1848 / 56 p. 6 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

Liegt das in diesen Worten? Dies ist nicht der Fall, und die De⸗ sinition, die in den Pandekten sich befindet, und aus denen jene De si⸗ nition nicht übersetzt, sondern abgeschrieben ist, heißt: „con- trectatio rei fraudulosa lucri facicndi, gratia--. Hat man also das Wort sraudulosa, buchstäblich aufgenommen, folglich dessen Sinn nicht ändern wollen, so frage ich: Hat in dem römischen Rechte der bloße Ausdruck „fraudulosa“ die Bedeutung der gewinnsüchtigen Absicht? Ich sage: Nein, denn es steht hinterher: „lucri saciendi gratia, also erst eine neue, davon verschiedene, zu⸗ sätzliche Bestimmüng sagt, daß die contrectatio nicht nur frau—- dulosa, sondern noch überdies lucri faciendi gratia geschehen sein müsse. Was liegt also darin? Die contrectatio fraudulosa sagt: Hinwegnahme der Sache im Bewußtsein des Unrechts. Das ist fraus, so viel wie dolus, das heißt die rechtswidrige Absicht, welche man also in dem römischen Rechte durch: „fraudulosa“ ausdrückte. Durch die in dem Entwurf gewählte Fassung ist es entbehrlich ge⸗ worden, die Präsumtion auszusprechen, die das Landrecht für noth— wendig gefunden hat, und so glaube ich, daß die vorliegende Begriffs⸗ Bestimmung hinreichend gerechtfertigt ist. Indem also die rechtewi—⸗ drige Absicht ausgesprochen ist, wird dadurch der wirkliche Fall des Diebstahls von dem wirklichen und nicht blos vorgegebenen Falle der Selbsthülfe bestimmt unterschieden. Es liegt aber dabei noch etwas Anderes im Hintergrunde, was den Meisten, die über den Begriff des Diebstahls, wie er in den verschiedenen Gesetzgebungen angege⸗ ben wird, Zweifel erhoben haben, vorschwebte, ohne daß sie es sich recht deutlich gemacht haben. Man kann nämlich fragen: Wer sich eine Sache mit rechtswidrigem Bewußtsein aneignet, was will er da— mit ferner vornehmen? Dabei können sehr verschiedene, entfernter Zwecke gedacht werden. Er kann z. B. Geld stehlen, um es im Kasten aufzubewahren; er kann es auch stehlen, um etwas dafür zu kaufen, oder um es zu verschwenden, oder um es einem Anderen zu schenken. Alle diese im Hintergrunde als Zwecke liegenden Verwen- dungen sind für den Begriff des Diebstahls vollkommen gleichgültig. Wenn Jemand Geld stiehlt, um es augenblicklich zu Wohlthaten zu verwenden, so ist er ein Dieb, und man mag ihm den Beweggrund der Wohlthätigkeit entschuldigen, wie man will, so ist er darum nicht minder ein Dieb. Also bei dem Begriffe des Diebstahls ist alle Be⸗ rücksichtigung der in die Zukunft gerichteten Zwecke vollkommen gleich⸗ gültig, und sie kann keinen Einfluß auf die Beurtheilung der Hand⸗ lung haben. Das sind die Ansichten, welche der Fassung des Para— graphen zum Grunde liegen.

Referent Abgeordn. Frhr. von Mylius: Ich würde mich auch gegen die Anträge, welche von dem Abgeordneten aus Brandenburg gestellt worden sind, erklären müssen, denn ich glaube nicht, daß zu dem Begriffe des Diebstahls die gewinnsüchtige Absicht erforderlich ist, ich glaube vielmehr, daß nach dem Bewußtsein des Volkes Jeder als ein Dieb gilt, der fremden Besitz ohne Recht sich aneignet. Gerade der Besitz hat eine Heiligkeit, welche geschützt werden soll, und wer diesen verletzt, begeht eine Handlung, welche ihn in die Verachtung seiner Mitbürger bringt und seine entehrende Bestrafung in ihren Augen rechtfertigt. Es kann nicht darauf ankommen, ob der Dieb, wenn er in betrüglicher Absicht den fremden Besitz sich anmaßt, die— ses thue um eigenen Gewinnes willen oder um Anderen eine Gefäl— ligkeit zu erzeigen, und ich glaube, daß diese Begriffs ⸗-Aufstellung des Entwurfes allerdings richtig ist, und daß wir ihr beistinimen müssen. Ich möchte es blos als eine Fassungs- Bemerkung anheimgeben, ob die Worte: „rechtswidrig sich zuzu eignen“, nicht besser wegzu⸗ lassen wären, indem bereits durch die hier getroffene Begriffs -Auf⸗ stellung vollständig Alles gesagt worden ist, was dadurch ausgedrückt werden soll. Wer etwas sich zueignet, was ihm nicht gehört, ist be⸗ reits ein Dieb, auf eine besondere Rechtswidrigkeit kommt es gar nicht an, sondern das Unrecht besteht darin, daß er das Recht des Anderen verletzt hat. Wenn solche Worte im Gesetzbuche stehen bleiben, so kann das leicht zu der Frage Veranlassung geben, ob außer der ver⸗ botenen That noch eine besondere Rechtswidrigkeit erfordert werde? und dieses Bedenken würde mich bestimmen, auf Wegfall der Worte: „rechtswidrig sich zuzueignen“, anzutragen.

Abgeordn. Gießler: Mir scheint es, als wenn die Worte des Paragraphen: ö

„Einen Diebstahl begeht, wer aus der Gewahrsam eines An⸗— deren ꝛc.“ nicht Alles in sich faßten, was gestohlen werden kann; so haben wir z. B. die Ackergeräthe, welche sich auf dem Felde befinden, diese sind nicht im Gewahrsam und werden gerade am häufsigsten gestohlen. (Mehrere Stimmen: Die kommen später.) Dies ist zwar richtig, es handelt sich aber hier um den allgemeinen Begriff vom Diebstahl; ich würde es daher zweckmäßiger finden, wenn die Worte: „Aus der Gewahrsam eines Anderen“,

6 würden, oder wenn man den Paragraphen anf folgende eise: „Einen Diebstahl begeht, wer von dem Besitz oder aus dem Ge— wahrsam eines Anderen 2c.“

faßte.

