1848 / 58 p. 8 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

.

k

k—

gierungs zeit Friedrich Wilhelm's II. und III. bis zum Jahre 1806 dingewiesen und eine gelegentliche Mittheilung derselben zugesagt worden.

Die „Neuen Preußischen Provinzialblätter Band IV.*) haben seitdem eine dankenswerthe, aus zügliche Darstellung aus unserem Bei⸗ heft, von Herrn Gottschalk in Preuß. Eylau, mitgetheilt, welche Seine Excellenz den Minister von Schön veranlaßt hat, in dersel⸗ ben Zeitschrist Band V.**) ein Urtheil über die eigentliche Quelle jener Darstellung auszusprechen und hierbei zugleich einige Notizen über die in Rede stehende Angelegenheit zu veröffentlichen. Daher scheint es angemessen, jetzt auch unsere Beiträge folgen zu lassen und mit denjenigen des Ministers von Schön in Verbindung zu setzen, während überdies eine Widerlegung mancher aus den letzteren her⸗ vorgehenden Ansichten und Angaben erforderlich ist.

Wenn übrigens der sich bei den Miliz⸗ und Landwehr ⸗Institu⸗ tionen historisch fortentwickelnde Faden eben sowohl das hauptsachlichste Interesse gewährt, als auch die seit dem letzten Kriege entstandenen Prioritätsstreitigkeiten, mit ihren sonderbaren Aus weichungen? **), auf den eigentlichen Werth zurückführt, so durfte es nicht überflüssig sein: unsete Beiträge in einen allgemeinen Ueberblick der Ent⸗ wickelung des Miliz⸗-Systems von den frühesten Zeiten ab einzufügen, also mit den letzteren zu beginnen.

*) Sieht man von den Lehnsdiensten ab, welche als Leistungen für persönlich erworbene Vortheile nicht in den Bereich der Landes⸗ bewaffnungen zu fallen scheinen, so ist zunächst der Landesaufgebots⸗ Truppen zu gedenken, die im Brandenburgischen von den Städten estellt und zu Ende des 16. Jahrhunderts bereits einer genauen . von Selen der Regierung durch bestimmte Muster⸗-Haupt— seute oder Kommissarien unterzogen wurden.

Im Herzogthum Preußen fand, eine gleiche Einrichtung, aber in ausgedehnterem Maße statt, da hier auch der Herren-, Adel - und Ritterstand zu den Milizen gehörte, welche dort zum Theil Wybran⸗ zen, von vwybraniec, Freiwilliger, und 1623 bereits amtlich Land⸗ wehr genannt wurden.

Der große Kurfürst versuchte, wenn auch mit ungleichem Erfolg, diese Landesbewaffnungen weiter auszubilden, indem er den zu den⸗ selben bestimmten Mannschaften Begünstigungen und Besoldungen zu⸗ kommen ließ, worüber sich das bezügliche Edikt dahin ausdrückt: „er wolle ezliche Völker zur Vandes⸗-Defension in Wartegeld nehmen.“

Friedrich J. unterwarf die Milizen einer neuen Organisation und betrachtete sie als einen wesentlichen Theil seines Heeres. Eine Ar. meeliste des Jahres 17905 giebt die Anzahl der Streitkräfte auf 46,51 Linien- Truppen und 20,000 Wyhbranzen an.

Friedrich Wilhelm IJ. hob diese Land-Miliz zunächst auf, führte sie aber später, wenn auch nur in der schwachen Anzahl von 5000 Mann, wieder ein, indem 4 Land Regimenter zu Berlin, Königsberg, Magdeburg und Stettin 1729, 1730, 1735, 1735 errichtet wurden und zuerst aus 7, 4, 5, 9 Compagnieen bestanden.*)

Friedrich der Große hat diese Regimenter, wie aus den Stamm⸗ listen hervorgeht, nicht aufgelöst, sondern zu Anfang des siebenjährigen Krieges ein jedes bis 140) Mann auf Königliche Kosten augmentirt.

Sodann organisirte der Feldmarschall von Lehwald im März 1757 eine ursprünglich zur Vertheidigung der Küsten und Festungen bestimmte Litthauische Miliz von 2214 Mann, die jedoch, nach einer unverbürgten Angabe, an der Schlacht von Groß-Jägerndorf Theil genommen haben soll.

In der Geschichte der Landes= Bewaffnungen recht eigentlich Epoche machend, treten aber in demselben Jahre die gegen die Schwe⸗ den zunächst freiwillig in Prumern und dann auch in den übrigen Provinzen errichteten Land-Regimenter hervor, über welche die fol⸗

ende Stelle aus einer afademischen Vorlesung des Ministers Grafen Herzberg nähere Auskunft giebt.

Als nach dem Verlust der Schlacht von Kollin im Jahre 1757

die Mark Brandenburg und Pommern ohne Vertheidigung waren, sich der nur mit S9h Mann besetzten Festung Stettin ein 20,000 Mann starkes schwedisches Heer nahete, versammelten sich, durch einige Patrioten aufgemuntert, die pommerschen Stände aus eigenem An⸗ friebe und bosen dem Könige auf ihre Kosten die Errichtung von 10 Bataillonen Landmiliz, jedes zu 500 Mann, a4n; sie fügten nur die Bstte hinzu: daß man ihnen Offiziere zur ersten Errichtung geben möge. Dies geschah auch in Stettin durch die Trümmer der in der Schlacht von Kollin ganz zu Grunde gerichteten beiden pommerschen Regimen= ter von Manteufel und Bevern und durch eine Anzahl alter Offi⸗ ziere, welche von ihren Gütern nach Stettin und Kolberg eilten, um entweder das Kommando der nen errichteten Bataillone zu überneh⸗ men oder bei ihnen als Subalternen einzutreten. Die Provinzial⸗ Stände der Mark Brandenburg folgten diesem Beispiele und bilde⸗ ten auch zehn Miliz⸗Bataillone, die von Magdeburg und Halberstadt viere, so wie auch jede dieser Provinzen außerdem noch eine Anzahl 8 n errichtete. Dies sind die vierundzwanzig Bataillone und Husaren⸗Eskadronen, welche von den Ständen der genannten Pro⸗ vinzen den ganzen siebenjährigen Krieg hindurch freiwillig unterhalten wurden, dis die Festungen Küstrin und Kolberg vertheidigt, Stettin und Magdeburg beschützt haben und den Kern der kleinen Corps bildeten, mit denen die Generale, Wedel, Belling und Werner die Provinzen gegen überlegene feindliche Streitfräfte im offenen Felde vertheidigten.“ . . Durch Einsicht mehrerer bezüglichen Schriftstücke können wir dem Vorigen hinzufügen, daß aus diesen Milizen auch Frei- Bataillone her⸗ vorgegangen sind und in den letzten Jahren des Krieges für die Land- Miliz zum Theil das Verhältniß als Ersatz⸗Bataillone eintrat, indem ausexerzirte Mannschaften an die Armee abgegeben und andere dafür eingezogen wurden. Nach dem Ende des siebenjährigen Krieges löste Friedrich der Große sämmtliche Landregimenter, die auf Kosten des Landes errich- tet waren, auf. Die 4 auf Königliche Kosten organisirten wurden hingegen erst am 22. März 1788 von Friedrich Wilhelm II. vedu= zirt und dauerten, weni stens dem Namen nach, bis über das Jahr z793 fort, indem sich dieselben in den Rang- und Stammlisten der Armee bis dahin zum Theil verzeichnet finden *)

