen, wo man sich mit einem ähnlichen Gegenstande beschäftigte, hier bestimmt worden ist, und was sich auf gleichartige Fälle bezog, indem es sodann zur Frage kommen muß, ob die Entziehung der Befugniß zur Praxis auf immer oder auf Zeit gerechtfertigt sei. Dies muß ich bestreiten. Es ist schon damals von mir auszuführen versucht worden, daß der Arzt dem Staate gegenüber nicht in dem Verhältnisse steht, daß es gerechtfertigt wäre, ihm die Praxis ganz oder theilweise zu entziehen, weil er zunächst nur Privatperson und Mann der Wissenschaft ist, der nur seine Qualification dem Staate zu erweisen hat, der sich im Uebrigen seiner weiter nicht annimmt. Es können nun allerdings Rücksichten mancher Art eintreten, die es für den Staat wünschenswerth machen, eine Bestimmung, wie die hier in Rede stehende, zu treffen; aber ich erinnere an dasjenige, was der Herr Referent bereits gesagt hat, wie bedenklich es sei, einen ganzen Stand, und zwar einen ganzen Stand aus wissenschaftlich ebildeten Männern bestehend, hier unter ein solches Strafgesetz zu stellen. Wenn aber auch dies nicht zur Geltung gelangen und eine Strafbestimmung erlassen werden sollte, so muß ich endlich noch dar⸗ auf aufmerksam machen, wie höchst unbestimmt die Fassung die ser ganzen Bestimmung überhaupt ist. Wie soll der Richter beurtheilen, ob eine dringende Gefahr vorhanden war, wie kann es der Arzt selbst zu der Zeit, wenn er gerufen wird, wissen? Wie kann der erhebliche Nachtheil“ einen Einfluß auf die Bestrafung haben, da keine Strafe doch von dem Erfolge allein abhängen darf, und warnm soll es denn dem Richter überlassen sein, zu beurtheilen, ob vielleicht ein milderer Fall vorhanden gewesen sei? Worauf wollte dieser sein Urtheil grün den? Ich würde also zunächst mit dem Herrn Referenten auf. Strei- chung des Paragraphen antragen, dann würde ich einen besonderen Antrag dahin richten, daß die Entziehung der Praxis auf Zeit oder für immer ganz in Wegfall gebracht würde, und endlich 6 ich wenigstens für eine angemessenere Fassung der ganzen Vorschrift immen. n Regierungs- Kommissar Bischoff:; Ich habe Folgendes zu be⸗ merken. Zunächst ist gesagt worden, es würde das Zartgefühl des Standes verletzt, wenn die Bestimmung aufgenommen würde. Gerade die Aerzte haben besondere Pflichten sie stehen zum Gemeinwesen in einem analogen Verhältnisse;, wie die Beamten, und wie über die Verbrechen der Beamten Bestimmungen in das Gesetz aufgenommen werden, ohne in Ansehung dieses Standes derartigen Bedenken Raum zu geben, glaube ich auch, daß, ohne besorgen zu dürfen, einen ehren- sverthen Stand zu verletzen. die Gesetzgebung, wenn sie andergrseits Veranlassung zu solchen Bestimmungen sindet, befugt und verpflichtet ssi, dasselbe auch in Ansehung ter zlerzte zu thun. Sodann ist ge⸗ sagt worden, es fände sich diese Bestimmung in der bestehenden Ge⸗

setzgebung nicht; man hat bezweifelt, ob genügende Veranlassung zur Aufnahme derselben vorhanden sei. Allein es hat sich die Veran⸗ lassung dazu durch die Erfahrung ergeben; es hat das Medizinal= Departement mehrere Fälle dieser Art angezeigt; in Folge dessen hat man diese Bestimmung aufgenommen, man ist zu derselben durch das Bedürfniß nicht auf dem abstraktem Wege der Doktrin gelangt.

