1848 / 59 p. 4 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

. Honoré zu errichten, welcher zwischen der Friedens- * Rirche Er. Roch liegt. Zu der einen bediente man sich eines umgestürzten Steinwagene, und die Steine gebrauchte man theils als Waffen, theils zertrümmerte man damit die Fenster der Nachbarhäuser. Auch in den angränzenden Straßen wurden Barri⸗ faden errichtet. Oberst Bilfeldt, Befehlshaber im Tuilerieen-Palaste, zog mit zwei Compagnieen aus und zerstreute die Ruhestörer. Ein Sleinwurf, der ihn auf der Brust traf, hinderte ihn nicht an Fort- setzung seines Marsches. Uebrigens wurden alle diese Barrikaden ohne Schwertstreich genommen. Kaum war eine solche errichtet, als die Truppen ankamen und sich der Stellung, bemächtigten. Der Verkehr war an den gedachten Punkten, die der Haupt⸗ Schauplatz des Lärms waren, keinen Augenblick unterbrochen. Man hat mehrere Buden geplündert; einem Waffenschmied in der Straße St. Honor? wurden alle blanken Waffen geraubt. Nachdem sie die Eisenstangen der Gitter um die zwei vor⸗ genannten Kirchen loszureißen versucht hatten, was ihnen nur zum Theil gelang, wurden die Ruhestörer allmälig aus dem ganzen Vier⸗ tel, welches der ursprüngliche Schauplatz der Ruhestörungen war, ver⸗ draͤngt und flüchteten sich, von den Truppen verfolgt, in die entlege⸗ nen Viertel und nach dem Faubourg St. Antoine, wo sie neue Ex⸗ zesse zu begehen versuchten, indem sie die Laternen zertrümmerten, die Wagen umstürzten und die Läden einschlugen; nirgends aber setzten sie den Truppen Widerstand entgegen. Eine Bande zog vor die polytechnische Schule; einige Individuen schleuderten Steine gegen die Laternen, sie wurden aber durch die heranziehende Munizipalgarde schnell zerstreut. Eine andere Bande von 156 Köpfen zog über den Börsenplatz und die Boulevards nach dem Bastillenplatz, wo sie bald zerstreut wurde. Andere Meuterer zogen über die Quais und den Chateletplatz, wo sie zwei Läden zu plün⸗ dern suchten. Aehnliche Vorfälle erneuerten sich auf anderen Punk⸗ ten. Gestern Abend wurde eine am Ende der Straße de l'Arbre⸗ Sec gebildete Barrikade, hinter welcher sich eine ziemlich bedeutende Zu sammenrottung gebildet hatte, durch die National-Garde der 5ten Legion genommen. Man sagt, daß die gte Legion fast vollständig und bewaffnet unter dem Befehle ihres Obersten im Faubourg St. Antoine erschlenen ist. Ein Bataillon der National-Garde hat einen Theil des Abends auf dem Siegesplatz zugebracht, Der Caroussel⸗ platz ist voll Truppen, welche dort die ganze Nacht bivouakiren müssen. Der Herzog von Nemours ist zu Pferde gestiegen und in ihre Rei⸗ hen getreten. Einige Waffenläden sind geplündert worden; der des Waffenschmieds Lepäge wurde durch die öffentliche Gewalt beschützt. Um 9 Uhr Abends zogen etwa 50 Individuen in Blusen, meistens junge Leute von 15 bis 20 Jahren, unter Ge⸗ schrei und Absingung der Marseillaise, in das Schul-Viertel und plünderten nach Durchziehung der Straßen einen Waffenla⸗ den. Einige davon verließen die Reihen und liefen mit den geraub⸗ ten Flinten' davon. Eine halbe Stunde später begab sich die Bande nach der Seinestraße, wo sie ebenfalls einen Waffenladen erbrach, ihn aber leer fand. Patrouillen kamen herbei und jagten sie in die Flucht.

Um 94. Uhr war auf dieser Seite Alles ruhig. Man sagt, daß ein Posten, aus 12 Mann Vinientruppen bestehend, zu Batignolles über⸗ fallen und entwaffnet worden sei. Eben so heißt es, daß man auf mehrere Barrieren der Stadt Angriffe unternommen und sie in Brand zu stecken versucht habe. Die am Abend getroffenen militairischen

Anordnungen hatten den Ruhestörern jedes Mittel genammen, Die Unordnungen fortzusetzen, welche man nach den Begebnissen des Ta⸗ ges befürchten konnte. Um 12 Uhr Nachts waren alle Viertel, welche an die Straße St. Honor stoßen, das Palais Royal, die Hallen, die Stra⸗ ßen St. Denis, St. Martin, die Quais und Boulevards ruhig und verlassen. Blos bie Patrouillen zogen darin umher. Um 1953 Uhr errichteten einige mit

Pistolen versehene Individuen in Eil eine Barrikade in der Straße St. Denis und feuerten auf eine Patrouille. Eine unversehens an⸗ langende starke Abtheilung der Munizipalgarde schlug die Meuterer in bie Flucht, und Alles blieb dort ruhig. Wir haben bis jetzt noch nicht vernommen, daß Jemand getödtet oder verwundet wurde. In dem Viertel der Hallen nahm die Nationalgarde um 3 Uhr einige Verhaftungen vor. Die unter den Fleisch- und Zisch hallen, so wie in der großen Halle, bivouakirenden Posten und Pikets der Linie sind um 11 Uhr durch eine gleiche Zahl Jäger von Vincennes ven stärkt worden, welche gestern Abend um 10 Uhr anlangten. Alle bis jetzt eingegangenen Berichte melden einstimmig, daß Nie- mand, weder vom Militair noch von den Ruhestörern, an diesem traurigen Tage das Leben verloren hat. Nachsch rift vom 23. Februar Morgens: Heute Morgens, 10 Uhr, ist Alles ruhig in Paris, Die meisten Truppen haben sich in ihre Kasernen begeben. Einige Detachements Infanterie und Ka— vallerie bivouakiren auf dem Caroussel⸗- Platze, vor dem Tuilerieen-— Platze und auf den Haupt-Plätzen der Stadt. Nirgends gewahrt man Zusammenrottungen noch Gruppen, und Alles verkündet, daß die gestrigen Unordnungen sich nicht erneuern werden. Wir können unse— ren früheren Detalls noch hinzufügen, daß in der Nacht die Viertel St. Denis und St. Martin die Hauptpunkte des Widerstandes der Unruhestifter waren, die sich dort organisiren und festsetzen wollten. Vor Allem zwei Barrikaden, die eine mit Wagen, an der Ecke der Straße Grenetat, und die andere, aus Bau⸗Materialien gebildet, sind mit vieler Entschlossenheit vertheidigt worden. Die Munizipalgarde hat, nachdem sie einige Flintenschüsse mit denen gewechselt, die sie vertheidigten, dieselbe mit gefälltem Bajonett genommen. Sie hat auf die Barrikade selbst die Leiche eines Mannes niedergelegt, den man als einen polnischen Flüchtling erkannte, und man hat eine an⸗ dere Person derselben Nation verhastet, die mit einer Flinte und ei⸗ nem Säbel bewaffnet war. Die Unruhestifter haben bei einbrechender Nacht die Barriere von Monceur und Clichy in Brand gesteckt. Die Nationalgardisten von Batignolles sind sofort zusammengetreten, haben bie Unruhestifter angegriffen und deren einige zwanzig verhaftet.“

