1848 / 56 p. 3 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

Kranken eilt, derjenige, welcher ihn gerufen hat, an seiner Seite vielleicht den Gedanken hegt; Du gehst nur mit mir, weil Du fürchtest, in Anklagestand versetzt zu werden, in Folge von 8. 251 bes Strafgesetzes. Welch ein Sprung von der Verletzung einer ge⸗ wissermaßen sittlichen Pflicht zu der Strafe, welche 8. 251 androht. Ueber diese Strafe kann ich mich weiterer Bemerkungen enthalten, denn in vorigen Abstimmungen hat die Versammlung schon erklärt, daß sie nicht so leicht darauf eingehen werde, eine so schwere Strafe, wie der Verlust der Praxis ist, eintreten zu lassen.

Ich komme zuleßt nochmals auf das Bedürfniß zurück. Ein solches Bedürfniß kann in keinem Falle hinsichtlich der Reichen bestehen, es kann nur bestehen hinsichtlich der Armen, und es würde sich fragen, ob die Disziplinargewalt, welche der Re— ierung zusteht, für die Ahndung der verweigerten Hülfe in solchen Fällen nicht ausreicht. Der Herr Kommissar hat uns nun, glaube sch, vorgetragen, daß diejenige Disziplinargewalt, welche die Regie⸗ rung zu haben glaubt, mehr als ausreicht, denn sie geht nach der Ansicht des Herrn Kommissars bis zur Entziehung der Konzessien. Jedenfalls muß sie ausreichend sein und ist ganz ausreichend für diesenigen Aerzte, welche zugleich angestellt sind, für Kreisärzte und angestellte Armenärzte, also gerade für diejenigen, welche auch dazu berufen sind, die Verpflichtung gegen Arme und Nothleidende vor⸗ zugsweise zu erfüllen. Ist nun noch das Bedürfniß vorhanden, auch den übrigen Aerzten die Verpflichtung aufzulegen, so müßte doch wahrlich dieser Pflicht auch ein Recht gegenüber gestellt werden. Wenn man daher der Ansicht ist und behaüpket, daß die Dis ziplinar- gewalt der Regierung nicht so weit gehe, so scheint es mir doch unerläßlich, daß diese Männer vor der Willkür und den Launen des Publikums geschützt werden, und daß, wenn sie verpflichtet sind, sie auch zur Egfüllung der Pflicht im speziellen Falle aufgefordert sein müssen, um sstraffällig zu werden. Alle Gesetze über das Armenwesen beruhen darauf, daß, wer in Noth gerathen ist, sich an die Gemeinde⸗ oder Armenbehörde zu wenden hat, um Unterstützung zu erlangen; weshalb soll hier ausgeschlossen sein, daß der Arme, der sich in Gefahr befindet, sich an die Ortsbehörde, an die Armenbehörde wendet, um die Verfügung zu erhalten, daß, falls ein Armen ein Kreisarzt nicht da wäre, ihm durch jeden anderen Arzt geholfen werden müsse. Es könnte eine solche Bestimmung getroffen werden, durch Anschluß an den Artikel 152 in den Polizei⸗Vergehen, indem dort der Fall mit vorgesehen würde, und ich glaube daher mit gutem Grunde darauf antragen zu können, daß der Paragraph hier ge— strichen werde, und daß, insofern die Regierung dabei verharrt, zu glauben, diejenigen Fälle, die vorgekommen sind, nicht auf dem Dis⸗ ziplinarwege beseitigen zu können, dann die Versammlung sich vorbe⸗ halte, im §. 452 eine entsprechende Bestimmung hinsichtlich der Medizinalpersonen einzuschalten.

JustizsMinister Uhden: Zur Unterstützung des Entwurfes will ich nur wenige Worte sagen. Es ist gewiß Keiner unter uns, der den ehrenwerthen Stand der Aerzte nicht hoch schätzte. Es werden auch gegen Aerzte, welche ihre Pflicht thun, keine Strafgesetze er= lassen, sondern nur die Fälle pflichtwidriger Handlungen derselben werden mit Strafe bedroht. Ich muß darauf aufmersam machen, daß der Arzt, ehe er zur Praxis gelassen wird, eine bestimmte Approbation und Konzession von der Regierung erhält, daß er eidlich verpflichtet wird, und daß in diesem Eide namentlich aufgeführt ist, daß er un—⸗ weigerlich bei Tag und Nacht Hülfe leisten muß, wo und von wem sie auch erfordert wird. Es kann dies nicht als ein bloßes sittliches Moment angenommen werden, welches ihn dazu verpflichtet, sondern es ist ihm geboten, er hat mit unter dieser Bedingung die Erlaubniß zur Praxis erhalten. Es ist ferner gesagt worden, es wäre sehr schwer, alle Voraussetzungen der Strafbarkeit nachzuweisen; das ist richtig, es soll auch nicht unter allen Umständen eine Strafe eintreten können. Daß aber solche Fälle vorkommen können, ist nicht zu be⸗ zweifeln, ich will mir erlauben, einen anzuführen. Es wurde zu einem Arzte des Morgens geschickt, nachdem er schon aufgestanden war, und ihm, so lautete wenigstens die Beschuldigung, gesagt, einer Frau, die ganz in der Nähe wohne, sei eine große Vene zerrissen, er möchte solche unterbinden. Er verweigerte, zu kommen, weil er nicht Hausarzt war. Die Frau verblutete sich. Durch das Urtheil Sachverständiger wurde festgestellt, daß, wenn der Arzt gleich gekommen wäre, noch eine Unterbindung hätte stattsinden und so die Frau hätte gerettet werden können. Es giebt aber noch andere Fälle, wo nur durch schnelle Hülfe eine dringende Gefahr beseitigt werden kann; ich will an geburtshülfliche und chirurgische Operationen erinnern.