Referent Abgeordn. Frhr. von Mylius: Der Diebstahl von Ackergeräthen kommt in einer späteren Bestimmung vor.

Regierungs⸗Kommissar Bischoff: Es ist zu bemerken, daß die Gewahrsam in dem civilistischen Begriffe aufgefaßt ist, und ich glaube auch nicht, daß bei einem Richter Zweifel entstehen können. Die Gewahrsam ist in dem Sinne genommen, daß darunter nicht allein die unmittelbare materielle Detention einer Sache, sondern auch die Fähigkeit verstanden wird, jeden Augenblick diese Detention aus zu⸗ Üben. In letzterem Sinne ist die Detention bei vielen anderen Sachen, z. B. Früchten auf dem Felde, Bäumen im Walde, aufzufassen. Diese alle sind in der Gewahrsam, obgleich sie nicht unmittelbar und materiell detinirt sind; es kommt nur darauf an, daß der Berech tigte sich jederzeit in diese materielle Detention versetzen kann.

. von Savigny: Ich will nur zur Erläuterung und Bestätiguug dessen, was der Herr Kommissar erwähnt hat, noch hinzufügen: Es ist eigentlich der Besitz gemeint, man hat aber mit Absicht diesen Ausdruck vermieden, weil bekanntlich die Lehre vom Besitz eine sehr schwere und namentlich die Arten des Besitzes außer⸗ ordentlich verschieden sind, und weil besonders im Landrechte diese Lehre eine sehr verwickelte Gestalt an sich genommen hat. Um nun die Anwendung auf die Strafe des Diebstahls nicht von diesen juristischen Feinheiten abhängig zu machen, hat man den mehr fakti— schen Ausdruck Gewahrsam (zu Deutsch: Detention)

(Heiterkeit in der Versammlung) genommen, um überhaupt die Sache mehr in das Praktische zu stel— sen, unabhängig von juristischen Subtilitäten.

Abgeordn. von Auerswald: Indem ich mich alle dem, was der Herr Minister der Gesetzgebung in seiner früheren Rede sagte, anschließe, bis auf den Schluß, in welchem er sagte, daß der Schluß des Paragraphen aus den von ihm angeführten Gründen unverän-— dert stehen bleiben müsse und er in seiner Rede den Antrag meines ver= ehrten Nachbars nicht berücksichtigt hat, die Worte: „oder einem Dritten“, wegzulassen. Wenn ich noch zweifelhaft gewesen wäre, ob diese Worte weggelassen werden sollten, so habe ich aus der eigenen Darstellung des Herrn Ministers noch einen Grund mehr für deren Weglassung entnommen, indem er die Wegnahme an sich, ohne Rück⸗

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sicht auf die Verwendung, als widerrechtlich und strafbar darstellte; die Bezeichnung der Art der Verwendung ist hiernach überflüssig, zu derselben ist aber doch unzweifelhaft zu rechnen: die Uebergabe des Gestohlenen an einen Dritten. Ich glaube, daß diese Worte min- destens überflüssig sind und den Begriff verwirren. Nächstdem möchte ich mir die Frage erlauben, ob ich Recht habe, wenn ich bei einer allerdings etwas mangelhaften Keuntniß der Gesetzgebung behaupte, daß in diesem Paragraphen zum ersten⸗- und einzigenmale, feitdem es überhaupt Gesetzbücher giebt, dieser Begriff eines Dritten in den Diebstahl mit eingeführt ist. Ich weiß nicht, ob ich mich darin täu⸗ sche oder in meiner Voraussetzung Recht habe; wenn das Letztere der Fall wäre, so würde dies doch jedenfalls ein sehr bedeutendes Mo—⸗ ment für das mangelnde Bedürfniß einer solchen Begriffs Bestim— mung sein.

Justiz⸗Minister von Savigny: Ich gestehe, daß ich im Eifer versäumt habe, mich auch auf dẽn Einwurf einzulassen, welcher gegen die Worte: „oder einen Dritten“ erfolgt ist. Es ist nicht die Absicht gewesen, wie man aus den Worten des geehrten Abgeordneten aus Preußen entnehmen könnte, hier gleichsam ein neues Delikt zu bil— den oder den Diebstahl auf neue Fälle anzuwenden, sondern es sollte blos ein Theil desjenigen dadurch gesichert werden, was ich vorhin ausgeführt habe in Bezug auf die spätere Verwendung des Gestoh— lenen. Derjenige, welcher sich eine Sache aneignet, für sich oder einen Dritten, ist vorübergehender Herr derselben gewesen, und er soll sich nicht damit entschuldigen können, daß er angeblich oder wirk⸗ lich die Absicht nicht gehabt habe, die Sache für sich zu behalten, sondern sie einem Dritten zu geben. Wenn er sie auch einem Drit⸗ ten übergiebt, er hat sie zunächst für sich genommen, und sogar die widerrechtliche gewinnsüchtige Absicht wird in einem solchen Fall nicht geleugnet werden können, denn auch das ist Gewinn, wenn man sich einen Anderen zum Danke oder Gegendienste verpflichtet. Also et⸗ was Unrichtiges kann in diesen Worten gewiß nicht gefunden werden, man könnte höchstens sagen, daß sie überflüssig seien; aber sie sind deshalb auch nicht überflüssig, weil man in solchen Fällen, wo man angeblich oder wirklich um eines Dritten Willen gestohlen hat, eine allerdings falsche Ausflucht gegen die Anwendung der Strafe ver— suchen könnte, und dagegen sollen diese Worte Schutz gewähren. Abgeordn. Neumann: Ich gebe auch nicht zu, daß es nothwen— dig sei, zum Begriffe des Diebstahls die gewinnsüchtige Absicht vor⸗ auszusetzen. Ich halte mich daran, daß der Diebstahl objektiv in der gewaltsamen Wegnahme einer fremden Sache aus dem Gewahrsam eines Anderen und subjektiv darin besteht, die Sache sich anzueig⸗ nen; aber ich muß darauf aufmerksam machen, daß dabei noch immer die Ansicht des Herrn Abgeordneten aus Königsberg bestehen bleibt, daß die Bestimmung „oder einem Dritten“ wegfallen müsse, und durch den Vortrag des Herrn Justiz⸗-Ministers selbst gerechtfertigt zu werden scheint. Es wurde in demselben die Ansicht ausgesprochen, daß alle in die Zukunft gerichteten Absichten bei der Begriffsbestim⸗ mung des Diebstahls gleichgültig sind, und ich glaube deshalb, daß die Worte „oder einem Dritten“ aus dem Paragraphen wegbleiben können. Wer stiehlt, der eignet sich zunächst selbst eine fremde Sache widerrechtlich an, zu welchem Zwecke er es thut, ob für sich oder für Andere, das ist gleichgültig, er bleibt der Dieb, und ich muß also dabei stehen bleiben, daß der Ausdruck: „oder einem Dritten“ mindestens überflüssig sei, ich möchte aber mehr der Ansicht sein, daß er den Begriff selbst noch schwankender macht. Ich kann mich also nur da für auesprechen, daß dem Antrage Folge gegeben und diese Bestim— mung weggelassen werde.

