1848 / 56 p. 5 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

Es ist darauf hingewiesen worden, daß leicht Mißbrauch eintreten foönnte. Allein, wenn von einem Vater eine Freiheits⸗ Entziehung gegen seinen Sohn unbegründetermaßen verhängt werden sollte, so derfallter dem 8. 262 des Hesetzes. Denn es liegt dann, das Ver⸗ brechen der unerlaubten Freiheitsberaubung vor, und der Vater wird dann wegen Begehung dieses Verbrechens mit einer schweren Krimi⸗ nalstrafe belegt. Es wird sich demnach immer, in dem einen wie in dem anderen Falle, darum handeln, ob er sich dieses Verbrechens schuldig gemacht hat, und ob ihm dies nachgewiesen werden kann. Andererseits kann man aber auch nicht zugeben, daß dieselben Gründe, wie bei anderen Personen, hier vorliegen, um vom Vater die Anzeige bei der Polizei⸗Behörde zu verlangen. Im Allgemeinen muß man festhalten, daß die Aeltern die berufenen Vertreter ihrer Kinder sind, daß die Letzteren von ihnen Schutz erhalten, und daß es im Juter esse der Aeltern liegt, so zu verfahren, daß den Kindern kein Nach⸗ theil zustsßt. Gerade aber dadurch, daß ein Vater bei der Behörde die Anzeige machen muß, daß sein Kind wahnsinnig geworden sei, kann dem Letzteren für seinen künftigen Lebensberuf großer Nachtheil entstehen, wenn der Zustand nur eine vorübergehende Geistesstörung ist. Alles dies erwogen, dürfte es das Zweckmäßigste sein, den Va⸗ ter gewähren zu lassen. .

Korreferent Abgeordn. Naumann: Der Schluß⸗Satz von 8. 263 im zweiten Alinea ist, alles dessen ungeachtet, was der Herr Kommissar angeführt hat, sehr bedenklich. Es kommt hier darauf an, Mißbräuchen vorzubeugen, und zwar einem Mißbrauche, der nahe. liegt und sehr häufig vorkommt. Zugegeben, das Kind sei wirklich wahnsinnig, so ist es gerade in diesem Falle dringend nöthig, daß der Vater die Anzeige macht, denn es ist eine leider so häufig vorkom⸗ mende Thatsache, daß diese unglücklichsten aller Geschöpfe, die Irren, auf die schimpflichste und roheste Weise behandelt werden, und. das Verhältniß des Vaters zum Kinde reicht nicht immer aus, solche Abscheulichkeiten abzuwenden. Wird dem Vater das Recht zugestan⸗ den, das Kind um dieses Umstandes willen einzusperren, so sehe ich keine Gefahr darin, daß der Vater davon Anzeige an die Obrigkeit macht. Ich sehe keine Gefahr darin, selbst wenn ein Mißbrauch nicht zu befürchten stände und dennoch die Anzeige erfolgt. Es kann dies mit aller Discretion seitens des Vaters geschehen, und es wird auf Seiten der Behörden dieselbe Discretion nicht mangeln. wenn sie erforderlich isit. Daher trage ich auf Streichung des Schluß⸗ Satzes an.

Abgeordn. Dansmann: Es ist das, was ich vortragen wollte, schon von anderen geehrten Rednern vorgetragen worden, und ich möchte nur noch hinzufügen, daß ich eine widerrechtliche Freiheitsberaubung auch höchst bedenklich finde. Auch halte ich dafür, daß der Schluß⸗ Satz gestrichen werden müsse. K

Abgeordn. von Saucken⸗-Tarputschen: Ich muß mich dem Antrage des geehrten Abgesrdneten aus Preußen anschließen und es für höchst wichtig zur Erhaltung der persönlichen Freiheit erachten, daß wir eine Aenderung hier vornehmen. Ich glaube aber, wir würden schnell zur Einigung kommen, wenn mir von der Minister⸗

bank die Frage beantwortet würde: ob etwas dem entgegenstehe, wenn die vorletzte Zeile dahin abgeändert würde, daß es heißt:

„überliefert und innerhalb 48 Stunden seinem ordentlichen Richter

übergeben oder doch demselben Anzeige von der Verhaftung gemacht wird““ Dieser eine Zusatz, wenn ihm nicht entgegengetreten würde, dürfte uns schnell vereinigen und den nothwendigen Schutz gewähren. Ehe ich mich des Wortes begebe, möchte ich fragen, ob man gegen diese Einschaltung seitens der Minister etwas einzuwenden hat?

Regierungs- Kommissar Bischoff: Man würde dem Festneh⸗ menden zu vick zumuthen, wenn er erst den ordentlichen Richter des in Haft Genommenen ausmitteln sollte, um ihn an diesen abliefern zu können. Es muß genügen, wenn der Verbrecher der nächsten Polizeibehörde überliefert wird; denn der Festnehmende hat nicht in Folge einer besonderen Amtspflicht, sondern nur in Erfüllung der allgemeinen Bürgenpflicht gehandelt. . J

Justiz⸗-Minister Uhden: Ich muß hinzufügen, daß die nächste Obrigkeit die Verpflichtung hat, sofort davon Anzeige zu machen und, insofern ein Verbrechen vorliegt, den Verhafteten dem ordent⸗ lichen Richter zu übergeben. . ö . Abgeordn. von Saucken-Tarputschen: Wir haben aber Bei⸗ spiele, wo dies nicht geschehen ist, wo eine mehrmonatliche Verhaf⸗ tung stattgefunden, ohne daß der ordentliche Richter Kenntniß erlangt hat und eingeschritten ist, und wo sich bei dem e rst en Verhöre die völlige Unschuld ergeben hat, so daß sofortige Freilassung erfolgt ist. Ich glaube daher, daß mein Antrag vollkommen gerechtfertigt ist, welcher dahin geht, daß die Obrigkeit ohne Verzug und innerhalb 48 Stunden dem ordentlichen Richter von der Verhaftung die nöthige Anzeige machen müsse. . ,

Justiz-Minister Uhden: Er kann vielleicht in dem Augenblicke selbst nicht wissen, wer der ordentliche Richter ist. Wer gewisser⸗ maßen im Nothstande Jemanden verhaftet und der Obrigkeit ausliefert, hat von seiner Seite Alles gethan, was er schuldig ist. Die Obrig⸗ keit, als solche, hat andere Pflichten zu beobachten. Nach dem Ge— setze vom 17. Juli 1816 muß innerhalb 24 Stunden Anzeige von der Verhaftung eines Verbrechers gemacht werden.