Abgeordn. Freiherr von Gaffron: Ich gebe zu, daß der Para⸗— graph den Anschein hat, als wenn die hochachtbare Kunst der Aerzte unter eine strengere Kontrolle gestellt werden solle, als andere Ge— werbe, als wenn die freie Uebung der Praxis ihr nicht in dem Grade gestattet sein sollte, als einer eigentlich freien Kunst oder Gewerbe gestattet sein muß, und als diese Ausübung sich von selbst versteht; es hat besonders den Schein, daß diese Verordnung besondere Strenge enthält, weil man den Arzt nöthigen will, auch da Hülfe zu leisten, wo ihm der billige gerechte Lohn für seine Bemühung nicht zu er— warten steht, während er von der Praxis lebt und er mit schwerem Aufwand an Zeit und Geld den Standpunkt errungen hat, wo er durch Ausübung seiner Kunst sich und seine Familie ernähren kann. Ich glaube aber, daß die Bedenken, welche von Mehreren erhoben worden sind, und namentlich sehr ausführlich von dem geehrten Mit— gliede aus Köln, doch durch die Fassung gehoben werden, indem ge— sagt wird, „in Fällen dringender Gesͤhr.“ Auch ist wohl nur Son augenblicklicher Hülfe die Nede. Ich koinme auf bas zurück, was so eben der Herr Justiz-Minister gesagt hat, daß diese drlugende Gefahr nachgewiesen werden muß, und daß, wenn der Nachweis öschwicrig ist dies nur dem Arzte zu Statten kommen kann. In großen Städten, wo mehrere Aerzte sind, werden die Fälle selten ode? gar nicht vor kommen, auf wesche der Paragraph sich bezieht. Auf dem Lande aber, wo vielleicht an einem Srte oder auf mehrer? Meilen in der Runde nur ein Arzt zu haben ist, ist es doch eine furchtbare Lage wenn ein Kranker, vielleicht ein Reisender, der plötzlich von . schweren Niederlage betroffen wird, wo augenblickliche Hülfe zu seiner Rettung nöthi 7 diese entbehrt, wenn der einzige Ärzt des Ortes ihm seine Hülfe versagt.

Gesetzt nun, daß ein Kranker ohne Hülfe unterliege, welches urtheil würde die öffentliche Meinung aussprechen über den Arzt, über die geselligen Zustände, über die Verordnungen des Landes, wo sich dies ereignen kann. In Anerkennung der Ehrenhaftigkeit des Standes unserer Aerzte stimme ich bei, daß diese Fälle selten sind und sein werden; wenn sie aber vorgekommen sind, so ist es nothwendig, für solche Fälle vorzusehen, und ich glaube nicht, daß der ehrenwerthe Stand der Aerzte sich dadurch verletzt finden kann. Was das Straf⸗ maß anlangt, so würde ich mich bei der Abstimmung dahin erklären, es zu .

Abgeordn. von Donimierski: Es ist über diesen Gegenstand schon so weitläufig gesprochen worden, daß ich nichts mehr hinzu— zufügen habe und mir nur den kurzen Antrag erlaube, daß, wenn die Streichung des Paragraphen nicht beschlossen werden sollte, wenigstens die Entziehung der Praxis als Strafe hier aufgehoben

. die für die milderen Fälle angeordnete Geldstrafe stehen ibe.

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Marschall: Das wäre in Uebereinstimmung mit dem Antrage des Abgeordneten Neumann.

Abgeordn. Dansmann: Ich werde mich nicht für die Streichung erklären. Mag dieser Stand auch noch so ehr= und achtbar sein, ich ehre und schätze ihn gewiß auch, so giebt es in diesem Stande doch, wie in jedem anderen, Individuen, die nicht nur Schatten⸗ seiten zeigen, sondern auch Eigennutz beweisen. Ich kenne solche Fälle. Vor 20 Jahren praktifirke ein Wundarzt erster Klasse. Er, der als solcher Approbirt war, machte mehrere Kuren, Durch seine Vernachlässigung starben zwei Personen, die eine von 22 Jahren. Es ward eine Untersuchung angestellt, und er verlor seine Praris, innere Krankheiten zu heilen“ und dieselbe wurde blos auf äußerliche Krankheiten beschränkt. Wie oft kömmt es vor, daß arme Häusler auf dem Lande zum Arzte gehen, um Hilfe für ihre Kranken zu suchen. Die erste Frage des Arztes ist. Ist auch Geld da, um die Kosten zu decken? Jür eine solche lieblose Behandlung, des todten Metalles wegen, finde ich die Strafe des Gesetzes nicht zu hoch und stimme für die Beibehaltung des Paragraphen, jedenfalls für den Schlußsatz.

Marschall: Ich habe zu bemerken, daß mehrere Abgeordneten, welche sich um's Wort gemeldet hatten, jetzt angezeigt haben, daß sie darauf verzichten. Es ist zu erwarten, ob die, welche noch aufzu— rufen siad, dasselbe thun.

Abgeordn. CLucanus: Nur ein paar Worte. Es ist vor weni⸗ gen Tagen von dem Herrn Minister der Gesetzgebung verwahrend bemerkt worden, daß die Medizinalpersonen im Allgemeinen nicht als Beamte angesehen werden könnten, mit der Bemerkung: es würde doch wohl keinem Menschen einfallen, die Hebammen z. B. für Be- amte zu halten. Heute ist von dem Herrn Regierungs- Kommissar gesagt worden: sie ständen den Beamten analog. Dies bedarf einer Beleuchtung. Ich glaube, daß die Aerzte, resp. alle Medizinalper= sonen, den Staatsbeamten insofern analog stehen, als ihnen die ganze Verantwortlichkeit derselben auferlegt ist, während der Haupt— vortheil der Beamten, das Empfangen eines sicheren Gehaltes, ihnen abgeht. Dies ist der Gesichtspunkt, wonach man auch die Verpflich⸗ tung der Aerzte, jedem Rufe folgen zu müssen, billig beurtheilen sollte. Es hat diese Verpflichtung zwar schon in den frühesten Zeiten, zu den Zeiten der Salernitaner und der Römer, bestanden, wo der Arzt Jedem seine Hülfe angedeihen lassen muß. Dafür aber hat er auch Gehalt empfangen. Dlese Verpflichtung geht bis in die neueste Zeit herunter, aber nur da, wo die Medizinal-Gesetzgebungen aus— gesprochen haben, daß der Arzt dafür besoldet werden muß, daß auch der Apotheker die Medikamente aus Staatsfonds bezahlt erhal⸗ ten soll, die er in dringenden Fällen Jedem kreditiren muß, und wenn nämlich er selbst nicht im Stande war, die Forderung binnen Jahresfrist einzuziehen. In Lippe Detmold und Anhalt Bernburg desteht die Verorbnung, daß jeder Arzt Hülfe angedeihen, der Apo⸗ theker Jedem kreditiren muß und, wenn er von den Leuten nicht be⸗ zahlt werden kann, dieses bei den betreffenden Staats- oder Armen⸗ Kassen liquidirt wird. Eine solche Einrichtung für unseren Staat zu beantragen, liegt allerdings auch außerhalb meiner und unser Aller Absicht. Es veranlaßt mich dies aber zu der Bitte, auf die Aerzte billige Rücksicht zu nehmen und sie nicht der Willkür des Publikums preiszugeben, wenn man ausspricht, daß sie in allen Fällen sogleich kommen und helfen sollen. Jeder Arzt bleibt ein Mensch und hat so viel Menschengefühl und Ehrenhaftigkeit, daß er Alles thun wird, was in seinen Kräften steht. Aber über die Kräfte seines Geistes und Körpers darf Niemand in Anspruch genommen werden.