*) S. 273 14. und S. 382 2c. Fr) S. 1 2c. *) In Beziehung auf die österreichische Landwehr von 1808 findet sich z. B. in einer bezüglichen Schrift ein Kasserlicher Hofrath als Erfin= ber () angegeben. * ͤ 5 Die Schrift: „das brandenbur isch-preußische Krieg?wesen um die ahre 1449, 1640 und 1749. Von 9 von Gansauge“, giebt über die daterländischen Miliz-⸗Organisationen in den genannten Zeiten ausreichende urkundliche Auskunft. ir fassen daher, mit Verweisung auf dieselbe, un · sere Angaben über die bezügliche Periode möglichst kurz. *) Aus der Stamm- und Nangliste von 1780, welche auch die Chefs dieser , n. seit der Errichtung in ununterbrochener Folge enthält. *) Bie Vorrede zu der Nangliste des Jahres 1794 läßt sich in dieser Beziehung folgendergestalt aus; „der Leser wird in ber dies ährigen Nangliste die , , vermis⸗ sen. Die Ursache davon liegt in der großen Schwierigkeit, zu sicheren und zuverlässigen Nachrichten zu gelangen. Ueberdies werden die Stel- ei erfolglem Absterben, nicht wieder besetzt, und so geht die ses Corps Offiziere nach und nach ein.“ . Eben o enthall zwar die Stamm- und Nangliste von 1793 Folgendes: „Es sind Ghne dieses (Neu-Garnison-Regiment) noch 4 (Lan ) Regi⸗

53

Eben so existirte noch im Jahre 1802, im Fürstenthum Bayreuth, unter dem Namen Land- Ausschuß, eine von den ältesten Zeiten her bestehende Miliz, die in den alten und in den selegirten Ausschuß, jener für den Krieg im Lande, dieser für den Krieg außerhalb des Landes zerfiel, sich selbst montirte, armirte, mit Ausnahme der Com⸗ mandeurs, welche von der Negierung ihren Sold erhielten, gewählte Offiziere hatte und sich jährlich in Compagnieen zu Uebungen, na⸗ mentlich zum Scheibenschießen, das als ein Volksfest betrachtet wurde, versammelte. Die Stärke des Land-Ausschusses betrug in dem ge⸗ nannten Jahre überhaupt 26,441 und die des selegirten Ausschusses 8320 Mann.

Im Uebrigen läuft seit dem Ausbruch der französischen Nevo⸗ lution der Faden, welcher hier zu verfolgen beabsichtigt wird, haupt⸗ sächlich nur in Entwürfen fort, über die sich in den Akten der zu dieser Zeit bestehenden Militair⸗Organisations Kommission eine genaue Au = kunft findet. ö

Man stößt in denselben zunächst auf einen Erlaß des Ober⸗ Kriegs⸗Kollegiums, vom 39. Juli 1734 an den Oberst von Tschirschky, Kommandanten von Wesel, der in Rüchicht auf die mit diesem Er⸗ laß in Beziehung stehende Person des nachherigen Ministers von Stein besonderes Interesse hat. Es wird nämlich in demselben das Anerbieten des Kammer Präsidenten von Stein: „Schützen und Jäger vom Lande zum Transport der französischen Gefangenen zu stellen u. s. w.“, nicht allein gebilligt, sondern auch noch Folgendes erklärt: 2c. „so wie überhaupt in dringendem Fall die Versammlung einer Miliz von dergleichen Leuten, und wobei allenfalls ehemalige gediente Offiziere, welche sich dazu qualifiziren, angestellt werden kön⸗ nen, einzurichten wäre. (gez. von Rohdich, v. Geusau).“ Indessen scheint dieser Plan nicht weiter zur Ausführung gekommen zu sein.

Ferner tritt eine Korrespondenz zwischen dem Departement der auswärtigen Angelegenheiten Graf Haugwitz) und dem Ober⸗Kriegs⸗ Kollegium vom 25. August 1794, die eine Volks-Bewaffnung im Großen zur Sprache bringt, als wichtig hervor. Nach derselben hatte der Kaiserliche Hof bei verschiedenen deutschen Reichs-Kreisen die schon zu Anfang dieses Feldzuges in Vorschlag gebrachte Maß— regel einer allgemeinen Volks-⸗Bewaffnung von neuem in Anregung gebracht, wie sich aus den Aufforderungen des Herzogs von Sachsen⸗ Koburg ersehen ließe. „Se. Majestät der König stimmen aber nicht für ein solches Voks⸗Aufgebot, da es eben so unhinlänglich und unwirk⸗ sam gegen unseren jetzigen Feind, als in sich selbst bedenklich und ge fahrvoll sein würde. Die Königlichen Gesandten im Reich sind da⸗ her angewiesen; sich von neuem völlig dagegen zu erklären, daß we⸗ nigstens die Königlichen Provinzen nicht an einem solchen extremen Schritte Theil nehmen würden.“ Dagegen wird eine „Vermehrung der schon bestehenden und die Anstellung neuer Land-Milizen (was von einer Volks-Bewaffnung ganz zu unkerscheiden ist)“ sehr zweck⸗ mäßig gefunden, namentlich für die Provinzen zwischen dem Rhein und der' Maas, um einzelnen Streifereien des Feindes vorzubeugen und hinter den Armeen Transporte, Magazin-Bewachungen und der⸗ gleichen zu besorgen.

Das Ober-Kriegs-Kollegium versuchte hierauf durch Errichtung einer Land-Miliz in Westfalen die zuletzt ausgesprochenen Ideen zu realisiren, wobei namentlich auf die Milizen des siebenjährigen Krie⸗ ges und auf eine im Trierschen bestehende Miliz zurückgegangen wurde, scheiterte aber damit an dem Widerstand des General⸗Direk⸗

toriums.

Mit einer Kabinets⸗-Ordre vom 25. Juli 1803 tritt sodann fer⸗ ner der bis dahin unerledigte Plan zur Errichtung von Land Milizen wieder hervor. Diese Kabinets —W dre legt nämlich der Militair⸗ On ganisations Kommission von Möllendorf, von Geusau, von Guion⸗ nean) zunächst einen Plan des Generals von Rüchel zur Begutachtung vor, nach welchem 50, 900] Mann Land-Milizen zur Zeit des Krie—= ges für die Küsten⸗ sund Festungs-Vertheidigungen errichtet werden sollten.