Abgeordn. von Saucken-Tarputschen: Welche Obrigkeit hat hiernach dem ordentlichen Richter Anzeige zu machen?

Justiz⸗Minister Uhden: Das ist schon bestimmt; sind Ordnungs⸗ widrigkeiten vorgekommen, so werden solche, wenn Anzeige darüber gemacht wird, nicht ungerügt bleiben. Ich glaube aber nicht, daß bei diesem Paragraphen etwas der Art bestimmt werden kann.

Marschall: Habe ich zu entnehmen, daß auf dem Antrage nicht beharrt wird?

Abgeordn. von Auerswald: Ich glaube, daß hier immer noch ein Mißverständniß vorliegt, welches vielleicht darin besteht, daß man von Seiten der verschiedenen Redner, welche gesprochen haben, nicht darin einig ist, ob 8. 262, wie der geehrte Abgeordnete aus Spandau be— merkte, mit Ausschluß der Beamten zu verstehen sei; während, wenn ich mich nicht täusche, mein verehrter Kollege aus Preußen, der zuerst sprach, von dem Gesichtspunkte ausgegangen sein mag, daß bei den Worten „Ueberschreitung der ihnen zustehenden Befugnisse“, auch die Befugnisse der Beamten gemeint sein können. Wenn dies der Fall wäre? gäbe §. 263 dieser Befugniß des Beamten allerdings eine Straflosigfeit und Ausdehnung, die in den späteren Bestimmungen über die Verbrechen der Beamten nicht die nöthige Remedur fände. Ich muß daher zuerst die Frage an den Herrn Regierungs-Kommissar richten, ob die Ansicht des Herrn Abgeordneten aus Spandau, daß in diesem Paragraphen die Beamten entschieden ausgeschlossen wären, richtig ist. .

z in lierungs. Konmissar Bischoff: Das ist allerdings richtig, denn von diesem Verbrechen der Beamten handeln die Bestimmungen des §. 263 und der folgenden nicht, sondern davon handeln erst die §§. 381 bis 387, und wenn sich in Ansehung der letzteren noch etwas zu ekinnern findet, so würde dort der Ort sein, wo dies in nähere Erwägung zu ziehen wäre. . ö

Abgeordn. von Auerswald: Ich bin auch von diesem Gesichts⸗ punkte ausgegangen, muß aber, nachdem ich auf eine andere mogliche Auffassung aufmerksam gemacht worden bin, bemerken, daß §. 263 in den ersten Worten vielleicht einer anderen Fassung bedürfe, so daß

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über zu sagen ist, in den Titel über die Verbrechen der Beamten gehört. Da ich einmal das Wort habe, kann ich mich nicht enthal= len, noch auf eine Aeußerung des Herrn Kommissars einzugehen, der erst, wenn ich mich nicht täusche, deutlich sagte; Es liege in, dem Systeme des Entwurfs, daß, wenn der verhaftende Beamte die so⸗ fortige Stellung vor den ordentlichen Richter unterläßt, er bestraft werde“. Aber es ist keine Bestimmung angeführt, in welcher dies System deutlich ausgesprochen wäre, ich besorge, es existirt keine sol⸗ che, und behalte mir deshalb vor, wenn von dem Verbrechen der Beamten die Rede ist, darauf zurüchukommen. Was den Antrag des geehrten Abgeordneten von Königsberg betrifft, den letzten Satz des Paragraphen zu streichen, so kann ich aus Allem, was der Herr Kommissar dagegen gesagt hat, nicht entnehmen, daß aus der Streichung dieses Satzes irgend ein wirklicher Nachtheil entstehen kann, während, wenn der Satz stehen bleibt, große Nachtheile entstehen können. Mir ist ein Fall bekannt, daß, ich glaube aber, daß solche Fälle nicht selten vor⸗ kommen, allerdings bei dürftigen Verhältnissen und dadurch be⸗ gründeter Rohheit, ein Vater seinen schwachsinnigen Sohn in einem Stalle an eine Kette Jahre lang angeschlossen hatte, daß durch Zu⸗ fall dies zur Kenntniß des Landraths kam, daß die Ortsbehörde mit dem Falle vollkommen unbekannt war, und daß, wenn der Vater auch wirklich der harten Behandlung wegen zur Strafe gekommen wäre, dies dem Sohne nichts mehr geholsen hätte, dessen Wahnsinn inzwi⸗ schen in Tobsucht ausgeartet war. Ich glaube, es könnte von der Ministerbank zugestimmt werden, daß man diesen Satz streiche.

Abgeordn. Sperling: Mein geehrter Herr Nachbar hat an den Fall gedacht, daß derjenige, welcher der Freiheit beraubt wird, wirk⸗ lich wahnsinnig ist. Wir können uns aber auch wohl den Fall den⸗ ken, daß die Geisteskrankheit nur als Vorwand von dem Vater be nutzt wird, um das Kind der Freiheit zu berauben, oder daß er auch irrthümlich das Kind für geisteskrank hält, während es dies nicht ist. In Bekämpfung meines Antrages bemerkte der Herr Regierungs Kommissar, daß es nicht nöthig sei, für solche Fälle in dem Gesetze zu prospiziren, weil, wenn der Vater die ihm eingeräumte Befugniß überschreiten sollte, er sich eines Verbrechens schuldig machen und deshalb zur Verantwortung gezogen werden würde. Darauf erlaube ich mir mit der Frage zu antworten, ob nicht dasselbe in Beziehung auf alle anderen Personen ebenfalls zutrifft, ob sie nicht ebenfalls Strafe zu erwarten haben, wenn sie Jemanden als Geisteskranken über Gebühr der Freiheit berauben? Diese Frage ist doch aber zu beja hen, und demnach ist es für nothwendig erachtet worden, sie zur An zeige an die Obrigkeit zu verpflichten. Ich glaube, dasselbe Motiv, welches hierbei leitend war, besteht auch in Beziehung auf den Vater. ö . Justiz-Minister von Savigny: Was die Schlußworte betrifft, so bemerke ich, wie schon erwähnt worden ist, daß sie den Grund⸗ sätzen des bestehenden Gesetzes gemäß sind. Man hat diese Bestim⸗