Marschall: Wir können abstimmen.

(Ruf: Ja! Ja!)

Abgeordn. Camphausen: Ich bitte noch um einige Worte.

Marschall: Dann werde ich in der Ordnung fortfahren.

Abgeordn. Krause: Die geehrten Redner aus Köln und Span⸗ dau haben die Sache so erörtert, daß ich nichts mehr sagen könnte, wenigstens nichts Besseres, und ihnen daher nur beistimmen muß. Ich würde aber besonders antragen, daß, wenn die Strafe so wie im Entwurfe ausgedehnt würde, sie wenigstens nicht auf Privat⸗ Aerzte, sondern nur auf diejenigen sich erstrecken möchte, die vom Staate oder von Kommunen besoldet werden. .

Marschall: Also nur auf solche, die vom Staate besoldet werden?

Abgeordn. Krause: Nur auf solche, die im Dienste des Staates oder einer Kommune sich befinden, wie Armenärzte und dergleichen.

Marschall: Wir wollen ermitteln, ob dieser Vorschlag die er⸗ forderliche Unterstützung von 8 Mitgliedern sindet. Der Vorschlag ist, daß die Strafbestimmung nur auf die vom Staate und von Kommunen besoldeten Aerzte bezogen werden möge.

(Er erhält sie nicht.) Er hat sie nicht gefunden. ‚.

Abgeordn. von Weiher: Ich verzichte aufs Wort.

Abgeordn. Camphausen: Meine Herren, es ist versucht wor⸗ den, Fälle anzuführen, worauf der §. 251 anwendbar sein soll; es sind deren jedoch nur zwei angeführt worden, und sie möchten zusam⸗ men kaum einen halben bilden. Der eine war ein Fall, der vor 20 Jahren vorgeksmmen ist, und für den ich das Verjährungsrecht in Anspruch nehme,

(Heiterkeit) in dem anderen war angegeben worden, daß die Verblutung hätte verhindert werden können, wenn die Hülfe rechtzeitig gekommen wäre. Es fragt sich, ob diesen Fall der Paragraph trifft, denn es muß noch bewiesen sein, daß der Arzt keine hinreichende Ursache ge—⸗ habt habe, weshalb er nicht gekommen ist; es muß bewiesen sein, daß ihm die Dringlichkeit der Gefahr bekannt gewesen, und dann muß der Ausspruch, daß sein Erscheinen hätte nützen können, sich ver binden mit dem Ausspruche, daß der Tod dadurch, daß er nicht ge⸗ kommen, herbeigeführt worden sei, und dieser Ausspruch muß von Aerzten, in den Bewußtsein der Folgen für einen Kollegen, gefällt werden. Auch auf diesen Fall möchte 8. 251 keine Anwendung ge⸗ funden haben. Ii Allgemeinen bestreite ich aber die Ansicht, daß, wenn ein einzelner Fall vorkommt, man deshalb ein Strafgesetz er⸗= lassen müsse; das ist ein verkehrter Weg. Ich weiß, daß ich mit dieser Ansicht nicht in der Majorität sein werde; dennoch muß ich es einen schädlichen Grundsatz nennen, wegen eines einzelnen Beispiels eine Bestimmung in das Gesetz aufzunehmen, die auf 16 Millionen angewandt werden kann. Sollen deshalb, weil ein solcher Fall sich einmal ereignet hat, Hunderte in Anklagestand versetzt werden können? Der Redner aus Schlessen hat gesagt, es sei schützend für die Aerzte, daß man ihnen nur bei dringender Gefahr die Verpflichtung auflege. Es ist aber auch hervorgehoben worden, daß dringende Gefahr zwar vor dem Richter schwer nachzuweisen sein wird, daß sie jedoch den Arzt im gewöhnlichen Leben nicht schütze. Der Arzt muß folgen, wenn er gerufen wird, und fürchten, wenn er nicht folgt, unter S. 25 zu verfallen. Er ist dadurch der Willkür des Publikums hingegeben, und gerade die berühmtesten Aerzte werden durch diesen Paragraphen am schwersten getroffen werden; denn auch der Aermste hat durch ihn die Macht, zum berühmtesten Arzt zu senden und ihm sagen zu lassen, es sei dringende Gefahr vorhanden. Der Arzt muß kommen, oder er steht in Gefahr, seines Amtes verlustig zu werden. Meine Herren, wir müssen die bestehenden Zustände ändern, die Organisation des ärztlichen Standes ändern, wenn ein solches Strafgesetz mit dem

Rechte übereinstimmen soll. So lange diese Zustände nicht geändert j Monaten geahndet werden.“

sind, so lange die ärztliche Kunst eine freie Kunst ist, müssen wir ge— schehen lassen, daß die größere Geschicklichkeit ein größeres Vertrauen eine größere Praxis herbeiführt, und daß auch eine Verschiedenhei der Belohnung stattfindet. ;

Justiz⸗Minister Uhden;: Ich muß darauf einige Werte erwiedern. Ich will den erwähnten Fall nicht in seinem Detail weiter verfolgen Ünbedenklich sind aber alle Voraussetzungen der Strafbarkeil vor= handen, wenn einem Arzt das Zerreißen einer Vene, die Unmöglich— keit, den Hausarzt sofort herbeizurufen, mitgetheilt wird und er nur aus Bequemlichkeit zu kommen verweigert. In Berlin werden solche Fälle sehr selten vorkommen, wohl aber auf dem Lande oder in kleinen Städten, wo wenig Aerzte sind. Die Untersuchung wird ferner nicht ohne Weiteres eingeleitet, wenn nicht alle Prämissen des Paragraphen vorhanden sind, und noch weniger wird ein Straf erkenntniß erfolgen, wenn diese Prämissen nicht erwiesen sind. Was die Strafe selbst betrifft, so wird die Versammlung über deren Art und Maß noch beschließen. Hier kömmt es zunächst darauf an, ob das Bedürfniß vorhanden ist, ein solches Benehmen mit irgend einer Strafe zu bedrohen.

