1848 / 56 p. 4 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

brauchen. würde viel eher geneigt, ein höheres Mini- 23 er, n mich der Ansicht meines verehrten Nachbars anzuschließen. Ich glaube, der Paragraph muß stehen bleiben, wie er in dem Entwurfe vorgeschlagen ist. ; z Marschall: Es fragt sich, ob der Vorschlag die erforderliche

Unterstützung findet. u (Wird nicht unterstützt.)

8. V7. ̃ l Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius Ciest voGn:

war zunächst bemerkt worden, daß die dort aufgestellten Bezeichnungen von Aeltern, Vormündern, Erziehern oder rer ehen zu enge erscheinen; die Abtheilung schlägt vor, statt der Worte: „Erzieher oder Pflege Aeltern“ die Worte: „oder Alle, welchen die Erziehung oder Aufsscht anvertraut war“ zu Aufnahme zu empfehlen.

Sodann war bemerkt worden, daß bezüglich der Strafbarkeit der verbotenen Handlung der Paragraph zu weiß zu gehen scheine, wenn er keine Rücksicht auf den Erfolg nehme, namentlich darauf nicht, ob das Kind zu den unsittlichen Zwecken wirklich gebraucht worden. Es ward daher der Antrag gestellt:

nur von diesem wirklich eingetretenen Erfolge die Strafbarkeit der Handlung abhängig zu machen.

Die Abtheilung hat diesen Antrag jeboch mit 11 gegen A Stimmen zurückgewiesen, indem sie der Ansicht war, daß das hier mit Strafe bedrohete Verbrechen mit Recht in dem Augenblicke als vollendet betrachtet worden, in welchem die Bemächtigung der Person stattgefunden, und es nicht darauf ankommen könne, ob der Zweck, zu welchem die Freiheitsentziehung stattgehabt, wirklich erreicht fei.“

Justiz⸗Minister von Savigny: Was den Fassungsantrag be⸗ trifft, der gleich anfangs gemacht ist, der aber allerdings eigentlich über den Begriff der Fassung hinausgeht, nämlich statt der Worte: „Erzieher oder Pflegeältern“ zu sagen: „oder Alle, welchen die Erziehung oder Aufsicht anvertraut war,“ so wird von Seiten der Regierung dagegen nichts einzuwenden sein. Was aber das zweite betrifft, so muß ich mich mit dem ganz einverstanden erklären, was schon die Mehrheit der Abtheilung als ihre Ansicht ausgesprochen hat, und zwar besonders aus dem Grunde, weil allerdings zwischen den verschiedenen Fällen ein Unterschied an sich da ist, aber ein Unterschied für dessen praktische Berücksichtigung die Strafzumessung, wie sie hier zugelassen ist, vollkommen ausreicht.

Marschall: 5. 258.

Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius lliest vor):

„S§. 258.

Wer sich unbefugter Weise eines Menschen unter sechszehn Jahren durch List oder Gewalt bemächtigt, um ihn mit Kränkung der Erziehungsrechte seiner Aeltern oder Vormünder oder mit Gefähr⸗ dung seines Familienstandes, einem fremden Einflusse in Betreff der Erziehung, des religiösen Bekenntnisses oder der Lebensbestimmung zu unterwerfen, soll mit Gefängniß nicht unter sechs Monaten oderè mit Stra farbeit von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden.“

Das Gutachten der Abtheilung lautet:

„Ju 5. 256.

Es ward bemerkt, daß das Wort „Kränkung“ zu unbestimmt und es geeigneter erscheine, statt desselben das Wort „Verletzung“ zu substituiren, eine Ansicht, welcher die Abtheilung einstimmig beitrat.“

Justiz⸗Minister von Savigny; Es ist dies eine Fassungs— Bemerkung und diese wird ganz Jewiß in Erwägung gezogen werden. Der Ausdruck Verletzung scheint die Sache Etwas zu 6. zu be⸗ engen, und könnte dahin führen, daß in einzelnen Fällen eine unrichtige Freisprechung erfolgte: Ich stelle anheim, das Wort Beeinträchtigung zu gebrauchen, was vielleicht vermitteln wird,

Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius: Ich glaube, daß das Wort Verletzung gerade bezeichnend ist, denn es drückt gerade aus, daß ein anderes fremdes Recht geschmälert worden seci.

Marschall: Es kann um so mehr als Fassungsbemerfung ange— sehen werden, weil hier auf der anderen Selte wieder auf die Worte des Entwurfes zurückgekommen wird, und es auch von der Abthei= lung nur als Fe Jungsbemerkung hingestellt worden ist.

Abgeordn. Cemphausen: Insofern festgestellt ist, daß die Ver⸗ sammlung dieser Btwerkung der Abtheilung beistimmt, wäre es ge— nügend, senst aber könnten wir uns über die Bedeutung der Fas sungsbemerkung tauschen.

Justiz · Minister gen Savigny: Die Versammlung hat nicht ausgesprochen, daß sie in Ansehung der Fassung der? Abtheilung schlechthin beitrete, sontern die Versammlung wind, wie es von unse rer Seite aufgefaßt wird, damit einverstanden sein, daß die Fassung der .in, anheimgegeben werde.

Igeordn. Camphausen: Deshalb halte ich es für nothwendi J daß die Ber sa mn u sich darüber m. w

Abgeordn. von Auerswald; Wenn es darauf ankommt, sich noch darüber auszusprechen, se muß ich bemerken, daß ich das Wort Rechts - Kränkung Jür bezeichnend und umfassend halle, daß ich weder dem Herrn Referenten, noch dem Herrn Minister der Gesetz⸗ gebung beistimmen kann. Ich halte weder das Wort Verletzung, noch das Wort Beeintraäͤ chtigung für besser, als den Ausbrutk, der im Gesetzentwurf gewählt ist, und stimmie daher für Beibehal⸗= tung des Wortes Kränkung.

Marschall: Es wird, darauf ankommen, zu ermitteln, ob die Versammlung dem Vorschlage der Abtheilung, welcher allerdings nicht deutlich entnehmen läßt, ob er als Fassungebemerkung hin⸗

egeben, oder ob ein höherer Werth darauf gelegt werde, beistimmt. Hier die Versammilung nicht bei, so wird, wenn kein anderer Vorschlag gemacht wird, es so anzusehen sein, als stimme sie der Fassung des Entwurfes bei. Also diejenigen, welche beantragen, daß anstatt des Wortes Kränkung, das Wort Verletzung gesehz werde, würden das durch Aufstehen zu erkennen geben. 464

Man ist dem Antrage nicht beigetreten.