Der Constitutionnel berichtet unter Anderem: „Es herrschte unter den Massen keine recht lebhafte Erbitterung; die Estaffetten, welche Befehle zu befördern hatten, wurden nirgends beunruhigt. Wir sahen ganze Gruppen der Aufforderung einzelner Offiziere folgen und auseinandergehen. An mehreren Punkten griff die Munizipal-Garde an; die Menge zersteute sich meistens schnell, bei einem plötzlichen Angriffe wurden jedoch ein Dutzend Personen niedergeworfen. Eine sehr alte Dame wurde angeblich todt vom Pflaster aufgehoben und ein Arbeiter durch einen Säbelhieb am Halse verwundet. Aehnliche Auftritte begaben sich auf dem Madeleineplatze und, vor Guizot's Hotel. In den Elysäischen Feldern wurde um 25 Uhr ein Wacht— posten von 6 Mann durch eine Schaar von 100 Männern in Blou⸗ sen überrumpelt, welche das Wachthaus besetzten und anzuzünden versuchten, jedoch bald vertrieben wurden. Auf dem Bastilleplatze begab sich um 15 Uhr ein trauriger Auftritt; ein als verkleideter Stadt- Sergeant bezeichneter Mann wurde mit Stöcken furchtbar geprügelt und erhielt einen Messerstich in die Seite. Der nahe Wachtposten der Munizipal-Garde nahm sich seiner erst an, als er für lodt auf dem . lag; man hob ihn auf und brachte ihn in bas Wachthaug. Bei Errichtung der Barrikaden und Aufreißung des Pflasters waren besonders Knaben von 12 bis 16 Jahren thãätig. Am Marine⸗Ministerium wurde ein Theil des Gitters zertrümmert; hier traf ein vön auswärts in ein Büreauzimmer des Erdgeschosses geschleuderter Stein einen Artillerie- Obersten, der im Dienste dort war, mit solcher Gewalt, daß er zu Boden stürzte. In einem ent⸗

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fernteren Viertel ward ein schwacher Wachposten durch etwa 200 Mann entwaffnet. Auffallend ist es, daß bei Annäherung der Nacht die Ruhe an allen den Punkten wiederkehrte, wo sie am Tage gestört worden war. Um 7 Uhr schon war dieser Theil der Stadt . so still, wie sonst um Mitternacht; die Kaffeehäuser und Restaurationen wa⸗ ren geöffnet, wie gewöhnlich. Blos in einigen Straßen ist dem Publikum der Burchgang verwehrt. Wir hoffen, daß die jetzt hergestellte Ruhe morgen keine Störung erleiden wird.“

Nach dem Conservateur hatten die Meuterer den Wachposten auf den Elysäischen Feldern eingeschlossen und sodann das Haus an- gezündet; die Soldaten wurden jedoch bald durch eine Kavallerie⸗ Abtheilung befreit. Auch eines Postens an der Bank hatten sich die Meuterer auf kurze Zeit bemächtlgt. Von dort vertrieben, zogen sie vor Odilon Barrot's Wohnung, riefen laut, daß er sich zeigen solle, und warfen sodann einige Fenster ein. Die Stühle auf den Pro menaden der Elysäischen Feider wurden verbrannt. Noch meldet der Conservateur, daß gegen Mitternacht eine bei der Straße Trans⸗ nonain errichlete und von Meuterern, die Flinten trugen, vertheidigte Barrikade von den Truppen genommen wurde, die blos bei diesem Anlasse ihre Waffen brauchten, um das Feuer der Insurgenten zu iwie dern. Die Gazette des Tribunaux sagt: „Ueber die Zahl der Verwundeten fehlen uns genaue Angaben; man versichert uns jedoch, daß sie weder auf Seiten der Truppen noch auf jener der Nuhestö— rer so bedeutend war, als der Umfang der Ruhestörungen befürchten ließ. Die Verhaftungen waren zahlreich. Gestern Abend um 10 Uhr brachte eine starke Abtheilung der Nationalgarde 89 Gefangene nach dem Depot der Polizei- Präfektur, von wo sie noch in der Nacht auf die verschiedenen Gefängnisse des Seine⸗Departements ver⸗ theilt werden sollten. Auf dem Caroussel⸗Platze stehen mehrere Ka⸗ nonen. Der König hat bei Fackelschein im Tuilerieenhofe über die Linien-Truppen Heerschau gehalten.“ Den Angaben des Jour⸗ nal des Däbats widersprechend, melden die Oppositions-Jour⸗ nale, daß die Nationalgarde sich sehr saumselig gezeigt habe, dem Rufe zu den Waffen Folge zu leisten; von einer Legion, welche aus S000 Mann bestehe, seien nur 5514 auf der Mairie erschienen. Der Aufruf an die Nationalgarde sei übrigens erst spät am Nachmittage erfolgt, weil die Behörde gefürchtet habe, die Nationalgarde möge in den Ruf: „Es lebe die Reform! Nieder mit Guizot!“ ein⸗ stimmen. Während das Journal des Débats angiebt, den Waffenladen Lepage's habe die öffentliche Gewalt geschützt, behaupx ten andere Blätter, doß er halb oder ganz geplündert worden sei. Die Patrie versichert, daß ihr Berichteistatter zwei erschlagene Frauen gesehen habe; außerdem seien mehrere Personen getödtet und eine große Zahl verwundet worden. Der Nation al meldet, daß ein General, welcher der Barrikade in der Algierstraße nahe stand, beim Angriffe auf das Volk geholfen habe. Er sei sofort entwaffnet und ibm die Epauletten von den Achseln gerissen worden; zwei Munizipal⸗ Gardisten hätten ihn der Wuth des Volks entrissen. Der Natio⸗ nal berichtet auch folgenden Vorfall: „Die Kämpfenden haben gestern um 11 Uhr Abends die Straßen Tiquetonne, Bourg-l'Abbé, Gre⸗ netat und Transnonain der Reihe nach besetzt. Kaum dreißig oder vierzig hatten Waffen. Ihre Munitionen waren bald erschöpft. Der blutigste Kampf soll in einem Hause der Straße Beaubourg stattge⸗ habt haben, wo fünf Gefangene eingesperrt waren. Ihre Kamera⸗ den versuchten, sie zu befreien; ein Gewehr-Kampf auf Schuß weite soll zwischen den Munizipal⸗Gardisten und den Kämpfen— den stattgehabt haben. Ein Munizipal - Gardist wäre ge⸗ tödtet, ein anderer verwundet worden; ein junger Mensch