Abgeordn. Graf von Renard: Ich wollte mich mit der Bitte um Aufklärung an den Herrn Regierungs-Kommissar wenden, warum der Nachsatz hier steht: „Der Diebstahl ist vollendet, sobald der Thä— ter die Sache an sich genommen hat“, und welchen Zweck dieser Nachsatz verfolgt? Mir scheint die Definition durch diesen Nachsatz nicht klarer geworden zu sein. So bleibt die Frage unentschieden: Hat der Dieb den Diebstahl vollendet, wenn er die fremde Börse, die er genommen, noch in den Händen hat, oder erst dann, wenn er sie schon in seine Tasche gesteckt hat.

(Unruhe in der Versammlung.)

Regierungs⸗-Kommissar Bischoff: Ueber den Zeitpunkt der Vollendung des Diebstahls bestehen im Kriminalrechte Kontroversen, indem die eine Meinung dahin geht, daß der Dieb die Sache in Sicherheit gebracht haben müsse, die andere dagegen behauptet, er dürfe sie nur an sich gebracht haben, um den Diebstahl für vollendet zu erachten. Um diese Streitfrage zu beseitigen, ist hier gesagt, der Diebstahl sei vollendet, sobald der Thäter die Sache nur an sich ge— nommen habe.

Abgeordn. Sperling: Der Herr Minister der Gesetzgebung hat gesagt, es sei der Zusatz: „oder einem Dritten“, gemacht worden, um zu verhüten, daß ein Dieb nicht straflos ausgehe, wenn er ein— wende, er habe die Sache nicht für sich, sondern zu Gunsten eines Dritten an sich genommen. Ich glaube, es werden noch viele andere Einwendungen von den Dieben erhosen werden,

Heiterkeit)

um die Beschuldigung des Diebstahls von sich abzuwälzen, und ich möchte nicht rathen, alle diese Einwendungen hier im voraus berück— sichtigen zu wollen. Wenn aber solches beliebt werden sollte, so würde ich eher dafür sein, daß alle diese Einwendungen in einem, in zwei oder zehn Paragraphen besonders behandelt werden, als daß man auch nur einen derselben heraushebt und in die Definition des Diebstahls aufnimmt. Ich wiederhole meinen Antrag.

Regierungs-Kommissar Simons: Es ist die Frage erhoben worden, ob der Nachsatz im Paragraphen überflüssig sei oder nicht. In dieser Beziehung erlaube ich mir die Bemerkung, daß nach der verlesenen Definition, welche der Diebstahl in dem rheinischen Straf⸗ gesetzbuche erhalten hat, ein solcher Nachsatz allerdings nicht gemacht worden ist. Allein in der Praxis haben früher viele Zweifel gerade darüber bestanden, ob der Ümstand, daß der Dieb nicht im eigenen, sondern im Interesse eines Dritten habe handeln wollen, nicht den Begriff des Diebstahls ausschließe; es sind mehrere Entscheidungen des obersten Gerichtshofes in Frankreich darüber ergangen, daß der Begriff des Diebstahls, so wie ihn das rheinische Strafgesetzbuch auf⸗ stellt, diese Konsequenz in sich schließe. Wenn nun ein so einfacher Zusatz die Definition näher feststellt und den Zweifel ausschließt, der sehr praktischer Natur ist und sich häufig ereignen kann, so glaube ich, daß aller Grund vorhanden sei, sich mit dieser Fassung einver⸗ standen zu erklären. Es handelt sich, wie gesagt, von einem Zwei⸗ fel, der nicht nur entstehen kann, sondern nach der Erfahrung auch wirklich entstanden ist.

Justiz⸗Minister von Savigny: Zur Unterstützung dieses Grun⸗ des muß ich nur noch etwas in Bezug auf die Behauptung des Mitgliedes von Königsberg anführen, welches meinte, daß diese Be⸗ griffsaufstellung gewissermaßen eine ganz neue Erfindung sei, wovon die Wissenschaft bisher nichts gewußt habe. Dagegen habe ich zu bemerken, daß in der römischen Definition des Diebstahls allerdings davon nichts steht, wohl aber in den Erläuterungen und Ausführun—⸗ gen, welche die römischen Juristen jener Definition beigefügt haben, so daß also die hier aufgestellte Definition nicht eine neue Erfindung ist. Wenn nun hinzukommt, daß in der Praxis des französischen Nechts die in dieser Hinsicht erhobenen Zweifel erst vollständig und mit Mühe

gehoben worden sind, so sehe ich nicht ein, was n ern. dieser unschuldigen ö 2 kann. man gegen die Au Abgeordn; von Werdeck: Ich muß gewissermaßen zur Rettuns meines Gewissens im Sinne des Abgeordnet . 9g eten von Prenzlau noch mals das Wort ergreifen und aufmerksam darauf machen, daß das n gene,, ist, welches darüber angeregt wurde, daß fein ö r J esinition vorhanden ist, daß ein Gewinn für de— einen Dritten beabsichtigt sein muß. Wir komm ohne eine solche in Gefahr, daß die unschuldigsten Handlungen Diebstahl betrachtet werden. Wir kommen in die Gefahr, gegen der, die von einem Chausseehaufen bunte Steine aussefen, Ruth= abschneiden, die Strafe des Diebstahls eintreten zu lassen. ;

Abgeordn. von Auerswald: Ich setze voraus, baß der Mi— sterial⸗Kommissar, der zuletzt gesproöchen hat, seine Rede auf zweite Alinea gerichtet hat.