§. 269.

Referent Abgeordn. Freiherr * Mylius lliest vor):

„8. 269.

Wer sich einer Frauensperson durch List oder Gewalt bemäch— tigt und dieselbe entführt oder in seiner Gewalt zurückhält, um sie zur Eingehung einer Ehe oder zur Gestattung des unehelichen Bei— chlafs zu veranlassen, ist mit Strafarbeit von einem bis zu zehn

ahren oder mit Zuchthausstrafe bis zu zehn Jahren zu bestrafen, jedoch nur auf den Antrag der Entführten (8. 70) oder auch, wenn sie verheirathet ist, ihres Ehegatten.“

Abgeordn. Graf von Galen: Es heißt im Paragraphen: „um sie zur Schließung der Ehe oder zum Beischlafe zu‘ veranlassen.“ Es sind hier zwei Fälle zusammen ö und nach der Fassung des Entwurfes ist kein sittliches . vorherrschend, sondern er hat sie nebeneinander Hell, als ob sie gleich ständen. Ich möchte provo⸗ ziren auf das Gefühl der hohen Versammlung, auf das Gefühl jedes

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Einzelnen, der Vater ist, oder eine Schwester hat, oder irgend Ver⸗

wandte, die ihm nahe stehen, ich möchte provoziren auf das Gefühl,

ob ses gleichgültig ist, wenn eine entführt wird, zum Zwecke einer ehelichen Verbindung, oder wenn sie entführt wird, um sie der Schmach und Schande auf immer Preis zu geben. Ich kann um so weniger dafür stimmen, daß der Paragraph so beibehalten werde, als wir schon im Anfange unserer Diskufstonen ich glaube einstimmig der Meinung beigepflichtet sind, daß das Geseßbuüch nicht allein für den Richter, sondern auch für das Volk sein soll. Das Volk muß wissen, daß die Entführung, welche Behufs des unehelichen Beischlafs aus— geführt wird, he ger bestraft werden soll, als eine solche, welche die Ehe zur Folge hat. Ich fühle mich doppelt veranlaßt, dieses in Erwägung zu geben, da unsere westfälischen Stände bei Berathung des Gesetzentwurfes von 18413 ausdrücklich folgenden Antrag gestellt haben. Sie sagen ausdrücklich: Wir beantragen eine Aenderung der Fassung des §. 358 (Entwurf von 1813) in nachstehender Art: Wer sich einer Frauensperson durch List oder Gewalt bemächtigt, um sie zum unehelichen Beischlaf zu vermögen, wird bestraft:

1) wenn er deren Zweck wirklich erreicht hat mit 5 bis 10 Jahre

Zuchthausstrafe,

2) sonst aber mit Zuchthaus von 1 bis 5 Jahren. ö

Wenn die Eingehung der Ehe der Zweck des Verbrechens ist, und ist

1) derselbe erreicht, so tritt Strafarbeit bis zu 3 Jahren,

2) sonst aber bis zu einem Jahre ein. ö

Denn der Fall, wenn die Entführung unter Beabsichtigung einer Ehe erfolgt, ist wesentlich von dem, wenn das Verbrechen zu dem Zweck vollführt wird, die Entführte zum unehelichen Beischlafe zu vermögen, verschieden. Im letzten Falle wird zu dem Verbrechen noch der unersetzliche Raub der Ehre hinzugefügt, und so das Lebens⸗ glück der Entführten, wenn der Zweck erreicht, in der Art zerstört, daß die Hoffnung einer Versorgung durch eine standesmäßige Heirath auf immer verloren geht. Abgesehen davon, daß die Bewegungs— gründe zu dem Verbrechen welt strafbarer als im ersten Falle, ent—m hält derselbe auch eine größere Rechtsverletzung und schlimmere Fol— gen, während bei der Entführung zum Zwecke der ehelichen Verbin dung die Ehre der Entführten durch die Ehe restituirt wird. Bei so in ihren Bewegungsgründen und in ihren Folgen verschiedenen Verbrechen kann nach innerer Ansicht nicht gleiche Strafe eintreten, und haben wir geglaubt, daß für die verschiedenen Fälle in der von uns beantragten Fassung ein passendes Strafmaß gewählt worden ist.

Unter Bezugnahme auf diese Gründe, erlaube ich mir, wiederholt bei der hohen Versammlung darauf anzutragen, daß sie jene Fassung nicht verwerfen wolle, die wir westfälischen Stände zur Allerhöchsten Genehmung Seiner Majestät dem Könige unterbreiteten.

Justiz⸗Minister von Savigny: Wenn der Paragraph so ge— faßt worden ist, wie er hier vorliegt, so glaube ich, wird Niemand in der hohen Versammlung annehmen, daß bei diefer Fassung die Ansicht zum Grunde gelegen habe, es sei an sich gleichgültig, ob die eine oder die andere Absicht die Handlung veranlaßt habe. Man ist aber von der Ansicht ausgegangen, daß hier die Gewalt gegen die Person das erste und vorherrschende sei. In so sehr verschieden an sich die Absicht einer Eheschließung (eine an sich löbliche und tadellose) und die Absicht, den unehelichen Beischlaf herbeizuführen seine an sich unedle), so sehr verschieden, sage ich, diese Absichten an sich sind, und so wenig sie mit einander gleichgestellt werden können, so ist doch die Gewaltsamkeit gegen eine Person, um die eine oder die andere Absicht herbeizuführen, wesentlich aus denselben Gründen strafbar, weil dadurch die menschliche Freiheit auf die schwerste Weise beeinträchtigt und verletzt wird. Denn wer auch die ernste Absicht hat, die Ehe zu schließen, diese aber gegen den entschiedenen Willen der anderen Person durch äußere Gewalt zu befördern sucht, vergeht sich auf das Schwerste, und die Schwere dieses Vergehens wird da— durch nicht beschränkt, daß die Ehe ein rechtmäßiges Verhältniß ist. Das ist der Gesichtspunkt, von welchem man ausgegangen ist. Wenn hinzugefügt worden ist, daß, wenn nachher die Absicht zum Ziele führt, die Entführte sich dem Entführer ergiebt, und die Ehe mit nunmehr freiem Willen schließt, es grausam sei, darauf nicht Rücksicht zu nehmen, so ergiebt sich das durch den Schluß der Pa— ragraphen. Hat sich die Sache so ausgeglichen, hat die Entführte hinterher ihren Willen geändert und mit dem Entführer die Ehe frei geschlossen, dann wird von einem Antrage nicht die Rede sein, und es ist die Handlung, die ursprünglich ein Verbrechen war, gut ge— macht. Dazu bietet das Gesetz die Hand, wenn wir davon aus— gehen, daß das Erste und Schwerste die Verletzung der persönlichen Freiheit ist, und daß dabei allerdings ein gradueller Unterschied in dem entfernten Zwecke liegen kann, daß aber für diesen graduellen Unter schied hinlängliche Freiheit der Strafzumessung durch den Entwurf gelassen wird, so können wir uns mit dieser Vorschrift begnügen.