wurde gleichfalls getödtet, und die Gefangenen blieben in der Gewalt der öffentlichen Macht. Zwischen Mitternacht und 1 Uhr zerstreute sich der Rest. Die Reforme bezeichnet („und ziemlich richtig“, fügt das Journal des, D ébats hinzu)

die gestrige Bewegung, wie folgt: „Das ist, mehr als eine Emeunte; aber es ist keine Insurrection.“ Galigkani's Mes⸗ senger schlleßt seine heutigen Berichte mit Folgendem: „Alle verschiedenen Punkte der Hauptstadt, besonders die, wo die meiste Gefahr obwaltet, wurden heute Morgen von den Truppen besetzt. Um 12 Uhr wurden an allen Ecken der Straßen St. Denis, St. Martin und in anderen Vierteln Barrikaden errichtet; um diese Zeit hatte sich auch zwischen den Truppen und dem Pöbel ein Gefecht ent⸗ sponnen. An der Ecke der zwei Straßen Mandar und Montmartre ist ebenfalls eine Barrikade errichtet, hinter welcher sich mit Aexten und Flinten bewaffnete Männer befanden. Wir erfahren, daß viele National-Gardisten sich zu marschiren weigern, ausgenommen auf den Ruf: „Es lebe die Reform!“, und selbst in ihren Reihen wird die Marsellaise gesungen. In dem Viertel des Tempels hat die Menge zerbrochenes Glas auf die Straßen geworfen, um Kavallerie⸗Angriffe zu verhindern. Schaaren von Knaben ziehen in allen Richtungen mit Stöcken bewaffnet umher und zertrümmern die Gaslaternen. Die Omnibus haben ihre Fahrten eingestellt, und die meisten Läden in den Hauptstraßen sind geschlosen. IF den Elysäischen Feldern sind jetzt starke Kavallerie⸗Abtheilungen aufgestellt, welche Heu und Lebens— mittel empfangen haben; die Naätional-Gardisten zu Fuß und zu Pferde sieht man auf ihre Posten eilen. Aus dem Lande sind ansehnliche Truppen⸗Verstärkungen heute Morgen hier angelangt. Nachschrift. Wir erfahren so eben, daß die Offiziere der zweiten Legion der Na⸗ tional Garde in Masse nach den Tuilerieen gegangen sind.“ Das Schreiben, mittelst dessen unterm 18ten d. M. 92 Depu⸗ irte die an sie von der Bankett⸗Kommission ergangene Einladung angenommen hatten, lautete folgendermaßen:

Wir haben die Einladung empfangen, welche Sie zu dem Bankett des 121en Stadt-Bezirks an uns zu richten uns die Ehre erwiesen haben. Da das Ministerium in der Adreß-⸗Diskussion das Recht zu politischen Ver= sammlungen ohne vorherige Erlaubniß verneint hat, so sehen wir in dem Bankett ein Mittel, dieses verfassungsmäßige Recht gegen die Anmaßungen der Willkür zu behaupten und es fuͤr immer geheiligt zu machen. Wir be— trachten es daher als eine gebieterische Pflicht, der von Ihnen vorbe— reiteten gesehhlichen und friedlichen Manifestation uns anzuschließen und Ihre Einladung anzunehmen. Genehmigen Sie die Versiche⸗ rung unserer Hochachtung. (linterz) Abbatucti. Arago. D'Aragon Batot. Ballol. Baroche. Baron. Barrot (Ddllon). Beau— mont (Somme). Berger. Beihmont. Bigot. Bonnin. Brelonne. Bureaur de Puzg, Gambacer's., Carnot. Ghambolle. Convers. Cor dier. Courtais. Créèmieur. Creton. Darnaud. Delavau. Delespaul Demarçgay. Desjobert. Dolfus. Doublat. Drault Drouyn 6 Dubouchage. Dupont (de l'Eure). Durant⸗Romorantin Du solier Bu⸗ lier. Duvergier de Hauranne. FJarran. Faucher Harnier Pa 66. Gar- non. Gauthier de Rumilly. Gigon Labertrie. Gorrec inf. Bizoin Grammont. Guvet Desfontaines. Havin. Jouvencel. Junhen da e : (Georges) . Lafayette (Oscar). Lamartine. ara bit. Lasteprie Jer dinand), Lavalette (Mayenne). Legraverend deson ey i. n, Lestiboudois. Levavasseur. Vherbette. Luneau Maich ĩ . leville. Malgaigne. Mamuel. Marie. Marion. Man J Anz . Mathieu (Seine und Loire). M ö ; quis. Mathey. Seinch. Damont. hands Ide nnn, Maurat- Vallange. Moreau ö Taillandier. Taffel.. Tessie de la Moire. Thiard. enn * 1

Folgendes ist der vollständige Wortlaut des (bereits seinem we⸗ sentlichen Inhalt nach erwähnten) Programms, welches die Bankett Kommission unter der Ueberschrift „Reformistische Manifestation“ in den Opposttions⸗ Blättern publizirt und auf welches, als f ein gesetz⸗

e

widriges Manifest, das Ministerium bei Rechtfertigung seiner das Bankett getroffenen Maßregeln besonders e ., hat: gegen