Ferner ist erwähnt worden, es sei die Bestimmung ungenau, ohne Gränzen. Indessen glaube ich, daß der Thatbestand des Ver⸗ gehens, als solcher, deutlich angegeben ist, das Weitere muß dem Richter überlassen bleiben; er wird am besten ermessen, inwiefern der Fall des Paragraphen vorliegt. In vielen Fällen lassen sich die faktischen Gränzen eines Vergehens nicht zum voraus genau prazi⸗ siren; es muß mehr oder weniger dem richterlichen Urtheil vertraut werden.

Endlich ist gesagt worden, es stände dem Staate überhaupt nicht zu, einem Arzte die Praxis zu untersagen. Indessen bemerke ich, daß darüber die bestehende Gesetzgebung gar nicht in Zweifel ist. Die Aerzte gehören zu den , welche vom Staate

ihre Approbation und Konzession bekommen, sie können sie unter gewissen Umständen verlieren, sie kann ihnen im Ver⸗ waltungswege entzogen werden. Gerade aber, weil dies der

Fall ist, könnte nur noch die Frage entstehen, ob es überhaupt im Kriminalrechte einer solchen Bestimmung bedürfe, und deshalb bitte ich um Erlaubniß, auf das bestehende Recht in dieser Beziehung nä⸗ her eingehen zu dürfen. Die neue Gewerbeordnung vom Januar 1845 sagt im 5§. 42: ; „Aerzte, Wundärzte, Augenärzte, Zahnärzte, Geburtshelfer, Apo— theker und Unternehmer von Privat-Kranken- und Pꝛrivat⸗Irren⸗ Anstalten bedürfen einer Approbation des Ministeriunis der Medi⸗ zinal-Angelegenheiten.“ Hiernächst wird weiter im §. 71 über den Fall Bestimmung getroffen, wo diese Personen der Konzessien verlustig gehen sollen, und da heißt es: ̃ „Die in den §8. 42 bis 55 erwähnten Konzessionen, Approbationen und Bestallungen können von der Verwaltungsbehörde zurückgenom⸗ men werden, wenn die Unrichtigkeit der Nachweise dargethan wird, auf deren Grund solche ertheilt worden, oder wenn aus Handlun— gen oder Unterlassungen des Inhabers der Mangel der erforderli— chen und bei Ertheilung der Konzession u. s. w. vorausgesetzten Eigenschaften klar erhellt. Inwiefern durch die Handlungen oder Unterlassungen eine Strafe verwirkt ist, bleibt der richterlichen Beur—⸗ theilung überlassen.“ .