Marschall: Wir wollen ermitteln, ob der Vorschlag die erfor— derliche Unterstützung findet.

(Viele Mitglieder erheben sich.) Er hat sie gefunden.

Abgeordu. Frhr. von Gaffron: Wenn auch ein bedeutender Spielraum für das Strafmaß enthalten ist und sehr wohl sür den einen und den anderen Fall das richtige Strafmaß gefunden werden kann, so muß ich mich doch der Ansicht des Abgeordneten aus West— falen anschlleßen. Es, würde keinen günstigen Eindruck machen, daß man Ehe und unehelichen Beischlaf hier zusammengestellt hat. Ich trete dem Antrage des Abgeordneten bei und bitte, den Paragraphen zu trennen.

Abgeordn. Graf von Kengrd: Wenn der Antrag des Abge— ordneten der westfälischen Ritterschaft dahin gerichtet ist, daß zwei so wesentlich verschiedene Bestrebungen, nämlich eine Ehe zu veranlassen oder unehelichen Beischlaf ausüben zu wollen, nicht neben einander als gleichartig und verwandt aufgestellt werden sollen, so muß ich die= ser Ansicht beistimmen und erkenne in dem Antrage richtigen sittlichen und religiösen Takt. Wenn aber der Antrag des Abgeordneten da— hin geht, daß der erstere Fall um so viel leichter, der zweite um so viel härter gestraft werde, so muß ich dieser Ansicht entgegentreten, weil ich den ersteren für ein größeres Verbrechen halte, als den zweiten. Ich halte es für ein groͤßeres Verbrechen, wenn Jemand durch List und Gewalt zur Ehe gezwungen werden soll, ein durch Staat und Kirche geheiligtes Verhältniß, welches für das ganze Leben dauert, als wenn Jemand durch List und Gewalt zu einem vorübergehenden Verhältniß veranlaßt werden soll.

Heiterkeit.)

Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius; Ich glaube nicht, daß dem Antrage des Abgeorbneten aus Westfalen beigetreten wer— den kann. Er geht darauf hinaus, daß diese Handlung den Begriff zweier verschiedenen Verbrechen bildet. Es ist mißlich, von einer be! simmten Absicht den Begriff eines Verbrechens abhängig zu machen. In den meisten Fällen ist nicht möglich, zu unterscheiden, eb die Ab= sicht vorhanden war, den Hh zu vollziehen, oder die Absicht, die Ehe zu schließen. Es wirb immer bei solchen Vergehen das Verbrechen begleitet sein mit einem gewissen dolus indetérminatus, mit der Absicht, das Eine zu thun ünd das Andere, falls es erfor' derlich, nicht zu lassen, es vorläufig aber darauf ankommen zu lassen, ob eine solche Nothwendigkeit sich herausstelle.

Abgeordn. Graf von Galen: Der Herr Minister der Gesetz⸗

ebung w ie der Herr Regierungs- Kommissar haben uns auseinander geseßt, daß das eigentliche Delikt begangen wäre, sobalt man sich durch List oder Gewalt eines Menschen bemächtige. Für diesen Fall huben wir bereits 8. 255 den Menschenraub gehabt. Da war die Absicht, einen Menschen in Sklaverei oder Leibeigenschaft oder in auswärtige Kriegsdienste zu bringen. Hier ist wieder die Absicht, die Entführte zu beirathen ober den unehelichen Beischlaf auszuüben. . ehe nich ein, warum bei der einen Absicht gestraft werden soll, raifhhr n 3 nicht. Gesetzt nun, man habe eine Frauensperson bes Gr um ke zu heirathen, sondern um sie in den Harem Großsultans zu verkaufen. Im gedachten Fal diese Absi Menschenraub, und ich Kehlen Im gedachten Jall war diese Absicht K 5 ö sehe nicht ein, warum ein so unendlich hoher Frevel, welcher bezweckt, ein unbesch oltenes Mädche . . und sie der immerwährenden Se bene ! e e. . n nen werden soll, wie der Menschenraub. hretchugeben, geringer besaft Abgeordn. von Auerswald: enn; neten 23 Westfalen und seinen Ann un richt ben. geehrten u sferh. liegt das Verletzende des Paragraphen für! nn e nen habe, so unsittliche Handlung gewissermaßen in eine Fareg en gdaß Ene ganz ö ; 6 w stellt wird mit der Eingehung der Ehe. Es scheint aber ein Mißverständniß ? Grunde zu liegen. Diese unsiltliche Handlung ist nicht zust kam gestellt mit der Eingehung der Ehe an sich, sondern mit elner e w. lung, für die man schwerlich eine noch unsittlichere wird auffinden

können, mit der Entweihung der Ehe, des edelsten, des sittlichsten und heiligsten Verhältnisses also, welches es auf Erden giebt. Wenn man annimmt, daß ein weibliches Wesen mit List und Gewalt vielleicht aus verbrecherischen Gründen des schändlichsten Eigennutzes zu Ein⸗= gehung einer Ehe gezwungen wird, das Verhältniß, in welchem sie vielleicht besätimmt war, ein glückliches, Gott gesegnetes Leben zn füh

ren, für, immer zu entweihen und ihr Leben in der schmählschsten Sklaverei des Geistes und Körpers hinzuschleppen, so ist dies doch wohl ein so schlechtes Unterfangen, als irgend ein anderes. Wenn man die Handlung aus diesem Gesichtspunkt betrachtet und dabe nicht vergißt, den Begriff der Ehe in seiner vollen Würde, in se ner wahren Höhe und Heiligkeit aufzufassen, so wird man gewiß nicht einen so wesentlichen Unterschied zwischen dem in dem Paragraphen erwähnten Verbrechen finden, daß man darauf eine Veränderüng bes Paragraphen gründen könnte. Ich schließe mich vollständig dem Henn Minister der Gesetzgebung an.