mung ausdrücklich in den Paragraphen hineingesetzt, weil man ge⸗ glaubt hat, in sehr vielen Fällen sei es die Schonung gegen die Fa⸗ milie, welche verlange, daß dies geschehen könne, in sehr vielen Fäl⸗ len also werde es bei der Geisteskrankheit, wo man nicht wisse, ob sie nicht in wenigen Tagen spurlos vorübergehe, für die Familie er= wünscht sein, daß davon keine öffentliche Kenntniß gegeben werde. Indeß ist auch nichts Wesentliches dagegen zu erinnern, wenn dieser letzte Satz aufgegeben wird.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Durch das, was der Abge⸗ ordnete von Auerswald erwähnt hat, ist im Wesentlichen das erle— digt, was ich sagen wollte. Man kann vollständig die Ansicht der Abgeordneten aus Preußen, die vorher sprachen, theilen, daß es von der höchsten Wichtigkeit sei, Garantieen gegen willkürliche Hand⸗ lungen der Beamten bei Verhaftungen zu schaffen und den Grund⸗ satz der Habeas-Korpus⸗-Akte anzunehmen, daß nur auf Grund eines

gerichtlichen Befehls eine Verhaftung vorgenommen werden könne; es sst aber hier nicht der Ort, derartige Bestimmungen zu geben. Denn es handelt sich hier lediglich um die Handlung einer Privatperson gegen eine andere Privatperson im Gegensatze zu dem Beamten.' Abgeordn. Graf von Galen: Ich muß mich gegen die Strei⸗ chung des letzten Satzes des Paragraphen aussprechen. Allerdings können Mißbräuche stattfinden, denn jede Gewalt kann gemißbraucht werden, aber um eben dieses möglichen Mißbrauchs wegen einem Vater, der das Unglück hat, ein geisteskrankes Kind zu haben, die Verpflichtung aufzulegen, davon Anzeige zu machen, halte ich für zu hart. Bei der Anzeige kann es nicht bewenden, sondern, sei es von acht Tagen zu acht Tagen, sei es von vier Wochen zu vier Wochen, muß er, wenn der Zweck erreicht werden soll, erneute Anzeigen machen, ob der Zustand noch derselbe ist. Auf diese Weise den Vater hin⸗ sichtlich der väterlichen, von Gott ihm gegebenen Gewalt unter Vor— mundschaft zu stellen, ist etwas, was der wahren Freiheit gänzlich winerspricht und auch mit der mehr erwähnten Habeas⸗Corpus-Akte von Alt-England mehr im Widersprssch steht, als irgend etwas An— deres. Ich muß mich daher wiederholt gegen die Streichung er klären. . Abgeordn. von Saucken-Tarputschen: Nach der Aufklärung, welche von der Ministerbank dahin gegeben worden ist, daß sich diese Paragraphen gar nicht auf Beamten beziehen, ziehe ich meinen An̊— trag zurück. . . ö Marschall: Wir kommen zur Abstimmung. Es ist, zuerst zu ermitteln, inwieweit der erste Antragsteller von Donimierski seine An— träge etwa erledigt finden möchte durch das, was von Seiten der Regierung gesagt worden ist, oder ob er der Ansicht ist, daß über sämmtliche drei Anträge eine Abstimmung erforderlich sei. .

Abgeordn. von Bonimierski: Ich würde wenigstens dabei ste⸗ hen bleiben, daß gesagt würde: „welcher den dringenden Verdacht veranlaßt hat“; den letzten Antrag wegen Festsetzung einer bestimm⸗ ten Frist von 24 Stunden würde ich fallen lassen.

Marschall: Es ist also die Frage zu stellen, ob beantragt werden soll, vor dem Worte „Verdacht“ das Wort „dringend“ einzu—= schalten, und dienigen, welche beistimmen, würden das durch Aufste⸗ hen zu erkennen geben. ;

(Es erhebt sich nicht die hinreichende Anzahl von Mitgliedern.;

Die Majorität hat sich nicht dafür ausgesprochen, und die nächste Frage ist zu richten auf den Vorschlag, in dem zweiten Alinea des §. 263 den letzten Satz: „der leibliche Vater des Geisteskranken ꝛ6.“, wegfallen zu lassen. Diejenigen, welche auf Wegfall dieses letzten Satzes antragen, würden das durch Aufstehen zu erkennen geben.

Eine Majorität von zwei Dritteln hat sich dafür ausgesprochen.

S. 264.

Referent Abgeordn. Freiherr 61 Mylius (liest vor):

1 §. 904.

Wer unbefugterweise gegen einen Anderen Gewalt oder Drohun— gen anwendet, um denselben zu einer Handlung, Duldung oder Un— terlassung zu nöthigen, soll, wenn seine That nicht ein anderes schwe⸗ reres Verbrechen in sich schließt, auf den Antrag des Genöthigten mit Gefängniß oder Strafarbeit bis zu zwei Jahren bestraft werden.“

Das Gutachten der J 1

Zu 5. 264.