Es ist also in diesem 8. 71 gesagt worden, daß, wenn sich spä— ter ergeben sollte, es hätten diese Personen nicht die vorausgesetzten Eigenschaften, alsdann die Disziplinarbehörde ihnen die Approbation entziehen kann. Unter dem Ausdruck „vorausgesetzte Eigenschaften“ werden zunächst und hauptsächlich nur die technischen Eigenschaften zu verstehen sein, so daß es sich vorzugsweise darum handeln wird, ob derjenige, welcher die Approbation erhalten hat, auch wirklich in telligent, ob er fähig ist und Erfahrung genug besitzt, die Kunst aus— zuüben. „Andererseits läßt sich behaupten, daß des auch auf die für die Ausübung des Berufs vorausgesetzten moralischen Eigenschaften in dem Sinne würde ausgedehnt werden können, daß einem Arzte, welcher seinen ihm bei der Approbation in dieser Hinsicht ausdrücklich auferlegten Verpflichtungen entgegenhandelt, also namentlich die ver— langte Hülfe nicht leistet und dies mehrfach unterläßt, alsdann auch aus diesem Grunde die Approbation entzogen werden könnte. Allein jedenfall ist gewiß, daß in Folge einer einzeln stehenden Handlung der letzteren Art die Disziplinarbehoͤrde sich nicht veranlaßt sinden könnte, die Approbation zurückzunehmen; es würde immer das Habituelle als Bedingung vorausgesetzt werden müssen, und Letzteres wird gewöhn⸗ lich sich nicht mit Bestimmtheit darthun und nachweisen lassen. Es entsteht also die Frage, ob es nicht gewisse Fälle dieser Kategorie giebt, wo, abgesehen von der Disziplinargewalt und dem Disziplinar⸗ verfahren, das Gesetz ausdrücklich sagen muß, daß unter gegebenen Voraussetzungen der Arzt der Praxis auf Zeit oder für immer ver— lustig gehen müsse. Auch in dieser Hinsicht waltet eine gewisse Ana— logie zwischen Beamten und Aerzten ob. In Ansehung der Beam⸗— ten ist im Entwurfe angenommen, daß über Disziplinarvergehen der Beamten keine Bestimmung in das Strafgeserbuch aufzunehmen sei; es sind nur einzelne besonders schwere Fälle im Entwurfe unter eine ausdrückliche Strafe gestellt und dem Kriminalrichter überwiesen. Aehnlich verhält es sich in Ansehung der Aerzte. Was den Fall betrifft, der im §. 251 vorausgesetzt ist, so glaube ich, daß in der Beschrän⸗ kung, wie die Bestimmung hier gefaßt ist, es kein Bedenken haben kann, den Fall unter eine strengere Strafe zu stellen und der richter⸗ lichen Beurtheilung zu überweisen. Denn erstens wird vorausge— setzt dringende Gefahr, zweitens, daß der Arzt ohne alle hinrei— chende Ursache die Hülfe verweigert hat, und endlich drittens, daß in dem Falle der verweigerten Hülfe ein erheblicher Nachtheil für den Kranken wirklich entstanden ist. Das ist der Thatbestand, der im Gesetze vorausgesetzt wird. Nimmt man noch dazu, daß in milderen Fällen Geldbuße ohne Minimum zulässig ist, so glaube ich, daß es kein Bedenken haben kann, den Paragraphen anzunehmen.

Abgeordn. Zimmermann: Vor nicht langer Zeit haben wir von der Ministerbank gehört, daß der Arzt in die Kategorie der Beamten nicht zu stellen sei, auf der anderen Seite aber hören wir heute aus demselben Munde unter Bezugnahme auf andere Gesetze, daß die Disziplinarbefugniß der Behörden so weit gegen den Arzt gehe, daß ihm die Approbation und damit die Praxis auf immer ent⸗ zogen werden kann. Ich kann dies nicht für einen erfreulichen Zu— stand unserer Gesetzgebung halten. Die Reglements über die Prü⸗— fungen der Aerzte sind so ausführlich, so gründlich, geben so strenge Bestimmungen über den Nachweis der Qualification, daß, sobald der Staat dem Arzte einmal die Approbation verliehen hat, durch die er ihn eben verpflichtet und berechtigt hat, bestimmte Obliegenheiten zu erfüllen, ihm eine solche Befugniß nicht im Disziplinarwege entzogen werden dürfe; ich bin vielmehr der Meinung, wenn der Arzt sich nur gesetzlich bewegt, daher keiner der Fälle eintritt, die im Strafrecht positiv vorgesehen sind, ihm die Approbation im Disziplinarwege nicht entzogen werden darf. ö

Die Entziehung solcher Rechte, die Jemand unter der Garantie des Staats erworben hat, die ihm die Mittel gewähren sollen, sich und den Seinigen den Lebens-Unterhalt zu verschaffen, kann nur durch das Strafrecht ausgesprochen werden, nicht durch Disziplinargewalt. Durch die Approbation wird die ganze Lebensbahn bestimmt, durch Entziehung der Approbation wird sie gänzlich gestört. Was aber den speziellen Fall des 5. 251 anlangt, so setzt derselbe sür eine be⸗ stimmte Fahrlässigkeit eine besondere Strafe fest, wo der Arzt seine Pflichten unter gewissen Bedingungen verabsäumt. Es fragt sich nun: Kann der Arzt überhaupt fahrlässig handeln und dadurch Scha— den anrichten? Diese Frage ist unbedenklich zu bejahen, und es fragt sich nur ferner, ob unsere allgemeinen Gesetze diesen Fall hinreichend vorgesehen haben? Und diese Vorsicht finde ich im vorliegenden Ent— wurfe in dem 5. 249 auf das vollkommenste beachtet; denn dieser Paragraph sagt ganz allgemein:

„Wer durch Fahrlässigkeit einen Menschen körperlich verletzt oder ö der Gesundheit beschädigt, soll mit Geldbuße bis zu zweihundert Thalern oder mit Gefängniß oder Festungshaft bis zu

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Diese Bestrafung soll nur auf den Antrag des Verletzten statt⸗ finden, insofern die Verletzung nicht mit Uebertretung einer Amts⸗ oder Berufspflicht verübt worden ist.“

Hieraus folgt, daß auch die Fahrlässigkeit des Arztes keineswe⸗ ges straflos bleibt. Es entsteht daher die weitere Frage: Ist es nothwendig, für den im 5. 251 angedeuteten speziellen Fall besondere Strafbestimmungen zu treffen und dem ärztlichen Personal also be⸗ sondere Pflichten aufzuerlegen? Eine solche Nothwendigkeit setzt der Entwurf voraus, und es ist nur zu bedauern, daß die mangelhaften Motive uns so wenig Auskunft über ihre Begründung geben.

(Allgemeines Murren)

Ja, meine Herren, die Motive sind bei diesem Entwurfe höchst

dürftig.

ferner ohne hinreichende Ursache die Hülfe verweigert haben! Was

Wenn

(O! Oh Wird das bezweifelt, meine Herren, so beziehe ich mich auf die allgemeine Erfahrung, daß ein Mensch unter solchen Umständen von plötzlich vorübergehenden Ercignissen am folgenden Tage häufig keine vollständige Erinnerung hat.

bei fahrlässig verübten Körperverletzungen kann, wegen Verletzung des besonderen Amts-Berufes oder der Gewerbspflichten, zugleich auf Amtsentsetzung oder auf zeitigen oder immerwährenden Verlust der Befugniß zum selbstständigen Betrieb der Kunst erkannt werden, wenn entweder besonders erschwerende Umstände vorliegen oder der Thäter sich im Rückfalle befindet. Hiernach finde ich, daß in dem vorliegenden Gesetz-Entwurfe auch den erheblichen Fällen, die in §. 251 fallen können, hinlänglich vorgesehen ist, und ich muß des— halb die Streichung des §. 251 ebenfalls in Antrag bringen.