Abgeordn. Freiherr von Cilien-Echthausen: Es ist bemerkt worden, durch Aufnahme von Bestimmungen, wie sie §. 251 enthält, würde die Ehre der Medizinalpersonen als Stand verletzt. Ich kann dies nicht anerkennen, da der Entwurf einen Titel enthält, der, seinem ganzen Inhalte nach, von den Pflichtwidrigkeiten eines anderen Stan⸗ des handelt, vom Stande der Beamten. Ich glaube, es ist nicht unsere Absicht, diesen Stand geringer zu stellen, als den Stand der Aerzte. Uebrigens ist gar nicht die Rede von der glücklicherweise überwiegenden Mehrzahl der pflichttreuen gewissenhaften Aerzte, son⸗ dern von solchen einzelnen pflichtwidrigen Medizinalpersonen, welche in Fällen einer dringenden Gefahr ihre Hülfe ohne hinreichende Ur⸗ sache verweigern. Ich bin nun der Ansicht, daß der Staat ver pflichtet ist, wenn in einem solchen Falle rechtswidrig verweigerter Hülfe ein erheblicher Nachtheil für den Kranken entsteht, zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Staatsangehörigen Strafe ein treten zu lassen. Ich muß Anstand nehmen, diese Ansicht weiter zu begründen, um die hohe Versammlung nach den vielen Reden, welche über die Frage bereits gehalten worden sind, nicht zu ermüden. Ich will daher nur noch zwei Punkte anführen. Einmal kann ich aus meiner amtlichen Erfahrung ebenfalls einen Fall anführen, wo ein Mann, der sich auf der Jagd verwundet hatte, verblutete, weil der Arzt sich pflichtwidrig weigerte, ihm zur Hülfe zu kommen. Der Arzt wurde zur Untersuchung gezogen und zu einer nachdrücklichen Geldbuße verurtheilt. Dann mache ich noch darauf aufmerksam, daß der geehrte Abgeordnete aus Köln wenn anders ich ihn richtig verstanden habe bei Erörterung der Bedürfnißfrage anführte, das Bedürfniß zu der in Frage stehenden Bestimmung liege nicht sowohl für die Reichen, als für die Armen vor. Wohlan, meine Herren, wenn dies der Fall ist, so müssen wir darin einen Grund mehr finden, den §. 2561 anzunehmen.

Marschall: Wir können abstimmen. ; (Mehrere Stimmen: Ja. Der Abgeordnete Krause bittet um's Wort. Ruf zur Abstimmung von vielen Seiten.)

Es ist nothwendig, zu erklären, daß der Antrag des Abgeordneten Krause die erforderliche Unterstützung nicht gefunden hat,

(Abgeordn. Krause: Ich habe nicht darüber sprechen wollen.) und ehe wir zur Abstimmung kommen, ist zu erklären, daß die Diskussion für geschlossen anzusehen ist in Bezug nicht allein auf den Vorschlag, den Paragraphen zu streichen, sondern auch in Bezug auf andere Vorschläge, die noch gemacht worden sind, nämlich den Vor schlag, daß die Bestimmung wegen Entziehung der Praxis wegfallen möge, wo dann die Folge wäre, daß blos die angedrohete Geldbuße bis zu 500 Thalern stehen bliebe, und auch in Bezug auf den anderen Vorschlag, die Bestimmung des §. 251 unter 8. 152 zu verweisen. Also in beiderlei Beziehung ist die Diskussion für geschlossen zu er⸗ klären, und wir kommen zur Abstimmung zuerst über die Frage: Soll auf Wegfall des §8. 251 angetragen werden? und diejenigen, die auf Wegfall des Paragraphen antragen, würden das durch Aufstehen zu erkennen geben.

Dem Antrage ist nicht beigestimmt.

Die nächste Frage heißt: Soll beantragt werden, die Strafbe⸗ stimmung, nach welcher auf Entziehung der ärztlichen Praxis zu er— kennen wäre, wegfallen zu lassen? und diejenigen, die hierauf an— tragen, würden das durch Aufstehen zu erkennen geben.

Eine Majorität von mehr als zwei Dritteln hat die Frage bejaht.

Es ist also zu einer weiteren Frage in Bezug auf Verweisung in einen anderen Paragraphen keine Veranlassung mehr, insofern das Votum, welches eben stattgefunden hat, erkennen läßt, daß die Ansicht der Versammlung sei, den Paragraphen mit Wegfall dieser Bestimmung wegen der Entziehung der Praxis anzunehmen.

(Kundgebung von Zweiseln.) Wäre das zweifelhaft, (Einige Stimmen: Nein!) so würde die nächste Fragẽ darauf zu stellen sein, ob der Paragraph so angenommen werde. Ich würde diese Frage einer jeden anderen vorziehen. . .

Abgeordn. Camphausen: Es würden zwei Punkte nicht erledigt sein, wenn eine weitere Frage nicht gestellt würde; der eine Punkt ist die Höhe der Strafe, worüber sehr verschiedene Ansichten ausge sprochen worden sind, nämlich die Geldbuße von 500 Thalern.

(Unruhe.) Meine Herren, wir werden rascher fertig, wenn Sie hören. Der eine Purft betrifft also die Höhe der Geldstrafe, der andere Punkt betrifft den gemachten Antrag, daß eine Aufforderung durch die Obrigkeit erfolgen müsse, und daß demnach das Vergehen unter den Polizeivergehen dem 5. 452 angeschlossen werde. .