„Die mit der Organisation des Banketts des 12ten Arrondissements beauftragte General- Kommission glaubt noch einmal erinnern zu müssen, daß die auf Dienstag, den 22sten d., festgesetzte Manifestation die gesetzliche und friedliche Ausübung eines constitutionellen Rechtes, des Rechtes der politischen Versammlungen, ist, ohne welche eine Repräsentativ⸗ Regierung nur einen lächerlichen Wahn zum Gegenstande hat. Da das Ministerium auf der Tribüne erklärt und behauptet hat, daß die Ausübung dieses Rech— tes von der Willkür der Polizei abhänge, so haben die Deputirten der Op- position, Pairs von Frankreich, ehemalige Deputirte, Mitglieder des Gene— ral · Conseils des Departements, Gerichts- Beamte, Offiziere, Unteroffi= ziere und Soldaten der National- Garde, Mitglieder des Central -⸗Wahl— Comité's, Redacteure der pariser Journale, die an sie ergangene Einladung, an der Manifestation Theil zu nehmen, angenommen, die dazu bestimmt ist, gesetzlich gegen eine ungesetzliche und willkürliche Anmaßuug zu protestiren. Da es natürlich vorauszusehen ist, daß diese öffentliche Protestation eine bedeutende Mitwirkung von Bürgern herbeiführen kann, da man auch annehmen darf, daß die National-Garden von Paris, ihrem Wahlspruche: Freiheit und öffentliche Ordnung! treu, bei dieser Gelegenheit diese doppelte Pflicht erfüllen werden, daß sie, indem sie sich der Manifesta— tion anschließen, die Freiheit vertheidigen, die Ordnung beschützen und jeden Zusammenstoß durch ihre Gegenwart verhindern werden wollen, daß es da— her, in der Voraussicht einer zahlreichen Versammlung von National- Garden und Bürgern, schicklich erscheint, Veifügungen zu treffen, die jede Ursache von Unruhen oder Unordnung entfernen, so hat die Kom— mission gedacht, daß die Manifestation in jenem Theile der Stadt statitfinden müsse, wo die Breite der Straßen und die Größe der Plätze der Bevölkerung erlauben, sich ohne Gedränge zu versammeln. Zu diesem Zwecke werden sich die Deputirten, die Pairs von Frantreich und die an— deren zum Bankette eingeladenen Personen Tienstag, am 22. d., um 11 Uhr Vormittags, an dem gewöhnlichen Zusammenkunsts-Orte der parlamenta rischen Opposition (bei Herrn Odilon Barrot, Nr. 2 Place de la Made— leine) versammeln. Die Theilnehmer an dem Bankette, die der National⸗ gaide angehören, sind gebeten, sich vor der Madeleine-Kirche zu versam meln und Spalier zu bilden, in dessen Mitte sich die Eingeladenen be finden werden. Der Zug wird von den an der Manisestation theil— nehmenden Stabs- Offlzieren der Nationalgarde geführt. Nach den Eingeladenen und den Substribenten des Bankettes kommen die Offiziere der Nationalgarde. Hinter diesen die Nationalgarden in Kolon— nen nach der Nummer ihrer Legionen. Zwischen der dritten und vierten Kolonne kömmt die Rechts- und Medizin⸗-Schule, geführt von ihren Kom— missarien, dann die übrigen Nationalgarden von Paris und der Bannmeilke. Der Zug setzt sich um 11 Uhr in Bewegung und nimmt seinen Weg über den RKonkordien-Platz durch die Elysäischen Felder nach dem Orte des Banketts. Die Kommission, überzeugt, daß diese Manifestation um so wirk- samer sein wird, als sie ruhig, um so imposanter, als sie selbst jeden Vorwand zu Unordnungen vermeiden wird, ladet die Bürger ein, sich aller Rufe zu ent- halten, weder Fahnen, noch äußere Zeichen zu tragen, sie ladet die theilnehmen— den Nationalgard en ein, ohne Waffen zu erscheinen, es handelt sich hier um eine

gesetzliche und friedliche Protestation, die besonders durch die Zahl und die

feste und ruhige Haltung der Bürger mächtig sein muß. Die Kommission hofft, daß bei dieser Gelegenheit sich Jedermann als ein mit Aufrechthal— kung der Ordnung beauftragter öffentlicher Beamter betrachten wird, sie ver= traut auf die Anwesenheit der Nationalgarde, auf die Gesinnungen der pa⸗ riser Bevölkerung, welche die Freiheit mit dem Frieden will, und die wohl weiß, daß, um die Aufrechthaltung ihrer Rechte zu sichern, sie nur einer friedlichen Demonstration bedarf, wie sie einer aufgeklärten, gebildeten Na tion geziemt, die das Bewußtsein der unwiderstehlichen Gewalt ihrer mora— lischen Kraft hat, und die sicher ist, ihre gerechten Verlangen durch den ge— setzlichen und ruhigen Ausdruck ihrer Meinung durchzusetzen.“

Die erste kurze Erklärung, welche gleich nach dem gestrigen Schluß der Kammersitzung von sämmtlichen Deputirten der Opposition, die sich sofort in die Wohnung Odilon Barrot's begeben hatten, un terzeichnet wurde, ehe ihre längeren (gestern mitgetheilten) Beschlüsse abfaßt und publizirt wurden, war folgenden Inhalts:

„Da die Opposition, welche sich bei Herrn Odilon Barrot ver— sammelt hat, weder direkt noch indirekt die Verantwortlichkeit für die Folgen übernehmen will, welche aus den nenen heute von der Regie— rung angenommenen Maßregeln entspringen könnten, so hat sie be— schlossen, sich nicht zu dem Bankett zu begeben. Sie beschwort die guten Bürger, sich jeder Versammlung und jeder Manifestation zu enthalten, welche Gewaltthaten zum Vorwand dienen könnte. Die ganze Oppesition begreift aber auch, daß die neuen Beschlüsse des Ministeriums ihr neue und schwere Pflichten auferlegen, welche sie zu erfüllen wissen wird.“

Folgendes ist die erwähnte Verfügung, mittelst welcher vom Polizei⸗Präfekten das Verbot des Banketts aus gesprochen und be— gründet wurde:

„Nach Einsicht der Erklärung, die uns in Bezug auf ein Ban— kett gemacht worden ist welches am Dienstag den 22. Februar d. J. um Mittag in einem in der Versailler Eisenbahnstraße gelegenen o kale stattfinden soll; nach Einsicht (folgt die Anführung der betreffenden Gesetze und Verordnungen von 1796, 1791, 1800, 1830 und 1831 so wie des Art. 471, Nr. 165, des Strafgesetzbuches; in Be tracht, daß nach öffentlicher Notorietät eine große Anzahl Personen an dem oben erwähnten Bankett, für welches Commissaire ernannt und öffentliche Unterzeichnungen auf dem Wege der Presse veranlaßt sind, Theil nehmen wollen; in Betracht ferner, daß unter den gegenwärtigen Umstän— den die Versammlung und das Bankett geeignet sind, die gute Ordnung und die öffentliche Ruhe zu stören, haben wir beschlossen und beschlie ßen, wie folgt: Art. 1. Die Versammlung und das Bankett, welche oben erwähnt, sind verboten. Art. 2. Die gegenwärtige Verfügung soll den Betheiligten mitgetheilt werden. Art. 3. Es sollen alle Maßregeln getroffen werden, um die Ausführung der gegenwärtigen Verfügung zu sichern. Gegeben zu Paris, den 20. Februar 1848. Der Pair von Frankreich und Polizeipräfekt, Delessert.“

In einer zweiten Verfügung der Polizeipräfektur werden die Be stimmungen der Polizei-Verordnung vom 13. Juli 1831 gegen Zu— sammenrottirungen neu eingeschärft.

Der gleichzeitig mit dem Erscheinen dieser Polizei⸗-Verfügungen am 22sten Nachmittags publizirte, an die National-Garde gerichtete Tagesbefehl lautete folgendermaßen:

„National-Garden des Seine-Departements! So lange die Manifestation, welche sich vorbereitet, keinen direkten Aufrüf an Eure Mitwirkung und Stütze erließ, habe ich Euch nicht daran erinnern wollen, in welche Gränzen das Gesetz Eure Rechte und Pflichten geschlossen, weil Ihr nun, seit siebzehn Jahren, nie auf gehört habt, zu beweisen, daß Ihr Euch der einen wie der anderen bewußt seid, und weil Ihr sie nie verletzt. Jetzt aber, wo man Euch irre zu leiten sucht im Namen eben deiselben Gesetzlichkeit, deren Aufrechthaltung Eurer Hingebung und Eurem Patriotismus anver⸗ traut ist, wo Männer, die Euch fremd sind, Euch zusammenrufen und die Rechte Eurer Chefs sich anmaßen, muß ich laut gegen diese Beleidigung protestiren, und im Namen des Geseßes wende ich mich an Euch. (Folgt der Text der Art. 1, 7 und, 93 des Gesetzes vom 22. März 1831 über die Nationalgarde, worin derselben ihr Beruf vorgezeichnet und ihr zugleich gesagt ist, daß jede Berathung der Nationalgarde über Staats⸗= Departemental⸗ und Kommunal- Ange⸗ legenheiten ein Angriff auf. die öffentliche Freiheit, ein Vergehen

egen das Gemeinwohl und die Verfassung sei, und daß sie sich ohne Befehl ihrer unmittelbaren Vorgesetzten nicht bewaffnen oder, als Rationalgarde versammeln dürfe, ein solcher Befehl aber von ihren Oberen nur auf Nachsuchen der Civil-Behörden gegeben werden könne.) Wenige unter Euch werden sich ohne Zweifel geneigt zeigen, sich zu einem strafbaren Schritte verleiten zu lassen, aber ich möchte ihnen sowohl den Fehltritt als die Reue ersparen, ihre kleine Zahl inmitten der z, 00 Nationalgarden zu zählen, aus denen Eure Legionen bestehen.

gestern auf den

Im Namen des Gesetzes also beschwöre ich Euch, das Vertrauen des Landes nicht zu täuschen, welches Eurer Hut die Vertheidigung des constitu⸗ tionellen Königthums und der gesetzlichen Ordnung anvertraut hat. Ihr werdet eben so wenig die Stimme Eures Ober Befehlshabers mißkennen wollen, der Euch nie mißbraucht hat. Ich zähle auf Eure Einsicht und Euren Patriotismus, wie Ihr immer auf meine Loyali⸗ tät und meine Hingebung rechnen dürft. Paris, 21. Februar 1848. Der General-Lieutenant, Pair von Frankreich und Ober- Befehlshaber, Jacqueminot. Für gleichlautende Abschrift: Der General-⸗Major und Chef des Generalstabes, Carbonell. .

Um! eine Vorstellung von der Anarchie zu geben, die in dem Lager der Opposition herrsche, wo, wie das Journal des De bats sich ausdrückt, die Soldaten befeblen und die Führer gehorchen, theilt Lies Blatt folgende Bekanntmachung des Wahl Ausschusses aus dem 2ten Bezirke der Hauptstadt mit: „Die Mitglieder des Wahl= Ausschusses der Opposition aus dem 2ten Bezirke, nachdem sie in Erfahrung gebracht, daß die Abgeordneten „von der Spposttion sich entschieden haben, bei dem Bankett des 12ten Bezirks nicht zu erscheinen, haben einmüthig beschlossen wie folgt: Der 2te Bezirk drlickt durch sein Organ sein Befremden darüber aus, daß die gefaßte Entschließung nicht gleichzeitig mit dem Austritt der Abgeordneten der Opposition aus der Kammer gefaßt worden, und ersucht die Abge— orbneten der Opposition, ihre Abdankung unverzüglich einzureichen, ein Schritt, der allein in diesem Augenblicke die öffentliche Meinung zu befriedigen im Stande ist. Nach der Presse wurde auch der vorgestrige Beschluß der Oppositions-Deputirten keinesweges ein⸗ müthig gefaßt. Mehrere Pairs, welche ihnen für den Augenblick angehören, nämlich der Herzog von Harcourt, Graf d'Alton Shee und von Boissy, und 18 Deputirte (worunter Dupont de l'Eure, Lher— bette, Lasteyrie, Lamartine und Duvergier de Hauranne) waren ge gen die Aufgebung des Banketts, und Lamartine insbesondere drang darauf, daß die Opposition ihren Akt „gesetzlicher Protestation“ durch Aus⸗ übung des Versammlungsrechts sortsetzen solle. In einer am Abend gehal⸗ tenen Konferenz war auch wirklich die Opposition zur Abhaltung des Ban⸗ ketts entschlossen, als ihr von den Bankett-Kommissarien angezeigt ward, daß sie selbst den Versammlungsort geschlossen hätten, und daß das Bankett nicht statthaben werde. Obige Angaben der Presse wer— den vom Courrier frangais bestätigt. Andererseits berichtet der Commerce von verschiedenen Zustimmungs-Adressen, welche der Bankett⸗Kommission aus Valenciennes, Tours, Nancy, Arras und St. Omer (Pas de Calais) zugekommen seien. Alle erklärten das Recht der freien Versammlung für ein jedem freien Volke wesentliches Recht. Aus Averon en Comte schreibe man, das platte Land ahme den Städten nach; der dortige Kanton unterzeichne so eben gleichfalls eine Adresse an die Deputirten der Opposition, wobei die Mitglieder des General-⸗Conseils an der Spitze ständen.

Im Minister-Rath soll heute Rede davon gewesen sein, den Pairshof zusammenzuberufen, um über die während der Emeute verhaf⸗ teten Personen zu richten. Die gestrige Zusammenberufung der Na— tionalgarde zum Schutz der öffentlichen Ruhe und Sicherheit soll an⸗ geblich gegen den Willen des Herrn Guizot erfolgt sein. Der Kö⸗ nig soll eine Proclamation an die pariser Bevölkerung haben richten wollen, doch sei man von diesem Gedanken abgekommen.

In vielen Werkstätten von Paris hatten vorgestern die Meister ihren Gesellen erklärt, daß diejenigen, welche gestern nicht zur Arbeit kommen würden, sich als entlassen zu betrachten hätten.

Der Direktor der Bank von Frankreich gab vorgestern Abend den Befehl, alle Baarschaft, Banknoten und sonstige Effekten, die nicht für den unmittelbaren Dienstbedarf der verschiedenen Kassen er⸗— forderlich seien, in die Gewölbe zu schaffen; auch ward der Wacht⸗ posten am Thore der Bank verstärkt.

An der gestrigen Börse wurden fast keine Geschäfte gemacht; Alles war mit den Vorgängen auf dem Madeleine-Platze und in den Elysäischen Feldern beschäftigt. Die Course haben sich indeß ziemlich gut gehalten, sowohl die der Renten, als die der Eisenbahn-AUetien. Letztere hatten sogar eine Neigung zum Steigen. An der heutigen Boͤrse stockten die Geschäfte immer noch. Die Course der Rente konnten sich nicht auf dem gestrigen Standpunkte halten.