Regierungs⸗Kommissar Simens: Auf das erste Alinea.

Abgeordn. von Auerswald: Bei den Worten des Herrn Ministe der Gesetzgebung hat es mir zur Befriedigung gereicht, aus solche Munde zu hören, daß, wie bisher überhaupt kein Gesetzbuch, a, nicht die römische Definition des Diebstahls, die in Rede stehende Begriffsaufstellung gekannt hat, und daß sie sich nur in der Ausfüh= rung und den, Erläuterungen der römischen Juristen sinde, welche diese der Definition beigefügt haben; also nicht in dem Tenor der Definition selbst, welche das römische Recht giebt.

Justiz-Minister von Savigny: Es ist gerade das römische Recht als solches. Die Römer haben, als jene Erläuterungen ent— standen, kein Gesetzbuch gehabt. ;

Abgeordn. von Auerswald: Das weiß ich wohl; doch steht dies meiner Aeußerung, wie ich glaube, nicht entgegen.

Justiz-Minister von Savigny: Es steht in dem, was in der Form eines Gesetzbuches zu uns nach Deutschland herübergekommen, nur gerade nicht in der Definition des Diebstahls.

Abgeordn. von Auerswald: Auf uns übergegangen als eine Erbschaft, die wir nicht vollständig angetreten haben, da der Begriff jener Erläuterungen in neuesten Gesetzbüchern nicht übergegangen ist. Das Anerkenntniß haben wir erhalten, daß die betreffende Bestim— mung in keinem Gesetzbuch steht. Wenn sie nun in den Ausfüh— rungen der Rechtsgelehrten enthalten ist, welche ihrer Zeit die Stelle der Gesetzbücher vertreten haben, so frage ich, ob in einer Zeit, wo Alles dahin strebt, die Gesetzbücher einfach zu fassen, es zu billigen ist, wenn man auf komplizirte Erläuterungen zurückgeht, welche ihrem Begriff nach seit Jahrhunderten von keinem Gesetzgeber mehr rezipirt worden sind? . K

Regierungs⸗Kommissar Simons: Es kann vielleicht mit ein paar Worten näher erläutert werden, wenn eine darauf bezügliche Vor⸗ schrift ins Auge gefaßt wird. Sie lautet: .

„Es haftet auch der wegen Diebstahls, wer eine Sache zu dem Ende entwendet hat, um sie einem Anderen zu schenken.“ ö

Es ist dies auch eine der Auslegungen, welche das römische Recht enthält, um den Begriff des Diebstahls näher festzustellen.

Vice-Marschall Abgeordn. von Rochow:: Gegen, die vorlie— gende Definition des Diebstahls sind hauptsächlich drei Einwendungen gemacht worden. Die eine geht dahin, daß man die gewinnsüchtige Absicht nicht darin ausgedrückt habe, und es ist befürchtet worden, daß dadurch die Wegnahme von Gegenständen ohne allen Werth straffällig weiden könne. Indessen glaube ich, daß, wenn der Richter überhaupt die Meinung hätte, die Wegnahme solcher Gegenstände für Diebstahl zu halten, diese Ansicht dadurch nicht ausgeschlossen werden würde, wenn man jene Worte in die Definition aufnähme. Der zweite Antrag geht dahin, das Wort „rechtswidrig“ herauszu— nehmen; dann würde aber die unerlaubte Selbsthülfe vom Diebstahl nicht unterschieden; denn dieselbe unterscheidet sich vom Diebstahl da durch, daß derjenige, welcher eine solche Sache in sein Gewahrsam nimmt, ein Recht daran zu haben glaubt. Endlich ist der Wunsch dahin gerichtet, daß man die Worte „oder einem Dritten“ weglasse. Dann müßte man den Satz mit dem Worte „wegnimmt“ schließen, und da wäre der Diebstahl gar nicht bezeichnet; denn es wäre das rechtswidrige Zueignen hinweggenommen, und das ist eben das Merk⸗ mal des Diebstahls. Ließe man dies aber stehen, ohne auszudrücken, daß die Zueignung für einen Dritten mit darin begriffen sei, so könnte daraus gefolgert werden, daß dies Letztere erlaubt sei, und doch ist das Stehlen für Dritte in seinen Motiven der Handlung eines Banditen gleich, der für einen Anderen mordet.

(Viele Stimmen: Abstimmung!)

Regierungs-Kommissar Bischoff: Ich wollte nur noch in An— sehung der neueren deutschen Strafgesetzgebungen bemerken, daß die meisten den Zusatz „oder einem Dritten“ nicht haben; dagegen hat ihn die neueste Strafgesetzgebung, die von Baden, aufgenommen, und dort heißt es: „für sich oder einen Dritten.“

Marschall: Wir können abstimmen. In Bezug auf 8. 267 ist die Diskussion für geschlossen zu erklären und zu bemerken, daß der Referent seine Bemerkung wegen des Wortes „rechtswidrig“ nur als eine Fassungs⸗-Bemerkung hingegeben hat, so daß uns nur übrig bleibt, über die Anträge der Abgeordneten Grabow und Sperling abzustimmen.

Die erste Frage heißt also: . .

Soll beantragt werden, daß in die Begriffs -⸗Bestimmung des Diebstahls die gewinnsüchtige Absicht mit aufgenommen werde? e Diejenigen, die es beantragen, werden das durch Aufstehen zu erken⸗ nen geben. . (Ein Theil der Versammlung erhebt sich.) Man ist nicht beigetreten. Die zweite Frage heißt: Soll auf Wegfall der Worte „oder einem Dritten“ ange⸗— tragen werden? ; Auch hier würden die, welche es beantragen, aufstehen. (Es erhebt sich ein Theil der Versammlung.) Man ist dem Vorschlage nicht beigetreten. . .

Die Abtheilung hat den nächsten Montag zu ihrer Sitzung no⸗ thig; die nächste Sitzung wird also Dienstag um 10 Uhr stattsin den.