Der 5. 264 belegt als Nöthigung die Anwendung von Gewalt

oder Drohungen mit Strafe, selbst für den Fall, daß die angedrohte

man einen Beamten darunter nicht mitverstehen könnte. Wenn dies

Handlung für eine strafbare nicht zu erachten wäre. Es ist bestrit⸗

geschähe, so trete ich der Ansicht bei, daß Alles, was außerdem dar⸗

ten worden, ob überhaupt dergleichen Drohungen mit Strafen zu be⸗ legen, indem nicht abzusehen, wie eine an sich straflose Handlung da durch strafbar werden könne, wenn man die Absicht, sie auszuüben, ausgesprochen. Andererseits ward die Bestimmung des Paragraphen dadurch vertheidigt, daß ein praktisches Bedürfniß den Paragraphen rechtfertige, indem die persönliche Schwäche häufig zur Befriedigung schlechter Zwecke gemißbraucht werde und die bisherige Gesetzgebun? zur Abstellung solcher Uebelstände nicht im Stande gewesen. Den letztgedachten Gründen beipflichtend, hat die Abtheilung Antrag: den Paragraphen zu streichen, mit 8 gegen 7 Stimmen abgelehnt.“ Ich werde auch hier wieder den Antrag aufnehmen, daß der Para graph in Wegfall gebracht werde. Ich mache aufmerksam auf die Betten mung der S8. 264 u. 284. Bei 8. 264 möchte zu fragen sein, ob ein Grund zur Strafe vorliegt. Ich glaube, daß es nicht zu denken ist daß möglicherweise eine Bestrafung erfolgen könne; denn das Gesetz sagt, die Handlung ist erlaubt, aber die Absicht, sie vorzunehmen, soll nicht ausgesprochen werden. Es handelt sich um ein Baugemachen Meine Herren! Es ist ein altes Sprüchwort: „Bangemächen gilt nicht“. Wollten Sie das bloße Bangemachen bestrafen und seine Geltung daher anerkennen? . Abgeordn. von Weiher: Es ist aber doch eine Anwendung von Gewalt, nicht blos ein Androhen; denn es heißt: „Wer Gewalt anwendet, um Jemanden zu nöthigen“. Es ist also Gewalt und ein Vergehen vorhanden. . . Referent Abgeordn. Frhr. von Mylius: Ich habe schon auf die S§. 264 und 284 aufmerksam gemacht. Dort sind die Fälle vorgese hen, wo die Gewalt mit Strafe belegt ist. Die Gewalt, die weder unter die §§. 264 und 284, noch unter andere gesetzliche Bestimmungen fällt, ist überhaupt nicht zu strafen. Sollte hier eine „Gewalt“ be straft werden, so müßte sie genauer bezeichnet sein. Marschall: Wir wollen ermitteln, ob der Vorschlag die erfor derliche Unterstützung findet. ; (ür rhät e.) ; Er hat sie gefunden. Wenn weiter keine Bemerkung erfolgt, kommen wir zur Abstimmung. Regierungs-Kommissar Bischoff: Es kann nicht behauptet wer den, daß diese Bestimmung eine große praktische Bedeutung Die praltischen Fälle werden unter das Verbrechen der Erpressung fallen und diejenigen sein, wo ein Zwang geschehen ist, um in g winnsüchtiger Absicht einen Vortheil zu erpressen. Es läßt sich aber auch denken, daß, abgesehen von der Erpressung, aus anderen Grün den, z. B. um zu schaden, Gewalt angethan und, die Leistung einer Handlung erzwungen wird. Es ist also diese Bestimmung subsidiari scher Natur; sie gilt für alle Fälle, wo bei einem Angriff auß die persönliche Freiheit spezielle Strafvorschriften nicht vorhanden sind Es stimmt im Wesentlichen diese Art der Behandlung überein mit dem bestehenden Rechte, dem §. 10977 des Allg. Landrechts. (Von vielen Seiten: Abstimmen! Abstimmen!) Marschall: Wir kommen zur Abstimmung. Die Frage heißt Soll auf Wegfall des 8. 264 angetragen werden? Diejenigen, welche auf Wegfall des Paragraphen antragen, es durch Aufstehen zu erkennen geben. (Geschieht nicht ausreichend.) Dem Antrage ist nicht beigestimmt. 8. Referent Abgeordn. Frhr. von Mylius (liest vor: „§. 265.

Wer auch ohne den Zweck der Nöthigung einen Anderen mit einem strafbaren Angriffe unter Umständen bedroht, welche die Aus führung der Drohung besorgen lassen, soll auf den Antrag des Be broͤhten mit Geldbuße bis zu dreihundert Thalern oder mit Gefäng niß bis zu sechs Monaten bestraft werden. Zugleich kann derselbe nach richterlichem Ermessen unter besondere Polizei- Aufsicht gestellt oder zur Leistung einer Caution angehalten werden.“

Das Gutachten lautet:

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Mit gleicher Majorität und aus

Antrag:

auch diesen Paragraphen zum Wegfall in Vorschlag zu bringer von der Abtheilung zurückgewiesen, indem sie namentlich berücksichtigt daß es sich bei der Drohung noch um ein Mehreres handle, als bei dem im vorhergehenden Paragraphen gedachten Vere hier keinesweges ein strafloses Beginnen, sondern ein strafbarer griff den Inhalt der angedrohten Handlung bilde.“

Abgeordn. Camphausen: Ich wünsche auch hier eine mung in Bezug auf den Antrag, der in der Abtheilung in der norität geblieben ist. Die Verwerfung desselben ist nicht die telbare Folge der Abstimmung über 8. 264, und wenn sie so wünschte ich nochmals konstatirt zu sehen, T Handlungen für strafbar erklärt werden, die, wenn sie begangen den, nicht strafbar sind. . .

Marschall: Wir wollen sehen, ob der Vorschlag die ersord liche Unterstützung findet. ;

(Wird unterstützt.)

Er hat sie gefunden. .

Justiz-Minister von Savigny: Ich muß bemerken, de ; S. 265 eigentlich weit mehr Betürfniß vorhanden ist, als für S. 264, der bereits angenommen ist. Neben dem 8. 264 stehen für die prak tisch häufigsten und wichtigsten Fälle noch andere Strafbestimmungen, namentlich die Erpressung. Der 8. 2635 steht allein, es ist der Schutz für persönliche Freiheit, den man nicht gut versagen kann.

Korreferent Abgeordn. Uaumann: Was die letzte Bemerkung des Herrn Justiz-Ministers betrifft, so muß ich aufmerksam machen, daß die Drohung mit Feuersgefahr und Ueberschwemmung als ein besonderes Verbrechen weiter unten vorkommen wird. Ich habe ge— gen §. 264 gestimmt, weil darin der Ausdruck „Drohung“ enthalten war, noch mehr aber stimme ich gegen §8. 265, weil hier nur von Drohung die Rede ist. Ob die Brohung ernstlich oder nicht ernst lich sei, das ist, ich möchte fast sagen, niemals zu ermitteln. Vas Strafgesetz befindet sich hier auf einem Gebiete, wo das Verbrechen von der Rervenstärke des Bedrohten abhängig gemacht wird; ob. die Drohung Eindruck macht oder nicht, und wo es von der subjeltiven Auffassung des Richters abhängen soll, ob der Bedrohte durch die Drohung eingeschüchtert sei, ob die Drohung auf ihn Eindruck Ke macht habe. Ich gestehe, daß das Gesetz ganz unbestimmbare Kri⸗ terien des Verbrechens festsetzen würde, was nicht zu rechtfertigen ist. Für alle Fälle muß ich noch eine Bemerkung mach' Es soll zu gleich dersenige, welcher sich des Verbrechens schuldig macht, 9 richterlichem Ermessen unter polizeiliche Aufsicht Bestellt oder 9h Lei stung einer Caution angehalten werden. Ich 9 zu, daß dies be Brandbriefen anwendbar ist. Das ist wil zesonderes Verbrechen,, man könnte auch zugeben, daß dies überhaupt bei Drohungen mit gemeingefährlichen Verbrechen anwendbar sein müsse, Aber zu be⸗ stimmen, daß bei allen Fällen der, Drohung auf Stellung unter poli⸗ zeiliche Aufsicht erkannt werden könne, halte ich nicht für gerechtfer⸗ tigt. Wenn also die Versammlung auch 8. 265 annehmen sollte, so wurde ich doch darauf antragen, den letzten Satz zu streichen.