Zugleich wird ein anderer, vom General Rüchel mit eingereich—⸗ ter Plan des Majors von Knesebeck, der aber hier nicht vorliegt, überwiesen. Indessen läßt sich aus den vorhandenen Begutachtungen deutlich erkennen, wie derselbe merkwürdigerweise in den Hauptzügen mit der heutigen Verfassung unserer Armee übereingestimmt hat. Da zunächst seine durch ein Beurlaubungs - System erklärliche Grund⸗ lage in einer Ausererzirung der ganzen Volkemasse bestand und von den hierdurch gleichzeitig entstehenden Linien- Truppen und Va terlands-Reserven oder Provinzial-, auch Ehren Legionen genannt, die letzteren keinesweges nach den zu jener Zeit kursirenden Ideen nur in ihren Provinzen, sondern auch außerhalb derselben, ohne Unter⸗ schied, gebraucht werden sollten, weshalb namentlich (im Sinn der heutigen freiwilligen Vereine vieler Kreise) von einer Vermögens⸗ Assekuranz für die zurückbleibenden Familien dieser Reserven die Rede ist. Uebrigens werden gleichzeitig von. dem Major von Knesebeck noch Mittel zur Erweckung des Patriotismus und die gänzliche Abschaf⸗ fung der bisherigen entehrenden Strafen vorgeschlagen, welche Ge⸗ genstände natürlich für die Ausführbarkeit des vorgeschlagenen Systems von keiner geringen Bedeutung waren.

Der Bericht der Kommission vom 5. August 1863 geht auf, den Vorschlag Rüchel's vollständig ein und hat in Hinsicht auf den Kne⸗ sebeckschen Entwurf fast etwas Komisches, wenn man das Erstaunen durchblicken sieht, mit welchem Ideen solcher Art damals aufgenom⸗ men wurden. Liest man aber die Worte: „wie es der Kommission ganz unbegreiflich erscheint, daß Jemand einer siegreichen Armee, die so lange für ganz Europa ein unerreichtes Muster gewesen ist und bleiben wird, eine totale Veränderung ihrer Verfassung zumuthen kann, welche sie zu einer bloßen Land⸗ Miliz reduziren würde“, so verwandelt sich der Eindruck allerdings in einen tragischen, wenn man bedenkt, daß diese gepriesene Verfassung der Armee schon so kurze Zeit darauf ihren begründeten Ruhm zu Grabe trug.

Der König verfügte hierauf noch in demselben Jahr, am 27. Der zember, die Ausarbeitung des Projekts zur Errichtung, von 50, 900 Vandmilizen und gab selbst die Fundamente dazu au; bei welcher Ge⸗ legenheit mündliche Aeußerungen Allerhöchstdesselben wiederholt auf die Hessen-Kasselschen Milizen der Ferdinandschen Armee im sieben⸗ jährigen Kriege hingewiesen haben sollen. Im September 1804 scheint darauf der ven der Kommission bearbeitete Plan, in, welchem diese Milizen National⸗-Truppen genannt werden, und die Einrichtun- gen der Tandregimenter im siebenjährigen Kriege gründlich berück⸗

menter bei der Armee, welche nur bei entstehendem Kriege zusammenkom⸗ men. Stabs- und andere Offiziers, auch Unterofsiziers und Tambours, erhalten das halbe Traltament; die Gemeinen aber nichts, weil die se nicht eher, als bis sie nöthig sind, von den Landständen geliesert werden. Bei diesen Regimentern erhalten die im Dienste alt gewordenen Offiziers und Unteroffizlers (welche letztere als Offiziers unter sie gesetzt werden) eine Art von Versorgung.“ 6. ; Hierauf ist aber nut das berlin'sche und königsberg'sche Landregiment mit ihren Offer Corps und den feit 17290 und 1739 auf eingnder solgen⸗ den 34 noch aufgeführt. In einer vorliegenden Stamm-Liste von 1796 geschleht endlich der Landregimenter überhaupt nicht mehr Erwähnung. Rach manchen in bezüglichen Akten enthaltenen Andeutungen zu schlie⸗ ßen, ist jedoch zu vermuthen, daß eine eigentliche Auflösung der in Rede ehenden Regimenter bis zum Jahre 1800 nicht stattgefunden hat, sond ern

nicht wieder besetzt worden sind.

sichtigt wurden, eingereicht worden zu sein. Am 17. August 18035 erfolgte endlich die Königliche Bestätigung dieses Planes zur Errich⸗ tung von Laud-Neserve⸗- Truppen in der Stärke von 78 Ba— taillonen à 658 Mann.

Indessen wußte das General-Direktorium die Ausführung dieser Entwürfe durch allerlei Bedenken und Hindernisse so zu hintertreiben daß im Juli 1806 die ganze Angelegenheit dem Könige noch einmal vorgelegt werden mußte und nun erst im September 1806 durch einen neuen Spezialbefehl, wenigstens bis zur Eimittelung der für diese Land⸗Reserve⸗ Truppen geeigneten pensionirten Offiziere, ge—= dieh. Der traurige Ausgang des Krieges schnitt aber endlich auch die Verfolgung dieses Plans ab, obwohl noch vom November und Dezember 1866 aus Ostpreußen und Litthauen Beweise der Thätigkeit für denselben vorliegen, so daß sich fast ein Zusammen⸗ hang mit der in jener Zeit stattgefundenen Errichtung der Reserve⸗ Bataillone vermuthen läßt.

Wenn im Vorhergehenden über die Zeit vom Tode Friedrichs d. Gr. bis zum Jahre 1806 bisher nicht bekannte Verhältnisse, in Beziehung auf die Miliz⸗-Organisationen, aufgeklärt sein dürften, so ist hingegen über die fernere Entwickelung dieser Institution von 1806 bis zum Jahre 1815 insbesondere, auf die bereits im Militair⸗ Wochenblatt mitgetheilten Resultate der Untersuchungen über diesen Gegenstand zu verweisen.

Unter denselben tritt zunächst das Memoire des General Scharn— horst vom 31sten Juli 1807 *), ferner der Königliche Befehl zur Bilbung einer Reserve-Armee vom Iten Oktober desselben Jahres, endlich aber der mit demselben im Zusammenhange stehende: läufige Entwurf der Verfassung der Provinzial⸗Truppen“ von Scharn= horst aus dem Anfang des Jahres 1808 **), auf den sich Kaiser Alexander in der an den Minister v. Stein im Jahre 1813 ertheilten Vollmacht, und später auch General Nork, als auf einen von r. Majestät dem Könige genehmigten Entwurf, ausdrücklich bezogen **), hervor. 3 In dem erwähnten Memoire finden sich folgende Stellen:

„Sie (die Miliz) kann zu zwei Zwecken dienen:;

1) die Ruhe des Landes zu erhalten, die Polizei zu unterstützen, bas Land gegen die Plünderungen, der Marodeure zu decken, und feindliche Streifereien zu verhindern;

2) das Land in Verbindung mit regelmäßigen Truppen zu ver- theidigen,“

und am Schluß:

3) „Würde diese Miliz, wenn günstige Umstände zur Verthei⸗ digung des Landes eintreten sollten, ohne Aufsehen sehr bald vermehrt werden, und mit den stehenden Truppen dienen können. Sie würde zur Vertheidigung der Flüsse, Posten, und im durchschnittenen Terrain, in Verbindung mit Linien⸗Truppen, verwendet werden, und bald den Dienst guter leichter Truppen leisten.“ .