Paris, 23. Februar. Ich nehme meinen Bericht über die Vorgänge des Augenblicks wieder auf, wo ich ihn gestern ab⸗ brechen mußte, nämlich um 5 Uhr gestrigen Abends. Vor Allem muß ich, um den Charakter dieser Auftritte festzustellen, sagen, daß es den Ruhestörern offenbar an aller Leitung fehlt, jeder Haufe handelt auf eigene Faust, und daher so unsinnige Versuche, wie die Errich⸗ tung von Barrifaden in so breiten Straßen wie die Rue Rivoli, St. Honoré, Vendome und die Boulevards. Vor den Kirchen St. Noch und Ascension in der Rue St. Honoré suchte man, wie vor dem Marine-Ministerium auf dem Konkordienplatze, die eisernen Gitter mit Beilen abzuschlagen; nur an den beiden letzteren Orten gelang es zum Theil. Mehrere Waffenmagazine sind geplündert worden; das des Herrn Lepage in der Rue Richelieu, gegenüber dem Theatre frangais, wurde von Leuten angegriffen, die mit Säbeln bewaffnet waren, einen Omnibus anhielten, die Pferde ausspannten, die Passa—⸗ giere aussteigen hießen und dann die Deichsel des Wagens mit Ge— walt gegen die verschlossenen starken Fensterläden stießen, so daß diese und die Thür eingesprengt wurden. Die Ruhestörer wurden aber plötzlich von einer Abtheilung Linie im Rücken genommen, und viele von ihnen verhaftet. Daß irgendwo Jemand getödtet wor⸗ den wäre, wie die Gerüchte sagten, bestätigt sich nicht. Unpar— teiische Angaben sind um so nöthiger, je mehr die Blätter beider Parteien die Thatsachen entstellen. Noch Nachmittags war ein Haufe junger Leute, an deren Spitze einer mit einem gezogenen Degen ging, im Faubourg St. Honoré von Bürgern selbst auseinanderge⸗ jagk, nachdem einer von diesen den Muth gehabt hatte, den Führer zu packen und dessen Degen zu zerbrechen. Richtig ist, daß man wieder überall jenen sinsteren Gesichtern begegnet, weiche Unglücks— vögeln gleich aus ihren Verstecken immer nur hervorzukommen schei⸗ nen, wenn es Unruhen giebt. Die Haufen rufen, wie dies auch früher immer bei solchen Anlässen geschah, der Linie zu, in der thö⸗ richten Hoffnung, sie für sich zu gewinnen; dies Manöver verfehlt aber seinen Zweck und erbittert die Soldaten nur, wie allerseits schon jetzt ihre Aeußerungen zeigen. Dieselben beweisen eine durch Festig⸗ keit wie durch Mäßigung gleich bewundernswerthe Haltung. Bemer— kenswerth ist, daß nirgens ein eigentlich revolutionairer Ruf ertönte, weder gegen den König und seine Dynastie, noch gegen die Staats⸗ verfassung; nur zweierlei Nuf hat man überall gehört: Reform und Entfernung Guizot's. Daß in den meisten Quartieren, zu⸗ mal in den zunächst bedrohten, die Läden sich schlossen, ist natürlich; dasselbe war von 4 Uhr an mit dem Palais Royal und den Passa⸗ gen in der Stadt der Fall. Die bis jetzt aufgebotene Militairmacht ist , , gering: es mögen kaum über 12 15,000 Mann einen gewesen sein.

Ich habe gestern, nachdem ich Ihnen noch ein letztes Wort ge— schrieben, einen großen Theil der Stadt durchwandert; überall 6 ich Bewegung, die aber mehr Angst und Besorgniß, als Absicht Bär Betheiligung an den Unruhen ausdrückte. Nur die Haufen der Din tn g nner zeigten eine meist zweideutige, oft drohende Haltung. 53 6 begann man den Generalmarsch für Zusammenberufnng

ationalgarde zu schlagen. Die Trommler derselben waren von

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Abtheilungen von etwa 50 Mann zu ihrem Schutze begleitet; fast überall folgten ihnen und umdrängten sie Haufen von meist jungen Leuten, welche sie durch Zischen, Pfeifen auch Schmähungen zu reizen suchten. Einer solchen Abtheilung Nationalgarde in der Gegend des Palais Royal ging es so, und um einen zu vermei⸗ den, stimmte dieselbe in die von dem Haufen gesungene Marseillaise mit ein. Von jeder Legion hatten zwei Bataillone, und diefe nicht vollständig, im voraus Befehl zum Ausrücken erhalten, wenn der Generalmarsch geschlagen werde. Die Offziere erschie⸗ nen überall augenblicklich, die Nationalgardisten nur allmälig. Gegen 7; Uhr war übrigens doch schon eine ziemlich starke An⸗ * auf den verschiedenen Sammelplätzen versammelt, wo sie auch trotz des manchmal ziemlich starken Regens bis spät nach Mitternacht versammelt blieben. Vor mehreren dieser Plätze hatten sich Volkshaufen gesammelt, namentlich vor dem Börsenplatze in der von dort in die Rue Richelieu führenden sehr breiten Börsenstraße, von wo aus fortwährend Geschrei und Zischen gegen die Narional⸗ garde ertönte. Auf dem Platze des Victoires, wo die Reiter⸗Bild⸗ säule Ludwig's XIV. sich befindet, stand ein anderes Bataillon, gleich= salls von der dritten Legion. Am zahlreichsten waren die Bataillone der 1sten, ten und 10ten Legion erschienen; die der 9gten durchzogen in fester Haltung, den Obersten der Legion an der Spitze, den Faubourg St. Antoine im Vereine mit der Sten Legion. Auf die Linie machte dieses allseitige Auftreten der Nationalgarde sehr guten Eindruck.

Der Tuilerieengarten war schon zeitig Nachmittags geschlossen worden. Auf dem Carrousselplatz und im Hofe vor den Tuilerieen hatten sich bei anbrechender Nacht starke Truppenmassen aller Waffen⸗ gattungen, besonders Infanterie, mit einer Batterie Geschütze kon⸗ zentrirt und bivouakirten da die Nacht hindurch. Der Herzog von Nemours kam Abends noch aus dem Schlosse herab, stieg zu Pferde und durchritt die Reihen der Soldaten, die ihn mit dem leb— haftesten Zurufe empfingen. Etwa zu gleicher Zeit, zwischen 8 und 9 Uhr Abends, wurde aber in einem entfernten Quartiere, in der Gegend des Lurembourg, noch ein Waffenmagazin von einem Haufen junger Leute, die meist aus Studenten und Arbeitern bestanden, angefallen und geplündert. Dieselben waren aus der Gegend des Pantheon gekommen und zuerst vor die polvytechnische Schule gezogen, wo sie wie gewöhnlich sangen, schrien, Straßenlater⸗ nen und Fenster einwarfen. Dort war es, wo ein Theil der Stu⸗ denten den Vorschlag gemacht haben soll, zu Odilon Barrot zu ziehen (der es, nebenbei gesagt, so ziemlich mit allen Parteien verdorben hat, außer mit seinen getreuen Schildknappen der Linken) und den— selben für seine „Feigheit und seinen Verrath“, wie man es nannte, an die Laterne zu knüpfen. Die Ausführung dieses Projektes wurde indeß durch die getroffenen Vorkehrungen der Behörden unmöglich gemacht.