265.

Gründen ist dei

ähnlichen

daß Drohungen

Zweite Beilage

Gefängniß bis 6 Wochen.

M 56.

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Freitag den 25. Febr.

Zweite Beilage zur Allgemeinen Preußischen Zeitung.

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Justiz-Minister Uhden: Die Drohung ist qualifizirt. Es in dem Paragraphen: „Wer mit einem strafbaren Angriff un- nnständen bedroht, welche die Ausführung der Drohung besor- assen.“ Dadurch ist eine bloße vage Drohung ausgeschlossen. Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius: Es ist aber jeder are Angriff gemeint. Darunter kann auch das Veiteste fallen. bedroht J. B. Jemand einen Anderen mit einer Ohrfeige. Ist

Aa rachsüchtiger, kräftiger Mensch, so ist von ihm die Ausführung

erwarten. Ich frage, ist es gerechtfertigt, hier polizeiliche Auf⸗

t eintreten zu lassen? . .

Justiz-Minister von Savigny: Ich bitte, nur an Ehrenhän⸗

el zu denken, wo der Eine, um den Anderen zum Duell zu zwingen, Ihn Überall zu mißhandeln droht, wo er ihm begegne. Hier scheint mir die polizeiliche Aufsicht und die Leistung einer Caution ganz am Platze zu sein. .

Abgeordn. von Auerswald: Das dürfte doch nur im Falle des Rückfalls denkbar sein. Gerade der Fall, den der Herr Minister der Gesetzgebung anführte, spricht eigentlich nur von einer fortgesetzten Drohung, also von fortwährendem Rückfalle. Daher glaube ich, daß die polizeiliche Aufsicht, die doch ungemein hart werden kann, nur beim wiederholten Rückfalle eintreten darf, und schließe mich dem Antrage des Korreferenten an, den Nachsatz zu streichen.

Justiz⸗Minister Uhden: Ich will nur darauf aufmerksam machen, daß die Fassung fakultativ ist, denn es ist dem Ermessen des Richters anheimgestellt, ob er auf polizeiliche Aufsicht erkennen will.

Fürst Boguslaw Raͤdziwill: Ich kann mich denjenigen nicht anschließen, welche beantragen, daß der Paragraph gestrichen werde. Es ist mir aus meiner Erfahrung ein Fall bekannt, daß ein durch Körperkraft ausgezeichneter und wegen seiner Nichtswürdigkeit und Gefährlichkeit allgemein verrufener Mensch in meiner Gegend in den Dörfern umherging und, während die Männer auf dem Felde bei der Arbeit waren, von den Frauen durch Drohungen sich gleichsam eine Abgabe erzwang. Die Weiber zogen es vor, dem Menschen lieber einige Groschen zu geben, als sich denselben zum Feinde zu machen. Dieser mir bekannte Fall läßt mich den in Rede stehenden Paragra— phen als einen sehr nützlichen anerkennen und veranlaßt mich auch, dafür zu stimmen, daß der Nachsatz nicht gestrichen werde, indem hier die polizeiliche Aufsicht ganz an ihrem Platze gewesen wäre.

Marschall: Die erste Frage würde auf Wegfall des ganzen Paragraphen, die zweite eventuell auf den Wegfall des letzten Satzes und die dritte auf den Antrag des Abgeordneten von Auerswald zu richten sein, die polizeiliche Aufsicht nur im Falle wiederholten Rück= falls eintreten zu lassen. Diejenigen, welche für den Wegfall des Paragraphen stimmen, würden es durch Aufstehen zu erkennen geben.

. (Geschieht nicht ausreichend.)

Es ist nicht beigestimmt. Diejenigen, welche für Wegfall des letzten Satzes im Paragraphen stimmen, werden dies durch Aufstehen zu erkennen geben.

(Geschieht ebenfalls nicht ausreichend.)

Man hat nicht beigestimmt. Es bleibt noch übrig, zu fragen:

Ob beantragt wird, daß die polizeiliche Aufsicht nur bei wieder-

holtem Rückfall zu verhängen sei?

Diejenigen, welche das beantragen, würden es durch Aufstehen zu erkennen geben. Ich bitte, die Zählung vorzunehmen.

Mit Ja haben gestimmt 46, mit Nein 43.

Wir kommen zum nächsten Paragraphen.

Referent Abgeordn. Frhr. von Mylius (liest vor):

„§. 266.

Wer in die Wohnung, das Geschäftszimmer oder das befriedigte Besitzthum eines Anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst bestimmt sind, widerrechtlich eindringt oder, wenn er ohne Befugniß darin verweilt, auf geschehene Aufforderung sich nicht entfernt, ist auf den Antrag des Verletzten mit Geldbuße bis zu dreihundert Thalern oder mit Gefängniß bis zu einem Jahre zu bestrafen.“

Das Gutachten lautet:

„Zu s§. 266.

Auf Streichung auch dieses Paragraphen ist angetragen worden. Es sei ein Jeder befugt und berechtigt, sein Hausrecht selbst zu wah⸗ ren und denjenigen, welcher dasselbe verletze, aus seinem Hause zu entfernen. Das Prinzip der polizeilichen Bevormundung scheine auf eine der bürgerlichen Selbstständigkeit wenig entsprechende Weise an— erkannt, wenn da, wo diese passender selbstthätig handle, die Straf⸗ gewalt des Staats in Anspruch genommen werde. ö . Die Abtheilung erwog jedoch, daß die Fälle häufig seien, in welchen die Selbstthätigkeit des Eigenthümers lästige und zudringliche Angriffe abzuwehren nicht im Stande, und daß gerade dann die vorgeschlagene Strafbestimmung sich zweckmäßig erzeigen werde. Der Antrag:

den Paragraphen zu streichen, ist daher von ihr mit 13 gegen 2 Stimmen abgelehnt.“