Abgeordn. Camphausen: Ich habe aus der Ausführung des Herrn Regierungs- Kommissars nicht entnehmen können, daß diese Strafbestimmung bereits im bestehenden Rechte eine Stelle gefunden habe. Sie ist nicht aufzufinden, im Allgemeinen Landrechte; sie ist nicht im rheinischen Rechte aufzufinden, und es ist nur nachzuweisen versucht worden, daß gewisse Bestimmungen in den bestehenden Ge— setzen enthalten seien, die es zulassen, einen solchen Paragraphen auf— zunehmen. Es ist uns also ein vollständig neues Strafgesetz vorge⸗ legt und deshalb der dringendste Grund vorhanden, zu fragen, ob Veranlassung dazu vorhanden, und inwiefern sie begründet sei? Daß eine solche Veranlassung nun vorliege, bestreite ich auf den Grund zahlreicher Mittheilungen und Aeußerungen, die mir gemacht worden sind; ich bestreite aber auch, daß es von der anderen Seite nachgewiesen worden. Das Einzige, was angefährt worden ist, war, daß einige Fälle vorgekommen seien; ob diese aber der Natur waren, um in §. 251 zu passen, und ob, wenn sie dahin gepaßt hätten, es möglich gewesen wäre, sie durch §. 251 zur Strafe zu ziehen, darüber fehlt uns die Nachweisung, so wie uns überhaupt als Ma⸗— terial zur Beurtheilung der vorgelegten Strafgesetze eine Statistik, wie ich schon bei anderer Veranlassung erwähnt habe, gänzlich fehlt. Es würde be⸗ sonders in dem Falle, wo ein neues Vergehen in das Strafgesetzbuch aufgenommen werden soll, für uns Alle erforderlich sein, daß uns auch genau dargelegt werde, wie eigentlich der thatsächliche Zustand im Lande ist, damit wir nicht auf die allgemeine dunkele Vorstellung eines Bedürfnisses hin eine so wichtige Bestimmung treffen. Ich habe aber einen Beweis dafür anzuführen, daß eine dringende Ver⸗— anlassung bisher nicht vorhanden gewesen ist. Aus der Ueberschrift oder Seitenbemerkung des Allgemeinen Landrechts zu den 5. 505 508 Titel 20 zweiten Theils, welche von Personen handeln, die, ohne Offizianten zu sein, dem Gemeinwesen besonders verpflichtet sind, und wozu auch die Aerzte gehören, aus dieser Ueberschrift hat die Ver⸗ waltung das Recht sich zugemessen, die Aerzte einem disziplinarischen Verfahren zu unterwerfen. Sie hat in vielen Fallen unbedenklich dieses Recht und eine Strafgewalt ausgeübt. Wohlan, dazu ist die Verwaltung noch nicht gekommen, für die im §. 251 vorgesehenen Fälle eine Strafverordnung zu erlassen; eine solche besteht nicht. Wäre aber Veranlassung zu diesem Paragraphen vorhanden, so wird man zugeben miüssen, daß er in der vorgeschlagenen Art den Zweck nicht erreichen kann, daß er unausführbar sei. Und in weiterer Ent wickelung der Bemerkungen, die bezüglich hierauf schon vorgetragen wor⸗ den sind, bitte ich, noch einige Worte eee, . zu dürfen, und zwar zuerst hinsichtlich des Ausdrücks dringende Gefahr.“ Unter hundert Fällen, wo der Arzt gerufen wird, sindet er nicht fünf, bei denen

Einem Jahre bestraft werden.

wirkliche Gefahr im Verzuge vorhanden war. Wo ein Schlagfluß

angekünbigt war, findet er Ohnmacht oder Krampf, wo Unterleibsent⸗ zündung angekündigt war, sindet er häufig eine Kolik.

36. . Gelächter.)

Die Beurtheilung der Dringlichkeit geht nur von dem Franken oder von der Familie oder von dem Rufenden aus. Es müßte dem Arzte, wenn der Billigkeit genügt werden soll, die Dringlichkeit der Gefahr nachgewiesen werden. Häufig verweigert der Arzt aus Gründen zum Besten der Kur, namentlich bei Damenkrankheiten und bei solchen, die mit der Gemüthsstimmung zusammenhängen, auf jeden Ruf zu erscheinen, weil er zu erkennen geben will, daß er den Fall nicht bedenklich erachte. Wenn nichtsdestoweniger ein unvorhergesehener Umstand, eine plötzliche Verschlimmerung eintritt, soll der Arzt die Schuld tragen? Der Ausdruck. „dringende Gefahr“ zwingt den Richter, in die schwierigsten Fälle der Wissenschaft einzugehen. Ueber die Frage, ob beim Schlagflusse eine augenblickliche Blutentziehung eintreten müsse, ob bei schwerer Kopfverletzung Trepanation erforderlich sei, darüber bestehen unter den Sachverständigen entgegengesetzte Ansichten. Wenn aber der Beweis geliefert worden wäre, daß eine dringende Gefahr vorhanden war, so müßte auch noch der Beweis geliefert werden, daß der Arzt daran geglaubt hat, oder daß er nach der Eigenthümlichkeit und nach den Mittheilungen des Rufenden daran glauben mußte. Die Schwierigkeiten steigen durch die Bedingung, daß ein „erheblicher Nachtheil“ für die Gesundheit entstanden sein muß; man braucht nur wenigen Gerichtsverhandlungen beigewohnt zu haben, um sich zu überzeugen, daß es unendlich schwierig ist, durch Aerzte die Nachtheile ohne Widerspruch feststellen zu lassen, welche Folgen einer Verletzung, einer Krankheit, eines Vergiftungs⸗Versuches gewesen sind. Ich kann mich wegen dieser Schwierigkeiten nicht nur auf alle Richter, sondern auch auf die Redaktoren des Gesetzentwurfes selbst berufen und er⸗