Marschall: Wir können abstimmen.

Abgeordn. Cueanus: Ich bitte, mir noch eine bescheidene A frage zu gestatten.

(Von allen Seiten: Abstimmen!

Marschall: Wir können abstimmen. Der Antrag, wie er gestellt worden ist, zerfällt in zwei Theile, Zuerst würde er dahin gehen,

daß überhaupt eine Trennung der beiden Fälle stattsinde, und weiter, daß beide Fälle mit verschiedenem Strafmaße getroffen werden.

Es kommt zuerst darauf an, ob es den Abgeordneten befriedigen würde, wenn blos die Frage darauf gestellt wird, daß in der Fassung des Gesetzes beide Fälle mehr auseinandergehalten werden.

Entspricht das der Ansicht des Abgeordneten?

Abgeordn. Graf von Galen: Es entspricht dies meiner An sicht; die spätere Frage wäre dann eventuell, wie hoch das Straf maß für den einen oder den anderen Fall sein solle.

Marschall: Diese Frage würde sich also anschließen an die erste Frage:

ob beantragt werden soll, daß die beiden Fälle des §. 259 im Ge⸗ setz schärfer auseinandergehalten werden?

Diejenigen, welche es beantragen, würden es durch Aufstehen zu erkennen geben.

(Es erheben sich nicht genug Mitglieder.!)

em Antrage ist nicht beigestimmt.

Es würde also auch die Frage nicht erforberlich sein, ob für beide Fälle ein verschiedenes Strafmaß zu beantragen sei

Wir kommen zum nächsten Paragraphen.

Referent Abgeordn. Frhr. von Mylins (liest vor):

, IJIÜ)

Wer eine minderjährige unverheirathete Frauensperson mit ihrem

Willen, aber mit Kränkung der Rechte ihrer Aeltern ober ihres Vor

mundes, entführt, um mit ihr die Ehe zu schließen oder den Beischlaf zu vollziehen, ist mit Gefängniß nicht unter drei Monaten ober mil Strafarbeit bis zu drei Jahren, jedoch nur auf den Antrag der Ael tern oder des Vormundes, zu bestrafen.“

——

Das Gutachten lautet:

Abstimmen!)

. 2

,

Gegen den §. 260 ward eingewendet, daß derselbe eine Hand lung mit Strafe bedrohe, die eigentlich straflos bleiben müsse. Wenn eine Frauensperson mit ihrem Entführer freiwillig mitgehe, so liege die Verletzung irgend eines Rechts, zumal wenn dieselbe der Groß jährigkeit nahe stehe, in keiner Weise vor; der Staat schütze das Erziehungsrecht der Aeltern und Vormünder; es würde aber zu weit gegangen sein, wenn man mündige, in vollkommener Willensfreiheit handelnde Personen diesem Erziehungsrechte in der Weise unterwerfen wollte, daß eine von ihnen vorgenommene Handlung, selbst wäre sie unter gänzlicher Nichtbeachtung dieses Erziehungsrechtes erfolgt, einer Strafbestimmung unterwerfen wollte. Im äußersten Falle sei es ge rechtfertigt, eine solche Strafbestimmung in den Fällen zu geben, 'in welchen ein jugendliches Alter den Schutz gegen Verführung mit Ueberlegung handelnder Personen zum Mißbräuch einer jugendlichen Unbesonnenheit zu rechtfertigen im Stande sei.

Von diesen Gesichtspunkten ausgehend, sind der Abtheilung zwei Anträge vorgelegt, der eine: den Paragraphen ganz zu streichen, der andere: statt der Worte „minderjährige, unverheirathete Frauensperso⸗ nen“ die Worte: „unverheirathete Frauenspersonen unter 16 Jahren“ in Vorschlag zu bringen.

Andererseits ward zwar hervorgehoben, daß das Recht der Ael tern und der Vormünder, ihre Einwilligung zum Abschluß der Ehe zu ertheilen, durch eine Strafbestimmung, wie die vorgeschlagene, in zweckmäßiger Weise anerkannt und geschützt werde. Vie Abtheilung beschloß jedoch aus den vorerwähnten Gründen, und zwar namentlich dem letzteren Theile derselben sich anschließend, den Antrag:

den Paragraphen ganz zu streichen, zwar abzulehnen, den zweiten Antrag jedoch: . von dem 16jährigen Alter der Entführten die Strafbarkeit abhãan gig zu machen, . zu befürworten, und faßte einen jeden dieser Beschlüsse mit einer Majorität von 19 bejahenden gegen 5 verneinende Stimmen. Sie war endlich der Ansicht, daß näch der jetzt geänderten Jasung die Worte: „mit Kränkung der Rechte ihrer Aeltern oder des Vormun 1 ü ĩ ss ien.“ / 1 (en mn te,, Beschlusse von der Abtheilung in An= trag gebracht worden, das Alter von 16 Jahren in das 18te Jahr i. ; zu i n n. Camphausen; Das folgt nicht daraus. .

Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius: Nach einer frü— heren Abstimmung ist entschieden worden, daß das Alter von 13 Jahren dasjenige sei, mit welchem eine gewisse Freiheit der Wil⸗ sensbestimmung erst beginnen soll. Wenn die Versammlung der An—

sicht beitritt, so würde der Konsequenz wegen auch hier das Alter von 18 Jahren zu bestimmen sein. Ich stelle das anheim.