Abgeordn. Zimmermann: Meines Erachtens walten gegen diesen Paragraphen in der That die erheblichsten Bedenken ob. Einerseits sagt uns das Marginale, daß er die Verletzung des Haus⸗— rechts bezeichnen soll, und es entsteht zunächst die Frage, was über— haupt unter Hausrecht verstanden wird. Der vorliegende Gesetz⸗ Entwurf enthält darüber gar nichts und die übrigen Gesetzbücher eben so wenig. Wenn also das Hausrecht an und für sich anerkannt werden soll, so ist es vor allen Dingen nothwendig, daß dasselbe eine gesetzliche Sanction erhalte, daß der Gesetzgeber sich genau darüber ausspreche. Diesen Weg hat auch das Allgemeine Landrecht einge— schlagen, und meine Anträge gründen sich also in dieser Beziehung auf die bestehende Gesetzgebung. Nach dem Allgemeinen Land— rechte besteht nämlich das Wesen des Hausrechts darin, daß, wer entweder wider den Willen des Besitzers und widerrechtlich in das Eigenthum eines Anderen eindringt, oder wer Handlungen, zu denen er nicht berechtigt ist, vornimmt, das Hausrecht an und für sich ver—⸗ letzt, daß in solchen Fällen der Verletzte befugt ist, zu warnen und, wenn die Warnung fruchtlos bleibt, den Anderen mit Gewalt zu nöthigen, von seinem unbefugten Verhalten abzustehen. Daß diese wesentliche Bestimmung einen Platz im materiellen Rechte finde, ist unbedingt nothwendig, weil es sonst höchst zweifelhaft wird, was in⸗ nerhalb der Gränzen des Hausrechts liegt oder nicht. Für den Fall nun, daß Jemand es auf eine solche Nöthigung ankommen läßt, ver⸗ ordnet das Allgemeine Landrecht eine Geldbuße bis 50 Rthlr. oder Das Allgemeine Landrecht giebt sich also gar nicht der hier aufgestellten ungeheuren Strenge hin, daß, wenn Jemand in der allerformlosesten Art einen Anderen auffordert, hin⸗ auszugehen oder das Zimmer oder das Amts-Lokal zu verlassen, Geldbuße bis zu 300 Rthlr. und Gefängniß bis zu einem Jahre soll eintreten können, wenn der Aufgeforderte nicht sofort das Zimmer verläßt und vielleicht auf das bescheidenste noch etwas zu entgegnen hat. Es scheint mir daher durchaus nothwendig, daß, wenn der Begriff des Hausrechts Anerkennung gefunden hät, genau bestimmt werde, wann eine Verletzung stattgefunden hat, und wie die Straf—

barkeit eintritt. Dabei wird der Unterschied durchaus festzuhalten sein, ob der das Hausrecht Verletzende Handlungen vorgenommen hat oder nicht. Die Motive erklären, es sei nicht erforderlich, hierauf speziell einzugehen, weil einerseits die Strafe des Landfriedensbruchs und andererseits die Strafe des Verbrechens der Nöthigung einen hinrei⸗ chenden Schutz gewähre. Ich glaube, beide Bestimmungen über diese Verbrechen bringen aber noch keine Konsequenz in den vorliegenden Entwurf; denn der Landfriedensbruch setzt voraus, daß mehrere Personen das Verbrechen verüben; die Verletzung des Hausrechts aber wird viel häufiger nur von einem Einzelnen begangen; die Bestim— mungen über das Verbrechen der Nöthigung gewähren auch keinen hinlanglichen Schutz für das Hausrecht, weil dieses Verbrechen als bestimmtes Kriterium erfordert, daß eine Handlung, eine Duldung oder Unterlassung abgenöthigt werden solle: hiernach bleiben die Fälle unerörtert, wo der Störer des Hausfriedens selbst unbefugte Handlungen vornimmt. Ich muß daraus folgern, daß in dieser Beziehung der Schutz des Hausrechtes nicht hinlängliche Anerkennung gefunden hat. In anderer Beziehung sagt der Entwurf weiter, daß nur dann eine Verletzung des Hausrechtes stattfinden solle, wenn Je⸗ mand in eine Wohnung, in ein Geschäftszimmer, in das befriedigte Besitzthum eines Anderen oder in abgeschlossene Räume eindringt; welches Verhältniß tritt aber ein, wenn sich Einer auf freiem Felde auf dem Besitzthum eines Anderen widerrechtlicher Handlungen erlaubt? Darüber, glaube ich, bleibt man in Ungewißheit, und der Begriff be⸗ friedigtes Besitzthum ist hier eben so wenig erschöpfend als ander⸗ weitige Gesetze. Das bestehende Recht, hatte auch diesen Fall hin reichend vorgesehen, indem es als Bedingung fordert, daß das Be⸗ sitzthkm im freien Felde, wenn es durch Gräben oder Zeichen zc. begränzt ist, in dieselbe Kategorie tritt. Wenngleich nun die Feld⸗ polizeiordnung in dieser Beziehung Vorschriften erlassen hat, so kann ich mich nicht überzeugen, daß wir den Begriff der Verletzung des Hausfriedens und des Hausrechtes in der hier angeregten Beziehung gehörig erschöpft haben, daß er vielmehr hier ebenfalls ausdrückliche Anerkennung hätte finden müssen.

Da nun im Allgemeinen als Strafmaß eine Geldbuße bis zu 300 Thalern und Gefängniß bis zu einem Jahre, ohne Unterschied, ob Gewalt gebraucht worden ist oder nicht, angenommen ist, so halte ich es für nothwendig, daß in allen angedeuteten Beziehungen dieser Paragraph näher präzisirt werde, daß also 1) das Hausrecht eine bestimnite Anerkennung finde, 2) daß der Begriff des Besitzthums in jeder Beziehung geschützt werde, 3 daß nicht eine noch so formlose unbeachtete Aufforderung schon strafbar sei, sondern daß eine voran⸗ gegangene Warnung und demnächst erst eine Gewalt stattgefunden haben müsse, und daß darnach auch die Verschiedenheit der Strafen normirt werden möge.

Abgeordn. Dittrich: Im Gegensatz finde ich gerade den Pa⸗ ragraphen einem recht dringenden Bedürfniß entsprechend. 1) hat der geehrte Redner vor mir gesagt, das Hausrecht habe keine be⸗ stimmte Anerkennung gefunden, es sei nicht das begränzte Besitzthum im freien Felde mit darunter verstanden; ich verstehe das unter dem befriedigten Besitzthum; auf einem unbefriedigten sindet keine Ver⸗ letzung des Hausrechts statt. Weiter hat er 2) gesagt, daß eine Warnung vorhergegangen und Gewalt angewendet sein müsse; diese Fälle sind aber nicht eigentlich eine Verletzung des Hausrechts, son⸗ dern Ausübung von Gewalt, und das Hausrecht in der Nothwehr in solcher Art, wie es der Paragraph zuläßt, ausüben zu dürfen, war, wie ich schon erwähnt habe, ein sehr gefühltes Bedürfniß.