Sowohl diese aus dem Memoire citirten Stellen, als auch der ganze Inhalt des „Vorläufigen Entwurfs 2c.“ bekunden inestheils genügend, daß in der Ansicht liber die Verwendung der Milizen (ab- gesehen von dem Knesebeckschen Plan) insofern ein mit den höheren Anforderungen der Zeit übereinstimmender Umschwung eingetreten war, als die bisher vorwiegend erschienenen Polizei- und Landsturm= zwecke nicht mehr im Vorbergrunde standen, sondern einer Bestim⸗ mung für die Landesvertheidigung, im Verein mit den Linien. Trup⸗ pen, Platz gemacht hatten. Anderntheils verläugnet sich aber der

Ursprung und Zusammenhang mit den früheren Entwürfen und Ideen

vor deim' Kriege, sogar bis auf die Namen Reserve⸗Armee, Priovin⸗ zial⸗Truppen zc. herunter, welche letzteren auch wohl National- Trup⸗ pen oder Landwehr genannt werden, keinesweges, und es erklärt sich dies unter anderen schon aus dem großen persönlichen Einfluß, den Se. Majestät der König Selbst auf alle Entwürfe und Organisatio— nen dieser Art in Seinem Staat ausübte, worüber der militairische Nachlaß Allerhöchstdesselben, wenn es nicht sonst bekannt wäre, die augenscheinlichsten Beweise giebt. . . ä

Inwiefern sowohl die Ausführung der so eben erörterten Scharn⸗ horstschen Landwehr⸗-Entwürfe, als auch sogar die spätere Absicht einer ausgedehnteren Entwickelung der Bürgergarden und Schütz en⸗ gilden au dem in jener Zeit auf der Selbstständigkeit des Vater⸗ landes schwer lastenden französischen Druck scheiterten, und nur die Ausbildung des Krümper-Systems der vollen Erkenntuiß des Feindes entging, ist anderweitig zur öffentlichen Kunde, gebracht worden ***). Daß Scharnhorst dessenungeachtet seine Pläne und Entwürfe nicht aufgab, und auch sein damaliger Adjutant, Major 8. Clausewitz, sich mit denselben weiter beschäftigte, geht sowohl aus den eigenen Mit⸗ theilungen des letzteren, als auch aus der Untersuchung gegen C. M. Arndt hervor, in der ein solcher, mit den Bemerkungen Seiller Majestät des Königs begleiteter, Volks⸗Bewaffnungs⸗Entwurf von Clausewitz, bekanntlich eine Hauptrolle spielte *).

Versetzen wir uns nun in die Zeit am Anfange des Jahres 1813 nach Königsberg, als Minister v. Stein daselbst erschien, die Stände zusammentraten, und eine Errichtung von 20009 Landwehren und 10000 Reserven zwischen der Weichsel und Memel beschlossen wurde, so finden wir neben Stein auch den Oberstlieutenant Clausewitz bei der Entstehung der Königsberger „Festsetzungen zur Errichtung der Ostpreußischen Landwehr“ vom 7. Februar *) thätig, indem er, in Folge einer Aufforderung Steins, dem. Minister Gr. Dohna, Prä⸗ sidenten der Stände⸗Versammlung, einen Entwurf **) einreichte, dem als nachherige militairische Grundlage der genannten „Festsetzungen ein sehr bedeutender Einfluß auf dieselben zugestanden werden muß.

Es waren aber sowohl Stein als Clausewitz alle früheren Ideen und Pläne Scharnhorsts und der Reorganisations⸗ NKommission genau bekannt ät), und es wurde sogar in der Steinschen Vollmacht auf dieselben hingewiesen, folglich läßt sich der historische Zusammenhang und, wenn man will, auch der vermittelte Einfluß Scharnhorsts, der sich durch Vergleichung mit den oben angeführten Stellen des Me⸗ moirs und mit 5§. 8. des „Vorläusigen Entwurfs“ deutlich kund giebt, schwerlich auf eine begründete Art vernejnen. Es ist hiebei aber natürlich von dem veränderten Standpunkt abzusehen, welchen der in jenen Schriftstücken nicht augenblicklich vorliegende Kriegszweck theilweis bedingte. ö

Der genannte, folgendergestalt lautende 8. 8.: .

„Die Provinzial- Truppen sind zur inneren Ruhe ,, un zur Defension des Landes gegen einen angreifenden Feind t estimmt. Bie verlassen nur dann ihge Provinz, wenn die

Deckung der Monarchie es erfordert. Sie werden, so⸗

) Militair⸗Wochenblatt 1816 Nr; 1. ̃ 3 mi n. ine . Wochenblatt für Januar bis Oltober 1846.

Seite 62.

***) eie. que kbarmement de la milice et de la population

Morganise d'après les plans sormès et approuves en 1808 par Sa Majestè le kai de Prusse dans le plus cuurt delai possible etc.“ än) Beiträge zun Kenntniß des Generals von Scharnhorst 2c. von

von Boven, S. 33 26. . d E. M. Arndt. Nothgedrungener Bericht aus seinem Leben zc.

hre Fonds nur anderweitig verwandt, und aus diesem Grunde die Chargen

5 Beihefte 1846, Seite J. **) Beihefte 1846, Seite 70. *) Beihefte 1846, Seite 62, 67, 68.

bald sie über einen Monat zusammengezogen sind, mit Brot und Fleisch verpflegt, und gleich den stehenden besoldet. Ihre Regi⸗ menter werden nach den Städten benannt, in denen sie sich zur Uebung versammeln.“ deutet sogar bereits die später so entscheidend gewordene Verwendung der Landwehr außerhalb der Provinz an. Ferner bestimmt s. 41. „Die Provinzial Truppen bestehen aus Infanterie und Kavallerie; die letztere beträgt höchstens die Hälfte der Brigade, welche ein gewisser Bezirk des Landes ausstellt.“ In diesen Hinsichten geht also der „Vorläufige Entwurf“ noch über die Königsberger „Festsetzungen“ hinaus, und steht allerdings den Königlichen, die Einrichtung der Landwehr in der ganzen Monarchie bestimmenden, „Verordnungen“ vom 17ten März *I, so nahe, daß schon hieraus allein ein unvermittelter Einfluß, nämlich derselbe Urheber, zu erkennen ist.

Ueber die vorher dargestellte indirekte Vermittelung zwischen den früheren Entwürfen und Königsberger „Fesisetzungen“ hinaus, ist den letzteren aber unstreitig eine vollkommene Selbsiständigkeit des Ursprungs nicht abzusprechen, und es bleibt dem Minister Gr. Dohna jedenfalls auch die praktisch durchgeführte, und den Landes verhält⸗ nissen entsprechende Bearbeitung des Clausewitzschen Entwurfs unge⸗ schmälert, so wie ihm theils als Präsidenten der Stände⸗Versamm⸗ lung, theils als Civil-Gouverneur das hohe Verdienst der wirk⸗ samsten Ausfiihrung der „Festsetzungen“ und Königlichen „Verord⸗ nungen in der. Aufstellung der Landwehr selbst zwischen der Weich sel und Memel, auf die Art zugerechnet werden muß, wie solches in unserem Beiheft von 1846 näher geschildert worden ist.

(Schluß folgt.)

wissenschaftliche und Üunst - Nachrichten. Königs städtisches Theater.