Justiz-Minister von Savigny: Ich muß mich gegen den An⸗ trag der Abtheilung erklären. Es scheint mir, daß der Charakter der Handlung, die unter Strafe gestellt werden soll, ganz verkannt wird. Es ist nicht die Rede von einer Handlung, die geschieht gegen den Willen der weggeführten Person, sondern gegen den Willen derjeni⸗ gen, von denen die Person nach dem Rechte und dem Familienzer— hältniß abhängig ist. Weil hier nun blos die Rede ist von der Be⸗ einträchtigung der Rechte dritter Personen, so ist uuch das Strafmaß geringer gestellt, als im vorhergehenden Paragraphen. In diesem Falle aber einen Unterschied zu machen, je nach dem Alter der Ent⸗ führten, und zu sagen: unter 16 (oder 18) Jahren soll die Strafe eintreten, über 16 (oder 18) Jahren aber soll keine Strafe eintreten, dazu kann ich keinen Grund einsehen. In einem anderen Titel war die Rede von der Verführung junger Personen. Da wollte man al⸗ lerdings die jugendlichen Personen in Schutz nehmen gegen ihre ei⸗ gene Schwäche und Unerfahrenheit, entschuldigt durch ihr Alter. Hier aber, wo es sich nur handelt um den Schutz gewisser Familien rechte, kann ein solcher Unterschied zwischen dem höheren oder gerin⸗ geren Alter der Minderjährigen, die eben wegen ihrer Minderjährig⸗ keit von fremdem Willen abhängig ist, nicht stattfinden. . 3

Abgeordn. Camphausen: Die Majorität der Abtheilung ist eben der Meinung gewesen, nicht anzuerkennen, daß man hier die Aeltern als Solche anzusehen habe, deren Rechte als Dritte verletzt werden; man ist der Ansicht gewesen, daß die Aeltern selbst dafür sorgen mögen, ihre Kinder in der Weise zu erziehen, um sich davor zu schützen, daß sie nicht mit dem ersten Besten weglaufen; man ist der Ansicht gewesen, daß es den jungen Leuten freistehen möge, um Liebe zu werben, wo sie wollen, und daß, wenn sie ein Mädchen sinden, das zu den gehörigen Verstandeskräften gekommen ist und mit ihnen zur Trauung gehen will, von ihnen keine strafbare, sondern eine erlaubte Handlung begangen werde.

Abgeordn, Lucgnus: Ich wollte in Bezug auf diesen Para⸗ graphen um eine Belehrung bitten. Es ist immer nur die Rede da— von gewesen, wenn eine Mannsperson sich eines Frauenzimmers be—⸗ mächtigt u. s. w.; ich frage nun bescheiden an, wenn nun ein Weib sich eines Mannes mit List oder Gewalt bemächtigt 2c, was geschieht da? Ich weiß es nicht, ich bitte blos um Belehrung. ;

Abgeordn. Sperling: Ich richte nur die Frage an den Herrn Regierungs- Kommissar, ob unter dem Ausdrucke „Aeltern“ sowohl leibliche als auch Adoptiv- Aeltern zu verstehen sind? Mir scheint solches nothwendig zu sein.

Regierungs- Kommissar Bischoff: Es ist der Ausdruck Aeltern Janz allgemein gebraucht, also sind alle Personen gemeint, welchen älterliche Rechte gesetzlich zustehen.

Abgeordn. von Byla: Ich stimme für die Beibehaltung des s. 2bb aus den Gründen, die der Herr Minister der Gesetzgebung bereits angeführt hat, außerdem aber auch, weil ich bereits im Land⸗ rechte eine ähnliche Bestimmung vorfinde, und zwar im s§. 1103 , Thl. II., und ich sehe keinen genügenden Grund ein, wes— wegen man diese Vorschrift in neuen Gesetz-Entwurfe fallen lassen sollte.

Referent Abgeordn. Frhr. von Mylius: Das Letzte kann kein Grund sein; warüm ist denn hier überhaupt der Wunsch da, daß ein neues Gesetz gemacht werde? Da wäre es am Ende am besten, ganz das alte zu behalten, wenn wir es nicht prüfen sollen.

Abgeordn. von Byla: Wir behalten, wenn ich mir darauf eine Antwort erlauben darf, nur die älteren Bestimmungen bei, die wir bisher als zweckmäßig befunden, und da die in Rede stehende Bestim⸗ mung des Allgemeinen Landrechts bisher nicht als unzweckmäßig be— funden worden, so glaube ich, ist es rathsam, daß wir sie wieder aufnehmen.

Referent, Abgeordn, Freiherr von Mylius: Deswegen fragt es sich hier, ob innere Gründe vorliegen, die diese Bestimmüng rechtfer⸗ tigen, und ich glaube, daß die Majorität der Abtheilung aus den Gründen, die von ihr angeführt worden sind, in ihrem Rechte war, wenn sie diese Frage verneint hat.

Marschall: Wir können zur Abstimmung kommen.

Die Frage heißt also:

Soll beantragt werden, die Worte . „wer eine minderjährige unverheirathete Frauensperson“, zu verändern in die Worte, „wer eine unverheirathete Frauensperson unter 16 Jahren . (Undeutlicher Widerspruch von einer Seite.)

Ich richte die Frage auf den Vorschlag der Abtheilung; und diesenigen, welche diesem Vorschlag der Abtheilung beitreten, würden das durch Aufstehen zu erkennen geben.

(Es erheben sich nur wenige Mitglieder dafür.) Der Vorschlag ist nicht angenommen. Wir kommen zu §. 261. Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius (iest vor): J Entführer die Entführte geheirathet, so findet die Be⸗ wenn die Ehe zuvor für ungültig erklärt

Hat der strafung nur dann statt, worden ist.“

Das Gutachten lautet:

„Jin 5. .

Der Paragraph gab zu keiner Bemerkung Veranlassung.“

Abgeordn. Neumann: Ich muß mir erlauben, zu diesem Para— graphen noch eine Bemerkung zur Sprache zu bringen und um eine Belehrung darüber zu bitten. Mir macht nämlich das Wort „zuvor“ Bedenken. Ich entnehme aus den Motiven zu §. 259, daß man voraussetzt, die Ehe bleibe auch fortwährend gültig, und daß die Strafe zu allen Zeiten wieder eintreten könnte, wenn die Ehe auch erst später für ungültig erklärt worden ist, und beide Eheleute schon längere Zeit friedlich und einig mit einander gelebt haben. Ich bin der Meinung, daß der Paragraph so zu verstehen sei, daß die Ehe zugleich für ungültig erklärt werden müsse. Es heißt in den Motiven aber:

„Da bei der Vollziehung und fortdauernden Gültigkeit der Ehe die Strafe ohnehin wegfällt (5. 261).“ Man könnte also hiernach annehmen, daß z. B. nach 2 Jahren noch auf Ungültigkeit der Ehe angetragen werden könne, wenn nunmehr deren Ungültigkeit ausgeführt wird.