wähne nur, daß man z. B. bei 6. 233 diese Schwierigkeiten hat durchhauen müssen, indem dort é»gesagt ist: „Der Thatbestand der Tödtung ist als vorhanden anzunehmen, ohne Rücksicht darauf, ob der tödtliche Erfolg einer Verletzung durch zeitige und zweckmäßige Hülfe hätte verhindert werden können, oder ob eine Verletzung dieser Art in anderen Fällen durch Hülfe der Kunst geheilt worden, in⸗ gleichen ob die Verletzung nur wegen der eigenthümlichen Leibes⸗ beschaffenheit des Getödteten oder wegen der zufälligen Umstände, unter welchen sie zugefügt wurde, den tödtlichen Erfolg gehabt hat.“ In diesen Worten ist das Bekenntniß niedergelegt, daß es unendliche Schwierigkeiten hat, einen Prozeß zu Ende zu führen, wobei der Nachweis geliefert werden muß, inwiefern erhebliche Rachtheile ent⸗ standen sind aus einer bestimmten Ursache, oder inwiefern sie auch aus einer anderen Veranlassung haben entstehen können. Um über diesen Berg hinüber zu kommen, hat man sich im 85. 233 entschlossen, gar keine Rücksicht darauf zu nehmen. Ich hätte über den dritten Ausdruck „hinreichende Ursache“ noch das zu sagen, daß es hart ist für den Arzt, wenn von ihm verlangt werden soll, daß er beweise, eine hinreichende Ursache gehabt zu haben, während der Regel nach die Anklage zu beweisen hätte, daß er keine hinreichende Ursache hatte. Wenn der Arzt sich unwohl fühlt und das Haus hüten will, da⸗ mit nicht aus einem kleinen Uebel ein größeres werde, wie soll er es vor dem Richter beweisen, wenn er geglaubt hat, sich selbst hel⸗ fen zu können, und deshalb keinen anderen Arzt benutzte? Soll es als hinreichende Ursache angesehen werden, wenn der Arzt sich er⸗ schöpft, ermüdet, wenn er sich abgestumpft fühlt? Soll es als hinreichende Ursache angesehen werden, wenn der Arzt dem Rufe wegen angeblich dringender Gefahr nicht folgt, weil er zugleich von einer Familie gerufen wird, deren Arzt er seit langen Jahren ist und die großes Vertrauen in ihn setzt, obgleich in dem Augenblicke in dieser Familie keine dringende Gefahr vorhanden ist? So viel zur Bestätigung der aufgestellten Behauptung, daß die Strafbe⸗ stimmung des §. 251 in der Praxis ungemein schwer ausführbar sein wird. Man möge mir nun nicht einwenden, daß die Schwierigkeit des Beweises auch die Gefahr für den Arzt vermindere, ö zu werden; ich finde darin nur einen Grund dafür, auf den Para⸗ graphen überhaupt zu verzichten. Wenn das Bedürfniß wirklich und dringend besteht, so muß es auch möglich sein, ein Strafgesetz zu fassen, welches Sicherheit dagegen gewährt, und wodurch es mög- lich ist, die Handlung zur Strafe, zu ziehen. Wenn eine solche Strafbestimmung nicht getroffen werden kann, wenn man sie für nicht möglich erklärt, so ist das ein Beweis, daß das Bedürfniß sich nicht dringend herausgestellt hat, jedenfalls ist es ein Grund dafür, daß man lieber auf ein Strafgesetz verzichten soll, als daß man ein solches in die Welt setzt, welches nur die Folge hat, anklagen, aber nicht die Folge, verurtheilen zu können. Dazu habe ich eben zu be—⸗ merken, daß nicht blos die Gefahr wegen der Verurtheilung die⸗ jenige ist, welche die Aerzte zu beanstanden haben, sondern vor allen Dingen die Gefahr, auf Grund einer solchen Bestimmung in An⸗ klagezustand gesetzt zu werden. Ferner aber kann es den Aerzten des Landes nicht gleichgültig sein, ob ein unmotivirtes, überflüssiges und exceptionelles Strafgesetz gegen sie in das Strafgesetzbuch des Landes aufgenommen werde; ein Strafgesetz, welches gewissermaßen ein Zeugniß für die gesunkene Sittlichkeit im ärztlichen Stande ent⸗ hält, und diesem Gefühle muß ich es zuschreiben, daß beinahe alle Aerzte der Rheinprovinz, unter ihnen unsere berühmtesten Ramen, unter ihnen der Regierung befreundete Beamte, unter ihnen die Professoren unserer Universitätsstadt, sich an mich gewendet haben, um der bedrohten Ehre ihres Standes in Ihrer Mitte