Italienische Opern ⸗—Vorstellung. Zum erstenmale: Roberto il diavolo. (Den 23. Februar.)

Die Aufführung von Meyerbeer's „Robert der Teufel“ auf unserer italsenischen Opernbühne war ein Ereigniß, dem alle Musik- freunde mit großer Spannung entgegensahen. Wir freuen uns, berichten zu können, daß das Werk (am Mittwoch) mit ausgezeichnetem Erfolge ge⸗ geben wurde und sowohl in der rein mustkalischen Burchführung, als auch hinsichtlich der äußeren Ausstattung durchaus befrledigte. Durch an—Q sehnliche Verstärkung des Orchesters und Chors, so wie durch neue Deco— rationen, geschmackvolle Kostüme u. s. w., ist in der That alles Mögliche peschehen, den Anforderungen des verwöhnten Publikums nach allen Seiten hin nachzukommen. So bot z. B. die Lagerscene im ersten Akt ein höchst effektvolles, reiches und lebensvolles Tableau, und selbst die berühmte Non⸗ nenscene, im dritten Akt, die der Inseenirung der Oper wohl die meisten Schwierigkeiten in den Weg gelegt haben dürfte, gelangte durch das getiof= fene Arrangement zur glücklichen Wirkung, obgleich hier, unseres Bedünkens, eine Kürzung des pantomimischen Tanzes nicht am unrechten Orte wäre und noch günstigere Nesultate erzielen würde. Die Voꝛrstellung der Oper erfreute sich daher allgemeiner Anerkennung, um so mehr, als, wie schon erwähnt ward, auch die rein musikalische Durchführung höchst Gelungenes zu Tage förderte. Namentlich leistete Sgr, Pardini in der Titelrolle Vorzügliches. Der Sänger besitzt in seiner Gestalt und in seinem Organ Mittel, die ihn für Partieen, wie die in Rede stehende, vorzugsweise geeig- net erscheinen lassen. Er sang die Sicilienne des ersten Aktes mit hinrei⸗ ßender Kraft und Wirkung und bewährte sich mit nicht geringerem Glücke überall als geschickter Darsteller. Würdig zur Seite stand ihm Sgra. Fo⸗— dor als Alice. Die Daistellung des einfachen, liebedurchglühten Landmäd- chens sagt dem Naturell dieser Künstlerin trefflich zu, so daß die Rolle in den dramatischen Intentionen stets richtig und natürlich, wenn auch nicht überall in vollem Masse ausgeprägt, zur entschiedenen Geltung kam. Aus⸗— gezeichnete Momente lieferte die Scene, in welcher Alice ihren Geliebten erwartet, durch eine gewinnende Naivetät des Ausdrucks, während die Scene am Kreuz, Bertram gegenüber, eine dramatisch wirksamere Steigerung bis zu dem Augenblick, wo sich Alice angstvoll ans Kreuz klammert, zugelassen hätte. Auch Sgra. Scotta, als Isabella, löste ihre Aufgabe mieist ge⸗ nügend, obschon ihre Stimme, besonders beim ersten Auftreten, belegt klang und die Ausführung des kolorirten Theils der Partie, so wie die Intona⸗ tion, mitunter zu wünschen ließ. Die bekannte „Gnaden-A1rie“ fang sie mit Ausdruck und schwungvoller Steigerung gegen den Schluß, überhaupt an— erkennungswerth und beifällig. Leider wurde nur der Eindruck des Musik⸗ stückes durch die zu tiefe Stimmung der begleitenden Harfe in einer für mu⸗ sikalische Ohren auffälligen Weise beeinträchtigt, ein Uebelstand, dem künf- tig zu begegnen wäre. Die schwierigste Aufgabe hatte Sgr. Luisia zu bewältigen, dem die Partie des Bertram zugefallen war. Wir dürfen jedoch auch hier Anerkennung zollen, insofern der Sänger, so weit seine klangvolle Stimme in der Tiefe ausreichte, den musilalischen Anforderungen wohl ge⸗ nügte. Eine mehr diabolische Färbung des Charakters durch Maste und Darstellung wäre dagegen zu erzielen. Die untergeordnete Rolle des Raim— baut wurde von Sgr. Labocetta gelungen repräsentirt. Chor und Or— chester wirkten ebenfalls erfolgreich und mit sichtlichem Eifer, so daß die Vorstellung des effektreichen Werkes reichen Genuß gewãhrte und als eine der ausgezeichnetsten und glänzendsten dieser Saison bezeichnet werden darf

2.

Sechste Qnartett⸗Soiree. Matinée musicale.

Daß wir auf dem Zeitpunkt angelangt sind, wo der Geschmack in der Musik eine Wendung zu nehmen und eine edlere Richtung einzuschlagen im Begriff ist, als er in der süngstverflossenen, fast ausschließlich vom leidigen Virtuose nthum beherischten Periode verfolgt hat, steht außer Zweifel Faltischen Beleg dafür liefert die sich deutlich fündgebende (durch liebersat ligung hervorgerusene) Antipathie des Publitunis gegen Virtuosen⸗-Produc—= tionen, dessen kräftig erwachender Sinn für gehaltvollere Musik endlich der wahrhaft rühmliche Eifer, mit welchem sich unsere produktive Künstlerwelt nunmehr wieder der Pflege gediegener Kunstformen zuzuwenden beginnt Letzteren Punkt angehend, so verbürgt sich die Wahrheit dieser Thatsache am schlagendsten dadurch, daß unsere kritische Thätigkeit in jüngster Zeit durch eine nicht unbedeutenze Anzahl von neuen Kammerwerken, die in den diesen ernsteren Musikgattungen gewidmeten Soireen zur Ausführun kamen, herausgefordert wurde und auch heute wieder in Folge der . rung mehrerer derartiger Tompositionen beansprucht wird. Möge nur dies in höchst erfreulicher Weise Platz greifende, wahrhaftige Kunststreben unse⸗= rer Musiker noch immer kraͤstigere Unterstützung durch stete Veröffent- lichung ihrer Productionen finden, eine Forderung der Zeit, die Niemand außer Acht lassen darf, der nicht den Vorwurf auf sich laden will, der Entwickelung der Kunst und der Förderung ihrer Interessen über⸗ haupt hemmend in den Weg getreten zu sein. Doch, kom⸗ men wir zu den neuen Kammerwerken, die uns heute zunächst Anlaß ga—⸗ ben, die Feder zu ergreifen!