Marschall: Ich muß bemerken, daß in Bezug auf die. herab. setzung des Maximums der Strafe kein Antrag in der. Diskussion gemacht worden ist und wir nicht mehr, nachdem die Diskusion für geschlossen erklärt ist, dahin kommen können, eue. Anträge in dieser Beziehung gestellt zu sehen, und die Absicht der Versammlung wird sich am leichtesten entnehmen lassen, wenn gefragt wird, ob der Pa ragraph an dieser Stelle angenommen wird, nachdem die Versamm lung durch die letzte Abstimmung sich dahin entschieden hat, auf den Wegfall der Bestimmung wegen Entziehung der ärztlichen Praris anzütragen. Die Frage würde also, um jeden Zweifel zu beseitigen, noch zu stellen sein, ob die Versammlung, nachdem diese Strafbestim⸗ mung wegzulassen beantragt, ist, den Paragraphen an dieser Stelle annimmt, und diejenigen, die sich dafür aussprechen, würden das

Aufstehen zu erkennen geben.

urch Ci s gr lt von . als zwei Dritteln hat die Frage bejaht. 2562. Jieserent Abgeordn. Freiherr 3. Mylius lliest vor): /* .

Hebeammen sind verpflichtet, einen approbirten Geburtshelfer herbeirufen zu lassen, wenn bei einer Entbindung Umstände sich er= eignen, welche eine Gefahr für das Leben der Mutter oder des Kindes beforgen lassen, oder wenn bei der Geburt die Mutter oder das Kind das eden einbüßt. Die Vernachlässigung dieser Pflicht soll mit Geldbuße bis zu funfzig Thalern oder mit Gefängniß bis zu drei

Erste Beilage

Erste

Beilage zur Allgemeinen Preußi

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schen Zeitung.

Freitag den 25. Febr.

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Die Abtheilung hat nichts zu erinnern gefunden. J Abgeordn. Zimmermann: Der vorliegende Gesetz⸗ Entwurf

will dann eine besondere Strafe eintreten lassen, wenn im Falle einer Gefahr für bas Leben der Mutter oder des Kindes zu besor— gen, nicht die Hülfe des Arztes nachgesucht wird, stellt also die Be⸗ sorgniß einer solchen Gefahr als Bedingung hin. Wer hat nun in solchen Fällen zunächst die Beurtheilung? Es ist die Hebeamme selbst. Da sie gerade über diesen Umstand leicht falsch urtheilen kann, so erscheint mir diese Bedingung nicht klar und nicht ausreichend. Unsere bestehende Gesetzgebung drückt sich hierüber klarer und deut— licher aus. Es heißt im Allgemeinen Landrechte s. 712:

„Wenn bei einer Geburt schwere oder ungewö hnliche Um⸗

stände sich ereignen, so ist die Hebeamme schuldig, einen appro—

birten Arzt, insofern ein solcher erlangt werden kann, herbeirufen

zu lassen.“ ; Hiernach soll die Hebeamme bei allen solchen Umständen die der Hebeamme nach dem Unterrichte, den sie empfangen hat, als schwere bezeichnet worden sind, oder die ihr als ungewöhnlich erscheinen, auffordern, den Arzt hinzuzurufen. Hierin liegt eine größere Ga⸗ rantie. Ueberhaupt aber wäre es wünschenswerth, wenn bei der Fassung dieses Paragraphen auf die Instruction der Hebeammen zu⸗ rückgegangen wäre, denn erst dann läßt sich übersehen, ob die der Hebeamme speziell vorgeschriebenen Pflichten mit den Worten und dem Sinne des Kriminalgesetzes in gehörigem Einklange stehen. Ich würde daher vorschlagen, wenigstens noch die Worte hinzuzusetzen: „Wenn bei der Geburt sich schwere oder ungewöhnliche Umstände ereignen.“

Regierungs-Kommissar Bischoff: In der angenommenen Fassung liegt eine Beschränkung der bestehenden Gesetzgebung. Das Allge⸗ meine Landrecht sagt ganz allgemein „schwere oder ungewöhnliche Umstände.“ Das geht sehr weit; das gegenwärtige Gesetz beschränkt die Verpflichtung der Hebeammen nur auf den Fall, wenn die unge⸗ wöhnlichen Umstände zugleich von der Art sind, daß Gefahr für das Leben der Mutter oder des Kindes zu besorgen ist.

Marschall: Wir wollen zuvörderst entnehmen, ob der Vorschlag die erforderliche Unterstützung von 8 Mitgliedern findet.

(Findet keine Unterstützung.)

Abgeordn. Krause: Ich habe eine Einwendung zu machen gegen das Ende des Paragraphen, wo es heißt: „oder mit Gesängniß bis zu 3 Monaten.“ Ich möchte beantragen, daß das gestrichen würde, insofern als wir dadurch sehr große Nachtheile, besonders auf dem Lande, hervorrufen könnten, wenn eine Hebeamme 3 Monate lang eingesperrt wird.

Heiterkeit.) Gegen die übrigen Strafbestimmungen habe ich nichts. nach meinem Antrage blos heißen, daß die Hebeamme mit Geldbuße bestraft werden könne, die Gefängnißstrafe aber wegfiele. (Eine, Stimme: Das ist sehr richtig.)

Marschall: Wir wollen ermitteln, ob der Voͤrschlag die erfor— derliche Unterstützung von 8 Mitgliedern findet. .

(Die Unterstützung findet hinreichend statt.)

Negierungs-Kommissar Bischoff: Das Argument würde zu viel beweisen. Wenn man eine Freiheitsstrafe nicht festsetzen soll, weil für diese Zeit die Hebeamme nicht hren Berufspflichten nachkommen könnte, so würde sich daraus ergeben, daß sie überhaupt nicht wegen Kriminalverbrechen bestraft werden könne. Das geht zu weit. Aber selbst, wenn eine Geldbuße angeordnet und die Hebeamme unvermö⸗ gend wäre, oder sie nicht bezahlen wollte, würde nicht einmal eine subsidiäre Freiheitsstrafe eintreten können.

Abgeordn. Krause: Darauf kann ich nur erwiedern, daß, wenn der Staat die Verpflichtung übernimmt, für einen Bezirk von 2000 Seelen, wo nur eine Hebeamme ist, noch für eine andere zu sorgen, sich nichts dagegen erinnern läßt; aber auf dem Lande liegt oft der Fall vor, daß wir für 2000 Seelen nur eine Hebeamme haben; wenn diese nun den Fehler begeht, daß sie nicht zeitig genug einen Geburtshelfer herzuruft, und sie wird eingesperrt, so muß ich bekennen, daß das sehr große Nachtheile herbeiführen kann. Der Hebeanune wird ja nicht die Qualification abgesprochen, sondern nur Fie Ausübung ihres Berufs durch das Einsperren verhindert. Ich würde in diesem Falle wenigstens dafür sein, daß von dem Staate eine andere Hebeamme an deren Stelle gesetzt würde.