Marschall: Wir wollen ermitteln, ob die Anträge des Ab⸗ geordneten Zimmermann die erforderliche Unterstützung von 8 Mit-— gliedern finden,

(Werden nicht unterstützt.) und wenn weiter keine Bemerkung erfolgt, so ist der Paragraph als angenommen anzusehen.

§5 67.

Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius (liest vor):

8

Einen Diebstahl begeht, wer aus dem Gewahrsam eines Ande⸗ ren, ohne dessen Einwilligung, eine fremde bewegliche Sache in der Absicht wegnimmt, dieselbe sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzu— eignen.

Der Diebstahl ist vollendet, sobald der Thäter die Sache an sich genommen hat.“

Das Gutachten lautet:

„Zu §. 267

Es ward bemerkt, daß der Paragraph die gewinnsüchtige Ab⸗ sicht, als in den Begriff des Djebstahls gehörig, nicht enthalte, diese aber aufzunehmen zweckmäßig eüscheine, indem durch sie das Wesen des Diebstahls entsprechender bezeichnet werde, als auf die im Pa⸗ ragraphen enthaltene Weise, durch die Absicht nämlich, die fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig anzueignen.

Zur Aufrechthaltung der Bestimmung des Entwurfs ward da⸗ gegen angeführt, daß gerade die gewinnsüchtige Absicht ein Umstand ei, der in der Praxis wegen seiner Unbestimmtheit zu endlosen Kon⸗ troversen Veranlassung gegeben; man sei zuletzt darauf gekommen, bestimmte Fälle aufzustellen, in welchen die gewinnsüchtige Absicht präsumirt werden solle und so in eine zu vermeidende Kasuistik ge—⸗ rathen. .

Aus diesen Gründen hat die Abtheilung den Antrag:

die gewinnsüchtige Absicht, als in den Begriff des Diebstahls ge— hörig, zur Aufnahme in den §. 267 in Vorschlag zu bringen, mit 8 gegen 6 Stimmen verneint.“

Abgeordn. Sperling: Zuvörderst erlaube ich mir in Beziehung auf die Fassung dieses Paragraphen folgende Erinnerung zu machen. Es ist im ersten Absatze gesagt: „Einen Diebstahl begeht, wer aus dem Gewahrsam eines Anderen eine Sache wegnimmt.“ Im 2ten Absatze wird dagegen der Diebstahl für vollendet erklärt, wenn der Dieb die Sache nur an sich genommen hat. Er kann sich also noch in dem Hause befinden, in welchem er die That verübt, und die Sache nur an sich genommen haben, und es ist der Diebstahl schon vollen⸗ det. Mit Rücksicht hierauf erscheint die Fassung ungenau. Wir werden uns davon noch näher bei den folgenden Paragraphen, namentlich bei S. 270, überzeugen, und ich möchte dieselbe dahin vorschlagen: „Einen Diebstahl begeht, wer eine in dem Gewahrsam eines Anderen befind- liche fremde bewegliche Sache ohne dessen Einwilligung in der Ab⸗ sicht an sich nimmt, um dieselbe sich dann rechtswidrig zuzueignen.“ Abgesehen hiervon, aber stellt dieser Paragraph eine Theorie über den Diebstahl auf, welche bisher noch ganz und gar fremd gewesen ist. Nach allen bisherigen Theorieen, so weit solche mir irgend bekannt geworden sind, hat man nämlich nur die eigennützige Absicht des Diebes für ein Kriterium des Diebstahls erklärt, für nothwendig er⸗ achtet, daß der Dieb eine fremde Sache wider Willen des Eigenthü⸗ mers sich selbst aneignet. Hier wird auch noch der Fall dazu gerech⸗ net, wenn er die Sache einem Dritten zueignet. Es scheint wieder ein Spezialfall zu dieser erweiterten Begriffsbestimmung Veranlassung

gegeben zu haben, doch halte ich solche für unnütz und mißlich; denn

denkt man sich einen Dritten beim Diebstahl im Sinne des Paragra⸗ phen betheiligt, so können nur zwei Fälle stattfinden: Entweder der⸗ selbe hat dem Thäter ausdrücklich einen Auftrag gegeben, eine Sache dem Eigenthümer zu entwenden, dann ist er der intellektuelle Urheber des Verbrechens und der Thäter der physische, oder der Dritte hat dem Letzteren nicht den Auftrag gegeben, dann wird der Dieb, wenn er die Sache dem Dritten überlassen will, sich immer zuvörderst selbst die Sache aneignen müssen. Thut er dies nicht, hat er nicht die Absicht der Zueignung in Beziehung auf sich, so würde er eines anderen Verbrechens, namentlich einer strafbaren Vermögens⸗ beschädigung, sich schuldig machen, aber niemals würde man an einen Diebstahl bei ihm denken können. Daß man von dem bisherigen Begriffe des Diebstahls in der beabsichtigten Weise abgeht, halte ich, wie gesagt, für mißlich; denn es würde dadurch die Volksansicht, welche den Diebstahl eben wegen des dabei waltenden Eigennutzes als ein schimpfliches Verbrechen ansieht, irre werden. Es scheint mir nicht nothwendig, daß mit Rücksicht auf einen Spezialfall, der seine Strafe doch gefunden hat, ein so fremdartiges Element in die Be—⸗ griffsbestimmung hineingebracht werde, und trage ich darauf an, daß die Worte: „oder einem Dritten“ gestrichen werden.

Abgeordn. Grabow: Indem ich mich den beiden eben gestellten Anträgen des Herrn Abgeordneten aus Königsberg anschließe, muß ich noch weiter gehen. Die Definitionen über den Begriff des Dieb⸗ stahls haben sowohl im römischen, wie im deutschen und besonders im Allgemeinen Landrechte noch den Begriff aufgenommen, daß der Diebstahl ausgeführt sein müsse in gewinnsüchtiger Absicht.

In dem vorliegenden Gesetzentwurfe finde ich diesen animus lucri saciendi vertauscht mit der Absicht der rechtswidrigen Zueig⸗ nung. Ich glaube nicht, daß der Ausdruck: „sich rechtswidrig zu⸗ eignen“ die gewinnsüchtige Absicht in sich schließt. Daß dies aber der Fall sein, daß eine gewinnsüchtige Absicht vorliegen soll, geht aus mehreren Andeutungen im Gesetzentwurfe selbst hervor. So heißt es im §. 151 beim leichten Diebstahl: „Erhellt aus den Um⸗ ständen, daß eine der vorbezeichneten Handlungen ohne gewinn⸗ süchtige Absicht geschehen ist, so ist auf Gefängniß nicht unter vier Wochen zu erkennen.“ Daraus schließe ich, daß das erste Alinea dieses §. 151 die gewinnsüchtige Absicht einschließt. Es ist ferner im §. 279 ausdrücklich gesagt: „daß die Handung nicht in der Absicht eines unredlichen Gewinnes geschehen sein müsse.“ Endlich ist im §. 335 bei Entwendung der eigenen Sachen vorge⸗ schrieben worden:

„S. 335.