Der stenographische Bericht der heutigen Sitzung wird Dienstag Morgens vor der Sitzung ausgelegt sein.

(Schluß der Sitzung 14 Uhr.)

Dritte Beilage

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Beilage zur Allgemeinen Preußischen Zeitung.

Freitag den 25. Febr.

Uichtamtlicher Theil. 1

Inland. Berlin. Hofnachricht. Pro vinz Schlesi ö mite zur Unterstützung der ö ; , Deutsche Bundesstaaten. Königreich Bapern. Thiersch zum

Vorstand der Alademie ernannt. Vereinigungen und Liedertafel der Studirenden genehmigt. Vermischtes. Schreiben aus Frankfurt

a. M. (Graf von Münch -Bellinghausen; Verhaftungen in Offenbach; Unterstützung der nothleidenden Schlesier; Pferdefleisch; Börse; Eisen⸗

bahnen.)

Desterreichische Monarchie. Mailand. Bekanntmachung. Ve⸗ nedig. Verbannungen. Aufregung im Theater. Herstellung der Ruhe. Vermischtes. Schreiben aus Wien. (Beisetzung der Leiche

des Grafen Hardegg; der Gymnasial-Studienplan; Vermischtes.) Frankreich. Paris. Pairs- und Deputirten⸗ Kammer. Das Mini— sterium und die Maßregeln gegen das Bankett. Vermischtes. Schreiben aus Paris. (Die Wahl des Lokals für das Bankett.) Großbritanien und Irland. London. Hofnachrichten. Par- laments-Verhandlungen: Lord John Russell's Rede über die Finanzlage Englands; sein Vorschlag zur Erhöhung der Einkommensteuer; Debahe

darüber. Oberhaus Verhandlungen über die Verbindung mit dem Paryst. Vermischtes.

Italien. No m,. Rede des Papstes an das Volk. Der Fürst von 1 Ministerwechsel. Neapel. Die Verfassung. Lord Minto. .

Handels- und Börsen⸗-Nachrichten.

J

„Berlin, 24. Febr. Gestern fand bei Ihren Königlichen Maje⸗ stäten im Weißen Saale des Schlosses großer Ball mit Souper statt, ö welchem gegen tausend Gäste geladen waren. Die Königlichen Majestůten erschienen gegen 9 Uhr und eröffneten den Tanz mit einer Polonaise; um 11 Uhr war in den verschiedenen Gemächern das Souper servirt, nach dessen Beendigung der Tanz noch bis 1 Uhr fortgesetzt wurde. . .

Provinz Schlesien. (Schles. Ztg.) In der am 18. Februar stattgehabten Sitzung des Comité's zur Milderung des Noth— standes in den Kreisen Rybnik und Pleß, welcher Seine Excellenz der Herr Staats Minister Graf zu Stolberg beiwohnte, brachte der Vor— sitende den Stand der Kasse zum Vortrage, wonach die Einnahme sich bis zu dem genannten Tage auf circa 52,200 Rthlr. stellte. n, Runge, welcher von Sr. Excellenz dem Herrn Minister . angem iesen worden, das Comitè durch die Kenntniß der Fa— Hrication leicht transportabler und zugleich kräftigender nährender Stosse zu unterstützen, ist eingetroffen. Er überreichte Proben eines Getränkes aus Kleienbrot mit einer Beimischung von Zucker gefertigt, von Geschmack, Geruch und Aussehen' dem besten Ungarweine täuschend ähnlich, kräftigende und gesunde Sub⸗ stanzen enthaltend und mit 5 Sgr. das Quart herzustellen. Desgleichen wurde die, Probe eines aus Roggenmehl und Kartoffeln bereiteten Zwiebacks, das Pfund zu 9 pf. übergeben welcher lediglich des Aufgusses heißen Wassers bedarf, um eine nah⸗ rende, und wie man sich selbst überzeugte, eine wohlschmeckende Suppe zu gewähren. Eine andere Zwiebackart zu gleichem Zwecke soll das nächstemal eingeliefert werden, bestehend aus Brot, Kartoffeln und Fleisch, zu wenig höherem Preise, sehr nahrhaft, leicht transportabel und leicht zu schmackhafter und stärkender Nahrung zu benutzen. Die Fertigung und Absendung angemessener Quantitäten dieser letzteren Jahrungsstoffe wurde beschlossen. Von jenem obenerwähnten Getränke ist eine kleine Quantität abgesendet worden, um zu versuchen, ob dasselbe mit Erfolg zur Kräftigung der Rekonvaleszenten anzuwenden sei. Von Berlin sind 223 Pfund Tafelbouillon eingegangen, jedes der beiden Kreis-Comités erhält 100 Pfd., 23 Pfd. die barmherzigen Brüder in Pilchowitz, die Letzteren zugleich 500 Thlr., da dieselben ihre Krankenpflege über die Gränzen ihres dortigen Klosters und ihrer Mittel zum Besten der Umgegend ausdehnen, auch die Verabreichung von Suppen besorgen. Für Pleß sind angekauft worden: 4 Ballen Leinwand, von zusammen 1142 Ellen zu Hemden, 300 Ellen zu Beinklei⸗ dern für Knaben, 1 Ballen rother Fries zu Mädchenröcken, ebenso ein Ballen wollener Zeuge. Für Rybnik werden gleiche Quantitäten beschafft, welche zum Theil hier zur Bekleidung verarbeitet, zum Theil im Stoffe zur Verarbeitung an Ort und Stelle abgeschickt werden. Aus dem Militair-Depot ist die Ueberlassung von 2000 Paar Schuhen zum Gebrauchswerthe erbeten, falls deren Verabfolgung nicht unentgeltlich erfolgen sollte. Der Herr Ober⸗Präsident der Provinz hatte dem Comité einen Auszug aus dem Berichte des außerordentlichen Kom— missarii Kreis-Justiz'Rath v. Götz mitgetheilt, woraus besonders hervorzuheben, daß in Alt-Berun und Schmelin neue Waisenbewahr⸗ anstalten errichtet worden. Auch erhielt das Comité die Mittheilung, daß die Organisation der Comités im Rybniker Kreise jetzt vollendet ist. Se. Excellenz der Herr Staats-Minister Graf zu Stolberg, welcher sich mit den bisherigen Maßnahmen des Comité's und dessen Absichten einverstanden erklärte, stellte fernere reiche Bewilligungen von Reis in Aussicht, und eröffnete dem Comité, daß (wie bereits gestern gemeldet) ein Kommando Soldaten, welche der polnischen Sprache mächtig sind, in die Kreise Rybnik und Pleß bewilligt sei, um die Lokal-Comités bei den Vertheilungen der Naturalien zu un— terstützen, in den beiden Kreisen vertheilt, das Verpflegungsgeschäft mit zu übernehmen, und die sanitätspolizeilichen Vorschriften, nament— lich die ordnungsmäßigen Beerdigungen, zu überwachen. Der kom⸗ mandirende General Herr Graf v. Brandenburg theilte mit, daß der schleunige Abmarsch dieses Kommando's schon angeordnet ist.