das Wort zu reden. Meine Herren, man macht häufig ben constitutionellen Kammern anderer Länder den Vorwurf, daß

sie sich vorzugsweise mit den Interessen derjenigen beschäftigen, die in ihrer Mitte sitzen. Einen solchen Vorwurf wird man den ständischen Versammlungen in Preußen nicht machen, aber wir haben doppelten Grund, uns davor zu schützen, weil viele Stände, viele Klassen der Gesellschaft unter uns nicht vertreten sind und nicht vertreten werden können. Es sitzt kein Arzt unter uns; er kann unter uns nicht sitzen, (Unruhe in der Versammlung)

wie hoch er auch an Bildung, wie hoch er auch in der Achtung seiner Zeitgenossen stehe, den einzigen Fall ausgenommen, wo er ich den Besitz eines bevorrechteten Grundeigenthums verschafft hat. Nichts⸗ destoweniger ist der ärztliche Stand auch ein Stand. und zwar ein ehrenwerther Stand, ein Stand, der im anderen Sinne auch seine Verfassung, der seine ständischen Rechte und seine Standesehre hat. 8. 5 greift diefe Verfassung an, er greift die ständischen Rechte der Aerzte an, er greift ihre Standesehre an, Alles Worte, welche sonst den lebhaftesten Anklang finden, wenn sie in unserer Mitte aus- gesprochen werden. Wenn daher §. 251 auch wirklich ausführbar wäte, so würde uns doch die Frage entgegentreten, nach dem Rechte der Gesellschaft eine solche Strafbestimmung zu erlasfen, und ein solches Recht bestreite ich. Wenn man den Eid anführt, den die Mente bei Antritt ihres Berufes abzulegen haben, und worin = loben, rücksichtslos bei Tag und Nacht zu helfen, so antworte ich, welcher Unterschied besteht zwischen einer solchen sittlichen Berpflich= tung und einem Strafgesetz, wie es hier vorliegt, und wodurch einem jeden Bürger des Staates das Recht eingeräumt werden soll, den Arzt zu zwingen, ihm Hülfe zu leisten und ihn in Anklagestand zu verfetzen, wenn er es nicht thäte; welcher Unterschied, ob der Arzt im Gefühle seiner pf erfüllt von Eifer für die leidende Mensch⸗ heit, seinem Berufe folgt, oder ob, wenn er in der Nacht zu einem