Vorerst gedenken wir eines Streich-Quartetts unseres verdienstvollen Tau bert (in Emnioll), womit die s ech ste Quartett⸗- Soiree der Her⸗ ren Zimmermann und Genessen (am Montag, den 21 sten) tröffnet wurde. Bereits im vorigen Winter mit allgemeinem Interesse zu Gehör gebracht, erfreute sich die höchst gelungene Arbeit auch diesmal wie zu n , and allseitiger und ausgezeichneter Theilnahme. Phantasie a ingtiensgeschic treten überall aus dem Werke entgegen und ge⸗ 6 n, gg, gn. desselben eben so reich als anziehend. Obgleich das . ö . em der Komponist, (bewußt oder unbewußt) nachgestrebt hat,

erkennen ist, bewahrt die Arbeit dennoch volle Caffe e,

533

indem sie sich durch eigenthümliche Haltung vor vielen ähnlichen in neuester Zeit der Seffentlichteik übergebenen Schöpfungen vortheilhaft auszeichnet Daß senes Vorbild indeß auch zu Verirrungen Anlaß gegeben, haben wir schon in unserer früheren Beurtheilung dargethan. Als solche bezeichnen wir eine zu breite Ausspinnung der einzelnen Sätze überhaupt, vornehmlich aber alles das in dem Quartette, was dazu dient, die Sc lusse weiter wbinauszuschieben, wozu wir die plötzlich eintretenden Pausen, die ganz neuen Antnüpfungssaͤtze, z. B. im ersten Satze, rechnen. Das Finale hai ubrigens wenn wir nicht irren, eine Kürzung erfahren, die für die Wirkung deffelben von Vortheil ist. Abgefehen von diesen nur Einzelnes treffenden Austellungen, wird jedoch überall die kiefste Einsicht und die edelste gunstrichtung in dem Werke bemerklich. Es bildet, mit einem Worte, ein schönes, schwung volles Dan⸗ zes, das in allen Sätzen durch gründliche und geschickte Verarbeimng in⸗ teressant erfundener Themen den Hörer in steter Spannung zu erhalten und einen höchst befriedigenden und erwärmenden Total-⸗Eindruck zu erzeugen nicht umhin kann. Einer der gelungensten Sätze ist das Scherzo. Obwohl sich der Humor darin durch ein ziemlich mäßiges Tempo von etwas bequemer Natur gestaltet, fesselt es nichtsdestoweniger in hohem Grade durch seine ungemein originelle Färbung. Doch auch der erste Satz ist in seinen cha ralteristisch erfundenen und geistvoll verarbeiteten Motisen von fesselndem Inhalt, während das melodisch und harmonisch reizvolle Adagio, troß seiner Länge, ebenfalls bedeutendes Interesse einflößt und das Finale durch äußerst sorgsame Ausarbeitung den lebendigsten Antheil des Hörers beansprucht. Daß die treffliche Tondichtung, in vorzüglicher Meisterschaft ausgeführt, allen Anwesenden entsprechenden Genuß gewährte und einstimmige Anerken⸗ nung fand, bedarf, nach dem Gesagten, kaum der Erwähnung. Den übrigen Theil des Abends füllten ein Piano-Quintett von Hummel und ein Streich-Quintett von Mozart (in Geurgli. Die anderen neuen Kammerwerke, deren wir oben gedachten, ka—⸗ men in einer Tages zuvor (Sonntag, den 20sten) in dem Salon des Hof⸗Musithändlers Herrn Bock von Herrn Konzertmeister Ries veranstal= seten Matinde zur Ausführung. Ein Kreis von geladenen Musikverständi= gen und Musikfreunden darunter der kunstbeflissene Graf von West⸗ morland wohnte der musikalischen Unterhaltung bei. Drei Streich- Quartette, zwei von H. Ries und eines von Pape, gelangten zum Vor- trag. Das zuerst vorgeführte von Ries in D moll ist übrigens schon in einer diesjährigen Zimmerman nschen Soiree vorgetragen und zur Zeit in diesen Blättern besprochen worden. Vorzugsweise der Schule äl⸗ terer Meister (Mozart u. A.) huldigend, zeichnet sich das Werk durch einen soliden Styl, durch Klarheit und geschickten Organismus aus. Aehnliches läßt sich über das diesmal zu Gehbr gebrachte Quartett aus E du sagen, das namentlich in dem melodischen und ausdrucksvollen Adagio einen sehr gelungenen Satz zu Tage förderte und eben sowohl wie die erste Arbeit den Beifall der Anwesenden fand. Zwischen diesen beiden Ries schen Compositionen wurde das vorhin erwähnte Quartett von Pape aus C- moll erelutirt. Der Komponist desselben (Musik-⸗Direktor aus Lü- beck) bethätigt sich in dieser Arbeit als einen Musiker, der mit künstleri⸗ scher Einsicht in das Wesen dieser Kunstsormen zwar nicht Erfindungsgabe genug verbindet, um Hervorragendes zu schaffen, der aber dennoch recht Schätzenswerthes zu leisten befähigt erscheint. So interessirte z. B. das Scherzo in dem Quartette nicht minder durch abgerundete Form als der geschickten Durchführung des Haupt-Motivs wegen, wogegen uns die übri= gen Sätze weniger gelungen schienen und jedenfalls durch gedrängtere Form und weniger zerstreuten Inhalt gewonnen hätten. Sämmtliche P'lecen wur- den durch die Herren Ries (Vater und Sohn), Richter und Espen— hahn zu Dank ausgeführt, so daß die Matinse ein mannichfaches künstle- risches Interesse zu gewähren nicht verfehlte. .

Wissenschaftlicher Kun st⸗Verein.

Berlin. In der Versammlung des wissenschaftlichen Kun 6 Vereins am 14ten d. war die Tafel mit einer reichen Aufstellung von Bildwerken geschmückt, welche der Verein einer gefälligen Zusendung des Herrn Ferd. Gropius aus den Schätzen des Vazars im Diorama ver⸗ dankte. Funßzehn Statuetten österreichischer Helden standen in glänzendem Metall da, geführt von Maximilian J. in vollem Kaiser⸗Ornat; eine beson⸗ dere Aufmerksamkeit fanden für den Historiker sowohl, wie für den Künstler: Ritter Georg von Freundsberg, Herzog Albrecht von Friedland, Prinz Eugen von Savoyen, die Feldmarschälle Daün und Laudon, der Erzherzog Karl und Fürst Schwarzenberg. Die Modelle sind von Alexy, einem ungen, ta⸗

lentvollen Bildhauer aus Ungarn, der Guß von Butschet, die Ciselirung von Sauter gemacht, und zwar nicht für den öffentlichen Handel oder auf Be⸗ stellung der Regierung, sondern für den Baron von Hügel, welcher sie nach Berlin schickte, um den genannten Künstlern Gelegenheit zu einer öffentlichen Aner= kennung in der Hauptstadt Nord-Deutschlands zu verschaffen, wie ihnen die⸗ selbe bereits in der Hauptstadt Süd-⸗Deutschlands zu Theil geworden ist. Zwei moderne Gruppen der Leda mit dem Schwan, aus Werslstätten pa⸗ riser Künstler hervorgegangen, gaben Veranlassung zu einer Vergleichung dieser Arbeiten mit der Auffassung derselben Scene von der anti e Kunst, wobei als charatteristisch hervorgehoben wurde, daß die heidnische Kunst das Moment der Sinnlichkeit dem der schönen Form untergeordnet oder in das Thierreich, wie bei den Faunen und Satyrn, verwiesen habe, während die christliche Kunst (Correggio, Giulio Romano), und zumal die moderne pa- riser Kunst, die Sinnlichkeit in den Vordergrund stelle. Von Mens und Fratin waren vorzüglich schöne Thiergruppen, darunter Löwen, Krokodille Heyer und andere afrilanische Bestien, mit denen sich die französische Kunst in neuester Zeit besonders familiair gemacht hat, aufgestellt. Diesen Thier-Künstlern muß der große Vorzug zuerkannt werden, daß sie die ersten und vielleicht einzigen ihrer Landsleute sind, welche zur Wahrßeit der Natur zurückgekehrt sind. Un⸗ ser Landsmann, der Ciseleur Netto (aus dem reußischen Voigtlande) wel⸗ cher in Straßburg und Paris seine Studien gemacht, und von dem wir auf hiesigen Kunstausstellungen bereits kunstvolle getriebene Silberarbeiten sahen

zeigte eine so eben von ihm vollendete Tasse vor, welche als ein Meister⸗ stück einer fast verloren geglaubten Kunst allgemeine Bewunderung erregte