Das Comité“ setzte seine regelmäßigen Sitzungen auf einmal wöchentlich, und zwar den Sonnabend Nachmittag 5 Uhr, fest.

Bei der erfreulichen Reichhaltigkeit des Einganges von Effekten aller Art, wurde beschlossen, ein besonderes Lokal für dieselben zu gewinnen, und einen zuverlässigen Aufseher anzustellen, der die An— nahme und Absendung derselben besorgt.

Deutsche Bundesstaaten.

Königreich Bayern. (A. 3.) Sicherem Vernehmen nach hat Se. Masestät der König dem Königl. Universitätsprofessor und Ilassensecretair der Königl. Akademie der Wissenschaften, Hofrath Dr. Friedrich Thiersch, die Stelle des Vorstands der genannten Akademie,

so wie auch die Function des General⸗Konservators der wisse nschaft⸗ lichen Sammlungen des Staats auf die Dauer der nächsten dreisäh= rigen Amtsperiode, welche mit kommendem Monat März ihren Anfang zu nehmen hat, verliehen.

Se. Durchlaucht der Fürst Wallerstein wurde am 18. Februar zur Königlichen Tafel gezogen.

Durch höchste Entschließung vom 18. Februar ist den Studiren— den das Recht zugestanden, Vereine in einer 100 nicht übersteigenden Zahl bilden zu dürfen, deren Versammlungen nicht, wie ehedem ge⸗ boten war, von Gewährung spezieller polizeilicher Erlaubniß abhängig gemacht sind; es genügt jetzt bei der Polizeidirection ein für allemal die geschehene Vereinigung und den Namen des gewählten Vorstan⸗ des anzuzeigen. Ferner hat die Studentenschaft die Genehmigung zur Gründung einer akademischen Liedertafel erhalten, ein Projekt, welches unter dem vorigen Ministerium vielfach besprochen worden, dort aber, wie es scheint, auf Hindernisse gestoßen war.

In Folge der in den letzten Tagen eingetretenen raschen Witte— tungs- und Temperaturwechsel ist die Grippe wieder im Znnehmen begriffen, doch tritt diese Krankheit wie bei ihrem früheren Erscheinen auch jeßtt nicht bösartig auf. Auch die Masern kommen häufig vor.

J, . Frankfurt a. M., 22. Febr. Nach den letzteren ö sen aus Wien ist noch gar nichts bestimmt, wann der Herr raf von Münch-Bellinghausen auf seinen hiesigen Posten zurück⸗ sehren werde, man weiß aber, daß derselbe den Arbeiten der Bun— des Versammlung das lebhafteste Interesse widmet und einige der u g g ste obschwebenden Fragen in naher Zeit ihre Lösung finden In der verflossenen Woche wurde von Verhaftungen gesprochen, welche n QOffenbach stattgefunden. Sie sollen Mitglieder der aufge⸗ lösten Turngemeinde betroffen haben. Es ist den Behörden natürlich 1 daß die Turner, trotz der Auflösung ihrer ih erbindungen unter jeder Form aufrecht zu erhalten suchen und sich dadurch zu Handlungen verleiten lassen, welche das Gesetz nicht ungeahndet lassen kann. Ver in einigen Theilen Oberschlesiens ausgebrochene Hunger— Typhus hat auch hier das thätigste Mitgefühl erweckt, und nament— lich waren es unsere ehrenhaften Buchhändler, welche sich mit den Zeitungs⸗Redactionen zu einem Hülfscomité bildeten und die Unter⸗ stützung ihrer Mitbürger anriefen. Darauf flossen die Gaben so reichlich, daß bereits ansehnliche Summen nach Breslau abgesendet werden konnten, und noch ist dem Ausdrucke eines Frankfurt in so hohem Grade eigenen Wehlthätigkeitsgefühls kein Ziel gesetzt.

Der Verein zum Schutze der Thiere hat in seiner letzten Ge⸗ neral⸗Versammlung beschlossen, dem Genusst des Pferdefleisches hier nun Eingang zu verschaffen. Man verhehlt sich zwar nicht, daß da⸗ bei ein namentlich in den niederen Ständen festgewurzeltes Vorurtheil schwer zu bekämpfen ist, hofft aber doch, mit Beharrlichkeit zum Ziele zu gelangen. Die Preise aller Lebensmittel sind anhaltend im Weichen begriffen, und namentlich läßt sich dies von den Fruchtpreisen sagen. Von Speculation in Getraide ist keine Rede mehr, und da bei der wiedereröffneten Schifffahrt starke Zusuhren erwartet werden und die Wintersaat sehr gut steht, so läßt sich ein bedeutendes Fallen der Fruchtpreise noch erwarten. Aber nicht blos in Landesproduk⸗ ten, sondern auch in Kolonialwaaren wird sehr wenig gethan.

Von dem Börsen-Umsatz läßt sich wenig sagen. Die politischen Constellationen, die wenig aufmunternden Berichte von den auswär— tigen Plätzen und die Nachwirkungen der Bankerotte lähmen sehr das Börsengeschäft. Der Geldüberfluß führt den solideren Fonds aber dennoch viele Kapital⸗Anlagen zu.