Regierungs-Kommissar Bischoff: Es ergiebt sich aus s. 261, daß, so lange die Ehe nicht für ungültig erklärt ist, auch nicht die Bestrafung erfolgen kann. Wird aber darauf angetragen, sie für un⸗ gültig zu erklären, so kann zu gleicher Zeit auf Bestrafung angetra⸗ gen werden. Ob das dann noch zulässig ist oder nicht, muß nach den allgemeinen Bestimmungen des generellen Theils beurtheilt werden.

Abgeordn. Neumann: Ich halte es aber doch für eine bedenk— liche Bestimmung, wenn die Ehe vielleicht 2 Jahre lang ruhig fort gesetzt ist, und es soll dann später noch, weil ein Grund der Ungültigkeit existirte, auch die Bestrafung eintreten. .

Regierungs⸗Kommissar Bischoff: Es ergiebt sich das aus 8. 66, wenn 3 Monate seit dem Tage ber erlangten Kenntniß des Verbre⸗ chens verlaufen sind, ohne daß die Ungültigkeits- Erklärung der Ehe und die Bestrafung beantragt ist, so bleibt dasselbe straflos.

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Marschall: 6. 262. Referent Abgeordn. Frhr. von Mylius lliest vor): wia, n, .

Wer unbefugterweise oder mit Ueberschreitung der ihm zustehen⸗ den Befugniß einen Menschen des Gebrauchs der persönlichen Frei⸗ heit beraubt, ohne Unterschied, ob es durch Einsperrung oder auf andere Weise geschieht, ist mit Gefängniß oder mit Stra arbeit bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

Die Freiheitsberaubung soll in folgenden Fällen mit Strafarbeit von einem bis zu funfzehn Jahren oder mit Juchthaus bis zu funf⸗ zehn Jahren bestraft werden:

1) wenn dem der Freiheit Beraubten während der Dauer der Frei⸗ heits⸗-Entziehung Mißhandlungen zugefügt worden sind;

2) wenn durch die Art der Behandlung dem der Freiheit Beraub— ten irgend eine Krankheit oder irgend eine Arbeits Unfähigkeit entstanden ist;

3) wenn die Freiheitsberaubung über drei Monate gedauert hat;

4) wenn das Verbrechen gegen leibliche Verwandte in aussteigender Linie verübt worden *

Das Gutachten lautet:

„Zu §. 262.

Zu diesem Paragraphen ward erinnert, daß der letzte Satz des⸗ selben zu streichen sei, indem Fälle vorkommen könnten, in denen die Anwendung der härteren Strafe nicht gerechtfertigt. Es war ferner die Ansicht aufgestellt worden, daß diese härtere Strafe nicht nur auf das Verhältniß von Descendenten gegen Ascendenten zu beschränken, sondern auf das Verhältniß von Eheleuten zu einander auszudehnen sei. Zwei auf diesen Ansichten beruhende Anträge, von denen der erste dahin ging:

die Nr. J des zweiten Satzes im Paragraphen ganz zu streichen,

und von denen der zweite darauf gerichtet war:

die Freiheits Entziehung der Ehefrau duͤrch den Ehemann mit der

härteren Strafe zu bedrohen,

hat die Abtheilung jedoch, und zwar den ersten mit 9 gegen 6 und den letzteren mit 11 gegen 4 Stimmen zurückgewiesen.

Abgeordn. Zimmermann: Nach dem hier gemachten Gesetzes Vorschlage ist auch der Fall strafbar, wo eine Ueberschreitung zuste⸗ hender Befugnisse stattgefunden hat. Es unterliegt gewiß keinem Bedenken, daß eine Strafbarkeit in solchen Fällen vorhanden ist; ein sehr großer Zweifel aber muß hier darüber entstehen, in welchem Falle eine Ueberschreitung solcher Befugnisse stattgefunden habe. In dem ich voraussetze, wie es sich wohl von selbst versteht, daß Fier nicht von Befugnissen der Beamten die Rede ist, sondern nur solcher Personen, die ein anderweitiges Recht haben, Andere ihrer Freiheit zeitweise zu berauben, wie z. B. Aeltern und Vormünder gegen Rinder und andererseits Schullehrer, so bleibt hier doch der Zwei⸗ fel ungelöst, in welchem Falle eine Ueberschreitung dieser Befugniß eingetreten ist. Auf der einen Seite kann die Befugniß auf Grund dieses Paragraphen, je nachdem wir annehmen, ob eine Ueberschrei tung stattgefunden hat oder nicht, eine außerordentliche Ausdehnung erhalten, auf der anderen Seite aber kann die geringste Anwendung des Nechtes seitens der berechtigten Personen für eine Üeberschreitung erachtet werden, und das führt, meines Erachtens, selbst für den er— kennenden Richter, so erhebliche Bedenken mit sich, als daß man nicht auf die frühere Gesetzgebung zurückgehen sollte, die in dieser Bezie⸗ hung eine ganz bestimmte Gränze gezogen hat. Es käme daher auf eine Prüfung an, ob diese Gränze eine wünschenswerthe und festzu— haltende sei. Das Allgem. Landrecht betrachtet es als Ueberschrei⸗ tung, wenn die Beraubung der persönlichen Freiheit länger als 48 Stunden gedauert hat. Ich verkenne nicht die Bedenken, die gegen die Annahme eines positiven Zeitraumes bei anderen Paragraphen so klar auseinandergesetzt worden sind, allein ich halte die Gefahr, die damit verknüpft ist, wenn man hier keine Gränze angäbe, indem es dem subjeltiven Ermessen des Richters überlassen bleiben soll, wann die Ueberschreitung beginnt, für bei weitem größer. Ich erlaube mir deshalb an die hohe Versammlung die Bitte, dem Antrage beizutre⸗ ten, die Ueberschreitung der Befugniß näher zu prägzisiren. Eventuell bringe ich die frühere Bestimmung der bestehenden Gesetzgebung in Vorschlag, nämlich 48 Stunden. Aus den Motiven habe ich nicht entnehmen können, welche Gründe es wünschenswerth erscheinen lie—= ßen, diese Bestimmung fallen zu lassen.