Der Kunsthändler Eichler legte den Abguß einer in der Sammlung des Herrn Benoni Friedländer befindlichen, historisch sowohl, als künstlerisch in⸗ teressanten Medaille vor, mit dem Bildnisse der berüchtigten und berühm⸗ ten fürstlichen Giftmischerin Lucrezia Borgia von Este, Herzogin von Fer— rara. Das Köpfchen im Profil mit dem lang herabwallenden schönen Haar täuscht auf den ersten Blick durch den Ausdruck kindlicher unschuld; bei nä⸗ herer Bekanntschaft aber erkennt man die Züge der Verschlagenheit, Bosheit und frechen Sicherheit, Mit diesen Eigenschaften im Widerspruch aber gewiß nicht ohne sonstige Beziehung, sehen wir auf der Rückseite einen gefesselten Amor

neben ihm zerbrochene Waffen und zerbrochene musikalische Instrumente und darum die Inschrift: „Virtuti ac formar pudicitia pracc tos ssimum Prof. Zahn legte mehrere Vlätter der nenen dritten Folge seines Werkes „Pompeji, Herkulanum und Stabige“ vor, dessen erstes Heft nächstens im Verlage bei Dietrich Reimer erscheinen wird. 1) Einen Abdruck der ersten Platte der schönen Galatea, auf einem Triton sitzend, von Nereiden und Amorinen umgeben, eines der vollkommensten pompejanischen Wandgemälde aus der Casa dei Capitelli colorati, welches hier in der ganzen Farben- pracht des Originals erscheinen wird. 2) und 3) Zwei ohe Wände mit schwarzen Lamberien, mit Säulen, Kandelabern, Gieifen, Schwänen, Pe- gasus und anderen Thieren, nebst sehr geschmackvollen Ornamenten aus der Hasa delle Danzatrici zu Pompesi. 4) Zwei bemalte Säulen mit bemal⸗ tem Gebälke, nebst dreireich bemalten Stuchgesimsen aus einigen der in den letzten Jahren zu Pompeji ausgegrabenen Häuser, für das Bemalen antiker Archi⸗ tektur von größtem Interesse, da hier beim Ausgraben die Farben noch ganz frisch erhalten waren. Die grelle Zusammenstellung von roth und blau zeugt für einen geringen Farbensinn des antiken Künstlers; leider fin= den wir in dem restaurirten kölner Dome dieselben Mißtöne. 3) Eine ge— malte höchst geschmackvolle Wand-⸗Decoration mit zwei Cariatiden⸗Figuren im altgriechischen Stil, aus der Cassa dell' Ancora zu Pompeji. 6) Ein sehr geschmackvoller Mosaik⸗Fußboden aus Pompeji, hier mit allen Details der kleinsten Marmorstiftchen angegeben, so daß danach die wirkliche Aus—⸗ führung in Originalgröße zur praktischen Anwendung leicht möglich ist. Sodann berichtete Herr Zahn, daß viele der ausgezeichnetsten Wandgemälde

vorzüglich aus Pompeji, bereits zum Farbendruck bearbeitet werden, so daß dies neue Wert, welches an Pracht und technischer Ausführung den beiden ersten nicht nachstehen und ebenfalls in 40 Heften bestehen soll, ununter-

brochen seinen Fortgang haben wird. ẽ. F.

J Für Oberschlesien. 856

Der hochherzige Sinn, mit dem die edlen, im Wohlthun unermüdlichen Bewohner der Residenz stets vorleuchtend als ein schönes Vorbild den mild- thätigen Frauen und Männern des gesammten Vaterlandes, den Hülferuf und die Bitten für die Tausende namenlos leidender Landsleute in Ober- schlesien aufgenommen und erhört haben, findet auch in Folge unseres ver trauenden Aufrufs vom 10ten d. M,. bereits seine wahrhaft erhebende Be⸗ währung. Um den Anfragen und Zweifeln über die Beförderung der mil den Gaben opfernder Liebe zu begegnen, bemerken wir, daß das hochpreis- liche Königl. General⸗Post⸗ Amt für alle Hersendungen zu unserem Zwecke hochgeneigt die Portofreih eit bewilligt hat, daß aber auch außer von uns Allen in Berlin selbst jede, auch die kleinste, zum Ver- losen in unserer Lotterie oder zum Gebrauch der Nothleiden⸗ den bestimmte Gabe angenommen wird von: Frau Prediger Bachmann, Alte Jalobsstraße Nr. 113, Frau Reg. Räthin Bauer, Hirschelstraße Nr. 28, Frl. v. Vis marks, gr. Friedrichstraße Nr. 18, Herr Kaufmann Busch, Schützen- straße Nr. 4, Jil. Dierbach, Mohrenstraße Nr. 31, Frau Rechn. Näthin Minzlaf, Schüßenstraße Nr 2, Frau v. Knobelsdorff, Behrenstraße Nr. 45, Herr Kaufmann Petersen, Schloßplatz Nr. 12. . Möchten die verehrten Bewohner der Residenz, vor Allen die mildthä⸗ tigen Frauen und Jungfrauen, durch Werke ihres segensreichen Fleißes oder durch Entäußerung, überflüssiger Kleinigkeiten zur gen, oder durch Gegenstände zum Bebrauch der Kranken und Leidenden, oder endlich durch milde Geldbeiträge unser Vorhaben wohlthuend unterstůtzen und Trost und schleunige Hülfe spenden.

Oppeln, den 22. Februar 1848.

Bauer, Brieger, Cir ves, Negierungs - Rath. Landes -⸗Aeltester. Ober Landesgerichts Assessor. Ewald, Gerasch, Guradze, Hoffmann,

Ober⸗Regierungs-⸗Rath. Regierungs⸗Bau⸗-Rath. auf Norock. Landrath.

von Kunow, Maron, Graf Pückler,

Regierungs- Nath. Ober - Foistmeister. Regierungs · Präsident. Se ib, Witzenhusen, Ober / Landesgerichts Assessor. Justiz Kommissarius.

Oesterreichische Eisenbahnen.

. österreichische Eisenbahnnetz umfaßte am Schlusse des Jahres 1817 165 Meilen, von welchen 1013 Meilen Privatbahnen mit einem Anlage⸗Kapitale von 36, 333,663 Fl. oder 25, 335, 564 preuß. Rthlrr, gehörig drei Gesellschaften außer der 7 Meilen langen Bahn von Prag nach Lahen, welche der Fürst Karl Egon zu Fürstenberg angekauft hat, und 64 Meilen Staatsbahnen mit einem Anlage= Kapitale von 39,880, 7135 Fl. oder 27, 416, 500 preuß. Rthlr.; mithin Gesammt-⸗ Kapital 90, 500,192 Fl. oder 63, 350, 064 preuß. Rthlr.