Korreferent Abgeordn. Naumann: Ich halte die Ansicht, die as geehrte Mitglied aus Schlesien entwickelt hat, für richtig; es

handelt sich nicht um die Bestrafung eines eigentlichen Vergehens, sondern um die Bestrafung eines Zuwiderhandelns gegen die Instruc⸗ tion, welche die Hebeammen erhalten, in so gefährlichen Fällen den

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Arzt herbeizurufen; es ist nicht einmal vorausgesetzt, daß ein Schade

eschehen sei. Nun hat das geehrte Mitglied sehr richtig auf die Verhältnisse aufmerksam gemacht, welche in vielen Gegenden des Staats stattsinden: es ist Mangel an Hebeammen in vielen Gegenden, und würde da eine Hebeamme wegen dergleichen Vergehen dem Pu⸗ blikum entzogen, so würde der Uebelstand noch größer werden, als er gegenwärtig besteht. Ich glaube, daß es ohne wesentliche Benach⸗ theiligung des Gesetzes an sich geschehen kann, prinzipaliter hier Geldbuße eintreten zu lassen.

Marschall: Wir können abstimmen. Die Frage heißt: Soll auf Wegfall der Worte „oder mit Gefängniß bis zu drei Monaten“ angetragen werden? Und diejenigen, die das beantragen, würden das durch Aufstehen zu erkennen geben.

Dem Anktrage ist nicht beigestimmt.

§. 253.

Referent Abgeordn. Frhr. von Mylius (liest vor): „§. 255.

Baumeister und Bauhandwerker, welche bei Ausführung eines Baues die Regeln ihrer Kunst dergestalt außer Acht lassen, daß hier⸗ aus für Andere Gefahr entsteht, sollen mit Geldbuße von funfzig bis zu dreihundert Thalern oder mit Gefängniß von sechs Wochen bis zu sechs Monaten bestraft und im Rückfalle zugleich der Befugniß zur felbstständigen Betreibung ihrer Kunst oder ihres Gewerbes für mmer verlustig erklärt werden.“

„Zu §. 253.

Es ist gegen den Paragraphen erinnert, daß derselbe füglich wegfallen könne, indem es sich gar nicht um eine wirklich zugefügte Verletzung oder um einen angerichteten Schaden, sondern immer nur um eine bloße Gefahr handle, diese aber keinenfalls eine Strafbe⸗ stimmung zu rechtfertigen vermöge. Dazu komme, daß der Ausdruck „nach den Regeln der Kunst“ zu unbestimmt, und daß nicht abzu⸗ sehen sei, weshalb die Bauhandwerker nachtheiliger gestellt, als alle anderen Techniker, hinsichtlich deren ähnliche Strafbestimmungen nicht vorhanden.

Es wurden daher der Abtheilung zwei Anträge vorgelegt, der eine: den Paragraphen ganz zu streichen, der andere: den Ausdruck „Regeln der Kunst“ durch die Worte: „baupolizeiliche Vorschriften“ zu ersetzen. Die Abtheilung berücksichtigte jedoch, daß gerade für Bauwerke ein besonderer Schutz des Publikums durch eine Strafvor—

schrift, wie die des Year e en selbst in den Fällen gerechtfertigt;

werde, in welchen ein wirklicher Schaden noch nicht entstanden, daß in jedem einzelnen Falle zu beurtheilen, inwieweit der Unternehmer des Baues mit gewissenloser Nichtbeachtung von ihm bekannten Grundsätzen gehandelt; daß aber eine Beschränkung auf Uebertretung von baupolizeilichen Vorschriften deshalb nicht geeignet erscheine, weil die Strafbestimmung des Paragraphen gerade für solche Fälle gegeben, in welchen die baupolizeilichen Vorschriften sich als unzu— reichend erwiesen.

Es hat daher die Abtheilung die beiden vorerwähnten Anträge mit 15 gegen 5 Stimmen zurückgewiesen.“ ;

Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius: Ich würde den An⸗ trag wiederholen, den das Gutachten enthält, und trage darauf an, diesen Paragraphen zu streichen.

WMarschall: Es fragt sich, ob dieser Antrag die Unterstützung von 8 Mitgliedern findet.

(Es erheben sich einige Mitglieder.) Er hat sie gefunden, und es fragt sich, ob es erforderlich gehalten wird, auf die Berathung einzugehen? (Ruf nach Abstimmung.)

Abgeordn. von Eynern: Ich würde mir dann noch einen Vor⸗ schlag vorbehalten.

Marschall: Dann würde ich aber bitten, ihn vorher zu machen, damit wir, ehe es zur Abstimmung kömmt, die Diskussion für ge⸗ schlossen erklären können.

Abgeordn. von Evnern: Mein Vorschlag geht dahin, die Straf⸗ bestimmuͤng für den Rückfall, nämlich die Entziehung der Befugniß zur Betreibung des Gewerbes, fakultativ und nicht positiv zu fassen, und zwar in Üebereinstimmung mit früheren Beschlüssen.

Marschall: Wir wollen ermitteln, ob dieser Vorschlag die erforderliche Unterstützung von 8 Mitgliedern sindet.

, (Es erhebt sich eine Anzahl Mitglieder.)

Er hat sie gefunden.

Korreferent Abgeordn. Naumann: Die Minorität der Abthei lung hat bei §. 253 besonders deshalb Bedenken gefunden, weil es heißt: „Die Strafe soll eintreten, wenn der Baumeister oder die Bauhandwerker die Regeln ihrer Kunst außer Acht gelassen haben,“ und es ist mit Recht erinnert worden, daß die Regeln der Kunst sich schwer feststellen lassen. Was der eine Techniker als Regel

der Kunst anerkennt, erkennt der andere nicht dafür an.