Regierungs⸗Kommissar Bischoff: Die Motive sind keine ande— ren gewesen, als daß es mißlich erscheint, ein bestimmtes Maß anzu geben; es kann dies unter Umständen zu lang, es kann unter Um— ständen zu kurz sein. Der Richter wird ermessen, ob eine Ueber- schreitung stattgehabt hat oder nicht.

Marschall: Es fragt sich, ob der Antrag die erforderliche Un— terstützung findet?

(Es erheben sich nicht 8 Mitglieder.! Er hat sie nicht gefunden.

Wenn weiter keine Bemerkung folgt, so kommen wir zum näch— sten §. 263.

Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius (liest vor):

„S 7263.

Die Strafen der widerrechtlichen Freiheitsberaubung sollen keine Anwendung finden, wenn ein auf der That ertappter oder flüchtiger Verbrecher, ein entflohener Gefangener oder Sträfling, oder eine Person unter Umständen, welche den Verdacht eines verbrecherischen Unternehmens begründen, festgenommen und der Obrigkeit ohne Ver zug überliefert oder derselben Anzeige von der Festnehmung gemacht wird.

Eben so ist die Strafe der widerrechtlichen Freiheitsberaubung ausgeschlossen, wenn die Fürsorge für einen Geisteskranken die Be— schränkung seiner Freiheit nothwendig macht. In einem solchen Falle ist derjenige, welchen diese Maßregel trifft, bei Gefängnißstrafe bis zu sechs Monaten oder! Geldbuße bis zu einhundert Thalern, ver— bunden, der Obrigkeit ohne Verzug von der getroffenen Maßregel Anzeige zu machen. Der leibliche Vater des Geisteskranken ist je doch in diesem Falle zu einer Anzeige nicht verbunden.“ .

Die Abtheilung hat nichts erinnert.

Abgeordn. von Donimierski: Ich habe bei diesem Paragra⸗ phen zu bemerken, daß ich die Worte „oder eine Person unter Üm— ständen, welche den Verdacht eines verbrecherischen Unternehmens be⸗ gründen“ zu allgemein und unbestimmt finde; im Entwurf von 1843 kommen auch diese Worte nicht vor. Ich fürchte, daß sie den Poli⸗ zeiBeamten, welche auf gewissenlose Weise Verhaftungen vornehmen, als Entschuldigungsgrund dienen können. Mir sind Fälle bekannt, wo ganz unschuldige Personen verhaftet, Meilen weit transgportirt, Wo? chen lang festgehalten und nach dem ersten Verhöre freigelassen wor⸗ den sind, ohne daß ihnen der Grund ihrer Verhaftung gesagt wurde, obwohl sie ausdrücklich darauf antrugen. Ich sinde in diesen Bestim⸗ mungen eben so wenig wie in den Vorschriften über die Vergehen der Beamten in den s8§. 381— 387 eine Sicherheit gegen solche grobe Verletzungen der persoönlichen Freiheit. Im §. 381 ist nämlich gesagt: Die Verhaftung muß geschehen sein mit rechtswidrigem Voͤrsatze; es ist mir durchaus unerklärlich, wie es möglich ist, den rechtswidri⸗ gen Vorsatz zu beweisen, wenn man diesen, Paragraphen mit den so allgemeinen Bestimmungen stehen läßt. Die Freiheit der Bürger ist gewiß das Heiligste, was der Staat zu schützen hat, und wir müssen im Gesetze vorsehen, daß man nicht den Staats⸗-Beamten Gelegen

heit gebe zu solchen Verletzungen. Das ist das Wesen der Habeas⸗ Corpus⸗-Akfte in England, und darauf gründet sich vorzüglich die Frei⸗ heit dieser Nation. Ich erlaube mir, die hohe Versammlung darauf aufmerksam zu machen, daß weder dieser Paragraph, noch die übri⸗ gen Paragraphen, die von den Vergehen der Beamten handeln, uns eine hinreichende Garantie gegen solche Verletzungen der persoönlichen Freiheit gewähren. Wir werden zwar bei dem 8. 381 darauf wieder zurückkommen, hier erlaube ich mir wenigstens den Antrag, daß statt der Worte „oder eine Person unter Umständen, welche den Verdacht eines verbrecherischen Unternehmens begründen“, blos gesagt wird: „im Fall eines dringenden Verdachts“, und statt der Worte: „ohne Ver⸗ zug“, „binnen 24 Stunden“, damit eine bestimmte Frist feststände, Negierungs⸗Kommissar Bischoff; Was den Entwurf von 1813 betrifft, so hatte derselbe im S. 355 gesagt unter Nr. 1: „Ein auf der That ertappter oder flüchtiger Verbrecher, ein entflohener Gefangener oder Sträfling oder eine Person unter ÜUmständen, welche sie der Beabsichtigung eines Verbrechens verdächtig machen.“ Ver— gleicht man diese Fassung mit der gegenwärtig im §. 263 gewähl⸗ ten, so glaube ich, daß diese letztere eher beschränkend, als ausdeh⸗ nend ist; in keinem Falle kann man aber eine wahrhafte Abweichung darin erkennen. Gegen die Besorgniß, daß die persönliche Freiheit beeinträchtigt werde, ist eine genügende Garantie gegeben. Denn es ist als Bedingung der Straflosigkeit ausdrücklich aufgestellt, daß der in Haft genommene Verbrecher unverzüglich der Obrigkeit überliefert oder von seiner Verhaftung Anzeige gemacht werden soll. Der An— trag, daß man 24 Stunden Frist lassen solle, würde der Willkür eine viel größere Ausdehnung geben, als wenn man, wie im Entwurf, die möglichste Beschleunigung der Ablieferung des Verbrechers erfor= dert. Ich glaube, daß es im Interesse der persönlichen Freiheit nicht eine Verbesserung sein würde, wenn man statt unverzüglich sagen wollte: „binnen 24 Stunden“; der Festnehmende soll es sogleich thun oder doch in möglichster Schnelligkeit. Wenn noch auf 5. 381 hingewiesen wurde, welcher von Beamten handelt, die sich in dieser Lage befinden, so ist allerdings dort gesagt worden: Beamte, welche mit rechtswidrigem Vorsatze eine Verhaftung vornehmen oder die Haft eines Angeschuldigten verlängern. Es gehört also, um die spezielle Strafe im S. 381 zu begründen, dazu, daß der rechtswidrige Vorsatz nachgewiesen wird, mithin die Handlung nicht auf bloßer

Indessen macht die Fahrlässigkeit nicht straf⸗ los, im Gegentheil muß nach dem System des Entwurfes im Falle der Fahrlässigkeit im Disziplinarwege gegen den Beamten verfahren werden, und dann würde, wenn der Fall irgend schwerer Natur ist, Amtsentsetzung auszusprechen sein. Hat aber der Beamte mit rechte⸗ widrigem Vorsatze gehandelt, so trifft ihn neben der Strafe. der Cassation auch noch die Strafe des gemeinen Verbrechens der Frei⸗ heitsberaubung.