Die Bewegungen auf den verschiedenen Bahnen im Jahre 1847, gegenüber den früheren Jahren, waren folgende:

XB. Kaiser Ferdinands Nordbahn.

Dieselbe wurde eröffnet am 6. Januar 1838 von Wien nach

Wagram 23 Meile, am 16. April desselben Jahres von Wagram nach Gänserndorf 15 Meile, am 9. Mai 1839 von Der ere bis Dürnkrut 3 Meilen, am 6. Juni desselben Jahres von Dürnkrut bis Lundenburg 4 Meilen, am 7. Juli desselben Jahres von Lunden⸗ burg bis Brünn 9 Meilen, am 1. Mai 1841 von Lundenburg bis Hadrisch 8 Meilen, am 26. Juni 1841 von Floridsdorf bis Stockerau 3 Meilen, am 1. September desselben Jahres von Hadrisch nach Prerau 6 Meilen und am 17. Septeniber von Prerau nach Qlmütz 3 Meilen, am 15. August 1842 von Prerau nach Leipnick ? Meilen, zusammen 12 Meilen. Am 4. Mai 1847 wurde die Strecke von Leipnick nach Oderberg, 10 Meilen lang, zum Anschluß an die preußische Bahn Kosel⸗Oderberg eröffnet. Die Frequenz und Einnahme für diese Strecke von der Eröffnung bis ult. Dezember 1847 ist in nach⸗ stehender Uebersicht nicht mit beigerechnet, da die Einnahmen für diesen Zeitraum dem Baukonto gut geschrieben wurden und auch nicht be⸗ kannt geworden sind.

Vie aus Vorstehendem hervorgeht, ist diese Bahn bereits seit 19 Jahren, wenn auch in den ersten fünf Jahren nur theilweise, im Betrieb. Die Frequenz und Einnahmen seit Eröffnung bis ult. Dezember gestalteten sich folgendermaßen: Im Jahre 1838 wurden befördert 190, 642 Personen für 84,565 Fl. 6 Kr. Einnahme; im Jahre, 1839 befördert 273,055 Personen und Einnahme dafür 267277 Fl. 9 Kr., und Einnahme für Güter, welche in den letzten fünf Monaten befördert wurden, 19,603 Fl. 40 Kr., zusammen 236, 80 Fl. 49 Kr.; im Jahre 1840 befördert 225, 18 Personen für 107,454 Fl. 45 Kr. und 534,237 Ctr. Güter für 214,784 Fl. 45. Kr., zusammen 622,239 Fl. 33 Kr.; im Jahre 1841 befördert 393,171 Personen für 546,312 Fl. 33 Kr. und 1,032,846 Ctr. Güter für 341.076 Fl. 42 Kr; zusammen 887,389 Fl. 15 Kr.; im Jahre 1342 befördert 622, 665 Personen für 755,ů170 Fl. und 1,486,594 Ctr. Güter ür 50 1,000 Fl. 30 Kr., zusammen 1,256,179 Fl. 30 Kr.; im Jahre 1843, von wo ab ein ununterbrochener Betrieb auf der Strecke von 42 Meilen im ganzen Jahre stattfand, befördert b l, 220 Personen für 832,346 Fl. 44 Kr. und 1,800,419 Ctr. Güter für 706,524 Fl. 44 Kr., zusammen 1,639,971 Jl. 28 Kr., oder durchschnittlich pro Monat und Meile 1312 Personen, 3572 Ctr. Güter und Einnahme 3053 Fl. 42 Kr.; im Jahre 1844 befördert bd, 907 Personen für 871,702 Fl. 44 Kr. und 2,027,718 Ctr. Güter für 793,016 Fl. 37 Kr., zusammen 14 664,719 Fl. 21 Kr. oder durchschnittlich pro Monat und Meile 1327 Personen, 4,023 ECtr Güter und Einnahme 3,303 Fl.; im Jahre 1845 befördert 659, 247 Personen für 995, 8.3 Jl. 17 Kr. und 2186,ü833 Ctr. Güter für 19. 52] Fl. 22 Kr., zusammen 1,913,374 Fl. 39 Kr., oder durch- schnittlich pro Monat, und Meile 1,308 Personen, 4,339 Ctr. Güter und Einnahme 4,034 Fl. 28 Kr.; im Jahre 1846 befördert 704,292 Persenen für 1,223, 9069 Fl. 57 Kr. und 3,194,438 Ctr. Güter für 1,456,748 Fl. 13 Kr., zusammen 2,679,818 Fl. 10 Kr. oder durchschnittlich pr Monat, und Meile 1,397 Personen, 6,338 Ctr. Güter und Einnahme 5,317 Il. 6 Kr.; im Jahre 1817 befördert 702,692 Personen für 1,233,718 Fl. 33 Kr. und 33585, 199 ir. Güler für dz, h? Fl. 46 Kr., zufammen 2577. 621 Fi. 13 Kr., oder durchschnittlich pro Monat und Meile 1,394 Personen 7, 113 Ctr. Güter und Einnahme 55,709 Fl. 34 Kr. Hieraus folgt, daß die Personenzahl pro Monat und Meile in diesen fünf Jahren verschiedenen Wechselungen unterworfen war, der Güterverkehr und somit auch die Einnahme von Jahr zu Jahr aber eine bedeutende Zunahme zeigen. Tas Jahr 1816 zeigte die größte und das Jahr 15845 die geringste Anzahl der beförderten Persongn; dagegen stieg die Zahl der beförderten Güter von Centner: 3572 im Jahre 166 auf Lentner: 7il3 im Jahre 1817, d. h. eine Mehrzahl der be oör⸗ derten Güter pro Monat und Meile von 3541 Ctr.; die Einnahme im Jahre 1817 gegen die im Jahre 1843 ergab mehr 2,55 Fl. 52 Kr. pro Monat und Meile.

B. Wien-Gloggnitz, Wien⸗-Bruck und Zweigbahn von Wr. Neustadt nach Oedenburg. Die Wien-Gloggnitzer Eisenbahn ist bereits seit dem Jahre 1843 5 Jahren in ihrer ganzen Länge von 109 Meilen im Betrieb, und es gestalteten sich in diesem Zeitraum die Bewegungen auf der- selben folgendermaßen: Im Jahre 1843 wurden befördert 1179, 245 Personen für Ged. 848 Fl. 19 Kr. und 1,2943220 Ctr. Güter für 176,968 Fi. 49 Kr., Gesammt-⸗Einnahme incl. der Neben⸗Einnahmen S585, 3614 Fl. 11 Kr., oder durchschnittlich pro Monat und Meile J 359 Perfonen, R,.557 Ctr. Güter und Einnahme 6,788 Fl. 36 Kr;

) Beiheste 1846, Seite 77.

im Jahre 1844 wurden befördert 1057, 636 Personen für 641, 285 Fl.