; (Unruhe !), Es giebt aber wohl bestimmte Grundsätze und Regeln, die von der Kunst ganz unabhängig sind, wozu es nicht erst eines Kunstverstän⸗

digen bedarf, um zu wissen, ob sie befolgt werden müssen oder nicht. Es würde

Die Minorität war der Meinung, daß diese Bestimmung zweckmäßi— ger ersetzt werde durch den Ausdruck: „wenn er die baupolizeilichen Vorschriften vernachlässigt hat.“ Dagegen ist erinnert worden, daß diese nicht überall existiren; indessen bin ich der Meinung, daß das kein Grund sei, um deshalb eine Bestimmung zu geben, wie sie jetzt §. 253 enthält. Wünschenswerth ist es überall, allgemeine Vor⸗

schriften zu haben, damit die Techniker einen bestimmten Anhalt haben, 3

und wenn sie dagegen verstoßen, so würde ich auch nichts dawider

haben, auch die Strafe des Paragraphen eintreten zu lassen. Mein

Antrag geht dahin, den Paragraphen nicht ganz zu streichen, sondern zu sagen: „Wenn sie bei der Ausführung des Baues die baupolizei⸗ lichen Vorschriften außer Acht gelassen haben.“

(Wachsende Unruhe.)

Regierungs- Kommissar Bischoff: Es ist hier nicht von bau— polizeilichen Vorschriften die Rede, sondern von allgemein anerkannten Regeln ber Kunst, wo jeder Techniker darüber einverstanden ist, daß sie beobachtet werden müssen, wenn ein Gebäude nicht einstürzen soll. Wenn die Fassung Mißverständnisse veranlassen sollte, so würde ich die Terminologie bes Allgemeinen Landrechts in s. 768 vorschlagen: „wider die allgemein anerkannten Regeln der Baufunst.“ Uebrigens ist hier gleichergestalt wie im Landrechte nur beim Rückfall Gewerb⸗ verlust angedroht.

Marschall: Diese Bemerkung hat nirgends Widerspruch gefun⸗ den, und der Herr Korreferent ist vermuthlich damit befriedigt. Also kommen wir dazu, die Diskussion für geschlossen zu erklären und zu— vörderst über den Antrag auf Streichung abzustimmen. Soll auf Wegfall des §. 253 angetragen werden? Und die das thun, werden

es durch Aufstehen zu erkennen geben.

(Es erhebt sich eine Anzahl Mitglieder.)

Man hat dem Antrage nicht beigestimmt. Die nächste Frage lautet: Soll beantragt werden, den 5. 253 in seinem letzten Theile, wo vom Rückfalle die Rede ist, fakultativ zu fassen? .

Und die das thun, werden ese durch Aufstehen zu erkennen geben.

(Es erhebt sich eine große Anzahl von Abgeordneten.) Die Majorität von mehr als zwei Dritteln hat sich dafür ausge—

sprochen.

§. 264. Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius lliest vor): „58. 254. Wenn bei einer vorsätzlich verübten Körperverletzung der Thäter

die ihm vermöge seines Amtes, Berufes oder Gewerbes obliegenden

besonderen Pflichten übertreten hat, so soll derselbe zugleich seines Amtes entsetzt oder der Befugniß zur selbstständigen Betreibung seiner Kunst oder seines Gewerbes auf Zeit oder für immer verlustig erklärt werden.

Auch bei fahrlässig verübten Körperverletzungen kann, wegen Vernachlässigung der besonderen Amts, Berufs- oder Gewerbs— pflichten, zugleich auf Amtsentsetzung oder auf zeitigen oder immer⸗ währenden Verlust der Befugniß zur selbstständigen Betreibung der Kunst oder des Gewerbes erkannt werden, wenn entweder besonders erschwerende Umstände vorliegen oder der Thäter sich im Rückfalle befindet.“

Abgeordn. Camphausen: Ich würde zu dem Paragraphen den Antrag machen, daß der letzte Satz gestrichen werde; die bis⸗ herigen Erörterungen und Beschlüsse der ,. Versammlung aber baben mich belehrt, daß dies fruchtlos sein würde. Auch besteht die Gewerbe-Ordnung, und sie läßt ebenfalls beim zweiten Urtheile den Verlust der Gewerbe⸗-Befugniß zu. Es würde daher hier dieselbe Bemerkung Platz greifen, die zum vorigen Paragraphen angenom— men worden ist: daß beim Rilckfalle in Uebereinstimmung mit der Gewerbe⸗-Ordnung fakultativ auf Verlust des Gewerberechtes er⸗ kannt werden darf.

Marschall: Es fragt sich, ob dieser Antrag die erforderliche Unterstützung findet?

(Es erhebt sich eine Anzahl Mitglieder.) Er wird zur Abstimmung kommen.

Abgeordn. Camphausen: Es würden also die Worte aus⸗ fallen: „Wenn besonders erschwerende Umstände vorliegen.“

Justiz⸗Minister Uhden: Eine fakultative Fassung hat der Para— graph ohnehin.

Abgeordn. von Byla: Ich glaube, daß noch eine Aufklärung

darüber gegeben werden muß, ob der Abgeordnete der Rheinprovinz überhaupt nur eine fakultative Fassung des 8. 251 haben will, oder ob seiner Ansicht nach die Worte: „wenn entweder besonders erschwe⸗ rende Umstände vorliegen“ gestrichen werden sollen. Mit dem ersten Vorschlage kann ich mich nur einverstanden erklären, mit dem letzten nicht. j

Justiz-Minister Uhden: Es ist überhaupt nur fakultativ, denn es heißt ja: kann erkannt werden. ö

Abgeordn. Camphausen: Zu 8. 253 hat die Versammlung be⸗ schlossen, daß beim Rückfalle die Befugniß zur selbstständigen Betrei⸗ bung der Kunst abgesprochen werden kann.

(Lärm.) Gedulden Sie sich doch einen Augenblick!

Daraus folgt, daß im ersten Falle nicht abgesprochen werden darf, aber im Rückfalle auch nicht abgesprochen werden muß, son⸗ dern ebenfalls nur abgesprochen werden kann. In Uebereinstim—⸗ mung hiermit werden im §. 254 die letzten Worte: „wenn beson⸗ ders erschwerende Umstände vorliegen“, zu streichen sein, weil daraus folgt, daß der Richter auch im ersten Falle die Befugniß aberkennen könne.

Marschall: Wir werden also über den Vorschlag abstimmen, ob die Worte: „wenn entweder besonders erschwerende Umstände vor- liegen, oder“ wegfallen sollen? und die das beantragen wollen, wer⸗ den dies durch Aufstehen zu erkennen geben.