Wer seine eigene Sache aus dem Gewahrsam eines Nutznießers, Pfandgläubigers oder desjenigen, welchem an der Sache das Zurück⸗ haltungsrecht zusteht, ohne dessen Einwilligung in rechtswidriger Ab⸗ sicht wegnimmt, ist auf den Antrag des Verletzten mit Gefängniß oder Strafarbeit bis zu zwei Jahren zu bestrafen.

Geschieht diese Handlung in gewinnsüchtiger Absicht, so soll zu⸗ gleich der Verlust der Ehrenrechte eintreten, und es kann auf Straf⸗ arbeit bis zu fünf Jahren erkannt werden.“

Aus diesen 3 Stellen geht hervor, daß der Gesetzgeber die gewiun⸗ süchtige Absicht ausdrücklich beim Diebstahl voraussetzt, und ich würde daher der Ansicht sein, daß mit Rücksicht auf die seit langen Jahren be⸗ stehende, dem römischen und deutschen Kriminalrecht sich anschließende Ge⸗ setzgebung der Ausdruck ,A(nrechtswidrig“ dahin ergänzt werde, daß eine gewinnsüchtige Absicht aus ihm hervorginge. Ich glaube, daß sich diese Anschauungsweise schon zu tief beim Volke selbst eingewurzelt hat, als daß der animus lucri sfaciendi beim Diebstahlsbegriffe ganz auszu⸗ schließen sein dürfte. Indem ich mich also dem Antrage des Abge⸗ ordneten aus Königsberg anschließe, formulire ich noch außerdem den

Antrag, den Ausdruck „rechtswidrig“ umzuwandeln in: „rechts⸗ widrige, gewinnsüchtige Absicht“. Wenn man den Begriff so hinstellt, wie er im Entwurf gegeben ist, so könnte man auch das Verbrechen, der eigenmächtigen Selbsthülfe und der Beschädigung fremden Eigenthums darin mit begreifen, indem dort auch nur in rechtswidriger Absicht eine Sache weggenommen zu werden braucht. Ich möchte also den Begriff des Diebstahls so formuliren: „Einen Diebstahl begeht, wer aus dem Gewahrsam eines Anderen ohne des— sen Einwilligung eine fremde, bewegliche Sache an sich nimmt, um sie sich in rechtswidriger und gewinnsüchtiger Absicht zuzueignen.“ Justiz-Minister von Savigny: Es sind verschiedene Einwen— dungen gegen diesen Paragraphen erhoben worden. Ich will mit derjenigen den Anfang machen, die in mehrerer Rücksicht die bedeu⸗ tendere ist, nämlich die, daß hier die Worte „in gewinnsüchtiger Ab— sicht“ fehlen. Diese Bestimmung findet sich allerdings im römischen Rechte, sie findet sich auch im Landrechte. Im Landrechte heißt es ausdrücklich: „um seines Gewinnes, Vortheiles und Genusses willen“. Es fragt sich nun, ob es räthlich ist, diesen Ausdruck aufzunehmen oder nicht? Das ist gewiß, der Charakter des Diebstahls besteht gerade darin, daß eine gewinnsüchtige Absicht in der That vorhanden ist, und diese Annahme, daß die gewinnsüchtige Absicht zum Charak⸗ ter des Verbrechens gehört, ist der Grund, daß auch selbst mit dem geringfügigsten Diebstahle der Verlust der Ehre verbunden ist. Die Frage aber ist die, ob es nothwendig sei, diese gewinnsüchtige Absicht in dem Gesetze auszusprechen. Nach aller Erfahrung ist bei ängstli⸗ chen Richtern dadurch Zweifel entstanden. z ; Bei Handlungen, wodurch ein Diebstahl gewiß begangen worden war, welche sich aber mehr oder weniger so gestalteten, daß mit eini⸗ gem Schein eine andere Absicht vorgewaltet, also behauptet werden konnte, es sei die Absicht des Gewinnes nicht erwiesen, hat es Be⸗ denken erregt, die Strafe des Diebstahls eintreten zu lassen, wo doch nach allem gesunden Rechtsbewußtsein der Thäter als Dieb behandelt werden mußte. Das Landrecht hat auch diese Schwierigkeit schon gefühlt und durch eine Präsumtion sich geholfen; aber Präsumtio⸗ nen in einem Gesetze aufzustellen, ist immer eine bedenkl iche Sache. Es ist in dem Entwurf der Weg versucht worden, die gewinnsüchtige Absicht nicht zu bezeichnen, sondern stillschweigend vorauszusetzen, und als Moment für den Begriff des Diebstahls die Zueignung in rechts widriger Absicht auszusprechen, das heißt, das Bewußtsein, daß man mit der Wegnahme der Sache ein wirkliches Recht verletze, und die⸗ ses bezeichnet in der That den Diebstahl wesentlich, so wie es ihn unverkennbar von der Selbsthülfe unterscheidet. Bei der Selbsthülfe, wenn sie nicht blos vorgegeben wird, setzt derjenige, welcher sich einer Sache bemächtigt, voraus, daß er ein Recht darauf habe, daß, ihm die Sache wirklich gehöre. Er begeht gleichfalls ein Unrecht, jedoch nur cin formelles Unrecht, welches darin liegt, daß er den Richter vorbeigeht; aber er hat nicht das Bewußtsein des materiellen Un⸗ rechts in unserem Paragraphen ist jedoch das Bewußtsein des mate⸗ riellen Unrechts gemeint, wobei sich stillschweigend die mehr oder we— niger sichtbare oder versteckte, auf Gewinn gerichtete Absicht von selbst rsteht. 3 Was nun die bestehende Gesetzgebung und namentlich die rhei⸗ nische betrifft, so stimmt sie mit der hier gewählten Fassung wesent⸗ lich überein. Es heißt dort: „Quiconque a soustrait fraudouleu-

sementé“. Man hat das so ausgelegt: „in gewinnsüchtiger Absicht“ .