Inzwischen dauerten die Zusammenrottungen auch auf anderen Punkten fort, und namentlich in der Rue St. Honoré, auf einem Theile der Boulevards und in den engen winklichten Straßen der Quartiere St. Denis und St. Martin. In der Rue St. Honoré hatte man schon während des Nachmittags mehrere Versuche zu Errichtung von Barrikaden gemacht, desgleichen in der Rue Croix des Petits Champs, wo diese in die Nue St. Honoré ausmündet. Alle diese Versuche waren vereitelt worden. Aber den ganzen Abend bis Mitternacht hörte man von Zeit zu Zeit Haufen die Mar seillaise, den Chant du Depart, die Parisienne anstimmen, auch da und dort Straßenlaternen einwerfen. Die schwächeren Patrouillen der Linie und Munizipalgarde zu Fuß zogen durch diese Haufen, blos um die nächsten Reiterabtheilungen zu unterrichten. Diese sprengten dann plötzlich heran und säuberten die Straße für einige Zeit, und das wiederholte sich fünf bis sechsmal. Am Ausgange der Rue de l'Arbre sec in die Rue St. Honors, wo jene auch sehr breit ist, wurde Abends plötzlich ebenfalls durch Aufreißung des Straßenpflasters und einige in der Schnelligkeit umgestürzte Wagen eine, Barrikade errichtet. Aber da kam eine starke Abtheilung der Ften Legion der Nationalgarde (in welcher die radikale Opposition die meisten Anhänger zählt) herbei und vertrieb die Meuterer mit großer Entschlossenheit und in wenigen Augenblicken. Gegen 10 Uhr traf das 6te Bataillon der Jäger von Vincennes auf dem Platze des Victoires ein, wo es zu dem Bataillon der Zten Legion der Nationalgarde stleß, und beide vereint hielten die Ordnung in dem umliegenden Quartier vollkommen aufrecht. Inzwischen hatten sich einige Haufen von Meuterern in die engen Straßen des Quar⸗ tiers St. Denis geworfen, die bei allen früheren Emeuten schon der Hauptschauplatz der Unruhen gewesen waren. Die dort errichteten Barrikaden in der Rue Transnonain und in der Rue Bourg l'Abbé wurden gegen 11 Uhr genommen, aber es kam da zu Flintenschüssen. Es scheint jedoch bei der Wegnahme Niemand verwundet worden zu sein. Zu Batignolles war der aus 10 bis 12 Mann bestehende Wachtposten an der Barriere Clichy gleich dem Posten der Doua⸗ niers plötzlich gegen Abend von einem Haufen Meuterer über⸗ fallen und entwaffnet worden. Diese hatten schon begonnen, die Zollregister zu verbrennen, als sie plötzlich ihrerseits von der Natio— nalgarde von Batignolles überfallen und übel mitgenommen wurden, so daß sie die Flucht ergreifen mußten. Einige sollen gefangen worden sein. Bis nach Mitternacht dauerte der Regen sort, aber nach 1 Uhr klärte der Himmel sich auf und blieb hell und wolkenlos bis zum Morgen.

Gewarnt durch die gestrigen Vorgänge, hatte die Regierung sich veranlaßt gesehen, Vorsichtsmaßregeln in größerem Umfange zu er⸗ greifen, um der Wiederherstellung der Ruhe und Ordnung in möglich kürzester Zeit sicher zu sein. Vom frühen Morgen an sah man ins⸗ besondere starke Kavallerie⸗Massen sich entwickeln und die Plätze und Straßen besetzen, die strategisch am wichtigsten sind. Die Linien⸗ Infanterie und die Truppen überhaupt, welche die Nacht über auf dem Carrousselplatze und im Tuilerieenhofe bivouakirt hatten, zogen in festgeschlossener Haltung, trotz der ausgestandenen Strapatzen, in ihre Quartiere zurück und wurden durch andere abgelöst. Von allen Seiten aus der ganzen Umgegend rücken noch neue Truppen in Paris ein, und namentlich erreicht die Kavallerie, welche gestern schon so große Dienste geleistet hatte, dadurch eine außerordentliche Stärke. Um 8 Uhr schon sah man wieder starke Patrouillen auch von Nationalgarde zu Pferde nach allen Richtungen die Stadt durchstreifen. Um 9 Uhr wurde der Rappell geschlagen für die Nationalgarde, von welcher aber⸗ mals je zwei Bataillone auf die Legion zu erscheinen befehligt waren. Dieselben erschienen heute schon weit zahlreicher, als gestern Abends, und zeigen überall eine imponirende Haltung. Um 11 Uhr war der Konkordienplatz von zwei Escadrons Kürassiere und einem Bataillon der Linie besetzt worden. Kurz darauf trafen eben daselbst auch die zwei sehr starken Bataillone der 1. Legion ein und nahmen gleichfalls Stellungen ein. Die Bataillone jeder Legion besetzten die anderen Punkte ihrer betreffenden Arrondissements. In den Elysäischen Fel⸗ dern stehen gleichfalls starke Abtheilungen Kürassiere und Dragoner. An der nahen Barriere de l'Etoile war dort gestern von einem Haufen ein Versuch gemacht worden, das Zollhaus in Brand zu stecken. Auch heute bleibt der Carrousselplatz stark besetzt. Um 12 Uhr rücken an der Deputirtenkammer abermals ein Regiment Kürassiere und zwei Batterieen Artillerie vorüber, dem Konkordienplatze zu, wie es scheint ins Innere der Stadt. Gegen 10 Uhr hatten sich Massen von Blousenmännern wieder dem Konkordienplatz und der Madeleine

zugewendet, fanden aber da Alles so vorbereitet, daß sie wieder um⸗ lehrten. Inzwischen hatten schon seit 19 Uhr Morgens abermals die Unruhen im Quartier Saint Denis und an der Bastille begonnen. Aber die widersprechendsten Gerüchte sind darüber im Umlauf. Eine Abtheilung der Sten Legion der Nationalgarde soll sich zwischen die Truppen und die Ruhestörer gestellt haben, um einen Zusammenstoß zu verhindern, aber dabei den Ruf haben ertönen sassen: Es lebe die Reform! Aehnliches erzählt man von einer Abtheilung der 11ten Legion, die in der Rue St. André des Arts und auf dem Platze St. Michel die bewaffnet erschienenen Studenten zwar auch am Vorrücken aufgehalten, aber dabei gleichfalls den Ruf: Es lebe die Reform! angestimmt haben soll. Als man diesen Ruf zu verhindern suchte, wären die Nationalgardisten aus einander- und heimgegangen. Daß einzelne solche Fälle vorkommen, ist sehr wahrscheinlich, und wenn dieser Theil der Nationalgarde das Feld räumt, so ist dies eher nützlich als schädlich, denn ein zwei⸗ deutiges Verhalten in der Uniform der Nationalgarde ist schlimmer, als wenn sie gar nicht erschiene. Die Majorität hat bis jetzt sehr guten Sinn gezeigt.