(Es erhebt sich eine große Anzahl Abgeordneter.) Die Majorität hat sich dafür ausgesprochen. (Viele Stimmen: Nein! andere: Ja!) Es hat sich die Majorität dafür ausgesprochen. §. 265. Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius (liest vor): „S. 255.

Wer sich eines Menschen durch List oder Gewalt bemächtigt, um ihn entweder in hülfloser Lage auszusetzen oder ihn in Sklaverei oder Leibeigenschaft oder in auswärtige Kriegsdienste oder Schiffs= dienste zu bringen, ist mit fünf- bis zwanzig jährigem Zuchthause zu bestrafen.“

Abgeordn. Camphausen: Dieser Paragraph ist einer von denen, die den Versuch als vollendetes Verbrechen strafen, indem er lautet: „Wer sich eines Menschen durch List oder Gewalt bemächtigt, um ihn auszusetzen.“ Ich finde keinen Grund, hier ebensowenig als in den früheren Fällen, den Versuch als vollendetes Verbrechen zu strafen. Hiergegen liegen alle Gründe vor, die dagegen geltend gemacht worden sind, den Versuch nicht als vollendetes Verbrechen zu bestrafen, namentlich der Grund, daß der Zwischenraum, welcher zwischen der Absicht und der wirklichen That liegt, nicht übersprungen werden darf. Man führt an, daß derjenige, der einen Menschen in Sklaverei gebracht hat, nicht mehr vor Gericht gezogen werden kann; allein eines Theils ist sehr wohl der Fall denkbar, daß er Andere dazu benutzt hat, und daß er selbst sich nach dem Verbrechen noch im Lande befindet. Wäre das aber nicht, so unterscheidet sich doch der Fall nicht von dem Morde, wenn der Mörder aus dem Lande flieht, und es müßte daher auch beim Morde die Absicht als voll⸗ endetes Verbrechen bestraft werden. Dagegen steht nichts im Wege, die Absicht der That, insofern sie unter den Begriff des 8. 40 über den Versuch fällt, als Versuch zu bestrafen, wenn es hier heißen würde: „Wer sich eines Menschen bemächtigt und ihn in Sklaverei bringt.“ Hat der Verbrecher die Absicht, das Verbrechen zu begehen, in solcher Weise kund gegeben, daß seine Handlung nach den Regeln über den Versuch als ein straf barer Versuch anzusehen ist, so wird seine Absicht bestraft. Ich gebe diese Bemerkung hin, ohne einen Antrag auf Abstimmung zu stellen, insofern sie nicht anderweit auf⸗ genommen wird.

Regierungs Kommissar Bischoff: Ich weiß nicht, ob der Antrag Unterstützung findet; für diesen Fall bitte ich um die Erlaubniß, mich darüber zu erklären.

Marschall: Es fragt sich, ob der Antrag die erforderliche Unter⸗ stützung findet?

(Er wird unterstützt.) Er ist als Fassungsbemerkung unterstützt worden.

Regierungs⸗Kommissar Bischoff: Der Antrag geht meines Er⸗ achtens über eine Fassungs-Bemerkung hinaus, denn er würde eine wesentliche Abänderung des Entwurfes herbeiführen. Der Entwurf geht davon aus, daß das Verbrechen, von dem es sich hier handelt, der Menschenraub, ein Verbrechen wider die Freiheit ist, und als solches ist es vollendet, wenn der Thäter einen Menschen durch List oder Gewalt in seine Macht gebracht hat. Was er demnächst mit demselben vornimmt, kann seine Strafbarkeit vermehren; aber in dem Augenblicke, wo der Verbrecher sich der Person bemächtigt hat, ist das Verbrechen wider die Freiheit als solches beendet. Ich glaube aber, daß, abgesehen von diesem theoretischen Grunde, auch praktische Gründe zur Erwägung kommen, welche von dem geehrten Antrag⸗— steller bereits angedeutet sind. Der Zweck des Verbrechens geht nämlich dahin, solche Personen in Sklaverei, Leibeigenschaft oder aus⸗ wärtige Kriegsdienste zu bringen; wollte man nun in diesem Para⸗ graphen zur Vollendung des Verbrechens voraussetzen, daß das wirl⸗— lich geschehen sein müsse, so würde von Anwendung der vollen Strafe kaum noch die Rede sein. Denn in dem vorausgesetzten Falle würde man dem Thäter in der Regel nichts mehr anhaben können, weil er sich dann bereits im Auslande befände, wohin unsere Strafgewalt nicht reicht. Es ist gesagt worden, beispielsweise könne dasselbe Ver⸗ hältniß auch bei dem Morde eintreten; da stellt sich aber die Sache anders. Wenn ein Mord von den hiesigen Gerichten bestraft werden soll an einem Verbrecher, welcher hier das Verbrechen begangen hat und demnächst flüchtig geworden ist, so war das Verbrechen im In- lande bereits konsummirt, und die Schwierigkeit liegt nur darin, daß der Verbrecher flüchtig ist. Es ist also ein anderes Sach verhältniß, als hier im §. 255 vorausgesetzt wird.

Marschall: S. 256. . .

Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius lliest vor):

. 256. 3

Wer sich eines Menschen unter sechzehn Jahren durch List oder Gewalt bemächtigt, um denselben zum Betteln oder zu anderen unsittlichen oder eigennützigen, Zwecken oder Beschäftigungen zu ge⸗ brauchen, ist mit Zuchthaus bis zu funßzehn Jahren zu bestrafen.“

Abgeordn. Sperling: Es handelt sich hier um ein Verbrechen, welches mir etwas zu hart bedroht zu sein scheint. Wir erhalten nämlich die Deutung des Ausdrucks u nsittlich“ durch den vorher⸗ gehenden Ausdruck „betteln“ Wer also einen Menschen unter 16 Jahren zum Betteln durch List an sich zu bringen und anzulocken weiß, soll mit Zuchthaus bis zu 15 Jahren bestraft werden. Das scheint mir etwas zu viel zu sein, und ich möchte anheimgeben, für einen solchen Fall das Gefängniß nicht auszuschließen.

Abgeordn. von Auerswald: Wenn ich irgend eine niederträch⸗ tige Handlung kenne, so ist es meiner Ueberzeugung nach die, Jemand

seiner persönlichen Freiheit zu berauben und ihn zu schlechten Zwecken