Abgeordn. Dansmann: Ich würde allerdings beantragen, zu sagen: „Binnen 24 Stunden dem ordentlichen Richter zu über⸗ liefern“. . ;

Regierungs⸗Kommissar Bischoff: Ich fürchte, daß das Gesetz an Präzision verliert, wenn die Frist von 24 Stunden gewährt wird. Die spezielle Verpflichtung aufzunehmen, daß eine, solche in / Haft ge⸗ nommene Person ihrem ordentlichen Richter überliefert werden müsse, ist nicht zulässig. Von dem Festnehmenden darf man nicht mehr for⸗ dern, als daß er den Verbrecher der nächsten obrigkeitlichen Behörde, richterlichen oder polizeilichen, überliefere.

Marschall: Wir wollen entnehmen, ob der Vorschlag die er— forderliche Unterstützung von 8 Mitgliedern sindet?

(Es geschieht.)

Er hat sie gefunden.

Abgeordn. Sperling: Ich muß dem Antrage des ritterschaft lichen Abgeordneten aus Preußen beitreten, daß der Ausdruck: oh ne Verzug nicht beibehalten werden kann. Eine jede Bestimmung muß der Art sein, daß sie auch immer exefutirt werden kann, was aber hier beim besten Willen nicht immer möglich sein würde. Es kann der, welcher einen Verbrecher an die Obrigkeit abliefern will, durch Umstände, welche außer ihm liegen, verhindert sein, ihn unverzüg= lich abzuliefern. Daher halte ich es ebenfalls für besser, wenn ge⸗ sagt würde: „längstens binnen 24 Stunden.“ Erheblicher ist aber noch die Schlußbestimmung des Paragraphen. Der Vater hat für die Erziehung der Kinder zu sorgen, und den vielfachen Pflichten, die ihm in dieser Beziehung obliegen, ist es entsprechend, daß ihm ein umfassenderes Aufsichtsrecht und sogar die Befugniß eingeräumt werde, die persönliche Freiheit der Kinder zu beschränken. Andererseits müs⸗— sen wir jedoch den Werth der letzteren überhaupt ins Auge fassen und uns vergegenwärtigen, wie ost Väter diese Befugniß auf straf bare Weise gemißbraucht haben. Die Geschichte liefert uns Beispiele davon aus allen Schichten der bürgerlichen Gesellschaft. Mit Rück⸗ sicht hierauf halte ich es nicht für zulässig, für irgend einen Fall gänzlicher Freiheitsberaubung den Vater außer Kontrolle zu lassen. Auch ihn möchte ich zur Anzeige an die Obrigkeit verpflichten, wenn der Fall eintritt, daß er wegen Geisteskrankheit einem Kinde seine Freiheit ganz entziehen muß. Ich trage also darauf an, daß der Satz: „Der leibliche Vater des Geisteskranken ist jedoch in diesem Falle zu einer Anzeige nicht verbunden“, gestrichen werde.

Marschall: Wir wollen nun ermitteln, ob dieser Vorschlag die erforderliche Unterstützung findet?

(Sie erfolgt.) Er hat sie gefunden. Abgeordn. Zimmermann: Ich trete dem Antrage des geehrten

Abgeordneten aus Preußen in der ersten Beziehung auf diesen Para⸗

Rraphen überall bei; auch ich halte es durchaus nothwendig, daß zum Schutze der persönlichen Freiheit eine genaue Bestimmung getroffen werde, und finde kein Bedenken, anzuordnen, daß ohne Verzug am gehörigen Orte die Anzeige gemacht werde, wenn auch die persön⸗— liche Ueberlieferung mit Schwierigkeit verknüpft sein sollte. Was aber das Bedenken in Bezug auf den Schlußsatz anlangt, so muß ich auch dieser Erinnerung vollständig beitreten. Wenn man sich die Verhältnisse und zahlreichen möglichen Fälle klar macht, so wird es keinem Bedenken unterliegen, daß in dieser Bestimmung eine große Gefahr liegt. Wie häufig kommt es nicht vor, daß Schwiegerältern ihre Schwiegerkinder ausschließen von dem Erbe des Vermögens und erst ihren Enkeln die Disposition einräumen; welche mißlichen Ver

hältnisse zwischen Aeltern und Kindern werden dadurch nicht herbeige

führt! Wie häufig sind die Zwistigkeiten bei heirat hen, und welche möglichen Mißbräuche können da entstehen, wenn dem Vater, ohne der Obrigkeit Anzeige zu machen, das Recht zustehen soll, seine Kin⸗ der der Freiheit auf unbestimmte Zeit zu berauben und diese Ge⸗ waltthat mit dem Vorgeben zu rechtfertigen, das Kind sei geisteskrank gewesen. Ich werde dem Vorschlage beitreten, daß eine solche An⸗ zeige an die Obrigkeit erforderlich. sei, jedoch mit der Modification, daß die Anzeige nicht an die QObrigkeit gemacht, werde, sondern an die Behörde, welche an die Stelle des Vaters tritt wenn der Vater seine Pflichten mangelhaft erfüllt, d. h. an das Vormundschaftsge⸗ richt. Diesem von der Beraubung der Freiheit, eines Kindes Anzeige zu machen, muß er verpflichtet sein, und kann eine Härte darin durch⸗

aus nicht gefunden werden.

Regierungs-Kommissar Bischoff; In Ansehung des letzten An—= trages ist zu bemerken, daß die Besorgnisse wegen Annahme des Schluß⸗Satzes des zweiten Alinea nicht begründet erscheinen dürften.