Im Quartier Beaubourg sollen auch wieder Barrikaden errichtet sein und man sich bereits geschlagen haben, so daß es Todte und Verwundete gab. Indessen läßt sich darüber noch nichts verbürgen, denn die Nachrichten lauten noch zu widersprechend. Man erzählt auch von Kämpfen in der Rue Philippot, wo die Munizipalgarde sehr energisch gekämpft hätte. Sicher ist, daß die Arbeiter auch heute größtentheils feiern, die Werkstätten leer stehen und die Straßen voll von Leuten sind, die mehr oder weniger verdächtig aussehen. Es regnet von Zeit zu Zeit, manchmal sind schon wahre Platzregen ge⸗ fallen. Daß dieser Zustand nicht lange fortdauern kann, ist klar und wird von Jedermann anerkannt, er wäre der Ruin von Tausen⸗ den. Darum muß man der Regierung Dank dafür wissen, daß sie mit größter Energie die Wiederherstellung der Ordnung erstrebt. Die Emente wird der Opposition einen sehr schlechten Dienst geleistet ha⸗ ben, Alles läßt schon jetzt fast mit voller Gewißheit darauf schließen. Die Erbitterung der Massen gegen Odilon Barrot und seinen Anhang ist fast nicht minder groß, als die gegen Guizot.

Heute hatte die Ste Legion der Nationalgarde den Dienst in der Kammer. Als die Sitzung begann, etwa um 16 Uhr, waren noch erst wenige Deputirte zugegen. Das Gesetz über die Bank von Bor⸗ deaur ist an die Kommüission zurückverwiesen worden. Die Vorgänge des Tages beschäftigen alle Gemüther, und die Deputirten sind im lebhaftesten Gespräche. Man vernimmt, der Wagen, welcher die Secretaire der Kammer herbeiführen sollte, sei in der Rue Nam⸗ buteau den Meuterern in die Hände gefallen, die ihn zu einer Bar⸗ rikade in einer anliegenden Straße benutzten. Herr Guizot ist um 13 Uhr ebenfalls angekommen und zeigt eine sehr sichere, vertrauens⸗ volle Haltung. Man erzählt sich, es seien gestern allerdings einige Leute getödtet worden. Herr Vavin will eben gegen 3 Uhr Inter- pellationen über die Vorgänge in Paris an den Minister richten. Auch an anderen Punkten von Paris zeigen sich Haufen von Natio⸗ nalgardisten mit dem Rufe; Es lebe die Reform! Man schlägt sich auf mehreren Punkten. Scenen arger Plünderung sind in mehreren Quartieren vorgefallen. Die Aufrührer zeigen trotz der entwickelten Truppenmacht eine außergewöhnliche Keckheit. In der Rue du Petit⸗ Earrcau sollen zwei Militairs, darunter ein Offizier, geblieben sein.

Daß man sich unter diesen Umständen in der Kammer wenig mit dem Bankgesetze von Bordeaux beschäftigt, läßt sich denken. In der That wurde dasselbe an die Kommissson zurlckverwiesen. In⸗ zwischen kündigte man Interpellationen an, welche Herr Vavin, De⸗ putirter des 11. Arrondissements von Paris, in seinem Namen und in dem aller seiner Pariser Kollegen in Betreff der Vorfälle in der Hauptstadt an das Kabinet richten will. Noch ehe aber diese gestellt waren, trat ein sehr gewichtiger folgenschwerer Zwischenfall ein. Eine große Anzahl bewaffneter Nationalgardisten mit Offizieren an der Spitze kam mit einer an die Kammer zu übergebenden Reform⸗Peti- tlon herangezogen. Darin lag eine schreiende Verletzung des Ge⸗ setzes. Der Kriegsminister General Trezel setzte sich sogleich an die Spitze des bei der Deputirtenkammer aufgestellten Bataillons der 1 ten Legion der Nationalgarde, und rückte mit demselben den von großer Volksmasse begleiteten Nationalgardisten entgegen. In einer auf der Brücke an sie gehaltenen Anrede hielt er ihnen iht gesetz⸗ widriges Verfahren vor und erklärte, ihnen den Weg versperren zu wollen. Inzwischen kamen die Herren Odilon Barrot und einige andere Oppositionsdeputirte heraus und nahmen die Petition, welche sie der Kammer vorlegten, worauf der Haufen zurückzog.

Auf die dann erfolgenden Interpellationen des Herrn Vavin gab Herr Guizot nur die Erklärung, daß das Kabinet seine Abdankung dem König überreicht und dieser den Grafen Molé mit Bildung eines neuen Kabinets beauftragt habe. Es sollen sogar schon Combinationen für die Zusammensetzung des neuen Ministeriums im Werke sein, man spricht von Billault, Dufaure und ihren Freunden, nichts von Herrn Thiers. Die Aufregung, welche diese Erklärung des Herrn Guizot in der ganzen Kammer her⸗ vorbrachte, läßt sich unmöglich beschreiben. Die Herren Odilon Barrot, Dupin und Cremieux nahmen noch das Wort. Aber der Lärm war so arg, daß man nur wenig verstehen konnte vor den fortwährenden Unterbrechungen und dem fast wüthenden Geschrei von allen Seiten. Man glaubte sich in die schlimmsten Zeiten der Revolution zurückversetzt. In welchem Sinne die drei genannten Redner gesprochen, brauche ich kaun zu sagen. Die Sitzung schloß um 4 uͤhr. Wir wollen hoffen, daß die sehr kritisch gewordene Lage durch diese neue Wendung der Dinge durch den Rücktritt des Herrn Guizot und seiner Kollegen sich auf eine befriedigende Weise löse, und daß zumal die gräuliche Anarchie aufhöre, die gegen⸗ wärtig in moralischer wie in materieller Beziehung hier herrscht. Morgen wird nach dem heut gefaßten Kammerbeschlusse der Antrag auf Versetzung des Ministeriums in Anklagestand in den Büreaus zur vorläufigen Besprechung kommen, obgleich die Opposttion Verschiebung der Sache unter den geänderten Umständen verlangt hatte.

Großbritanien und Irland.

London, 23. Febr. Die Gazette enthält die Anzeige, daß die Königin einen Congé d'elire wegen Erwählung des Dr. Sumner, Bischofs von Chester, zum Erzbischof von Canterbury erlassen habe. Gestern hielt Ihre Majestät im Buckingham ⸗Palast Hof und er⸗ theilte dem Bischof von Chester eine Audienz. .

Die Parlaments- Verhandlungen der beiden letzten Tage zeigen die Verlegenheiten des, Ministeriums in Folge der ziemlich allgemein ausgesprochenen Unzufriedenheit mit dem vorgelegten Finanzberichte und der in demselben enthaltenen Erhöhung der Einkommensteuer. In der vorgestrigen Sitzung des Unterhauses kündigte nämlich der Schatzkanzler, als die Berathung des Marinebudgets statt⸗ finden sollte, die Absicht der Regierung an, auf die Einsetzung eines geheimen Comité's anzutragen, welchem das Militairbudgel zur Prü⸗- fung! vorgelegt werden soll und ließ sich besonders an gelegen sein, zu le f. daß Lord John Russell's Rede keine kriegerische Tendenz des Kabinets enthalte. Herr Hume widersetzte sich mit mehreren Rednern der Geheimhaltung der Verhandlungen eines solchen Finanz⸗ Comité's, wogegen Lord John Rassell sich auf mehrere ähnliche Präcedenzfälle unter Sir R. Peel's Verwaltung berief, die