Bei dem Wiedereintritt der besseren Jahreszeit werden auch un— sere Eisenbahn-⸗Arbeiten wieder aufgenommen, und die Main⸗Neckar— bahn und die Frankfurt⸗Hanauer werden bis zur Mitte des Sommers ganz vollendet sein.

Oesterreichische Monarchie

Mailand, 16. Febr. (A. 3.) In Folge der neuesten Vor— fälle in Mailand, Padua und Pavia hat die General Direction der Polizei eine Bekanntmachung erlassen, wodurch das Tragen der soge— nannten Calabreser-, Puritaner- und Ernani-Hüte, so wie jedes poli= tischen oder sonstigen Erkennungs-Abzeichens, unter Androhung sofor— tiger Verhaftung der Zuwiderhandelnden verboten und den Behörden die strengste Ueberwachung dieses Verbots eingeschärft wird. Eben so hat die Regierung von Mailand jede politischer Zwecke halber beab— sichtigte Volksdemonstration untersagt und die Behörden zu kräftigem Einschreiten gegen dieselbe, wie gegen Alles, was die öffentliche Ruhe stören könnte, aufgefordert. Es sei der Wille Sr. Majestät, daß außerordentliche Festlichkeiten nicht gestattet, ungewöhnliche Volks— Versammlungen, namentlich zur Nachtzeit, verhindert würden; die Regierung bringe dies zur Kenntniß des Publikums in dem festen Vertrauen, daß die Bewohner der Lombardei den Kaiserlichen Befeh— len in ihrem vollen Umfange nachzukommen nicht verfehlen würden.

Venedig, 9. Febr. (A. 3.) Der letzte Volksauftritt im Fenice-Theater hat zur Folge gehabt, daß einige der vornehmen Ru— hestörer auf ihre Landgüter oder nach Laibach, Gratz zc. verwiesen wurden. Verhaftungen fanden nicht statt, aber mehr als 60 der Unruhigsten wurden durch die Polizei in Kenntniß gesetzt, daß ihnen für die Zukunft der Eintritt in das Theater verboten bleibe. Der Mäßigung des Inspections-Ofsiziers, der trefflichen Haltung des zahl reich versammelten Militairs gebührt das Verdienst, blutigen Zusam— menstoß verhindert zu haben. Der Lärm und das mit dem Flattern dreifarbiger Tücher verbundene Geschrei hatte in wenigen Minuten dermaßen zugenommen, daß man keinen Augenblick mehr für Lie Fol— gen gut stehen konnte. Der Schwindel hatte sich sogar auf die Schau— pieler ausgedehnt, welche mitriefen und ihre Mützen schwenkten. Das Drollige bei dieser letzten Scene war die Parteiung, die auch auf der Bühne stattfand. Ein Theil der zahlreichen Statisten bestand näm— lich aus österreichischen Soldaten. Diesen wackeren Leuten pochte nämlich bei der Scene das Soldatenherz unter dem Theaterflitter. Das Fenice⸗-Theater bleibt für einige Tage geschlossen, bis die hohen Verwiesenen ihre neuen Aufenthaltsorte erreicht haben werden.

Venedig, 11. Febr. Hier ist Alles ruhig; die anfangs sehr übertriebenen Berichte über die Vorfälle in Padua schwanden bald zusammen. Nauchen sieht man hier in der That viel weniger als sonst, von Insulten hört man aber nirgends. Eine der vornehmen malkontenten Damen hat einen Paß fürs Ausland erhalten. Das Fenice⸗Theater wurde gestern wieder eröffnet, blieb aber beinahe leer, kaum hundert Personen bewegten sich in dem großen Raum. Ein Theil der aus Padua hier angekommenen Studenten fuhr mit dem gestrigen Dampfschiffe nach Istrien und Dalmatien ab. Die Auf⸗

sicherer Quelle erfährt, auf Wirthshausscenen zwischen den Solba— ten selbst.

Wien, 21. Febr. Die irdische Hülle des Hof⸗Kriegsraths⸗ Präsidenten, Grafen Hardegg, wurde heute Mittags mit den dem hohen Range des Verstorbenen gebührenden militairischen Ehrenbezei⸗ gungen zur Erde bestattet. . Befehl des Kaisers ging ber feier⸗ liche Leichenzug vom Hof⸗Kriegsgebäube über den Kohlmarkt durch die Kaiserliche Hofburg, um den Dahingeschiedenen dadurch eine be⸗ sondere letzte Ehre zu erweisen. Dem Leichenwagen folgten mehrere Erzherzoge, die Geheimen Räthe, die Generalität, die hohe Büreau⸗ kratie, das diplomatische Corps, die Offizier-Corps und eine Reihe don Wagen. Trotz des ungünstigsten Wetters hatte sich das Publi- kum in den Straßen zahlreich versammelt. Die Leiche des Verstorbenen wird auf der Nordbahn nach einer der Herr⸗ schaften geführt und dort in der Familiengruft beigesetzt.

Dem ersten Hof⸗Kriegsraths-Vice-Prässdenten, Sr. Durchlaucht dem Fürsten zu Hohenlohe⸗Langenburg, ist die provisorische Leitung des erledigten Präsidiums übertragen; über die Nachfolge in demselben verlautet nichts Bestimmtes, und dürfte eine Besetzung dieser Stelle dem Vernehmen nach kaum bald erfolgen.

Der Negierungs-Rath und verdiente Professor der politischen Wissenschaften an der Universität, Kudler, soll an die Stelle des ver⸗ storbenen Regierungs-Raths, Ritter von Winiwarten, zum Vice— Direktor der juridisch politischen Studien der wiener Hochschule er⸗ nannt werden, eine Ernennung, die gewiß alle seine Schüler, deren Zahl eine sehr große ist, mit Freude erfüllen wird.

Wie verlautet, ist der neue Gymnasial⸗ Studienplan vorläufig in Innsbruck eingeführt; statt der früheren vier Grammatikal⸗Klassen und zwei Humanitäts-Klassen werden künftig drei Grammatikal= und drei Humanitäts⸗Klassen, unter Beibehaltung der Klassenlehrer, beste⸗ hen, einzelne Gegenstände, darunter die mathematischen und naturhi⸗ storischen, mehr beachtet werden.

Da die Donau vom Eise befreit, der Stand des Wassers die Schifffahrt ohne Unterbrechung begünstigt, so hat die Donau⸗-Dampf⸗ schifffahrt zwischen Linz und Wien und Wien und Pesth seit zwei Tagen für dieses Jahr wieder begonnen.

Fran k'rye i ch

Paris, 20. Febr. Die Frage, welche die Pairs⸗ Kammer vorgestern in der Berathung über die Arbeit der Kinder in den Fa⸗ briken hauptsächlich beschäftigte, ist gestern durch ein neues von der Kommission vorgeschlagenes System folgenden Inhalts erledigt wor⸗ den, auf das die Kammer einging: „An einem Tag der Woche sol⸗ len für alle junge Leute von zwölf bis zu sechzehn Jahren zwei Stunden von der Arbeit abgezogen und dem Elementar-Unterricht gewidmet werden. Außerdem sind an jedem Sonntag zwei Stunden dem Elementar- und Religions-Unterricht zu widmen.“ Sodann wurde die Diskussion über eine der wichtigsten Bestimmungen eröff⸗ net, welche die Kommission dem Regierungs-Entwurf hinzugefügt hat, nämlich die Anstellung eines Inspektors, der die Ausführung des Gesetzes überwachen soll. Ueber zwei wesentliche Punkte ist man einig: daß eine solche Inspection nöthig sei, und daß sie, um ernstlich und wirksam zu sein, besoldet werden müsse. Die Kommission hat sich aber nicht darauf beschränkt, das Prinzip dieser Einrichtung in den Ge⸗ setzentwurf einzuschalten, sondern auch die Organisation derselben bis in die kleinsten Details vorgeschrieben, die Zahl der Inspektoren fest⸗ gestellt, ihre Unterordnung unter einander als General- und Divi- sions-Inspektoren, und das industrielle Frankreich zu diesem Zweck in eine Anzahl von mehr oder weniger willkürlicher abgesteckter In spec⸗

tritte, die in Mantua stattgefunden, beschränken sich, wie man aus

tions⸗-Bezirke und Ressorts getheilt. Herr von Argout schlug als Amendement hierzu vor, sich auf das Prinzip zu beschränken und die Ausführung desselben den Anordnungen der Verwaltung zu überlassen. Dies Amendement wurde auch von Herrn Cousin unterstützt, die Ab⸗ stimmung aber ist noch nicht erfolgt.

Die Deputirten⸗Kammer hat gestern mit 191 gegen 45 Stim— men den Gesetzentwurf über die Abgränzung der Wahlbezirke im De— partement der Saone und Loire angenommen.

Gestern war das Gerücht verbreitet, die Minister hätten sämmt⸗ lich dem Könige ihre Entlassung angeboten. Bis jetzt hat dasselbe aber keine Bestätigung erhalten. In der letzten Sitzung des Mini⸗ ster⸗Nathes hatte, wie es heißt, ein sehr lebhafter Wortstreit zwischen Herrn Guizot und Herrn Duchatel statt. Eine Fraction des Kabi— nets soll, wie man versichert, gegen die Ansicht des Herrn Hebert den Beschluß durchgesetzt haben, daß man sich dem Bankett nicht wi— dersetzen, sondern sich darauf beschränken werde, die umfassendsten Maßnahmen zu treffen, um jede Störung des öffentlichen Friedens zu verhindern. Vom Kabinette soll aber auch entschieden worden sein, daß Herr Hebert in einer der nächsten Sitzungen der Kammer einen Ge— setz- Entwurf gegen die politischen Versammlungen vorlegen solle, auf daß man fortan einen festen Anhaltspunkt gegen derartige Demon⸗ strationen habe. Es heißt, der Caroussel⸗Platz, der Garten der Tuile⸗ rieen, die Rivoli⸗Straße und die Quais würden am nächsten Dien— stag für den öffentlichen Verkehr gesperrt und in eine Art Bivouak umgewandelt werden. Sämmtliche Kasernen sind mit großen Vor— räthen an Waffen und Munitionen versehen worden. Sofort soll angeblich eine Königliche Verordnung, um vor Zusammenrottungen auf den Straßen zu warnen, veröffentlicht und an allen Straßenecken ange⸗ schlagen werden. Herr Dupin, General⸗Prokurator am Cassationshofe, hatte vorgestern eine lange Audienz bei dem König. Als er aus dem Kabinette Sr. Majestät trat, schien er äußerst bewegt. Das Ministerium hat dem Vernehmen nach auch beschlossen, daß mehrere Nationalgardisten, welche neulich beim Beziehen der Wache im Hofe der Tuilerien „Es lebe die Reform!“ gerufen, vor das Disziplinar-Gericht gestellt wer⸗ den sollen. Nach einem übrigens unverbürgten Gerüchte soll eine Fabrik von Schießbaumwolle, wo bereits 30, 000 Kilogramme verfertigt gewesen, von der Polizei aufgehoben worden sein. Nach der Presse sollte der Polizeipräfekt schen im Dezember, in Folge einer Ansichtverschiedenheit zwischen ihm und dem Justizminister über das hinsichtlich des beabsichtigten Reformbankettes in Paris zu befolgende Verfahren, seine Entlassung eingereicht und nur eingewilligt haben, bis nach dem Bankette seinen Posten noch zu bekleiden. Herr Delessert hätte die Ansicht vertreten, daß man dem pariser Bankett so wenig etwas in den Weg zu legen berechtigt sei als Den 60 bis „0 vorhergegangenen Kundgebungen der nämlichen Art. Der heutige Monitenr erklärt dies Alles aber für ganz ungegründet; eben so die Behauptung des National, daß der Präfekt des Departements der unteren Seine, Baron Dupont-Delporte, in Ruhestand versetzt werden solle. Den Erklärungen des General Majors Carbounel über das Verfahren bei Organisation des Nationalgarde Dienstes für den Ban- fett⸗Tag sich anschließend, hat unterm gestrigen Datum auch der Oberst der 19ten Legion, Herr Lemercier, ein Schreiben an die Presse gerichtet, worin er allen desfallsigen Behauptungen dieses Blattes und des National widerspricht; es sei durchaus unwahr sagt dersesbe, daß Befehle ertheilt worden, um Nationalgarde⸗Deta⸗